Luciana Bradley und der Orden des Phönix von Picadelly ================================================================================ Kapitel 13: Das Serum --------------------- Das Serum     Azrael kehrte in dieser Nacht nicht mehr zurück. Und auch am Morgen, als dutzende von Eulen in die große Halle geflogen kamen, um den Bewohnern des Schlosses die Post zu bringen, konnte sie keinen Falken darunter ausmachen.      Der Zauberkunstunterricht verging überraschend schnell. Luciana lag mit den Zaubersprüchen weit hinter den anderen und hatte somit alle Hände voll zu tun, nicht nur die Aufgabe der heutigen Stunde zu üben, sondern erst einmal die einfachsten Grundlagen zu wiederholen. Wofür man allerdings einen Aufrufezauber benötigte, war ihr schleierhaft. Sicherlich mochte ein Accio bequemer sein, als immer und immer wieder aufstehen zu müssen, aber führte so eine Faulheit nicht kurz über lang zu einer Überschwemmung von Fettleibigen in der Zaubererwelt? Auf der anderen Seite hatte sie auch noch nie etwas von einem McMagicDonalds gehört, so schien sich das Ganze dann wohl auszugleichen.      Als die Klasse zum Verwandlungsunterricht lief, rieb sich Luciana ihren schmerzenden Arm. Zaubern mochte von außen betrachtet vielleicht nicht sonderlich anstrengend aussehen (vor allem, da es sich bei ihren Zauberstäben eher um Stäbchen handelte und nicht um so Mords-zwei-Meter-Stangen, wie zum Beispiel Gandalf einen hatte … manchmal bedauerlich, wenn man doch bedachte, wie gut man mit diesen Dingern zuhauen konnte), aber nach einer Doppelstunde Dauerfuchteln konnte ein ernsthaft böser Muskelkater entstehen.        Im Verwandlungsklassenraum angekommen stockte Luciana kurz, bevor sie weiterlief und beugte sich flüsternd zu dem nächstbesten Klassenkameraden, den sie entdeckte. Sie meinte den Jungen als Longbottom in Erinnerung zu haben.      „Ich dachte wir hätten jetzt Verwandlung?“ Luciana deutete mit einem Kopfnicken Richtung hintere Ecke des Raumes, wo ES saß.      „Weißt du das etwa nicht?“, fragte dieser überrascht im Flüsterton und setzte sich zu Luciana in eine der mittleren Reihen.      „Nein, was denn?“ Luciana packte ihre Bücher und ihren Zauberstab aus der Tasche.      „Professor Umbridge bewertet die Lehrer“, Longbottom deutete unter dem Tisch mit einem Finger auf ES, die ein Klemmbrett in ihren Lila-Pink-Plüsch umrankten Pranken hielt (war Lila nicht ein Zeichen für sexuelle Frustration? Ja, das würde auf jeden Fall passen …), „sie war doch gestern schon bei Wahrsagen.“      „Da war ich nicht da“, flüsterte Luciana weiter und schaute Longbottom auffordernd an. Sie wollte genau wissen, was ES hier im Unterricht anstellen würde.      „Ach so. Siehst du da, Professor Umbridge stellt den Lehrern Fragen zum Unterricht und so und dann schreibt sie irgendwas da auf ihr Klemmbrett.“ Longbottom schaute das Brett auf dem Schoß von ES missmutig an. „Ich glaube über Trelawney steht da nichts Gutes“, schloss er und widmete sich seinen Unterrichtmaterialen.      Professor McGonagall marschierte an ihnen vorbei und stellte sich an ihren gewohnten Platz, direkt vor dem Lehrerpult. Sie zog es wohl vor, ES zu ignorieren, denn sie machte keine Anstalten, auf ihre Anwesenheit zu reagieren und begann direkt mit dem Unterricht. Aber die Ruhe währte nicht lange, da war auch schon ein ‚dezentes‘ Räuspern von der Lila-Pink-Sado-Plüsch-Kröte zu hören. Ein Gryffindor-Junge (wieso konnten die nicht einfach Namensschilder tragen, verdammt??) verteilte gerade die Aufsätze der letzten Woche. Luciana schaute kurz begeistert auf ihr ‚O‘, denn ‚O‘ bedeutete ‚Ohnegleichen‘, eine Eins, wenn man so wollte, die beste Note … (neeeein, sie hatte letzte Woche nicht den Aufrufezauber an Grangers Verwandlungsaufsatz im Gemeinschaftsraum geübt, und nein, sie wäre niemals auf die Idee gekommen, diesen etwas umzuändern, aber im Prinzip abzuschreiben … nein, wo sie selbst doch so ein Verwandlungs-Ass war … hust …). Währenddessen verteilte Brown (die nicht ganz so Helle) pikiert Mäuse an ihre Mitschüler.      „Nun gut, hören Sie bitte genau zu – Dean Thomas, wenn Sie das noch einmal mit Ihrer Maus machen, setzt es Strafarbeiten -, die meisten von Ihnen haben inzwischen erfolgreich ihre Schnecken zum Verschwinden gebracht, und selbst jene, die noch einen gewissen Rest vom Gehäuse übrig hatten, haben den Kern des Zaubers erfasst. Heute werden wir –„ Und wieder schmiss ES durch Stimmengekreuchel mit Zaunpfählen nach McGonagall.      „Ja?“, sagte diese und wandte sich der Übeltäterin mit einem ‚Ich-fress-dich‘-Blick zu.      „Ich frage mich nur, Professor, ob Sie meine Benachrichtigung über Datum und Zeit der Unterrichtsinspektion bei Ihnen-“      „Selbstverständlich habe ich Sie erhalten, sonst hätte ich Sie gefragt, was Sie in meinem Klassenraum zu suchen haben“, unterbrach dieses Mal McGonagall ES und wandte sich wieder der Klasse zu.      Man, die Frau hatte Eier! Luciana saß grinsend auf ihrem Platz. Jetzt fehlten nur noch Cola und Popcorn, um die Show da vorne so richtig genießen zu können.      „Wie ich eben sagte: Heute werden wir den Verschwindezauber an Mäusen üben, was um einiges schwieriger ist. Nun, der Verschwindezauber ...“      RÄUSPER      „Ich frage mich“, schnappte McGonagall, deutlich angefressen und drehte sich wieder Richtung ES. Luciana schob sich derweil auf ihrem Stuhl noch ein Stück nach vorne, um bloß jedes einzelne Detail von dem Kampf der Titanen da vorne aufzusaugen, „wie Sie einen Eindruck von meinen üblichen Lehrmethoden gewinnen wollen, wenn Sie mich ständig unterbrechen. Sie werden verstehen, dass ich es anderen normalerweise nicht gestatte, zu reden, wenn ich rede.“     Kabäääm, dachte sich Luciana und vor ihrem geistigen Augen hampelten gerade viele kleine Luciana-Cherleader Pong-Pong-schwingend den ‚Go Mc-G, Go‘ Tanz. Der folgende Gesichtsausdruck von ES war derart göttlich, sie hätte am liebsten ein Foto gemacht und das Bild gerahmt über ihr Bett gehängt. Und daraufhin machte ES sich über ihr Klemmbrett her und vergewaltigte das arme, wehrlose Stück Pergament vor ihrer Nase mit einer Feder.      Die restliche Stunde verlief, zu Lucianas Bedauern, ohne weiteres Schlammcatchen der beiden Professorinnen. Nachdem McGonagall ihr auch nicht die Frage beantworten konnte, wo sie das arme kleine Mäuschen, mit unglaublich süßer, rosa Stupsnase, hin befördern würde, wenn sie einen Verschwindezauber darauf wirkte, gab sich Luciana auch nicht viel Mühe damit. Die Tierschutzbestimmungen an dieser Schule, oder eher gesagt, in der gesamten Zaubererwelt, waren einfach unter aller Sau.      Der restliche Unterrichtstag bestand aus dem üblichen Marathonlauf von Klassenraum zu Klassenraum (mal ehrlich, hätte man die nicht einfach nummerieren und in Reih und Glied nebeneinander bauen können?).      ES schien in ihrem neuen Posten als Großinquisitorin vollkommen aufzugehen, also musste Luciana ihre Anwesenheit in Pflege magischer Geschöpfe noch einmal in Kauf nehmen. Das hatte, auf der anderen Seite, aber auch seine Vorteile. Während ES die Lehrerin (Professor Spröde-Pritsche … nein, borstig, nein was mit S, schrundig, straubig? Oder war es doch mit R? Was auch immer, irgendwas mit Pritsche) mit Fragen löcherte und sich danach auch noch an die Schüler wendete, verzog sich Luciana hinter einem dicken Baum, um zu rauchen. Ach ja, und der Junge der lebt probte wegen irgendetwas wieder einmal einen Zwergenaufstand. Wenn der in diesem Tempo so weiter machte, müsste die ‚Zaubergeschichte der Neuzeit‘ bald eine überarbeitete Neuauflage herausbringen und ein lebte draus machen.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*    Am Abend saß Luciana im Gemeinschaftsraum und schaute George und Fred dabei zu, wie sie ihre Ware an den Mann brachten. Genauer gesagt, an meist sehr junge Schüler, die sich noch sehr leicht beeindruckbar zeigten. An den Gestank von Erbrochenem hatte sie sich nach einiger Zeit gewöhnt, nur die dazugehörenden Geräusche verursachten immer noch ein leichtes Gefühl von Übelkeit bei ihr.      Ein Klopfen am Fenster, zu ihrer linken Seite, riss Luciana von dem Anblick einer Erstklässlerin los, die ihr Abendessen in einen Eimer erbrach. Azrael saß auf dem Fenstersims, mit, wie es schien, schwerem Gepäck am Fuß. Luciana beeilte sich zum Fenster zu kommen und ihren Vogel aus der Kälte hereinzuholen. Auf den ersten Blick hatte sie angenommen, Azrael habe in Deutschland in einem Topf Bolognesesoße gebadet, wie er es immer zu tun pflegte, wenn man ihn einen Moment mit dem Essen aus den Augen ließ, doch dann, als der Schein des Kaminfeuers auf ihn fiel, erschien ihr die Feuchtigkeit auf seinem Federkleid zu rot. Erst befreite sie Azrael von dem Päckchen, welches er um ein Bein gebunden hatte, und widmete sich darauf der roten Suppe, die Luciana zwischen ihren Fingern rieb.      „Oh man, ist das Blut?“ George hatte sich über ihre Schulter gebeugt und sah den Falken an.      „Ja, sieht auf jeden Fall so aus und fühlt sich danach an.“ Sie führte ihren Finger unter ihre Nase und schnüffelte ausgiebig. „Und riecht danach.“      Nun war auch Fred zu ihnen gestoßen.      „Das kannst du riechen?“, fragte dieser mit hochgezogenen Brauen, schnappte sich ihre Hand und roch ebenfalls daran. „Also für mich riecht das nur nach Tabak.“      „Du rauchst?“, schossen beide wie aus einem Mund. Luciana nickte abwesend, während sie sich damit beschäftigt war, Azrael zu drehen und zu wenden und jede einzelne Feder in Augenschein zu nehmen. Das Protestkrächzen und die Fluchtversuche von dem Vogel ignorierte sie einfach.      „Mh, ist nicht sein Blut … aber es scheint frisch zu sein – vielleicht hat er irgendein Tier angefallen? Nein, sowas macht er normalerweise nicht …“, nuschelte sie mehr zu sich selbst, denn auch wenn ihr widerspenstiger Vogel allem hinterherjagte, was nicht auf zwei Beinen lief, sah er dies mehr als lustiges Fangspiel an, „da scheint irgendjemand was mit ihm angestellt zu haben, was ihm so gar nicht gepasst hat …“      „Vielleicht“, Fred nahm das Päckchen, das Luciana auf die Stuhllehne abgelegt hatte, in die Hand, „ ist Umbridge dazu übergegangen, nicht nur die Lehrer zu inspizieren …“      Die drei diskutieren noch eine Weile über diese Theorie, ES könnte auf die Idee gekommen sein, die Post der Schüler abzufangen, aber sie waren sich alle einig: Selbst wenn sie oder wer auch immer, das versucht haben sollte, war derjenige kläglich gescheitert.      Das Päckchen war unversehrt und das Blut in Azraels Federkleid ließ auf eine, mehr oder minder, verletzte Person in Hogwarts schließen. George und Fred verließen später zusammen mit Lee Jordan den Gemeinschaftsraum und Luciana ging dazu über, die zehnseitige Dissertation über Gegengifte von Hamilton abzuschreiben. Allerdings ließ sie die besten Grüße an Professor Snape weg.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Fast eine ganze Woche voller Vorfreude (Luciana war sogar extra früh schlafen gegangen) und dann dieser Mist. Der nächste Montag hätte so schön sein können, aber irgendjemand da oben schien es ganz und gar nicht gut mit ihr zu meinen. Als sie um fast zwölf Uhr mittags verschlafen das Ziffernblatt ihres, in die Jahre gekommen, Weckers betrachtete, war sie zwar mit einem Schlag hellwach, dies änderte jedoch nichts an der Tatsache, den Tränkeunterricht verpasst zu haben.      „Scheiße, Scheiße, Scheiße …“, fluchte Luciana immer wieder laut, sprang dabei in ihre Schuluniform und entließ noch einmal einen Schwall Schimpfwörter, als sie sah, dass ihr Krawattenknoten letzten Abend, beim Ausziehen, aufgegangen war. Schnell noch die Umhängetasche geschnappt und schon rannte sie durch das Schloss, überlegte es sich dann noch einmal anders und nahm den Umweg über den Krankenflügel. Die hauseigene Krankenschwester von Hogwarts war gerade dabei, die Medikamentenregale aufzufüllen, als Luciana, vollkommen außer Atem, vor ihr zum Stehen kam. Die ältere Dame machte vor Schreck einen Satz in die Luft.      „Oh, haben Sie mich erschreckt!“, sagte sie und die Wärme verschwand ein wenig aus ihrem Lächeln, als sie Luciana musterte. „Ich kann mich nicht erinnern, Sie schon einmal hier gesehen zu haben. Und Sie machen mir nicht den Eindruck, zu den Erstklässlern zu gehören.“      „Nein, wir hatten noch nicht das Vergnügen“, sagte Luciana darauf mit einem, wie sie hoffte, netten Lächeln. „Ich bin erst dieses Jahr auf die Schule gekommen, ich glaube man nennt es Quereinsteiger, auf jeden Fall bin ich Luciana Bradley, aus der fünften Klasse.“      Jetzt wurde das Lächeln wieder wärmer. Die Krankenschwester nickte wissend.      „Ah, ja, der Schulleiter hat mit mir über Sie gesprochen. Ich bin Madam Pomfrey, die Heilerin hier. Um genau zu sein, die einzige Heilerin. Aber an Tagen wie diesen, stört mich das nicht einmal.“ Madam Pomfrey schaute sich demonstrativ im Krankenflügel um, wo Luciana nur leere Betten ausmachen konnte. „Also, Kindchen, was kann ich für dich tun? Ist dir dein Serum ausgegangen?“      Luciana schüttelte den Kopf.      „Nein, aber ich muss gestern Abend irgendetwas schlechtes gegessen haben“, behauptete sie darauf, mit einem äußerst wehleidigen Gesicht. „Ich bin, seitdem ich heute Morgen aufgestanden bin, nicht mehr von der Toilette gekommen.“      „Oh ja, sowas kann immer mal wieder vorkommen und Sie sehen auch ganz blass aus …“, kommentierte die Heilerin und schenkte Luciana einen mitfühlenden Blick. Dass die vornehme Leichenblässe ein sicherer Nebeneffekt war, wenn man in einem Bunker hauste, verschwieg Luciana selbstverständlich.      Madam Pomfrey griff zielsicher in das Regal hinter sich und streckte ihr ein kleines Fläschchen entgegen.      „Ein Schluck sollte genügen. Nehmen Sie gleich die ganze Flasche mit, wenn es über den Tag hinweg nicht besser werden sollte und wenn es morgen noch Beschwerden gibt, dann kommen Sie bitte direkt zu mir.“      Luciana bedankte sich, blieb aber weiterhin an Ort und Stelle stehen.      „Ehm, Madam Pomfrey? Durch dieses kleine Malheur war ich ja heute Morgen nicht in der Lage den Gryffindor-Turm zu verlassen und da habe ich den Zaubertrankunterricht verpasst … ach ja, und auch Geschichte“, murmelte sie kleinlaut und setzte einen flehenden Blick auf.      „Machen Sie sich keine Sorgen Mädchen, da können Sie ja nichts dafür. Ich werde Professor Snape und Professor Binns Bescheid geben, dass Sie bei mir waren.“      Da hatte sie es: Die wichtigsten Dinge an Schulen, egal ob magisch oder nicht magisch, blieben immer gleich. Zum Beispiel die Ausreden und kleinen Flunkereien.      Luciana bedankte sich noch dreimal, steckte das Fläschchen ungeöffnet in ihre Tasche und machte sich, mit einem Blick auf ihre Uhr, direkt auf den Weg zum Wahrsageunterricht. Trelawney ließ sie noch immer an ihren Traumtagebüchern arbeiten und den Unterricht von ES konnte man eigentlich gar nicht als diesen bezeichnen. Die Schüler anzuweisen, ihre Bücher auf der und der Seite aufzuschlagen und dann das und das Kapitel zu lesen, welches sie darauf schriftlich, auf einem Blatt Pergament, zusammenfassen mussten, nun, das war pädagogisch wirklich unglaublich wertvoll.      Zum Abendessen machte sich Luciana über das Brot, den Schinken und so ziemlich alles her, was sie in die Finger bekam. Sie hatte heute zweimal das Essen verpasst und ihr war nach der letzten Stunde schon ganz schwindelig vor Hunger gewesen. Als sie allerdings, nach der gefühlten zehnten Scheibe Brot, einen kurzen Blick zum Lehrertisch warf und an diesem Professor Snape entdeckte, wie er sie mit einem, ja, für seine Verhältnisse, etwas belustigten Blick musterte, hielt sie kurz in ihrer Kaubewegung inne. Snape wandte sich darauf mit erhobenen Augenbraue dem Schulleiter zu und beachtete sie nicht mehr. Jetzt war ihr der Appetit vergangen. Sie schluckte den letzten Bissen hinunter, bog auf dem Weg zum Gryffindor-Turm noch einmal bei dem Myrte-Klo ab und verzog sich dann, mit einem Buch, in einen der Sessel im Gemeinschaftsraum.      Sie war nicht mal über die ersten zwanzig Seiten von Oggers ‚Börsenschwindel‘ hinweg gekommen, als sich eine Person vor ihr aufbaute und somit das Kaminlicht verschwand. Luciana wandte sich von ihrem Buch ab und sah Hermine Granger, die einen Stapel Pergamente in den Händen hielt.      „Professor Snape hatte mich gebeten, dir deinen Aufsatz wiederzugeben“, sagte Granger und irgendetwas an ihrem Blick gefiel Luciana überhaupt nicht. Außerdem wagte sie es stark zu bezweifeln, dass Snape Granger um irgendetwas bitten würde. Luciana streckte ihr die offene Hand entgegen, aber diese druckste weiter herum.      „Du hast dich das letzte Mal so aufgeregt, wegen der nicht so tollen Note …“ Luciana hob beide Augenbrauen, wartend, was da noch kommen möge, „und ich kann die Benotung von Snape wirklich nicht verstehen, ich fand deinen Aufsatz echt gut, sogar hervorragend!“      Die Augenbrauen zogen sich noch ein Stück höher.      „Ich dachte es sei okay, wenn ich mal reinschaue.“ Und mit diesen Worten legte sie Luciana langsam, sehr langsam, den Aufsatz in die offene Hand. Luciana atmete durch. Einmal und sehr tief.      „‘M‘“, sagte sie kurz und knapp und versuchte im Geiste von Zehn herunter zu zählen. Bei acht blieb sie stehen. Das rote Gekritzel auf den Pergamentblättern war alles andere als einfach zu entziffern. Als Luciana die Blätter immer und immer wieder näher an ihre Augen führte und wieder zurück, hörte sie nochmals die Stimme von Granger.      „Er meint, das sei nicht die Aufgabenstellung gewesen,“ Granger deutete auf den Rotwust vom ersten Blatt, nahm dieses herunter und deutete dann auf das Zweite, „die nächsten paar Seiten geht es um die Theorien, die du über Gegengifte aufgestellt hast und die noch nicht offiziell bewiesen sind“, Lucianas Blick wurde zunehmend wütender, „was nicht heißt, dass sie falsch sind, also zum Beispiel auf Seite sieben, da hast du mit Sicherheit ins Schwarze getroffen und selbst Snape gibt das mit einer Anmerkung zu … nur … naja, das ist bei den Prüfungen nicht gefragt.“ Granger nahm schnell einen Schritt Sicherheitsabstand.      „‘M‘“, sagte Luciana zum wiederholten Mal und faltete ihren Aufsatz in seliger Ruhe, fein säuberlich, zusammen.      „Alles in Ordnung?“, fragte Granger und Luciana war überrascht, so etwas wie Sorge heraus zu hören.      „Aber natürlich.“ Dann stand sie auf, legte das Buch auf den kleinen Tisch neben den Sessel und steckte sich den zusammengefalteten Aufsatz in die Tasche ihres Cardigans. „Vielen Dank, dass du mir den Aufsatz gebracht hast, Hermine“, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln und Granger machte ein Gesicht, als habe sie sich gerade vor ihren Augen in den Hulk verwandelt. „Und bitte entschuldige mich jetzt, ich möchte mir vor Beginn der Sperrstunde noch ein wenig die Beine vertreten.“ Luciana lächelte noch immer, als sie auf das Portraitloch zuging.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Das Lächeln verschwand auch nicht, als sich das Portrait hinter ihr schloss, oder als sie gemächlich den Eingang zu den Kerkern betrat. Eine Eigenschaft, die Luciana mehr als alles andere an sich hasste … von ein paar anderen Dingen ausgenommen. Wenn ihre Wut so groß wurde, dass sie nicht mehr wusste, wohin damit, ging ihr Körper auf absolute Sparflamme und sie bekam dieses verdammte, eingefrorene Grinsen nicht mehr vom Gesicht. Gabriel nannte diesen Zustand immer ‚Ruhe vor dem Sturm‘, denn in dieser Lage brauchte es nur ein Tröpfeleinchen und sie würde explodieren. Und wie aufs Stichwort kamen genau diese Tröpfeleinchen gerade um die Ecke gebogen, als Luciana schon fast ihr Ziel erreicht hatte. Um genauer zu sein, es waren drei Tröpfchen, zwei davon sahen aus, wie ganze Wasserspeicher. Ganz ruhig, einfach dran vorbeigehen und bitte haltet eure Münder, ich bitte euch.      „Na wen haben wir denn da …“ Luciana war schon fast an den Dreien vorbeigekommen, als der kleinste von ihnen doch noch das Wort ergriff. Sie blieb stehen und drehte sich langsam, sehr langsam, um.      „Malfoy“, stellte sie knapp fest und schenkte seinen beiden Anhängseln keinerlei Beachtung.      „Was sagen wir denn dazu, ein Gryffindor nach Sperrstunde und noch nicht im Gemeinschaftsraum.“ Malfoy erhob bei seinen Worten die Stimme, wohl in dem kläglichen Versuch, seinen Hauslehrer zu imitieren.      „Ich denke nicht. Wir haben noch keine Sperrstunde.“ Ruhig bleiben.      Malfoy schaute auf die Uhr an seinem rechten Handgelenk, verdrehte dann demonstrativ die Zeiger und sagte: „Doch, wir haben nach Sperrstunde. Und hör auf so dämlich zu grinsen!“      Luciana atmete tief ein, unternahm aber keinen Zählversuch mehr.      „Malfoy, in deinem und meinem Interesse, lass mich einfach weitergehen, bitte.“      Captain Peroxyd Junior drehte sich daraufhin zu seinen beiden Kumpanen um. Sie fingen alle drei schallend an zu lachen. Malfoy ging ein paar Schritte auf Luciana zu.       „Ich denke, das werde ich nicht tun. Immerhin bin ich Vertrauensschüler und es ist meine Pflicht dafür zu sorgen, dass sich auch jeder Schüler an die Schulregeln hält.“      Luciana ließ keine noch so kleinste Bewegung von ihm außer Augen.      „Wo sind eigentlich deine beiden Weazlebyz Zwillinge, du hängst doch sonst so gerne mit ihnen ab.“      Die beiden Muskelpakete hinter ihm kicherten, was so gar nicht zu ihrem Äußeren passen wollte, doch Malfoy war noch nicht fertig, „Wie hattest du dir das eigentlich gedacht, Bradley, suchst du dir einen von beiden aus, oder trägst du einfach abwechselnd ihre Brut aus?“ Die drei johlten vor Lachen und Luciana holte mit der Faust aus, Richtung Malfoys Gesicht. Der hatte aber schon einen Angriff erwartet und dann lief alles Schlag auf Schlag. Malfoy zückte seinen Zauberstab, schon während Luciana den Arm hob und schrie ihr ein „Impedimenta!“ entgegen.      Die Auswirkungen waren verehrend.      Der Schmerz traf sie zuerst genau zwischen den Augen, als habe man ihr einen Zauberstab unangespitzt in die Stirn gerammt, in diesem Moment spürte sie auch schon das Blut aus ihren Nasenlöchern spritzen, ihre Bewegung erstarrte gänzlich und Luciana fiel, wie ein nasser Sack, vorneüber zu Boden. Kaum war sie auf dem harten Steinuntergrund aufgeschlagen, zogen sich ihre Muskeln zusammen, jeder einzelne, wie es schien. Der Schmerz war unbeschreiblich, entließ sie aber durch sein, in Sekunden taktierendes Intervall, nicht in die Bewusstlosigkeit. Kein Ton kam über ihre Lippen, ganz gleich, wie laut sie in Gedanken schrie.      „Scheiße verdammt, was habt ihr mit ihr gemacht?“, fuhr Malfoy die beiden anderen Slytherins an, die aber nur da standen, Luciana perplex anstarrten und hilflos die Arme hoben.       „Du hast doch grad gezaubert, nicht wir!“, sagte einer der beiden.      „Das war ein stinknormaler Impedimenta, die sollte mir nur keine reinhauen können!“, verteidigte sich Malfoy und beugte sich etwas zu Luciana hinunter. „Mist, die zuckt ja nur noch … und schaut euch das ganze Blut an! Und die ist gar nicht mehr ansprechbar.“      Draco fuchtelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht herum und in diesem Moment hätte sie freiwillig noch weitere zehn Minuten dieser Pein auf sich genommen, wenn sie ihm dafür nur ihre Faust hätte ins Gesicht rammen können.      „Was sollen wir jetzt machen, Draco?“, fragte nun der andere.      „Wenn wir sie jetzt in den Krankenflügel bringen, überprüft Dumbledore garantiert unsere Zauberstäbe …“      Die beiden schauten sich schockiert an.      „Ja, seht doch mal“, er deutete auf Luciana, „das sieht aus wie ein Crucio und wenn er unsere Stäbe überprüft, wird er sehen, dass wir vorhin Unverzeihliche geübt haben! Da wäre es mit einem Schulverweis noch nicht getan. Lasst uns einfach abhauen, sieht eh nicht so aus, als würde sie das überleben.“       Die drei Slytherins liefen kurzum in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Luciana konnte sehen, wie sich Malfoy noch einmal umdrehte und einen Moment schien er zu zögern, bis er sich wieder von ihrem Anblick abwandte. Dann wurde es still.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Epilepsia Magicus, eine Form der Epilepsie, die nur unter magisch begabten Menschen vorkam. Sehr selten vorkam. Ein Sechser im Lotto, wenn man so wollte. Die Anfälle kündigten sich mit einem Ziehen in der Schläfengegend an oder mit sich immer weiter steigerndem Zittern, gingen dann zu einem leichten Nasenbluten über und wenn man bis dorthin kein Medikament eingenommen hatte, begannen die Muskeln zu verkrampfen.      Die Symptome konnten aber auch schneller auftreten und wurden im Regelfall wahllos von Magie oder Stress ausgelöst. Soweit die Theorie. Luciana hatte diese Anfälle seitdem sie denken konnte und es waren auch ein paar schlimme darunter gewesen. Aber so plötzlich und endgültig, das war eine absolute Premiere.      Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ das Zucken nach, ein Kribbeln breitete sich in ihren gesamten Körper aus, als würde jeder Zentimeter, der mit Nerven ausgestattet war, gerade einschlafen. Durch den kalten Steinboden kühlte sie langsam, aber sicher, aus, ihre Nase tropfte unaufhörlich weiter.      Irgendwann versuchte Luciana, unter größtem Kraftaufwand, ihren Kopf ein wenig zu drehen, da sie mittlerweile ihr eigenes Blut einatmete. Doch nichts rührte sich. Sie gehörte sicher nicht zu der Sorte Mensch, die leicht das Handtuch warf, aber mit jeder Minute, die weiter verstrich, schien die Müdigkeit, die sie zu überrollen drohte, immer und immer verführerischer. Sie durfte die Augen nicht schließen. Wenn sie jetzt einschlief, käme dies einer Systemabschaltung gleich. Und gerade, als sie im Begriff war, noch einmal auszuatmen und die letzten Millimeter ihrer Lieder zu schließen, hörte sie Schritte. Diese Schritte kamen näher, es traten Schuhe in ihr äußerstes Sichtfeld, vielleicht noch fünf Meter von ihr entfernt und dann blieben diese abrupt stehen.      „Was zum …“      Die Schuhe setzten sich wieder in Bewegung. Jetzt konnte Luciana auch einen Umhang ausmachen, der den Boden streifte. Aber eigentlich war die Stimme unverkennbar gewesen. Man durfte ja noch bangen und hoffen!      „Miss Bradley, können Sie mich hören?“      Die Schuhe waren nun keine dreißig Zentimeter mehr von ihrem Gesicht entfernt und berührten gerade eben die Lache von Blut, die sich um ihren Kopf gesammelt hatte. Dann beugte sich die Person in ihr Sichtfeld und sie erkannte die scharfen Gesichtszüge von Snape. Natürlich. Wen auch sonst … gab ja so wenig Menschen hier in Hogwarts. Lucianas Augen folgten seinen Bewegungen, mehr brachte sie nicht an Artikulation zu Stande. Sie spürte ein paar kühle Finger an ihrer Halsbeuge - Snape tastete nach ihrem Puls und blieb einen Moment unbeweglich, als er ihn anscheinend gefunden hatte. Dann waren die Finger wieder verschwunden und ein Zauberstab tauchte vor ihrer Nase auf.      „Mobilcorp…“ Mit dem letzten Funken an Kraftreserve, brachte Luciana eine kaum wahrnehmbare Handbewegung zu Stande und riss ihre Augen derart panisch weit auf, dass Snape in seinem Zauber inne hielt. Sie fixierte den Stab mit ihren Augen und bewegte diese von rechts nach links und betete dabei, er würde verstehen. Nun ja, man konnte Snape viel nachsagen, aber sicherlich keine lange Leitung.      Der Zauberstab verschwand wieder, sie hörte kurz das Rascheln von Kleidung. Luciana konnte den Ausdruck in seinem Gesicht nicht im Entferntesten deuten … zum einen sah er sauer aus, zum anderen ratlos und darauf schien er wieder zu kalkulieren, wann sie wohl endgültig den Löffel abgeben würde - und diese Emotionen kamen in Nanosekundenschnelle. Mh, so einen Anblick gab Snape also ab, wenn er überfordert war.      Dann kam Bewegung in seinen Körper, Luciana konnte ihn murmeln hören, verstand aber nicht genau was (es klang nicht nett), sie sah wieder seine Schuhe, einen Augenblick später nur noch einen. Er schien jetzt breitbeinig über ihr zu stehen, schloss sie. Darauf sah sie flüchtig eine seiner Hände und im nächsten Augenblick wurde sie von ihm unter den Achseln gefasst und vom Boden hochgezogen. Diese Berührung und die zwangsweise, darauffolgenden Muskelbewegungen, sendeten den wohlbekannten Schmerz mit einer solchen Wucht zurück, sie hätte mit dem Schrei, der lautlos auf ihren Lippen lag, Snapes Trommelfelle zum Platzen bringen können.      Mit einem weiteren Handgriff lag sie vor seiner Brust auf seinen Armen und Snape ging mit zügigen Schritten los. Im Prinzip hatte er sogar sein übliches Tempo aufgelegt, erstaunlich, wenn man bedachte, dass sie an die fünfzig Kilo wog. Luciana nahm ihre Umgebung nur noch schemenhaft war, der Schmerz war wieder einem penetranten Kribbeln gewichen. Es musste mittlerweile weit nach Sperrstunde sein.      Huch, der strahlte aber viel Körperwärme aus, hätte sie dem Eisklotz gar nicht zugetraut. Ihr Kopf lag gegen Snapes Brust gelehnt und die Wärme in Kombination mit dem kaum wahrnehmbaren Klopfen seines Herzens, welches dumpf hinter den vielen schichten Stoff schlug, strahlten eine unglaubliche Ruhe auf sie aus. Ihr Atem wurde langsamer und sie spürte das Kribbeln in ihren Muskeln kaum noch.      „Nicht einschlafen, Miss Bradley!“      Aber wieso denn nicht, es ist grad so schön warm und es schaukelt …      „AUGEN auf!“, wurde ihr plötzlich unmittelbar ins Ohr gezischt, was Luciana noch einmal dazu brachte, ihre Lider ein paar Millimeter anzuheben. Aber es war, als ob zentnerschwere Gewichte daran hängen würden und schon fielen sie ganz von alleine wieder zu.      „Ich sagte nicht einschlafen!“, vernahm sie noch, wie aus weiter Ferne, und dann wurde alles um sie herum Schwarz.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   „So, sie sollte jetzt tief und fest schlafen. Ich werde alle halbe Stunde nach ihr sehen.“      Schritte entfernten sich und Luciana testete die Augen zu öffnen. Es klappte erstaunlich gut. Sie lag in einem Bett im Krankenflügel, in dem es fast gänzlich dunkel war. Nur in einer Ecke des Raumes brannte eine Öllampe und ließ den Saal in einem gedämmten Licht erscheinen. Doch dann sah sie die beiden Gestalten, die ein paar Meter von ihrem Bett entfernt standen. Der Schulleiter, Albus Dumbledore, und Snape. Sie schloss schnell wieder die Augen, in der Hoffnung, die beiden im Glauben zu lassen, sie würde schlafen, bevor sie auf die Idee kamen, sie mit nervigen Fragen zu quälen. Und die würden zweifelsohne früh genug auf sie zu kommen.      „Epilepsia Magicus … und wann hatten Sie vor, mir diese Kleinigkeit zu verraten, Schulleiter?“ Snape bemühte sich leise zu sprechen, aber auch die gedrosselte Lautstärke nahm seiner Stimme nicht einen Deut Schärfe.      „Das hier ist sicher nicht der richtige Ort, um darüber zu sprechen, Severus“, erwiderte der Schulleiter, auch im Flüsterton.      Severus. SEVERUS??? Luciana hätte fast ein Prusten von sich gegeben. Snape einen Vornamen zu geben und dann auch noch solch einen … irgendwie gehörte er nicht zu der Sorte Mensch, die einen Vornamen tragen sollten. Das machte ihn … verstörend menschlich. Wieso war ihr der Vorname eigentlich nicht schon beim Durchgehen der Jahrgangsbücher aufgefallen? Nun ja, sie war eher mit ihrer Recherche der anderen Namen beschäftigt gewesen, wer Snape war, hatte sie zu dem Zeitpunkt ja gewusst.      Oh, jetzt war Luciana so sehr mit Snapes Vornamen beschäftigt gewesen, dass sie seine Erwiderung nicht mehr mitbekommen hatte. Anscheinend hatte er seinen Willen bekommen, denn Dumbledore gab sich geschlagen und erzählte drauf los.      „Ich habe das gesamte Kollegium, einschließlich Poppy, über Miss Bradleys Krankheitsbild in Kenntnis gesetzt, warte, das müsste bei der Konferenz zur Schuljahresbesprechung, eine Woche vor Schulbeginn, gewesen sein.“      „Bedauerlich“, Snapes Ton glich schon fast dem, den er in seinem Unterricht zu nutzen pflegte, „dass ich zu diesem Zeitpunkt in Ihrem Namen meiner Spionagetätigkeit nachgekommen bin.“ Er ließ diese Worte kurz wirken, was auch immer sie zu bedeuten hatten. „Und es ist Ihnen, in den letzten vier Wochen, nicht in den Sinn gekommen, mich davon in Kenntnis zu setzen? Können Sie sich vorstellen, was mit dieser … dieser Zeitbombe alles hätte passieren können? Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte sie so einen Anfall während der Tränkezubereitung bekommen. Ich arbeite in meinem Unterricht mit hoch gefährlichen Substanzen und jetzt habe ich, neben all den Dummköpfen, auch noch eine unverschämte Gryffindor-Göre sitzen, die Gefahr läuft, jeden Moment mit ihrer Behinderung alle Anwesenden in die Luft zu jagen?“      „Severus!“, sagte Dumbledore empört, mit einer Spur Schärfe in der Stimme. Ja genau, böser Severus! Nein, den Namen musste Luciana streichen, wenn sie Snape auch nur einen weiteren Moment ernstnehmen wollte.      „Ich kann mich nur für meine Schusseligkeit entschuldigen. Und Poppy hat mir gerade versichert, dass ein derart schlimmer Anfall die absolute Ausnahme ist. Wir haben Miss Bradleys Medikamente hier im Krankenflügel auf Lager, ich kann Poppy außerdem darum bitten, dir eins von den Seren für deinen Klassenraum zu überlassen. Ansonsten hat mir Doktor Steinhardt versichert, Miss Bradley trage immer etwas davon am Körper.“      „All diese Vorkehrungen haben jedoch versagt, ansonsten wäre ich gerade nicht in diese äußerst prekäre Lage gekommen. Schulleiter, sie ist auf dem Weg in den Krankenflügel fast gestorben, ich kann und will nicht die Verantwortung für so eine Schülerin übernehmen!“      Das Gezeter ging noch eine ganze Weile so weiter und Luciana wäre fast wieder eingeschlafen, als: „Was wollte sie überhaupt um diese Zeit in den Kerkern?“      Oh oh …      „Ich habe sie unmittelbar vor meiner Bürotür aufgefunden, von daher kann ich mir zumindest denken, zu wem sie wollte“, knurrte Snape missmutig und eine kleine Pause entstand, bevor er weitersprach. „Dieses Mädchen hat ein abartiges Interesse an meiner Person. Ich habe ihr wiederholt zu verstehen gegeben, dass sie sich mit ihrer penetranten Fragerei an den falschen wendet, aber sie scheint in ihrer Hartnäckigkeit unübertroffen …“ Seine Stimme wurde leiser, als er die nächsten Worte sprach und Luciana musste sich sehr anstrengen, um sie überhaupt zu verstehen: „Und sie hat mich nach dem Dunklen Lord gefragt. Schulleiter, gerade in diesem Jahr taucht eine neue Schülerin auf, mit höchst fragwürdigen Hintergründen. Und dann habe ich diese, dazu noch eine Gryffindor, fast jeden Tag vor meinem Büro stehen. Was, wenn der Dunkle Lord mir nicht traut, wenn er -“ Dumbledore unterbrach ihn an dieser Stelle, mit höchst amüsierter Stimme.      „Beim Barte Merlins, Severus, um Miss Bradleys Beweggründe auszumachen, muss man wahrlich keine Cassandra sein.“ Daraufhin folgte Stille. Luciana konnte sich sehr gut vorstellen, wie Snape Dumbledore verständnislos ansah und sie selbst war auch sehr gespannt, ihre ‚Beweggründe‘ zu erfahren.      „Miss Bradley mag dich, Severus. Du faszinierst sie.” Bitte hä, Moment, was?? Immer noch keine Antwort von Snape. „Sie kommt zu dir, weil sie deine Meinung wissen will und nicht die eines anderen. Sie sieht dich wohl als eine Art Mentor.“ Noch ein Moment der Stille, der Luciana sehr gelegen kam, sie musste gerade selbst ihre Gedanken ordnen. Wie kam der alte Kauz auf solch verrückte Ideen?      „Schulleiter, wir reden hier von mir …“, kommentierte Snape daraufhin nur knapp. Dann hörte Luciana ein Geräusch, wie von einem Schulterklopfen.      „Finde dich einfach damit ab, dass du nicht auf jeden Menschen abschreckend wirken kannst, Severus. Ich wünsche dir eine angenehme Nachtruhe“, sagte Dumbledore, dieses Mal in einem sehr fröhlichen Tonfall, dann hörte Luciana Schritte und eine Tür, die leise aufgezogen und wieder geschlossen wurde.      Lucianas Herz klopfte ihr bis zum Hals. Ob dies an dem Anfall, den Medikamenten oder von was auch immer herrührte, konnte sie nicht ausmachen. Einen Moment noch ließ sie ihre Augen geschlossen, dann öffnete sie sie. Und wäre im nächsten Augenblick fast vor Schreck aus dem Bett gefallen. Snape stand keine zwei Meter von ihrem Bett entfernt und schaute direkt zu ihr herüber. Wenigstens schien er nicht minder überrascht, sie wach vorzufinden. Luciana machte schnell extra verschlafene Augen und gähnte leicht, ganz als ob sie eben erst erwacht wäre. Snape war schon im Begriff zu gehen, da fiel ihr etwas sehr wichtiges ein.      „Professor“, ihre Stimme war mehr ein Krächzen, aber er blieb stehen und kam zu ihr ans Bett getreten.      „Ja, Miss Bradley?“ Seine Worte klangen so neutral wie immer, eben diese Spur Genervtheit.      „Das … kleine Malheur ist während einer Auseinandersetzung mit Malfoy und zwei weiteren Slytherins passiert, ich kenne ihre Namen nicht …“ Snapes Mundpartie wurde kaum merklich spitzer. „Und die drei haben Schiss bekommen und sind abgehauen.“ Darauf atmete Snape, kaum hörbar, scharf ein. „Nicht weil sie mir nicht helfen wollten.“ Luciana schwieg kurz, Snape legte ein ungeduldiges Gesicht auf. „Malfoy hat gesagt, wenn sie mit mir in Verbindung gebracht würden, könnte Professor Dumbledore herausbekommen, dass sie zuvor mit ihren Zauberstäben Unverzeihliche geübt haben.“ Jetzt sah Snape aus, als habe sie ihm einen Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet. Nein, nicht wirklich, aber für snapische Verhältnisse, hatte sich gerade erstaunlich viel in seiner Mimik getan. „Ich sage das nur, damit Sie, als Hauslehrer, wissen, was bei Ihren Schülern vorgeht. Falls sie daran denken, ich würde diese Aussage vor dem Schulleiter wiederholen: Nein. Ich habe nie etwas dergleichen gesagt.“        Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)