Milchkaffee von abgemeldet ================================================================================ Sidestory: Kaffeepause ---------------------- Kaffeepause Für Silberchen Er war zu spät dran - verdammt, er war viel zu spät dran! Hastig sprintete Martin an der Küchentür vorbei, rief seiner Mutter ein 'bin wieder da' zu und sprang, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hoch in sein Zimmer. Er riss die Schranktüren auf, warf eine Hose aufs Bett, einen Gürtel, ein graues T-Shirt. Er besah sich seine Pullover - mit Rollkragen, ohne Rollkragen? - und entschied sich dann letztlich für den roten mit dem Zopfmuster. Dann brauchte er auch keine Jacke mehr. Eilig raffte er den Klamottenstapel auf dem Bett zusammen und sprintete ins Bad. Jackett aus, Krawatte, Hemd, Schuhe, Hose, Socken. Er war zu spät dran, verdammt! Unterwäsche. Alles landete in unregelmäßigen Häufchen auf dem Fußboden, während Martin unter der Dusche stand und sich in Rekordzeit eingeseift und wieder abgeduscht hatte. Abtrocknen, Zähne putzen, einmal kurz durch die ohnehin immer zerwühlten Haare fahren. Unterwäsche, Socken, T-Shirt, Hose anziehen. Dummerweise hatte er seine alte Gartenarbeitshose erwischt, die mit den Grasflecken und dem Loch im Knie. Wie hatte er das übersehen können? Pullover und Gürtel geschnappt, rannte Martin halbnackt zurück in sein Zimmer, zog eine andere Jeans aus dem Schrank und an, denn den Gürtel, den Pullover, fertig. Ein Blick auf die Uhr, er konnte es noch schaffen, er musste sich nur ein wenig beeilen. "Tschüs, Mama", rief er in Richtung Küche, als er auch schon wieder aus dem Haus war und die Tür hinter ihm zufiel. Autotür aufschließen, aber - "Schlüssel!", schlug sich Martin mit der flachen Hand vor die Stirn, rannte zurück zur Haustür und klingelte Sturm. Viel zu lange dauerte es, bis seine Mutter ihm verwundert die Tür öffnete. "Schlüssel vergessen", keuchte Martin, rannte an ihr vorbei, die Treppe wieder hoch in sein Zimmer. In der Anzughose vom Vormittag fand er dann den gesuchten Schlüssel. "Martin, willst du nicht noch -" "Sorry, Mama, keine Zeit. Ich bin verabredet", fiel er ihr ins Wort, und schon schlug die Tür wieder hinter ihm zu. Ab ins Auto, Rückwärtsgang, ausparken, Gas. Dreißigzone, egal, Martin fuhr fast fünfzig. Konnte er noch pünktlich kommen? Zebrastreifen, macht nichts, weiter. Zwei überfahrene dunkelgelbe Ampeln später hatte Martin Gewissheit, dass er zu spät kommen würde, und verfluchte im Stillen seinen Chef, der ausgerechnet an diesem Tag kurzfristig eine Personalbesprechung anberaumen musste. Hätte das nicht bis morgen warten können?! In der Nähe der Fußgängerzone waren natürlich alle Parkplätze besetzt - fünf Minuten zu spät, acht Minuten -, sodass Martin seinen Fiat dann kurzentschlossen ins Parkhaus stellte, egal, wie viel das kosten würde. Er sprintete durch die Fußgängerzone und kam außer Atem und dreizehn Minuten zu spät im Keller-Café an. Er sah sich um, ging einmal durch das ganze Café - es gab hier eindeutig zu viele Nischen, man sah ja gar nichts! - und ließ sich dann frustriert auf einen Stuhl an einem der wenigen freien Tischchen plumpsen. Zu spät. Er war zu ihrem ersten Date zu spät gekommen, und jetzt war Benjamin schon weg. Das konnte doch nicht wahr sein! Er hatte seit Tagen an nichts anderes mehr gedacht, hatte sich so gefreut und die ganze Zeit versucht, die Schmetterlinge in seinem Magen zu beruhigen. Jetzt lagen die Viecher matt herum und flatterten müde mit den bestimmt nicht mehr farbenprächtigen Flügeln. Er hatte es verbockt. Zu spät. Martin legte die Arme auf den Tisch, den Kopf darauf und seufzte. Verdammt. Jemand zog den zweiten Stuhl unter dem Tisch hervor, und Martin hob den Kopf, um diesem Jemand höflich aber bestimmt mitzuteilen, dass er lieber allein sitzen wollte, und er sich zu verpissen habe. "Sorry, dass ich zu spät bin." Benjamin atmete schwer, und Martin blieb seine Schimpftirade im Hals stecken. Benjamin war da. Er war nicht schon gegangen, er war auch zu spät! "Schön, dass du gewartet hast." Benjamin beugte sich über den Tisch und küsste Martin kurz auf den Mund, und der strahlte ihn an, kicherte, und lachte dann los. "Was ist?", wunderte sich Benjamin. "Nichts, ich..." Martin schnappte nach Luft. "Ich war nur auch zu spät, und dachte, du bist schon weg und so." "Schwachsinn. Mein Prof hat überzogen, und selbst wenn ich eher da gewesen wäre, ich hätte gewartet", stellte Benjamin fest, und Martin grinste ihn an. "Ich weiß." "So, und jetzt machen wir Kaffeepause", beschloss Benjamin dann, und kurz darauf kam dann auch die Kellnerin. "Erholung von der Odyssee, hierher zu finden. Da ist Kaffee genau das richtige", stimmte Martin zu. 'Und deine Gesellschaft', dachte er noch, aber das sagte er nicht. Viel zu kitschig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)