The Gravity of Life von Polarstern (Yami x Yugi?) ================================================================================ Kapitel 19: One Moment in time ------------------------------ Jaaaaah, mich gibt’s noch!!! Und diese FF auch noch ^.~ Hier bin ich zurück mit der Fortsetzung und möchte mich noch mal für die soo lange Wartezeit nach soo einem fiesen Cliffie entschuldigen!!! >< Ich hatte mit so einigem zu kämpfen... wie etwa persönliche Probleme, eine Schreibblockade und Schulstress.... u_û Aber jetzt ist es ja besser ^^ Gehört habe ich beim Tippen: Nelly Furtado „Promiscuous girl“ und hauptsächlich „all good things come to an end“, Gwen Stefani „Sweet Escape“ & Nickelback „If everyone cared“ Genießt das Lesen! Und verschlingt das Kapi nicht zu schnell – der Nachschub wird etwa 1 – 2 Monate dauern schätze ich... *hüstel* XD One Moment in time Meine Augen verengen sich ungewollt kritisch und mein Mund öffnet sich schlagartig in purer Fassungslosigkeit. Wie vom Blitzschlag getroffen stehe ich da, spiele den soeben gehörten Satz wieder und wieder, als besäße ich das passende Tonband dazu, in meinem Kopf ab. Einen Moment lang sage ich gar nichts mehr, bin stumm und erschlagen von meinen Gedanken. Der Wind hier unten am Fluss erscheint mir plötzlich viel lauter und intensiver zu wüten, schaurig schräg pfeift er durch die kahlen Baumkronen, peitscht den dunklen Fluss auf. Kalt schlägt er mir wie Ohrfeigen an den Kopf. Mein Inneres eine einzige Leere. „H-haben...Sie... Das haben Sie....“, stottere ich, hilflos nach festen Boden unter den Füßen suchend. Ich komme mir gerade so leicht vor, so schwebend, als hätte man mich in ein Loch gestoßen und ließe mich nun geradewegs ins Nichts fallen. Er sieht mich einfach an. Seine Lippen unbeweglich und entfernt von jeglicher Erklärung aufeinander gepresst. Seine feuerroten Augen scheinen viel mehr mit mir zu sprechen als der Rest. Ernst und ausdrucksstark betrachtet er mich. Wie als würde er nach etwas suchen. Und ich schau dir in die Augen Bin geblendet von dem Licht Was selbst um sich greift Auch wenn du nicht sprichst - Und alles an dir bleibt stumm. Warum? Warum? Warum? Eine weitere Weile herrscht Schweigen. „Ich habe doch gar nichts...“, beginnt er irgendwann. „Gar nichts zu deinen Gefühlen gesagt... Du hast doch nie eine Antwort von mir erhalten. Hattest du nicht gemerkt, dass ich mich bisher überhaupt nicht zu deiner Aussage geäußert habe? Oder der Ansatz deiner Aussage... Ich habe dich nur unterbrochen.“ Mein Hals wird kalt, schnürt sich weiter zu. Was soll das hier? Was macht er mit mir? Ist das ein Spiel? Bloß wieder einer seiner Tests?? Was soll ich jetzt noch glauben? Er zögert kurz, sucht wieder Blickkontakt. Doch was er sieht scheint ihn nicht im Geringsten zu beruhigen, denn seine Gesichtszüge versteifen sich noch weiter, seine Mimik wird bitterer. „Ich... Ich habe dich doch schlicht und ergreifend bloß gebeten... nicht weiter zu sprechen... Ich habe dich doch einfach aufgehalten... den Rest des Satzes auszusprechen...Oder eher den folgenden Satz tatsächlich...“ ,er scheint nach den richtigen Worten zu suchen, „...die Freiheit zu schenken.“ Eine sehr eigenartige Formulierung, huscht es für Bruchstücke von Sekunden bitter durch meine Gedanken. „Ich.... Ich wollte es nicht hören...“ Yami wendet seine Augen von mir, schaut stattdessen an mir vorbei hinaus auf den stillen Fluss. „Das war alles....“, endet er. „Wie bitte?“ - Er wollte es nicht hören?? Ja aber.... Warum?? „Entschuldigen Sie – aber ich verstehe nicht! Was ist „Alles“...? Und was wollen Sie mir damit sagen...?“ Abrupt hebt er den Kopf, mustert mich mit einem Blick als hätte ich eine völlig fremde Sprache gesprochen und er kein Wort verstanden. Kritisch wandern seine Augen minimal von rechts nach links und umgekehrt. Er denkt nach, ist viel zu vorsichtig in seiner Wortwahl. Zumindest zu vorsichtig für mich! Mir ist es langsam aber sicher egal wie er mir seinen Standpunkt erklärt.... Hauptsache er tut’s! Und zwar bald! Ich kann nicht mehr! Ich will auch nicht mehr! Alles was ich will sind gescheite Antworten! „Ich will sagen“, greift er meinen Satz auf, „dass ich an jenem Abend nichts mehr gesagt oder getan habe, als dich in deinem Redefluss zu stoppen.“ Mein Gegenüber holt tief Luft: „Dich gleichzeitig vielleicht auch vor einem Fehler warnen... und uns beide schützen.... Ach, ich weiß es selbst nicht so genau....“ Meine Kinnlade kippt ein ganzes Stockwerk tiefer. Uns beide schützen?! Noch immer bekomme ich keinen weiteren Ton über die Lippen, weiß gar nicht wie mir geschieht. Der junge Mann wendet mir den Rücken zu, streckt seine linke Hand aus und ballt diese zur Faust. Ich habe ihn wohl eindeutig damit unterschätzt, wenn ich tatsächlich die letzten Tage geglaubt habe, dass ihn unsere Situation bisher ruhig und kalt gelassen hat. Denn er schlägt mit der Unterseite der Faust einmal auf den wirklich perfekt dafür geeigneten breiten, tief gefurchten Stamm der Kastanie. „Aber anscheinend ist dies eher ins Gegenteil übergeschlagen... Und dabei wollte ich dir eigentlich nie von ihm erzählen!“ Seine Stimme klingt nun verzweifelt, wirklich schmerzhaft und verletzt. Anhand seiner immer heller werdenden Fingerknöchel erkenne ich deutlich den Druck, welchen er noch immer gegenüber dem wohl kaum weichenden Baum aufrecht erhalten muss. Seine komplette Körperhaltung ist völlig stocksteif und verklemmt, als erwarte er Prügel, wenn er es auch nur wagen würde, sich zu bewegen. „Von wem?“, frage ich beinahe trocken und bin schon wieder geschockt über mich selbst, wie dunkel und tief doch meine eigene Stimme klingen kann. Bin das wirklich ich, der hier spricht? Mir kommt alles so unrealistisch vor.... Yami erst solch verwirrende Worte sprechen zu hören, dann diese urplötzliche Verzweiflung und Hilflosigkeit mit anzusehen. Ich komme mir viel mehr wie ein Zuschauer im Kinosessel vor als in meinem eigenen Leben! „Aber wie es aussieht.... Muss es wohl langsam sein. Ich möchte dich nicht noch weiter verletzen... Wobei.... argh! Ich glaube das einfach nicht!“ Er wirbelt zurück, so dass ich ihn wieder von vorne sehe. Ungläubig und unschlüssig stehe ich hinter ihm, lasse den Ereignissen freien Lauf. Ich weiß schon lange nicht mehr, was ich überhaupt glauben soll und was nicht. Ob er sich womöglich ähnlich fühlt...? „Ich habe dich doch verletzt, oder?“ Diese direkte Frage zieht mich wieder ein ganzes Stück aus meinem Sumpf aus einer Masse von Fragen, Unklarheiten, Angst und Verwirrung und zwingt mich dazu, nicht länger in mir selbst zu versinken, sondern vermehrt auf seine Interaktionen einzugehen. Unschlüssig, wie ich mich verhalten soll, nehme ich mir vor zunächst einmal gar nichts zu tun. Doch zu spät – und zwar erst an Yami Athems verbissenem Blick erkenne ich, dass mein Körper bereits selbstständig die Antwort gegeben hat. Meine Schultern hängen kraftlos herunter, mein Blick hat automatisch den Boden gesucht und gefunden und meine Mundwinkel zucken hin und wieder im tapferen Versuch, ihr Herabsinken zu verhindern. Ich kann nicht genau erklären wieso – doch es tut weh – es tut ziemlich weh zu hören, dass er mich verletzt hat. Müsste es mich nicht eigentlich erleichtern, zu wissen, dass er es selbst erkannt hat? Doch das tut es nicht. Denn wie von Geisterhand sind diese schmerzhaften Gefühle der letzten Tage wieder da. Als hätte er sie mit seiner Frage gerufen. Es ist einfach, dass er mich mit dieser Aussprache direkt an alles erinnert. Brühwarm schäumt alles bislang brav zurück gedrängte wieder an die Oberfläche. Hart schlucke ich. „Nein.... Nein, das hatte ich nicht... Nicht so gewollt...!“, jammert Yami Athem kraftlos und lässt sich mit dem Rücken gegen den Baum nach hinten fallen. Schluckend beobachte ich ihn. Irgendwie macht er mir jetzt Angst. Und ein verdammt mulmiges, frostiges Gefühl im Magen, da ihn offenbar etwas sehr aus der Fassung bringt. Und wenn er dies dann noch öffentlich zeigt – wenn auch eher unbewusst – aber wenn sich diese Anspannung von selbst einen Weg aus seinem Körper hinaus sucht, dann ist es tatsächlich ernst. Dann frisst ihn etwas von innen auf. Und dass diese Tatsache offenbar im direkten Zusammenhang mit mir steht, das macht wiederum mich fertig. „Ich wollte dir kein klares ‚Nein’ geben... aber genauso wenig ein offizielles ‚Ja’.... Ich kann nicht, Yugi. Ich kann einfach nicht...“ „Ich...ich...“, flüstere ich mir auf die Lippen beißend und um Fassung ringend. Einmal noch sammele ich mich, spreche mir selbst Mut zu. „Ich würde es aber gerne hören. Es scheint ja etwas mit mir zu tun zu haben...“ „Hat es auch“, ist die prompte Antwort. „Also gut... Du sollst es wissen, vielleicht verstehst du mich dann besser. Okay... lass mich überlegen... Wo ich anfange.... Ich war noch nie gut darin, etwas in Worte zu verpacken und zu erzählen. Ich war schon immer Naturwissenschaftler... Und die haben bekanntlich nur ihre Zahlen, Abkürzungen und Formeln.“ Der Versuch eines Lächelns, welcher aber nicht so recht funktionieren will. „Naturwissenschaftler. Am besten fange ich dort an. Ich war gerade ins dritte Semester gekommen, die Ferien waren um – und wie immer gab es eine riesige Masse neu eingeschriebener Studenten. Die Gänge waren mal wieder verstopft von all den Erstsemestlern, welche ihre Räume und Säle nicht finden konnten. Wie du dir vorstellen kannst ist so ein Campus ja auch riesig – kaum zu vergleichen mit einer normalen Schule.“ Irritiert lassen meine Augen nicht von ihm ab. Wie weit holt er denn jetzt aus? Drittes Semester? Sein Studium...? Was kommt denn jetzt...? Ich ahne nichts Gutes... „Ich war gerade mit einigen Kommilitonen auf dem Weg zur nächsten Vorlesung, als er mir auffiel... Er lief ganz allein durch den Gang, von Tür zu Tür und kontrollierte jedes Schild. Wir sprachen ihn an und halfen ihm, seinen Saal zu finden.... Er studierte Ägyptologie. Ich konnte damals darüber nur lächeln – ich habe mich noch nie viel aus der antiken Geschichte meiner Vorfahren gemacht. Für mich zählte immer schon das Hier und Heute und wie die moderne Welt um uns herum funktioniert... All diese Wunder der Moderne.... nicht die alten Pharaonen und ihre Pyramiden. Auch wenn ich zugeben muss dass sie wirklich hübsch anzusehen sind und ich mir meine Heimat gar nicht ohne vorstellen kann. Oh, ich merke, ich schweife vom Thema ab... Entschuldige.“ Tief seufzt er. Langsam rutscht er am Baumstamm hinab, kommt in der Hocke zum Stillstand. „Jedenfalls hatten wir noch ein ganzes Stück gemeinsamen Weg vor uns. Und ich erwähnte wohl irgendwann nebenbei, als er über Ägypten schwärmte und meinte, irgendwann im Leben einmal dorthin zu wollen, dass ich oft 2 Mal im Jahr dort bin... So kam ich das erste Mal mit ihm ins Gespräch. Und weitere folgten. Er war völlig besessen davon, dass ich Ägypter bin. Anscheinend interessierte ihn plötzlich auch das moderne Land am Nil. Wir trafen uns immer öfter in den Gängen, zufällig lagen unsere beiden Fachgebiete in Block D des riesigen Campusses. Ab und zu gingen wir auch zusammen in die Mensa. Wie du dir jetzt vielleicht bereits gedacht hast... Jah, wir wurden irgendwann ein Paar. Mikosch und ich.“ Ich atme schwer. Mein Magen drückt die anderen Eingeweide zusammen. Musste das sein? Muss er mir von einem seiner Ex-Freunde erzählen...? Oder... etwa immer noch Partner? Ich hatte eigentlich nach all der Zeit darauf geschlossen, er sei nicht vergeben... Sein Ring war doch neulich bloß Show gewesen...? Was kommt jetzt? Was soll das? Ich fühle mich so beklemmend... „Und was... was hat das nun mit mir zu tun?“, frage ich hilflos und trocken. „Eine Menge. Dazu komme ich jetzt...“ Er hebt den Blick und sieht von unten zu mir hinauf. Dabei muss er wohl gegen die Sonne in meinem Rücken ankämpfen und blinzelt einige Male mit den Lidern – wendet den Blick aber nicht ab. „Eigentlich.... Alles.“ „Was??“ ich verstehe gar nichts mehr! „Ihr... seid euch so gleich! Er und du. Dieser Blick, mit welchem du mich ansehen kannst. Diese Augen... so groß, so klar. Aber Mikosch's waren nicht so dunkel wie deine... Seine Augenfarbe war richtig blassblau... so ähnlich wie bei Kacy. Passend zu seinen dunkelblonden Haaren. Aber diese Gesichtsform! Diese leicht runden, aber trotzdem schmalen Züge... Wenn du mich so seitlich ansiehst... mit diesen großen, traurigen Augen... Dann sehe ich ihn! Ich hatte manchmal wirklich das Gefühl, er stünde wieder vor mir!“ Ungläubig starre ich ihn an. Kann meinen Mund gar nicht mehr zubekommen. Eine eisige Kälte hat von mir Besitz ergriffen, hat mich zur fröstelnden Statue werden lassen. Das kann nicht sein... Das ist unmöglich! Ich soll wie sein Ex sein? Zu viel Ähnlichkeit? DAS soll es sein...? Das... das geht doch gar nicht... was soll das...? Er lügt doch! Jeder Mensch ist einzigartig! „Auch eure ganze Art, euer Verhalten... ist soo ähnlich! Diese schüchterne, nachdenkliche Art. Auf der einen Seite so leise, so unauffällig... Ihr seid beide so stille Menschen, so ruhig und in euch gekehrt. Und wenn man euch dann ein wenig besser kennt... man euer Vertrauen hat, dann zeigt ihr euer liebevolles Wesen. Das anhängliche, das verständnisvolle Wesen. Dann beginnt ihr euch zu öffnen, man kann sich wunderbar unterhalten, Spaß zusammen haben – und jeder der euch so erlebt, spürt den Unterschied. Ich habe bei dir ziemlich schnell gemerkt, dass du Mikosch ziemlich ähnelst. Als ich bewusst darauf geachtet habe, ist mir noch viel mehr aufgefallen. Du redest sogar ab und zu wie er... Bist durch deinen Großvater – welcher auch Archäologe war – auch am alten Ägypten interessiert, du zweifelst oft an deinen eigenen Fähigkeiten, hast ein mangelndes Selbstbewusstsein. Mikosch hatte ständig daran gezweifelt, dass er sein Studium je erfolgreich absolvieren würde. Und doch war er kein Schwarzseher. Kein depressiver Typ. Er hatte immer Freude an jedem Tag, hat immer positiv in den Tag hinein gelebt, und sein Bestes gegeben. Er war ein kleiner Träumer... und ich glaube, dass du auch einer bist. Du hast mir ja erzählt, dass du außerhalb von zu Hause kein gerade angenehmes Erwachsenwerden hattest. Das war bei Mikosch genauso. Er erzählte mir auch oft, wie man ihn früher auf seiner alten Schule eingesperrt, geschlagen oder erpresst hatte. Er war das typische Mobbingopfer. Als ich ihn kennen lernte war das zum Glück natürlich bereits längst Vergangenheit – aber seine Psyche hatte dies gewaltig beeinflusst. Ich denke, dass das auch der Grund ist, warum du so leise und vorsichtig bist. Warum du in der Schülermasse untergehst – oder eher gesprochen es auf gewisse, unbewusste Weise versuchst, um nicht unangenehm aufzufallen und wieder zum Opfer irgendwelcher Stärkeren zu werden. Liege ich da richtig?“ Ich reagiere gar nicht. Kann überhaupt nicht richtig geradeaus denken. Mir schwirrt der Kopf. „Yugi...? Soll ich überhaupt noch weiter sprechen? Oder sollten wir lieber abbrechen?“ Eine Frage mit todernster Mimik. Und meiner Auffassung nach dauert es Stunden, bis ich mit wackeliger Stimme „bitte weiter“ hervor bringe. „Warum sind Sie nicht mehr mit Mikosch zusammen... Wenn Sie so viel Gutes über ihn erwähnen...“ Stottere ich traumatisiert. Ich fühle mich wie im Tunnel. Ich soll sein wie wer anderes? Bedeutet das dann.... Immer wenn wir etwas gemeinsam unternommen haben.... Wenn ich dachte, wir verstehen uns gut... und dass er mich mögen würde... Hat er dann etwa nur Mikosch in mir gesehen?? Nicht mich als mich selbst...? Mein Hals schmerzt, meine Kehle schnürt mir die Luft ab. Es tut weh, diese Vorstellung tut unendlich weh. Ich reiße mich aufs Heftigste zusammen, um nicht loszuheulen. Hat etwa Mikosch mit ihm Schluss gemacht und Yami ist nie darüber hinweg gekommen? Wollte er mich nun zu seinem Ersatz erklären??? „Ach...“ Ein bloßes Kopfschütteln. Yami vergräbt seine Hände in den Haaren. Es ist mittlerweile ziemlich dunkel geworden, die Sonne ist völlig verschwunden. Nichts ist geblieben vom roten Abendhimmel und dem diesen widerspiegelnden, bunt glitzernden Fluss. Das Wasser schimmert weiterhin, aber nun eher von den ersten Sternen, die sich ihren Weg aus den schwarzen, wolkenlosen Tiefen suchen. Mit der Dunkelheit kommt die Kälte. Äußerlich – und innerlich. Ich hätte mir mehr als das dünne Herbstjäckchen anziehen sollen. Es ist noch immer tiefster Winter. Als könne ich mich selbst wärmen – oder vielmehr bräuchte ich nun einen Schutz zum anlehnen, schlinge ich die Arme um mich selbst. „Nicht mehr hier.... Nicht mehr in dieser Welt... Ich hoffe nur er war nicht allzu geschockt, als er nach dem Unfall weder in Anubis’ noch in Ammit’s Antlitz blicken durfte. Hoffentlich war er nicht zu enttäuscht als er Schwärze sah... Anstatt die berühmte weiße Feder des letzten Gerichts.“ Yami lacht kurz, doch ich spüre direkt, das Lachen der versteckten Verzweiflung und der tiefen Trauer. „Mikosch glaubte an diese ganzen uralten Göttergeschichten... Er hat sie immerhin zu genüge studiert. Er war fest überzeugt davon, eines Tages Anubis gegenüber zu treten... Er hatte immer panische Angst davor, von Ammit gefressen zu werden. Er war einerseits so naiv... Nun, mittlerweile wird er hinzugelernt haben... wenn auch etwas spät. Ich hoffe es beruhigt ihn, niemals gefressen worden zu sein.“ Der Knoten in meinem Hals schwillt an. „Unfall?“ wiederhole ich bloß wispernd. „Ja. Mit dem Auto. Auf dem Rückweg von einer Kommilitonen-Party. Ein Kumpel von ihm wollte ihn nach Hause fahren. Es war der Abend vor einer sehr wichtigen Prüfung – darum auch der Anlass für die Party – ein letztes Mal Spaß haben vor dem bitteren Ernst. Und um zu verhindern, dass sich möglichst keiner mehr am letzten Abend den Kopf mit Lernstoff zuschüttete. Dann wohl lieber mit Alkohol. Eine recht verrückte Idee, wenn mich einer gefragt hätte. Ich bin auch damals nicht dabei gewesen, es war bloß für seinen Fachbereich. Aber ihnen kam auf der Autobahn ein Geisterfahrer entgegen. Kéko, der Freund mit dem Mikosch gefahren ist, konnte unmöglich ausweichen. Obwohl bei ihm später keinerlei Alkoholkonsum nachgewiesen wurde... Nein, Kéko und Mikosch hatten keinen Tropfen angerührt.... Und wurden von einem Betrunkenen in den Tod gerissen...“ Mit weit aufgerissenen Augen starre ich hinunter. Mein gesamter Mundraum ist vertrocknet, meine Zunge scheint am Gaumen festgeklebt. Ich kann gar nicht fassen, was er mir hier erzählt. „Und weißt du... Yugi... Da ich ja versprochen habe, ehrlich zu dir zu sein... Ich hoffe, du kannst mir das verzeihen... Aber... Ach...! Du wirst es sicher nicht verstehen, ich weiß es.... Aber... Zuerst habe ich dich gar nicht so richtig als eigenständige Person wahrgenommen... Du sahst aus wie er, redetest wie er... benahmst dich sogar oft wie er.... Ich war völlig verwirrt und teilweise sogar erschrocken über diese Ähnlichkeit! Ich habe dir ja bereits gesagt, dass ich nicht an diese Göttergeschichten und diesen ganzen Hokus-Pokus glaube... Aber ich habe echt eine Zeit lang darüber nachgedacht, ob es nicht doch so etwas wie Wiedergeburten gibt. Ich habe wirklich mit dem Gedanken gespielt, dass Mikosch's Seele seinen Weg in dir zu mir zurück sucht... Das ist wirklich krank, oder?? Ich habe diese Vorstellung auch nie jemanden weiter erzählt... Wobei Mirai sehr schnell selbst die Parallelen zwischen euch Beiden gesehen und somit herausgefunden hat, was ich denke. Die Frau hat einfach zu viel mit mir zusammen gelebt... sie kennt mich zu gut! Jedenfalls... bitte behalte diese Wahnvorstellungen für dich, okay? Ich weiß zwar, dass du es sowieso niemandem erzählt hättest – aber ich möchte nur sicher gehen. Ich erkläre mich mittlerweile ja auch für bescheuert... Aber ich erzähle dir das... weil das einfach der Grund ist, weswegen es mir schwer fällt... Dir näher zu kommen. Sehr schwer. Zumindest mittlerweile. Zuerst... nun ja ... ich will es dir nicht verschweigen... Doch anfangs habe ich der Ähnlichkeit zu Mikosch wegen deine Nähe gesucht. Ich habe ihn tatsächlich statt deiner vor mir stehen sehen... Irgendwie hat sich mein Verstand gewaltig verabschiedet gehabt.... Mein Herz fing an mir Trugbilder vorzuspielen... Ich setzte euch zu gleich... Ich weiß es nicht genau... aber ich glaube ich habe eine kleine Weile lang gedacht, du könntest ihn ersetzen. Du könntest mir meinen Mikosch, der mich viel zu früh unfreiwillig verlassen hat, zurückgeben.... Und glaube mir... Yugi....“ Meinen Namen spricht er dieses Mal ganz bewusst aus. Doch ich will nichts weiter davon hören!! Er soll aufhören!! Am liebsten würde ich mir auf der Stelle die Ohren zuhalten und ganz laut schreien! Einfach Schreien! Durch ganz Japan! Sollen doch alle es mitbekommen und diesen Schmerz mit mir teilen!!! Es ist unvorstellbar... Ich kann nicht mehr... ich breche gleich auf dem Boden zusammen!! All die Zeit habe ich gedacht er mag mich!! Mich, mich allein! Wir haben uns so gut verstanden! Uns öfters in der Freizeit getroffen... geredet... zusammen gelacht... vollkommen unbeschwert. Auch die eine oder andere Zärtlichkeit haben wir ausgetauscht.... Jah, sogar geküsst haben wir uns!! ..... Oder besser er hat letztendlich mich geküsst nach meinem vergeblichen Versuch. Hat er seine Meinung etwa nur geändert, weil er zuerst mich selbst, Yugi Mutou... dann aber doch plötzlich diesen Mikosch vor sich sah??? Hat er mich etwa deshalb so urplötzlich so verlangend zurückgeküsst...? Mein Magen dreht sich herum, macht bereits die ersten krampfartigen Würgereflexe. Nein, nein NEEEEIIIIIN!!!!!!!! Das ist nicht wahr!! Das kann er mir nicht antun!!! Tausend Nadeln durchspießen mein Herz – hat er etwa wieder nur mit mir gespielt?? Mich benutzt für seine Illusion?? Das... nie hätte ich ihm das zugetraut....nie.... Es mag verrückt klingen... unlogisch.... Ich hatte nie etwas Ernstes mit ihm... Nein, wir waren nicht einmal ein Paar... nicht einmal als Affäre kann man unser Zusammenspiel bezeichnen... Und doch... tut es weh... als hätte er mich betrogen... Als hätte er mich mit einem Anderen, einem mir völlig Fremden, hintergangen. Wobei... er war für Yami nicht fremd... Er war einst Yamis Ein und Alles.... Und mit diesem Verlust hat er sicher noch nicht abgeschlossen... Hilflos und so unendlich kraftlos sinke ich tatsächlich auf der feuchten Wiese in die Knie. Gestern hatte hier überall noch der schöne, weiße Schnee gelegen, der Boden ist noch immer kalt und nass. Yami schüttelt bloß verständnislos den Kopf, bricht aber trotz allem nicht den Blickkontakt. Auch kann ich keinerlei Anzeichen von Tränen erkennen, nach welchen ich fieberhaft suche. Seine Stimme klingt zwar traurig und erschüttert, aber trotz allem gefasst. Er wirkt mir nicht gerade, als würde er mit den Tränen kämpfen. Hat er es vielleicht doch schon besser verarbeitet als ich denke...? ... Ach, was soll ich überhaupt noch denken... Alles ist Schwarz... Ich will nicht mehr.... „Sein Tod war der Zeitpunkt, an dem für mich endgültig ein neues Leben anfing. Ich wollte nie wieder mit Erinnerungen aus unserem gemeinsamen Leben in Berührung kommen... Ich verfluchte die Liebe... schon das zweite Mal im Leben... und an dem Tag als ich vor Wut auf die gesamte Welt eine ägyptische Vase in meinen Wandspiegel schmiss, wollte ich nie jemals wieder eine Beziehung haben... und sämtliche antike, ägyptischen Gegenstände, welche Mikosch in meine Wohnung angeschleppt hatte, verschwanden... Das ist der Grund, warum sich keine einzige ägyptische Figur oder Bild bei mir befindet... Fortan begann ich sogar meinen zweiten Vornamen zu hassen... Mikosch nannte mich immer nur bei diesem... Er fand ihn so toll... Für ihn war ich nie Yami. Für ihn als Ägyptenfan ging ein Traum in Erfüllung als sein fester Freund auch noch wirklich Amun hieß. Ach, das konntest du ja noch gar nicht wissen... Entschuldige, ich bin gerade selbst etwas durch den Wind. Ich heiße mit vollem Namen Yami Amun Athem. Ich hab’s dir nie erzählt... Ich hatte nie wirklich einen Grund dazu. Immerhin sind wir Lehrer und Schüler... Aber irgendwie sind wir das auch schon lange nicht mehr. Findest du nicht? Oh man... Wenn das alles jemals raus kommt... was alles zwischen uns gewesen ist... dann könnte ich meinen Job auf immer abschreiben...“ Ein tiefes Seufzen. „Nun ja... Jetzt ist es zu spät... Jedenfalls.... Bitte nenne mich nie Amun. Ich bin Yami.... Einfach Yami...okay?“ Er streckt die linke Hand aus, hält sie mir hin. Das gibt es doch nicht.... Ich spüre bereits meinen gesamten Körper nicht mehr. Viel mehr fühle ich mich wie eine zu große, unpassende, leere Hülle. Kalt und schwarz. Mikosch. Alles nur wegen Mikosch....? Und was ist mit Yugi... was ist mit mir...? Was soll das hier mit seinem Namen überhaupt? Er ist Yami? Ist das ein Angebot ihn ab jetzt so zu nennen... Oder wie soll ich das verstehen? Das will ich doch überhaupt nicht mehr!! Mag sein, dass ich mir das lange Zeit gewünscht habe... Dass er mir das Du anbietet.... Aber jetzt? Jetzt? Meine Kehle brennt, schmerzt noch stärker. Ich kann nicht anders und heiße Tränen schießen hervor, kann sie nicht länger zurück pressen. Jetzt will ich das überhaupt nicht mehr! Er soll mir fern bleiben! Fern! Schluchzend reiße ich mich vom Boden auf, meine Jeans ist durchgeweicht und der harte Grund drückt unermesslich gegen meine Knie. „Das... das tut mir alles sehr leid für Sie... Danke für diese vertraulichen Informationen... Ich... muss nun gehen! Tschüss!“ Das ertrage ich nicht länger! Ich wirbele herum und sprinte los. Ich will rennen, laufen, jagen, so dass die Umgebung an mir vorbeifliegt. Durch das Tempo und den stechenden Wind in den Augen sogar bis zur Unkenntlichkeit verschwimmt, damit ich niemanden um mich herum mehr wahrnehmen kann. Ich will allein sein. Ich will schreien um diesen angestauten Schmerz und diese Enttäuschung los zu werden. Ich war bloß ein Ersatz! Ich war ein Anderer! Das ertrage ich nicht! Ich renne von der Wiese, zurück auf den Weg und weiter an den Promenade entlang. Es ist bereits mehr als nur dunkel, ich erkenne kaum wohin ich trete. Umso besser höre ich ihn in dieser dunklen, stickigen Stille nach mir schreien. „YUGI!! Warte hab ich gesagt!!“ Lass mich! Mir ist egal, was du jetzt noch zu sagen hast, Yami! Ich verzichte gern auf deine Entschuldigungen!! Mein Herz rast, ich kann meinen eigenen Puls dröhnend in den Ohren hämmern hören. Geh weg, lass mich allein! Ich brauche Zeit zum Nachdenken! Ich muss doch das alles erst verkraften! Meine Atmung geht so schnell, ich komme kaum noch mit dem Luftholen nach, so schnell wie mein Körper den Sauerstoff benötigt. Es geht alles viel zu langsam... So als würde ich die Luft anhalten... doch das völlige Gegenteil ist der Fall! Es fühlt sich beinahe so an, als würde ich das Falsche einatmen... als wäre der lebensnotwendige Sauerstoff aus der Luft gewichen und hätte einem stickigen Giftgas Platz gemacht. Alles um mich herum beginnt sich zu drehen... mir wird schwindelig... Scheiße, doch nicht jetzt!! Ich kenne dieses Gefühl... Warum muss mein blödes, krankes Herz jetzt schon wieder schlapp machen?? Ich muss hier weg, verdammt! Wenigstens bis zur Bahnhaltestelle muss ich es schaffen... dort kann ich sicher irgendwo einsteigen und flüchten – egal in welche Richtung! Dann kann ich mich beim Fahren genug ausruhen... Bitte Körper... verlass mich jetzt nicht!! „Halte doch endlich mal an!! Ich habe noch etwas zu sagen!“ Immer wieder er – immer wieder seine Stimme. Er will überhaupt nicht mit mir reden.... Er sieht in mir doch bloß Mikosch.... Natürlich will er nicht, dass dieser Mikosch ihn schon wieder verlässt .... DAS IST DOCH ALLES!! WUMM! Ein unheimlicher Schmerz, es wird nass und kalt um mich herum. Für wenige Sekunden ist es mir völlig egal was passiert ist, wo ich jetzt bin und wie alles weitergeht. Ich halte lediglich die Augen geschlossen und keuche schwer vor mich hin. Langsam spüre ich die frische Luft in meiner Lunge, die Angst zu ersticken weicht. Nach zwei weiteren Atemzügen wage ich es, die bisher ausgeblendete Umgebung um mich herum wieder allmählich wahrzunehmen. Ich liege - ist das Erste, was mir in den Sinn kommt. Halb auf dem Bauch, halb seitlich – mein Ellenbogen schmerzt und brennt und auch meine Hüfte sowie der rechte Oberschenkel scheinen einiges abbekommen zu haben. Bin ich doch ohnmächtig geworden? Blinzelnd öffne ich die Augen. Schwärze. Tief schnaufend richte ich meinen Oberkörper auf, stütze mich dabei auf meine brennenden Hände. „Autsch...“ Heißer Atem an meinem Ohr, ebenfalls schnell und unregelmäßig. Oh nein. „Geht’s wieder?“ Tatsächlich, er ist da. Und er hockt unmittelbar neben mir, den Oberkörper sogar über mich gebeugt. „Mhhm...“, nicke ich bestätigend. Natürlich geht nichts, rein gar nichts. Aber Hauptsache er verschwindet schnellstmöglich. „Ich hatte dich im Lauf geschnappt, du musst wohl dabei gestolpert sein, denn wir gingen beide zu Boden... Im Fall bist du bewusstlos geworden... Ich wollte dir aufhelfen doch du warst für wenige Sekunden unansprechbar. Ich bin froh, dass du wieder zu dir gekommen bist.“ „Lassen Sie mich gehen...“ „Nein, lasse ich nicht. Und jetzt schon gar nicht mehr... Kannst du aufstehen? Ich helfe dir.“ Er zieht sich mit dem Oberkörper zurück, hockt neben mir und hält mir beide Hände hin. Soll ich annehmen...? Nach all dem, was er mir vorhin offenbart hat? Diesen Schock den er mir zugefügt hat...? Ich bin nichts weiter als eine Kopie... Eine Kopie dessen, was ihm geraubt wurde... Unentschlossen bleibe ich liegen, starre ihn bloß verstört an. „Hör zu... Ich weiß, dass es nicht gerade einfach ist das zu verkraften... was ich dir... nun ja – offenbart habe. Ich weiß auch, was du jetzt denkst. Aber ich war noch nicht ganz fertig mit meinem Bericht. Du hattest mich eigentlich an der wichtigsten Stelle unterbrochen...“ Yami hält den Kopf leicht schräg und ein sanfter Blick ruht auf mir, während er eine hervor gerutschte blonde Strähne zurück hinter sein rechtes Ohr streicht. Kein Tadel ist in seiner Stimme enthalten, keine Spur von Ärgernis oder Bitterkeit über meine Flucht. Diese roten Augen tragen wieder diese typische Aura... dieses Glitzern trotz der Dunkelheit, welches mich jedes Mal aufs Neue zurück in seinen Bann zieht. Zwar hat mich die Enttäuschung noch immer fest in der Hand, doch ich schiebe sie davon. Ich versuche mich wenigstens für die nächsten Minuten bestmöglich zurück auf seine nächsten Aussagen zu konzentrieren. Denn ich bin neugierig. Neugierig was er wohl Weiteres zu erzählen hat. Der junge Mann bleibt neben mir hocken, nimmt seine Hände zurück und platziert diese stattdessen auf seinen Oberschenkeln. „Es ist wahr... Dass ich dich zu Anfangs für Mikosch gehalten habe... Dass ich euch unbewusst gleich gesetzt und ohne es wahr haben zu wollen nach Parallelen zwischen euch gesucht habe. Und ich betone das ‚zu Anfangs’ bewusst... Denn mittlerweile bin ich sehr wohl in der Lage euch zu trennen. Ihr seht euch auch immerhin nicht wirklich ähnlich... Zwar schon in manchen Situationen... Wie dein Blick.. oder auch deine Körpergröße erinnert an ihn... aber es ist bei weitem nicht so, dass irgendwer euch hätte für miteinander verwandt halten oder euch verwechseln können.“ „Aha...“, gebe ich bloß verbissen von mir. Den Kopf abwendend und vor mir auf den Boden schauend. Das war nicht wirklich das, was ich gehofft hatte zu hören. „Und charakterlich... da gibt es schon ein paar kleine Unterschiede...“ Kleine...? Nur kleine...?! „Yugi... Ich stecke zurzeit mitten in einem Verarbeitungsprozess. Denn... Ich möchte, dass du Yugi bist. Und niemand sonst. Du hast es nicht verdient mit irgendwem verglichen oder gleichgestellt zu werden. Ich will dich keinesfalls zu einem Ersatz von meinem verstorbenen Exfreund machen... Das wäre einfach nicht fair. Das wäre auch das Letzte was ich für eine andere Person sein möchte. Darum... bin ich nun auf dem Weg dahin, einen Schlussstrich unter meine letzte Beziehung zu setzen. Ich muss wirklich mit der Vergangenheit abschließen..... Mirai hat so Recht...“ Er schüttelt in geschmeidigen Bewegungen seinen Kopf und steht schlussendlich auf. „Mirai?“, spiele ich lediglich sein Echo. „Ja.... Meine Schwester hat mir dauernd versucht klar zu machen, dass du absolut nichts mit Mikosch zu tun hast... Sie hat mir dauernd eure Unterschiede aufgezählt! Sie sieht das ja auch alles vollkommen richtig...“, während des Sprechens entfernt er sich weiter von mir, behält noch immer den Rücken mir zugewendet. „Natürlich weiß ich doch, dass du nicht er bist... Aber die Gefühle, verstehst du? Ich kann nicht klar fühlen... Ich bin nicht im Stande irgendetwas konkret einzusortieren. Auch wenn mein Verstand euch trennen kann... Meine Gefühlswelt steht Kopf! Ich... ich...Aaaaach, verdammt!!“ Schemenhaft, da er sich bereits einige Meter entfernt hat und die Dunkelheit um uns herum ihn auf die Entfernung immer stärker verschlingt, erkenne ich, wie er sich bückt und etwas vom Boden aufhebt. Es muss sich um einen Stein gehandelt haben, denn sofort hat er auch schon ausgeholt und das gefundene Etwas mit viel Kraft ins Wasser befördert. Ein lautes, platschendes Geräusch verrät es mir. Eine Weile herrscht Schweigen, ich traue mich nicht, weiter nachzufragen. Und leider... zu meinem Schmerz kann ich ihn verstehen. Zu gut verstehen. Meine Hand ballt sich zusammen, ich habe mit einem Mal das intensive Gefühl mich in Etwas krallen zu wollen! Nur leider bietet der geteerte Weg unter mir keine Fläche dafür... ich finde keinen Halt... der Beton gibt nicht nach... ich greife vergeblich. Finde keinen Schutz... „Darum... Nur deswegen habe ich dir nicht geantwortet.“ Hm? Was meint er...? Antwort...? Er redet doch die ganze Zeit mit mir! „Ich hatte Angst, dir etwas Falsches zu sagen... Dich anzulügen... Mit falschen Gefühlen... Das wollte und konnte ich dir nicht antun.“ „....“ Ich schlucke schwer. „Heißt das...?“ Ich rüttele mich vom Boden auf, streiche lautlos den Dreck von meiner Kleidung. Ein schweres Seufzen von ihm. „Jah... es gibt da meinerseits auf jeden Fall mehr als freundschaftliche Gefühle...“ Er pausiert kurz. „....Wenn ich dich ansehe.“ So ist das also. Wenn er mich sieht... dann weiß er nicht, ob seine Gefühle mir gelten... oder... – Mikosch. Der Kloß in meiner Kehle schwillt an. Schmerzerfüllt halte ich mir diese. Zugleich bin ich mir aber nicht sicher, ob mich diese Nachricht nur depressiv stimmt. Immerhin muss es doch auch an mir liegen, dass ich ihn so fühlen lasse, oder? Ich bin ich! Ich bin nicht Mikosch! Das bedeutet doch dass seine Zuneigung für mich ist, oder?? Nein, immerhin kann er uns nicht klar trennen... NOCH nicht, wie er sagt! Verflucht! Alles um mich dreht sich im Kreis! Mir ist richtig schwindelig! Mein Kopf drückt, droht geradezu zu platzen! Meine Schläfen hämmern als schlüge jemand kontinuierlich gegen sie ein! Was soll ich denn nun denken? Und wie fühlen? Soll ich mich freuen...? Weil er mich nun offensichtlich doch liebt?? Oder sollte ich ihn für diese Art der Sympathie hassen? Weil er sie nur auf mich projiziert?! Oh zur Hölle! Was ist nun falsch und was ist richtig? Wie SOLL ich überhaupt fühlen? Ich werde wahnsinnig dabei! Hilflos vergrabe ich meine Hände in den Haaren, kralle mich somit in diese. Die Welt soll anhalten... einfach mal für mich anhalten... Nichts soll weiter geschehen... Bis ich weiß was ich überhaupt tun oder denken soll! Alles rauscht gerade einfach in einem Zug an mir vorbei. Und hinterlässt... Leere. Mein Kopf fühlt sich hohl und dumpf an. Alles ist zu viel für mich. Wie eine kleine Kugel winde ich mich zusammen, nehme die Hände wieder hinunter und schlinge sie selbst um meinen Bauch im hoffnungslosem Versuch mich selbst zu halten – und zu trösten. Schritte. Er kommt wieder auf mich zu. Bitte... Geh’ doch nun endlich... Ich brauche Zeit für mich allein... „Verstehst du mich jetzt besser? Auch wenn sich das nun ziemlich blöd anhören mag... Aber ich wollte dich nie verletzen, Yugi. Darum rücke ich jetzt mit der ganzen Wahrheit heraus. Und ich weiß, dass ich es damit trotzdem getan habe.... Aber ich bin mir sicher, dass dies der beste Weg und wirklich der erträglichste ist... Wobei... wirklich weiter sind wir damit mit unserem Problem nicht gekommen... Ich sehe -“ Er steht genau vor mir, mustert mich intensiv. Seine Augen werden größer, ihr Ausdruck schockierter. Ich muss wohl ziemlich – kurz überlege ich nach einem Wort – ja, gebrochen auf ihn wirken. Genau das bin ich nämlich auch. Und wahnsinnig unschlüssig. Mir kommt alles viel mehr vor wie ein endloser Tunnel. Sicher träume ich nur und wache gleich in meinem Bett mit einem furchtbaren Schrecken auf und muss mich selbst erstmal davon überzeugen, dass alles nicht real ist. „Ich denke... wir belassen es für heute erstmal dabei. Ich sollte dir Zeit geben, um das bisherige erst einmal zu verarbeiten.“ Höre ich ihn murmeln. „So hat es keinen Sinn, nach einer Lösung für unser eigentliches Problem zu suchen... Es rennt immerhin nicht davon... leider.“ Ein Arm auf meiner rechten Schulter. Ich habe weder genug geistige noch körperliche Kraft um ihm auszuweichen oder von mir zu schlagen. So lasse ich es einfach geschehen, mein Körper wird automatisch starr wie ein Brett. „Komm, ich fahre dich nach Hause. Ich bin mit dem Motorrad da.“ Tatsächlich wache ich in meinem Bett auf. Mein eigenes...? Wie bin ich hier bloß hingekommen?! War ich nicht soeben noch unten am Flussufer? Oder war das jetzt alles nur ein Traum...? Ein erschreckend real wirkender Traum? Alles kommt mir noch so hautnah am Geschehen vor... als hätte mich eine Art Magie mitten aus dem Gespräch gerissen und hierher verschlagen... Ich blinzele schwer und verschlafen. Mein erster Blick gilt der Uhr. 12.11 – aha. Mein Zimmer ist trotz der vorgezogenen Gardinen lichtdurchflutet. Und in mir... in mir sieht alles dunkel aus... Ungewollt werde ich erschlagen von Zitaten, welche mich offenbar bis hierher verfolgt haben. Bis in mein Zimmer, mein Bett und bis in meine innersten Träume. „Und was.... was hat das nun mit mir zu tun?“ „Eigentlich.... Alles.“ „Wenn du mich so seitlich ansiehst... mit diesen großen, traurigen Augen... Dann sehe ich ihn! Ich hatte manchmal wirklich das Gefühl, er stünde wieder vor mir!“ Wie ist der Abend überhaupt zu Ende verlaufen? Ich habe irgendwie nur noch Erinnerungen an den ersten Teil... nur dieser hat sich eingebrannt – ich bin geprägt wie ein Pferd, welchem man ein heißes Eisen auf den Schenkel gepresst hat – diese Narbe wird nie wieder verschwinden oder unsichtbar sein. Kann ich ihm überhaupt jemals wieder vertrauen...? Langsam kehrt auch der Rest des Abends zurück. Es ist als setze sich der Filmriss aus lauter Einzelbruchstücken allmählich wieder zusammen. Ich bin vor ihm weggerannt. Geflüchtet.... Und trotzdem hatte er mich eingeholt... kein Wunder... bei meinen kurzen Beinen und meinem unsportlichen Körper... Mein verdammtes Herz! Egal wie man es betrachtet... es steht mir im Weg.... psychologisch sowie physiologisch. Ein bekanntes leises Klingeln mehrer Glöckchen reißt mich aus meinen Gedanken. Ein Kunde hat also unseren Spieleladen betreten. Moment mal – der ist geöffnet? Oh Gott stimmt ja, wir haben doch Mittwoch! Ich hätte Schule... Aber zum Glück kein Physik. Ich schüttele verzweifelt den Kopf, schlage dabei die Decke zurück. Großvater wird mich in der Schule entschuldigt haben, er kommt sonst immer hoch, wenn ich den Wecker im Tiefschlaf überhöre oder ihn gar vergesse zu stellen. Er ist immerhin freiwillig jeden Morgen so früh wach. Sah ich denn gestern Abend so mies aus, als ich hier ankam? Ich hatte Yami gebeten mich in einigem Abstand zu unserem Haus abzusetzen. Damit Opa ihn nicht unbedingt wieder beobachten muss. Unangenehme Fragen zu ihm sind nun das absolut Letzte, was ich beantworten möchte. Außerdem konnte ich gar nicht schnell genug aus dieser beißenden Nähe entkommen. Ich habe mich wirklich zusammenreißen müssen, den direkten Körperkontakt während der Fahrt hinter ihm zu ertragen. Warum ich mich überhaupt darauf eingelassen habe weiß ich auch nicht mehr... Ich war und bin einfach zu geschockt... über diese Wahrheit. Handlungsunfähig und willenlos wie eine Puppe. Ich kann und will es noch immer nicht begreifen... Mikosch... Ich bin ich.... Ich bin ich, verdammt!! Wütend packe ich das Kissen und schmeiße es voller Wucht auf den Boden. Mein Herz rast wie wild, als wäre ich hunderte von Kilometern ausschließlich gerannt... Doch ich sitze bloß an meiner Bettkante, habe sogar bis gerade eben noch geschlafen. Aber mein Kreislauf ist instabil, ich spüre meinen Puls pochen. Übel ist mir irgendwie auch... Was bin ich nun eigentlich...? Wütend oder traurig...?? Ich glaube weder noch... Ich kann es einfach gar nicht glauben, dass ich einer mir völlig fremden Person so dermaßen ähneln soll, dass es Yamis Gefühlswelt Kopf stehen lässt... Nein, so etwas kann es doch gar nicht geben!! Für den Rest der Woche habe ich mit Großvater ausmachen können, zu Hause zu bleiben. Natürlich wollte er wissen, was denn nun mit mir los sei... Seit Wochen wäre ich nicht mehr ich selbst... Wie recht er doch hat... Zuerst hatte ich überlegt, ihm ein Märchen aufzutischen. Mir schwirrten schon Gedanken in Richtung ernster Streit mit Jonouchi im Kopf herum. Ich glaube das wäre im Moment wirklich nach Gestern das Letzte, wirklich Allerletzte was mir noch fehlen würde!! Ich glaube, hätte ich Stress mit meinem besten Freund, wäre diese Welt wirklich für mich gelaufen... Ich kann nicht nach außen hin auch noch so tun als wäre dies die Realität. Außerdem könnte er in den nächsten Tagen gutgelaunt hier anrufen. Wenn er mich oben auf meiner eigenen Nummer nicht erreicht, probiert er’s sicher unten bei Opa. Somit sah ich mich aus zwei Gründen nicht im Stande diese Version aufrecht zu erhalten. Also entschied ich mich für einen großen Teil der Wahrheit: Liebeskummer. Wobei ich keine genaueren Angaben zu der betroffenen Person machte... und ihn einfach bei meinem Opa als... ja, tatsächlich als die ‚betroffene Person’ bezeichnete. Leider ist Jii-chan zu schlau für diese Welt... oder kennt mich einfach zuu verteufelt gut! Denn dass ich die Person ständig im Neutrum beließ und nicht direkt von einer jungen Frau sprach... das machte ihn stutzig. Und schon rückte er mir mit der Frage, ob es sich zufällig um eine männliche Person handelte, zu Leibe. Nach einigen Sekunden des Schocks habe ich schließlich bejahen müssen – und habe es so gelenkt als wäre es einer aus meiner Jahrgangsstufe. Ob er mir glaubt weiß ich nicht. Zumindest hat es sehr gut getan zumindest die Halbwahrheit einmal offen mit ihm zu besprechen und auch einmal seine Sicht und seinen Rat einzuholen. Die Meinung eines Sechsundsiebzigjährigen fällt immerhin anders aus als die von Jou & Co. Wie vorhersehbar war er alles andere als begeistert... hatte mich mehrmals gefragt ob ich mir sicher bin, meine Gefühle auch absolut richtig einzuschätzen. Doch ich bin überrascht, er hatte direkt eine gewisse Art von Verständnis für mich. Ich schäme mich dafür... Aber ich hatte wirklich all die Zeit geglaubt, er würde versuchen mir einen gleichgeschlechtlichen Partner auszureden... nicht auf eine böse Weise! Sondern weil ich dachte, er wäre der Meinung, dass eine Frau das einzig Wahre, und dass eine ‚normale’ Beziehung das Beste für mich wäre. Doch er meinte, ich solle meinen eigenen Weg finden. Meiner inneren Stimme folgen und das tun, was mir richtig erscheint. Nur das wäre das Beste für mich. Ich habe wirklich vor Rührung und um all den anderen Gefühlen Luft zu lassen erst einmal Tränen vergießen müssen... Seit diesem Gespräch am Mittwochabend geht es mir nun ein winziges Bisschen besser. Letztendlich hatte er noch gemeint dass ich die Ereignisse schlicht und ergreifend weiter auf mich zukommen lassen solle. Doch auch bis jetzt, Sonntagabend, hat sich nicht viel verändert... Morgen werde ich wieder zur Schule gehen und meine Freunde sehen... Diesen habe ich noch rein gar nichts von meinem Gespräch mit meinem Physiklehrer erzählt. Mir war noch nicht danach auch mit ihnen darüber zu sprechen, wollte zunächst selbst versuchen alles überhaupt zu verstehen. Denn immer wieder spult mir dieses große ‚Warum??’ durch den Schädel... Zum Glück habe ich es nach einigen Anrufen von Jonouchi geschafft – denn zuerst wollte ich gar nicht auspacken und so musste er es ganze drei Male versuchen – ihn davon zu überzeugen, dass ich wirklich einige Tage für mich allein benötige. Ich versprach ihm, alles zu Beginn der nächsten Woche zu erklären. Und da er sich nicht aufdrängen wollte, akzeptierte er meine Bitte, mir meine Ruhe zu gönnen und auch die Anderen darüber zu informieren. Tja, und auch Herrn Athem werde ich Morgen oder spätestens Übermorgen wieder auf dem Flur oder im Unterricht über den Weg laufen. Mir wird richtig schlecht, wenn ich nur daran denke... Ich will ihn nicht ansehen... ich kann ihm nicht in diese Augen sehen! Sie sehen nicht mich, sie sehen Mikosch – seine wunderbaren Augen waren eine einzige Lüge! Auch wenn er später noch behauptet hat, er würde nach Punkten suchen in denen ich Yugi bin... nicht Mikosch... Und dass er schon ein paar gefunden hätte.... All diese minimalen Funken der Hoffnung werden so einfach verschluckt... Gehen unter und erlischen im Meer der Trostlosigkeit und der Lügen... Ich fühle mich belogen und betrogen... Auch wenn ich ihm vielleicht damit auch Unrecht tue... Er kann schließlich auch nichts dafür dass ich seinem Ex so sehr ähnele... Womöglich würde ich an seiner Stelle nicht anders fühlen! Aber ich kann diese Tatsache einfach nicht ignorieren! Ich kann ihn zwar verstehen, ihm aber nicht verzeihen! Schon allein wenn ich daran denke dass er mich geküsst hat und – Pardon, dass er dachte Mikosch zu küssen... Ich kann nicht mehr!! „Ihr seid beide so stille Menschen, so ruhig und in sich gekehrt. Und wenn man euch dann ein wenig besser kennt... man euer Vertrauen hat, dann zeigt ihr eure liebevolles Wesen. Das Anhängliche, das Verständnisvolle Wesen. Dann beginnt ihr euch zu öffnen, man kann sich wunderbar unterhalten, Spaß zusammen haben – und jeder der euch so erlebt spürt den Unterschied.“ Mirai hatte Unrecht! Yami braucht mich überhaupt nicht!! Höchstens als Ersatz, der ich nicht sein möchte!! Hat sie das etwa gemeint mit ihrer Aussage?? Er würde mich brauchen... Von wegen... Mikosch braucht er, nicht mich! Ein schwarzer Tupfer auf meiner grauen Jeans. Ich heule schon wieder. Ich bin so eine verdammte Heulsuse geworden!! Gut dass er mich nicht so sieht... Was wollte Mirai mir bloß damit sagen... Yami sagte doch, ihr wäre selbst diese Ähnlichkeit aufgefallen - Mirai! Oh verflucht!!! Die hatte doch diese Woche Geburtstag! Vorgestern war doch diese Party zu der ich auch eingeladen war! Ich hatte ihr in all der Zeit seit der Einladung nicht einmal Bescheid gesagt ob ich nun vorhabe zu kommen oder nicht... Nicht mal am Tag selbst habe ich ihr abgesagt... Da werde ich schon einmal eingeladen... und benehme mich so unhöflich... Aber es war immerhin unmittelbar wenige Tage nach meinem Gespräch mit Yami... Da hatte ich andere Dinge im Kopf.... Sicher wird sie von ihrem Bruder sowieso schon gehört haben, was zwischen uns vorgefallen ist... Ich könnte eh nie wieder etwas mit ihm zusammen unternehmen... ausgelassen sein als würden wir uns gut verstehen... Im darauf folgenden Rest der Woche spürte ich so intensiv wie noch nie in meinem Leben, was es doch bedeutet, innerlich zerrissen zu sein. Es tat verdammt weh, Yami am Freitag, also gestern, eine Stunde lang in Physik zu ertragen. So nah und doch so fern... Ich konnte ihm nicht zuhören, konnte und wollte einfach nicht seinen Worten folgen! Am liebsten wäre ich wahrlich aufgestanden und hätte ihn vor dem gesamten Kurs angeschrieen... wie er es wagen könne, mir so weh zu tun... Einfach brüllen, die Luft und den Stress heraus lassen. Doch so etwas würde ich nie tun – dazu habe ich einfach eine viel zu große Selbstbeherrschung. Und der Mut fehlt dazu auch noch. Und einfach zu viel Verstand... Es ist ja nicht so dass ich ihn nicht doch verstehen würde... Andererseits bin ich ziemlich froh, dass er mir all dies erzählt hat... mir anvertraut hat... Er wollte mir nichts vorspielen... Er hat Recht, Ehrlichkeit währt am längsten. Also wieso komme ich mit dieser verdammten Realität nicht klar? Obendrein habe ich noch mit meinem Gewissen zu kämpfen – denn leider ist Yami dieses Mal der Jenige, welcher anscheinend nicht aufgeben will. Endlich ist erneut Wochenende, ich muss ihm also für zwei Tage nicht ausweichen. Doch gestern... Ja gestern war es sehr schlimm... *** „Yugi? Yugi wartest du bitte noch kurz? Ich habe noch dein Buch!“ Es war zum verfluchen! Wieso, wieso zur Hölle hatte es dieser Physikreferendar gewagt, sein Physikbuch zu Hause zu vergessen? Und hatte sich dann – rein zufällig natürlich – Yugis Buch ausleihen müssen?! Es war überhaupt nicht sein Recht sich einfach fremdes Eigentum zu schnappen! Aber warum fragte er sich so etwas überhaupt noch... es waren immerhin sowieso nicht mehr als rhetorische Fragen – denn die Antwort kannte der junge Schüler mehr als genau. Machtlos gegenüber dieses Zustands ließ Yugi es also zu, dass er der Letzte war, der den Saal verließ, um noch auf sein Buch zu warten, welches Yami Athem unermesslich hartnäckig beschlagnahmte. Er hatte es sich unter den rechten Arm geklemmt, während er mit links seine eigenen Tafelanschriften mit dem Schwamm auslöschte. Endlich allein im Raum, kam er auf Yugi zu. Dieser blickte zu Boden, vermied jeglichen Blickkontakt und versprühte eine Kälte, welche der angehende Lehrer nicht mal ansatzweise gewohnt war. Es war, als besäße der Jüngere eine unsichtbare Barriere. „Yugi... Was soll das denn?“ „Was soll was?“, war die ruhige, aber dennoch trotzige Antwort. Nicht mal jetzt, als er ihn direkt ansprach, schien Herr Athem interessanter als der Fußboden zu sein. „Du weißt genau, was ich meine. Meinst du, ich merke nicht, dass du mich seit unserem Gespräch meidest? Ich hatte eigentlich gehofft damit einige Probleme aus der Welt zu schaffen – statt Neue entstehen zu lassen.“ Kein Kommentar. Damit war der Achtzehnjährige zunächst entwaffnet. „Ich wollte, dass du mich verstehst... Dass du ein bisschen mehr über mich weißt. Mehr nicht. Ich finde nicht, dass ich es verdient habe, mit Ignoranz bestraft zu werden...“ Vorwürfe. Eiskalte Vorwürfe. Und Yugi wurde schlecht. Sein Magen presste sich zusammen, seine Zehen- und Fingerspitzen erstarrten von dieser bleichen Kälte. Yami hatte Recht... irgendwie... Andererseits konnte er nicht einfach vergessen, was dieser ihm offenbart hatte. Er konnte und wollte dem Ägypter einfach nicht all diese Parallelen zu Mikosch verzeihen, welche er gezogen hatte. Wenn er verzeihen würde – um sich wieder versöhnend in Yamis Armen wieder zu finden – um diese plagende Stimme im Hinterkopf zu hören, welche einen daran erinnert, dass er auch bei dieser Umarmung an den Anderen denken würde... Nein! Er wünschte sich, es ginge... doch er konnte nicht. „Ich... ich... Bitte geben sie mir mein Buch.“ Die Stimme zittrig und schwer getränkt von Unsicherheit. „Es wäre schön, wenn wir uns noch einmal treffen könnten –“ „Bitte geben Sie mir mein Physikbuch!“ Die violettblauen Augen aufeinander gepresst, das Gesicht schmerzvoll verzogen – Yami Athem zögerte nicht lange und händigte seinem Schüler emotionslos das Gewünschte aus. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis der blond Gesträhnte zugegriffen hatte und mit laut hallenden Schritten aus dem naturwissenschaftlichen Trakt im Keller hinausgepoltert war. ** Ich liege auf meinem Bett, starre Löcher in die Luft. Ich habe mich wahrlich peinlich benommen... Am Abend war ich so aufgewühlt, dass ich vergaß wie ich unsere Spülmaschine einschalte. Ein Glück war Großvater nicht im Raum... Aber ich habe wirklich für einen Moment darüber nachdenken müssen, was sonst eigentlich längst zur Routine gehört und sonst wie von alleine abläuft. Zwei Handbewegungen und die Maschine läuft... aber seitdem... Ich ertrage die Last dieser Probleme einfach nicht... Schon wieder ist mehr als eine Woche ins Land gezogen. Seit meinem Gespräch mit Herrn Athem am Nishiari River sind nun genau 14 Tage vergangen – haargenau. Denn wieder einmal ist Dienstag... Heute hatte mein Physikdozent mich ausnahmsweise nicht mehr versucht zu kontaktieren. Denn er war nicht da. Herr Kisuhara übernahm scheinbar nach Ewigkeiten mal wieder den Unterricht selbst. Referendar Athem tauchte am schwarzen Brett der Stundenplanänderungen als entschuldigt für den Rest der Woche auf. Toll... nun verschwindet er einfach.... Was soll das denn?? Er kann doch nicht für Tage aus meinem Leben gelöscht werden?! Doch konfus ist es schon... Habe ich mir nicht all die letzten 2 Wochen gewünscht, es würde ‚paff’ machen und er würde sich in Luft auflösen...? Ich habe all seine Anfragen auf ein Gespräch abgelehnt und ihn zum Teufel gewünscht... Nun, jetzt wo er dort angekommen scheint... Kann man seine Wünsche auch wieder rückgängig machen? Bitte! Ich... ich glaube schon, dass ich ihn doch brauche... er kann doch nicht einfach weg sein... Ich kann doch nicht ohne ihn... Meine Abschlussprüfungen rücken näher... Nur noch 6 Wochen Unterricht... dann bin ich zumindest weg... Das... das halt’ ich nicht aus! Ich... ich habe ihn doch trotzdem verdammt gerne... so verdammt gerne... Und... wer weiß... vielleicht kann ich ihn doch dazu bringen, Mikosch zu vergessen... Yamis plötzliches Verschwinden und Fehlen in der Schule öffnet mir ein wenig die Augen. Er oder ich könnten jeden Tag von der Schule fort sein... Dann gibt es kein zwangsläufiges Aufeinander treffen mehr... A-andererseits... fühle ich mich denn schon bereit, mit ihm zu reden? Will er das vielleicht überhaupt gar nicht mehr? Nachdem ich all seine Versuche zu Boden geschmettert habe, um ihm klar zu machen, ich bräuchte Zeit für mich allein...? Nein, ich kann doch jetzt nicht plötzlich das völlige Gegenteil von dem behaupten, womit ich ihn letzte Woche noch angeschrieen habe... Dafür wird er kein Verständnis haben... Ich wäre zu jung und zu unentschlossen, hätte ich mir dann sicher anzuhören.... Erst bestehe ich darauf, dass ich Zeit für mich brauche und dann komme ich doch wieder angekrochen... das kann ich nicht bringen... Verbissen beiße ich mir auf die Fingernägel... Ich war nicht gerade fair zu ihm... Habe meinen Schmerz ziemlich an ihm ausgelassen.... Und er wollte doch eigentlich nur alles irgendwie klären und bereinigen... Er wollte offen zu mir sein... hat mir bloß die Wahrheit erzählt... Was mache ich bloß........ Die Antwort habe ich auch schneller gefunden als mir lieb ist, als ich mich auch schon mit Stiefeln, Schal und langem Mantel bewappnet auf der Straße wieder finde. Eigentlich wollte ich nur raus, um mich ein wenig abzukühlen... um meine Gedanken auf einem Spaziergang kreisen zu lassen. Doch... meine Füße folgen unbewusst dem Ruf meines Herzens. Und ehe ich mich recht erinnern kann, wann genau ich den Entschluss für dieses Ziel gefasst habe, stoße ich auch schon die schwere Glastür zu meiner Fahrschule auf. Der Theorieunterricht ist bereits im vollen Gange, ich hatte immerhin nie die Absicht, heute hier aufzukreuzen. Eilig überfliege ich die Anwesenden. Mist.... nicht dabei.... Ausgerechnet heute! Dann wenn man sie mal braucht! Sonst taucht diese Frau doch überall auf wenn man seine Ruhe möchte... Leise seufze ich. Warum? Was möchte ich überhaupt von Mirai.... Was? Tja... ich weiß es selbst nicht wirklich. Wahrscheinlich einfach Antworten... auf soo viele Fragen! Einfach mal ihre Meinung... ihre Perspektive... zu der vollen Wahrheit!! Als der Lehrer beginnt von einem falschen Verhalten in der Fahrprüfung eines ehemaligen Fahrschülers zu berichten, fällt es mir wieder wie Schuppen von den Augen. Oh verdammt!! Mirai hatte doch schon längst ihre Motorradprüfung gehabt!! Bei unserem letzten Treffen erzählte sie doch etwas von ihrer letzten Fahrstunde vor ihrem Geburtstag... sie wird ihr Ziel schon längst erreicht haben... Also ist auch hier Endhaltestelle! Verflucht!! Wieso kann ich nicht einmal im Leben Glück haben?! Wie ich mir schon dachte scheitert auch der Versuch, unserem Leiter der Fahrschule nach dem Ende der Stunde Telefonnummer oder Adresse von Mirai Athem zu entlocken. Datenschutz heißt es bloß. Nun ja, auf einen Versuch kam es immerhin an. Und was nun? Ich habe weder Mirais Handynummer, noch weiß ich, wo sie gerade Unterschlupf gefunden hat... Ich weiß, dass sie für eine Illustrierte arbeitet, für welche sie Artikel in einem breit gefächerten Themenspektrum verfasst. Wenn ich mich besonders anstrengen würde, könnte ich mich sogar an den Namen dieser Klatschzeitschrift erinnern. Auf dem Rücksitz des gemeinsamen Autos der beiden Geschwister lagen immerhin oft genug einige dieser Hefte. Aber ich glaube kaum dass ich an ihrem Arbeitsplatz mehr Erfolg hätte, an ihre persönlichen Daten zu gelangen als hier in der Fahrschule. Ich glaube eher, dort würde es noch sehr viel unwahrscheinlicher sein, dass man mir helfen würde als in der Fahrschule, in der man mich bereits kennt. Nein, auch hier garantiert Sackgasse. Mirai.... Mirai... Was zerbreche ich mir den Kopf darüber wie ich an sie herankomme? Was will ich denn im Grunde von ihr...? Eigentlich nichts... Mein Hauptproblem ist Yami. Sie wird mich garantiert auch an ihn weiter leiten... Ich schlucke hart. Es führt offenbar kein Weg daran vorbei. Wir müssen noch einmal reden. Yami hatte eh angekündigt, dass er noch nicht fertig gewesen war – aber er wollte mir eine Pause gönnen. Diese habe ich auch gebraucht. Und jetzt da ich merke, dass ich mich selbst lediglich dazu bringe bloß gegen eine Wand zu rennen... ohne auch nur einen Schritt vorwärts zu kommen – im Gegenteil, sogar noch lauter blaue Flecke davon trage... - Nun weiß ich, dass es wirklich an der Zeit ist, die letzte Mauer auf meinem Weg nach vorn einzureißen. Egal, wie viele von ihren Steinen auch immer auf mir landen mögen. Ich muss sehen, was für mich dahinter verborgen liegt. ~To be continued~ Soo, mal wieder ein schön langes Kapitel, welches hoffentlich zum Nachdenken anregt. *zwinker* Ich hoffe es hat euch gefallen. Ich bin überraschender Weise trotz der langen Schreibpause sehr zufrieden mit mir... ich habs so hinbekommen wie ich es mir vorgestellt hab ^^ Ob dies eine gute Vorstellung war, entscheidet ihr *G* Fühlt euch lieb gegrüßt – und bin wie immer dankbar über jegliches Feedback!!! Der Titel ist übrigens geklaut vom gleichnamigen Lied von Whitney Houston *loves* Und der Songausschnitt ganz oben (1) ist „Warum“ von Juli Eure Polarstern Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)