The Gravity of Life von Polarstern (Yami x Yugi?) ================================================================================ Kapitel 30: Abschlussball - In jedem Ende liegt ein neuer Anfang ---------------------------------------------------------------- Weiter geht’s mit Kapitel 30 – passenderweise genau am 19. Jahrestag von Kapitel 2 vom 25.03.2005 :) Viel Spaß! Abschlussball - In jedem Ende liegt ein neuer Anfang Mit rasendem Herzen reiße ich meinen Oberkörper hoch ins Sitzen. Mein Atem geht schnell und flach. Mein Mund zieht sich zusammen, mir ist so unglaublich schlecht. Das saure Brennen in der Speiseröhre nimmt zu. Instinktiv schaffe ich es noch, schnell den kleinen Mülleimer neben mir zu greifen und heranzuziehen. Dann dreht sich mir endgültig der Magen herum und kontrahiert unkontrolliert. Als der Reflex nachlässt, spüre ich den kalten Schweiß auf meiner Stirn. Obwohl ich es rechtzeitig geschafft habe, meine langen goldblonden Ponysträhnen mit der anderen Hand hoch zu halten, kleben diese nun verschwitzt an Stirn und Wangen. Ich stelle den Eimer zur Seite und sammele mich kurz. Ein Blick zum Funkwecker am Nachttisch: Freitag, 18. Mai, 05:21 Uhr. Noch weit mehr als 12 Stunden, bis der Abschlussball beginnt. Ich zittere furchtbar und bin völlig durch den Wind, alles fühlt sich so real an. Als hätte ich es tatsächlich gerade erlebt. Ich nehme einige Schlucke Wasser aus der Flasche neben meinem Bett und bringe den Mülleimer ins Badezimmer, um ihn nachher zu entleeren. Bevor ich mein Zimmer verlasse, öffne ich noch das Fenster. Im Bad putze ich mir schnell die Zähne, für einen angenehmen Pfefferminzgeschmack im Mund und wasche mir das verschwitze Gesicht. Was hat dieser Traum zu bedeuten? In Filmen oder Büchern geschieht so etwas nie ohne Grund. Meistens stellt sich später heraus, dass das Unbewusstsein der Figur, die den Albtraum erleidet, ihn oder sie warnen wollte. Oder es ist eine Zukunftsvision oder etwas dergleichen. Genauso, wie ein Charakter niemals einfach in Geschichten aufs WC geht, nur weil er mal muss. Entweder wird dies als Flucht vor den Bösen genutzt, um durch ein offenes Fenster zu klettern oder eine Frau übergibt sich dort. Und bemerkt kurz darauf die Ursache auf einem Teststreifen. Denn irgendwie ist jede Frau, die im Fernsehen erbricht, schwanger – natürlich war sie einige Tage vorher mit irgendeinem Typen im Bett. Das war ich auch. Und nun habe ich mich… Zum Glück bin ich ein Mann… Ich zittere noch immer. Hatte Yami mit mir Schluss gemacht? Hatte er das gesagt? Bevor ich irgendwas anderes tue, gehe ich gedanklich seine Worte, nachdem mir das Missgeschick an seinem Hals passiert war, durch. Er hatte sich furchtbar aufgeregt und einige unschöne Dinge gesagt, die mir schwer im Magen liegen. Aber hatte er unsere Beziehung gelöst? Nein, ich kann mich nicht daran erinnern. Ich bin aus seiner Wohnung geflohen, aber nicht, weil er mir den Laufpass gegeben hat… Er war sauer, klar. Aber wir sind weiterhin ein Paar. Zumindest…. wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht. Als ich wieder ins Zimmer trete, fröstele ich und schließe schnell das Fenster. Für Frühling ist es dieses Jahr noch ziemlich kalt. Sicherlich wird es in Ägypten viel wärmer sein. Ägypten…. Morgen Abend geht unser Flug. Ich hoffe, ich kann mich mit Yami bis dahin wieder vertragen, sonst…. Ob er mich überhaupt noch mitnehmen möchte? Nachdem ich ihm diesen Knutschfleck verpasst habe. Und wenn er auch noch wüsste, was mein Kopf sich vorstellt… wie er sich rächen würde…. Dann wäre es sicher ganz aus. Eilig lege ich mich zurück unter meine wärmende Decke. Frau Kujaku…. Warum ausgerechnet sie? Gibt es etwas, was die beiden miteinander verbindet? Etwas, das ich bisher übersehen habe? Ich habe häufig schon gedacht, dass ich gegenüber anderen, hübschen Schülerinnen keine Chance bei Yami haben werde. Am Anfang hatte ich ihn tatsächlich auch für untreu gehalten: Für jemanden, der seine Frau Mirai Athem betrügt mit einer Amerikanerin namens Kacy. Ich hatte mir die wildesten Szenarien dazu ausgedacht und eine Zeit lang befürchtet, er würde jeden Morgen in anderen Betten aufwachen. Zumindest vom Aussehen und von seiner selbstbewussten, königlichen Ausstrahlung her, könnte er jede oder jeden haben, die oder den er will. Seine Schlange an Verehrerinnen ist zumindest lang genug, sein Fanclub riesig. Zu Beginn des Schuljahrs noch nicht so, da waren eher alle von ihm genervt, da er den Schülern zu viele Aufgaben aufdrückte. Inzwischen hat sich dies gewandelt, er hat sehr viel dazugelernt und kann sich vor Personen die ihn anhimmeln, kaum noch retten. Kurzum, er hat sich zum Mädchenschwarm auf unserer Schule entwickelt. Es ist immer noch so unfassbar für mich, dass er sich neben all denen tatsächlich für mich entschieden hat. Nun kenne ich ihn inzwischen viel besser und hatte tiefes Vertrauen in ihn gefasst. Vielleicht zu tief? Aber eine Konkurrenz aus den Reihen seiner Lehrerkolleginnen und Kollegen hatte ich dabei weniger auf dem Schirm. Mai Kujaku – Lehrerin für Englisch und Geschichte. Sie ist seit knapp drei Jahren an unserer Schule, vorher hatte sie ihr Referendariat woanders absolviert und war danach zu uns gewechselt. Sie ist vermutlich etwa drei bis vier Jahre älter als er und kann sich sicherlich gut in Yamis Jobsituation hineinfühlen. Kennt seine Probleme mit denen er gerade hadert und von denen er mir beim Waldspaziergang neulich berichtet hatte nur zu gut aus eigener Perspektive. Lehrerin und Lehrer…. Passt einfach viel besser zusammen und ist nicht verboten wie Lehrer und Schüler. Yami würde sich mit einer seiner Kolleginnen nicht mal annähernd auf so dünnes Eis begeben wie mit mir. Er müsste sich auch mit ihr nicht verstecken oder sich heimlich treffen. Er könnte sich mit ihr überall blicken lassen… Ich muss einen dicken Kloß in meiner Kehle hinabwürgen. Sie wäre für ihn die bessere Wahl. Ich kann mich aber nicht entsinnen, beobachtet zu haben, dass die beiden besonders viel miteinander zu tun gehabt hätten. Gerüchte über die beiden sind mir auch noch nicht zu Ohren gekommen. Wie zum Teufel komme ich also ausgerechnet auf diese Frau? Vielleicht, weil sie jung, gutaussehend und blond ist? Und ihre großen, violetten Augen mit den langen Wimpern, die völlig geschockt auf mich gerichtet waren: Sie hat die gleiche Augenfarbe wie ich. Yami sagte mir ja, wie sehr ihm meine Augen gefallen. Er hatte Violett als seine neue Lieblingsfarbe benannt. Er müsste sich bei ihr nicht mal umgewöhnen… Auch was so alles im Lehrerzimmer passiert oder gesprochen wird, geht komplett an mir vorbei. Es kann also durchaus sein, dass die beiden dort häufig zusammensitzen oder intensive Gespräche in ihren Pausen miteinander führen. Yami war vor kurzem erst 10 Tage auf Klassenfahrt gewesen, vielleicht war er die ganze Zeit mit ihr zusammen dort und sie haben sich näher kennen gelernt…? Miteinander geflirtet? Ohh, es ist zum verrückt werden! Ich habe, obwohl ich jetzt mit ihm zusammen bin, immer noch unterschwellig die Angst, er könnte mich verlassen. Zum Beispiel für eine Frau. Dieser Traum zielt genau in diese Wunde, verunsichert mich massiv. Inzwischen weiß ich von ihm, dass er zumindest früher ein paar Beziehungen zu Frauen hatte. Immerhin hat er ein Kind. Er hatte mir erzählt, sich danach den Männern zugewendet zu haben. Yami hat das Wort zwar nie explizit benutzt, aber ich interpretiere daraus, dass er auf gewisse Weise bisexuell ist. Wenn ihn Frauen so gar nicht reizen würden – ich gehe davon aus, dass er das damals ziemlich schnell gemerkt hätte, wenn er tatsächlich komplett schwul wäre. Ich zumindest hätte wahrscheinlich, als ich letzte Woche mit Yami geschlafen habe, ziemlich schnell gemerkt, wenn ich doch nicht auf Männer stehen würde. Yami hatte mich selbst zum Thema Frauen befragt vor einigen Tagen. Ich konnte ihm nicht mal eindeutig antworten, ob ich zusätzlich zu Männern noch auf Frauen stehe oder nicht. Ohne es intensiver auszuprobieren kann ich es schwer festlegen. Aber das habe ich jetzt in meiner Beziehung mit Yami nicht vor. Auch wenn er in den letzten Jahren wohl zuletzt nur männliche Partner hatte, die Angst, er könnte zu einer Frau zurückkehren, ist unterschwellig immer da. Argh, wie ich es drehe und wende, diese Gedanken wachsen wie Unkraut in meinem Kopf! Ich bin doch kein Gärtner! Ich würde sie so gerne einfach herausreißen! *** Irgendwie muss ich es wohl tatsächlich geschafft haben, nochmal für knapp zwei Stunden in einen unruhigen Schlaf zu sinken. Doch um kurz vor acht Uhr fühle ich mich endgültig gerädert und voller innerer Unruhe. Ich helfe am Vormittag und am Mittag noch Großvater im Laden, bevor wir uns beide duschen, rasieren, stylen und unsere Anzüge, die frisch aus der Reinigung kommen, anziehen. Ich trage einen dunkelblauen Anzug, Großvater zieht seinen klassischen Schwarzen an. Vor dem Spiegel kann ich nur argwöhnisch auf die lilafarbene Krawatte in meinen Händen schauen. Diese hatte ich extra für den heutigen Ballabend neu gekauft. Ein kräftiges, dunkles Violett, passend zu meinen Augen. Die Yami so sehr mag… Doch ich sehe nur noch weibliche, violette Augen vor mir… Und dieses farblich passende, grässliche Kleid, das sie hochgehoben hatte um Yami darunter... Oh, Stopp! Nein, diese scheußliche Farbe kann ich heute nicht mehr sehen, geschweige denn anziehen! Ich werfe die Krawatte auf den Boden meines Kleiderschranks und suche nach einer Alternative. Endlich finde ich die dunkelgrüne Version, die ich zu meinen Vorstellungsgesprächen getragen hatte. Damit fühle ich mich auf jeden Fall wohler! Genaugenommen…. Ich halte den Stoff etwas ins Sonnenlicht vor mein Fenster. Er ist nicht nur grün, ich bemerke nun zusätzlich einen deutlichen Blaustich, den ich vorher nie beachtet hatte. Die Farbe der Krawatte ist eher…. Petrol. Vielleicht wäre das… eine Möglichkeit, Yami in aller Öffentlichkeit und doch so geheim eine Nachricht zukommen zu lassen. Als eine Art stumme Entschuldigung für mein Missgeschick, nur für ihn lesbar. Ich trage seine Lieblingsfarbe an meiner Brust. Vorausgesetzt, es fällt ihm auf und er versteht, was ich ihm damit symbolisieren möchte. *** Der Ball findet, wie schon seit Monaten geplant, in der Aula unserer Schule statt. Meine Stufe war in verschiedene Teams für die Vorbereitung eingeteilt. Das Dekorationsteam, dessen Aufgabe es war, die Aula in einen wunderschönen Ballsaal zu verwandeln, hat herausragende Arbeit geleistet. Jonouchi, Anzu, Honda und ich treffen schon nach kurzer Zeit in der Eingangshalle zusammen und blättern durch die Jahrbücher, die vom entsprechenden Komitee verteilt werden. Natürlich interessieren sich alle erstmal für die Ergebnisse der Rankings und blättern die entsprechenden Seiten auf. Großvater ist schon einmal in die andere Halle vorgegangen, um einen der besten Plätze in den vorderen Reihen für die Zeugnisvergabe gleich zu sichern. Zu ihm setzen sich ebenfalls Anzus Eltern und Matthew, ihr neuer Freund, der ebenfalls mitgekommen ist. Es gab Votings in den letzten Monaten zu Titeln wie: ‚Das größte Partytier der Stufe‘ und ‚König/Königin im Verpassen von Unterricht‘. Oder Fragen wie: ‚Wer wird zuerst Millionär/in?‘ Neugierig blättere ich weiter, weiß aber, dass ich nie für solche Titel gewählt werde, was mir auch ganz recht ist. Dafür bin ich einfach zu unauffällig. „Jonouchi, herzlichen Glückwunsch, du bist dabei!“, grinst Honda und schlägt unserem Freund auf die Schulter. „Wo, wo wo?!“, fragt er aufgeregt und blättert fleißig, aber reichlich strukturlos durch das Papier. Ich habe es auch gerade gefunden und halte es ihm grinsend unter die Nase: „Hier, unter ‚Redet schneller als sein Schatten‘!“ „Waaaas? Unverschämtheit!“, schäumt mein bester Freund auf und wir müssen lachen, wie sehr dies doch passt. „Oh Yugi, du hast auch ein Voting….“, meldet sich Anzu plötzlich zu Wort. „Bitte was? Ich? Bei was denkt denn die Mehrheit unserer Stufe an mich?“ Auch Jou und Honda stecken plötzlich seltsam tief mit ihrer Nase im Buch und verbergen scheinbar ihre Mimik. Da es mir keiner sagt, überfliegen meine Augen schließlich im Schnelldurchlauf alle Rankings und bleiben an meinem Foto hängen. Ungläubig starre ich auf den Titel, den ich gewonnen habe: „‘Schiebt als erste/r einen Kinderwagen durch Domino‘ Frauen: Ryu, Kisara, Männer: Mutou, Yugi“, lese ich laut vor. „So ein Blödsinn!“, lache ich, spüre aber trotzdem schon, wie meine Wangen aufheizen. Ich schaue mich kurz um, stelle aber fest, dass keiner sonst außer meinen Freunden in Hörweite ist. „Wenn die wüssten…“, ich lasse den Satz trotzdem unvollendet, um in der Öffentlichkeit keine Details zu nennen. Auch die anderen drei halten sich amüsiert bei den Gedanken, dass ich gerade mit einem Mann zusammen bin, die Bäuche. „Ich schätze, es wurden einfach die beiden ruhigsten Personen aus der Stufe gewählt. Euch scheint man das Eltern werden wohl am ehesten zuzutrauen!“, mutmaßt Honda. Wir blättern noch einige Minuten durch das Jahrbuch. Auf den hinteren Seiten befinden sich die Gruppenfotos aller Leistungskurse. Diese wurden noch ganz kurz vor meiner Herz Notoperation aufgenommen, so dass ich mit meinem Mathekurs abgebildet bin. Als Kleinster wurde ich von der Fotografin sofort in die erste Reihe gesteckt, direkt vor Herrn Asakawa, der als Kursleiter seitlich vorne steht. Schnell finde ich auch das Foto von Jonouchis Physikleistungskurs, auf dem neben dem leitenden Lehrer ebenfalls Yami mit aufgestellt wurde. Und natürlich gibt es auch ein Foto des gesamten Lehrerkollegiums, das draußen auf der Treppe am Haupteingang geschossen wurde. Mir fällt direkt auf, dass die Fotografin wirklich gute Arbeit geleistet hat, alle Personen entsprechend anzuordnen. Auch hier ist Yami mit drauf. Als Referendar gehört er natürlich nicht in die erste Reihe, sondern eher nach weiter hinten. Er ist zwar ein wenig größer als ich – somit für mich größentechnisch perfekt – aber trotz allem im Vergleich zu seinen Lehrerkollegen deutlich kleinerer Statur. In den hinteren Reihen würde er völlig untergehen – vielleicht wären die oberen Spitzen seiner Frisur noch zu sehen. Fast das gleiche Problem auf Fotos wie bei mir. Hier auf dem Bild steht Yami in der vorletzten Reihe rechts außen – und da auf einer Treppe fotografiert wurde, steht er deutlich erhöhter als seine größeren Kollegen, die in die Reihen davor platziert wurden. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Er schaut ernst, lächelt zugleich aber auch aufgeschlossen. Ein schönes Bild von ihm, er ist sehr fotogen. Dann kommt mir der fröstelnde Gedanke wieder an eine besagte Englischlehrerin. Sie steht tatsächlich in seiner Nähe, allerdings zwei Reihen weiter vorne, da sie größer ist als er. Schnell klappe ich das Buch zu, will nicht darüber nachdenken. Es wird Zeit, die Plätze einzunehmen. Unser Schulleiter hält die Abschlussrede und die Zeugnisse werden verliehen. Ich bin mit meinen Noten zufrieden. Nicht überglücklich, aber ich glaube, nach den ganzen Höhen und Tiefen, die ich dieses Schuljahr hatte, von Yami bis hin zu meiner Gesundheit, kann ich sehr zufrieden mit mir sein. Angehoben wird mein Schnitt durch die Eins minus in meiner schriftlichen Abschlussprüfung in Physik. Ich weiß gar nicht, wie mir das gelingen konnte. Nachdem er die Aufsicht übernommen hatte, konnte ich für nichts mehr garantieren. Das Thema der Gravitation war ein absoluter Glücksgriff. Mit Anziehungskräften kenne ich mich also inzwischen gut genug aus. Beim anschließenden Betreten des Festsaals, unserer Schulaula, entdecke ich erstmals Yami aus der Ferne. Er trägt einen schicken, hellgrauen Anzug. Er sitzt an einem Tisch ziemlich weit hinten zwischen anderen Lehrern. Für mich wäre es leichter gewesen, ihn hier nicht zu sehen. Es schmerzt umso mehr, ein Paar zu sein und nicht neben ihm sitzen oder mit ihm tanzen zu können. Neugierig, wie er das Problem am seinem Hals gelöst hat, bin ich ja schon. Aber ich kann nun zu Beginn nicht sofort auf ihn zusteuern. Ich hoffe, ich kann mich ihm später unauffälliger nähern. Das Büfett wurde inzwischen von dem beauftragten Catering-Service schön dekoriert und angerichtet. Meine Clique setzt sich gemeinsam mit meinem Großvater und Anzus Eltern und Freund zu anderen Mitschülern und deren Verwandten an einen Tisch. Ich stelle erleichtert fest, dass neben Jou und Honda auch manche andere als Single erschienen sind. Während des Essens versuche ich mich auf die Gespräche mit meinen Freunden, Großvater und Tischnachbarn zu fokussieren. Auch mit Anzus neuem Freund unterhalte ich mich auf Englisch und so habe ich die Möglichkeit, ihn ein wenig kennen zu lernen. Doch der Großteil meiner Gedanken kreist nur um Yami und um unsere angespannte Situation. Ich kann den ganzen appetitlich duftenden Leckereien vom Büfett gar nicht gerecht werden. Ich habe gerade eine Portion Udon Nudeln gegessen. Doch wenn mich gleich jemand fragen würde, mit welcher Beilage oder wie sie gewürzt waren, würde ich peinlicherweise schon Schwierigkeiten mit der Antwort haben… Kurz vor dem Eröffnungstanz des Abschlussjahrgangs finde ich zum Glück spontan mit Sakura, meiner ehemaligen Sitznachbarin aus meinem Mathekurs zusammen. Auch sie ist ohne festen Freund heute Abend. Wie vorher bekannt gegeben wurde, wird standardmäßig mit einem Wiener Walzer eröffnet. Zum Glück hatte ich vor einiger Zeit mal eine Tanzschule besucht und ein paar Grundschritte erlernt. Ich hatte aber nie großen Spaß daran gefunden und war nicht sonderlich oft hingegangen. Und irgendwann hatte ich es ganz gelassen. Zur Vorbereitung auf den heutigen Abend haben Jonouchi, Honda und ich in den letzten Wochen etwas mit Anzu geübt. So habe ich doch die Möglichkeit, einige Runden im Partnertanz über die große Fläche zu drehen, statt nur am Tisch zu warten. Auch Honda und Jonouchi finden glücklicherweise noch eine Mitschülerin ohne Partner, während Anzu mit Matthew tanzt. Den beiden merkt man ihr Können und das häufige Training wirklich an. Sie bleiben im Rhythmus, ohne zu ermüden, während wir anderen häufiger zurück in den Takt finden müssen. So unauffällig wie möglich scannen meine Augen beim Walzer hin und wieder die Menge. Ich hoffe, er wird wenigstens ein bisschen eifersüchtig. Ob er mich wohl beobachtet, wie ich mit einem Mädchen im Arm meine Runden drehe? Mit meiner rechten Hand auf ihrem Schulterblatt, links ihre Hand in meiner…? So wie er sich gestern aufgeregt und negative Gefühle in mir geweckt hatte, nur wegen eines Knutschflecks, kann er sich nun ruhig auch etwas schlecht fühlen. Möglichst unauffällig schaue ich auch immer wieder zu Frau Kujaku, ob diese sich auch bloß nicht Yami zu sehr nähert oder gar mit ihm verschwindet. Besonders schockierend ist, dass sie wahrhaftig ein violettes Ballkleid trägt, genau wie in meinem Traum. Tatsächlich, Yami sieht zu mir – oder eher zur gesamten Tanzfläche herüber. Doch immer, wenn ich heimlich zu ihm schaue, ist er viel zu weit entfernt, als das ich seine Gesichtsausdrücke lesen könnte. Bestimmt hält er sich mit Absicht weit von mir fern, um keinen Verdacht auf uns zu lenken. Und er ist wohl immer noch ziemlich wütend auf mich. Aus der Entfernung kann ich auch nicht näher ausmachen, wie er den Fleck verdeckt hat. Nachdem das erste Lied beendet ist, wird die Tanzfläche für alle frei gegeben, die Lust und Laune dazu haben. Während einige Gäste und Lehrer den Bereich freudig betreten, sind manche andere meiner Mitschüler sowie ich froh, diese Pflicht erfüllt zu haben. Sakura reicht es ebenfalls und wir verfallen beim gemeinsamen Durchqueren des Saals in einen leichten Smalltalk. Ich kehre wieder zu meinem Tisch zurück und beteilige mich an den Gesprächen der Anderen. Eine Weile später kommt Honda zu mir. Er schickt mich wie befürchtet das technische Equipment holen, das er als nächstes braucht. Mein Schock-Moment. Ich versuche noch auf ihn einzureden, ob er nicht ohne auskommt oder dies jemand anders erledigen könnte. Doch er braucht es wohl dringend für die nächste Moderation und Ansprache. Und ich bin derjenige mit Yamis Schlüssel, den ich natürlich nicht aus der Hand gebe. Mich wundert sowieso, dass der Referendar diesen nach unserem Ärger nicht sofort zurück verlangt hat. Ebenso wie die Schlüssel zu seiner Wohnung, die ich noch habe… Aber wahrscheinlich ist es ihm zu auffällig, diese hier auf dem Ball einzufordern. Meine Augen suchen ihn aus der Ferne. Wo ist Yami inzwischen überhaupt hin…? Oh nein….! Ein mulmiges Gefühl der Kälte überkommt mich. Alles in mir sträubt sich, jetzt in diesen Korridor zu gehen und diesen violetten Horror noch einmal – diesmal grausiger Weise in der Realität – zu erleben. Ich überfliege die Tische der Lehrer. Einige von Ihnen, wie auch Schüler, haben sich anscheinend weitläufiger verteilt. Schnellen Schrittes laufe ich die wichtigsten Punkte, die mir einfallen, ab: Die meisten sind auf der Tanzfläche, manche sind für eine Zigarettenpause oder frische Luft vor die Tür gegangen, andere unterhalten sich im Foyer Bereich oder posieren für die Fotografin, die für diesen Abend engagiert wurde. Ich bin sogar so verrückt und gebe mich mit einem Aushang am Schwarzen Brett beschäftigt, um einen Moment lang das Herren WC im Auge zu behalten. Doch auch hier gehen Mitschüler oder Lehrer ein und aus – aber nicht Yami. Mein Herz rutscht panisch in die Hose. Honda braucht nun dringend die zusätzlichen Kabel, Mikrofone und Stecker, um die er gebeten hatte. Ich kann es nicht länger aufschieben. Unterwegs achte ich genau auf alle Türen, die vom Flur abzweigen, ob ich irgendwelche Anzeichen wie Licht oder verdächtige Geräusche vernehme. Alles bleibt unauffällig, insbesondere der Klassenraum, vor dem mich mein Traum gewarnt hatte. Langsam atme ich aus, ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Und dann…. Entdecke ich das schwache Licht, das genau in der Abstellkammer brennt, in die ich hinein muss. Mir wird schlecht. Hatte ich doch eine Zukunftsvision? Ich lausche, kann aber aufgrund der lauten Musik und der Bässe, die bis hierhin dröhnen, nichts hören. Perfekt für ein Paar, dass sich dort hinein verschanzt für eine schnelle Nummer – niemand würde sie bei dieser Geräuschkulisse hören. Mit Sicherheit wird abgeschlossen sein. Also probiere ich es gar nicht so und suche schon den passenden Schlüssel heraus. Ich muss da sowieso rein. Ich atme tief durch. Okay, Yugi. Es nützt ja eh nichts, davonzulaufen. Wenn Yami mir fremd geht, dann war es das mit uns. Es wird keine zweite Chance geben. Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Wie im Trance öffne ich die Abstellkammer, halte mich an der Klinke hinter mir fest und ziehe damit die Tür ins Schloss. Überall Violett. Viel lilafarbener Tüll und glänzender Stoff. Ein auslandendes Ballkleid, das scheinbar überall seine Ausläufer hat. Die Träger sind auch diesmal heruntergeschoben worden und entblößen halbnackte, weibliche Oberweite. Diese wird lediglich verdeckt von blonden, welligen langen Haaren. Geschockte, violette Augen mit langen Wimpern blicken mich panisch an, ihre Gesichtszüge entgleisen. Von hinten erkenne ich meinen nur allzu bekannten Lehrer. Ich bin wie gelähmt. „W-wie?“, entfährt es Frau Kujaku, mit hoher, schriller Stimme. „Wie kommst du hier hinein?!“ Der Mann vor ihr dreht nicht minder geschockt den Kopf zu mir. [Polarstern: Soll ich das Kapitel hier beenden? Hmmmm….. Nein, so fies will ich mal nicht sein. ^^] „Yugi! Was zum…?! Du hast nichts gesehen!“, weist mich Herr Asakawa an. Mein Lehrer aus dem Mathematik-Leistungskurs, mit dem ich wöchentlich fünf Stunden im Unterricht verbracht habe. „Ähh, ich äaah – Ich bin schon wieder weg!“ Mein Herz rast wie bei einem Wettlauf. Hektisch und ohne weiter zu sortieren, schnappe ich mir die ganze Kiste Equipment, die wir schon griffbereit in die Nähe der Tür gestellt hatten. „Natürlich, ich habe nichts gesehen!“, stürmisch mache ich auf dem Absatz kehrt und schmeiße die Tür hinter mir ins Schloss. Uff! Unsanft platziere ich die schwere Box auf den Boden und trete heftig dagegen. Nur, um diese vorwärts zu schieben, rede ich mir ein. Denn zum dauerhaften Tragen ist sie mir zu schwer. Ich biege um die erstbeste Ecke und halte an, um meinen Atem wieder zu beruhigen. Schlimm genug, in so etwas hinein geplatzt zu sein. Tatsächlich, die Frau aus meinem Traum… Aber…. Es war nicht Yami! - Ra sei Dank! „Hey Yugi, hier bist du! Wir suchen dich schon!“ Anzu kommt in ihrem wunderschönen, dunkelblauen Ballkleid auf mich zu geschwebt. Ich versuche mich sofort zu fangen und zusammen zu reißen. Meine Knie zittern, als wären sie aus Gummi. Mein Traum war so dicht dran an der Realität. Yami hat mich nicht betrogen. „Ja, ich weiß, Honda drängelt bestimmt schon wegen seinen Sachen die er braucht…. Hier sind sie!“, ich deute auf die große Kiste neben mir. Eilig mache ich mich daran, herauszusuchen, was er wirklich benötigt, danach schiebe ich den schweren Behälter mit Anzus Hilfe in einen benachbarten Abstellraum, dessen Schloss ich ebenfalls öffnen kann. „Das auch, aber deswegen habe ich dich nicht gesucht. Was ist passiert, du siehst so aufgelöst aus? Beunruhigt dich so sehr das Benehmen von deinem Partner?“, fragt sie mich während dieser Arbeit. „Yamis Verhalten? Was macht er denn?“ Nun mehr als alarmiert sehe ich sie an. Gerade hatte ich ihn für unschuldig gehalten. Yami ist mir nicht fremd gegangen – oder?! Sie zieht mich im Anschluss am Arm zurück Richtung Festsaal. „Du solltest mal irgendwie unauffällig nach ihm sehen. Also bei Jou und Honda würde ich mir ja keine Gedanken deswegen machen… Aber bei deinem, ähm, Yami… Ich kenne ihn nicht sonderlich gut. Aber ich glaube er ist nicht der Typ dafür… Habt ihr euch gestritten?“ „Ja, schon…“, gebe ich betreten von mir. „Was ist denn los? Typ für was?“ „Ich habe ihn ehrlich gesagt nicht so genau beobachtet. Aber ich habe es von der kichernden Mädchentraube, die um ihn herumtänzelt, mitbekommen. Er…leert gerade sein fünftes Glas Sekt kurz hintereinander…“ Meine Schritte werden schneller und folgen Anzu eilig. Argh! Mensch Yami! Ich habe dich noch nie mit Alkohol gesehen oder welchen an dir gerochen… Außer den Glühwein, den wir damals gemeinsam hatten. Klar, du bist viel älter als ich und natürlich ist es normal, hin und wieder, gerade auf Feiern wie dieser, Alkohol zu trinken. Aber fünf Gläser Sekt direkt nacheinander – das klingt für mich schon so, als würdest du dich bemühen, dir das Gehirn für heute Abend wegzuschießen! Dabei benimmt er sich sonst immer so vernünftig und vorbildlich. Es wäre bei ihm normalerweise undenkbar, als Lehrer mit Vorbildfunktion sich vor seinen Schülern die Kante zu geben! Wir treffen wieder im Festsaal ein und ich erkenne direkt, was Anzu gemeint hat. Yami steht, umringt von einigen Mädchen aus meiner Stufe, in der Nähe der Bar, die der Catering Service aufgebaut hat. In der Hand eine fast leere Sektflöte. Herr Kisuhara und eine Lehrerin mittleren Alters, die ich nur flüchtig kenne, da ich keinen Unterricht bei ihr hatte, stehen ebenfalls bei ihm und die drei Lehrer sind in eine Unterhaltung vertieft. Schnell bringen wir Honda die Materialien, auf die er schon so lange wartet. Anzu und ich stellen uns danach ans andere Ende der Bar. Während ich nur Augen für Yami habe, ordert meine Freundin schnell zwei Gläser Weißwein. Möglichst unauffällig versuche ich ihn zu mustern. Wir stehen nah genug um gut zu sehen, aber so weit entfernt, dass wir die Gespräche nicht mithören können. Er bewegt sich nicht sehr auffällig, seine Körperhaltung und seine Mimik, die ich zu Gesicht bekomme, wirken wie gewohnt. Einzig und allein seine Wangen zieren eine verräterische Röte. Er scheint seine fünf alkoholischen Getränke – wenn es wirklich so viele waren – gut wegzustecken oder gut zu schauspielern. Anzu reicht mir mein Weinglas: „Hier, ich kann mich erinnern, dass du seltener Wein trinkst. Aber du warst gerade so abgelenkt, ich wollte nicht dazwischenfunken. So habe ich schnell etwas für uns bestellt.“ „Dankeschön.“ Ich probiere den ersten Schluck, da merke ich aus den Augenwinkeln, wie Yami zu uns hinübersieht. Aber nur wenige Sekunden, dann widmet er sich wieder seinen Kollegen. Mitleidig schaut mich Anzu an. „Das ist echt gemein, eine Beziehung so verheimlichen zu müssen! Wenn wir uns jetzt dazu stellen, machen wir es eher schwerer für euch beide als einfacher. Ihr müsstet beide sehr überlegt formulieren und würdet immer den Druck spüren, euch bloß nicht zu verraten. Wenn nur ich allein nun dorthin gehe, werde ich von seinem Fanclub als Konkurrentin gesehen und ich muss aufpassen, dass mir nicht die Augen ausgekratzt werden… Oh man, das ist echt schwierig…“ „Ja... Ich verstehe echt nicht, dass er es zulässt, so umzingelt zu werden! Er ist doch vergeben, er soll diese Tussies verscheuchen… Er gibt mir sonst das Gefühl, er hat sie gerne um sich..“, grummele ich leise und nehme einen größeren Schluck Wein. Anzu legt mir beruhigend eine Hand auf die Schulter: „Ich verstehe dich, es würde mich an deiner Stelle genauso ärgern. Ich habe vorhin kurz beobachtet, dass er sie weggeschickt hatte. Das hält nicht lange, die sind nach etwa zehn bis fünfzehn Minuten wieder da. Ich vermute, er lässt es jetzt einfach zu und wartet ab. Heute Abend ist sowieso das letzte Mal, dass er mit unserer Stufe zu tun hat.“ „Hmpf… aber die werden aus den unteren Jahrgängen nachwachsen…“, meckere ich. „Ich fürchte, das stimmt… Damit musst du wohl lernen müssen, zu leben, Yugi.“ „Zumindest bin ich schonmal beruhigt, dass er sich hier nicht völlig betrunken hängen lässt. Ich hatte schon Angst, als du mir das eben sagtest. Andererseits hätte ich ihm das auch nie zugetraut…“ Es ist so ein schreckliches Gefühl, so tun zu müssen, als ob ich ihn kaum kenne. Und gestern den Abend über kuschelnd und küssend in seiner Wohnung verbracht zu haben bis – ja bis zu meinem Malheur. Ich trinke einen großen Schluck. Der Wein ist mir etwas zu blumig und zu sauer, nicht mein Geschmack, ehrlicherweise bin ich auch kein Weintrinker. Ich lasse mir jedoch vor Anzu nichts anmerken. Ich seufze leise und schiele über den oberen Rand meines Glases zur Gruppe seitlich vor uns. Yami hat sich inzwischen etwas in meine Richtung gedreht und ich sehe ihn zum ersten Mal heute Abend von vorne und aus der Nähe. Sein hellgrauer Anzug steht ihm wunderbar und betont perfekt seine schlanke Figur. Das…. Problem am Hals…. welches ich ihm gestern beschert hatte, kann er zum Großteil durch den hohen Kragen seines weißen Hemdes, das bis oben hin zugeknöpft ist, abdecken. Für den oberen Teil könnte er eine gebräunte Creme benutzt haben, vielleicht hat er sich am Make-up seiner Schwester bedient. Mirai müsste für den Hautton der beiden die passende Farbe haben. Die Krawatte drückt das Hemd fest an die Haut, so dass – Seine Krawatte! Automatisch senke ich meinen rechten Arm mit dem Weinglas. Meine linke Hand berührt meine petrolfarbene an meiner Brust. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Warum habe ich das nicht schon längst bemerkt? Yami trägt eine hellblaue Krawatte! Das kann kein Zufall sein! Wir hatten die gleiche Idee! Meine Lieblingsfarbe! Meint er es genauso wie ich als ein stummer, geheimer Gruß an mich? Das ich ihm wichtig bin? Trotz… meines Fehlers? Ich sehe zu ihm herüber. Es dauert eine kleine Weile, dann dreht auch Yami seinen Kopf und unsere Blicke treffen sich für wenige Sekunden, die ich sehnlich genieße. Ich kann nicht viel deuten und dann ist der kurze Moment auch schon wieder vorbei. Fast ist mir so, als hätte ich eine gewisse Verletzlichkeit bei ihm gespürt. Wie gern wäre ich nun einfach hingegangen, hätte ihn umarmt und das ganze Missverständnis einfach aus der Welt geschafft. Sicher, ich habe mich ungerecht behandelt gefühlt, dass er wegen einem kleinen Versehen direkt so einen Streit vom Zaun bricht. Aber jetzt… wäre es mir am liebsten, wir würden einfach über unser Verhalten drüberstehen und alles wäre vergessen. Immerhin muss ich nur noch bis Morgen am späten Nachmittag aushalten. Dann treffen wir uns im Zug und fahren gemeinsam zum Flughafen. Zumindest wenn Yami seine Einladung an mich, ihn in seine Heimat zu begleiten, nicht doch noch zurück zieht… „Yugi? Alles okay? Nadeshiko hält gleich ihre Rede. Komm mit, hier können wir eh gerade nichts tun…“ Ich folge Anzu zurück zu unserem Tisch. Dort angekommen zupft Anzu Jonouchi leicht am Ärmel und deutet ihm an, ihr zu folgen. „Wir müssen noch kurz Honda etwas bringen, wir sind gleich wieder da“, erklärt sie mir und verschwindet mit Jou hinter den Kulissen. Großvater scheint zu merken, dass mich etwas bedrückt. Und er kann sich auch denken, was oder wer genau es ist. Er beginnt ein Gespräch über das Glas in meiner Hand und zieht mich belustigt auf, seit wann ich denn unter die Weinkenner gegangen wäre. Erleichtert scherze ich mit ihm über meine nicht wirklich vorhandenen Kenntnisse bezüglich Rebsorten und Lagerungen. Bis irgendwann Nadeshiko ans Mikrofon tritt und der Saal verstummt. Als Schulsprecherin und Mitglied meiner Stufe, hat sie eine bewegende und trotzdem mit etwas Humor gespickte Rede über unsere Höhen und Tiefen der letzten Jahre vorbereitet. Sie erwähnt gemeinsame Events aus unserer Schullaufbahn wie besondere Halloweenfeste oder Stufenfahrten und weckt viele schöne Erinnerung an all die letzten Jahre. Es bringt gemischte Gefühle in mir an die Oberfläche, diesen Lebensabschnitt nun zu beenden: Einerseits stimmt es mich traurig, all dies nun hinter mir zu lassen. Doch ich freue mich auch auf meinen Einstieg ins Berufsleben. Und hoffentlich…. mit Yami an meiner Seite. Für die Beziehung zu ihm ist es absolut wichtig, dass ich kein Schüler mehr bin. Nachdem ihr Schlusssatz gefallen ist, ertönt ein riesengroßer Applaus für sie. „Vielen Dank! Dankeschön!“, lächelt Nadeshiko und wartet kurz, bis der Jubel leiser wird. „Als nächstes möchte ich zum letzten offiziellen Programmpunkt für heute Abend überleiten. Wir haben uns spontan noch eine Art kleines Tanz-Spiel überlegt. Aber keine Angst, wir sind ja nicht im Unterricht und es gibt auch keine Benotung! Und es kann und darf auch niemand sitzen bleiben!“, lacht sie. „Und zwar der Schüler-Lehrer-Tanz!“ Ein Murmeln geht durch den Raum. „Die Regeln sind einfach, es wird ein Mixed-Tape abgespielt mit ganz verschiedenen Musik-Stücken auf die der passende Tanz umgesetzt werden muss. Es dürfen sich nur Schüler-Lehrer-Paare zusammenfinden! Keine reinen Schüler- oder Lehrerpaare! Wir wissen, dass es natürlich nicht aufgeht, da wir viel mehr Schulabgänger haben als Lehrer!“, fährt sie fort. „Daher müssen die Paarungen ständig aufgelöst und wieder geändert werden! Da wir ebenfalls ein Ungleichgewicht an Frauen und Männern haben, wird es unweigerlich dazu kommen, dass auch Frauen mit Frauen und Männer mit Männern tanzen werden! Spielverderber werden disqualifiziert!“ Verschiedene Lacher tönen durch die Menge. „So - Dann bitte ich den Abschlussjahrgang und das gesamte Lehrerkollegium auf die Bühne!“ Sie stellt sich zur Seite und eine große Menschenmasse sammelt sich auf der Fläche. „Achja, wer nicht sofort eine Tanzpartnerin oder Tanzpartner bekommt, wartet halt kurz am Rand bis zum nächsten Wechsel. Und los geht es!“ Etwas unentschlossen und aufgeregt trete ich von einem Fuß auf den anderen. Das wäre ja… wenn ich viel Glück habe… könnte ich vielleicht einen Moment lang mit Yami tanzen! Die Musik beginnt und die ersten Tanzpaare finden sich zusammen. Ich drehe meinen Kopf suchend in alle Richtungen, um meinen Beziehungspartner auszumachen. Doch die Fläche ist einfach zu voll und mit meiner Körperhöhe ist es mir leider nicht möglich, über all die größeren Menschen hinwegzusehen. Somit muss ich mir nun irgendeinen Lehrer oder Lehrerin schnappen, wenn ich nicht sofort leer ausgehen will und hoffen muss, dass mich irgendwer einwechselt. Es wäre so schön, wenn ich bald gegen Yami tauschen könnte… „Yugi, darf ich bitten?“, ertönt eine männliche Stimme hinter mir. Erschrocken wirbele ich herum und reiße meine Augen auf: „Herr Asakawa, äh... ja, natürlich…“ Wie peinlich! Ausgerechnet der! Dem wollte ich eigentlich nicht mehr unter die Augen treten. Diese Bilder von eben… urgh… Schon nimmt er die Tanzstellung des männlichen Parts ein und mir bleibt somit nur übrig, die Schritte der Frau zu übernehmen. Die kann ich natürlich noch weniger, fast alles wäre spiegelverkehrt. In den wenigen Übungsstunden mit meinen Freunden habe ich immer die Rolle des Mannes geprobt. Doch wenn ich tatsächlich gleich noch mit Yami tanzen könnte, wäre die Aufteilung zwischen uns beiden vermutlich genauso. Also kann ich das hier schonmal testen… Mein Mathelehrer führt mich im Takt der Musik durch die Menge. Betreten sehe ich an ihm vorbei. Wunderschöne, bunte Ballkleider drehen sich neben stattlichen Anzügen. Er beginnt eine Unterhaltung, doch es fällt mir so schwer, ihm Beachtung zu schenken. Meine Augen suchen nach Yami. Hin und wieder taucht er kurz in einiger Entfernung zwischen all den bunten Stoffen auf. Er führt tatsächlich eines seiner – wie ich sie gerne bezeichne – Fangirls übers Parkett. Meine Laune sinkt noch weiter. „Yugi, was du vorhin gesehen hast… Darf ich dich bitten, dass streng vertraulich zu behandeln? Es tut mir leid, dass du es mitbekommen hast. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn niemand sonst davon erfährt. Wenn das unserem Chef zu Ohren kommt…“ Tatsächlich hat mich diese Szene schwer geschockt. Aber gerade ich habe genug Verständnis für Heimlichkeiten. Wenn man im Glashaus sitzt, sollte man nicht unbedingt mit Steinen werfen. Es ist mir auch völlig gleichgültig, was die zwei tun. Ich bestätige ihm, dass ich es diskret für mich behalten werde. Ein Teil meiner Aufmerksamkeit huscht zurück zu Yami, ich versuche, zu ihm zu tanzen, was kaum möglich ist, da ich von Herrn Asakawa geführt werde und er die Richtung vorgibt. Kurz darauf steht der erste Wechsel an und ich lande, ehe ich mich versehe, in den Armen von Frau Kujaku. Wie unangenehm hoch zwei! Nun kann ich zwar die Schritte für den Mann tanzen, aber sie ist so viel größer als ich, dass es sicherlich von außen betrachtet ein eher lustiges Bild abgibt. Diese bittet mich natürlich nochmals um das Gleiche wie mein Mathelehrer, was ich ihr auch noch einmal bestätige. Tja, selbst schuld. Vielleicht hätten sich die beiden ein anderes Plätzchen aussuchen sollen als unseren Abschlussball… Freudige Aufregung durchzuckt mich. Yami taucht aus der Menge heraus auf – in seinen Armen Anzu. Ich bin froh, da ich mir erhoffe, dass sie ihn mit Absicht als Tanzpartner versucht hat zu bekommen um mir zu helfen. Etwas eifersüchtig bin ich schon, die beiden so perfekt in Harmonie zu sehen. Beide tanzen miteinander, als würden sie schon ewig zusammen gehören. Wie Yami das wohl noch schafft, mit angeblichen fünf Gläsern Sekt im Blut? Die beiden steuern auf uns zu und deuten einen Wechsel an. Zum Glück gibt es die Regeln, die nur eine Wechselkombination zulassen. Sonst müsste ich aufpassen, dass Frau Kujaku sich nicht in Yamis Arme schwingt und mit ihm davontanzt. Ohh, dann würde ich platzen… Anzu lächelt mich kurz freudig und vielsagend an, dann schnappt sie sich auch schon die Englischlehrerin, die ich ihr zu gern überlasse. Schon finde ich mich in Yamis Armen wieder. Endlich passt auch das Größenverhältnis wieder. „Hi…“, lächelt er. Ich spüre direkt seine Zurückhaltung. „Hi…“, kopiere ich unkreativer Weise. Aufregung und Kribbeln sind plötzlich da. Die Musik wechselt und ich lausche dem Takt, welcher Tanz nun gefordert wird. „Oh nein, ein langsamer Walzer…“, murmele ich eher zu mir selbst als zu ihm. Der riesige Elefant in Form unseres Streits von gestern Abend steht mitten zwischen uns und tritt mir gewaltig auf die Füße. Die muss ich überhaupt erstmal wieder sortieren. Habe ich doch gerade bei Frau Kujaku die männliche Rolle getanzt, übernimmt Yami diese jetzt, wie schon von mir vermutet. Hastig versuche ich mich zu koordinieren bezüglich richtiger Pose und Tanzschritte, um mich nicht vor ihm zu blamieren. „Ist es so für dich in Ordnung? Wir können auch gerne tauschen, wenn du führen möchtest…“ „Ähm, nein, es geht schon. Ich tanze nur nicht so oft…“ „Ich auch nicht. Klassische Standardtänze gehören nicht zu meinen regelmäßigen Hobbies und im Studium hatte ich auch andere Schwerpunkte. Mach‘ dir keinen Kopf.“ Er lächelt mich lieb an. Langsam hebe ich den Blick und sehe ihm in die Augen, lasse mich von seinem Lächeln aufwärmen. Das Eis zwischen uns beginnt zu tauen. Wir bewegen uns zum hinteren Rand der Tanzfläche, um möglichst wenige Personen um uns herum zu haben. Ich senke die Stimme, spreche sehr leise: „Wegen gestern…“ „Nein, Yugi… Ich zuerst.“ Er seufzt lautlos. „Ich muss dir gestehen…“, etwas verlegen sieht er an mir vorbei. Täusche ich mich bei dieser schwachen Beleuchtung gerade, oder färbt sich die Haut an seinen Wangenknochen rötlich? Bei seiner Hautfarbe ist das ebenfalls schwierig zu erkennen. „Ich habe völlig überreagiert. Genau das hatte ich bei unserem Spaziergang neulich gemeint. Mich bringen derzeit schon Kleinigkeiten sehr hoch auf die Palme... Ich verstehe doch, dass es ein Versehen war. Es tut mir sehr leid, was ich gesagt habe und wie ich mich verhalten habe…“ Mir fällt ein schwerer Stein vom Herzen. „Mir tut es auch leid. Du hattest von Anfang an darum gebeten, mit... äh, sowas aufzupassen. Und ich war zu gedankenlos…“ Mein Blick wandert zu seinem Hals. „Gut getarnt. Man sieht gar nichts.“ „Mirais Schminke sei Dank“, flüstert er kurz belustigt, gerade laut genug über die Musik hinweg, wird aber sofort wieder ernst. „Jedem passieren Missgeschicke. Mein Aufstand gestern stand dazu in keinem Verhältnis. Bitte entschuldige. Ich bin so froh, dich jetzt kurz zu sprechen. Wir müssen gleich wieder wechseln… Es war so schwer für mich, dich die ganze Zeit hier rumlaufen zu sehen und dich nicht alleine zur Seite nehmen zu können…“ „Ich verstehe, mir ging es doch genauso. Ich hatte so Angst, du wärst noch zu wütend auf mich und würdest mich vielleicht nicht mehr wollen…“ Er schüttelt den Kopf: „Ich habe dir doch schonmal gesagt, wie wichtig du mir bist. Du sollst mir nicht so einen Blödsinn unterstellen.“ Yami berührt unauffällig die Krawatte an seiner Brust, als würde er sie geraderücken müssen. „Ich war mir sicher, wir würden heute Abend nicht unter vier Augen sprechen können. Daher dachte ich, ich trage deine Lieblingsfarbe als geheimes Zeichen…“ Mein Herz geht auf. Sein Blick ist voller Wärme und Zuneigung. Mein Körper tanzt von allein weiter, ich versinke in seinen tiefroten Augen. Ich wünschte, dieser Tanz würde ewig andauern. Wie gern würde ich meine Augen schließen und in einen langen, genüsslichen Kuss versinken… Doch ich muss mich hier zusammenreißen, überall sind Leute. Wie gut, dass Yami nicht weiß, was mein Unterbewusstsein sich ausgemalt hat, was er heute hier in einem Klassenzimmer tun würde… Schnell schiebe ich diesen ekelhaften Gedanken zur Seite. „Ich wusste gar nicht, dass du eine hellblaue Krawatte hast, Yami. Bei dir hätte ich eher auf eine Rote getippt… Aber sie steht dir wirklich hervorragend und ist etwas völlig anderes an dir.“ Yami verzieht die Mundwinkel leicht amüsiert, halb betreten. „Ich hatte auch keine. Eigentlich war eine Rote geplant, das stimmt. Diese habe ich heute nach der Arbeit extra noch gekauft, nachdem ich die Idee hatte, wie ich mit dir öffentlich und möglichst unauffällig kommunizieren könnte. Ich merke, du hattest den gleichen Einfall. Dir steht Petrol sehr gut.“ Ich lächele ihn aus offenem Herzen heraus an. Unsere Blicke versinken in den Seelenspiegeln des jeweils anderen. Die Welt ist wieder in Ordnung. Ich fühle mich so wohl bei ihm. Die Magie ist wieder da, berauscht meine Sinne. „Yugi, ich…“, beginnt er fahrig. Ich muss nun wirklich aufpassen, mich nicht von dem Zauber zwischen uns mitreißen zu lassen. Ein Blick in seine Augen genügt, um zu merken, dass es ihm ähnlich geht. „Ich muss dich jetzt abgeben, sonst werde ich es bereuen…“ „Okay“, hauche ich nur zurück. „Wir sehen uns ja morgen… Ich…“ „Du weißt, wann und wo wir uns treffen?“ „Natürlich.“ Und schon stehe ich am Rand und muss zusehen, wie sich Yami mit einem seiner Fangirls unter die Menge mischt, die schon ungeduldig auf ihn gewartet hatte. Erst jetzt fällt mir auf, dass ihm hin und wieder ein paar Schrittfehler unterlaufen, die ich vorhin gar nicht bemerkt hatte. Erst war ich viel zu aufgeregt, wie er wohl auf mich reagieren würde und dann war ich zu sehr von ihm gefesselt. Aber er sagte ja selbst, kein Profitänzer zu sein. Vielleicht ist er auch unkonzentriert durch den Sekt? Den habe ich auf jeden Fall an ihm gerochen, aber es war nicht unangenehm. Er hatte erwähnt, dass es ihm genauso wichtig war, sich mit mir auszusprechen, er aber keine Möglichkeit gesehen hatte. Vielleicht hat er deswegen so viel getrunken…? Um nicht noch einmal von irgendeiner Lehrerin oder Lehrer zum Tanzen aufgefordert zu werden, verstecke ich mich etwas hinter anderen Schülern, bis sich erst Jonouchi und dann kurz darauf Anzu zu mir gesellen. „Na Yugi, geht es dir jetzt ein bisschen besser?“, grinst mich Jou an. „Ich wusste gar nicht, dass so ein Tanz auf dem Programm stand… War das eure Idee?“ Ich starre beide mit großen Augen an. „Wie habt ihr unsere Schulsprecherin…?“ „Ja, das war Anzus Idee! Sie hat mir davon erzählt, dass ihr beide unbedingt ein paar Minuten für euch braucht. Wir waren gemeinsam bei Nadeshiko und konnten sie unmittelbar vor ihrer Rede davon begeistern. Wir hatten Glück, dass sie es witzig fand und schnell zugestimmt hat. Natürlich haben wir nichts von euch beiden erwähnt, sondern nur über ein lustiges Spiel gesprochen. Und von Honda wussten wir, dass die entsprechende Musik ebenfalls da ist“, erklärt mir Jonouchi. „Das war ein toller Einfall! So habe ich tatsächlich noch auf meinem Abschlussball mit Yami tanzen können! Ich danke euch so sehr!“ Freudig umarme ich beide und plane, mich später auch noch bei Honda zu bedanken, wenn ich ihn ungestört sprechen kann. Anzu lächelt mich an: „Es tat mir so leid, euch so zu sehen. So nah und doch so fern.“ „Oh wow, das ist so lieb von euch! Ich muss sagen, dieser Tanz war definitiv mein Highlight heute Abend!“ Kurz darauf wird auch dieser Programmpunkt beendet und wir gehen zurück zu den anderen. Bei einem letzten Getränk unterhalte ich mich noch mit ein paar Mitschülern sowie flüchtig mit ein paar Lehrern und Lehrerinnen, die ich nun für lange Zeit nicht mehr sehen werde. Um etwa zwölf Uhr reicht es mir dann auch, ich bin müde und habe morgen eine anstrengende Reise vor mir. Auch Großvater möchte gerne gehen, hat mir zuliebe noch etwas länger ausgehalten und sehnt sich nun auch nach seinem Bett. Da Jonouchi und Honda gerne noch bleiben möchten, machen wir uns zusammen mit Anzu und ihrem Anhang auf den Weg Richtung Ausgang. Vorher verabschiede ich mich aber noch ausführlich von den beiden, da ich sie nun vier Wochen lang nicht sehen werde. Da wir mit dem Auto da sind, hat mein Opa nur am Anfang der Feier ein Bier gehabt und dies ist schon Stunden her. Am liebsten würde ich Yami anbieten, dass wir ihn mitnehmen. Doch wir müssen natürlich getrennte Heimwege antreten. Während wir unsere Jacken von der Garderobe abholen und uns diese anziehen, bemerke ich vier Lehrkräfte, die sich ebenfalls in unsere Richtung begeben. Zwei Frauen, eine davon meine Japanischlehrerin, zwei Männer, einer davon mein Partner. Ich lasse mir beim Zuziehen des Reißverschlusses besonders viel Zeit und versuche, etwas von ihrem Gespräch aufzufangen. Die vier überlegen laut, während sie sich ihre Jacken anziehen, sich ein Taxi zu teilen und wer in welcher Reihenfolge zu Hause abgesetzt wird. Ich bin beruhigt, denn selbst fahren sollte Yami nun sicher nicht mehr. Anzu braucht noch eine Weile um ihren Reifrock unter dem Frühlingsmantel zu sortieren, worüber ich ausnahmsweise gerade sehr froh bin. Hin und wieder erkenne ich aus den Augenwinkeln, wie Yami zu mir herübersieht. Als sich die Gelegenheit bietet, lächele ich ihm heimlich zu. Er erwidert es vorsichtig, aber aufrichtig. Die vier Kollegen scheinen sich geeinigt zu haben und gehen an uns vorbei zur Tür. Auch mein Großvater und die Anderen sind schon einmal vorgegangen. Während Yami tatsächlich tapfer weiter vorgibt mich öffentlich zu ignorieren, ist es meine Japanischlehrerin, die noch einmal kurz vor der Tür bei mir anhält und mich anlächelt. Auch mit ihr habe ich all die Monate fünf Stunden pro Woche verbracht. Ich bin immer gut mit ihr zurechtgekommen. Auch die anderen drei bleiben bei ihr stehen und warten auf sie. „Es ist wieder soweit, ich muss einen Jahrgang, der mir ans Herz gewachsen ist, gehen lassen. Trotz all der Jahre, die ich diesen Job jetzt schon mache, ist es immer wieder ein so trauriger Moment… Yugi, ich hoffe bei dir geht es gesundheitlich jetzt nur noch Berg auf! Du hast ja einiges mitmachen müssen, mit deiner Operation. Ich wünsche dir viel Erfolg für deine Zukunft, beruflich und privat!“ „Vielen Dank, Frau Morisato! Ihnen auch alles Gute!“ Ich beobachte über ihre Schulter hinweg Yami, der vermutlich bewusst hinter ihr stehen geblieben ist und so größtenteils von ihr verdeckt wird. Als sich beide etwas bewegen, kann ich ein schwaches Grinsen von ihm zwischen seinen goldblonden Ponysträhnen ausmachen, die er scheinbar als Sichtschutz hat nach vorn fallen lassen. Auch die anderen beiden fügen noch höflichkeitshalber Abschiedsfloskeln und gute Wünsche hinzu, obwohl ich sie kaum kenne, so dass Yami auch etwas sagen muss, um nicht als Einziger stumm zu bleiben. „In jedem Ende liegt ein neuer Anfang. Alles Gute!“, gibt er geheimnisvoll von sich. Ich muss mich sehr beherrschen, mir nichts anmerken zu lassen. Nur uns beiden ist die Doppeldeutigkeit bewusst. Dann geht er weiter und verlässt das Gebäude. Die anderen drei folgen ihm. Mit Sicherheit möchte er vermeiden, sich selbst durch seine Mimik zu verraten und wendet sich lieber ab. Das wäre aber sicherlich nicht nötig gewesen. Wenn ich jemanden kenne, der ein nahezu perfektes Pokerface aufsetzen kann, dann Yami. Ich folge in einigem Abstand. Meine Gruppe wartet schon draußen auf mich. „Herr Athem, Sie haben ab jetzt Urlaub, oder? Montag sind Sie nicht mehr da?“, höre ich noch seinen Kollegen fragen. „Das ist richtig, mein Flug geht schon Morgen.“ Die vier steuern auf eins der wartenden Taxis zu. „Sie haben es gut. Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Urlaub und genießen Sie die Zeit!“, höre ich die eine Dame noch sagen. Und Frau Morisato ergänzt: „Erholen Sie sich gut!“ „Vielen Dank, das werde ich!“, antwortet Yami freundlich, wählt die Autotür die mir am nächsten ist und steigt hinten ins Taxi ein. Durch das Fenster blitzen mich seine magischen, roten Augen schelmisch und unergründlich an. Das wird er mit Sicherheit, dafür werde ich sorgen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Eure emotionalen Kommentare zum letzten Kapitel haben mich sehr geehrt! Vielen Dank dafür! Keine Panik – Yami hat sich nichts Derartiges zu Schulden kommen lassen. Ich hoffe, dieses Chapter konnte die erhitzen Gemüter wieder beruhigen – hier etwas Zuckerguss zum Abschluss :3 Schonmal als kleine Vorankündigung: Auch wenn das gerade schon nach Schlusssatz klang: Zwei Kapitel kommen noch, dann nimmt auch diese lange Story leider ihr Ende.... Ich wünsche schon einmal frohe Osterfeiertage :) Und wieder ein großes Dankeschön an für ihre tolle Beta-Arbeit! :D Viele Grüße Polarstern Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)