Zweiter Teil: Gift in Körper und Seele von abgemeldet (Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich") ================================================================================ Ausnahmezustand --------------- Am nächsten Morgen wachte er sehr früh auf. Draußen begann es zum Tag zu dämmern und es war sehr selten, dass er in den Ferien vor dem Mittag aufwachte. Er erwachte mit einem herzhaften Gähnen, reckte und streckte sich und rollte sich zur anderen Seite. Er streckte sich und öffnete die Augen. Das fahle Licht wirkte beruhigend auf ihn, und er war gern dazu bereit, tiefer unter die Decke zu rutschen und den Rest der Nacht auszukosten. Aber nun da er einmal wach war... konnte er auch gleich aufstehen. Müde drehte er das Gesicht zur anderen Seite und erspähte Kaiba, der reglos und tief schlafend, neben ihm lag. Die Vorkommnisse der letzten Tage wirkten zugegeben verwirrend auf ihn. Zuerst leistete Kaiba der Toilette über längere Zeit Gesellschaft, dann bekam er Fieber. Und letzten Endes brach er zusammen. Und das alles nur, weil er müde war? Einen so schlechten Witz hatte Joey noch nie gehört. Er rutschte näher an ihn heran, zog die Decke um sich und lag Gesicht zu Gesicht vor ihm. Während einer kurzen Pause, als der Arzt nicht gejammert und sich die vorschnelle Ausweglosigkeit dieser Situation vor Augen geführt hatte, hatte er ihm verraten, das Kaiba gesund war... gesünder ging es nicht! Er hatte nicht einmal Bauchschmerzen gehabt. Und Kopfschmerzen kamen so selten, dass man diese unglaublichen Ereignisse auf Kamera festhalten sollte. Die Müdigkeit war stets das einzige gewesen, das Kaiba nach einigen arbeitsvollen Tagen gequält hatte. Joey war der Meinung, das dies ein weiterer Grund war, Kaiba unbedingt im Krankenhaus vorbeizuschicken. Er würde sich mit dieser Bitte, oder vielmehr diesem Befehl, sofort an ihn wenden, sobald er erwachte. Wie Kaiba wohl reagieren würde? Auf jeden Fall kaufte Joey dem Arzt die Grippe nicht ab. Und die Müdigkeit, wie Kaiba seinen Zustand begründete... die konnte ihm gleich gestohlen bleiben! Langsam hob er die Hand, schob eine braune Strähne aus Kaibas Gesicht, strich sie zurück und ließ die Hand sogleich auf seinem Schopf liegen. Joey lächelte. Kaiba war ja so ein fleißiges Arbeitstier. Joeys Miene verfinsterte sich. Er war ja so ein Idiot! Die Gesundheit auf den letzten Platz der Wichtigkeitsskala zu verbannen! Warum wusste er nicht, was das Beste für ihn war? Er wusste doch sonst immer alles! Vorsichtig begann er ihn zu kraulen, den Blick hielt er stets auf das blasse Gesicht gerichtet. Dieses glühte nun nicht mehr - das Fieber war gesunken, aber darüber hatte er sich am gestrigen Tag in der Kneipe auch schon gefreut... und man hatte ja gesehen, was dabei herausgekommen war. Er blinzelte, ließ die Hand wieder nach vorne rutschen und berührte kurz seine Wange. Ein weiteres Mal fiel ihm auf, das Kaiba ein anmutiges Zierbild seines Lebens war. Man konnte mit Fug und Recht behaupten, das nur wenigen Menschen die Ehre zuteil wurde, so schön zu sein. Er besah sich die ebenmäßigen Gesichtszüge, die hellen schmalen Lippen, die dünnen Augenbrauen, spielte mit einer Strähne seiner weichen Haare und ließ die Hand letzten Endes plump auf die Decke zurückfallen. Er könnte noch stundenlang hier liegen, ihn anstarren und betatschen. Aber eine dampfende heiße Tasse Kaffee vertrieb Kaibas Bild aus seinem Kopf und nahm seine Stelle ein. Unten in der Küche... ja, da wartete sie auf ihn. Kaiba konnte er immer wieder anfassen und betrachten, aber die Tasse nicht. Nach einem weiteren Gähnen schlug er die Decke zur Seite, richtete sich auf und schob sich langsam über das Bett, bis er dessen Kante erreichte. Müde stellte er die Füße auf den Boden, kratzte sich am Kopf und erhob sich. Bevor er in seine Hose schlüpfte und sich das Hemd überstülpte, warf er Kaiba einen weiteren Blick zu. Dieser schlief tief und fest, regte sich nicht einmal. Würde sich sein Leib nicht unter regelmäßigen und sanften Atemzügen heben und senken, könnte man ihn mit einer Leiche verwechseln. Die passende Gesichtsfarbe hatte er ja. Nachdem sich Joey einigermaßen angekleidet hatte, schlich er sich zur Tür. Er wollte Kaiba nicht wecken, denn dieser hatte den erholsamen Schlaf dringend nötig. Außerdem brauchte er Kraft, um mit ihm streiten zu können, nachdem er auf das Krankenhaus angesprochen worden war. Joey kannte seine Vorliebe für Kliniken und die kahlen weißen Räume ganz genau. Barfuss trottete er durch den Flur, gähnte erneut und sah sich kurz um. Er fühlte sich hier schon wie zu Hause und doch konnte er von dem gesamten Haus gerade mal neun Räume! Das war sein Gästezimmer, sein Gästebad, Kaibas Arbeitszimmer, sein Schlafzimmer, sein Bad, Mokubas Zimmer, die Küche, den Essraum und den Raum mit dem riesigen Pool. Ach, und die Dachterrasse gab es auch noch. Neun Räume! Joey schätzte, dass es in diesem Haus zwanzig oder mehr Zimmer gab. Und mindestens fünf von denen wurden sicher gar nicht gebraucht. Und wenn dem nicht so war, dann konnte sich Joey nicht vorstellen, was sich in ihnen befand. Wie auch immer, nachschauen würde er sicher nicht. Bald erreichte er die Treppe und auf dieser begegnete er zwei Bediensteten. Hier im Haus gab es nur drei von ihnen. Das hatte Joey mit viel Mühe herausbekommen... indem er Mokuba gefragt hatte. Drei Bedienstete genügten. Außerdem gab es noch drei Köche... was Joey etwas übertrieben fand, denn ihre einzige Aufgabe bestand darin, für Mokuba zu kochen. Nur selten nahm auch Kaiba an dem Essen teil, oder er oder Bikky. Wirklich viel zu tun hatten die also nicht. Ein guter Job, meinte Joey. Die Köche konnten fast den ganzen Tag herumsitzen und bekamen dafür einen hohen Lohn. Als er das Foyer erreichte, blieb er stehen und sah sich kurz um. Nach kurzen Überlegungen, steuerte er auf die große Eingangstür zu, öffnete sie zu und trat hinaus. Die Sonne schickte soeben ihre ersten Strahlen zu ihm und in dem Garten war noch nicht viel los. Die Gärtner waren nicht da, kein Pinguin stand neben der Tür und sprach ihn frech mit "Herr Wheeler" an, nachdem er sich verbeugt hatte. Vor den Stufen blieb Joey stehen und verschränkte die Arme vor dem Bauch. Nur der Chauffeur lehnte an der Fahrertür der Limousine, hatte das Handy am Ohr und telefonierte. Joey warf ihm einen kurzen Blick zu. Er wusste nicht, woran es lag - er mochte diesen Typen nicht. Jeffrey war ihm lieber und er fand es gemein, dass er krank war, obwohl man dem überarbeiteten Mann einfach mal gönnen musste, krank zu sein. Joey beobachtete ihn im geheimen, wurde selbst jedoch nicht erspäht. Der Mann sprach ruhig und leise, telefonierte vermutlich mit seiner Frau oder irgendjemandem anders. Joey interessierte sich nicht dafür, wandte sich nach einer kurzen Zeit ab und verschwand wieder im Haus. Und dieses Haus war einfach riesig! Immer, wenn er es durchwanderte, wurde er darauf aufmerksam. Es war groß, kaum überschaubar und das war einer der Gründe, weshalb sich Joey nicht vorstellen könnte, so ein Anwesen auf Dauer zu bewohnen. Reichtum stand ihm einfach nicht. In der Küche war zu solch früher Stunde noch niemand beschäftigt. Mokuba hatte gesagt, dass die Bediensteten, die für die Sauberkeit des Hauses zu sorgen hatten, um acht Uhr hier zu sein hatten. Und die Köche? Natürlich! Die Köche konnten sich wieder mehr Zeit lassen und mussten erst um zehn hier aufkreuzen. In der Schulzeit aber schon um fünf Uhr... herrje. Joey machte sich mit aller Ruhe einen Kaffee und hockte sich dann an einen der kleinen Arbeitstische, die dort standen. Er zog die Füße zu sich auf den Stuhl, griff nach der Tasse und nippte an ihr. Und während er den schwarzen Kaffee genoss und sich darüber ärgerte, keine Milch gesucht zu haben, da kam ihm wieder Katagori ins Gedächtnis zurück. Er kämpfte gegen diese Art von Grübelei an und doch setzte sie sich letzten Endes durch. Katagori hegte solch einen Hass, hegte solch einen Gräuel gegen Kaiba, dass er nicht so schnell aufgeben würde. Vorerst musste er sich also vor der Polizei verstecken, doch das wäre sicher nicht von Dauer. Wenn er sich solche Mühe gegeben, sich so viel Arbeit gemacht hatte, um ihm oder seinen Bekannten Schaden zuzufügen, dann würde er sich sicher nicht geschlagen geben, nur, weil die gesamte Stadt sein Gesicht kannte und die Augen nach ihm offen hielt. Eines Tages würde er zurückkehren, befürchtete Joey, und dann würde dieses ganze Dilemma von vorne beginnen. Sicher hätte er bis dahin auch einen neuen Plan verfasst, einen Klügeren und Korrupteren, als den Vorherigen. Einen Plan, der nur gelingen konnte. Sie sollten sich auf das Wiedersehen vorbereiten, sollten Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und gut auf sich aufpassen. Undenkbar, zu was dieser Katagori noch im Stande war. Und das alles nur, weil Kaiba ihn gefeuert hatte? Dieser Mann schien nicht nur sehr traurig über den Verlust seines Berufes, sondern auch ein völlig durchgedrehter Psychopath zu sein! Joey graute es vor der Zeit, wenn sie sich wieder sehen würden. Er rollte mit den Augen und begann am Rand der Tasse zu kratzen. "Du bist so ein Idiot, Joey Wheeler!", ohrfeigte er sich selbst und schnitt eine arge Grimasse. "Jetzt machst du dich wegen Katagori verrückt und dabei solltest du dir mehr Sorgen um Seto machen!" Er ergriff die Tasse und hob sie zum Mund. "Und du bist auch ein Idiot, Seto! Warum hast du ihn nur gefeuert? Du hättest ein schwarzes Schaf unter deinen Mitarbeitern. Einen faulen, zynischen und arroganten miesen Hund. Das müsstest du ertragen! Aber dafür würdest du nicht Tag für Tag in Lebensgefahr schweben! Und Mokuba nicht! Und Pikotto auch nicht! Ebenso nicht die anderen Menschen, die dich kennen! Pah!" Joey trank einen Schluck und seufzte. >Hoffentlich geht es diesem Idioten bald besser...< Für diesen Tag schien es jedenfalls der Fall zu sein. Kaiba wachte erst auf, als die Köche das Mittagessen zubereiteten und Joey mit Mokuba drei Stunden Playstation gespielt hatte. Er sah wie eine Leiche aus, als er durch den Flur schlürfte. Doch immerhin hatte er kaum noch Fieber, übel war ihm nicht und schwindelig schon gar nicht. Er nuschelte etwas von "Arbeit", bevor Joey ihn am Kragen packte und in die Küche zerrte, damit er dort ein paar Vitamine zu sich nehmen konnte. Außerdem führte er ihn wohlbedacht in eine Falle, denn sobald Kaiba am Tisch saß, kam der Arzt angelaufen und bemutterte ihn im übertriebenen Maße. Um sich vor weiteren Medikamenten zu retten, sagte er, dass es ihm besser ginge aber in der Zwischenzeit klang er etwas unglaubwürdig. Er kam nicht drum herum, musste sich zwei Tabletten schmecken lassen, bevor er zum Hauptmenü kam, auf das er nun gar keine Lust hatte. Aber er aß trotzdem und wurde dabei von Joey beobachtet. Dieser erinnerte sich soeben an den gestrigen Tag, an die Begegnung mit Chester. Nie hätte er gedacht, dass Kaiba derart ausrasten würde. Nur selten zuvor hatte er ihn so erlebt und er musste zugeben, dass er für kurze Zeit eine laue Angst ihm gegenüber empfunden hatte. Er hatte auf Chester eingeschlagen, obwohl dieser nach wenigen Schlägen wehrlos war. Auf der anderen Seite hatte er es verdient. Und das brachte ein gewisses Gefühl der Sicherheit mit sich. Kaiba würde ihn verteidigen. Gegen alle Perversen, die ihm an die Wäsche wollten! Wie auch immer, Joey würde ihn nicht darauf ansprechen und nur darauf eingehen, wenn Kaiba es tat. Aber das geschah an diesem Tag nicht mehr. Joey wusste nicht, ob es Kaiba gleichgültig oder unangenehm war. Das traf wohl beides nicht zu. Um ehrlich zu sein, Joey wusste überhaupt nicht, wie Kaiba darüber dachte. Und er würde es vorerst auch nicht herausfinden. An diesem Tag unternahmen die Familie Kaiba und ihr Gast, den man beinahe schon als Mitbewohner bezeichnen konnte, nicht mehr viel. Joey und Mokuba zwangen Kaiba, zu Hause zu bleiben und dieser schien sich zu erholen. Während Mokuba mit Bikky über die Dachterrasse tobte, fläzten Joey und Seto auf den Liegestühlen. Joey hatte es sich auf dem Liegestuhl gemütlich gemacht, der direkt neben Kaibas stand. Dieser trug lediglich ein dünnes Hemd und eine leichte Stoffhose. Auf seiner Nase saß eine Sonnenbrille, die ihn vor den hellen Strahlen schützte. Er genoss das Wetter und bewegte sich nicht, bis sich Joey blitzartig aufrichtete und sich zu ihm lehnte. "Hey." Er grinste und Kaiba brummte. "Ich habe eine Idee. Wollen wir ein Spielchen spielen?" "Wollen wir nicht weiterhin schweigen und die Sonne genießen?", nuschelte Kaiba träge. "Das ist doch langweilig", widersprach Joey und zupfte an seinem Ärmel. "Das geht ganz einfach und ist spaßig." "Frag Mokuba." Kaiba verschob die Sonnenbrille und rollte sich zur Seite, so, dass Joey ihn nicht weiterhin belästigen konnte. Doch dieser gab nicht auf. "Also, ich sage, ich sehe was, was du nicht siehst. Und dann musst du raten, was es..." Kaiba murmelte etwas verworrenes, machte es sich gemütlich und schien schlafen zu wollen. "Wie alt bist du?" "Was?" Joey hob die Augenbrauen. "Siebzehn, warum?" "Weiß ich doch." Kaiba murrte, fühlte sich wahrscheinlich überfordert. "Lass mich in Ruhe und belästige Mokuba mit dem Blödsinn." "Blödsinn?" Joey zog eine säuerliche Grimasse und ließ sich in seine Liege zurückfallen. „Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?" "Keine Laus", antwortete Kaiba brummig. "Ich bin nur hundemüde." "Müde?" Joey ließ nicht locker. "Du hast doch den halben Tag verschlafen?" "Mmm..." Joey runzelte die Stirn, verschränkte die Arme vor dem Bauch und beobachtete die beiden Jungs, die tollten und tobten. Er grübelte. Da wollte man mal gute Laune verbreiten und dann bekam man noch Ärger. Er musste bald wieder nach Hause, hatte nicht allzu viel Zeit. Er saugte an seinen Zähnen und warf Kaiba einen kurzen Blick zu. Dann sprang er auf. "Hey! Mokuba, Bikky! Wollen wir ein Spielchen spielen?" Als die beiden Jungen juchzten und winkten und Joey zu ihnen lief, drehte Kaiba das Gesicht etwas zur Seite, schob die Sonnenbrille tiefer und sah ihm nach. Er beobachtete Joey, wie er mit den beiden Jungen im Geheimen tuschelte und rümpfte die Nase, als er sich wieder gemütlich machte. "Jetzt habe ich schon drei Kleinkinder im Haus." Nach weiteren zwei Stunden, als bereits der Abend anbrach, verabschiedete sich Joey von Kaiba. Bikky und Mokuba tobten in dessen Zimmer weiter und die beiden standen im Foyer. "Also." Joey lächelte, trat näher an ihn heran und legte die Hände um seine Oberarme. "Kommst du ohne mich klar?" An Kaibas Lippen zog ein flüchtiges Schmunzeln, dann rollte er einschätzend mit den Augen, hob die Hände und legte sie auf Joeys Hüften. "Ich denke... ja, ich glaube ich werde es irgendwie bewerkstelligen." "Okay." Joey gluckste, stellte sich auf die Fußballen und küsste ihn. Kaiba erwiderte den Kuss nur kurz, seine Hände verblieben an der gewissen Stelle und Joey hatte nichts dagegen einzuwenden. Als er sich zurücklehnte, lächelte er noch immer, besah sich Kaibas Augen und führte die Hand an seinem Gesicht vorbei. Dabei strich er eine große Strähne zur Seite, ließ die Hand auf seiner Wange liegen und zwinkerte. "Hey, du bedeutest mir sehr viel. Versprich mir, das wir alles gemeinsam durchstehen, ja?" Kaiba erwiderte seinen Blick nachdenklich, dann nickte er. "So wie immer?", hakte Joey nach. "So wie immer", versicherte Kaiba. "Gut." Joey ließ die Hand sinken, löste sich von ihm und trat zurück. "Ich komme morgen in die Firma, okay? Meinem kleinen kranken Freund bei der Arbeit helfen." Kaiba rollte mit den Augen. "Was ist eigentlich mit deinen Jobs?" "Den Job bei der Tankstelle habe ich aufgegeben", gab Joey zu. "Und das Lawell... tja, das hat zur Zeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen." "Ach, stimmt ja." "Genau." Joey nickte. "Gut." "Okay." "Also..." Kaiba grübelte. "Was jetzt?" "Jetzt muss ich dich noch mal umarmen." Joey fiel ihm um den Hals, schob die Hände über seinen Rücken und schmiegte sich an ihn. Dabei seufzte er. "Du bist der hübscheste Mensch, den ich kenne, weißt du das?" "Ach." Solche Komplimente war Kaiba nicht gewohnt. Doch Joey nickte, schien nicht vorzuhaben, ihn in geraumer Zeit loszulassen. "Du siehst so unglaublich gut aus, dass man dich einfach umarmen muss." "Jetzt reicht es aber." Kaiba stöhnte und Joey entließ ihn aus der Umarmung. Er grinste, schlenkerte mit den Armen und schulterte seinen Rucksack neu. "Also, ich bin dann mal weg." "Ja." Automatisch hob Kaiba die Hand. "Du bist weg." "Jaaa." Joey gluckste. "Ich bin weheeeg!" "Dann sei endlich weg!" "Ist ja gut!" Joey zog ein langes Gesicht, grinste jedoch sofort wieder. "Tschüss!" "Tschüss!" Endlich schloss sich die Tür hinter dem anstrengenden Jungen und Kaiba ließ matt die Schultern sinken, erschöpft stöhnend. Jetzt konnte er seine Ruhe haben und sich etwas entspannen. Niemand würde ihn mehr stören. Langsam wandte er sich ab. Er würde sich gleich wieder hinlegen und etwas schlafen. Plötzlich ertönten schnelle Schritte auf der Treppe und er hielt in der Bewegung inne. Er ahnte Schlimmes! "Seto!" Kurze Zeit später rannten Mokuba und Bikky auf ihn zu, Mokuba packte ihn am Ärmel und zog ihn auf die Treppe zu. "Komm! Wir müssen dir etwas zeigen!!" "Nein..." Kaiba ächzte am Ende seiner seelischen und körperlichen Kräfte. "Ich will schlafen." "Das kannst du auch später noch!" Mokuba lachte und Bikky gluckste. "Da läuft gerade etwas unglaublich Tolles im Fernsehen!!" "Dann nehmt es auf und zeigt es mir später", bat Kaiba. >Und hoffentlich vergesst ihr es<, fügte er gedanklich hinzu. Müde und matt stieg er die Treppen hinauf, sah seinem Ende entgegen, da wurde er wieder gerufen. "Was ist!" Genervt drehte er sich um und erspähte einen der Bediensteten, der am Anfang der Treppe stand und ihm hektisch zuwinkte. "Ein Herr von der Polizei ist in der Leitung", sagte er. "Er wünscht, Sie zu sprechen." "Polizei?", wunderte sich Mokuba. "Polizei!", rief Bikky ehrfürchtig. "Was zur Hölle wollen die von mir!", fluchte Kaiba. Dein Bett konnte er vergessen. Auf der anderen Seite war es eine gute Gelegenheit, sich vor Mokuba und Bikky zu retten. "Stellen Sie ihn in mein Büro." "In Ordnung." Der Mann nickte und eilte davon. Kaiba befreite seinen Ärmel und wandte sich an die beiden Jungen. "Ihr entschuldigt mich?" Er unterdrückte seine Erleichterung und wandte sich ab. "Es gibt wichtigere Dinge." Die beiden Jungen stöhnten und Kaiba stieg höher. Wenn der Chauffeur irgendwo im Halteverbot geparkt hatte, dann würde es Ärger geben! Er konnte es nicht ausstehen, wenn er wegen einer solchen Banalität von den wichtigen Dingen abgehalten wurde, wie zum Beispiel, mit zwei kleinen Jungen Fernsehen zu schauen. Und hinzukommend sicher eine blödsinnige Serie! Er ließ sich alle Zeit der Welt und gähnte des Öfteren. Hoffentlich war es etwas Wichtiges. Hinter ihm verschwanden Mokuba in Bikky in einem der Zimmer und er öffnete die Tür zu seinem Büro. Er knöpfte den Kragen seines Hemdes auf, rieb sich das Gesicht und ließ sich müde in den Sessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Er legte die Füße nach oben, lehnte sich zurück und tastete nach dem Telefon. Dort drückte er eine Taste und drehte das Gesicht schläfrig zum Fenster. "Hier Kaiba." "Herr Kaiba", meldete sich die Stimme eines jungen Mannes über Lautsprecher. "Ich bin froh, dass ich Sie erreicht habe!" Der Mann klang aufgeregt, im Hintergrund ertönten die Stimmen von umher rennenden Polizisten. "Es ist sehr wichtig." "Was haben Sie auf dem Herzen." Kaiba setzte erneut zum Gähnen an. "Ich bin verdammt müde, also beeilen Sie sich." "Nun ja." Ein leises Seufzen. "Heute Morgen ging eine Nachricht in unserem Präsidium ein. Wir wissen nicht, ob die Angaben des Passanten stimmen oder ob er sich nur irrte. Wir sind uns in der gesamten Sache nicht sicher, haben sie aber trotzdem verfolgt. Nun ja, es ist merkwürdig und wir hätten nie damit gerechnet, dass es schon so schnell passieren würde. Aber wie schon erwähnt, werden wir die Angaben überprüfen. Und wenn es stimmt, dann werden wir uns sofort darum kümmern, das verspreche ich Ihnen, Herr Kaiba." "Schön." Kaiba schloss die Augen. "Ich habe keine Ahnung, worum es geht aber fahren Sie ruhig fort." "Verzeihung. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll." Zettel raschelten. "Ich will auch nicht, dass Sie sich Sorgen machen. Bitte bleiben Sie ruhig und geraten Sie nicht in Panik. Wir werden uns der Sache annehmen und dafür sorgen, dass Ihnen nichts geschieht!" "Sind Sie sicher, dass Sie richtig verbunden sind?" Langsam wurde es Kaiba zu bunt. "Sagen Sie mir endlich, worum es geht oder lassen Sie es sein und belästigen Sie mich nicht weiterhin!" "Nun gut, ich komme zum springenden Punkt. Aber glauben Sie mir, wir haben alles versucht, um das zu verhindern. Wir können uns auch nicht erklären, wie es nun passiert ist, waren der Meinung, alles unter Kontrolle zu haben. Wir haben strenge Kontrollen durchgeführt aber wir..." "Ich lege auf!" "Katagori wurde in Domino gesichtet!" Kaiba verstummte, schloss den Mund und hob überrascht die Augenbrauen. Nur ein kurzes erschrockenes Stechen hatte er gespürt und doch blieb er ruhig. Von einer auf die andere Sekunde war er hellwach, rieb sich das Kinn und warf einen flüchtigen Blick aus dem Fenster. Seine Augenbrauen verzogen sich. "Wir sind uns jedoch nicht sicher!", begann der Polizist sofort wieder zu schnattern, bevor sich Kaiba in diese Neuigkeit vertiefen konnte. "Ein Passant rief an und meinte, er hätte ihn wieder erkannt, im Westviertel! Wir werden die Sache überprüfen und melden uns noch einmal, wenn wir Klarheit haben. Bitte machen Sie sich keine Sorgen aber vielleicht sollten Sie sich einen Bodyquard besorgen, Herr Kaiba! Und passen Sie auf sich auf! Wenn er es wirklich ist, dann ist es möglich, dass Sie wieder sein Ziel darstellen." Kaiba schwieg. Sein Blick war nachdenklich auf die gegenüberliegende Wand gerichtet. Er blieb ruhig, äußerlich zumindest. "Natürlich", sagte er dann kühl, beinahe unbeteiligt. "Weshalb sollte er sonst zurückgekehrt sein?" "Ich wollte nur, das Sie bescheid wissen und vorsichtig sind", bettelte der junge Polizist. "Ich möchte mir nur sicher sein, dass Ihnen nicht zustößt." "Danke für Ihre Anteilnahme." Kaiba atmete tief ein, rieb sich das Gesicht erneut und sah sich wieder um. "Auf Wiederhören." "Was? Ich dachte, ich..." Doch Kaiba griff wieder nach dem Telefon und legte auf. Nur langsam zog er dann die Hand zurück, hakte den Zeigefinger in sein Hemd, zog es lockerer und schnappte nach Luft. Gerade mal zwei Monate hatten sie Zeit gehabt, sich von Katagori zu erholen. Und nun war er wieder da. Kaiba war gespannt, was er sich dieses Mal ausgedacht hatte. Katagori, wir alle waren der Meinung, die Vernunft hätte nach Ihnen gegriffen! Kaiba blieb sitzen, klackerte mit den Fingernägeln über den Tisch. Seine Augen waren nachdenklich auf die gegenüberliegende Wand gerichtet, seine Gesichtszüge wirkten verbissen. Auf der einen Seite hoffte er, dass Katagori von der Polizei geschnappt und auf Immer und Ewig aus dem Verkehr gezogen würde. Auf der anderen Seite reizte ihn auch der Gedanke, sich persönlich an ihm zu rächen. Während sich sein ehemaliger fauler Mitarbeiter versteckt hielt, hatte er seine Wut in Grenzen gehalten, doch nun? Nun erwachte die Lust in ihm, Katagori für all die Dummheiten, die er begangen hatte, bezahlen zu lassen. Nach wenigen Minuten steckte er sich eine Zigarette an, machte es sich gemütlich und schloss die Augen. In dieser Haltung verweilte er und grübelte. "Seto?!" Kaiba blickte auf, erhob sich aus dem Sessel und ging um den Schreibtisch herum. Er befand sich in seinem Büro und wie versprochen, war Joey hier, um ihm zu helfen. Nun stand er vor seiner Tür und jammerte. "Seto?! Hilfst du mir mal?" In gemächlichen Schritten steuerte Kaiba auf die Tür zu, griff nach der Klinke und öffnete sie. Einen Aktenberg balancierend, stolperte der junge Mann an ihm vorbei, strauchelte zu einer kleinen Ablage und legte das schwere Gepäck auf ihr ab. Kaiba schloss die Tür, lehnte sich dagegen und beobachtete ihn nachdenklich, beinahe schon etwas trübsinnig. Joey schnaufte, schlug die Hände auf der Hose sauber und wandte sich ihm zu. Er grinste, nahm jedoch schnell Ernsthaftigkeit an. "Was ist?", fragte er verwundert, als er Kaibas merkwürdigen Blick bemerkte. "Ist alles in Ordnung?" "In Ordnung?" Kaiba runzelte die Stirn. "Ich weiß es nicht." "Verstehe ich nicht." Verwundert trat Joey näher. "Da ist doch etwas. Ich weiß, dass dich etwas bedrückt. Komm, sag es mir." Kaiba seufzte leise, ließ die Hand von der Klinke rutschen und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Joey folgte ihm und blieb vor dem Schreibtisch stehen, als sich Kaiba hinter ihm niederließ. Unter einem leisen Seufzen lehnte er sich zurück, rieb sich das Kinn und begann zu sinnieren. Wieder dachte er an Katagori und an die Folgen, die seine Rückkehr mit sich brachte. Joey blieb stehen, schien bei seinem Anblick ebenfalls zu grübeln. Nach einer langen Zeit des Schweigens sah Kaiba auf und traf auf seinen Blick. Langsam richtete er sich im Sessel auf. "Joseph, deine Nase…“ „Hm?“ „Sie blutet." "Was?" Sofort hob Joey die Hand und betastete seine Lippen. Er spürte eine schmierige Flüssigkeit auf seinen Fingerkuppen, ließ die Hand sinken und starrte das Blut an, das an seinen Fingern haftete. "Seid wann habe ich denn Nasenbluten?" "Warte." Kaiba erhob sich. "Ich hole dir ein Tuch." "Ja." Joey zog die Nase hoch, schmeckte das Blut in seinem Mund. "Danke." Während Kaiba hinausging, begann das Blut über sein Kinn zu laufen und er hielt die Hand darunter, damit es nicht zu Boden tropfte. Es blutete sehr stark, in seiner Handfläche sammelte sich das herabtropfende Blut schnell. Langsam trat Joey zurück, tastete mit der anderen Hand nach einem Stuhl und ließ sich auf ihm nieder. Und es wollte nicht aufhören. Glücklicherweise kehrte Kaiba schnell zurück, drückte ihm das versprochene Tuch in die Hand und hockte sich vor ihn. Joey nickte ihm kurz zu, legte das Tuch auf die nasse Hand und drückte es dann auf seinen Mund. Er spuckte das Blut aus, wischte sich die Lippen sauber und legte den Kopf in den Nacken. "Oh... man!", stöhnte er hinter dem Tuch und schloss die Augen. "Kommt so etwas öfter vor?", erkundigte sich Kaiba. "Das kann doch nicht..." "Ja, schau mal. Das läuft und läuft." Kurz hob Joey das Tuch und besah es sich. "Das kann wirklich nicht normal sein." Kaiba nickte, blieb hocken und stemmte die Hände auf die Knie. Joey stöhnte wieder, begann sich zu regen und verblieb dann bewegungslos. "Du solltest zum Arzt gehen", schlug Kaiba vor, doch da begann Joey zu lachen. "Das sagt der Richtige! Ich gehe nicht, bevor du dich nicht untersuchen lässt!" "Mir fehlt nichts“, warf Kaiba ein. "Siehst du?" Schwungvoll richtete sich Joey auf. "Mir fehlt auch nichts." "Soll ich...", Kaiba zögerte kurz, "… dir ein neues Tuch holen? Das beginnt schon zu tropfen." "Nein, sicher ist es sowieso bald vorbei." "Okay." Kaiba wirkte nun etwas nervös. Er nickte, presste die Lippen aufeinander und beobachtete Joey, wie er das Tuch in der Hand wendete. Wieder brach ein langes Schweigen über sie herein. Joey entspannte sich, wartete, bis das Bluten endlich aufhörte. Kaiba beobachtete ihn aufmerksam, seine Hände begannen sich zappelig auf den Knien zu bewegen. Dieser atmete tief ein, rollte mit den Augen und schluckte hinter. Kaiba wartete nur darauf, dass er ihn um ein neues Tuch bat, doch das tat er nicht. Es vergingen mehrere Minuten und das Bluten nahm nicht ab. Das Tuch war vollständig rot gefärbt, als sich Joeys Augen langsam auf Kaiba richteten. "Was ist?", erkundigte sich dieser sofort. "Seto." Joeys Hand tastete nach der Seinen seine Stimme begann leicht zu zittern. "Irgendetwas stimmt nicht…" Sofort erhob sich Kaiba. "Wie meinst du das?" "Ich... ich weiß nicht!" Joey hustete, in seinen Augen erschien eine gewisse Panik. "Was ist mit dir!" Kaiba beugte sich über ihn. "Sag etwas!" Joey zog die Nase hinter und richtete sich im Stuhl auf, Kaiba wich vor ihm zurück. Als er aufrecht saß, keuchte er, seine Augen wechselten von einer Seite zur anderen. Kaiba fühlte sich hilflos, als er dort stand und Joey anstarrte. Wieder hustete dieser und kurz darauf erspähte Kaiba einen breiten Blutfaden, der über sein Kinn floss. "Oh Gott!" Hektisch fuhr er herum, grabschte nach einem Hemd, das dort herumlag und reichte es Joey. Dieser nickte hastig, ließ das Tuch sinken und... Kaiba erstarrte! Reflexartig zog er das Hemd zurück und starrte ihn an. Das Blut lief nicht aus seiner Nase... sondern aus seinem Mund! Joey öffnete ihn und atmete stockend aus, Kaibas Augen weiteten sich entsetzt. Auch Joey machte den Eindruck, als würde sein Herz stehen bleiben, als er langsam die Hand zum Mund hob. Sofort färbte sie sich rot, selbst von ihr tropfte das Blut in schnellem Takt. Immer mehr quoll aus seinem Mund. Er atmete schnell ein, verschluckte sich jedoch an dem Blut. Hustend und würgend neigte er sich nach vorn, sank in Kaibas Arme, der sich schnell vor ihn hockte. "Joseph!" Bebend hielt Kaiba den jungen Körper fest, spürte schnell, wie eine warme Flüssigkeit sein Hemd durchnässte. Von einer auf die andere Sekunde erlitt Joey Atemnot, er keuchte und grauenhafte Töne drangen aus seiner Lunge. "Joseph!! Was ist mit dir?!" Kaiba schnappte fassungslos nach Luft, Joeys Körper erbebte in seinen Armen. Kurz darauf spürte er, wie sich seine Finger in seine Seiten schlugen, wie sich seine Nägel verkrampft in seine Haut bohrten. Schnell sog sich das Blut in den Stoff des Hemdes, seine ganze Schulter hatte sich rot gefärbt, der Stoff klebte nass auf seiner Haut. Kaibas Herz begann zu rasen, als er aufblickte und das Gesicht zur Tür drehte. "Pikotto!!", schrie er aus vollem Halse. "Hilfe!! Hört mich jemand?!" "Set..." Joey rang nach Atem, es klang, als hätte sich seine Lunge zugeschnürt - er bekam keine Luft! "Hilf... m…!!" "Halt durch!" Kaiba begann am gesamten Leib zu zittern, sein Herz schlug wild in seiner Brust, als er Joey an sich presste. Er musste etwas tun! Was zur Hölle war nur mit ihm?! Schnell hob sich der Leib unter wenigen schnellen Atemzügen, Joey regte sich benommen in seinen Armen, seine Finger lockerten sich. "Set..." Joeys Stimme klang gedrungen, war kaum noch wahrzunehmen. Wieder spuckte er Blut, es tropfte aus seinem Mundwinkel, begann wieder aus seiner Nase zu quellen. Nach einem kurzen Zögern schob sich Kaiba zurück und zog Joey aus dem Stuhl. Dieser sank nach vorn, lehnte an ihm und wurde kurz darauf niedergelegt. Kaiba ließ ihn sinken, legte ihn auf den Boden. Joeys Gesicht war blutverschmiert, die wenigen freien Stellen waren leichenblass. Die Augen waren weit aufgerissen. Auch sein Mund stand weit offen... doch kein Atem kam über die blutigen Lippen. Er zitterte, doch atmen tat er nicht. Kaiba konnte sich kaum bewegen, als er dies sah. Nur stockend neigte er sich nach vorn und hob die Hände, wagte es jedoch nicht, ihn zu berühren. Verschwitzt klebten die blonden Strähnen auf der bleichen Haut... von einer auf die andere Sekunde war es passiert, ohne das man es sich erklären konnte. "Joseph..." Kaiba rieb sich die Wangen. "Oh Gott... Joseph!" Wieder wandte er sich zur Tür und schrie, doch niemand kam. "Joseph!!" Joey gab kaum noch Lebenszeichen von sich, sein Bauch hob sich nicht, senkte sich nicht, kein Puls schlug. Blut sammelte sich auch in den Augen, rann als Tränen über seine Wangen. Endlich riss sich Kaiba zusammen, beugte sich hinab und schob die Arme unter den starren Körper. Er hob ihn an, zog ihn zu sich, presste den jungen Mann an sich und starrte in sein Gesicht, dem es an jeglicher Regung fehlte. Die Augen... die braunen Pupillen, die ins Leere starrten... sie erweckten eine abscheuliche Angst in ihm. Es war ein grauenhafter Anblick! "Joseph...?" Kaiba schluckte schwer, als er ihn angstgelähmt anstarrte. "Joseph." Er rüttelte an ihm. "Sag etwas!" Doch Joey bewegte sich nicht, wirkte wie eine leblose Hülle. Kaiba flüsterte den Namen erneut, seine Stimme zitterte und klang heiser. Er konnte, er wollte nicht glauben, dass er einen Toten in den Armen hielt. Tränen sammelten sich in seinen Augen, als er die Hand hob und sie auf die blutige Wange legte. Sie fühlte sich kalt an. Kaiba sank kraftlos in sich zusammen, seine Finger krallten sich in das T-Shirt. Verkrampft schloss er die Augen, biss die Zähne zusammen und unterdrückte ein lautes Schluchzen. Eine Träne tropfte von seiner Nasenspitze, verlor sich in den blonden Schopf des jungen Mannes, der leblos in seinen Armen lag. Zitternd atmete er ein, ein kaltes Schaudern zog durch seinen gesamten Körper. Kurz zog er die Nase hoch, hielt die Luft an; ein leises Wimmern drang über seine Lippen. Joey... Was war geschehen?! Unter einem lauten Aufschrei fuhr er in die Höhe und schnappte nach Luft, um erneut zu schreien... da kippte sein Stuhl zur Seite. Zusammen mit ihm ging er zu Boden. Hart schlug er auf, stöhnte leise und rollte sich auf den Rücken. Dann starrte er auf die Zimmerdecke. Dicker Schweiß haftete auf seiner Stirn, als er kurz darauf blinzelte, seine Pupillen wechselten hektisch von einer Seite zur anderen. Sein Atem fiel schnell und stoßweise, der Schweiß perlte von seiner Stirn. Er lag nicht lange dort, kehrte schnell in die Realität zurück und schloss die Augen. Herrgottsakrament! Er war während der Grübeleien eingeschlafen!! Erschöpft hob er die Hände und rieb sich die Stirn. Oh... Gott! Er ließ die Hände auf den Boden zurücksinken, schloss die Augen und versuchte seinen Atem zu beruhigen. Vor den Fenstern seines Zimmers lag die Dunkelheit, die tiefe Nacht. Er hatte nicht allzu lang geschlafen. Für wenige Minuten blieb er reglos liegen, dann erwachte er wieder zum Leben, trat den Stuhl zur Seite und richtete sich auf. Unsicher kam er auf die Beine, strauchelte auf den Schreibtisch zu und stützte sich auf ihn. "Verdammt!", ächzte er und fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn. Dieser Traum! Er war körperlich und seelisch am Ende!! Das war zuviel! Auf jeden Fall! Zuviel!! Seine Hände zitterten noch immer, sein Herz raste. "Joseph..." Was hatte dieser Traum zu bedeuten? Was zur Hölle wollte man ihm damit sagen? Und wieso zum Teufel quälte man ihn mit so etwas!! Ermattet trat er einen Schritt zurück, legte die Hände auf die Tischkante und ließ den Kopf hängen. >Katagori! Joseph!<, ging es ihm durch den Kopf. >Joseph...< "Oh Gott!" Kaiba blickte auf, grabschte nach dem Telefon und zog es zu sich. Schnell tippte er eine Kurzwahltaste und richtete sich auf. Noch immer ließ der Traum ihn zittern, als er sich abwandte, nach dem Stuhl griff und ihn aufstellte. Während ein Klingeln über den Lautsprecher ertönte, ließ er sich in das weiche Polster fallen und ließ die Arme baumeln. Wieder stöhnte er... nebenbei lauschte er dem Klingeln. Und dieses Klingeln hielt lange, ja, sehr lange an. Nach ungefähr zwanzig Sekunden wurden Kaiba ungeduldig, richtete sich auf und starrte das Telefon an. Wieder klingelte es... und immer und immer wieder. Denn endlich wurde abgenommen und sofort neigte sich Kaiba nach vorn und rieb sich die Hände. Leises Geraschel, dann ein lautes Gähnen. "Uhhh... ja...?", ertönte eine verschlafene und müde Stimme. Ein bebendes, brüchiges Grinsen zeichnete sich auf Kaibas Lippen ab. "Ja... ich bin es", meldete er sich nach einem kurzen Zögern heiser. Stille... wieder leise Regungen. "Seto? Ja, weißt du denn wie spät es ist?" Eine kurze Pause. "Halb zwei!" "Hm... ja... was?" Überrascht lugte Kaiba zu den dunklen Fenstern, dann wandte er sich zur anderen Seite und schickte der Uhr einen knappen Blick. "Oh." "Ja, oh." Joey gähnte erneut. "Warum bist du denn noch nicht im Bett?" "Na ja..." Kaiba seufzte und lehnte sich wieder zurück, legte den Hinterkopf auf die Lehne und schloss die Augen. Joeys Stimme beruhigte ihn, ließ ihn meinen, alles sei in Ordnung. Und doch quälte ihn der Traum. "Na ja? Was ist denn? Warum rufst du mich an? Ist etwas passiert? Geht es dir nicht gut?" "Doch... doch es geht mir gut. Ich wollte nur... ähm... ich wollte nur anrufen... weil ich..." "Weil du was?", fragte Joey. Kaiba hatte keine Ahnung, warum er angerufen und Joey aus dem Schlaf geholt hatte. Vielleicht nur, um sich zu vergewissern, dass es ihm gut ging? So musste es sein. Und Kaiba ging es nun, da er seine Stimme hörte, wirklich besser. Sein Herz beruhigte sich... seine Hände ebenso. "Weißt du was?" Joey lachte leise, scheinbar war er nun richtig wach. "Es tut richtig gut, aufzuwachen und deine Stimme zu hören. Außer dem aufwachen... geht es dir auch so?" "Ja", antwortete Kaiba sofort. "Ja, natürlich. Es tut gut." "Ist... wirklich alles in Ordnung?" Kaiba schwieg, wieder begann er die Hände zu reiben. Wieder bejahte er es, doch mit jeder Sekunde, die er daraufhin schwieg, wurde sein Gesicht von einer gewissen Niedergeschlagenheit befallen. Doch Joey ließ ihm nicht die Zeit, in Depressionen zu versinken. "So, du solltest dich jetzt wirklich hinlegen", predigte er. "Dir ging es in den letzten Tagen überhaupt nicht gut und du brauchst den Schlaf mehr, als jeder andere. Ich bin auch auf meinen Schönheitsschlaf angewiesen." "Ja." Kaiba nickte langsam und richtete sich auf, die Hand zum Telefon hebend. "Bis dann." "Geh aber wirklich ins Bett, ja?" "Gut." Kaiba legte auf. Nein, er ging nichts ins Bett. Er ließ Joeys deutlichen Befehl außer Acht, blieb sitzen und grübelte. Er rauchte eine Zigarette, trank ein Glas Whisky und entschloss sich nach einer Stunde dazu, sich an eine der wenigen Personen zu wenden, denen er vertraute, sich bei dieser Person Rat zu holen. Ohne zu zögern machte er sich auf den Weg, fuhr in die Firma. Zu dieser Uhrzeit war keine einzige Menschenseele auf den Straßen. In der Zwischenzeit war es um drei. Kaiba war nicht mehr müde - der Schlaf war ihm vergangen. Er stand unter einer großen Anspannung, als er aus dem Wagen stieg und in schnellen Schritten über den großen Parkplatz auf das riesige Gebäude zueilte. In den oberen Stöcken brannten nur wenige Lichter, nicht viele waren immer noch oder schon wieder bei der Arbeit. Flüchtig und durchaus etwas nervös, sah sich Kaiba um, rieb sich den Hals und sprang die wenigen Stufen hinauf. Mit einem sechsstelligen Zahlencode öffnete er die Tür und trat in das riesige Foyer. Viele Gedanken tobten in seinem Kopf, viele Ängste und Befürchtungen. Sorgen um Joey plagten ihn, denn mit Katagori würde er höchstwahrscheinlich kein leichtes Spiel haben. Mit dem Fahrstuhl fuhr er in die 32. Etage. Und dort herrschte trotz der Nachtruhe eine große Tätigkeit. Ungefähr zwanzig Mitarbeiter kamen ihm entgegen, grüßten und führten ihren Weg fort. Kaiba schenkte ihnen keinerlei Beachtung, bog vor seinem Büro links ein und eilte durch den breiten Gang. Vor der zweiten rechten Tür blieb er stehen, atmete tief ein und klopfte an. Anschließend griff er nach der Klinke, drückte sie hinab und öffnete die Tür. Umringt von vielen leeren Kaffeetassen, saß Pikotto an seinem großen Schreibtisch. Nun erkannte er seinen Gast, wandte sich von seinem Computer ab und lehnte sich zurück. Kaiba nickte ihm kurz zu, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Unterdessen faltete Pikotto die Hände auf dem Bauch und sah ihn näher kommen. Ohne ein Wort zu verlieren, zog Kaiba den Stuhl zurück, ließ sich kraftlos auf ihm nieder und stöhnte erschöpft. Pikotto beobachtete ihn kurz, dann zog er sich eine Zigarette und bot auch ihm eine an, Kaiba jedoch, dankte ab. "Mir ist es schon zu Ohren gekommen", verriet Pikotto dann und entzündete den Tabak, Kaiba blickte auf. "Ich habe nur darauf gewartet, dass du zu mir kommst." Kaiba grinste bitter, wurde wieder ernst und rieb sich die Stirn. "Es ist noch nicht lange her, da verletzte er Mokuba und dich, schoss Joseph an und war kurz davor, mich umzubringen", hauchte er müde blinzelnd. "Fängt das jetzt alles wieder von vorne an?" "Da bin ich mir sicher." Pikotto machte es sich gemütlich. "Weshalb sollte er sonst zurückgekehrt sein?" "Hm." Kaiba streckte die Beine aus, legte den Kopf in den Nacken und starrte auf die Zimmerdecke. "Ich mache mir keine Sorgen um mein Leben. Auch Mokuba werde ich beschützen können. Ich werde alles in die Wege leiten, um dafür zu sorgen, dass ihm nichts zustößt. Du bist dazu im Stande, dich selbst zu beschützen. Sicher wirst du es, wenn du nicht auf einen kleinen Jungen aufpassen musst. Auch die anderen Mitarbeiter müssen keine Angst haben." Pikotto nahm einen starken Zug, blies den Rauch in die Luft und richtete den Blick grübelnd, beinahe schon etwas verbissen auf Kaiba. "Joseph trägt all deine Sorgen." "Ja", ächzte Kaiba. "Um ein Haar wäre er durch meine Schuld gestorben. Hätte ihn die Kugel ihn nur wenige Zentimeter tiefer getroffen, hätte er es nicht überlebt. Glaubst du das?" Wieder grinste Kaiba so verzweifelt. "Er streitet natürlich alles ab, sagt, er habe selbst entschieden, doch selbst sein Vater hat mir die Schuld zugewiesen. Indirekt, aber er hat es getan. Und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich möchte ihm nicht zwei Bodyquards auf den Hals hetzen, ihn beschatten und verfolgen lassen. Katagori kennt ihn, hat es vielleicht auch auf ihn abgesehen, um mir Schaden zuzufügen. Das Problem ist, dass ich Joseph nicht die ganze Zeit über bei mir haben kann. Das wäre noch gefährlicher für ihn, als wenn er zu Hause oder auf der Straße ist. Außerdem weiß ich nicht, ob Katagori weiß, wo er wohnt. Herrgott, ich hoffe nicht. Joseph ist sich der Gefahr nicht bewusst und sicher hat er keine Lust darauf, von zwei Männern auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden. Außerdem...", Kaiba stoppte, "... außerdem will ich nicht, das er von Katagoris Rückkehr erfährt. Er würde sich wieder Sorgen um mich machen, mir an der Ferse hängen und sich somit in Gefahr begeben. Ich stecke in einem Teufelkreis fest, Pikotto." Auch wenn es ihm missfiel, er musste zustimmend nicken. Kaiba fuhr fort. "Wie soll ich ihn schützen, ohne, dass er es weiß? Wie soll ich meine Nervosität so verstecken, dass er sie nicht bemerkt? Er kennt mich zu gut und das ist mein Problem. Ich habe ihn in all das hineingezogen ohne, dass ich es wollte. Ich habe ihn in große Gefahr gebracht, ohne, dass ich es beabsichtigte. Und auch wenn er mich unschuldig spricht, mache ich mir Vorwürfe." Pikotto schwieg und Kaiba schüttelte in einer leisen Verzweiflung den Kopf. "Joseph hat mein Leben völlig umgekrempelt. Ich habe neue Seiten an mir kennen gelernt. Ich mache mir Sorgen um dies und das, so wie ich es mir früher nie hätte träumen lassen. Ich werde schneller nervös und grüble mehr, als früher. Ich nehme manche Sachen stärker wahr, lernte Orte kennen, an die ich mich früher nie begeben hätte. Man könnte sagen, er hat meinem Leben eine gewisse Vielfältigkeit geschenkt. Aber in diesem Fall lässt er mich unbewusst verzweifeln. Er nimmt immer alles so unglaublich locker!" Kaiba hob die Hände und stöhnte, noch immer starrte er auf die Decke. "Er meint, dass wir alles zusammen schaffen könnten. Aber das funktioniert einfach nicht. Manche Dinge muss man anders regeln." "Joseph schwebt in Gefahr, nur weil er dich kennt und oft bei dir ist", murmelte Pikotto. "Du sagst es." Schwungvoll richtete sich Kaiba auf und starrte ihn trübe an. "Und hast du auch einen Rat für mich? Was soll ich jetzt machen? Wie soll ich dafür sorgen, dass ihm nichts passiert? Wie soll ich das schaffen, ohne ihm den Grund zu nennen, ohne ihm von Katagori zu erzählen? Als er noch nicht bei mir war, musste ich nie über so etwas nachdenken. Und jetzt bin ich mit meinem Latein am Ende." "Du könntest dafür sorgen, dass er dich nicht mehr besucht. Nicht mehr zu Hause, nicht mehr in der Firma. Und treffen dürftest du dich nur an versteckten Orten mit ihm." "Wie soll das funktionieren." Kaiba schnitt eine Grimasse. "Mit der Zeit wird es zu auffällig und er wird Fragen stellen. Außerdem... was soll ich ihm für Gründe nennen?" "Sag ihm, dass du verreist? Sag es ihm und bleib in Domino." "Das wird irgendwann auffliegen." Kaiba ließ den Kopf hängen, unterdrückte ein Gähnen. "Andere Gründen werden nicht das gewünschte Resultat erzielen. Er hängt wie eine Klette an mir, ich kann ihn nicht abschütteln. Und wenn er mich einen Tag lang nicht sieht, dann ruft er zweimal an, nur so, um zu wissen, dass ich noch da bin." Ein erdrückendes Schweigen brach über die beiden herein. Sie starrten vor sich hin und Kaiba war es, der nach einigen Momenten die Stille brach. "Ich habe geträumt, dass Joseph stirbt", flüsterte er leise, ein unscheinbares Zittern verbarg sich in seiner Stimme. "Es war in meinem Büro. Er war hier, um mir zu helfen, so, wie wir es für heute ausgemacht haben. Zuerst...", Kaiba atmete tief ein, "… zuerst blutete seine Nase... dann sein Mund. Es ging alles so verdammt schnell und bevor ich mich versah, lag er tot in meinen Armen. Dieser Traum muss doch etwas bedeuten. Vielleicht warnt er mich vor etwas?" Kaiba blickte auf, sah Pikotto ernst an. "Ich muss etwas tun, Pikotto! Ich kann es nicht verantworten, dass sich Joseph erneut in Gefahr begibt! Glaub mir, ich würde alles tun, um ihn zu beschützen! Aber sag mir, was ich tun soll!" Pikotto wandte den Blick ab, ließ die Zigarette sinken und sah aus dem Fenster. Er dachte nach, die Zigarette rollte er zwischen zwei Fingern. Wieder schwiegen sie, wieder suchten sie verzweifelt nach einem Ausweg. Kaibas Augen schweiften unruhig durch den Raum, er kratzte an den Lehnen des Sessels, leckte sich die Lippen und sog an seinen Zähnen. Der Traum... er wollte nicht an ihn denken, es machte ihm Angst! Schon bei diesem Gedanken begann sein Herz zu rasen. Es verging eine lange Zeit, bis sich Pikotto wieder ihm zuwandte. Sein Gesicht wirkte verbittert ernst. Ihre Blicke trafen sich nur kurz, dann richtete er sich auf und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. "Ich weiß, was du tun kannst", sagte er, als er sich wieder zurücklehnte. "Und ich versichere dir, es wird funktionieren, wenn du es hart und stramm durchziehst." "Was meinst du." Skeptisch legte Kaiba den Kopf schief. "Was soll ich tun." "Es ist ganz einfach", erklärte Pikotto. "Wenn du ihn nicht mit netten Worten von dir fernhalten und ihn somit schützen kannst, dann musst du es auf dem anderen Weg tun." "Wie sieht dieser andere Weg aus?", erkundigte sich Kaiba bitter. Pikotto zögerte mit der Antwort, dann richtete er sich auf, stützte sich auf den Schreibtisch und fixierte Kaiba mit seiner harten Strenge. "Bring ihn dazu, dich zu hassen und rette somit sein Leben." "Was...?" Auch Kaiba richtete sich auf, entsetzt, ungläubig. "Ich soll... meinst du das ernst…?" Pikotto sah genau so aus. Ja, er meinte es ernst. "Das ist der einzige Weg, der mir einfällt. Aber es ist ein Plan, der glücken kann, wenn du es kühl und gnadenlos tust." "Ich weiß worauf du aus bist." Kaiba stützte die Ellbogen auf den Tisch, seine Gesichtszüge zuckten vergrämt. "Aber... nein, ich glaube nicht, dass ich das..." "Und ob du es kannst", unterbrach Pikotto ihn. "Nun, Joseph ist mir auch sympathisch. Und ich weiß auch, wie er an dir hängt. Du müsstest abscheulich grausam und schamlos sein. Nur wenn du Joseph bis ins Innerste verletzt, wird er sich von dir lösen. Nimm keine Rücksicht auf ihn. Das Beste was du erreichen könntest, wäre wirklich, seinen Hass auf dich zu laden." "Wundervoll!" Kaiba war augenscheinlich nicht allzu fasziniert von diesem perfiden Vorschlag. "Und was soll ich tun, nachdem die Sache mit Katagori ein für allemal aus der Welt geräumt ist? Ich werde für ihn gestorben sein!" Pikotto seufzte leise. "Eure Freundschaft wäre verloren, sein Leben aber gerettet." "Unsere Freundschaft bedeutet mir zuviel, als dass ich sie mit Mutwillen zerstörten könnte." Kaiba sank in sich zusammen. "Es ist eine Möglichkeit aber ich schaffe es nicht. Ich weiß, dass ich es nicht schaffen würde, selbst wenn ich..." "Und ich weiß, dass du es kannst." Auch Pikotto fiel es nicht leicht, doch er sah der Realität ins Gesicht - der harten Realität. "Kaiba, wir wissen nicht, wann er zuschlägt und was er plant. Möglicherweise nehmen wir unbewusst an einem Wettlauf mit der Zeit teil. Das ist das einzige, was ich dir raten kann. Ich hoffe, dass dir etwas Besseres einfällt. Wenn nicht, dann hast du keine andere Wahl." "Ich kann Joseph nicht verletzen." Kaiba schüttelte entschlossen den Kopf. "Das bringe ich nicht über mich." "Tu es für ihn", warf Pikotto ein. "Du musst immer an den Vorteil denken, den er daraus zieht." "Ach!" Kaiba erhob sich, wandte sich ab und ballte die Hände zu Fäusten. "Das wird nicht funktionieren. Ich kann es nicht! Und selbst wenn ich es könnte, Joseph würde mich nicht aufgeben!" Pikotto lehnte sich langsam zurück, stützte sich auf die Lehnen des Sessels und beobachtete Kaiba. Dieser rieb sich die Stirn, ließ stöhnend die Hände sinken und taumelte leicht zur Seite. "Du solltest dich hinlegen und dich ausruhen." Auch Pikotto stand auf, ging um den Schreibtisch herum und blieb neben ihm stehen. "Versuch zu schlafen." "Wie soll ich Schlaf finden!" Kaiba lugte bissig zu ihm. "Ich kann nicht einmal ruhig sitzen!" "Dann überdenke die Sache", erwiderte Pikotto. "Du kannst auch über andere Möglichkeiten grübeln aber ich bezweifle, dass dir etwas Effektiveres einfallen wird. Und wenn du dich entschließt, es zu tun, dann bin ich mir sicher, dass du es schaffst. Deine schauspielerischen Künste sind unübertroffen. Sicher, auch du wirst darunter leiden aber dann musst du dir keine Sorgen machen und kannst dich um Katagori kümmern, ohne Joseph bedenken zu müssen." Wieder lugte Kaiba zu ihm. "Ich kann es nicht!", fauchte er erneut, wandte sich ab und ging los. "Ich kann es nicht und ich mache es nicht!" Mit diesen Worten erreichte er die Tür, riss sie auf und trat in den Flur hinaus. Pikotto blieb in seinem Büro zurück. "Joseph verletzen, um ihn zu retten!" Am Ende seiner seelischen und körperlichen Kräfte eilte Kaiba auf sein Büro zu. "Ja, es würde vielleicht funktionieren, aber ich kann es nicht! Gott, was bin ich weich geworden! Früher hätte ich es getan, ohne mit der Wimper zu zucken!" Er schüttelte den Kopf. "Schauspielerische Künste... so ein Blödsinn! Ich schaffe das nicht!" Endlich erreichte er sein Büro, blieb vor der Tür stehen und stützte die Hände in die Hüfte. Wieder schüttelte er den Kopf, diesmal wirkte die Geste noch verzweifelter. Er konnte Joey nicht verletzen! Dafür liebte er ihn zu sehr! Er war auf ihn angewiesen, brauchte ihn, um sich des Lebens zu erfreuen. Brauchte ihn, um sich seiner zu erfreuen! Was würde wohl passieren, wenn er Joey von sich stieß, ihm das Herz brach... und Katagori auf sich warten ließe? Was war, wenn dieser seine Rachsucht überwunden hatte und sich nur einen neuen Job suchen wollte? Er müsste sich sicher sein, das es etwas brächte. Doch er war es nicht. Er war so unsicher, wie man es nur sein konnte. So unsicher, wie noch nie zuvor. Leidend schloss er die Augen, atmete tief ein und drehte das Gesicht zur Seite. Er blickte in den großen Arbeitsraum, der sich direkt vor seinem Büro erstreckte, besah sich seine Mitarbeiter. Nach kurzen Beobachtungen, fiel sein Blick auf eine Mitarbeiterin. Sie war jung, von schlanker Gestalt und außerordentlicher Schönheit - noch nie war sie ihm aufgefallen. Warum auch? Sie trug einen kurzen, ja, sehr kurzen Rock und eine luftig leichte Bluse; ihre langen schwarzen Haare waren zu einem säuberlichen Knäuel gebunden. Kaiba blieb stehen und beobachtete sie. >Joseph verletzen und ihn dadurch retten<, ging es ihm wieder durch den Kopf. In dieser Sekunde blickte die junge Frau, die sich Fukuyoka nannte, von dem Drucker auf und drehte sich zu ihm um. Sogleich als sie ihn sah, lächelte sie freundlich und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Kaiba hatte den Blick nicht von ihr abgewandt, starrte sie noch immer gedankenverloren an und griff dann langsam nach der Türklinke. Er betrat sein Büro, schloss die Tür ab und warf sich auf das Sofa, das direkt vor dem Fenster stand. Er legte die Beine nach oben, atmete tief durch und drehte matt das Gesicht zur Seite, um sich das schlafende Domino zu betrachten. Seine Augen flimmerten, wirkten glasig und müde. Ja, nun war er müde, jedoch nicht bereit, zu schlafen. Wie schon erwähnt, wie sollte er Schlaf finden in dieser Zeit, die voller Sorge war? Langsam öffnete er den Mund und blinzelte. Hell leuchteten die wenigen Lichter der Läden, der Straßenlaternen. Die meisten Häuser lagen in völliger Dunkelheit, die Straßen wirkten leer und trostlos. Niemand war mehr unterwegs... In diesen Sekunden erschien Kaiba die Stadt wie eine Stätte des Todes... Woran sollte er sich nun erfreuen? Er hatte nur zwei Möglichkeiten. Sollte er Joey in das Geschehen einweihen, sich von ihm betüddeln und betun lassen? Sollte er sich seiner Hilfe und übertriebenen Besorgnis ergeben? Sollte er ihn bei sich wohnen lassen und Bodyquards engagieren, die stets um sie herum waren? Obgleich diese Möglichkeit nach großer Sicherheit klang, war Kaiba nicht wohl bei diesem Gedanken. Nein, überhaupt nicht. Er wusste nicht, woran es lag. Vielleicht war es nur eine dunkle Vorahnung. Oder sollte er Joey soweit treiben, dass er ihn hasste?? Das war sicherer, jedoch schmerzhafter... für beide. Joey würde es nicht verstehen, würde den Grund nicht kennen und Kaibas kühlen Worten Glauben schenken, obwohl daran Zweifel zu setzen waren. Wieder rieb sich Kaiba die Stirn. Lange blieb er dort liegen, blickte auf Domino herab und dachte nach... über alles und nichts. Kaum einen klaren Gedanken bekam er zu Stande. Und so schlief er nach fast zwei Stunden ein... Er erwachte, als sich das Telefon auf seinem Schreibtisch meldete. Es klingelte laut und unaufhörlich, riss Kaiba aus dem Schlaf. Er fuhr in die Höhe, erschrocken und aufgeregt. Er hatte nicht gemerkt, dass er eingeschlafen war und nun war es schon helllichter Tag. Erschöpft ließ er den Kopf hängen, rieb sich den Nacken und zog die Füße von der Sofalehne. Nur langsam kam er dann auf die Beine. Er hatte keine Lust, lange Telefongespräche zu führen, und doch taumelte er auf seinen Schreibtisch zu, stolperte beinahe über ein paar Akten, stieß sich an der Tischkante und grabschte dann nach dem Hörer. Wieder ließ er sich nieder, schloss müde die Augen und legte den Hörer an das Ohr. "Ja...?", meldete er sich matt und leise. Daraufhin gähnte er, ließ sich zurückfallen und streckte die Beine von sich. Doch niemand meldete sich in der Leitung. Er besaß soeben nicht viel Geduld, war fahrig und aufgewühlt. Also wartete er nicht lange. "Ja! Hallo?" Nichts. Kaiba stöhnte und richtete sich stockend auf. "Idiot!", zischte er in den Hörer und ließ ihn sinken. "Man ist mir schwindelig..." Somit legte er auf, stöhnte erneut und lehnte sich wieder zurück. Als er bequem saß, setzte er zum Gähnen an... ließ es jedoch bleiben. Er schien zu erschrecken, über eine plötzliche gekommene Einsicht. Langsam schloss er den Mund und lugte mit geweiteten Augen zum Telefon. So einen Anruf hatte er noch nie erhalten. Wieder richtete er sich auf, wieder griff er nach dem Telefon und hob den Hörer ab. Anschließend tippte er schnell einige Tasten und starrten auf den Display. Die Nummer des Anrufers war nicht in seinem Telefonbuch gespeichert. Eine böse Befürchtung breitete sich in ihm aus, als er den Hörer zurücklegte, sich erhob und sich auf den Schreibtisch stützte. Noch nie... also warum gerade heute? Er schluckte... wieder driftete sein Blick zu dem Telefon ab. Konnte das sein? Nein, ganz sicher hatte Katagori seine Rachsucht nicht überwunden! Er hatte angerufen, Kaiba spürte es! Nervös schnappte er nach Luft, ballte die freie Hand zur Faust und hob sie zum Mund. Es war also doch Ernst, es würde von neuem beginnen! Solche Zeiten forderten schnelle und effektive Handlungen! Was blieb Kaiba übrig? Was sollte er nun tun, wenn Joey in einer Stunde hier aufkreuzte, keck grinste und ihm hilfreich zur Hand ging? Einweihen? Warum nicht? Kaiba ging Kreise. Wegen der Gefahr! Und wenn er aufpasste! Letztes Mal wollte er auch aufpassen! Und alles war schief gegangen! Und wenn er diesmal besser aufpasste? Das funktionierte nicht! Er wollte Joey nicht durch Katagori verlieren! Er war ihm wichtig! Auch wenn er es seltener zeigte... Er musste sich schnell entscheiden... und schnell hieß diesmal binnen einer Stunde. Denn dann würde er Besuch bekommen. In langsamen Schritten steuerte er auf die Tür zu, schloss auf und öffnete sie. Mit einem weiteren Schritt stand er dann vor dem großen Arbeitsraum, in dem sich nun wieder die Mitarbeiter tummelten, tratschend und werkelnd, arbeitend und schuftend. Alle vertieft in mühsamer und wichtiger Arbeit. Und ihr Chef, der berühmte Inhaber der Kaiba-Corporation stand dort, mit hängenden Schultern und einem Gesicht, wie es bleicher und zermürbter nicht sein konnte. Mit flimmernden Augen und abwesendem Blick. Natürlich. Er war manchmal etwas grantig und gemein gewesen, doch musste man ihn deshalb mit so einer Strafe beladen? Tat es Not, ihn so leiden zu lassen? Trübe sah er sich um, fuhr sich lahm durch den Schopf und wandte sich zur Seite, da fiel sein Blick wieder auf die junge Frau, die während seines Schlafes geschuftet hatte und nun kurz davor war, nach Hause zu gehen, ihren Feierabend zu genießen und sich auszuruhen. Als Kaiba sie verschwinden sah, erwachte er zum Leben. Er blinzelte, richtete sich aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf und neigte sich zur Seite. Hektisch suchten seine Augen nach ihr... doch er fand sie nicht. "Fukuyoka!", rief er ohne zu zögern in die Menge und augenblicklich blieben die Mitarbeiter stehen, sahen sich um, schwiegen kurz und gingen weiter. Kaiba hielt weiterhin Ausschau nach der Frau. Mit diesem Ruf hatte er den ersten Schritt getan. Sein Herz begann zu rasen... Und dann schlängelte sich die junge Frau durch die Anderen, kam auf ihn zu und blieb stehen. Trotz der langen Arbeit sah sie frisch und fröhlich aus, als sie auf ihre höfliche Art und Weise lächelte. "Sie wünschen, Herr Kaiba?" Sie trug bereits ihren Mantel und hielt eine Tasche in der Hand. Er erwiderte ihren Blick nur kurz, stützte die Hände in die Hüften und räusperte sich. "Ich habe eine Aufgabe für Sie", rang er sich endlich durch und blickte auf. Die junge Frau hob die Augenbrauen. "Würde es Ihnen etwas ausmachen, in einer Stunde wiederzukommen?" "Ähm... nein, eigentlich nicht", erwiderte sie schnell, jedoch verwundert. "Darf ich denn erfahren, um was es sich handelt?" Kaiba zögerte kurz, atmete tief durch und bat sie dann mit einer leichten Kopfbewegung, in sein Büro zu kommen. Frau Fukuyoka trat ohne zu zögern ein und drehte sich zu ihm um, als er die Tür schloss. "Es ist mir sehr wichtig und ich bezahle Sie auch dafür", sagte er, als er sich gegen die Tür lehnte und die Beine kreuzte. Die junge Frau wunderte sich doch sehr. "Was haben Sie vor?", erkundigte sie sich. Kaiba presste die Lippen aufeinander und senkte den Blick. ~*to be continued*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)