Komm, süßer Tod von Hoellenhund (~In Zusammenarbeit mit Minachi~) ================================================================================ "Ihr Geld..." Wie immer ging Seraphia mit den Gästen des Cafés schroff um. Ein Wunder, dass ihr noch nicht gekündigt worden war und einige Gäste so dumm waren ihr Trinkgeld zu geben. Sie blickte aus dem Fenster. ,Heute Nacht ist Vollmond', dachte sie. Vollmond bedeutete für sie nur noch mehr Arbeit, denn an Vollmond - so dachten einige Vampire - würde das Blut noch besser sein. "Dummes Zeug!", rief Seraphia. "Was ist dummes Zeug?", frage ihre Kollegin neben ihr. Es war eigentlich nichts besonderes, dass Seraphia plötzlich irgendetwas zusammenhangloses von sich gab und trotzdem fragte immer noch jeder, was denn los sei. "Nichts... Ich mach' heut früher Schluss. Bis dann..", erklärte Seraphia kurz angebunden von und verließ das Café, um sich ihren zweiten Job widmen zu können: Der Vampirjagd. Was sie dabei nicht ahnte war, dass der Vampir, den sie heute treffen sollte, ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen würde... Blythe erwachte in totaler Finsternis. ,Etwas früh zum Aufstehen', dachte er. In der Nacht, in der der Mond voll am Himmel stand, erwachte er immer vor der Zeit. Er drehte sich in seinem Sarg auf die Seite. Für gewöhnlich schlief er auf dem Rücken, die Arme vor der Brust gekreuzt. So auf der Seite liegend kam ihm der Sarg ziemlich eng vor. Er stieß sich den Kopf. "Verdammt!", fluchte er und schlug unsinniger Weise gegen den Sargdeckel. Dann drehte er sich zurück auf den Rücken und schlief wieder ein. Seraphia begrüßte ihren Husky Sin mit einem kurzen Kopfrucken. Grübelnd band sie sich die Schürze ab und warf sie auf ihr Sofa. "Heute gibt es sicher viel Arbeit für uns...", sagte sie zu dem Hund, der sich vor ihrem Füßen streckte, jedoch aussah, als würde er ihren Worten Aufmerksamkeit schenken. Seraphia streckte sich kurz, bevor sie in ihr Schlafzimmer ging, um ihre Kleidung vom sportlichen Stil in den ,Nuttigen' umzuwandeln. ,Nuttig' so beschrieb Sin Seraphias Kleidung bei Nacht. Tagsüber war er nur ein großer Hund, nachts nahm er jedoch seine wahre Gestalt an: Die Gestalt eines übergroßer Höllenhunds, einzig und allein geschaffen, Seraphia bei der Vampirjagd zu helfen. Seraphia konterte Sins Abneigung gegen ihren Kleidungsstil bei Nacht immer damit, dass die meisten Vampire ,nuttiges' Blut als eine Delikatesse schätzten. Dass Seraphia in Wahrheit noch Jungfrau war und noch nie wirklichen Kontakt zu Männern hatte, mussten diese nichtshirnigen Idioten - so Seraphias Meinung über Vampire - ja nicht wissen. Ihr Blick fiel wieder nach Draußen. Langsam ging die Sonne unter und sie beobachtete wie jeden Tag zur Zeit des Sonnenunterganges, wie ihr Hund langsam größer wurde und sich in einem kräftigen, gefährlichen Höllenhund verwandelte... Eine Wolke zog vor den Mond. Blythe streckte sich dem schwarzen Himmel entgegen. Er war gerade aus seiner Gruft gestiegen und klopfte den Staub von seiner schwarzen Hose. Dann zog er seinen ebenfalls schwarzen Umhang über das weiße Hemd. Er ging auf den Eingang des Friedhofes zu, als er jäh eine Bewegung vernahm. Blitzschnell wich er zurück und verschwand für das ungeschulte Augen gänzlich hinter einem Grabstein. ,Nur eine Katze', dachte Blythe. Sin riss sein Maul zu einem Gähnen auf und entblößte so für kurze Zeit seine spitzen Zähne. "Bist du bereit..?", fragte Seraphia wie jeden Abend. Sin reagierte genervt wie je. "Was soll die blöde Fragerei? Mir ist langweilig..", maulte er, stellte sich vor der Tür auf die Hinterpfoten und schlug sie mit seinen Vorderpfoten auf. "Überleg mal wer hier die Herrin ist...", gab Seraphia zurück, obwohl sie genau wusste, dass Sin - der ihr in Höllenhundgestalt sowieso überlegen war - sie nie für voll nehmen würde. Sie ging durch die Haustier und wies Sin mit einer Handbewegung an, ihr zu folgen. Dieser tapste ihr fast lächelnd hinterher. Tagsüber war er immer allein zuhause und las irgendwelche Frauenzeitschriften, die Seraphia wieder einmal unachtsam auf dem Boden zurückgelassen hatte. Darum freute er sich immer, wenn die Nacht heranbrach. Seraphia ging die Straße entlang. Manchmal hätte sie schwören können einen Schatten gesehen zu haben, der ihr auf der Lauer lag. Aber meist stellte es sich entweder als irgendein Tier oder als ein besoffener Kerl heraus, der Seraphia mit einer Nutte verwechselt hatte. Das passierte ihr jede Nacht, aber eigentlich war das ja auch ihre Absicht. Blythe verließ ungern seinen Friedhof. ,Aber wenn das Essen nicht zu mir kommt, muss ich eben zum Essen kommen', sagte er sich immer. Also hatte er sich aufgerafft und spazierte die Straßen Londons entlang, als würden sie ihm gehören. Hier und da kamen Leute vorbei, die ihn anstarrten. Sie interessierten ihn nicht. Er hatte gewisse Ansprüche und dieses "Gesindel" entsprach ihnen nicht. Seraphia blickte sich um. Ihr fiel sofort ein junger Mann auf, der die Straßen entlang ging, als hielte er sich für Gott persönlich. "Eingebildeter Lackaffe...", sagte Seraphia leise, aber dennoch so laut, dass es der Mann hören konnte. "Leg dich nicht mit irgendwelchen Menschen an, wir haben was zu tun..", knurrte Sin leise. Eigentlich war es ihm egal was Seraphia tat, nur freute er sich schon darauf einen Vampir in den Hintern zu beißen - eines seiner liebsten Hobbys. Seraphia zuckte die Achseln. "Was für ein niedlicher Schoßhund, Miss....", rief Blythe dem Mädchen hinterher, das ihn angesprochen hatte. Er war stehen geblieben. ,Sie sieht aus wie eine Nutte', dachte Blythe angewidert. Ihm entging nicht, dass auch das Mädchen stehen geblieben war. Was ist los??", schrie sie ihm entgegen. "Fräulein, meine Ohren...", stöhnte Blythe gespielt. Das Mädchen stand da und schien Blythe mit ihren Blicken pflöcken zu wollen. "Ungewöhnliche Augenfarbe, Mister...", knurrte der Hund an der Seite des Mädchens. "Verräter", lachte Blythe den Hund aus und funkelte ihn aus feuerroten Augen an, "Ich bin immer für ein Spielchen gut..." Blythe stieg eine Feuerleiter hinauf und stand nun auf dem Dach eines zweistöckigen Hauses. "Fang mich doch, kleines niedliches Wauwauchen", lachte er. "NA WARTE!", kläffte der Hund, fuhr seine mächtigen Krallen aus und begann die Hauswand empor zu klettern. "Sin, was tust du da?!", brüllte das Mädchen dem Hund, der offensichtlich Sin hieß, nach. Blythe sprang auf das nächste Dach. Sein Lachen hallte schallend durch die leeren Straßen. Seraphia schüttelte den Kopf. Jetzt hatten sie und Sin endlich den ersten Vampir des Abends entdeckt, und Sin konnte sein Temperament wieder nicht zügeln. Aber anstatt dem Höllenhund, der unter seinem Fell schon leicht rot vor Wut war, hinterher zuklettern, zog sie es vor taktischer an die Sache heranzugehen. Seraphia war zwar keine großartige Denkerin, aber was das Jagen von Vampiren betraf, übertraf sie die meisten. Sie lief die Straße hinunter bis zu dem Haus, an dem der Vampir zuletzt ankommen musste. Dort kletterte sie die Feuerleiter hinauf und versteckte sich hinter der Tür, die zum Dach hinausführte. Sie war sich sicher, dass der Vampir spüren musste wo sie sich befand, aber er konnte ja nicht ahnen was sie war... Oder doch? Seraphia beschloss die Kraft des Vampirs zu testen. Trotzdem legte sie vorsichtshalber die Finger über ihren Revolver, der mit Silbermunition geladen war... "Ich mag keine Tagedamen", erklang eine Stimme am Rand des Daches, "Sie müssen entschuldigen, Miss..." Sin sprang kurz nach Blythe auf das Dach und schickte sich an, ihn anzuspringen. "Wesen wie Ihr sollten an unserer Seite kämpfen", sagte Blythe verunsichert. Sin knurrte nur und völlig unerwartet sprang er los. Der Höllenhund bekam Blythes Arm zu packen. Vor Überraschung und Schmerz stöhnte der Vampir auf, doch er fing sich schnell wieder und streckte Sin den anderen Arm entgegen. Eine Barriere aus heißer Luft schoss dem Höllenhund entgegen und vor Schreck lies er den Arm des Vampirs los. Blythe umfasste den Verletzten Arm mit der Hand des anderen Armes und sprang das Dach hinab. Bei seiner Flucht hinterlies er eine leicht zu verfolgende Blutspur... Seraphia sprang aus ihrem Versteck und kümmerte sich erst einmal um Sin. "Alles okay..?", fragte sie leicht desinteressiert, da sie genau wusste, dass Sin keinerlei Verletzungen hatte. Dieser schüttelte, zwar benommen aber bestimmt, den Kopf. "Nein.. Aber diese Missgeburt von einem Vampir kann was erleben!!", knurrte er. Seraphia nickte. "Klar.. Aber wie sollen wir den Kerl deiner Meinung nach finden?" "Mach doch mal deine Augen auf! Lebst schon wer weiß wie lange und kannst nicht einmal mit deinen Sinnesorganen umgehen!", brüllte Sin. Eigentlich war er Prinz Charme in Person, doch wenn er wütend war, konnte er zu dem Höllenhund werden, der er eigentlich auch war. Seraphia gab ein Brummen von sich und blickte auf den Boden. Dort führte eine Blutspur entlang, die der Vampir hinterlassen haben musste. "Folgen wir ihr..", befahl Seraphia und lief los. Sin schüttelte nur kurz den Kopf: "Hätte dir auch früher einfallen können." Dann überwand er doch seinen heute ohnehin angekratzten Stolz und rannte Seraphia hinterher. Blythe lief sehr schnell. Seine Wunde begann sich nach kurzer Zeit zu schließen, doch er biss sie immer wieder auf. Er kam an dem Eingang seines Friedhofes an und war zufrieden. ,Diese Atmosphäre gefällt mir schon viel besser, vielleicht kommt das Essen heute doch zu mir...', dachte er vergnügt und ließ seine Wunde in Ruhe. Entspannt setzte sich auf einen Horizontal liegenden Grabstein, der nicht allzu nah an der Friedhofsmauer war. Er wollte nichts riskieren. ,Dieser Sin sah sehr wütend aus', dachte er und kratze sich am Kopf. "Diese Nuttenaufmachung!", rief er über den stillen Friedhof. "Meint der mich?!", fragte Seraphia verärgert ihren Begleiter. "Ich denke nicht, dass ich einer Nutte ähnlich komme", gab Sin zurück, blieb allerdings nicht stehen, so wie es Seraphia getan hatte, "Beeil dich, das verdammte Biest muss auf dem Friedhof sein. Vielleicht finden wir dort noch mehr dieser niederen Kreaturen!" Seraphia grummelte, ging ihm aber hinterher. Sie blickte sich vorsichtig um. Ihren Revolver hatte sie inzwischen aus ihrem Gürtel genommen - eine Vorsichtsmaßnahme. Sin knurrte. "Er ist in der Nähe...", gab er von sich. "Ich spüre ihn auch...", sagte Seraphia ernst. Ihr Blick fiel zur Friedhofsmauer hinüber, "Pass auf Sin. Das hier ist sein Revier..." Sin nickte leicht. "Ich weiß... Würde mich nicht überraschen wenn das Mistvieh irgendwelche Fallen hinterlassen hat.." Seraphia schüttelte jedoch den Kopf. "Das glaube ich weniger.. Ich denke der Kerl hat vor mit uns ein kleines Spielchen zu spielen. Jedoch hat er nicht bedacht, dass ich nach meinen eigenen Regeln spiele." Ihr Blick fiel auf ihren Revolver, den sie nun schon fast vergnügt mit sich trug. Sin schüttelte wie so oft den Kopf über Seraphias Verhalten und wie jedes Mal fragte er sich, warum ausgerechnet er Seraphia als seine Herrin angenommen hatte. Weil sie eine Unsterbliche war? Wohl kaum, das waren Vampire, Zombies und dergleichen auch... Jedoch hatte der Höllenhund keine Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen, da ihm eine Stimme aus seiner ohnehin schon fast unerträglichen Ruhe gebracht hatte. "Habt ihr mich also endlich gefunden..." Blythe war aufgestanden und begrüßte die Eindringlinge mit einer angedeuteten Verbeugung. "Tut mir den gefallen und steckt das Ding weg, Miss. Hier ist niemand außer uns", versicherte Blythe. "Du willst uns austricksen!", knurrte Sin und sprang auf den Vampir los. Blythe schaffte es knapp Sins Fangzähnen zu entgehen. "Wieso sind in Euren Augen alle Vampire Lügner?", fauchte Blythe katzengleich. "Weil's so ist, blöde Frage!", rief Seraphia und zielte weiterhin mit ihrer Waffe auf den Vampir. "Aber Miss....", wandte Blythe ein und streckte ihr die leeren Handflächen entgegen, "Ich habe nichts!" "Arroganter Mistkerl!", fauchte Seraphia. Sie bemerkte ein vertrautes Zeichen von Sin, das soviel bedeutete wie ,Lenk ihn ab!'. Das war eine ihrer leichtesten Aufgaben. "Führ dich ja nicht so auf, schließlich hast du es mit Seraphia Xerxes zu tun!" Blythe zuckte die Achseln. "Nie gehört. Aber erlaubt mir, mich vorzustellen," er verbeugte sich leicht grinsend, "Blythe Leander, stets zu Diensten.." "So ein..", grummelte Seraphia und hätte fast vergessen Blythe weiterhin abzulenken, "Spiel dich ja nicht so auf!! Du wirst heut noch.. du wirst.. dein.. dein blaues Wunder erleben!" Ihr gingen so langsam die Themen aus. Blythe grinste weiterhin. "Klingt sehr überzeugend.." "Sollte es auch!", erklang es plötzlich hinter ihm. Sin sprang Blythe von hinten an und drückte ihn zu Boden. Überrascht versuchte sich Blythe aus Sins Krallen zu befreien. Die beiden rangen einige Zeit auf dem Boden bevor Blythe wieder zum Stehen kam. Sin hatte sich in seinem Bein verbissen. Seraphia war hinter Blythe gesprungen und drückte ihm ihren Revolver auf den Rücken. "Noch ein letztes Gebet..?", sagte sie ruhig aber mit einem bissigen Unterton. Blythe biss sich auf die Unterlippe. Doch da kam ihm plötzlich die zündende Idee. Leider hatte er dadurch keine Zeit seinem Ego gerecht zu werden und einen Spruch abzulassen.. Er zog eine Kugel aus seiner Hosentasche und warf sie auf den Boden. Vor Schreck ließ Seraphia einen Schuss los, der Blythes Arm streifte. Zu seiner eigenen Überraschung schrie dieser vor Schmerz kurz auf. Seraphia versuchte Blythe noch zu packen, ergriff jedoch nichts weiter als eine Kette, die sich sofort von Blythes Hals löste. Der Vampir ergriff die Flucht. Dieses Mal ohne irgendeinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort zu hinterlassen. Als der Rauch verflogen war, blickte Seraphia zuerst auf die Kette dann auf Sin. Dieser grummelte. "Lass uns nach Hause gehen. Mir ist die Lust auf das Vampirjagen vergangen.." Ohne auch nur Seraphias Befehl abzuwarten trat er sofort die Heimreise an. Seraphia nickte, blickte jedoch noch einmal über den jetzt wieder vollkommen in Stille gehüllten Friedhof. "Wir sehen uns..", grinste sie und ging mit Sin davon. Dieser flüsterte: "Ach bevor ich's vergesse: Angenehmen Sonnenaufgang, Vampir.." Das war sein Standartspruch nach dem Ende einer Vampirjagd. Blythe lehnte an der Rückseite eines Grabsteines. Der Streifschuss hatte ihm schwer zugesetzt. Das Silber hatte ein gähnendes Loch in seinen Arm gebrannt, der nun für einige Zeit unbrauchbar bleiben würde. Unter Blythes roten Augen lagen dunkle Schatten. Schlimmer konnte eine Nacht für einen Vampir kaum ablaufen: Kein Essen, beeinträchtigende Verletzung, eine Vampirjägerbraut auf den Fersen und der Verlust eines wichtigen Andenkens. Blythe hätte schreien können, hätte er nicht genau gewusst, dass dies seinen Standort verraten hätte. Eigentlich war seine Flucht auch nur einer seiner billigen Tricks gewesen. Im aufsteigenden Rauch hatte er sich nur ein paar Grabsteinreihen weiter nach hinten verzogen. Der Rauch hatte den Ortungssinn dieses Köters eingeschränkt. Blythe musste seine Kette zurückerhalten. Komme was wolle, verletzt oder nicht. Sie war ihm wichtig. "Seraphia Xerxes, ich werde dich finden...." Früh am Morgen erwachte Seraphia. Heute war Sonntag, also hatte sie frei. Sowohl im Café, als auch bei ihrem Job als Vampirjägerin. Ihr erster Gang führte in die Küche. Dort holte sie Hundefutter um dem wieder zu einem Husky gewordenen Sin sein morgendliches Mahl zu bescheren. Sie selbst frühstückte nie. Stattdessen sah sie fernsehen - was sie im Übrigen den ganzen Tag tat. Sie hielt Blythes Goldkette zwischen Daumen und Zeigefinger und beäugte den mittelgroßen Marmor ähnlichen Kreuzanhänger mit Goldrand. Sin hüpfte auf den Rand des Sofas, kuschelte sich sacht an Seraphia und blickte sie fragend an. Auch Seraphia fragte sich die ganze Zeit nur eins: Für Vampire waren Kreuze die pure Qual. Warum war dieser Anhänger für den Vampir so wichtig, dass er selbst diese Qualen ertrug? Müde streckte Seraphia sich. Heute blieb sie sowohl den Tag als auch die Nacht in ihrem engen roten Shirt und der Schlaghose. Es würde ja doch nichts passieren... Am späten Abend war Seraphia mit einer Frauenzeitschrift auf den Bauch eingeschlafen. Auch Sin hatte es vor Langeweile in den Schlaf getrieben. Seraphia erwachte jäh und die Zeitschrift auf ihrem Bauch fiel zu Boden. Erst wusste sie nicht, was sie aufgeweckt hatte, doch Sin hatte ebenfalls die Augen geöffnet. Da hörte sie es wieder: Etwas schlug gegen die Fensterscheibe des Zimmers. Irritiert trat Seraphia ans Fenster und spähte hinaus. Sie erblickte nicht ganz das, was sie erwartet hatte. Vor dem Fenster hockte der Vampir, den sie die Nacht zuvor verfolgt hatte. Er winkte ihr gespielt fröhlich entgegen. Sin begann zu knurren und rief: "Dieser Mistkerl!" Er verkniff sich ein herzhaftes Gähnen und sprang zornig auf das geschlossene Fenster zu. Die Scheibe zerbarst wie eine Wand aus Zucker. Blythe, vor dem Fenster, wich erschrocken zur Seite hin aus. Sin und Milliarden von Glassplittern stürzten zusammen in die Tiefe. Ein aggressives Kläffen hallte die Hauswand hinauf und signalisierte Blythe und Seraphia, dass Sin nichts passiert war. Blythe kletterte durch das kaputte Fenster; sorgsam darauf achtend, sich nicht an den übrig gebliebenen Splittern am Rahmen zu verletzen. Schon nach wenigen Sekunden stand er in Seraphias Wohnzimmer. "Das ist Hausfriedensbruch!", schimpfte Seraphia, da ihr nichts Besseres einfiel. Blythe lachte amüsiert. "Nun, Ihre Tat nennt man Diebstahl. Ich bin nur hier um meine Kette zu holen." Seraphias Blick fiel auf das Sofa, dort wo vor wenigen Sekunden noch die Kette gelegen hatte, befand sich nun nichts mehr. Sin musste sie mitgenommen haben. Oder sie war in die unendlichen Weiten der Sofaritze gefallen, wo schon einige verschimmelte Kekse und alte Zeitschriften herumlungerten. "Welche Kette..?", fragte Seraphia gespielt dumm und suchte verzweifelt nach ihrem Revolver. Wie jeden Sonntag hatte sie sämtliche Erinnerungen an ihren abendlichen Job gründlich entsorgt, sodass sie nicht fündig wurde. "Tu nicht so dumm! Ich weiß, dass du sie hast!", schrie Blythe in zornigem Tonfall. Seraphia zuckte zusammen und lief in ihr Schlafzimmer. Dort kramte sie in einer Schublade herum. ,Hier muss er doch irgendwo sein...', fluchte sie innerlich. "Suchst du das hier?", grinste Blythe, der Seraphia gefolgt war. In seinen Händen hielt er ihren Revolver. "Aber..", begann sie und wurde kreidebleich. "Er lag auf deinem Schreibtisch", grinste Blythe und deutete auf den Tisch neben dem Schrank, in dem Seraphia gekramt hatte. Sie wusste nicht ob sie lachen oder weinen sollte. Erst einmal musste sie verschwinden. Seraphia versuchte an Blythe vorbeizuhasten, doch dieser drückte sie hart an die Wand. "Gib mir meine Kette!", schrie er. "Ich weiß nicht wo sie ist, verdammt!", schrie Seraphia zurück. "Ach ja?", wollte Blythe wissen. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Er nahm Seraphias Revolver und verbog den Lauf. Dann warf er ihn fort. "Dann wirst du sie gefälligst aufsuchen! Los!", fauchte er Seraphia an und schubste sie aus dem Raum. Nun lies sie los, damit sie suchen konnte, behielt sie jedoch scharf im Auge. Seraphia grummelte. "Hättest du nicht morgen kommen können? Heute ist Sonntag...", brummte sie, begann aber mit der Suche. "Sonn... was? Ich kenne so etwas nicht", gab Blythe schlicht zurück und lehnte sich an die Wand. Seraphia suchte mit einem grummelnden Geräusch weiter nach der Kette. Ihr Blick fiel immer wieder auf das kaputte Wohnzimmerfenster. Sie hoffte insgeheim Sin würde hochklettern und ihr zu Hilfe eilen. Aber auf dem Balkon herrschte Stille. Angeekelt beugte sich Seraphia über die Sofaritze. Sie ließ ihren Finger langsam nach unten wandern. Aber sie fand nichts weiter als eine alte Zeitschrift, die sie schon länger gesucht hatte und eine unaufgebrauchte Silbermunition, die ihr einmal zwischen die Ritze gefallen sein musste. Diese zog sie hervor und verfrachtete sie in ihrer Hosentasche. Als ihre Finger in die Tasche glitten, fühlte sie eine kleine Kette.. ,Die Kette..', dachte sie. Ihr Blick fiel auf Blythe. "Hier ist sie nicht.. Sie muss im Flur sein.", sagte Seraphia. "Dann such sie!", befahl Blythe. Seraphias Blick streifte den Vampir und sie bemerkte erstmals, dass er verletzt war. Sein linker Arm hing blutverschmiert und unbrauchbar von seiner Schulter hinab. "Wird's bald?", fauchte dieser. Seraphia ging in den Flur. Blythe folgte ihr misstrauisch. Seraphia begann gespielt zu suchen. Sie trat mit dem Argument, die Kette vielleicht in die Schublade neben ihm gelegt zu haben, genau neben Blythe. Ihre Hand glitt wieder in die Hosentasche. Mit einer schnellen Bewegung griff sie nach der Silbermunition und rammte sie in den noch brauchbaren Arm Blythes. Dieser schrie zornig und schmerzerfüllt auf. Seraphia lief so schnell sie konnte zur Tür. Sie hatte noch nie in diesem Tempo die Schlösser aufbekommen. Als die Tür endlich offen war, rannte sie los. Ein paar Mal wäre sie fast die Treppen hinuntergestürzt. Sie hörte, dass Blythe ihr auf den Fersen war. ,Verdammtes Miststück', fluchte Blythe in Gedanken, während er Seraphia hinterher hastete. Jäh blieb er stehen und sprang über das Geländer. Er landete sicher am Fuß der Treppe. Nur leider ein Stockwerk zu tief. ,Wer baut Treppen, die bis in den Keller führen?', dachte er verärgert, während er wieder hinaufrannte. Als er das Erdgeschoss erreicht hatte, war Seraphia um 2 Sekunden an ihm vorbeigerannt. Sofort nahm er die Verfolgung auf. Im Hof des Hauses blieb er stehen. Ein sehr, sehr zorniger Höllenhund stand ihm gegenüber. "Ich habe auf dich gewartet!", bellte Sin hinterlistig. "Lässt du dich immer an Schwachen und Verletzten aus?", wollte Blythe bitter wissen. Sin knurrte und Blythe ergriff die Gelegenheit um über seinen Kopf hinweg zu springen. Sin wandte sich blitzschnell nach dem Flüchtigen um, doch von Blythe war nichts weiter zu sehen. "Verdammt...", knurrte Sin. Er rannte in irgendeine Richtung, von der er hoffte es sei die Richtige. Seraphia war in eine Kirche geflüchtet. Sie war seit dem Tag, an dem sie eine Unsterbliche wurde nicht mehr in einer Kirche gewesen. Ein Pfarrer wandte sich an sie: "Junges Mädchen, es ist schon spät... Wollen Sie ein Gebet sprechen?" Seraphia schüttelte den Kopf. "Ich hab's nicht so mit Gebeten..." Sie setzte sich auf einer der Bänke und hielt die Kette erneut in die Hand. Der Pfarrer blickte zu ihr. "Das ist wirklich eine schöne Kette. Bedeutet Sie euch etwas?" "Nicht mir aber.. äh.. einen Bekannten....", sagte Seraphia, blickte den Pfarrer jedoch nicht an. "Einen Bekannten? Vermisst er die Kette dann nicht?", wollte der Pfarrer wissen und setzte sich zu ihr. "Ich denke schon. Aber er hat's nicht anders verdient. Er ist ein schlechter Mensch...", grummelte Seraphia und dachte im Stillen, das er eigentlich ein schlechter Vampir war. "Ich verstehe.. Aber wären sie nicht auch wütend wenn man Ihnen etwas wertvolles entnehmen würde?", fragte der Pfarrer lächelnd. "Schon.. Aber..." Seraphia spürte einen dicken Kloß im Hals. Wenn sie dem Vampir die Kette zurückgeben würde, würde Sin erst einmal eine Woche lang einen Vortrag mit den Pflichten einer Vampirjägerin halten. Ganz zu Schweigen von dem Vampir... Seraphia blickte zu dem Pfarrer. "Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?" "Das was Sie für richtig halten..", lachte der Pfarrer, stand auf und verschwand hinter einer Tür. Seraphia seufzte. ,Typisch Gottesanbeter.', grummelte sie innerlich, stand auf und verließ die Kirche. Vor der Kirche setzte sie sich auf eine Bank, lies die Kette in ihrer Hand baumeln und pfiff dabei irgendwelche Lieder. ,Geb' ich sie zurück oder nicht?', fragte sie sich immer wieder. Der Pfarrer hat ihrem Gewissen einen riesigen Knicks gegeben. Blythe streifte durch die Straßen und suche alles nach einer Spur der Diebin ab. Seine Arme schmerzten, doch er ignorierte sie. Nach längerer Zeit des Suchens blieb er an der Rückseite einer Kirche stehen. Er war der Meinung, er hätte alles abgesucht. Verärgert schüttelte er den Kopf. Er mochte Kirchen nicht. Langsam ging er um sie herum und betrachtete ihre bunten Fenster. Als er auf der Vorderseite angelangt war, blieb er irritiert stehen. Er sah ein Mädchen auf einer Bank vor der Kirche sitzen. Für den Bruchteil einer Sekunde hielt er sie für jemanden, den er schon lange kannte. Doch schon im nächsten Augenblick erkannte er Seraphia und fauchte verärgert. Schnellen Schrittes ging er auf das Mädchen zu. Er sah, dass sie seine Kette in Händen hielt. Das machte ihn nur um so zorniger. Seraphia war sich für eine Sekunde sicher, etwas hinter sich gehört zu haben, doch sie ignorierte es zunächst. Sie stand fluchend auf. "Meine Güte, was bin ich für eine schlechte Vampirjägerin!", schrie sie verärgert, "Himmel, Herrgott, Scheiß, Zwirn..." Sie ging so ziemlich alle Schimpfwörter durch die sie kannte. Als sie damit fertig war hockte sie sich wieder auf die Bank. "Eine Erinnerung...", sagte sie leise. Auch sie hatte Erinnerungen - zwar keine in Form von Ketten oder Ähnlichem, aber sie hatte welche. "Ich geb' sie zurück...", beschloss sie in genau diesem Moment. Blythe war stehen geblieben und starrte sie unverhohlen an. Dann zuckte er die Achseln und trat vor Seraphia. "Du gibst sie mir zurück?", wollte er wissen und hob eine Augenbrauche. "Ah! Äh...", gab Seraphia von sich. "Könntest du sie mir ummachen? Du hast meine Arme ruiniert", sagte Blythe in sachlichem Tonfall. Seraphia schluckte. Schon wieder stand sie vor der Wahl. Entweder sie nutzte die Chance um dem Vampir den Garn auszumachen oder sie blieb heute lieb. ,Mein freier Tag', dachte sie. Also beschloss sie lieb zu bleiben. Sie trat hinter Blythe und legte ihm die Kette um. Sie hatte kurz mit dem Verschluss zu kämpfen, schloss die Kette dann jedoch rasch. "Eine Erinnerung..?", fragte sie kurz während sie an der Kette herumnestelte. "Ja. Danke, Miss..." Blythe ruckte dankend mit dem Kopf. Dann wandte er sich zum Gehen. "Eine Erinnerung an was?", wollte Seraphia wissen. Doch Blythe entfernte sich rasch, ohne sich noch einmal umzudrehen. "Was für eine Erinnerung?!", schrie Seraphia ihm hinterher, "Sag es mir!" Blythe blieb stehen und wandte sich um. "Ihr seid zu neugierig, Miss...", sagte er bekümmert, "Kommt mich doch einmal auf meinem Friedhof besuchen. Aber lasst diesen furchtbaren Köter zu Hause. Und das Silber!", rief er ihr zu und blickte an seinen Armen hinab. "Wünsche eine angenehme Nacht", flüsterte er. Seraphia hörte es nicht. Mit einem wehen seines Umhangs war er verschwunden. Auch Seraphia trat nun die Heimreise an. Auf dem Weg zurück zu ihrer Wohnung traf sie auf Sin. "Hast du ihn erledigt?", wollte dieser grummelnd wissen. Seraphia schüttelte den Kopf: "Nein.." "Hast du die Kette noch?", fragte Sin, diesmal in einem zornigeren Tonfall. "Ich hab sie ihm zurückgegeben...", antwortete Seraphia knapp und verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf. Sie ging zusammen mit Sin die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Sin starrte sie die ganze Zeit nur ungläubig an. "Wir machen morgen den freien Tag, okay? Ich hab morgen sowieso was vor..", rief Seraphia während sie in ihrem Schlafzimmer verschwand. Sin schnaubte. "Ja und die Vampire übernehmen unterdessen die Weltherrschaft..." Mit diesen Worten ließ er sich auf seine Tagesdecke nieder. Die Sonne ging langsam auf und Sin wurde wieder zum Husky. Seraphia ging heute einfach nicht zur Arbeit. Sie überlegte den ganzen Tag, ob sie zu Blythe auf den Friedhof gehen sollte oder nicht - und ob sie ohne Hilfsmittel hingehen sollte... Die Sonne war untergegangen und Blythe stand auf seinem Friedhof. Er hoffte Seraphia würde erscheinen. In der Sekunde, da er sie vor der Kirche sah, hatte er sein Herz an die Vampirjägerin gehängt. Ähnelte sie doch so sehr seiner verlorenen Liebe... Blythe hatte lange nichts mehr zu sich genommen. Seine Adern begannen bereits zu brennen und seine Wunden heilten langsamer denn je. Immer noch war der rechte Arm gänzlich unbrauchbar. Den Linken konnte er immerhin wieder bewegen. ,Ohne Arme kann man seine Beute nicht festhalten..', dachte er stirnrunzelnd. Er hasste es nicht vollkommen einsatzfähig zu sein. Seraphia schluckte. Sie hatte sich auf den Weg zu Blythes Friedhof begeben. Sin hatte sie erzählt, sie würde etwas mit ihren Freundinnen unternehmen. ,Weiberabend..', hatte Sin nur kopfschüttend zurückgegeben. ,Muss der grad sagen..', grummelte Seraphia innerlich, ,Wer liest denn den ganzen Tag Frauenzeitschriften?' Doch momentan hatte sie ein ganz anderes Problem: Würde Blythe auf sie losgehen? Sie hatte lange überlegt, ob sie wirklich ohne Sin und ohne jegliche Waffe aufkreuzen sollte. Doch sie hatte sich dafür entschieden. Langsam betrat sie den Friedhof. Sie erblickte Blythe schon von Weitem und schluckte krampfhaft. Mit langsamen Schritten ging sie auf ihn zu. "Guten Abend, Miss", begrüßte Blythe sie. "Äh, hallo", sagte Seraphia, "Wolltest du was Bestimmtes?" Der Vampir schüttelte den Kopf. "Kommt doch mit mir", schlug er vor. Blythe verließ den Friedhof und Seraphia folgte ihm. Er führte die Vampirjägerin zu einem kleinen See, der im Mondlicht glitzerte. Gedankenverloren ließ er sich am Ufer nieder. "Was ist die Kette nun für ein Erinnerungsstück?", wollte Seraphia wissen. Blythe bedeutete ihr mit einer Handbewegung sich zu setzen. Etwas irritiert folgte Seraphia der Aufforderung. "Sie ist ein Erinnerungsstück an eine alte Freundin", lachte Blythe. "Was meinst du damit?", wollte Seraphia wissen. Blythe zuckte seufzend die Achseln. Seraphia blickte auf den See. ,Eine Freundin also..', dachte sie kurz und blickte dann wieder zu Blythe. "Erzähl mir von ihr!" Blythes Blick fiel kurz auf seinen wertvollsten Besitz. "Nun... Ihr Name war Celina. Sie war eine Kirchensängerin..." "Kirchensängerin..?", gab Seraphia von sich. "Ja, genau. Jeden Morgen und jeden Abend hörte man ihre Stimme aus den Kirchen Londons..." "Und wo ist sie?", fragte Seraphia. Blythe lachte bitter. "Sie ist tot..." "Was ist passiert?" Seraphia wusste das ihre Fragen unverschämt waren, aber sie konnte ihre Neugier einfach nicht in Zaum halten. Blythe hielt kurz inne und fuhr dann fort. "Celinas Vater war ein Pfarrer - das war noch vor der Zeit, als ich zum Vampir wurde. Ihm gefiel unsere Beziehung nicht, ganz im Gegenteil. Er setzte einen Killer auf mich an... Natürlich ahnte er nicht, dass dieser Killer ein Vampir war. Durch ihn wurde ich das, was ich heute bin. Ich versteckte mich einige Zeit auf diesen Friedhof. Durch London ging die Nachricht, ich habe mich in die Themse gestürzt. Irgendwann verließ ich den Friedhof und suchte Celina auf. Doch..." Blythe brach ab. Seraphia blickte ihn an. "Was?" "Sie hatte sich erhangen...Vor Kummer um meinen Verlust..." Er hielt erneut inne und schluckte krampfhaft. "Auf dem Bett lag die Kette die sie immer um den Hals trug. Sie sagte sie würde sie nur abnehmen, wenn sie selbst keinen Glauben mehr an Gott hatte..." "So..." Seraphia schluckte selbst. Sie saßen lange Zeit schweigend nebeneinander. Seraphia wusste nicht, was sie sagen sollte und Blythe schien es für unnötig zu halten. Seraphia blickte auf den See hinaus. Er gefiel ihr. Nie zuvor hatte sie ihn gesehen. Sie mochte es wie sich das Mondlicht auf seiner Wasseroberfläche brach. Blythe blickte zum Himmel empor. Dann senkte er den Blick. "Gefällt dir der See?", fragte er. Seraphia nickte. Blythe lächelte sie an: "Ich mag ihn auch." Seraphia bemerkte, dass Blythe zuckte. "Was ist los?", wollte sie verwirrt wissen und starrte den Vampir an. Blythe lächelte. Da sah sie es auch. Der Morgen dämmerte. Die Sonne kroch am Himmel empor und flutete das Land mit goldenem Licht. Blythe presste sich die Hand, die er bewegen konnte, auf die Stelle, an der sich sein Herz befand. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Seraphia packte Blythe am Arm und versuchte ihn hochzuziehen. "Du musst aus der Sonne!", rief sie panisch. "Zu spät...", sagte Blythe leise. Er konnte kaum noch sprechen. "Komm näher zu mir...", bat er Seraphia und es klang wie ein Flehen. Seraphia kniete sich wieder neben ihn. "Ich möchte dir meinen kostbarsten Besitz übergeben. Meine Kette, ich schenke sie dir. Bewahre sie immer gut...", mit diesen Worten verstummte Blythe. Er schrie noch kurz und schmerzerfüllt auf und wurde im nächsten Augenblick als Asche vom Wind in alle Himmelsrichtungen verweht. Zurück blieb nur die Kreuzkette, die nun in Seraphias Besitz getreten war. Seraphia hob die Kette auf und legte sie sich um den Hals. Sie wischte sich mit den Ärmeln ihres Pullis die Tränen vom Gesicht. "Komisch.. Ich hab seid 106 Jahren nicht mehr geweint... Und jetzt auch noch wegen einem Vampir..", schmunzelte sie. Sie trat wie jeden Tag bei Sonnenaufgang die Heimreise an. Zuhause erwartete sie Sin. Er warf ihr einen Blick zu, der soviel heißen sollte wie ,War's schön..?'. "Wie mans nimmt..", lächelte Seraphia und wischte sich die restlichen Tränen vom Gesicht. Sin legte seinen Kopf auf ihren Schoß und blickte sie fragend an. Seraphia umklammerte die Kreuzkette. Sin wusste, dass es Blythes war. Seraphia streichelte ihm über den Kopf. "Ja, er ist von uns gegangen..", sagte sie. Sin strahlte, so wie ein Hund eben strahlen konnte. Seraphia lehnte sich zurück. Sin war eben ein Vampirjäger mit Leib und Seele, aber sie, sie war noch zur Hälfte Mensch, weshalb ihr der Verlust Blythes irgendwie schon ans Herz ging. Dennoch ging das Leben weiter, das Leben, das für Seraphia niemals enden sollte. Sie kraulte Sins Ohr, was diesem sichtlich gefiel. Langsam stand sie auf und holte ein altes Fotoalbum aus der Schublade. Seraphia hatte sich geschworen diese Fotoalbums erst wieder zu betrachten, wenn es an der Zeit war. Sie wollte ihre Erinnerungen an die Vergangenheit verdrängen, was sie bis jetzt geschafft hatte. Aber Blythe hatte ihr das Gefühl gegeben, sich erinnern zu müssen. Sie blickte durch die uralten Schwarz-weiß Fotos. Ein Foto fiel ihr sofort ins Auge. Sie riss die Augen auf und las den Untertitel zu dem Foto laut vor, so laut, dass Sin fast vom Sofa fiel: "Unsere lieben Töchter Seraphia und Celina bei ihrem Kirchenkonzert. Juni, 1905" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)