Kleine Nervensäge Tyson! von Cat_in_the_web (Kai + Tyson) ================================================================================ Titel: Kleine Nervensäge Tyson! Teil: 1/1 Autor: Cat in the web Fandom (Anime/Manga): Beyblade Genre: Romanze, Humor Rating: G Pairing: Kai + Tyson Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Beyblade. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um eine Fanfiction zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit. Kommentar: Ein hyperaktiver Tyson, ein genervter Kai und ein bisschen Shounen-Ai. Dies hier ist die erste Kai + Tyson-Fanfic, die ich geschrieben habe. Viel Spaß! -------------------------------------------------- Kleine Nervensäge Tyson! von Cat in the web Kai lehnte in einer Ecke an der Wand, halb verdeckt durch eine der Zimmerpalmen, und beobachtete das Treiben im Festsaal des Hotels. Die BBA gab eine Wohltätigkeitsparty zu Gunsten eines Kinderkrankenhauses, und die Bladebreakers waren dazu eingeladen worden. Tyson und Max hatten kaum das Wort Party gehört, da waren sie auch schon Feuer und Flamme für die Idee gewesen. Und natürlich hatten sich Ray und Kenny von ihrer Begeisterung bald anstecken lassen, zumal es ja auch noch für einen wohltätigen Zweck war. Kai gestand sich zwar ein, dass auch er die Idee gut fand, laut zugeben würde er es aber nie. Stattdessen hatte er auf die Frage, ob er kommen würde, einfach nur mit "Meinetwegen." geantwortet. Und nun war er hier und versuchte nach Möglichkeit, alles im Überblick zu behalten und dabei selbst nicht gesehen zu werden. Das würde sicher auch sehr gut klappen, wenn nicht immer wieder... "KAI! KAI!" Tja, wenn nicht immer wieder Tyson auf der Suche nach ihm durch den Saal stürmen und laut seinen Namen rufen würde. Kai seufzte und unterdrückte das Verlangen, sich mit beiden Händen die Schläfen zu massieren. Nicht nur, dass Tyson immer wieder einen solchen Wirbel veranstaltete, er hatte auch noch ein ungewöhnlich ausgeprägtes Talent, ihn in kürzester Zeit zu entdecken und zumindest für eine Weile alle Aufmerksamkeit auf sich selbst und Kai zu ziehen. Kai blickte Tyson entgegen und für einen Augenblick zuckten seine Mundwinkel verräterisch, als er den Aufzug des jüngeren Bladers sah. Genau wie der Rest des Teams hatte Tyson einen schwarzen Smoking von der BBA für die Party geliehen bekommen, und er sah wirklich niedlich darin aus. Allerdings hatte Tyson den Dresscode ein wenig verändert und sich geweigert, seine rotblaue Baseballkappe abzusetzen, was in Kombination mit diesem vornehmen Kleidungsstück ziemlich lustig aussah. Außerdem war der Smoking nicht in der Lage, mit Tyson's Herumspringen im Saal mitzuhalten. Das Jackett war offen, das Hemd aus der Hose gerutscht, und die Fliege, die eine der BBA-Angestellten so sorgsam gebunden hatte, hatte sich aufgelöst und hing als rotes Band locker um seinen Hals. Der jüngere Blader stoppte vor ihm und sagte aufgeregt und nicht gerade leise: "Du hast eben was Tolles verpasst! Warum bist du nicht bei uns geblieben?! Ray hat seinen neuen Beyblade vorgeführt und gegen Max gewonnen! Das war ein ganz toller Kampf! Als nächstes will ich gegen Ray kämpfen! Komm doch auch dazu!" Erwartungsvoll blickte er seinen Teamkapitän an. Kai jedoch lehnte nur unbeeindruckt und mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand und antwortete kühl: "Sprich leiser, du schreist noch den ganzen Saal zusammen. Wo habt ihr denn hier überhaupt kämpfen können? Das ist ein Hotel. Hier gibt es keine Beyblade-Arena." "Wir waren im Garten! Kommst du mit?!" Tyson war nur unwesentlich leiser als vorher. "Da wird Mr. Dickenson aber glücklich sein, wenn seine Ehrengäste dauernd von der Party weglaufen." kommentierte Kai ironisch. Er betrachtete einen Moment das rote Band um Tyson's Hals, das vor einer guten Stunde noch eine sorgsam gebundene Fliege gewesen war, dann streckte er die Hände aus und band die Fliege neu. "Halt still." befahl er Tyson, da dieser nicht aufhören konnte zu zappeln. Tyson schaffte es, ganze zehn Sekunden ruhig stehen zu bleiben. Das reichte Kai, um den Knoten zu vollenden. Er zupfte noch kurz an der Fliege herum, dann verschränkte er seine Arme wieder vor seiner Brust. "Fertig." brummte er. "Danke." Tyson lächelte ihn strahlend an, und Kai hatte bei diesem Anblick ein seltsames Gefühl im Magen, fast so was wie ein Kitzeln. Er konnte sich das nicht erklären, aber es war angenehm. "Jetzt steck dein Hemd wieder in die Hose und knöpf das Jackett zu, dann kann man dich wieder auf die Leute los lassen. Denke ich zumindest mal." wies Kai Tyson an. Tyson kam Kai's Befehl nach und stopfte schnell sein Hemd in den Hosenbund zurück. "Das Jackett auch." "Och, Kai, es ist so warm im Saal!" Tyson hasste es, zusätzlich eine Jacke oder in diesem Falle ein Jackett tragen zu müssen. Er fühlte sich dann eingeengt. Aber Kai sandte ihm nur einen seiner berühmten Tu-was-ich-sage-oder-du-erlebst-was!-Blicke. Tyson schluckte und knöpfte das Jackett zu. Er hatte keine Lust zu erfahren, was er erleben würde, wenn er es nicht tat. Dann sah er Kai hoffnungsvoll an. "Kommst du mit?" "Nein." Kai fühlte, wie ihn sein schlechtes Gewissen zwickte, als Tyson bei seinen Worten leicht enttäuscht aussah. Schnell fügte er hinzu: "Irgendeiner von uns muss doch die Bladebreakers auf der Party vertreten. Immerhin sind wir die Ehrengäste. Wir können Morgen in den Park gehen und dort miteinander kämpfen." Kai wusste nicht, warum er den letzten Satz eigentlich gesagt hatte. Er wollte Morgen eigentlich gar nicht in den Park, doch Tyson strahlte ihn an und sagte fröhlich "Okay!", und Kai fühlte wieder dieses seltsam angenehme Gefühl im Magen. Nun gut, dann würde er Morgen halt doch in den Park gehen. Seine Blicke folgten Tyson, als dieser den Saal durchquerte, um wieder in den Garten zu gehen. *** Zwei Stunden später... "KAI! KAI!" Kai hob den Kopf und seufzte. Er lehnte immer noch an einer Wand, diesmal aber an einer anderen Stelle des Saals. Aber das würde Tyson nicht daran hindern, ihn schnellstens zu finden. Schon schoss ein schwarzhaariger Blitz durch die Menge und genau auf ihn zu. Kai stieß sich von der Wand ab und wartete darauf, dass Tyson abbremste und vor ihm zum Stehen kam. Aber komischerweise wurde Tyson nicht langsamer. Bevor Kai noch richtig reagieren konnte, hatte sich Tyson praktisch in seine Arme geworfen! "Uff!" gab Kai überrascht von sich, als er das Bündel hyperaktiver Energie in seinen Armen auffing. Fast wäre er von Tyson's Schwung angetrieben gegen die Wand hinter ihm gefallen. Tyson hatte die Arme um ihn geschlungen und kicherte vor sich hin. Das war selbst für den kleinen Japaner ein äußerst ungewöhnliches Verhalten. "Tyson, lass los." befahl Kai mit kalter Stimme. Aber Tyson dachte gar nicht daran, seinen Teamkapitän loszulassen. Stattdessen sah er Kai mit einem breiten Grinsen an. "Hi, Kai!" Kai sandte einen geradezu tödlichen Blick zu Tyson, doch zu seiner weiteren Überraschung prallte er ohne jede Wirkung an dem jungen Blader ab. Und dann nahm Kai einen Geruch wahr, der eine mögliche Erklärung für Tyson's ungewöhnliches Verhalten war. Ein Geruch nach Alkohol! "Tyson!" zischte Kai wütend, "Hast du etwa was getrunken?" "Jaaa, Bowle!" kicherte Tyson, "Schmeckt fantastisch!" Kai stöhnte leise auf. Na prima! Das erklärte die roten Wangen und das alberne Herumkichern. "Wie konnten sie dir nur Bowle geben? Du bist noch minderjährig." "Wollten sie gar nicht. Aber das Zeug schmeckte mir so gut, dass ich mich immer wieder heimlich bedient habe. Komm mit, Kai, probier auch mal!" Tyson wollte Kai mit sich ziehen, stolperte aber über seine eigenen Füße und fiel gegen Kai. "Ups!" kicherte er. Kai hatte beide Arme um Tyson gelegt und hielt den Jüngeren aufrecht, da dieser keine Anstalten machte, sich wieder auf seine eigenen Füße zu stellen. "Für dich ist die Party vorbei." entschied er, "Ab ins Bett." Kurzentschlossen hob er Tyson hoch, da dieser unmöglich allein in sein Zimmer gehen konnte, und trug ihn aus dem Saal hinaus zu ihren Hotelräumen. "Och, ich will doch noch gar nicht ins Bett." schmollte Tyson und schmiegte sich an Kai. Dieser fühlte, wie sich eine leichte Röte in seine Wangen schlich. Tyson's Körper war warm und weich, und dieses alberne kitzelnde Gefühl in seinem Magen kam zehnmal so stark wie vorher zurück. "Keine Widerrede." sagte Kai, und Tyson war glücklicherweise zu betrunken, um den warmen Tonfall seiner Stimme zu bemerken. Es dauerte nur ein paar Minuten bis sie Tyson's Zimmer erreichten. Doch diese kurze Zeitspanne reichte Tyson, um von hyperaktiv zu extrem schläfrig zu wechseln. Als Kai ihn vor seiner Tür absetzte, damit er sie aufschließen konnte, gähnte der japanische Beyblade-Weltmeister höchst ausführlich und brauchte zwei Versuche, bis der Schlüssel im Schloss war. Kai hielt es daraufhin für besser, mit Tyson in sein Zimmer zu gehen, um aufzupassen, dass ihm nichts passierte. Er schob Tyson ins Badezimmer und setzte sich dann auf einen Stuhl, um zu warten, bis er wieder raus kam. Das dauerte nicht mal zwei Minuten. ,Katzenwäsche.' dachte Kai und musste ein Grinsen unterdrücken, als er sah, dass Tyson's Schlafanzug mit lauter Teddybären bedruckt war. Tyson torkelte schlaftrunken zu seinem Bett und ließ sich einfach drauf fallen, ohne sich die Mühe zu machen, unter die Decke zu kriechen. "Oh nein, so nicht." sagte Kai und trat zum Bett. Er packte Tyson um die Hüfte und hob ihn hoch, während er mit der anderen die Bettdecke zur Seite zog. Dann ließ er Tyson wieder auf das Bett fallen und deckte ihn zu. "Danke, Kai. Wir gehen Morgen in den Park, ja?" murmelte Tyson müde und gähnte erneut. "Gute Nacht." Er war fast sofort eingeschlafen. Der Alkohol war offenbar zu viel für ihn gewesen. Kai erlaubte sich ein amüsiertes Lächeln, als er sah, wie Tyson im Schlaf das Kopfkissen umarmte. Aus einem Impuls heraus beugte er sich zu Tyson hinunter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. "Gute Nacht." Kai verließ Tyson's Zimmer und ging in sein eigenes. Er war zwar noch nicht müde, aber er wollte auch nicht zur Party zurückgehen. Viel lieber wollte er darüber nachdenken, was sein Handeln in Tyson's Zimmer zu bedeuten hatte. Seit wann verteilte er Gute-Nacht-Küsse? *** Am nächsten Morgen saß Kai in der Empfangshalle des Hotels auf einer weichen Ledercouch und las Zeitung. Er hörte Schritte in seiner Nähe, sah jedoch nicht auf. Erst als die Person vor ihm stand und sagte: "Guten Morgen, Kai." blickte er über den Rand der Zeitung. Tyson setzte sich in den Sessel genau gegenüber von ihm und lächelte ihn strahlend an. Kai hob kurz eine Braue in stummer Verwunderung. Es war erst acht Uhr, und Kai hatte seinem Team heute ausnahmsweise frei gegeben. Normalerweise schlief Tyson an solchen Tagen bis spät in den Morgen hinein und frühstückte dann noch stundenlang. Außerdem hatte er gestern Alkohol getrunken, daher hätte Kai gedacht, dass er ihn frühestens beim Mittagessen zu Gesicht bekam. Aber hier war Tyson und augenscheinlich auch noch putzmunter. ,Nun, Wunder geschehen.' dachte Kai und widmete sich wieder seiner Zeitung. Tyson rutschte ein wenig auf seinen Platz hin und her, während er versuchte, geduldig zu warten bis Kai seine Zeitungslektüre beendet hatte. Es blieb bei dem Versuch. Es waren vielleicht gerade mal zwei Minuten vergangen, als er die Warterei schon nicht mehr aushielt. "Kai?" fragte er zaghaft. Keine Reaktion. Tyson beugte sich vor und schnippte mit den Fingern gegen die ihm zugewandte Seite der Zeitung, um Kai's Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Kai gab ein leises Geräusch von sich, das wie ein unwilliges Knurren klang, dann widmete er sich wieder dem Bericht, den er gerade las. Er hätte es besser wissen müssen. Tyson gab nicht so schnell auf. Wieder beugte sich der kleine Japaner vor, und diesmal schnippte er gleich zwei Mal gegen die Rückseite der Zeitung. Mit einem Seufzen ließ Kai die Zeitung sinken und blickte Tyson an. "Was willst du?" "Du hast mir gestern Abend versprochen, dass wir zusammen in den Park gehen und beybladen." erinnerte ihn der Jüngere. "Tyson, es ist acht Uhr morgens. Normalerweise schläfst du um diese Zeit noch, wenn man dich lässt." "Jetzt schlaf ich aber nicht mehr. Und du hast keine bestimmte Uhrzeit genannt." Kai blickte seinen Teamkameraden an, und Tyson tat sein Bestes, ihn mit großen traurigen Augen anzusehen und ihn nur mit Blicken still zu überreden. Kai blickte in die Augen von Tyson und fühlte sich für einen Moment gefangen von deren unendlich blauer Tiefe. Wie konnte jemand, der auf dieser Welt leben musste, nur solche Augen haben? Augen, deren tiefes Blau zu leuchten schien wie ein sommerlicher Abendhimmel. Kein Zorn, kein Hass, kein Schmerz trübte Tyson's Augenfarbe, wie es bei so vielen anderen Menschen der Fall war. Kai fühlte, wie er gegen seinen Willen weich wurde. Er faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den kleinen Tisch neben der Couch. "Na gut, dann gehen wir eben jetzt." gab er sich geschlagen. Tyson sprang auf. "Klasse! Hast du Dranzer dabei?" "Natürlich." "Na dann lass uns gehen!" Tyson schritt an Kai's Seite durch die Halle, und er musste sich zusammen reißen, um nicht zu hüpfen vor Freude. Er ging mit Kai zusammen in den Park! Er würde den kühlen Kapitän der Bladebreakers eine Weile ganz für sich haben! Tyson's Wangen röteten sich ein wenig bei diesem Gedanken. Er hegte ein wenig mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Kai, aber er hatte das bisher niemandem erzählt. Für einen Moment wurde Tyson ein wenig traurig als er daran dachte, dass seine Gefühle für Kai wahrscheinlich völlig hoffnungslos waren. Aber dann verdrängte er diesen Gedanken und lächelte wieder. Er hatte Kai jetzt erst einmal für sich! Und er würde ihre gemeinsame Zeit genießen! *** Normalerweise wären eine ganze Menge Blader im Park gewesen, aber es waren Ferien, und den meisten Hobby-Bladern war es wohl noch ein wenig zu früh. Trotzdem waren einige Blader anwesend und kämpften gegeneinander. Kai und Tyson suchten sich einen freien Platz und begannen ihren Kampf. Sie zogen schnell die Aufmerksamkeit der anderen Blader auf sich, und einer nach dem anderen gesellte sich zu ihnen, um den beiden Bladebreakers beim Kampf zuzusehen. Kai musste zugeben, dass er den Kampf gegen Tyson genoss. Es war ein harter Kampf, wie immer, wenn er gegen Tyson kämpfte. Der Meister von Dragoon wollte nicht aufgeben, und er war mindestens genauso stur wie talentiert. Aber das konnte man auch über Kai sagen. Den ersten Kampf gewann Tyson, und während sich der japanische Champion von den Zuschauern bejubeln ließ, hob Kai Dranzer auf und bereitete sich auf seine Revenge vor. Auch beim zweiten Kampf brachte Dragoon Dranzer wieder ziemlich in Bedrängnis, aber Kai wartete den richtigen Augenblick ab, und als er ein Schwanken in Tyson's Konzentration feststellte, nutzte er die Gunst des Augenblicks und ließ Dranzer angreifen. Dragoon wurde von Dranzer davon geschleudert und fiel regungslos zu Boden. Somit stand es unentschieden. Bevor sie den dritten und entscheidenden Kampf beginnen konnten, traten einige der Zuschauer an Tyson heran und baten ihn, mit ihm kämpfen zu dürfen. Wie meistens auch konnte Tyson nicht nein zu seinen Fans sagen. Auch Kai wäre sicher angesprochen worden, immerhin war er genauso berühmt wie Tyson, doch ein Blick aus seinen kalten rubinroten Augen genügte, um in allen Bladern, die eigentlich vorgehabt hatten, ihn anzusprechen, einen plötzlichen Sinneswandel vorzunehmen. Respektvoll hielten sie Distanz zu ihm. Kai ging zu einer Gruppe von Bäumen, die ein paar Meter abseits standen, lehnte sich mit dem Rücken gegen einen der Stämme und sah Tyson beim Kämpfen zu. Wie erwartet verlor Tyson nicht einen Kampf gegen seine Gegner. Und während der ganzen Kämpfe stand sein Mundwerk kaum einmal still, während er Kommentare abgab und nützliche Tipps an seine Gegner verteilte. Kai wunderte sich, wie Tyson seine eigene Konzentration aufrechterhalten konnte, wenn er dauernd redete - und das Gleiche galt auch für Dragoon, der das ununterbrochene Schnattern seines Herrn ja ebenfalls hören musste. Kai war sich sicher, dass er selbst längst seine Ohren auf Durchzug gestellt und den Kampf allein zu Ende gebracht hätte, wenn er an Dragoon's Stelle gewesen wäre. Tyson kämpfte eine ganze Weile, aber schließlich hatten sowohl er als auch seine Gegner genug für's Erste. Tyson sah sich suchend um und entdeckte Kai, der noch immer mit dem Rücken an dem Baum lehnte. Ein erleichterter Seufzer entfuhr ihm. Für einen Moment hatte er befürchtet, dass Kai einfach gegangen sein könnte. Tyson rannte auf Kai zu. "Hey, Kai!" Kai hob den Kopf, als er hörte, wie Tyson seinen Namen rief, und blickte ihm mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck entgegen. Sein Gesichtsaudruck änderte sich aber schlagartig, als er beobachtete, wie der Jüngere in vollem Lauf mit dem Fuß an einer Wurzel hängen blieb und der Länge nach hinschlug. "Tyson!" rief er und rannte zu seinem Teamkollegen. Tyson richtete sich ein wenig langsam wieder auf, bis er auf dem Boden kniete. Der Sturz hatte ihn ziemlich durchgeschüttelt, aber er lächelte den vor ihm stehenden Kai an und sagte nur: "Nichts passiert." Er sah hinauf in Kai's Gesicht und glaubte für einen Moment zu träumen. Sah Kai ihn wirklich mit deutlicher Sorge im Gesicht an? Kai musterte Tyson für einen Augenblick mit besorgter Miene, doch als er feststellte, dass der Jüngere sich offenbar nicht ernsthaft verletzt hatte, erstarrten seine Gesichtszüge wieder zu der kühlen Maske, hinter der er seine Emotionen zu verbergen pflegte. "Sei vorsichtiger, Tyson." ermahnte er ihn, "Hast du dir wehgetan?" Tyson sah kurz an sich herunter und bewegte seine Arme, um zu prüfen, ob er sich verletzt hatte. "Nein, ich hab mich nur schmutzig gemacht." antwortete er und betrachtete kritisch den Dreck, der an seiner Kleidung und seinen Händen klebte. Kai unterdrückte ein Lächeln. Tyson sah aus wie ein kleiner Junge, der draußen herumgetobt hatte, und im Grunde genommen stimmte das ja auch. Nur war Tyson kein kleiner Junge mehr, sondern ein attraktiver Teenager. "Du bist im Gesicht auch ganz schmutzig." bemerkte er und streckte seine Hand aus, um einen Schmutzfleck von Tyson's Wange zu reiben. Tyson konnte sein Glück kaum fassen! Kai, der sonst immer auf Distanz ging und es gar nicht mochte, wenn man ihn berührte, streichelte seine Wange! Na gut, er entfernte lediglich ein wenig Schmutz, aber man musste halt nehmen, was man kriegen konnte. Kai zog seine Hand zurück, als ihm bewusst wurde, wie untypisch sein Handeln für ihn war. Um seine Verlegenheit zu überspielen, sagte er: "Da drüben ist eine öffentliche Toilette, da kannst du dir Gesicht und Hände waschen." Dabei rieb er unbewusst die Fingerspitzen der Hand, die Tyson's Gesicht berührt hatte, gegeneinander. Wie weich sich Tyson's Wange angefühlt hatte... "Okay." Tyson stand auf und ging in Richtung des kleinen Toilettenhauses, gefolgt von Kai. Er trat in die Herrentoilette und stellte sich an das Waschbecken, während Kai sich daneben an die Wand lehnte. Es dauerte eine kleine Weile, bis Tyson allen Schmutz von seinen Händen entfernt hatte. Dann spritzte er sich das kalte Wasser ins Gesicht und rieb mehrmals darüber. Als er sicher war, dass er den Schmutz jetzt auch vom Gesicht entfernt hatte, tastete er nach den Wegwerf-Handtüchern, die in öffentlichen Toiletten für den Gebrauch auslagen. Tyson konnte durch das Wasser in seinen Augen nichts sehen, aber er wusste, sie mussten unmittelbar neben ihm sein. Seine Hand ertastete etwas Weiches, das von der Wand neben ihm zu hängen schien. Das musste es sein. Tyson rieb sein Gesicht mit dem weichen Stoff trocken und trocknete dann auch seine Hände daran ab. Nachdenklich schaute er dabei auf den weichen weißen Stoff in seinen Händen. Das war doch kein Wegwerf-Handtuch für den einmaligen Gebrauch. Komisch, kam ihm irgendwie bekannt vor... Ein eisiger Schrecken durchfuhr Tyson, als ihm bewusst wurde, was er da in den Händen hielt und zum Abtrocknen benutzt hatte! Mit schreckgeweiteten Augen drehte er sich zur Seite und sah genau in die rubinroten Augen von Kai. Kai hatte nicht darauf geachtet, was Tyson neben ihm tat. Erst als er ein leichtes Ziehen an seinem weißen Schal, den er immer um den Hals trug, spürte, drehte er sich wieder zu Tyson hin. Ungläubig riss er die Augen auf, als er sah, was dieser gerade tat, doch gleich darauf verengten sich seine Augen zu zornigen Schlitzen. Sein schneeweißer heißgeliebter Schal war ganz sicher kein Handtuch - für niemanden, auch nicht für Tyson! Tyson gab eine Art Quieken von sich und ließ den Schal fallen, als hätte er sich daran verbrannt. Kai hatte sich währenddessen vor ihm aufgebaut. Breitbeinig stand er da, die Arme vor der Brust verschränkt und warf ihm glühende Blicke zu, die Tyson zum Zittern brachten. Der japanische Blader hatte das Gefühl, als würde unter diesen Blicken sein ganzer Mut zu Asche verbrennen. "Also... äh... Kai, das war ein Versehen... ich meine, ich hatte Wasser in den Augen, ich konnte nichts sehen..." stotterte Tyson nervös und starrte seinen Teamkapitän so hilflos an wie eine Maus eine Königskobra angestarrt hätte. Kai war hin und her gerissen zwischen seiner Wut über den Missbrauch seines Schals und seiner Belustigung über Tyson's vor Angst bebende Gestalt. Wie er da stand, von einem Fuß auf den anderen wechselte und die Hände ineinander verknetete, während er Kai mit großen ängstlichen Augen anstarrte und versuchte, einen vernünftigen Satz zu formulieren - es sah einfach zu komisch aus. Kai konnte sich nicht mehr beherrschen. Seine mühsam aufrecht erhaltene Selbstkontrolle zerbrach, und er lachte laut los! Das brachte Tyson noch mehr aus der Fassung. Ein Ausdruck absoluten Unglaubens erschien auf seinem Gesicht, und sein Mund stand im Schock weit offen. Der Anblick war so komisch, dass Kai nur noch lauter lachte. Schließlich beruhigte sich der Russe wieder, und seine Selbstkontrolle kehrte zurück. Als wäre gar nichts gewesen, wandte er sich an Tyson: "Okay, Tyson, tu das nie wieder, wenn dir was an deinem Leben liegt." "Äh, geht klar, Kai." sagte Tyson, und seiner Stimme war noch immer sein Erstaunen anzuhören. Ohne ein weiteres Wort wandte sich Kai um und schritt aus der öffentlichen Toilette hinaus. Sein einst schneeweißer Schal, der jetzt einige braune Flecken aufwies, wehte leicht hinter ihm her. Tyson folgte ihm nach draußen, aber Kai machte keine Anstalten, zu den anderen Bladern im Park zurückzugehen, sondern schritt auf den Ausgang des Parks zu. Tyson warf einen sehnsüchtigen Blick zu den Bladern, die wieder zu kämpfen angefangen hatten, und blickte dann zu Kai. "Kai?" frage er, doch er erhielt keine Antwort. Stattdessen ging sein Teamkapitän einfach weiter, als hätte er ihn nicht gehört. Nun, Kai hätte es besser wissen müssen. Tyson zu ignorieren, war stets eine schlechte Idee, weil Tyson nie aufgab. Der japanische Beyblade-Champion versuchte noch einmal, die Aufmerksamkeit seines Teamkapitäns zu gewinnen. "Hey, Kai!" sagte Tyson, diesmal lauter als zuvor, griff nach Kai und blieb stehen. Aber das Einzige, was er zu fassen bekam, war das Ende des Schals von Kai, das hinter ihm herwehte. Und da Kai, der natürlich nicht gesehen hatte, was sich hinter seinem Rücken abspielte, weiterging, Tyson aber mit dem Schal in der Hand stehen blieb, ging ein plötzlicher Ruck durch den Schal. Kai wurde in seiner Vorwärtsbewegung gestoppt und durch den Schal nach hinten gerissen. Dabei zog sich der Schal um seinen Hals gleichzeitig zusammen, und Kai gab ein Geräusch von sich, das sich anhörte wie: "HURGH!" Tyson ließ erschrocken den Schal los und stammelte: "Oh, entschuldige, Kai." Verlegen rieb er sich mit einer Hand den Nacken und versuchte ein Lachen, um die Sache als kleines Versehen abzustempeln. Kai lockerte mit beiden Händen den Schal, der sich wie eine Schlinge um seinen Hals zugezogen hatte, und vermerkte für sich, dass er unbedingt eine andere Art finden musste, den Schal um seinen Hals zu binden, eine bei der er nicht riskierte, von seinem dämlichen Teamkameraden fast erwürgt zu werden. Dabei bedachte er Tyson mit einigen seiner bösesten Blicke. Dem Jüngeren blieb der Versuch zu lachen im Halse stecken. Kai's Blicke hätten Metall schmelzen können. Aber wie schon gesagt, Tyson gab niemals auf. Er räusperte sich und fragte: "Wo willst du hin? Da drüben wird gebladet." Seine Stimme klang einigermaßen fest und sicher, trotz der unheilvollen Blicke seines russischen Freundes, und Tyson war sehr stolz darauf. Kai hatte mittlerweile seinen Schal gelockert und antwortete: "Es ist fast Mittag, Tyson, und ich habe heute noch mehr vor, als nur mit dir im Park rumzuhängen. Wir gehen jetzt zurück ins Hotel, und von da an wirst du Max, Ray oder Kenny auf die Nerven gehen." Tyson zuckte bei diesen Worten zusammen, und Kai tat es fast leid, dass er so etwas gesagt hatte, aber eben nur fast. Gemeinsam verließen sie den Park und gingen zum Hotel zurück. Als sie ankamen, war es schon Zeit für das Mittagessen, zumindest war die Mehrzahl der Bladebreakers dieser Ansicht, und sie stürmten, Tyson voran, den Speisesaal. *** Am Nachmittag trat Kai aus seinem Hotelzimmer und wollte gerade den Gang zum Aufzug entlang gehen, als sich eine weitere Tür öffnete und Tyson auf den Gang trat. "Kai, wohin gehst du?" fragte er. "Aus." war Kai's knappe Antwort. Aber Tyson ließ nicht so schnell locker. "In die Stadt?" fragte er weiter. "Ja." Kai ging an Tyson vorbei. Tyson eilte hinter Kai her. "Darf ich mitkommen?" "Nein." "Warum nicht?" "Ich will meine Ruhe." "Ich bin ganz leise." Kai blieb stehen und drehte sich zu Tyson um, der ihn hoffnungsvoll anblickte. "Tyson, warum willst du unbedingt mit mir kommen?" "Ich langweile mich." lautete die Antwort. "Dann spiel mit Max." schlug Kai vor. Tyson schüttelte den Kopf. "Ich möchte aber gerne mit dir kommen." "Warum ausgerechnet mit mir?" "Weil ich furchtbar gerne mit dir zusammen bin." Da! Jetzt hatte er es gesagt! Tyson knetete nervös seine Hände. Wie würde Kai wohl reagieren? Nun, bis jetzt hatte er ihn weder zurechtgewiesen noch gelacht. Das war doch gut, oder? Kai hatte es erst mal die Sprache verschlagen. Tyson war gerne mit ihm zusammen? Nein, nicht nur gerne, sondern sogar furchtbar gerne! Das hatte er eben grade selbst gesagt. Es gab nur wenige Sachen, die Kai aus der Fassung bringen konnten, aber das hier war so eine Sache. Aber anstatt genervt zu sein, verspürte Kai ein angenehm warmes Gefühl, das sich in seinem Inneren ausbreitete. Das Tyson jemals so was sagen würde, damit hätte er nicht gerechnet. Immerhin nahm er ihn im Training ganz schön hart ran, und es war doch Tyson, der ihm schon häufig gesagt hatte, dass er ruhig mal ein bisschen lockerer sein und mehr Kameradschaft zeigen könnte. Tyson war inzwischen zu der Ansicht gelangt, dass alles besser war als diese Stille, die sich über den Gang gelegt hatte und ihn anscheinend zu erdrücken versuchte. Er sah Kai an und fragte wieder: "Darf ich mitkommen?" "Nein." sagte Kai aus einem Reflex heraus. Gleich darauf hätte er sich selbst in den Hintern treten können als er sah, wie Tyson traurig den Kopf senkte. Er hatte seine Antwort einfach ohne nachzudenken gesagt, weil er es gewöhnt war, alleine zu sein. Jetzt hätte er Tyson gerne getröstet, aber er wusste nicht so recht, wie er das machen sollte. Er hatte seine Gefühle immer vor anderen verborgen, und jetzt wusste er nicht, wie er sie zeigen sollte. Tyson raffte währenddessen all seinen Mut zusammen, um eine weitere Frage zu stellen. Jetzt war er schon so weit gegangen, dass er Kai sagte, wie gern er mit ihm zusammen war, jetzt konnte er auch noch ein wenig weiter gehen. Er musterte intensiv den Teppich zu seinen Füßen und fragte: "Kai, magst du mich?" Tyson hob ein wenig den Kopf, um Kai einen schüchternen Blick zuwerfen zu können. "Wenigstens ein bisschen?" Kai's Gesichtsausdruck verriet nicht das Geringste über seine Gefühle, aber in seinem Inneren tobte ein Orkan! Und über dem ganzen Chaos seiner Gefühle schwebte eine Frage: WAS ZUR HÖLLE SAGE ICH IHM??? Kai war sich nicht sicher, was er empfand oder was er überhaupt empfinden sollte. Er wusste mit absoluter Sicherheit, dass er Tyson nicht hasste, auch wenn ihm der Jüngere manchmal ganz schön auf die Nerven ging. Tatsächlich mochte er seine Teamkameraden bei den Bladebreakers sogar, also auch Tyson. Aber er hatte das Gefühl, hier ging es um mehr als nur freundschaftliche Gefühle. Ja, er mochte Tyson schon, aber wie sehr mochte er ihn?! Kai fiel sein merkwürdiges Verhalten gegenüber Tyson wieder ein, der Gute-Nacht-Kuss, das Versprechen in den Park zu gehen, all das war vielleicht für andere ganz normal, aber für ihn doch nicht! Die Gedanken und Gefühle purzelten wild durcheinander, und es wurde alles zu viel für Kai. Aber seine Stimme war genauso ausdruckslos wie sein Gesicht, als er zu Tyson sagte: "Ich gebe dir die Antwort später." Dann drehte er sich um und flüchtete praktisch zum Aufzug, um einen langen Spaziergang zu machen. Tyson sah Kai hinterher, doch er rührte sich nicht. ,Ich gebe dir die Antwort später.' hatte Kai gesagt, und er hatte dabei ausgesehen, als wäre es ihm gleichgültig. Was war das überhaupt für eine Antwort auf seine Frage? Gar keine. Wie Kai selbst gesagt hatte, würde er die Antwort später erhalten. Wenn er sie überhaupt je erhalten würde. Vielleicht war Kai die Frage auch einfach nur lästig, und er wollte sie nicht beantworten. Vielleicht lautete die Antwort aber auch schlicht und einfach ,Nein!', und Kai hatte das aus Rücksicht gegenüber Tyson's Gefühlen nicht sagen wollen. Aber das hieße ja dann, dass Kai seine Gefühle nicht egal wären, und das wiederum würde bedeuten, dass er ihn vielleicht doch ein klein wenig mochte. Oder vielleicht auch nicht. Tyson seufzte laut und rieb sich mit einer Hand über die Stirn. Er hatte ein Gefühl, als herrsche in seinem Kopf ein gewaltiger Druck, und er spürte, wie sich leichte Kopfschmerzen auszubreiten begannen. Tyson schniefte. Er fühlte, wie sich die Tränen in seinen Augen sammelten, aber er wollte nicht weinen. Kai hatte doch noch gar keine Antwort gegeben. Es gab gar keinen Grund zum Weinen. Vielleicht, nur vielleicht sagte er ja, er mochte ihn auch. Tyson ging langsam zurück in sein Zimmer und legte sich in sein Bett. Nach seinem Gespräch mit Kai fühlte er sich irgendwie erschöpft. Er sollte besser eine Weile schlafen. Ja, Schlaf war gut, er konnte vergessen und vielleicht träumte er ja von Kai. Eine Träne rann über seine Wange, und er wischte sie schnell weg. Er hatte doch zu sich selbst gesagt, dass er nicht weinen würde. Unruhig wälzte er sich auf seinem Bett hin und her, bis es ganz zerwühlt war, aber trotz seiner Erschöpfung konnte er nicht schlafen. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu Kai zurück. Seufzend richtete sich Tyson schließlich auf und fasste einen Entschluss. Er verließ sein Zimmer und ging stattdessen zu Kai's Zimmer. Er drückte die Türklinge hinunter und fand das Zimmer wie gehofft unverschlossen vor. Schnell trat er ein und schloss die Tür wieder hinter sich. Er zog seine Schuhe aus und warf seine Baseballkappe auf den Nachttisch. Dann legte er sich in Kai's Bett und presste sein Gesicht gegen das Kissen. Tief atmete er ein. Das ganze Bett roch nach Kai, ein angenehmer Duft, der ihn irgendwie an Weihnachtsgebäck erinnerte. Tyson kuschelte sich in die Decke. Er würde hier nur ein klein wenig Zeit verbringen, nur bis er sich wieder besser fühlte. Dann ging er zurück in sein Zimmer. Kai würde nicht einmal merken, dass er hier gewesen war, bestimmt nicht. Tyson's Atemzüge wurden ruhiger und tiefer, und in wenigen Minuten war er eingeschlafen. *** Kai schritt ziellos durch die Straßen. Eigentlich hatte er vorgehabt, ein paar Dinge einzukaufen, aber nach dem Vorfall mit Tyson hatte er plötzlich gar keine Lust mehr dazu. Die traurige Miene von Tyson ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Der kleine Japaner sah so viel besser aus, wenn er lächelte oder lachte. Kai strich sich mit einer Hand durch sein Haar und seufzte leise. Wäre es denn wirklich so schlimm gewesen, wenn er Tyson mitgenommen hätte? Sicher, er hätte kaum eine ruhige Minute gehabt. Tyson wäre hierhin und dorthin gelaufen, hätte Kai überredet, in Geschäfte zu gehen, die er gar nicht betreten wollte, und hätte nonstop geschwatzt. Und irgendwann wären sie vermutlich in der Manga-Abteilung eines Comicgeschäftes stecken geblieben, wo Kai Tyson mit Gewalt hätte rausschleifen müssen. Kai war sich im Klaren darüber, dass er keine Ruhe gehabt hätte, wenn er Tyson mitgenommen hätte. Aber die Ruhe, die er jetzt hatte, erschien ihm fast unerträglich. Es war viel zu ruhig! Niemand quasselte ihn mit sinnlosem Zeug voll, niemand stolperte über seine eigenen Füße und fiel auf ihn drauf, niemand zerrte an seinem Schal, und niemand schrie seinen Namen so laut, dass man es vermutlich noch in einem Umkreis von zehn Kilometern hören konnte. Und Kai stellte erstaunt fest, dass er genau diese Sachen jetzt vermisste. Kai machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zum Hotel. Vielleicht war es ja noch nicht zu spät. Vielleicht hatte Tyson noch nichts anderes vor und wollte doch noch mit ihm kommen. Kai hatte jedenfalls keine Lust mehr, allein in die Stadt zu gehen. Während er zurück zum Hotel ging, kam ihm Tyson's Frage wieder in den Sinn: ,Kai, magst du mich? Wenigstens ein bisschen?' Nun, er hatte Tyson gesagt, er würde ihm die Antwort später geben, aber dafür musste er selbst sie erst mal kennen. Ohne Zweifel mochte er Tyson. Aber wie sehr mochte er ihn? Auf jeden Fall mehr als nur ein bisschen, das stand schon mal fest. Kai musste sich eingestehen, dass er alle seine Teamkameraden mochte. Sie waren seine Freunde. Aber keiner von ihnen hatte so eine Wirkung auf ihn wie Tyson. Über Tyson regte er sich am meisten auf, Tyson vermisste er am meisten, wenn dieser fehlte, und Tyson ließ er auch am meisten durchgehen. Wann immer er Kai mit seinen großen blauen Augen ansah, egal ob diese glücklich oder traurig blickten, fühlte Kai den Wunsch, Tyson alles zu geben, was er haben wollte. Das war etwas, was Tyson besser nie erfuhr! Der Jüngere würde ihm auf der Nase herumtanzen, wenn er dahinter kam, dass ein Blick von ihm ausreichen konnte, um solche Gefühle in seinem strengen Teamkapitän zu wecken. Irgendwann im Laufe der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, war es Tyson, dem Hüter von Dragoon, dem Sturmdrachen, gelungen, sich seinen Weg durch die Eisbarriere hindurch zu schmelzen, die Kai, der Hüter von Dranzer, dem roten Phönix, um sich herum aufgebaut hatte. Auf Kai's Gesicht schlich sich ein Lächeln, und er schüttelte kurz in leichtem Unglauben seinen Kopf. So viele hatten vor Tyson schon versucht, sein Herz zu erreichen, und es war keinem gelungen. Und Tyson hatte nicht einmal zu irgendwelchen Tricks gegriffen. Er war einfach nur er selbst gewesen. Und doch hatte er das Herz von Kai berührt. Kai betrat das Hotel und eilte zu Tyson's Zimmer. Er hatte immer noch leichte Zweifel, ob er wirklich so viel für Tyson empfand, aber wenn er den ganzen Tag mit ihm verbrachte, würden seine Gefühle sicher klarer werden. Er klopfte an Tyson's Zimmertür, doch niemand antwortete. Kai klopfte noch mal. "Tyson?" fragte er. Keine Antwort. Kai öffnete die Tür und sah hinein. Das Zimmer war leer. Enttäuscht schloss er die Tür wieder. Tyson hatte wohl schon eine andere Beschäftigung gefunden. Vielleicht war er mit Max Eis essen gegangen, oder er bladete mit Ray, oder er war irgendwo mit Kenny unterwegs. Kai spürte fast so etwas wie Ärger bei diesem Gedanken, oder wäre Eifersucht vielleicht der bessere Begriff dafür? Kai wandte sich wieder in Richtung Aufzug und ging ein paar Schritte, doch dann blieb er stehen. Eigentlich hatte er jetzt gar keine Lust mehr, in die Stadt zu gehen, oder auch sonst irgendwohin. Er würde in sein Zimmer gehen und sich ausruhen. Ja, das war wohl am Besten. Kai ging zu seinem Zimmer und trat ein. Mit dem Anblick in seinem Zimmer hatte Kai allerdings ganz und gar nicht gerechnet. Überrascht stand er vor seinem Bett. Tyson war nicht mit Max Eis essen gegangen, er bladete nicht mit Ray, und er war auch nicht bei Kenny. Nein, er lag in Kai's Bett, hatte sich in seine Decke gekuschelt und schlief. Seine Schuhe standen ordentlich vor dem Bett auf dem Boden, und seine Baseballkappe, ohne die er selten wegging, lag auf dem Nachttisch. Kai trat näher und beugte sich über ihn. Tyson sah niedlich aus, wenn er schlief. Das hübsche Gesicht war ganz entspannt, und es schien fast so, als würde er im Schlaf lächeln. Kai fühlte, wie seine eigenen Lippen sich zu einem breiten Lächeln verzogen. Er war plötzlich sehr froh, dass er wieder in sein Zimmer gegangen war. Und er wusste nun auch die Antwort auf Tyson's Frage. Leise, um Tyson nicht zu wecken, zog er seine Schuhe aus und glitt neben Tyson in sein Bett. Tyson spürte, wie die Matratze sich unter dem zusätzlichen Gewicht leicht bewegte, und rollte ein wenig zu Kai hinüber. Seine im Schlaf ausgestreckte Hand berührte Kai's Arm. Langsam öffneten sich Tyson's Augen. Er blinzelte ein paar Mal und fragte dann schlaftrunken: "Kai?" Kai rutschte näher an Tyson und legte sanft die Arme um ihn. "Ich weiß jetzt die Antwort auf deine Frage." "Ja?" Tyson's Herz klopfte ein wenig schneller in seiner Brust. Dass Kai ihn schlafend in seinem Bett gefunden hatte, spielte jetzt keine Rolle mehr. Es schien seinen Teamkapitän sowieso nicht zu stören. Aber die Antwort, die war wichtig! Kai kam sich etwas seltsam vor, als er Tyson seine Antwort gab. Es war fast so, als stellten sich die Worte in seinem Mund ein wenig quer. Noch nie hatte er solche Worte zu jemandem gesagt, und es fiel ihm nicht leicht. Aber das würde ihn nicht stoppen. Diese Worte waren wichtig und wahr: "Ich habe dich auch furchtbar gern, Tyson." "JA?!" In Tyson's Stimme vermischte sich Freude mit einem ungläubigen Unterton. Tyson konnte sein Glück kaum fassen! Kai mochte ihn, er mochte ihn!!! "Hm, hör auf mit der dummen Fragerei, und schlaf lieber noch ein wenig." brummte der Russe leicht verlegen, aber ein frohes Lächeln lag auf seinem Gesicht. Er zog Tyson noch ein wenig näher an sich heran, und der kleine Japaner schmiegte sich glücklich an ihn. Sie lagen noch lange so da, aneinander geschmiegt in Kai's Bett. Keiner von den Beiden schlief, und sie fühlten auch nicht die Notwendigkeit, miteinander zu reden. Es reichte ihnen, die Nähe und Wärme des jeweils anderen zu spüren. Sie waren glücklich, und beide wussten, sie würden es noch lange sein. Ihre gemeinsame Zeit hatte gerade erst angefangen. *** ENDE *** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)