Greif nach den Sternen von Cat_in_the_web (Bryan + Ray) ================================================================================ Kapitel 6: Probeaufnahmen ------------------------- Titel: Greif nach den Sternen Kapitel: 6/? Autor: Cat in the web Fandom (Anime/Manga): Beyblade Einstufung: PG Genre: romantisch Label: - Pairing: Bryan + Ray Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Beyblade. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um eine kleine Fanfiction zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit. Herzlichen Dank für die Kommentare (und für die Geduld) an: Hoshisaki, Firefox_Takara, Robino und Chery! -------------------------------------------------- Greif nach den Sternen von Cat in the web Kapitel 6: Probeaufnahmen Auch am nächsten Tag war Bryan wieder zu Besuch in Rays Hotelsuite. Der Butler schob gerade die Reste eines reichhaltigen Mittagessens aus dem Zimmer, während Bryan und Ray auf der Couch saßen und Pläne für den Tag machten. Als Bryan eine Landkarte studierte, die vor ihnen auf dem Couchtisch ausgebreitet war, fiel Rays Blick auf einen Stapel neuer Zeitschriften, die der Butler auf einen kleinen Beistelltisch gelegt hatte, bevor er sich um das Mittagessen gekümmert hatte. Gleich zuoberst lag die neue Ausgabe des Starlight-Magazins, und auf dem Cover war ein Bild von Ray zu sehen. Ray schnappte sich das Magazin und schlug es auf. Ungefähr in der Mitte des Heftes wurde er fündig. Dort war das Interview abgedruckt, welches er erst vor wenigen Tagen mit Frau Hofmann geführt hatte, und großzügig über die Seiten verteilt waren die ausgewählten Fotos. Genau wie geplant zeigten zwei der Fotos Ray und Bryan gemeinsam, und Frau Hofmann hatte dafür gesorgt, dass nicht nur im Interview sondern auch in der Bildunterschrift zu lesen war, was für gute Freunde Ray und Bryan waren. Ray lächelte zufrieden. Dies würde den Leuten, die Bryan belästigten, nur weil er vor vielen Jahren Ray bei einem Beyblade-Kampf verletzt hatte, sicher den Wind aus den Segeln nehmen. „Hey, Bryan, schau dir das mal an“, sagte Ray und hielt seinem Freund das Interview unter die Nase. Bryan nahm das Magazin und las den Artikel. Dann ließ er das Heft mit einem erleichterten Seufzen sinken. „Das dürfte diese lästigen Telefonanrufe stoppen.“ Er wandte sein Gesicht Ray zu und lächelte den Chinesen dankbar an. „Vielen Dank, Ray.“ Ray sah in Bryans schöne graue Augen und fühlte ein Kribbeln in seinem Magen. Um seine plötzliche Verlegenheit zu überspielen, sagte er: „Ich hoffe, der Artikel macht schnell die Runde. Falls es doch noch Schwierigkeiten geben sollte, sag Bescheid, ja? Wir finden dann schon eine Lösung.“ „Ich denke, das hier dürfte reichen“, meinte Bryan. „Das Starlight-Magazin ist sehr beliebt, besonders hier in Star-City, wo die Redaktion ihren Sitz hat. Jeder, der sich für Prominente interessiert, liest dieses Magazin.“ Ray hob lächelnd eine Hand, um sie auf Bryans Schulter zu legen, und wollte gerade etwas sagen, als das Telefon klingelte. Mit einem entschuldigenden Blick in Bryans Richtung hob er den Hörer ab. „Guten Tag, hier ist Kon. ... Hallo, Sara.“ Bryan lehnte sich entspannt auf der Couch zurück und beobachtete Ray, der fast ein wenig enttäuscht darüber wirkte, dass ihn seine Managerin angerufen hatte. Vermutlich hatte Sara irgendeinen guten Auftrag für ihn, und dies würde bedeuten, dass ihre gemeinsame Zeit fürs Erste vorbei war. Aber nur wenige Sekunden später veränderte sich Rays Gesichtsausdruck, er schien richtig aufzuhorchen und wirkte nun hochkonzentriert. Bryan zog interessiert eine Augenbraue hoch. Seine Neugier war geweckt, doch leider bekam er nur eine Seite des Gesprächs mit. „Tatsächlich? Ich dachte, es wäre erst in einem Monat soweit. ... Ja, natürlich. ... Na ja, eigentlich wollten Bryan und ich heute... Ja, ja! Wir hatten noch keine konkreten Pläne. ... Wie lange wird es dauern? ... Na, und ob ich das tun werde! ... Okay, dann bis gleich.“ Ray legte den Hörer auf, und Bryan hatte das Gefühl, dass er den heutigen Tag allein verbringen würde. Er sollte Recht behalten. „Es tut mir Leid, Bryan, aber heute wird es nichts mit unserem Ausflug“, begann Ray ein wenig kleinlaut. „Sara will gleich vorbeikommen und mich abholen. Es kann sein, dass ich erst Morgen oder Übermorgen wieder in der Stadt bin. Wir übernachten wohl außerhalb der Stadt.“ „Ist schon okay, du musst schließlich arbeiten.“ Bryan verbarg seine Enttäuschung gut, obwohl die Aussicht, ein paar Tage ohne Ray zu sein, ihm ganz und gar nicht gefiel. Wann hatte er angefangen, sich so nach Rays Gegenwart zu sehnen? Er war doch früher eher so eine Art einsamer Wolf gewesen. Aber irgendwann in den letzten Tagen hatte etwas in ihm wohl beschlossen, dass es viel schöner mit Ray war als ohne ihn, und Bryan konnte diesem Teil seiner selbst nur zustimmen. „Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinem nächsten Modell-Auftrag, obwohl das bei deiner Erfolgsquote wohl schon überflüssig ist.“ Ray schien jedoch noch nicht zufrieden. Er legte die Stirn in Falten und schien angestrengt nachzudenken, bevor er sich auf fast zaghafte Art wieder an Bryan wandte. „Bryan, es weiß noch keiner, und ich möchte nicht, dass es die Öffentlichkeit erfährt, zumindest jetzt noch nicht, aber dir möchte ich es erzählen. Das ist kein Modell-Auftrag. Sara hat Gespräche mit einem Regisseur geführt, und jetzt habe ich ein Vorsprechen für eine Rolle in einem Film. Eigentlich sollte es erst in etwa einem Monat so weit sein, aber der Regisseur hat Sara gefragt, ob ich nicht jetzt schon könnte, und Sara hat an meiner Stelle schon mal ja gesagt. Es ist natürlich eine wunderbare Chance, falls ich es schaffe...“ Weiter kam Ray nicht. Bryan war aufgesprungen und hatte ihn in die Arme genommen. „Das sind doch tolle Nachrichten, Ray. Herzlichen Glückwunsch“, flüsterte der Russe ihm ins Ohr und drückte ihn an sich. Ray seufzte wohlig und schmiegte sich an Bryan. „Ich muss natürlich erst mal bei Probeaufnahmen beweisen, dass ich überhaupt geeignet bin. Falls nicht, bekommt die Rolle ein anderer“, äußerte Ray seine Ängste. „Und ich möchte die Rolle doch so gerne haben, aber blamieren will ich mich natürlich auch nicht.“ „Du wirst dich nicht blamieren, da bin ich mir absolut sicher“, sprach ihm Bryan Mut zu. „Ich habe deine Jeanswerbung im Fernsehen gesehen, und ich weiß, dass du gut bist. Du schaffst das.“ „Das sagt mir Sara auch immer wieder.“ „Dann ist deine Managerin eine kluge Frau.“ Wie aufs Stichwort klopfte es an der Tür der Suite, und Saras Stimme erklang: „Hallo, Ray! Ich bin daha!“ Überrascht sah Bryan Richtung Tür. „Ist die geflogen? Sie hat doch gerade erst hier angerufen.“ „Sie muss von unterwegs angerufen haben, über ihr Handy. Dabei sag ich ihr immer wieder, dass Telefonieren während des Autofahrens viel zu gefährlich ist.“ Ray warf ebenfalls einen kurzen Blick zur Tür, doch er schien höchst unwillig, sich aus Bryans Umarmung zu lösen. Bryan rückte ein wenig von Ray ab und gab ihm einen Kuss auf die Lippen, kurz und unschuldig und doch köstlich, genau wie der Kuss am Abend zuvor. „Als Glücksbringer“, erklärte er. Ray lächelte selig. „Dann kann ja gar nichts schief gehen.“ Wieder klopfte es an der Tür. „Ray?! Bist du etwa noch mal schnell unter die Dusche gegangen?!“ Bryan entließ Ray aus seiner Umarmung und holte sich sein Jackett aus der Garderobe. „Eine ungeduldige Dame“, bemerkte er grinsend. „Sie ist wegen dieser Filmsache mindestens genauso aufgeregt wie ich“, entschuldigte Ray, aber auch er musste Lächeln. Gleich darauf öffnete er die Türe, und Sara trat ein. „Hat ja ewig gedauert“, beschwerte sie sich, ohne es aber wirklich ernst zu meinen. Ihrem Lächeln nach zu schließen war sie bester Laune. „Jetzt pack schnell ein paar deiner Sachen ein, und dann...“ Sie brach ab, als ihr Blick auf Bryan fiel, den sie vorher noch nicht bemerkt hatte. „Na, hallo.“ „Guten Tag“, begrüßte Bryan sie freundlich. „Oder besser gesagt: auf wiedersehen, denn ich bin gerade im Begriff zu gehen.“ Er wandte sich nochmals an Ray. „Ruf mich an, wenn du wieder in der Stadt bist“, sagte er, bevor er zur Tür hinaus schlüpfte. „Das werde ich“, antwortete Ray ihm und sah ihm kurz nach, wie er den Gang in Richtung der Fahrstühle entlang ging. Als er zurück in seine Suite trat, fiel die Tür ohne sein zutun zu. Die Türschließerin war Sara, die sich nun mit dem Rücken gegen die Tür lehnte und auch beide Handflächen dagegen drückte. Dabei sah sie Ray aus funkelnden Augen und mit einem raubtierhaften Lächeln an. Ray fand diesen Gesichtsausdruck gelinde gesagt beunruhigend. „Ähm, soll ich jetzt packen?“, fragte er. „Erzähl mir zuerst alles, was du und Bryan Kuznetsov die letzten Tage so getrieben habt“, forderte Sara fröhlich. „Ich verfolge nämlich auch alle Medienberichte, vor allem solche, die Personen betreffen, die ich manage, einschließlich gewisser Artikel im Starlight-Magazin, weshalb ich auch genau weiß, wer das eben gewesen ist.“ Ray seufzte und rieb sich die Stirn, bevor er sich abwandte und in sein Schlafzimmer ging, um ein paar Sachen einzupacken. Sara war gewiß keine Schwatzbase, aber sie liebte trotzdem alle Sorten von Klatsch und Tratsch, und sein Verhältnis zu Bryan würde sie nach diesem Presserummel um ihre angebliche Feindschaft sicher interessieren. Allerdings würde ihr Ray mit absoluter Sicherheit nicht alles erzählen, und wenn sie noch so betteln würde. Gewisse Dinge waren einfach privat. „Er ist ein sehr guter Freund von mir und hat mir in den letzten Tagen ein wenig die Gegend um Star-City gezeigt“, antwortete er ihr, und viel mehr sollte Sara nicht herausfinden. *** Mit einem ein wenig unsicheren Lächeln trat Ray aus der riesigen Produktionshalle heraus, um auf seine Managerin zu warten und dabei auch gleich ein paar Minuten für sich allein zu ergattern. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Zuerst war er zusammen mit Sara zu einem Studiogelände von Sunshine Productions gefahren, das etwa drei Fahrstunden von Star City entfernt lag. Wie Sara ihm während der Fahrt erklärte, ließ die Produktionsfirma in den Hallen des Studiogeländes vor allem Innenaufnahmen drehen. Dann war er dort dem Regisseur, Herrn Joachim Mirell, vorgestellt worden. In einem ersten Gespräch hatten sie beide einander abgeschätzt, und Ray war zu dem Schluss gekommen, dass er den Regisseur mochte. Er war sympathisch, redete nicht lange um den heißen Brei herum und verfügte über eine schier grenzenlose Geduld, wofür Ray während der Probeaufnahmen sehr dankbar gewesen war. Dem Regisseur schien er auch sympathisch zu sein, denn dieser bot ihm schon nach kurzer Zeit an, dass er ihn einfach Achim nennen sollte. Ray war sich nicht sicher, wie die Beurteilung über seine schauspielerische Leistung ausfallen würde. Es war gar nicht so leicht gewesen, und ihm war schnell klar geworden, weshalb Achim eine solch grenzenlose Geduld hatte. Er selbst jedenfalls hatte erkennen müssen, dass zwischen Werbefilmen und Spielfilmen ein himmelhoher Unterschied existierte. Nicht, dass er dies nicht vorher schon geahnt hätte. Nach fast drei Stunden in der Produktionshalle, in der er einzelne Szenen mit und ohne Kamera vor- und nachgespielt hatte, fühlte er sich ziemlich fertig. Aber noch war der Tag nicht ganz vorbei. Die Filmfirma hatte Achim beauftragt, ihn und seine Managerin in einem nahen Restaurant zum Abendessen einzuladen. Danach würden sie zurück zum Studiogelände fahren, wo eine Übernachtungsmöglichkeit für ihn und Sara wartete. Die Formulierung ‚Übernachtungsmöglichkeit‘ hatte ihn ein wenig stutzig gemacht, doch auf seine Frage hin hatte Achim nur lächelnd gemeint, er solle es abwarten und es würde ihm bestimmt gefallen. Ray fragte sich, ob er in einer Filmkulisse eines berühmten Films, der in diesen Studios gedreht worden war, übernachten sollte. Nun, die Vorstellung fand er eigentlich ganz interessant. Sara kam mit Achim aus der Halle, und zusammen mit Ray fuhren sie in Achims Golf zu einem kleinen aber feinen Restaurant in der Nähe des Studiogeländes. Achim erzählte ihnen, dass in diesem Restaurant schon viele Filmstars gegessen hatten, die für Sunshine Productions in Filmen gespielt hatten, und tatsächlich hing an den Wänden des Restaurants eine beachtliche Anzahl von Fotos dieser Stars mit ihren Autogrammen darauf. Ray war beeindruckt. Das Restaurant war sehr gemütlich und außerdem noch mit Trennwänden versehen, so dass man ungestört und geschützt vor neugierigen Blicken der anderen Gäste essen konnte. Überall im Raum verteilt standen Requisiten der Filmgeschichte, und Achim erklärte, dass das Ehepaar, welches das Restaurant führte, in vielen Filmen als Statisten mitgewirkt hatte, bis sie beschlossen, zu heiraten und das Restaurant zu eröffnen. Im Laufe der Jahre hatten sie einiges an alten Requisiten von den Studios gekauft oder auch geschenkt bekommen und damit ihr Restaurant ausgeschmückt. Während sie dort zu Abend aßen, erfuhr Ray auch, wie es am nächsten Tag weitergehen würde. Achim und einige andere Leute vom Film würden sich die Szenen von Ray, die gefilmt worden waren, heute Abend noch ansehen, um seine schauspielerischen Fähigkeiten und seine Wirkung auf der Leinwand zu beurteilen. Am nächsten Morgen würden eventuell noch mal ein paar Szenen gedreht werden. Wenn alles glatt ging, konnten Ray und Sara zur Mittagszeit nach Hause fahren. Es dauerte nicht lange, bis sie das Restaurant wieder verließen. Ray war erschöpft, und obwohl er sich nichts anmerken ließ, bemerkte Achim es sehr wohl, denn er hatte genügend Zeit mit Schauspielern verbracht, um durch ihre Masken hindurch sehen zu können. Als sie aufstanden und das Restaurant verließen, glaubte Ray, fremde Blicke auf sich zu fühlen. Er drehte sich um und begegnete dem neugierigen Blick eines kleinen dicken Mannes mit Glatze, der zusammen mit einer ebenfalls recht rundlichen Frau an einem der anderen Tische saß. Der Blick des Mannes schweifte weiter zu Rays Begleitern, doch als die Frau ihn ansprach, wandte er seine Aufmerksamkeit sofort wieder ihr zu. Für einen Moment dachte Ray, dass ihn jemand erkannt hatte, aber der Mann sah nicht wieder in seine Richtung, und Ray folgte Achim und Sara nach draußen. Zurück auf dem Studiogelände zeigte Achim seinen beiden Begleitern, was er mit ‚Übernachtungsmöglichkeit‘ gemeint hatte. Ray hatte nicht Recht mit seiner Vermutung, sie würden in einer Filmkulisse übernachten. Die Wirklichkeit war sehr viel besser. Ray stand etwas fassungslos vor einem wahren Monstrum auf Rädern, das Achim als ‚Wohnmobil der Stars während eines Drehs in der Wildnis‘ bezeichnete. Dieses Wohnmobil war weit größer als jeder Campingwagen, den Ray je gesehen hatte, und mit absoluter Sicherheit luxuriöser ausgestattet. Kein gewöhnliches Auto konnte diesen Anhänger ziehen, ein Truck musste dafür her. Im Inneren befand sich eine richtige Wohnung mit einem komplett mit Fernseher ausgestattetem Wohnzimmer, einem großen Badezimmer und einem bequemen Schlafzimmer mit King Size-Bett. Und auf dem Studiogelände befand sich nicht nur einer dieser Luxuswohnwagen, sondern zwei. Achim erklärte, dass die Filmgesellschaft diese Wohnmobile ihren Filmstars zur Verfügung stellte, falls in einer Gegend gedreht werden musste, wo es kein angemessenes Hotel gab, in dem die Stars hätten übernachten können. Da diese beiden Wohnmobile zurzeit nicht gebraucht wurden, würden Sara und Ray heute Nacht in ihnen schlafen. Achim zeigte ihnen noch, wie alles funktionierte, und verabschiedete sich mit dem Hinweis, dass er sie Morgen um acht Uhr abholen würde, damit sie gemeinsam Frühstücken konnten. *** Während Ray am nächsten Morgen noch weitere Probeaufnahmen in einem der Studios der Sunshine Productions drehte, ging man in Star City ganz anderen Beschäftigungen nach, doch das sollte nicht heißen, dass diese nichts mit Ray zu tun hatten. Im Firmengebäude von Motor Wheels hatte der Untersuchungsausschuss, der nach Rays Weigerung, den Werbevertrag mit Motor Wheels zu unterschreiben, ins Leben gerufen worden war, eine Besprechung. Direktor Hill saß dieser Besprechung persönlich vor. Mit neutralem Gesichtsausdruck hörte er den Berichten seiner Mitarbeiter zu. Nichts schien die Ruhe und Höflichkeit dieses Mannes erschüttern zu können, während die Emotionen seiner Leute durchaus bei einigen der von ihnen vorgetragenen Ergebnisse ihrer Untersuchungen Wellen schlugen. Gerade beendete Herr Müller mit merklicher Verärgerung seinen Bericht: „Ich muss nach den von mir überprüften Unterlagen zu dem Schluss kommen, dass in den letzten zwei Jahren alle größeren und wie ich betonen möchte auch erfolgreichen Werbestrategien und –kampagnen von Bryan Kuznetsov erdacht und umgesetzt wurden. Herr Sergenson hat lediglich ganz am Schluss die Arbeiten von Herrn Kuznetsov mit seiner Unterschrift abgesegnet. Doch es ergaben sich keine Anzeichen dafür, dass er an den Werbeideen mitgearbeitet oder wenigstens die Umsetzungen kontrolliert hat.“ „Aber Herr Sergenson war doch sicher mit eingebunden, es ist immerhin die Arbeit seiner Abteilung“, wandte Herr Lebemann ein. „Als Abteilungsleiter hat er doch sicherlich an den Abstimmungen mit den anderen Abteilungen oder doch zumindest an den Besprechungen innerhalb seiner eigenen Abteilung teilgenommen.“ Das Gesicht von Herrn Müller verfinsterte sich noch eine Spur mehr, und er erwiderte: „Nein, nicht mehr seit mindestens einem Jahr. Ich habe mit den Leitern der anderen Abteilungen persönlich gesprochen, und diese sagten mir, dass die Gespräche seit einigen Monaten nur noch mit Herrn Kuznetsov geführt werden. Auch die Mitarbeiter der Werbeabteilung teilten mir mit, dass Herr Kuznetsov ihre internen Besprechungen führt. Herr Sergenson ist höchstens noch in seinem Büro anzutreffen, aber dies nach Aussage einiger Abteilungsleiter meistens auch nur, wenn man vorher einen Termin mit ihm vereinbart hat. Man kann ihn jedoch immer auf Promotion-Parties antreffen oder bei sonstigen speziellen Anlässen. Herr Sergenson scheint – bitte verzeihen Sie mir diesen Ausdruck, Herr Lebemann – ein rechter Lebemann geworden zu sein, der sich nur für die schönen Seiten seines Berufs interessiert.“ Herr Hill wartete mit einem geduldigen Lächeln den kleinen Ausbruch von Heiterkeit unter seinen Leuten ab, der darauf beruhte, dass Herr Lebemann, der geradezu ein Workaholic war, ausgerechnet einen solchen Namen führte, mit dem man für gewöhnlich Männer bezeichnete, die lieber die schönen Seiten des Lebens genossen, anstatt sich harter Arbeit zu widmen. Herr Lebemann selbst ging mit einem Grinsen über die Benutzung des Wortes hinweg. Für seinen Namen konnte man schließlich nichts, und ein Lebemann musste ja keine schlechte Person sein. In Bezug auf Sergenson war der Ausdruck jedoch eher negativ gedacht, und die anwesenden Herren waren sich dessen bewusst. „Dann obliegt die Leitung der Werbeabteilung schon seit mindestens einem Jahr Herrn Kuznetsov?“, fragte Herr Schimanski. „Ja, so ist es“, bestätigte Herr Müller grimmig. „Ich habe mit Leuten aus mehreren Abteilungen gesprochen, die mit der Werbeabteilung zusammen arbeiten, und natürlich habe ich alle Mitarbeiter der Werbeabteilung befragt. Nicht alle Leute in der Werbeabteilung wollten zugeben, dass sie ihre Anweisungen nur noch von Herrn Kuznetsov bekommen, aber die Aussagen einiger anderer waren dafür um so klarer. Herr Kuznetsov leitet die Abteilung als Stellvertreter von Herrn Sergenson, und das nicht nur für ein paar Tage, sondern bereits seit einem Jahr. Dies ergibt sich auch aus der Aktenlage. Fast alle Dokumente tragen Herrn Kuznetsovs Unterschrift. Die Unterschrift von Herrn Sergenson sieht man nur noch dort, wo sie absolut nötig ist.“ „Ich habe in den Personalakten gesehen, dass Herr Kuznetsov noch recht jung ist“, meldete sich Herr Lebemann erneut zu Wort. „Wie kann ein so junger Mitarbeiter so schnell aufsteigen? Er ist erst seit einigen wenigen Jahren bei unserer Firma beschäftigt, aber er ist jetzt schon stellvertretender Leiter der Werbeabteilung.“ „Wie Sie in seiner Personalakte sicherlich auch gesehen haben, ist Herr Kuznetsov ein sehr begabter Werbefachmann mit brillanten Ideen. Er hat in den Jahren, die er für Motor Wheels bereits arbeitet, einige der erfolgreichsten Werbeaktionen geschaffen.“ Herr Müller holte tief Luft, bevor er weitersprach. Die folgenden Worte waren wie eine Anklage und würden mit Sicherheit mindestens einer Person, die für Motor Wheels arbeitete, ganz und gar nicht gut bekommen. „Wie aus den Akten unserer Firma ersichtlich ist, befand sich die Werbeabteilung in einer Kreativitätskrise, als Herr Kuznetsov eingestellt wurde. Es wurden dringend neue Ideen für die Werbung benötigt, und Herr Kuznetsov lieferte diese Ideen, obwohl er gerade erst seine Ausbildung abgeschlossen hatte und somit noch ein Neuling war. Ich gehe davon aus, dass Herr Sergenson das Talent von Herrn Kuznetsov erkannte und für sich nutzen wollte. Er bevorzugte ihn also vor seinen anderen Mitarbeitern und machte ihn schließlich sogar zum stellvertretenden Leiter seiner Abteilung, was auch die Abneigung gegen Herrn Kuznetsov erklärt, die ich bei meinen Gesprächen bei ein paar wenigen Mitarbeitern festgestellt habe. Herr Kuznetsov leistete auch in dieser neuen Position exzellente Arbeit, dies soll nicht verschwiegen werden. Tatsächlich war seine Arbeitsleistung so gut, dass Herr Sergenson ihm praktisch alle Arbeiten, die vorher er selbst gemacht hatte, geben konnte, ohne dass die Leistung der Abteilung darunter gelitten hätte. Und das tat Herr Sergenson auch. Er überließ Herrn Kuznetsov die ganze Arbeit, und er selbst tat nichts mehr außer sich zu amüsieren, in dem er auf den von unserer Firma organisierten Parties zu Eröffnungen von Geschäften oder der Vorstellung neuer Produkte ins Rampenlicht trat und den Lohn für die Arbeit seiner Abteilung einheimste, ohne selbst etwas getan zu haben.“ Seinen Worten folgte die erwartete Reaktion. Einige Leute machten ihrer Verärgerung über Sergenson Luft, andere diskutierten über den Aufstieg von Kuznetsov und was man nun tun sollte. Kommentare schwirrten wild durch die Luft. Herr Hill wartete einige Minuten, dann klatschte er mehrmals in die Hände und rief: „Ich bitte um Ruhe! Wenn alle durcheinander reden, kommen wir nicht weiter!“ Herr Hill besaß den Respekt seiner Leute, und niemand wagte es, seine Worte zu ignorieren. Daher herrschte in wenigen Sekunden bereits wieder Ordnung im Raum. Herr Hill ergriff in der Stille erneut das Wort: „Hat Herr Sergenson sich zu all dem schon einmal geäußert?“ Herr Sommer, ein kleiner dicker Mann mit Glatze, antwortete ihm: „Ich habe mit Herrn Sergenson gesprochen. Auch mir ist aufgefallen, was Herr Müller soeben ausführte, und ich habe Herrn Sergenson darauf angesprochen. Leider muss ich sagen, dass ich ihn nicht sehr kooperativ fand. Herr Sergenson sagte mir, er habe an allen Projekten seiner Abteilung mitgearbeitet und dass vieles davon sogar seine Idee gewesen sei. Mit seinen Worten im Widerspruch stehen jedoch die Aussagen aus seiner Abteilung. Die Ideen, die er in unserem Gespräch als seine eigenen ausgegeben hat, konnte ich zu ihren eigentlichen Entwicklern zurückverfolgen. Nicht eine Einzige davon stammt von ihm. Auf meine Frage, warum er in den Akten nirgends mitgezeichnet hat, meinte er nur, das wäre nicht nötig gewesen, da er ja der Leiter der Werbeabteilung sei und man seine Mitarbeit daher voraussetzen könnte. Aber auch hier fallen die Aussagen seiner Mitarbeiter anders aus. Ihnen zufolge haben sie immer nur mit Herrn Kuznetsov zusammen gearbeitet, wenn die Anwesenheit des Abteilungsleiters erforderlich gewesen wäre. Frau Schmidt, die Sekretärin von Herrn Sergenson, war in ihrer Aussage übrigens besonders deutlich. Sie sagte aus, dass Herr Sergenson kaum noch in seinem Büro anzutreffen ist und sie ihm alles telefonisch durchgibt. Unterlagen zur Bearbeitung brachte sie immer zu Herrn Kuznetsov, der sie dann bearbeitete. Frau Schmidt arbeitet so viel mit Herrn Kuznetsov zusammen, dass ihr Büro sein Vorzimmer ist! Das Büro von Herrn Sergenson betritt sie so gut wie nie, auch deshalb, weil Herr Sergenson nur selten da ist.“ Herr Wolf, der ein etwas ungeduldiger aber sachlicher Mensch war, ergriff nach Herrn Sommer das Wort: „Ich gestatte mir einmal, die bisherigen Ergebnisse zusammen zu fassen. Herr Sergenson, obwohl Leiter unserer Werbeabteilung, tut schon seit mindestens einem Jahr seine Arbeit nicht mehr, es sei denn, sie ist ihm angenehm. Stattdessen überlässt er seine Arbeit Herrn Kuznetsov, der in dieser Position zwar sehr gute Arbeit leistet, aber durch eine gegen betriebliche Regelungen verstoßende Praxis, nämlich die Bevorzugung durch einen Vorgesetzten, in diese Position gekommen ist. Nun, das ist eine delikate Situation, die ohne Zweifel Konsequenzen nach sich ziehen wird. Wir können über eine solche Arbeitspraxis nicht hinweg sehen, sonst haben wir bald überall in der Firma eine solch schlechte Arbeitsmoral wie die von Herrn Sergenson. Und auch über den Aufstieg von Herrn Kuznetsov wird nochmals entschieden werden müssen, denn so etwas löst natürlich Unmut bei den anderen Mitarbeitern unserer Firma aus. Aber ich fürchte, wir haben bisher noch nicht über einen anderen Punkt gesprochen, obwohl dieser Untersuchungsausschuss extra dafür gegründet wurde. Ich darf Sie alle an den Werbevertrag mit Herrn Raymond Kon erinnern, der kurz vor seinem Abschluss geplatzt ist. Darf ich fragen, welche Ergebnisse darüber vorliegen? Was waren die Gründe, dass ein Vertrag, der kurz vor seinem Abschluss stand, wo nur noch eine Unterschrift fehlte, dann doch nicht zustande kam?“ „Nun, da wäre diese Sache zwischen Herrn Kon und Herrn Kuznetsov gewesen“, begann Herr Lebemann ein wenig unsicher. „Nach den Medienberichten sind die beiden seit einem Vorkommnis beim Beybladen Feinde.“ „Das ist längst Vergangenheit“, unterbrach Herr Schimanski ihn. „Hat jemand von Ihnen das Interview mit Herrn Kon in der neuesten Ausgabe des Starlight-Magazins gelesen? Meine Frau ist ein Fan von Herrn Kon und hat dafür gesorgt, dass ich alles darüber erfahre. Und ich war äußerst überrascht, als ich gesehen habe, dass auf zwei der Fotos unser Herr Kuznetsov ebenfalls zu sehen ist. Nach dem Interview zu urteilen, sind die beiden Freunde!“ Ein überraschtes Murmeln erhob sich kurzfristig zwischen den Männern, nur Herr Hill bemerkte lediglich: „Ich habe das Interview ebenfalls gelesen, und ich glaube daher nicht, dass Herr Kuznetsov die Schuld an den Ereignissen trägt.“ „Aber vielleicht sollte ihn mal jemand fragen, ob er weiß, was die Ursache dafür war, dass Herr Kon sich im letzten Moment geweigert hat, den Vertrag abzuschließen“, schlug Herr Wolf vor. „Ich denke nicht, dass das viel nützt“, wandte Herr Sommer ein. „Frau Schmidt erzählte mir, dass Herr Kon mit Herrn Sergenson in dessen Büro war, um den Vertrag zu unterschreiben. Sie selbst und Herr Kuznetsov waren nicht anwesend, als Herr Kon den Vertrag platzen ließ. Nur Herr Kon und Herr Sergenson wissen, was in diesem Raum geschah. Und Herr Sergenson zeigt sich nicht besonders kooperativ, wie ich bereits sagte.“ „Ich denke, ich sollte vielleicht trotzdem mit Herrn Kuznetsov reden“, meinte Herr Hill und presste in einer nachdenklichen Geste die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander. „Er wurde bisher noch nicht gehört, doch das Recht, seine Sicht der Dinge darzustellen, muss ihm auf jeden Fall gewährt werden. Man könnte sich auch noch mal an Herrn Kon wenden. Die Chefetage ist nach wie vor an ihm als Werbeträger interessiert.“ Herr Sommer rutschte ein wenig unbehaglich hin und her, bevor er erneut das Wort ergriff: „Es könnte durchaus sein, dass die Popularität von Herrn Kon in naher Zukunft noch deutlich steigen wird. Ich sah ihn gestern Abend in dem kleinen Restaurant nahe der Filmstudios, und er befand sich in Begleitung von Herrn Mirell. Vielleicht hat dies nichts zu sagen, aber wenn man bedenkt, wer diese beiden sind, könnte ihr Zusammentreffen auch alles andere als ein unbedeutender Zufall sein.“ Verständnislose Blicke wurden gewechselt, und Herr Wolf sprach aus, was alle Anwesenden dachten: „Ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Wer ist denn dieser Herr Mirell?“ „Joachim Mirell ist ein Regisseur der Sunshine Productions-Filmstudios, der einige sehr bekannte Filme gedreht hat. Meine Frau und ich hatten einmal das Vergnügen, ihn auf einer Filmpremiere persönlich kennen zu lernen“, erklärte Herr Sommer. Einen Moment lang herrschte Stille, als die Anwesenden überlegten, was ein Treffen zwischen dem berühmten Modell Raymond Kon und dem Filmregisseur Joachim Mirell bedeuten konnte. Dann brach Tumult aus, und sogar Herr Hill reagierte diesmal überrascht. *** Ray streckte sich genüsslich, als er seine Suite im Hotel „Vier Jahreszeiten“ wieder betrat. Endlich zu Hause. Der Vormittag in den Filmstudios war recht anstrengend gewesen, aber Ray hatte das befriedigende Gefühl, dass er sein Bestes gegeben hatte. Ob sein schauspielerisches Talent überzeugen konnte, würde ihm der Regisseur noch mitteilen. Aber Achim hatte ganz zufrieden gewirkt, als er ihn und Sara verabschiedet hatte. ‚Vielleicht war er auch einfach nur froh, mich endlich los zu sein’, dachte Ray und musste gleich darauf über seinen eigenen Pessimismus lächeln. Sein Magen knurrte und erinnerte ihn so daran, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Doch bevor er beim Zimmerservice etwas bestellte, rief er bei Bryan an, um ihm mitzuteilen, dass er wieder in der Stadt war. *** Einige Zeit später und in einem anderen Teil der Stadt legte Bryan den Hörer wieder aufs Telefon, nachdem er sich ausführlich mit Ray unterhalten hatte. Sein Freund war also wieder in der Stadt, und da er keine Aufträge von Sara bekommen hatte, konnten sie wieder Zeit miteinander verbringen. Der Gedanke daran zauberte ein breites Grinsen auf Bryans Gesicht. Er wollte gerade nach seinen Autoschlüsseln greifen, als das Telefon erneut klingelte. Normalerweise hätte Bryan es klingeln lassen, bis der Anrufbeantworter sich eingeschaltet hätte, doch diese Vorsichtsmaßnahme gegen unerwünschte Anrufe war nicht mehr nötig, seit der Artikel über Ray im Starlight-Magazin erschienen war. Daher hob er ohne Zögern ab. „Hallo, hier ist Kuznetsov.“ „Guten Tag, Herr Kuznetsov. Hier spricht Hill.“ Das Grinsen auf Bryans Gesicht verschwand schlagartig, als ihn die Realität seiner eigenen Situation wieder einholte. ------------------------ wird fortgesetzt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)