Alte Rechnungen von Weissquell (Die Vorgeschichte zu "20 Jahre später") ================================================================================ Kapitel 12: Warum ich dich hasse... ----------------------------------- Noch immer steht Kaiba völlig ungläubig und fassungslos da. Einen Momentlang kann er sich noch aufrecht halten, dann knicken ihm die Knie ein. "Ich habe... verloren!", keucht er, "Nicht schon wieder! Wie ist das möglich?" Die Duelldisk an seinem Handgelenk verschwindet und gibt seinen Arm frei. Schwer stützt er sich auf dem Boden auf. Ihm ist auf einmal so schwindelig und zu allem Überfluss noch übel. Wie konnte ihm das nur passieren? Hat man ihm heute denn nicht schon genug zugesetzt? Auf einmal geraten zwei Füße in sein Blickfeld. Langsam hebt er den Blick. Es ist Yuki. Sie streckt ihm mit einem schüchternen Lächeln hilfsbereit die Hand hin. Ihre grünen Augen blitzen aufmunternd. Für einen kurzen Moment entgleisen ihm die Gesichtszüge. Unwillkürlich beginnt er zu schwitzen und sein Herz hämmert energisch in seiner Brust. Ein dicker Kloß bildet sich auf einmal in seinem Hals und es fällt ihm schwer zu schlucken. Sprachlos starrt er auf die dargereichte Hand, die ihm aufhelfen will. Warum tut sie das? Warum muss sie das gerade jetzt machen? Warum nur muss sie ihn nur so ansehen? Hat sie denn nicht schon genug angerichtet? Muss sie ihn jetzt noch mehr demütigen? Nachdem er noch einmal geschluckt hat bekommt er wieder Kontrolle über sich. Mit einer wütenden Geste schlägt er ihre Hand beiseite. Verunsichert schaut sie ihn an, doch er kommt rasch wieder von selbst auf die Füße. "Ich brauche dein Mitleid nicht!", sagt er kalt, "Es gibt überhaupt keinen Grund für so was!" "Wie du willst! Es ist deine Entscheidung!", entgegnet Yuki, "Hauptsache du hältst dich an unsere Abmachung und konstruierst für Noah einen neuen Körper." "Ich werde nichts dergleichen tun, mach dich doch nicht lächerlich!", erwidert Kaiba verächtlich, "Ich habe vielleicht nicht gewonnen, aber du ebenso wenig! Dieses Duell besagt gar nichts! Absolut nichts ist entschieden und schon gar nicht, dass ich diesem Stück... Datenschrott ein neues Zuhause bauen werde!" Nun wird Yukis Mine ernst. "Geschäft ist Geschäft und ein Deal ist ein Deal!", erklärt sie fest, "Und unser Deal war, dass du meine Firma und meine VR-Technik bekommst, wenn du gewinnst, aber dass du Noah einen neuen Körper baust, falls du mich nicht besiegst! Und du hast mich ganz eindeutig nicht besiegt!" Wie vom Donner gerührt steht Kaiba da. Für einen Moment hat er völlig die Sprache verloren. Hinter seiner Stirn scheint es heftig zu arbeiten. Schließlich kann er die Benommenheit abschütteln. "Du hast mich ausgetrickst!", sagt er leise, "Du hast mich wiedereinmal hereingelegt! Das hast du von Anfang an geplant gehabt. Du hast es darauf angelegt meine Punkte zu erhöhen und deine zu verringern, und ich Narr hab dir sogar dabei geholfen! "Es war genau so sehr dein Ziel meinen Schnappstahl zu erhalten, wie mir deinen Entkräftungsschild zukommen zu lassen. Und dann hast du mich noch in Sicherheit gewiegt und mich glauben lassen, ich hätte eine Chance dich mit meinem Ultradrachen zu besiegen. Dabei war es doch genauso dein Plan, deine Punkte durch meinen Drachen soweit zu reduzieren, dass du deine Falle spielen konntest, hab ich nicht recht!" Leicht nickt Yuki: "Ja du hast recht! Das war mein Plan. Ich kenne dich so gut, dass es nicht schwer war deine Züge vorauszuahnen." Kaiba verkrampft sich. Energisch wendet er sich ab. Er scheint schwer um seine Fassung zu ringen. "Ich habe dich ganz eindeutig nicht besiegt!", presst er hervor, "Du hast mich doch das ganze Duell lang am Gängelband entlang geführt, und ich habe dir vollkommen ahnungslos aber umso effektiver zugearbeitet. Ich habe... versagt und das auf ganzer Linie!" Zögernd macht Yuki einen Schritt auf ihn zu. "Du hast ein hervorragendes Duell bestritten!", versucht sie ihn zu ermutigen, "Seit langem hatte ich nicht mehr eine solche Herausforderung! Du bist ein ausgezeichneter Duellant, das nächste Mal wirst du wieder derjenige sein der gewinnt!" Mit einem Ruck fährt Kaiba herum. Nun liegt unverhehlter Hass auf seinem Gesicht. "Hör auf mich zu verspotten!", schreit er, "Du bist noch genau so schlimm wie damals! Es bereitet dir doch Vergnügen mich zu erniedrigen und zu demütigen. Willst du mich nicht lieber auslachen wie damals? Das ist immerhin noch leichter zu ertragen als dieses entwürdigende Gutzureden von dir! Reicht es dir denn nicht, dass du damals mein Leben, so wie es mal war, zerstört hast? Musst du mich nun wieder so demütigen?" Jetzt wird auch Yuki wütend: "Ich will dich doch gar nicht demütigen, du dämlicher Sturkopf! Alles was ich will ist, dass du endlich aufhörst um den heißen Brei herumzureden. Wenn du ein Problem mit mir hast, dann sag es endlich!" Mit einer wütenden Geste schlägt Kaiba in die Luft: "Warum sollte ich das tun? Warum willst du mich unbedingt zwingen, mich an Dinge zu erinnern die längst der Vergangenheit angehören?" "Weil... du dir da krampfhaft Sachen einredest die einfach nicht wahr sind!", ruft Yuki händeringend. Einen Momentlang scheint Kaiba mit sich zu ringen. Dann sagt er mühsam beherrscht: "Alles woran ich mich erinnere ist, dass du damals in dem Arbeitszimmer deines Vaters versprochen hast, mir den Weißen Drachen mit eiskaltem Blick zu schenken sobald du ihn bekommen würdest. Doch du kannst jetzt gerne zugeben, dass du niemals vorhattest dein Versprechen zu halten. Ich war es in deinen Augen doch nicht wert diese Karte zu besitzen; du selbst hast das damals gesagt an dem Tag im Waisenhaus, als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Streite es bloß nicht ab, deine eigene Technik hat mir die Wiederholung davon gezeigt! "Doch wie du siehst hat sich das inzwischen geändert. Ich bin der Leiter eines weltweiten, erfolgreichen Großunternehmens und zudem der alleinige Besitzer der drei einzigen Weißen Drachen mit eiskaltem Blick die noch existieren. Das bedeutet, dass ich nun doch den Drachen deines Vaters besitze. Und all deine Mühen ihn mir vorzuenthalten waren also letztendlich vergebens. "Inzwischen sollte es mehr als deutlich sein, dass ich zu einer Person geworden bin die es wert ist diese Karte zu besitzen. Wie sonst währe ich auch in ihren Besitz gekommen. Dabei muss ich allerdings erwähnen, dass ich den einen Drachen nicht von deinem Vater erhalten habe. Es gab andere arme Irre die so dumm oder so verzweifelt waren, mir schließlich ihren Drachen zu überlassen." "Aber das wollte ich dir doch schon die ganze Zeit sagen!", fällt Yuki ihm jetzt ins Wort, "Ich konnte dir den Weißen Drachen damals gar nicht geben, denn... ich habe ihn ja selbst nicht erhalten." Überrascht wendet Kaiba sich zu ihr um: "Was soll das heißen?" Yuki ballt die Faust. "Erinnerst du dich? Wir haben erst eine Weile nach dem Tod deiner Eltern von dem Unglück erfahren, denn ich war damals gemeinsam mit meinem Vater im Ausland auf Geschäftsreise. Die Geschäfte liefen nicht gut für ihn damals. Er wollte Schadensbegrenzung betreiben. Und es blieb ihm einfach nichts übrig als seinen Weißen Drachen mit eiskaltem Blick an seinen Schuldiger, einen gewissenlosen Sammler, zu verkaufen. "Ich flehte meinen Vater an es nicht zu tun. Ich wusste doch, dass ich versprochen hatte ihn dir zu schenken und wie sehr du ihn dir gewünscht hast. Aber es blieb ihm keine andere Wahl, er musste es tun. Ich war verzweifelt! Ich wusste einfach nicht wie ich dir das beibringen sollte, besonders als wir die Nachricht vom Tod deiner Eltern erhielten. Mir war klar, dass ich dir das nicht auch noch antun konnte. "Also beschloss ich so zu tun, als müsstest du dir den Drachen erst noch ein bisschen verdienen. Ich hoffte, dass es meinem Vater bis dahin gelingen würde den Drachen wieder zurückzukaufen, doch dazu ist es niemals gekommen." "Und das soll ich dir glauben?", ruft Kaiba aus, aber seine Stimme schwankt leicht. "Es ist die Wahrheit!", gibt Yuki zurück. Kaiba steht regungslos da. Alle Augen sind nun auf ihn gerichtet um zu sehen wie er reagiert. Sein Herz rast und seine Handflächen werden feucht. Kann er es riskieren ihren Worten zu trauen? Nein, das kann nicht stimmen! Auf keinen Fall hat sie sich damals solche Gedanken um ihn gemacht! Das würde gegen alles sprechen was er jemals von ihr gedacht hatte. Jemals? Nein nicht immer, es gab mal eine Zeit da... nein, sie beide sind niemals Freunde gewesen! Nein, nein, nein! Es vergeht eine lange Zeit bis er wieder zu ihnen hinüber blickt. "Du hättest mir das sagen sollen!", sagt er schließlich, "Aber anscheinend war es dir lieber, mich offen und mit aller Macht vor den Kopf zu stoßen. Endlich konntest du dein wahres Gesicht zeigen und mich wissen lassen was du wirklich von mir denkst." Fassungslos schüttelt Yuki den Kopf: "Du glaubst wirklich noch immer, dass ich dich damals nur ausgenutzt habe und du das arme Opfer warst? Dann werde ich dir etwas zeigen, was dich vielleicht endgültig vom Gegenteil überzeugen wird!" Mit einer leichten Bewegung ihrer Hand befinden sie sich auch schon wieder in der Nähe des schicksalhaften Baumes. Kaiba reißt die Augen auf und es kommt wieder Leben in ihn. "Nein, das wirst du bleiben lassen!", ruft er drohend, "Komm nicht auf die Idee mir das noch einmal zu zeigen!" "Ich habe auch gar nicht vor, dir deine Rettungsaktion noch einmal zu zeigen", entgegnet sie ernsthaft, "Ich werde dir zeigen was davor geschah, denn offenbar hast du das ja vergessen." "Wag das ja nicht!", meint Kaiba gefährlich. "Warum nicht?", kommt es eben so ernst zurück. Kaibas Mine ist in Aufruhr: "Weil ich das nicht sehen will, klar? Ich will es nicht sehen und nie wieder daran denken!" "Warum denn nicht, Seto?", ruft Yuki fast verzweifelt, "Das was damals geschah, das war die Wahrheit, nicht das was du dir jetzt so krampfhaft einredest!" Neben dem Baum erscheinen drei Gestalten. Der junge Seto, Yuki und der kleine Mokuba. Doch auf einmal beginnen die Gestalten zu flackern. Yukis Blick geht zu Kaiba, er wirkt ungeheuer konzentriert und vor allem wütend. "Ich will das nicht sehen, verstanden? Und ich lasse es auf keinen Fall zu, dass du mich dazu zwingst!" Die Gestalten verschwinden wieder, Kaibas Wille ist stärker als das Programm. Einen Augenblick lang sagt Yuki nichts, dann atmet sie tief durch und geht langsam auf Kaiba zu. Mit einer angewiderten Mine sieht er ihr entgegen, er ist so angespannt, dass er fast zittert. Schließlich steht sie vor ihm. Erst schaut sie ihn nur mit großen, kummervollen Augen an, dann legt sie ihm sanft die ausgestreckte Hand auf die Schulter und sagt: "Seto, lass es einfach geschehen! Du musst es einfach akzeptieren!" Einen Momentlang herrscht Stille. Unfähig sich zu bewegen starrt Kaiba sie an. Dann plötzlich mit einem scharfen Ausatmen entweicht der verzweifelte Wiederstand aus seinem Körper und kraftlos lässt er den Kopf hängen und wendet sich ab. Die Gestalten unter dem Baum erscheinen wieder. "Das ist echt toll hier, Seto!", ruft Mokuba gerade begeistert, "Vielen Dank, dass du mich mitgenommen hast!" Der junge Seto lächelt mild. "Schon gut Moki, drinnen ist es eh zu öde bei dem schönen Wetter. Yuki und ich waren schon oft hier draußen. Es ist echt klasse hier! Hinter dem Hügel ist sogar ein Fluss." "Was wirklich?", Mokuba bekommt leuchtende Augen. "Ja", bestätigt Seto, "Du kannst ja was spielen gehen. Ich muss nur kurz was mit Yuki bereden, dann geh ich mit dir zum Fluss runter!" "Toll!", ruft Mokuba und strahlt. Er packt seinen kleinen Papierflieger fester und läuft auf die Wiese. Unsicher schaut Seto zu Yuki hinüber die ihn scheu anlächelt. Zögernd nehmen sie beide neben dem Baum Platz. "Also was willst du mir sagen?", fragt Yuki schüchtern. "Na ja...", meint Seto nun und druckst etwas herum. Dann fasst er sich ein Herz. "Weißt du, ich wollte dir nur sagen, dass ich dir dankbar bin, dass du immer noch mit mir spielst. Ich weiß ja, dass ich nicht mehr so viel Zeit für dich habe, seit mein kleiner Bruder da ist. "Meine Eltern sind ja nur so selten da und da muss ich ja immer auf ihn aufpassen. Du bist die Einzige die überhaupt noch mit mir spielt. Die anderen Kinder aus meiner Klasse, haben keine Lust darauf zu warten, dass ich irgendwann mal Zeit habe, aber zu dir darf ich immer kommen. Dafür wollte ich dir danken!" Verdattert schaut das kleine Mädchen ihn an. Schließlich fängt sie sich wieder. "Das... ist doch kein Problem, Seto! Schließlich sind wird doch Freunde und ich... hab dich wirklich gerne! Mit mir will doch sonst auch keiner spielen, die denken doch alle nur weil ich in einer Villa wohne, wäre ich ein Snob, dabei kann ich doch nichts dafür, dass mein Vater so reich ist. Aber mit dir kann man immer so toll spielen, und du bist so ein... lieber Kerl, und du passt immer so gut auf deinen kleinen Bruder auf, das find ich echt toll!" Verlegen schaut der junge Seto zur Seite: "Ach was, du bist doch kein Snob, Yuki!", meint er, "Mit dir kann man auch ganz toll spielen. Und ich... hab dich wirklich auch ganz gerne!" Mit großen, grünen Augen schaut sie ihn an: "Ist das wahr?" Seto nickt schüchtern. Dann kramt er in seiner Hosentasche und nach kurzem Suchen und umständlichen Verrenkungen fördert er einen kleinen Gegenstand zutage. "Ich... hab hier etwas für dich! Als Dank dafür, dass du mir den Weißen Drachen mit eiskaltem Blick schenken willst, sobald du ihn hast. Es ist... nichts besonderes und es ist auch kein bisschen so viel wert wie der Drache, aber ich möchte trotzdem, dass du ihn bekommst. Er soll zeigen... wie viel du mir bedeutest und wie dankbar ich dafür bin, dich zur Freundin zu haben!" Mit einem schüchternen Lächeln streckt der junge Seto seine offene Hand aus. Yukis Augen werden groß. In seiner Handfläche liegt ein kleiner, glitzernder Plastikring mit einem roten Stein. Behutsam nimmt sie den Ring in die Hand. "Seto!", haucht sie ungläubig, "Der ist ja wunderschön! Vielen, vielen Dank!" Man kann sehen wie zufrieden der Junge mit ihrer Reaktion ist; ein schwerer Stein scheint ihm vom Herzen zu fallen. Rasch steckt das Mädchen den Ring an den Finger; er passt wie angegossen. "Den wird ich von nun an immer tragen!", ruft sie entzückt aus, "Ich weiß gar nicht wie ich dir danken soll, Seto! Du bist wirklich der aller, allerliebste Freund den man haben kann!" Mit diesen Worten beugt sie sich zu ihm hin und noch ehe er weiß wie ihm geschieht, hat sie ihm einen herzlichen Kuss auf die Wange gedrückt. Seto errötet, er kann es nicht verhindern. Mit knallrotem Gesicht wendet er sich ab. "Es freut mich, wenn er dir gefällt", sagt er verlegen. Dann atmet er einmal tief durch und schaut sie wieder an. Behutsam nimmt er ihre Hand mit dem Ring in die Hand und meint dann: "Ich möchte, dass dich dieser Ring immer an unsere Freundschaft erinnert und egal was passiert, wir werden immer Freunde bleiben, das verspreche ich dir!" Dabei schaut er ihr fest in die Augen. Die junge Yuki erwidert seinen Blick. In seinen wasserblauen Augen ist nichts als offene Herzlichkeit und Arglosigkeit zu erkennen. Zunächst bringt sie kein Wort heraus, dann drückt sie seine Hand etwas fester: "Versprochen!" In genau diesem Augenblick ertönt ein spitzer Schrei und beide Gesichter fahren erschrocken herum. Doch im gleichen Moment friert die Szenerie ein und verblasst dann langsam. Aufmerksam haben die vier Beobachter das Geschehen verfolgt. Nun wenden sich alle Blicke Kaiba zu. Mit gesenktem Kopf steht der junge Mann da. Sein Gesicht ist nicht zu erkennen, aber seine Haltung wirkt kraftlos und er atmet tief ein und aus, als ringe er um seine Fassung. Eine bedrückende Stille liegt über der Ebene. Schließlich bricht Yuki das Schweigen. "Glaubst du mir immer noch nicht, dass wir Freunde waren, Seto?", fragt sie behutsam. Nun hebt Kaiba den Kopf. Um seine Mundwinkel zuckt es merklich. Einmal noch atmet er tief ein, dann sagt er mit unverkennbarer Bitterkeit in der Stimme: "Doch, ich weiß, dass wir mal Freunde waren. Das wusste ich die ganze Zeit. Aber seit dem Tag als wir uns zum letzten Mal gesehen haben, habe ich alles versucht um das zu vergessen. "Besonders diesen Tag wollte ich aus meinem Gedächtnis streichen. Es war der Tag meines Lebens, den ich im nachhinein am meisten bereut habe." "Weil du mich nach dem Vorfall im Fluss, so sehr vor den Kopf gestoßen hast?", fragt Yuki, "Weil du mir nur ein paar Minuten zuvor versprochen hattest, dass wir immer Freunde bleiben würden, ganz gleich was geschieht, und mich dann danach voller Verachtung davongejagt hast?" Bitter lacht Kaiba auf: "Ganz sicher nicht! Es war ja deine Schuld! Zumindest... hab ich mir das eingeredet." Mit leidvoller Mine wendet er den Blick ab. "Im Grunde wusste ich immer, dass es meine Schuld war. Ich hätte auf Mokuba besser aufpassen müssen! Ich war schließlich für ihn verantwortlich. Aber... ich wollte unbedingt einmal etwas Zeit mit dir allein verbringen. "Ich hatte solche Schuldgefühle, dass ich dich so lange vernachlässigt hatte und ich wollte es wieder gut machen. Mir waren meine eigenen Wünsche wichtiger als Mokuba und so war es mir egal was er machte, solange es nur für einen Augenblick zwischen uns sein konnte wie zu der Zeit wo er noch nicht da war. "Aber weil ich so egoistisch war, hätte ich beinah meinen kleinen Bruder verloren. Ich habe mir hinterher solche Vorwürfe gemacht. Der Gedanke, ihn zu verlieren, hat mir fast den Verstand geraubt und auch die Tatsache, dass ich dann dafür verantwortlich wäre. Also redete ich mir ein, dass das Ganze deine Schuld war, denn schließlich warst ja du der Grund dafür, weshalb ich mich nicht um meinen Bruder gekümmert habe. Hinterher kam ich mir dumm und töricht vor, deine Gesellschaft vor die Sicherheit und das Wohlergehen meines kleinen Bruders gestellt zu haben und wie sich später herausstellte, war mein Gefühl ja richtig!" Beunruhigt schaut Yuki ihn an. "Was meinst du damit?" Sie kommt einen Schritt näher. "Seto, sag mir endlich was mit dir los ist! Ich bitte dich, rede mit mir! Was hat dich so sehr verletzt, dass du es für besser gehalten hast, unsere Freundschaft für immer aus deinem Gedächtnis zu verdrängen?" Scharf funkelt Kaiba sie an. "Tu doch nicht, als wüsstest du das nicht!" Mit großen kummervollen Augen hält sie seinem Blick stand, aber sie sagt nichts. "Du willst es wirklich wissen?", zischt Kaiba, "Ich zeig es dir!" In die Landschaft um sie kommt Bewegung. Ein heftiger Wind kommt auf der die vier beinah von den Füßen fegt. Yami und Noah haben alle Mühe nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Schließlich kommt die Kulisse wieder zur Ruhe. Vor ihnen sehen sie erneut das Waisenhaus in dem Seto und sein kleiner Bruder nach dem Tod ihrer Eltern eine Zeitlang verbracht haben. Auf dem kleinen, asphaltierten Spielplatz daneben sehen sie zwei Gestalten: Yuki und Seto. Gerade sagt das Mädchen: "Wer möchte schon mit einer Heulsuse wie dir befreundet sein? Zeig mir erst mal, dass du nicht so ein Weichling bist wie ich immer dachte." Dann wendet sie sich kühl ab und geht davon. "Vorher werd ich dich auch nicht mehr besuchen kommen. Leb wohl Seto!" Erneut beobachten Kaiba und die anderen wie der kleine Junge auf der Schaukel mit Tränen in den Augen und schniefender Nase ihr hinterher blickt. "Nein geh nicht!", flüstert er, "Ich kann auch anders sein. Ich kann mich verbessern. Eines Tages werde ich es wert sein, dein Freund zu sein!" Doch das Mädchen, dass mit erhobenem Kopf auf die schwarze Limousine zusteuert die vor dem Tor steht, macht keine Andeutungen, dass sie ihn gehört hätte. Ohne sich noch einmal umzudrehen öffnet sie die Autotür und steigt ein. In diesem Moment erscheint auf dem Spielplatz ein Mann in einem vornehmen Anzug und schaut ihr hinterher während er auf den Jungen auf der Schaukel zugeht. Schließlich steht er neben ihm. Mit rotgeweinten Augen blickt Seto zu Yukis Vater hinauf. Nun bückt sich der Mann auf Setos Augenhöhe hinab. "Kopf hoch mein Junge!", meint er ermutigend, "Ich habe gerade mit der Heimleitung gesprochen und ihnen gesagt, dass sie dich und Mokuba gut behandeln sollen." "Der Junge schnieft einmal vernehmlich und wischt sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. "Hast du dich von Yuki verabschiedet?", fragt der Vater nun weiter, "Dann werden wir jetzt fahren. Wenn ihr irgendetwas brauchen solltet, dann ruft einfach an!" Er richtet sich wieder auf. Tief unglücklich blickt der Junge zu ihm auf. Seine Augen scheinen den Mann wortlos um Hilfe anzuschreien. Die Mine des Mannes wird nun ebenfalls betrübt. "Glaub mir", beginnt er, "Mir tut es wirklich sehr leid für euch, was mit euren Eltern passiert ist. Du warst so oft bei uns, dass ich dich fast schon als meinen eigenen Sohn ansehe, und ich würde dich und deinen Bruder am liebsten auf der Stelle adoptieren und mit zu uns nehmen. "Aber leider ist das unmöglich. Ich habe zwar keine Ahnung warum, aber vorhin als ich diese Idee zur Sprache brachte, hat Yuki mich fast auf Knien angefleht, dass ich dich auf keinen Fall adoptieren soll." Man kann sehen wie dem Jungen nun gänzlich die Gesichtszüge entgleisen. Doch der Mann klopft ihm nun aufmunternd auf die Schultern und wendet sich dann zum Gehen. Mit bleichem Gesicht und geröteten Augen muss der junge Seto sehen, wie der Mann zur Limousine hinüber geht, einsteigt und dann schließlich das Auto den Hof verlässt um dann für immer aus seinem Blickfeld zu verschwinden. Kaum ist das geschehen, da verblassen auch schon die Personen vor den Augen der Beobachter. Fassungslos starrt Yami nun Yuki an. Er kann nicht glauben, was er gerade gehört hat. Bis eben hat auch er geglaubt was sie bisher gesagt hatte, doch diese neue Wendung stellt das alles wieder in Frage. Warum hat sie Kaiba nicht helfen wollen? Ob er doch mit allem recht gehabt hat? Kein Wunder, dass er eine solche Wut auf sie hat. Schweigend steht Yuki da und blickt zu Boden. Mit grimmiger Mine funkelt Kaiba sie an. "Willst du etwa behaupten, dass das auch nicht passiert ist, Yuki?", sagt er nun mühsam beherrscht. Yukis Mundwinkel zucken und sie zittert leicht. "Mein Vater...", bringt sie hohl hervor, "Ein herzensguter Mensch aber leider nicht das kleinste bisschen Taktgefühl!" Das ist zuviel für Kaiba. "Taktgefühl?", schreit er auf, "Was hat das mit Taktgefühl zu tun? Die ganze Zeit erzählst du mir schon wir wären Freunde gewesen und es gab tatsächlich mal eine Zeit, wo ich das auch geglaubt habe. Aber das da hatte nicht das Geringste mit Freundschaft zu tun! Nach dem Tod unserer Eltern, war ich am Boden zerstört. Ich hatte keine Ahnung was aus uns werden sollte. Unsere Eltern waren arm, sie hatten nichts was sie uns hinterlassen konnten. Es gab ja noch nicht einmal Verwandte die sich unser annehmen konnten. "Ich war nun der einzige der sich noch um Mokuba kümmern konnte. Ich wusste, dass es meine Aufgabe als großer Bruder war ihm über diese schwere Zeit hinwegzuhelfen. Aber ich war noch ein Kind! Ich habe meine Eltern so sehr vermisst, wie du es dir gar nicht vorstellen kannst und ich hatte nicht die geringste Ahnung wie es nun weitergehen sollte! "Ich hatte so sehr gehofft, dass ich mich auf dich verlassen könnte, denn ich dachte wir wären Freunde, egal was kommt. Wir hatten uns geschworen immer füreinander da zu sein und ich war mehr als bereit und entschlossen dieses Versprechen einzuhalten, aber dann als ich dich am meisten gebraucht habe, da hast du mich einfach hängen lassen! Du hast mich im Stich gelassen und das habe ich niemals verstanden!" Mit bleichem Gesicht steht Yuki nun vor ihm. "Du hast recht, Seto, es war ein Fehler. Von dem Gespräch zwischen dir und meinem Vater wusste ich nichts. Hätte ich geahnt was er dir gesagt hat, hätte ich früher erkannt was der Grund für dein Verhalten war und vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Aber du musst mich verstehen, ich habe damals eine schwere Entscheidung treffen müssen... und offenbar war es die falsche." "Entscheidung?", Kaiba schnappt nach Luft, "Was für eine Entscheidung? Du hast mich eiskalt abserviert!", seine Stimme zittert, "Ich war am Boden und du hast mir noch einen Tritt gegeben. Ich dachte wirklich wir wären... Freunde." Seine Stimme bricht. Hastig wendet er sich ab. Unschlüssig schauen die drei auf seinen Rücken. Wage sieht man wie seine Schultern beben. Zaghaft macht Yuki ein paar Schritte auf den jungen Mann zu. "Seto...?", versucht sie es erneut, "Es tut mir wirklich schrecklich leid! Aber du musst das verstehen, ich hatte einfach... keine andere Wahl!" Hastig fährt sich Kaiba mit der Hand über das Gesicht dann dreht er sich wieder zu ihr um. Schwach schüttelt er den Kopf. In seinen blauen Augen liegt nun nichts mehr als tiefer Seelenschmerz. "Warum Yuki?", fragt er mit hohler Stimme, "Warum hast du mir das angetan? Warum hast du mich im Stich gelassen, als ich dich am meisten brauchte?" Nun ist es Yuki die es nicht über sich bringen kann zu antworten. Sie beißt sich auf die Lippen und wendet den Blick ab. Ihre Hände sind zu Fäusten geballt. "Ich... kann es dir nicht sagen", stößt sie schließlich hervor. Doch Kaiba gibt sich damit nicht zufrieden. Mit wenigen Schritten ist er bei ihr und packt grob ihr Handgelenk. "Warum hast du das getan?", schreit er sie an, "Sag mir endlich warum!" Vergeblich versucht sie sich aus seinem Griff zu entwinden. "Ich kann nicht!", schreit sie zurück. In ihren Augen liegt ebenfalls Schmerz. "Sag es mir! Auf der Stelle!", sein Griff wird immer fester und seine Augen halten sie ebenfalls gefangen, so dass es kein Entkommen gibt. Yuki wendet ruckartig das Gesicht ab. Diese tiefe Verzweiflung in seinem Blick erträgt sie nicht länger. "Lass mich! Ich kann es dir einfach nicht sagen!", wehrt sie erneut ab. Doch nun packt er auch ihren anderen Arm mit der Hand, so dass ihr nichts anderes übrig bleibt als ihn anzusehen. Was sie jedoch sieht verschlägt ihr zunächst die Sprache. Über die Wange ihres Jugendfreundes rollt eine einzelne Träne, die jedoch mehr von dem Schmerz und Leid des sonst so stolzen, jungen Mannes preisgibt, als er jemals mit Worten ausdrücken könnte oder würde. "Bitte Yuki!", flüstert er, "Ich muss es einfach wissen. Ich denke das bist du mir schuldig! Wir waren die besten Freunde. Wir haben alles zusammen gemacht und alles geteilt. Warum hast du dann deinen Vater angefleht, uns nicht zu adoptieren?" Yuki blickt mit klopfenden Herzen in seine feuchtglänzenden, blauen Augen und erkennt deutlich wie verzehrend er auf diese Frage eine Antwort sucht. Nein, diesen flehenden Blick erträgt sie nicht länger. Mit einem Ruck reißt sie sich los. Er wehrt sich nicht länger. Nun spürt sie wie auch ihre Augen sich mit Wasser füllen. "Weil...", beginnt sie stockend, doch dann bricht es mit einem Schluchzen aus ihr heraus, "Weil ich dich nicht als Bruder haben wollte!" Für einen Moment ist das einzige Geräusch, dass zu hören ist Yukis verzweifelter Versuch ihre Tränen zurückzudrängen. Alle Augen ruhen nun auf ihr. Noahs Gesicht ist ausdruckslos, und lässt nicht erkennen was er denkt. Yami allerdings steht die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Das versteh ich einfach nicht!, denkt er bei sich, Das macht doch gar keinen Sinn! "Warum will sie ihn nicht als Bruder haben?", meldet nun auch Yugi sich wieder zu Wort, "Sie hat doch die ganze Zeit gesagt wie gut sie mit ihm befreundet war. Die beiden standen sich anscheinend mal recht nah und trotzdem reicht es nicht aus um ihn in ihre Familie aufzunehmen?" "In der Tat seltsam!", gibt auch Yami zu, "So wie sie sich bisher aufgeführt hat, hatte ich angenommen, dass ihr die Freundschaft mit Kaiba sehr wichtig war und ist. Die ganze Zeit schon versucht sie die Kluft zwischen ihnen zu kitten, warum stößt sie ihn jetzt erneut so vor den Kopf?" Seine Augen weiten sich als ihm plötzlich etwas einfällt: "Es sei denn..." Kaiba scheint von all dem jedoch nichts bemerkt zu haben. Sein Blick ist noch immer unverwandt auf Yuki gerichtet. Doch nun wendet er sich steif ab: "Also hatte ich doch recht! Dir ist es niemals ernst mit unserer Freundschaft gewesen. Irgendwie hab ich das immer geahnt, doch nach diesem Tag hatte ich Gewissheit. "Auf einmal erkannte ich die ganze Wahrheit und so sehr es auch zunächst schmerzte, ich lernte die Wahrheit zu akzeptieren und alles was wir gemeinsam erlebt hatten endlich aus der richtigen Perspektive zu sehen. Ich fand mich damit ab, dass Freundschaft nur eine Illusion ist und letztendlich nur zu Enttäuschungen führt. Und ich schwor mir, dass mir so etwas niemals wieder passieren würde! "Wer sich auf Freunde verlässt ist verlassen, das habe ich damals erkannt. Also entschloss ich mich, zu meinem und Mokubas Besten, jemand zu werden, der es nicht nötig hat auf Freunde angewiesen zu sein. Wer Gefühle ins Spiel bringt, macht sich verletzlich. Nie wieder würde man mich verletzen, das stand eindeutig für mich fest!" Mit feuchten Augen hat Yuki ihm zugehört: "Oh, Seto!", flüstert sie, "Was habe ich dir nur angetan?" Dann kommt wieder Leben in sie. Ihr Entschluss ist gefasst. Sie vollführt eine rasche Handbewegung und neben Kaiba entsteht eine braune Holztür. Überrascht schaut er auf, doch noch bevor er richtig begreifen kann wie ihm geschieht, ist Yuki auch schon neben ihm, packt ihn am Arm und zieht ihn energisch mit sich durch die Tür. "Entschuldigt uns mal für einen Augenblick!", ruft sie noch, dann sind die beiden auch schon aus dem Blick der anderen beiden verschwunden. Verdutzt beobachtet Yami wie sich die Tür vor ihren Augen auflöst. "Was soll das denn nun wieder? Wohin will sie denn mit ihm?" Doch dann fällt sein Blick auf Noahs Gesicht und er hebt überrascht die Brauen. Noah steht noch immer am selben Fleck und hat die Arme verschränkt, aber nun schmunzelt er. "Dämliche Flimmerkiste!", schimpft Jonouchi, "Wohin sind die beiden denn jetzt verschwunden? Gerade jetzt wo es spannend wird!" Ungehalten schlägt er auf das Gehäuse des Monitors. "Wenn du weiter auf den Apparat einschlägst, werden wir bald gar nichts mehr sehen können", tadelt Honda. "Mir doch Wurscht!", mosert Jonouchi, "Ich will wissen wie es weitergeht. Das ist besser als jede Seifenoper. Hätte nicht gedacht, dass es jemanden gibt der diesen chronisch unterkühlten, besserwisserischen Wichtigtuer mal zum Weinen bringen könnte." "Stimmt, diese Yuki hat ihn wirklich tierisch in die Mangel genommen", bestätigt Honda, "Ich bin ja schon bei diesem Duell ins Schwitzen gekommen, wie muss es da erst Kaiba ergangen sein?" Grinsend schaut Jonouchi auf: "Hast du sein Gesicht gesehen als ihm klar wurde, dass er verloren hat? Dieses Bild werde ich mir merken für Momente in denen mich sonst nichts mehr aufheitern kann." "Genau!", gibt Honda ihm recht, "Sie hat ihn ganz schön ausgetrickst. Dieser kleine Dämpfer war schon längst mal überfällig, meinst du nicht auch Anzu?" Doch die junge Frau bedenkt die beiden nur mit einem missmutigem Blick. "Hey Anzu, stimmt was nicht?", fragt Jonouchi nun. "Ihr beide solltet euch wirklich schämen!", funkelt sie. Verdutzt schauen sich die beiden an. "Hmh? Hab ich was nicht mitgekriegt? Warum bist du denn so stinkig?", will Jonouchi wissen. "Ganz einfach!", erklärt sie, "Wenn ihr genau aufgepasst hättet, dann hättet ihr mitbekommen, dass Kaiba im Grunde nur ein ganz armer Kerl ist. Er hat es in seinem Leben immer sehr schwer gehabt und er musste einiges durchstehen. Dass er so geworden ist wie er nun mal ist, war eben seine Art damit umzugehen. Und es steht uns wirklich in keinster Weise zu, deswegen hinter seinem Rücken über ihn herzuziehen!" "Schon gut!", schmollt Jonouchi, "War ja nicht wirklich bös gemeint! Er ist zwar n Ekel aber er hat ja wohl Gründe dafür. Ich hoffe nur, dass diese Atsumi bald mit ihm fertig ist, oder sich zumindest mal wieder blicken lässt, die Neugierde bringt mich nämlich um!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)