Wish - A Strange Country von Chiyo-Siniya ================================================================================ Kapitel 1: Die Party - Neue Bekanntschaften ------------------------------------------- Kleiner Hinweis: Koryu, der schnucklige Dämon aus Wish gehört nicht mir, sondern Clamp... naja nicht ganz. In meinen Träumen gehört er mir - und zwar nur mir XDDDDD So und jetzt gehts los! ******************************************************************************** "So, jetzt ist die Wohnung fast komplett eingerichtet!" Chiyo stand mitten im Wohnzimmer und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Sieht doch gut aus, oder?" fragte sie ihre Mitbewohnerin Misaschi, die neben ihr stand. "Ja, auf jeden Fall. Wenn ich jetzt nur noch wüsste, wo ich den letzten DBZ-Band hinpacken soll.... Jetzt hab ich endlich die ganze Reihe komplett, aber mein Regal platzt jetzt schon aus allen Nähten. So ein Mist!" fluchte sie und starrte auf das mit Manga voll gestellte Regal. Resignierend legte sie den Band ganz oben auf die lange DBZ-Reihe, während sich Chiyo ein Grinsen kaum verkneifen konnte. Chiyo hatte nicht annähernd so viele Manga wie Misaschi, aber ihre übrigen Bücher füllten auch schon fast die komplette Fensterbank aus. "Aber ich denke, jetzt können wir uns ein Eis gönnen", sagte Chiyo, und verzog sich in die Küche. "Oh ja, gute Idee", freute sich Misaschi und folgte Chiyo in die Küche. Erst vor kurzem hatten sich die beiden Mädchen kennen gelernt, und waren gleich zusammengezogen. Sie verstanden sich einfach blendend. Jetzt standen sie kichernd in der Küche. Misaschi hatte gerade einen Witz über Chiyos Lieblingschara aus Yu-Gi-Oh! gemacht und Chiyo bemühte sich redlich, unter Lachanfällen das Eis auf dem Teller zu portionieren. Doch sie traf mit dem Löffel immer nur den Tellerrand, bis Misaschi ihr den Löffel aus der Hand nahm und sich selbst darum kümmerte. Und Chiyo flüchtete ins Wohnzimmer, wo sie sich lachend auf die Couch fallen ließ. Am Abend sollte ihre Einweihungsparty steigen, und viele Gäste würden die 2-Zimmerwohnung füllen. Und da die Party unter dem Thema Visual-Kei laufen sollte, hieß es nun richtig stylen. Voller Vorfreude schlüpfte Chiyo in ihr langes, schwarzes Kleid und kämmte ihre langen, ebenfalls schwarzen Haare. "Ach, Chiyo, hast du schon gehört, dass unser Nachbar, der ja auch heute Abend da ist, noch jemanden mitbringt?" rief Misaschi aus dem Badezimmer. "Oh, cool" freute sich Chiyo. "Wenn sein Kumpel auch nur halb so gut aussieht wie er, werde ich heute wohl aus dem Flirten nicht mehr herauskommen", sagte sie grinsend. "Aber vergiss nicht, der Nachbar ist meiner!" Misaschi stand jetzt in Chiyos Schlafzimmer und sah sie mit einem Blick an, der Chiyo wahrscheinlich höllische Qualen versprechen sollte, sollte sie es auch nur wagen, den Nachbar auch nur länger als zwei Minuten anzusehen. "Schon gut, schon gut, das werden ja auch nicht die einzigen männlichen Wesen heute Abend sein", lenkte Chiyo ein. "Aber dafür darfst du mich jetzt schminken, Misaschi!" Mit diesen Worten schob sie Misaschi ins Bad und sah sie erwartungsvoll an. "Das Büffet ist jetzt auch fertig!" Chiyo rückte noch eine Schüssel Chips in die richtige Position und begutachtete den schwarzen runden Tisch, den sie von ihrer Mutter bekommen hatte. Dann naschte sie ein wenig von den Chips. "Mmmh, es geht doch nichts über die wahren Chio-Chips", meinte sie anerkennend. Misaschi stürmte ins Wohnzimmer. "Hey, futter nicht die ganzen Chips, die sollen doch noch reichen", rief sie vorwurfsvoll. "Tja, ich hab mich halt zum Fressen gern", grinste Chiyo. " Außerdem ist noch eine ganze Chio-Chips-Trommel in der Küche, falls du die übersehen hast." "Du konntest es wohl wieder nicht lassen", sagte Misaschi und verdrehte die Augen. Aber sie schmunzelte. Jahr und Tag aß Chiyo keine Chips, aber wenn es um Chio-Chips ging, konnte sie gut und gerne einen Fress-Wettbewerb gewinnen. Es klingelte. Misaschi und Chiyo sahen sich an. "Die ersten Gäste!" freuten sich beide und stürmten zur Tür. Was sich in dem engen Gang als etwas schwierig erwies. Aber Chiyo ließ Misaschi gerne den Vortritt. Misaschi öffnete die Tür, und die ersten beiden Mädchen traten ein, ließen freudig die Begrüßungsknuddeleien über sich ergehen und gingen dann schnurstracks ins Wohnzimmer, wo sie die Einrichtung, die Deko und vor allem Misaschis Manga bewunderten. Schon kurze Zeit später klingelte es wieder, und da Misaschi in eine heftige Diskussion über "Kizuna" verwickelt war, öffnete Chiyo. Und ihr verschlug es den Atem. Ihr netter, gut aussehender Nachbar Seto stand da und lächelte sie an. Aber hinter ihm.... Chiyo brachte kein Wort hervor angesichts dieses wirklich unwirklich schönen jungen Mannes, der hinter Seto stand. Er sah aus, als wäre er direkt aus einem Bishonen-Manga entsprungen. Zarte Statur, schwarze Haare, die ihm ein wenig ins Gesicht fielen, violette (!) Augen und ein Lächeln, das einen geradezu umhauen konnte. "....das ist Koryu. Ich hab ja gesagt, dass ich noch jemanden mitbringe. Ich hoffe doch, dass das wirklich in Ordnung geht?" Chiyo blinzelte. "Bitte was? Ach ja.... Klar natürlich. Warum nicht?" stammelte sie. Seto drehte sich zu seinem Begleiter um. "Du und deine Wirkung auf Frauen", raunte er Koryu zu. Der grinste kokett, was Chiyo noch mehr aus der Fassung brachte. Seto wandte sich wieder zu ihr. "Wollen wir hier draußen feiern?" fragte er. In diesem Moment tönte es aus dem Wohnzimmer: "Chiyo, wer ist da gekommen?" Chiyo wirbelte herum und gleich wieder zurück zur Wohnungstür. "Äh, ja klar, kommt rein... Draußen ist es ja doch ein wenig kühl, dank dem offenen Flur." Sie grinste verlegen und öffnete die Tür ganz, damit die beiden eintreten konnten. Dann versuchte sie ihre Stimme und vor allem ihre Sprache wieder zu finden, bevor sie Misaschi Antwort gab. "Seto ist da... mit seinem Kumpel. Kommt einfach mit", sagte sie zu den beiden und ging ins Wohnzimmer. Misaschi fiel Seto freudig um den Hals. "Schön, dass du da bist. Die anderen müssten auch bald kommen, dann können wir anfangen." Seto drückte ihr eine Flasche Sekt in die Hand. "Kleines Einweihungsgeschenk und Stoff zum Feiern", sagte er lächelnd. Misaschi nahm die Flasche freudig entgegen. "Domo arigato" bedankte sie sich und stellte die Flasche erstmal in den Kühlschrank. Chiyo war ihr gefolgt und sah ihre Mitbewohnerin an. "Nicht schon wieder Sekt, ich hab doch noch von der Silvesterparty Kopfschmerzen...", jammerte sie. Misaschi zuckte mit den Schultern. "Tja, wenn du wirklich einen Sekt von Seto verschmähen willst.... Dann bleibt mir mehr!" Sie grinste frech. Chiyo wedelte mit den Händen. "Nein, nein... so war das nicht gemeint. Ich will nur nicht wieder so viel erwischen wie an Silvester. Übrigens... hast du Setos Kumpel gesehen? Der sieht ja noch besser aus, als die Polizei erlaubt..." Chiyo quasselte vor sich hin und konnte es wirklich kaum fassen. Von so einem Typen hatte sie immer geträumt. Doch dann sank sie zusammen. "Aber der wird bestimmt nichts von mir wollen. So war's immer und so wird's immer sein..." Sie klang traurig. Misaschi sah sie an. "Komm mal kurz mit, Chiyo", sagte sie und schob die Freundin ins Schlafzimmer. "Jetzt hör mir mal zu. Du hast heute so groß getönt, dass du flirten willst. Das ist unsere Einweihungsparty und ich will dass du Spaß hast. Und wehe, du machst dich runter, nur weil du schlechte Erfahrungen gemacht hast. Das liegt hinter dir, du hast ein neues Leben angefangen, schon vergessen? Du hast mir selbst gesagt, dass du das Gefühl hast, dass hier alles klappen wird, was du dir vorgenommen hast, dass du alles bekommen wirst, was du wirklich willst. Ich finde, heute ist ein guter Zeitpunkt, richtig damit anzufangen!" Misaschi holte tief Luft. "Und jetzt geh da raus, amüsier dich und nimm dir das, was als Geschenk zu dir gekommen ist!" Ohne Chiyo auch nur ein Wort sagen zu lassen, schob Misaschi sie hinaus. Wieder mal hatte sie der älteren Freundin einen Tritt in den Hintern geben müssen, damit die endlich aus ihrem Loch herauskam. Eine knappe halbe Stunde später waren alle Gäste da, und die Party war schon im vollen Gange. Aus dem CD-Player tönten Anime-Soundtracks, J-Music und angesagte Bands wie "The Rasmus" und "Evanescene". Die Gläser mit dem Sekt waren bereits fast geleert, die Stimmung steuerte dem ersten Höhepunkt entgegen. Noch wagte es Chiyo nicht, sich näher mit Koryu zu beschäftigen, aber ihr war nicht entgangen, dass er ein paar Mal zu ihr herüber geschaut hatte. Was sie davon halten sollte, wusste sie nicht. Sie saß auf der Couch und redete ein wenig mit einer Freundin, aber sie bekam kaum mit um was es ging. "Hey, Chiyo, du hörst mir ja gar nicht zu. Und dein Blick...auweia. Wer ist denn der Glückliche?" fragte sie. Sie schien genau gemerkt zu haben, was mit Chiyo los war. "Wie bitte? Ach.... Niemand... wichtiges. Entschuldige mich bitte. Ich muss kurz die Tortillas wieder auffüllen." Chiyo stand auf und ging in die Küche. Dort begann sie hektisch nach einer frischen Schüssel zu suchen. Sie wollte keinesfalls Tortillas auffüllen, sondern eine weitere Schüssel mit Chips bereitstellen. Eigentlich wollte sie nur etwas zu tun haben. Sie beugte sich zu der Chipstonne hinunter und hantierte an dem Verschluss herum. "Nette Aussichten", hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich, die einfach göttlich klang. Und sie wusste auch, von wem sie stammte. Sie wirbelte herum, und starrte genau in violette Augen, die plötzlich nahe vor ihr erschienen waren. Zu nahe, wie sie fand. Rasch wandte sie ihr Gesicht ab, weil sie sich sicher war, dass sie knallrot geworden war. Aber irgendetwas musste sie sagen. "Findest du? Dabei habe ich doch nur versucht, die Chipstonne aufzumachen." Das sollte unschuldig-schlagfertig klingen, aber es war einfach nur dämlich, fand Chiyo. "Ja, das hab ich gesehen", antwortete Koryu. "Und scheinbar hattest du Probleme damit. Da haben Chips schon fast den gleichen Namen wie du, und du mühst dich ab. Na ja, vielleicht kann ich dir ja helfen... Für eine angemessene Gegenleistung dürfte das wohl kein Problem sein, oder?" Er lächelte sie beinahe frech an. Chiyo brachte mal wieder kein Wort hervor. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. War das nun einfach richtig dreist, oder sollte sie dieses Angebot als ihre Chance ansehen? Sie sah Koryu verständnislos an. "An... was hast du dabei gedacht?" fragte sie dümmlich. "Hmmm...." Koryu tat so, als würde er angestrengt nachdenken. "Weißt du was? Die Nacht ist noch jung, da wird mir sicher noch was einfallen. Nun, dann mach ich mich mal daran, dieses widerspenstige Ding aufzumachen. Ich kann nur hoffen, dass du diese Eigenschaft nicht auch noch besitzt." Er lachte leise, während Chiyo am liebsten im Erdboden versunken wäre. Kurze Zeit später trug Chiyo die Schüssel ins Wohnzimmer, gefolgt von Koryu. Nachdem sie die Schüssel abgestellt hatte, drehte sie sich zu Koryu um. "Danke noch mal für deine Hilfe." Sie versuchte, es normal klingen zu lassen, und so zu tun, als wäre das vorhin nicht gewesen. "Keine Ursache, hab ich gerne gemacht, vor allem in Vorfreude auf meine ,Entschädigung'", antwortete Koryu. Chiyo starrte zu Boden. "Hey, alles in Ordnung?" fragte er, ein wenig Besorgnis klang in seiner Stimme. Chiyo schwieg. Was sollte sie sagen? "Chiyo?" hakte Koryu nach. Er hob ihren Kopf hoch und sah ihr in die Augen. "Hey, das war ein Scherz. Ich hab nicht gewusst, dass du damit ein Problem hast. Ich dachte, du nimmst das nicht so ernst", sagte er leise. "Entschuldige...", flüsterte Chiyo. Stimme war ihr im Moment nicht möglich. "Ich war mir nicht sicher....ich wusste ja nicht wie du...so bist..." Das ging ja voll daneben, dachte sie verzweifelt. Koryu lächelte. "Klar, wie denn auch. Wir haben uns heute zum ersten Mal gesehen, und kaum miteinander gesprochen. Vielleicht sollten wir das nachholen." Er sah sich kurz um. Mittlerweile war die Balkontür geöffnet. "Am besten du holst dir eine Jacke, dann gehen wir auf euren Balkon. Hier ist es ein wenig zu laut für ein Kennenlern-Gespräch, findest du nicht auch?" Chiyo sah ihn überrascht an. Jetzt war er auf einmal so, wie sie es sich gewünscht hatte. Das Geschenk, das zu ihr gekommen war, annehmen? Jetzt sei der richtige Zeitpunkt dafür? Sie nickte und ging in den Flur. "Danke Misaschi", flüsterte sie leise, als sie sich die Jacke anzog. Koryu wartete bereits mit zwei Gläsern Sekt auf dem Balkon. Chiyo hob ein wenig überrascht eine Braue, denn irgendwie fühlte sie sich gerade an eine billige Seifenoper erinnert, was ein leichtes Grinsen auf ihr Gesicht zauberte. "Siehst du, du kannst sogar lächeln", sagte Koryu erfreut, was Chiyo erröten ließ. "Ja, eigentlich kann ich sogar richtig lachen, so dass ich nicht mal mehr Luft bekomme. Lass dir das mal von Misaschi erzählen", erwiderte sie immer noch grinsend. Sie sah auf die beiden Stühle, die schon seit dem Nachmittag aufgeklappt dastanden. Als hätte Chiyo gewusst, was heute Abend geschehen würde, hatte sie darauf bestanden, die Stühle aufzubauen. Jetzt wusste sie, wieso. "Im Sitzen lässt es sich besser... plaudern", sagte sie zu Koryu, immer noch an die Seifenoper denkend. Das Leben ist lediglich ein Spiel, hat ein sehr guter Freund mal zu mir gesagt, dachte sie. Ich werde wohl versuchen, auch dieses Level durchzuspielen. Lächelnd setzte sich Koryu, aber erst als es sich Chiyo bequem gemacht hatte. Er war wohl auch ein echter Gentleman, wenn man von den derben Witzen absah. Chiyo warf einen kurzen Blick durchs Fenster ins Wohnzimmer. Drinnen hatten sich auch bereits Pärchen gebildet, und Misaschi hatte Seto dazu verdonnert mit ihr zu tanzen. Oder war es vielleicht umgekehrt gewesen? "Na, dann erzähl doch mal was aus deinem Leben", fing Koryu unbekümmert an, nicht ahnend, dass er mal wieder einen von Chiyos vielen wunden Punkten angerührt hatte. Sie senkte den Blick. "Ich glaube, das willst du nicht wirklich wissen... Es war... nicht gerade schön, aber ich habe jetzt ganz neu angefangen, und das Vergangene soll mich nicht mehr behelligen!" Chiyo versuchte mit fester, entschlossener Stimme zu sprechen, aber das gelang ihr nicht. Noch immer quälte sie sich mit traurigen Erinnerungen, und den Schmerzen der Veränderung herum. Aber Koryu schien diese Unsicherheit zu überhören. "Ich finde, das ist wirklich eine gute Einstellung. Doch Erinnerungen machen uns zu dem, was wir sind, und sie sind eine gute Geschichte. Wenn man sie mit dem nötigen Abstand betrachten kann und das dauert sehr lange." Er sah sie an. "An welchen Punkt du auch immer stehen magst, ich bin mir sicher dass du das schaffen wirst. Hab einfach Vertrauen in dich selbst, dann klappt das schon. Und jetzt erzähl mir mal was über dieses kleine Städtchen hier, denn es kann sein, dass ich noch eine Weile länger bleiben kann." Chiyo blinzelte. Sie brauchte ein wenig Zeit, um seine Worte zu verdauen. Auch wenn sie, sie schon von jemand anderem gehört hatte, es war trotzdem etwas Besonderes, sie zu hören. Dann wurde ihr klar, was Koryu sonst noch gesagt hatte. "Du... du bist hier nur zu Besuch?" fragte sie ungläubig. Viele kannte sie hier ja noch nicht, deswegen hätte sie sich über eine solche Bekanntschaft sehr gefreut. "Ja, ich komme eigentlich von weit her. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Lass mal hören", meinte Koryu. Er sah nach Westen, wo viele Lichter leuchteten. "Was ist das da zum Beispiel?" fragte er neugierig. Chiyo holte tief Luft. "Interessant, dass du danach als Erstes fragst. Das ist der Militärflughafen...." Chiyo blinzelte. Ein wenig Licht drang vom Wohnzimmer in ihr Schlafzimmer. Aber wie es schien, hatte Misaschi die Rollos noch nicht hochgezogen. Also schlief sie noch. Chiyo drehte sich auf den Rücken und fasste sich an den Kopf. Nicht schon wieder, dachte sie entnervt. Wie viel Sekt hatte sie gestern Nacht schon wieder erwischt? Dabei wollte sie doch gar nicht so viel trinken, oder vertrug sie nichts mehr? Langsam erinnerte sie sich an mehr vom gestrigen Abend. Und an Koryu. Wie sie auf dem Balkon gesessen hatten, und sie ihm mehr anvertraut hatte, als sie eigentlich wollte. Aber über was sie alles geredet hatten, das wusste Chiyo nicht mehr so genau, sie war zu sehr von seinem wunderbaren Aussehen gefesselt gewesen. Und sie war überrascht gewesen, dass er sich den ganzen Abend ausgerechnet mit ihr beschäftigt hatte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sich an Misaschis Worte erinnerte. Und an andere Worte, die sie sich ebenso zu Herzen genommen hatte. Aber nun kamen die Zweifel. Wie lange würde es diesmal gut gehen, bis wieder die herbe Enttäuschung zuschlug? Wie lange war ihr Glück, wenn es denn so war, diesmal begrenzt? Mit einem Anflug von schwarzem Humor fragte sie sich, ob sie den Rekord von einer Woche schlagen könnte. Chiyo seufzte und verkroch sich unter der Decke. Sie liebte die leichte Dunkelheit darunter, sie gab ihr einen Hauch von Sicherheit, der eigentlich nur eine Illusion war. Aber das Verkriechen hatte noch einen anderen Grund: Ihr war fürchterlich kalt, wie sie jetzt feststellte. Als sie sich noch einmal bewegte, um sich noch tiefer zu vergraben, bemerkte sie auch noch, wie ihr alles wehtat. Was zur Hölle hatte sie letzte Nacht getan? Sie schlug die Decke zurück und stöhnte laut auf, was Misaschi, die gerade aufwachte, natürlich hörte. Sofort sprang sie auf und klopfte an Chiyos Tür. "Chiyo, alles in Ordnung bei dir?" fragte sie besorgt und öffnete die Tür. Sie sah eine Chiyo mit schweißnassem und schmerzverzerrtem Gesicht im Bett liegen. "Nö", jammerte Chiyo. "Mir tut alles weh!" Misaschi setzte sich an Chiyos Bett und befühlte die Stirn ihrer Mitbewohnerin. "Kein Wunder, so wie dein Kopf glüht, dürfte das ne' deftige Grippe sein", meinte sie. Chiyo stöhnte erneut auf, aber es schien ein wenig erleichtert zu klingen. Misaschi runzelte die Stirn. Erleichtert? Chiyo war erleichtert über eine Grippe? "Du packst dich jetzt erstmal in deine Decke und ich such mal das Fieberthermometer", ordnete Misaschi an. Chiyo nickte ergeben. Sie mussten gestern noch lange auf dem Balkon gewesen sein, und im Winter waren die Nächte nun mal kühl. Auch wenn die Tage zur Zeit sehr milde waren. Bevor Misaschi nach dem Thermometer suchte, setzte sie noch Wasser für Tee auf und legte die Beutel für Chiyos Kamillentee bereit. Das Mädel trinkt schon im gesunden Zustand literweise Kamillentee, da dürfte sie das jetzt auch nicht stören, dachte Misaschi und schüttelte dabei den Kopf. Wie konnte man nur Kamillentee mögen? Das war etwas, was sie an Chiyo überhaupt nicht verstand. Währenddessen ärgerte sich Chiyo gewaltig. Wenn sie krank war, konnte sie sich ja gar nicht mit Koryu treffen. Vorausgesetzt natürlich, er hätte daran irgendwie Interesse. Aber vielleicht war das ja auch besser so. Sie seufzte und wartete auf das Unvermeidliche - das Fieberthermometer. Dabei musste sie unwillkürlich grinsen, weil sie sich an ein gewisses RPG mit Misaschi erinnerte. Der Versuch, ihres Charas, einem Bakura Fieber zu messen und dessen Versuche, diesem Vorhaben auszuweichen. Zu allem Überfluss stellte Chiyo fest, dass sie jetzt auch noch Halsschmerzen hatte. Ja, klar, wenn ich schon mal Grippe krieg, dann aber schön die ganze Palette, dachte sie grimmig. Dann kam Misaschi mit dem Thermometer zurück und hatte ein ziemlich fieses Grinsen im Gesicht. Zweifellos hatte sie sich auch an das RPG erinnert. Chiyo verdrehte die Augen. Misaschi lebte wohl nach dem Motto: Rache ist süß. Misaschi drückte Chiyo das Thermometer in die Hand. "Messen darfst du selber", sagte sie, immer noch grinsend. Am Nachmittag klingelte es an der Türe. Misaschi öffnete und war gehörig überrascht, als Setos Kumpel vor der Tür stand. "Was um alles in der Welt machst du hier?" fragte sie rundheraus. Koryu sah sie an. "Ich übernachte zur Zeit bei Seto und da dachte ich, ich könnte mal kurz vorbeischauen", sagte er unschuldig. "Ach so", erwiderte Misaschi gedehnt. Ihr war keinesfalls entgangen, dass sich Koryu die halbe Nacht mit Chiyo auf dem Balkon unterhalten hatte. Weswegen Chiyo jetzt krank im Bett lag. Doch was wollte Koryu heute hier? "Lass mich raten, du willst sicher zu Chiyo?" fragte sie. Koryu nickte. "Ich weiß nicht, ob das so gut ist, sie hat ne deftige Grippe", fuhr Misaschi fort. "Oh!" Koryu klang fast ein wenig betroffen. "Ich wollte ihr eigentlich nur was vorbeibringen, aber vielleicht kann ich ja einen Krankenbesuch draus machen", sagte er. Misaschi zuckte mit den Schultern. "Komm rein, ich werde mal sehen, ob sie wach ist." Leise klopfte Misaschi an Chiyos Tür. "Chiyo, bist du wach?" Ein dünnes "Ja" klang von der anderen Seite der Tür. "Dann ist ja gut, denn du hast schon einen Krankenbesuch. Darf ich ihn reinlassen?" Chiyo starrte zur Tür. Konnte es sein, dass er...? "Ja, mach die Tür auf", antwortete sie und zog die Decke ordentlich hoch. Sie konnte es kaum fassen als Koryu hereinkam. "Hi, Chiyo. Na, da hab ich aber was angerichtet", meinte er fröhlich. "Darf ich?" fragte er dann und deutete auf die Bettkante. Chiyo nickte, total perplex. "Ich wollte dir ja eigentlich nur wie versprochen den Rubin mitbringen." Koryu kramte in seiner Jackentasche. "Hier!" Er hielt ihr einen kleinen, aber wunderschön rotschimmernden Edelstein an einem Lederband hin. Chiyo befreite ihre Hand von der Decke und griff danach. Dabei rutschte jedoch die Decke weiter herunter als beabsichtigt und ihr leichtes Nachthemd kam zum Vorschein. Sie hatte sich strikt geweigert, sich etwas überzuziehen, weil ihr sonst zu warm geworden wäre. Hätte sie das doch nur gemacht. Dann hätte sie sich jetzt die passende Gesichtsfarbe zum Stein sparen können. Koryu lächelte nur, und sah diskret zu Boden. Rasch legte Chiyo sich den Stein um den Hals und deckte sich wieder zu. "Danke Koryu, er ist wirklich wunderschön!" Jetzt konnte sie sich auch wieder an einen Teil ihres Gesprächs erinnern. Es ging um Koryus Namen und seine Bedeutung. "Dachte mir doch, dass er dir gefällt", antwortete er ihr lächelnd. "Und nun? Wie lange willst du denn krank bleiben?" fragte er frech. Chiyo grinste. "Eigentlich will ich ja.... gar nicht krank sein. Aber manchmal muss es eben sein." Sie sah zur Decke. Mit dem Stein schien ein Teil ihrer Sicherheit zurückgekehrt zu sein. "Eine Reinigung muss immer wieder mal sein. Nichts anderes ist eine Krankheit. Und wenn man bedenkt, wie viel ich in meinem Leben zu bereinigen habe..." Sie blickte verschwörerisch zu Koryu. Damit spielte sie auch auf ihr Gespräch von letzter Nacht an. Koryu nickte: "Ja, da könntest du recht haben. Und wieder muss ich deine Einstellung bewundern. Du bist etwas ganz Besonderes, weißt du das?" Chiyo senkte den Blick und ihr Herz setzte für einen Moment aus. "In dir ist eine enorm große Stärke, die dir nicht immer bewusst ist", fuhr Koryu fort. "Die habe ich sofort gesehen..." Er verstummte. Aber Chiyo war neugierig. "Wie hast du sie gesehen?" "Ist nicht wichtig", winkte Koryu ab. "Wichtig ist nur, dass du dich niemals unterkriegen lässt, egal was passiert. Und dass du weißt, dass du niemals alleine bist!" Er sah auf die Uhr. "Tut mir leid, aber ich muss schon wieder los. Seto will mit mir noch ein paar Freunde besuchen." Er stand auf. "Ich wünsch dir auf jeden Fall gute Besserung. Ich glaub, der Rubin wird dir dabei helfen." Chiyo nickte. "Ja, das wird er ganz sicher. Vielen Dank noch mal und viel Spaß!" Als Koryu fort war, lag Chiyo noch lange bewegungslos im Bett und dachte nach. Das war ja alles höchst interessant, aber was sollte es bedeuten? Sollte Koryu "nur" ein einfach guter Freund werden oder doch mehr? Und warum in aller Götter Namen kam er erst jetzt zu ihr, und nicht, wo sie ihn vielleicht am meisten gebraucht hätte? Aber sie hatte schon sehr früh gemerkt, dass die Wege des Universums (oder der Großen Göttin, wie sie oft zu sagen pflegte) nicht immer die waren, die sie gerne beschritten hätte. Chiyo seufzte. Sie sollte erstmal wieder gesund werden, und dann konnte sie weitersehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)