Eden von winterspross ================================================================================ Kapitel 8: Huit --------------- Huit ~für Jan~ "Der Junge fühlte sich wohl in dem großen Saal. Er stand unter dem Einfluss von Drogen und schlief so tief, dass ihn die anderen Patienten, die sich ebenfalls in dem Raum befanden, nicht wecken konnten. Er schlief schon lange. Man hatte ihn am Hafen gefunden, leblos und ruhig. Zuerst hatte man gedacht, er sei hirntot, doch das stimmte nicht. Die Ärzte, die ihn untersuchten, stellten eine rege Gehirntätigkeit fest: Er träumte. Daher wurde der Junge in die städtische Nervenklinik überstellt, wo sich Tag und Nacht Ärzte und Schwestern um ihn kümmerten. Aber der Junge wollte das nicht. Er wollte in Ruhe gelassen werden. Zuerst merkten die Angestellten nicht, was mit ihnen passierte. Doch als die ersten Schwestern, die den kleinen Schlafenden einmal ohne Handschuhe versorgten, leblos zusammenbrachen, bekam man Angst. Niemand wollte den Jungen versorgen. Er magerte ab und stank. Irgendwann kam ein grau gekleideter Mann in die Klinik. "Ich nehme den Träumer mit", waren seine einzigen Worte. Er trug lange Handschuhe aus glänzenden Metallfäden. Die Ärzte waren gespannt, als er den Jungen aus seinem Bett hob. Würde er auch zusammenbrechen? Doch nichts geschah. Der Fremde trug den kleinen geschwächten Körper fort. Als der Junge das erste Mal seit drei Jahren erwachte, erblickte er eine in beruhigendem Grün gehaltene Wand. Er versuchte den Kopf zu drehen, doch das war nicht möglich. "Deine Muskeln sind verkümmert", murmelte jemand. Der Junge erschrak fast zu Tode. Er wollte weg. So laut und ungedämpft hatte er Stimmen schon lange nicht mehr gehört. "Beweg dich nicht, Du könntest an der Anstrengung sterben." Was blieb ihm anderes übrig als zu gehorchen? So verharrte er, Stunden, Tage, Wochen. Irgendwann fielen ihm wieder die Augen zu. Als der Junge das zweite Mal erwachte, fühlte er sofort, dass etwas anders war. Um ihn herum waren Menschen, die hektisch an elektrischen Geräten herumhantierten oder ihn neugierig anstarrten. Es war entsetzlich laut und viel zu hell. Ein kleiner dicker Mann befühlte seine flache Brust. Er trug Metallhandschuhe. Der Junge schloss gequält die Augen und ließ die Prozedur über sich ergehen. Er fühlte sich wie ein Stück Fleisch. Irgendwann bemerkte er, dass ihm nicht nur Kabel unter die Haut, sondern auch in den Kopf gebohrt wurden. Das Hineindrücken und Schrauben fand er entsetzlich, doch es war nichts gegen das Gefühl des Skalpells, dass sich in seine Schläfen fraß. Er wollte schreien, doch seine Stimme versagte ein ums andere Mal. Wo war er hier? Was machten all diese Menschen mit ihm? Wer oder was gab ihnen das Recht, ihn zu quälen? Wieder zuckten Schmerzen durch seinen Körper. Dann wurde es schlagartig still. Totenstill, weich, warm. Genießend gab er sich der neuen Situation hin. Es war so gemütlich... Wunderbar, so zu träumen. Er schlief lange und tief. Manchmal hörte er die Stimmen von Menschen in seinen Träumen, die sich leise in seiner Nähe unterhielten. "Bald ist er bereit", murmelte jemand. "Nein, Herr Doktor. Er braucht noch etwas, um sich an die Fremdkörper in seinem Kopf zu gewöhnen", sagte ein anderer, der aufgeregt und jung klang. "Wenn wir ihn zu früh einsetzen, dann wird er sie abstoßen und das könnte katastrophale Folgen für sein Gehirn haben!" Ein Lachen. "Welche Folgen denn? Das, was wir bis jetzt vermuten ist, dass er nie mehr erwachen wird. Er ist in ein Wachkoma gefallen." "Aber Doktor!" "Verstehen Sie doch, Eisner. Der Träumer wird wahrscheinlich nie wieder erwachen." Doch der kluge Mann hatte sich getäuscht. Als der Junge das dritte Mal erwachte, sah er direkt in das panische Gesicht eines bärtigen Mannes. Zwei weißgekleidete Männer hielten den hysterisch um sich Schlagenden mit eisernem Griff fest, ein dritter presste die zitternde Hand auf die nackte Brust des Jungen. Der Mann schrie auf und erschlaffte augenblicklich. Es wurde warm, nein, unerträglich heiß im Raum. Und der Junge begann zu weinen, als er das erste Mal bewusst wahrnahm, was er getan hatte. Die sanften Hände in silbrig glänzenden Metallhandschuhen, die seine Tränen rasch trockneten, bemerkte er kaum. Die Wärme verflog schnell, doch die Hitze in seinem Körper blieb. Sein Kopf dröhnte. Er beschloss, nicht noch ein viertes Mal aufzuwachen. In seinen Träumen wurde es eng. Immer mehr schreiende, verzweifelte Menschen tauchten in seinen ausgedachten Wüsten, Schluchten und eisigen Landschaften auf. Nicht einmal im Dschungel war er noch vor den Verrückten sicher, die auf ihn und seine Gedanken losgelassen wurden. Irgendwann zog er sich als letzten Ausweg tief in sich selbst zurück, dorthin, wo ihm niemand nachfolgen konnte." ___ Wir nähern uns dem Ende, liebe Leser. Ich hoffe, die ,Lösung' des Rätsels ist euch nicht auf dem Silbertablett serviert und ihr müsst selbst noch etwas denken. +lächel+ Der Betadank geht wie so oft an zoeS. Vielen Dank für deine Kritik und seine Anmerkungen. spross Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)