At the end of the day von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Love hurts --------------------- Shuichi wusste eigentlich nicht genau, wohin er jetzt gehen sollte. Vor allen Dingen wurde ihm jetzt erst bewusst, wie er das Haus verlassen hatte. Er sah ein bisschen schäbig in den Klamotten aus, die Jacke war ja noch in Ordnung, aber die einfache Sporthose die er anhatte, sah irgendwie zu dämlich aus. Aber daran konnte er jetzt auch nichts mehr ändern. Wohin also? Diese Frage war eigentlich überflüssig. Denn wenn es ihm schlecht ging, kam er immer wieder auf eine Person zurück: Hiro. Aber als er anfing darüber nachzudenken wusste er auch nicht mehr, ob das so eine gute Idee war. Immerhin war es ja nicht so, als wäre zwischen ihm und seinem besten Freund nichts passiert. Sie hatten sich am vorherigen Abend geküsst - das konnte doch nicht einfach so unter den Tisch gekehrt werden. Das hatte doch seine Bedeutung gehabt, oder etwa nicht? Aber wohin sollte er denn sonst, vor allen Dingen in diesem Aufzug. Er beschleunigte seine Schritte. In seinem Kopf begann sich alles zu drehen und die eben abgelaufene Szene spielte sich wieder und wieder in seinem Kopf ab. Hatte er richtig gehandelt? Er hatte Yuki nicht einmal ausreden lassen, als er etwas sagen wollte. Doch wäre dabei mehr heraus gekommen, als die leeren Worte, die er sonst für ihn übrig hatte? Wären es nicht die gleichen Worte, die gleichen Versprechen gewesen, die dann doch nicht in Erfüllung gehen sollten? Aber er hatte es für sich getan. Er musste einmal damit abschließen können. Denn so konnte und wollte er einfach nicht mehr weiterleben. Mein Gott, wieso schien Hiros Wohnung jetzt plötzlich so unendlich weit? Yuki hockte auf dem Boden vor der Eingangstüre. Noch immer. Wie lange er dort nun schon saß wusste er selber nicht. Er hatte nur jeden Augenblick damit gerechnet, dass sie wieder aufging und Shuichi mit seinem sonst so üblichen strahlenden Lächeln herein geplatzt kam und seine gute Laune verströmte. Doch es geschah nichts. Es war völlig ruhig im Haus. Shuichi war gegangen. Und mit jeder weiteren Sekunde merkte Yuki, dass er nicht wieder kommen würde. Zumindest jetzt noch nicht. Vielleicht würde er sich in ein paar Stunden blicken lassen, oder am nächsten Tag. Irgendwann würde er sicherlich wieder kommen - zumindest hoffte er das. Mühsam rappelte er sich auf. Seine Beine schmerzten und er verfluchte sich dafür, so verkrümmt auf dem Boden gesessen zu haben. Er schleppte sich bis zum Sofa und ließ sich schwerfällig darauf nieder. Er vergrub sein Gesicht in den Händen. Er wünschte sich, jetzt einfach aufzuwachen und alles ungeschehen zu machen, was passiert war. Doch es war Wirklichkeit gewesen. Er spürte in sich den Ärger aufsteigen, dass er ihn einfach so hatte gehen lassen. Aber in diesem Moment war er wie vom Blitz getroffen gewesen und konnte sich nicht rühren. Und jetzt war es aus...alles vorbei. Und plötzlich stiegen ihm Tränen in die Augen. Verzweiflung. Er wusste nicht, was er machen sollte. Ohne Shuichi. Alleine. --------------- Hiro wirkte nicht überrascht, als er seinen besten Freund, wie so oft, an der Tür empfing. Als es schellte hatte er sich insgeheim schon gedacht, dass das nur Shuichi sein konnte. Warum auch immer. Aber als er in das Gesicht seines besten Freundes sah überraschte es ihn. Er hatte nicht geweint, er wirkte nicht aufgelöst oder verzweifelt. "Darf ich reinkommen?" fragte er leise und zeigte ein dankbares Lächeln, als Hiro ihn herein ließ. Wie hätte es auch anders sein können. Als er Shuichi im Flur musterte bemerkte er, dass er sich wohl recht spontan dazu entschlossen hatte zu ihm zu kommen. Hatte Yuki ihn wieder rausgeworfen? Wortlos ließ sich Shuichi in einen Sessel sinken. "Magst du auch etwas Tee?" Er nickte und wartete, bis Hiro aus der Küche zurückkam. Erst als er sich ebenfalls gesetzt hatte und Shuichi gespannt anblickte, platzte es dann aus ihm heraus. "Ich hab mit ihm Schluss gemacht!" Hiro verschluckte sich an seinem Tee. "Du hast was?" Er sah seinen Freund eindringlich an. "Ich dachte schon, er hätte dich mal wieder rausgeschmissen." "Nein. Ich bin gegangen. Ich hab ihm gesagt er soll mich vergessen und dass ihm das nicht einmal schwer fallen würde." Nun blickte er Hiro in die Augen. "Ich konnte das einfach nicht mehr mit mir machen lassen..." Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Hiro stand auf und setzte sich neben seinen Freund auf die Armlehne des Sessels. Er hatte sein Gesicht mittlerweile in seinen Händen vergraben. Hiro legte seinen Arm um den zitternden Körper und drückte ihn an sich. "Wein doch nicht, du hast das Richtige getan, Shu..." flüsterte er, doch wirklich beruhigen konnte er seinen besten Freund damit überhaupt nicht. Einem Heulkrampf folgte der nächste. Hiro bewunderte Shuichi dafür, wie viele Tränen er eigentlich besaß. Irgendwann jedoch, er konnte die Zeit nur noch schlecht einschätzen, konnte Shuichi keine Tränen mehr weinen. Er war leer, seine Stirn fühlte sich heiß an und die große Müdigkeit würde folgen... Shuichi fühlte sich plötzlich befreit. Er hatte aufgehört zu weinen, saß nun still auf dem Sessel, wärmte seine Hände an der Tasse und starrte ins Nichts. Ihm brummte der Kopf von dem intensiven Heulkrampf, die Augen waren geschwollen und doch fühlte er sich wahnsinnig erleichtert. Hiro hatte noch einige Minuten neben ihm auf der Lehne gesessen, doch nachdem es vorüber war, hatte er sich wieder von ihm zurück gezogen. Er merkte, dass Shuichi jetzt in sich selbst kehren musste. Das Schweigen tat ihm in diesem Moment gut. Ab und zu hörte er, wie Shuichi von seiner Tasse schlürfte, doch sonst keinen Ton von sich gab. "Kann ich mich vielleicht ein bisschen hinlegen, ich bin jetzt wahnsinnig müde" ertönte es plötzlich leise von Shuichi. Hiro nickte. "Willst du dich ins Bett legen?" Langsam schüttelte Shuichi den Kopf. "Nein, mir reicht auch die Couch." "Ich hol dir eine Decke." Schwerfällig stand Shuichi auf und setzte sich hinüber auf die Couch. Hiro trabte mit der Decke an und legte sie seinem besten Freund hin, der sich sofort in diese einmummelte und seinen Kopf auf eines der Sofakissen bettete. Hiro kniete sich zu ihm herunter und strich ihm einige Strähnen aus dem Gesicht. "Ruh dich aus, du hast ganz schön viel geweint." Mit einem Lächeln blickte er zu ihm herunter. Die Wangen und die Augen waren gerötet, seine Nase lief und er sah müde aus. Trotzdem wirkte er einfach nur niedlich. "Du brauchst noch ein paar Sachen, du hast ja nichts hier..." bemerkte Hiro sanft. "Mir egal, ich geh nicht zurück um was zu holen" murmelte Shuichi und zog die Decke noch ein Stückchen höher. "Ich werde bei ihm vorbei fahren und deine Klamotten holen, okay?" Shuichi nickte dankbar und schloss die Augen. "Ich stell dir noch etwas Wasser neben die Couch, wenn du Durst kriegen solltest. Bis gleich dann!" --------------- Er hatte ja gewusst, dass es keinen Sinn ergeben hätte, auf Shuichi zu warten. Früher oder später würde er auf jeden Fall wieder zurück kommen! Und lange würde das sicherlich nicht auf sich warten lassen. Er hatte sich zwar mühsam aufrappeln müssen, aber hatte es dennoch geschafft, sich wieder an seine Arbeit zu setzen und überraschenderweise gelang ihm das Weiterschreiben jetzt besser als vorher. Es war ihm als könnte er sich beim Tippen selbst etwas von der Seele schreiben. Er war zwar nur schwerfällig mit diesem Roman weitergekommen, aber im Prinzip war er gar nicht so schlecht, wie er anfangs angenommen hatte. Shuichi war seit ein paar Stunden verschwunden, und jetzt, wo er wieder darüber nachdenken konnte, stieg wieder die Angst in ihm hoch, dass der Kleine es tatsächlich ernst gemeint hatte. Doch den Gedanken verdrängte er lieber schnell. Sein Blick fiel wieder auf den Bildschirm. Hatte er in diesem Roman seine eigenen Gefühle untergebracht? Immerhin handelte es um eine junge Dame, die verzweifelt versuchte ihren Angebeteten rumzukriegen, welcher jedoch dafür bekannt war, niemanden außer sich selbst zu lieben. Er schüttelte den Kopf. So schlimm war es mit ihm ja nun doch nicht. Obwohl...Er stützte seinen Kopf auf der Hand ab und kreiste mit seinen Fingerkuppen über einige Tasten seines Laptops. Anscheinend war er sogar noch schlimmer...Plötzlich klingelte es und Yuki hob erschrocken den Kopf, bis sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit machte. Da war Shuichi also schon wieder. Und er hatte seinen Schlüssel natürlich nicht mitgenommen. Eigentlich musste er ihn ja dafür bestrafen, dass er ihm solch einen Schrecken mit seiner Show am Vormittag eingejagt hatte. Aber um die Sache nicht noch zu verschlimmern wollte er doch so schnell es ging aufmachen. Er setzte seine gewohnte eiskalte Miene auf und ging mit erwartungsvollen Schritten auf die Haustür zu. Hiro hatte noch schnell eine Reisetasche aus dem Schrank gekramt und sich dann elegant auf sein Motorrad geschwungen. Er freute sich, dass Shuichi diesen Schritt gewagt hatte. Sonst war es immer umgekehrt gewesen und der werte Eiri Yuki hatten seinen besten Freund rausgeschmissen. Doch dieses Mal war Shuichi von sich aus gegangen. Zwar völlig überstürzt, aber er war sich sicher, dass er die Sache wohl wirklich durchziehen wollte. Nach dem, was er ihm erzählt hatte, wäre er auch dumm gewesen zu diesem eiskalten Kerl zurück zu kehren. Er konnte es kaum erwarten, endlich seine Sachen aus Yukis Haus zu holen. Das wäre endlich einmal ein Triumph für Shuichi. Endlich konnte er sich von ihm befreien. An der nächsten Ecke bog er ab und beschleunigte, fuhr rasch an den Autos vorbei und steuerte auf Eiri Yukis Eigenheim zu. Er mochte diesen Kerl ja noch nie so wirklich... "Was willst du denn hier?" Hiro war der überraschte Gesichtsausdruck Eiris nicht entgangen. Er hatte wohl mit jemand ganz anderem gerechnet. "Ich will Shuichis Sachen holen!" entgegnete er kühl und ging einen Schritt auf Yuki zu, der den Eingang noch immer nicht frei gab. "Und wieso kann er das nicht selber?" fragte Yuki genau so kühl zurück. "Weil er dein blödes Gesicht nicht mehr sehen will. Und jetzt lass mich rein!" Er drängte sich an Yuki vorbei, der ihn weiterhin mit giftigen Blicken hinterher sah. "Und deswegen muss er dich schicken? Bist du sein Lakai oder was?" Hiro blickte sich suchend um. Wo war denn hier das verdammte Schlafzimmer, wo er seine Klamotten aufbewahrte. "Willst du nur seine Kleidung mitnehmen oder gleich den ganzen anderen Schrott mit?" Hiro zuckte mit den Schultern. "Ich denke erst einmal reichen ein paar Kleider von ihm. Den Rest kann ich ja später noch mal holen." Das hatte gesessen. Shuichi wollte tatsächlich ganz aus seinem Leben verschwinden? Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Er schlurfte scheinbar gelangweilt ins Schlafzimmer und deutete auf einen Schrank. "Da hat er seinen Kram drin". Mittlerweile klang er schon gar nicht mehr so unfreundlich. Er beobachtete Hiro genau dabei, was er heraus nahm. Dieser tat das wohl mit einem solchen Genuss, dass es scheinbar nur schleichend von sich ging. "Kannst du dich damit mal beeilen, ich hab noch zu tun!" fuhr Eiri ihn an. Mit einem verächtlichen Blick schaute Hiro hoch. "Dir kann es gar nicht schnell genug gehen, dass er hier auszieht, was?" Yuki schluckte. Was hatte dieser Idiot denn schon für eine Ahnung. Lässig lehnte Yuki an der Schranktür. "Ich glaube nicht daran, dass er ganz abhauen will. Früher oder später wird er wieder im Türrahmen stehen." Hiro richtete sich wieder auf und blickte noch einmal prüfend in den Schrank. "Wenn du dir damit nicht in den Finger schneidest" bemerkte er knapp, blickte dann in die Tasche, die schon voll genug war und richtete das Wort dann wieder an den "Ex-Freund" seines besten Freundes. "Das sollte fürs erste reichen, den Rest hole ich dann denke ich in den nächsten Tagen ab." "Ich kann es ihm auch nachschicken oder er holt es sich verdammt noch mal selbst ab!" keifte Yuki los und hätte Hiro am liebsten aus der Tür getreten. Was bildete sich dieser Fatzke eigentlich ein bei ihm aufzukreuzen, seinen Schrank zu durchforsten und Shuichis Sachen mitzunehmen? Hiro stolzierte triumphierend aus dem Schlafzimmer hinaus. Sein sicheres Auftreten was Shuichi anbelangte machte Yuki leicht nervös. Dann lächelte er verachtend. "Und du musst Shuichi jetzt natürlich trösten. Das tut dir ja sicherlich leid. Genau so wie es dir leid tut, dass du deine Zunge in seinen Hals geschoben hast!" Die Worte, die an Hiros Ohr drangen waren genau so scharf wie das Gift einer Schlange. "Für Eifersuchtsszenen ist es jetzt ein wenig zu spät" bemerkte er nur knapp und ging an Yuki vorbei. "Wann kommt er wieder?" Yuki biss sich auf die Lippen. Seine Verzweiflung über diesen Zustand hatte zu sehr in dieser Frage mitgeschwungen und er hoffte, dass Hiro diese überhört hatte. Doch dieser drehte sich nur um und grinste ihn an. "Ich sagte doch, er kommt nicht mehr zurück." "Wer es glaubt..." murmelte Yuki nur und beobachtete die sich langsam schließende Haustür. Als Hiro das Haus verlassen hatte, überkam ihm ein Gefühl der Genugtuung. Gut gelaunt schwang er sich auf sein Motorrad und brauste ab zu sich nach Hause. Dort angekommen entdeckte er, dass Shuichi schlief. Während seinen Träumen allerdings hatte er um sich gestrampelt und die Decke lag fast komplett auf dem Boden. Fürsorglich wie er nun einmal war, deckte er seinen Freund wieder sorgfältig zu und beobachtete ihn beim Schlafen. So ein Engelsgesicht. So ein lieber Kerl. Und so lange hatte er es mit einem solchen Fiesling ausgehalten. Shuichi war einfach zu gutherzig, zu sensibel für diese Welt. Sein Blick fiel auf die Tasche. Sollte er sie nicht schon einfach mal ausräumen? Bei Shuichi bestand immerhin die Gefahr, dass er all seine Vorsätze und Entscheidungen über Bord warf, wenn er erst einmal über die Sache geschlafen hatte. Besser war es also, die Tasche auszuräumen, als dass er nachher gutgelaunt nach ihr griff, und sich wieder in die Höhle des Löwen wagte. Nein, das sollte so schnell nicht wieder vorkommen. Yuki konnte seinen Blick nicht von dem kleinen Bild nehmen, dass anscheinend nur noch mit Hängen und Würgen an seinem Laptop klebte. Der Tag war wirklich nicht so übel gewesen wie er damals getan hatte. Sonst hätte er sich diese Bild auch gar nicht erst an den Rahmen gepappt. Seine Story hatte er seit dem Eintreffen und der Einpackaktion von Hiro nicht mehr weiter geschrieben. Jetzt konnte er sich absolut nicht mehr darauf konzentrieren. Er musste seine Verlegerin anrufen und um eine Woche Aufschub bitten, sonst würde er es vermutlich doch nicht schaffen. Und der Druck auf ihm war jetzt wieder viel zu hoch, als dass er produktiv sein konnte. Er seufzte. Vielleicht aber auch nicht, immerhin hatte er bis vor einer halben Stunde noch ganz genau gewusst, was er eigentlich schreiben wollte. Dass ihn die Sache jetzt so dermaßen mitnahm wunderte ihn selbst. Er durfte sich davon doch nicht von seiner Arbeit abhalten lassen. Aber als er gesehen hatte, dass Hiro viele Sachen vom Kleinen mitgenommen hatte, wirkte diese Sache so...beschlossen und endgültig. So eine Vorgehensweise war er von Shuichi überhaupt nicht gewohnt. Er ging in seinem Haus umher. Alles schien so kalt, so leer ohne den Wirbelwind. Und es war wohl Tatsache, dass es so bleiben sollte. Sofern...aber daran wollte er keinen Gedanken verlieren. Oder sollte er etwas doch? Für eine Entschuldigung war es sicherlich schon zu spät. Shuichi hatte ihm doch gesagt, er sollte nicht mehr so mit ihm umgehen. Also würde er ihm auch nicht hinterher laufen. Das wäre für beide Parteien vielleicht wirklich das Beste. Jedenfalls versuchte er sich das einzureden. Nichts würde das Beste sein, wenn Shuichi nicht bei ihm wäre. Er konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass Shuichis Gefühle von einem auf den anderen Tag ausgestorben waren. Wenn er angekrochen käme würde er ihn wieder herein lassen, aber konnte er sich darauf verlassen, dass er wieder kam? Im Regal standen noch immer seine CDs, sein ganzer Kram herum. Der achtlos dahin geschmissene Block lag noch immer auf dem Tisch. Wörter, das meiste davon durchgestrichen. "Zwischen uns liegen anscheinend so viele Welten, und manchmal tut mir alles weh vor Sehnsucht" Sein Blick verdunkelte sich. Hatte er Shuichi so weh getan? Er musste sich setzen, stütze den Kopf auf seine Hände und starrte auf den Block. Jetzt war genau das eingetroffen, was er immer versucht hatte zum umgehen. Er selbst war verletzt worden. Daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern. Es war schrecklich und wenn er daran dachte, dass er seit Ewigkeiten Shuichi das gleiche Gefühl vermittelte, fragte er sich, wie der Kleine es überhaupt so lange bei ihm ausgehalten hatte. Liebe. Mindestens einmal am Tag hatte er ihm anfangs noch gesagt, dass er ihn liebte. Doch er hatte ihm nie darauf geantwortet. --------------- Langsam öffnete Shuichi die Augenlider. Sie wirkten schwer. Er spürte Blicke auf sich gerichtet und für einen Moment wusste er überhaupt nicht mehr, wo er sich gerade befand. Hiro blickte ihn durchdringend an. Verschlafen rieb sich Shuichi durch die Augen. "Wieso beobachtest du mich?" kam es schwach von seiner Seite. Hiro lächelte. "Du siehst so ruhig aus, wenn du schläfst" bemerkte er knapp und ging nicht weiter auf die Frage ein. "Ich hab deine Sachen geholt und schon ausgepackt." "Hm.." war Shuichis einzige Antwort. Er griff unvermittelt nach der Wasserflasche und seine trockene Kehle war ihm dankbar für die Erfrischung. Noch immer starrte er verloren vor sich hin. "Du hast doch nicht vor zu ihm zurück zu gehen, oder?" Hiro befürchtete schon, dass Shuichi sich mal wieder alles anders überlegt hatte. "Nein nein..." stammelte Shuichi und sah Hiro Hilfe suchend an. "Kann ich vielleicht erst einmal eine Weile hier bleiben?" Hiro nickte eifrig. "Natürlich! Deine restlichen Sachen kann ich die Tage ja noch holen. Aber ich finde, du solltest dich heute ausruhen, morgen müssen wir wieder ins Studio". Shuichi seufzte. Morgen musste er sich wieder den Stress dort antun. Obwohl...das würde ihn vielleicht alles etwas mehr ablenken. Aber wenn er an jegliche Promotion oder Interviews dachte konnte er sich gar nicht damit anfreunden. Zumindest nicht in dieser Situation. Er schloss wieder die Augen. Nein, er liebte die Musik. Das sollte für ihn keine Anstrengung darstellen. Aber es war immer wieder aufs Neue schwer sich zu verstellen und auf alle Welt froh und glücklich zu wirken - oder besser gesagt wirken zu müssen. "Hat er...irgendwas gesagt?" brachte er nach einigen Minuten des Schweigens hervor. "Naja..." Hiro überlegte. Wirklich traurig oder mitgenommen war Yuki wie erwartet natürlich nicht gewesen, aber er hatte schon etwas gequält geklungen, als er ihn gefragt hatte wann Shuichi vorhatte wieder zu kommen. Aber ob er Shuichi das sagen sollte? Dann würde er vermutlich sofort wieder aufspringen und zu ihm wollen. "Er war mürrisch wie immer. Du weißt ja, dass er mich nicht ausstehen kann." Shuichi nickte langsam. "Und sonst?" Er hoffte ja noch immer tief in seinem Herzen, dass Yuki irgend etwas gesagt oder getan haben könnte, dass ein Anzeichen dafür war, er solle zurück kommen. Aber Hiro schüttelte den Kopf. "Mir gegenüber würde er das sowieso nicht erwähnen. Und jetzt denk nicht immerzu an ihn. Der Kerl hat dir noch nie gut getan. Jetzt entspann dich erst einmal und gewöhne dich an die Situation, dass er nicht bei dir ist!" Shuichi seufzte. "Du hast ja Recht. Es ist nur so ungewohnt...und es tut weh, dass es ihn wirklich nicht einmal kümmert. Aber" er blickte mit glänzenden Augen in das Gesicht seines Freundes "daran sollte ich schon gewöhnt sein, oder nicht?" Er zog die Nase hoch und stand auf. "Ich muss mal" bemerkte er knapp und stolperte ins Bad. Er hatte nicht wirklich viel im Magen und die verdammte Heulerei ging nicht nur auf den Kopf, sondern irgendwie auch auf den Kreislauf. Nachdem er seine Blase entleert hatte wusch er sich durchs Gesicht und blickte sich lange forschend im Spiegel an. Er musste jetzt lernen, ohne Yuki zu leben, auch wenn es ihm schwer fiel. Am liebsten würde er jetzt schon wieder zu ihm zurück, nur um das brennende Verlangen in seinem Herzen zu stillen, doch daran würde er nur zerbrechen. Es war für ihn - und auch für Yuki - gesünder, wenn sie sich nicht mehr sahen. --------------- Als es wieder klingelte verdrehte Yuki genervt die Augen. Wenn das schon wieder Hiro war wollte er ihm sonst wohin treten. Übellaunig öffnete Eiri die Tür und erwartete dahinter schon wieder das triumphierende Gesicht von Hiro. "Ach du bist es..." seine Gesichtszüge entspannten sich ein wenig und er drehte sich um und ging zurück in den Wohnraum. "Eine so herzliche Begrüßung habe ich ja gar nicht erwartet" entgegnete Tohma trocken. Behutsam schloss er die Tür hinter sich und blickte, nachdem auch er bis ins Wohnzimmer hinein gegangen war, seinen Schwager. "Was ist los mit dir?" "Kopfschmerzen" entgegnete Yuki barsch und ließ sich anmerken, dass Tohma störte. Doch wobei wusste er selber nicht, vermutlich beim Allein sein. "Shindou nicht da?" er blickte sich suchend um, konnte aber kein großes Chaos entdecken oder sonst jeglichen Lärm vernehmen. "Er ist gegangen." "Wie, er ist gegangen?" Yuki hob die Schultern an. "Na, abgehauen, Schluss gemacht, Sayonara gesagt." Er steckte sich eine Zigarette an. Das sich aufhellende Gesicht seines Schwagers mochte er jetzt nicht sehen. "Oh!" kam es nur für Yukis Geschmack etwas zu begeistert von Tohma. "Na, dann kannst du dich ja jetzt endgültig entspannen!" Yuki kratzte sich am Arm. "Ach, meinst du?" Er lehnte sich zurück und genoss seine Zigarette in vollen Zügen und pustete in Tohmas Richtung ab und an extra etwas des blauen Dunstes hinüber. "Natürlich. Das ist das Beste, was dir passieren konnte Eiri. Jetzt bist du ihn los, brauchst kein Blut mehr zu spucken, kannst deine Bücher in Ruhe schreiben und" dabei grinste er besonders "du kannst wieder etwas netter zu mir sein." Yuki linste gelangweilt zu seinem Schwager hinüber. "Du hattest mit Shindou wohl Recht. Er ist nicht besser als alle anderen. Sie wollen immer nur irgendwas..." nuschelte Eiri vor sich hin. "Ja, allerdings. Ohne ihn bist du besser dran. Oder willst du ihn etwa zurück?" Etwas missmutig stellte Tohma diese Frage, auf die er hoffte ein klares Nein zu vernehmen. Doch Yuki starrte nur stumm vor sich hin, zog kräftig an seiner Zigarette und inhalierte den Rauch, stieß ihn dann elegant durch seinen Mund wieder hinaus und schien zu überlegen. "Du hast wie immer Recht..." brummelte er vor sich hin. Vorsichtig ließ Tohma seine Hand auf Eiris Schulter nieder. "Du weißt, dass ich noch immer für dich da bin. Ich werde dich nie im Stich lassen." Er beugte sich nahe zu Eiri hinab. "Das weißt du doch hoffentlich!" Eiri nickte nur stumm. "Also nun? Was macht dein Roman?" versuchte Tohma gut gelaunt auf ein anderes Thema zu lenken. Ihm konnte es nur Recht sein, dass Eiri und Shindou nicht mehr zusammen waren. Und wenn das schon von der "kleinen Göre" ausging war es hoffentlich einmal endgültig. Eiri würde sich wohl kaum die Mühe machen ihm hinterher zu laufen. Weshalb auch. Die Sache von damals war ihm sicherlich eine Lehre gewesen... Hatte Eiri Tohmas Anwesenheit zuerst für störend empfunden, so war er nach einigen Minuten froh, dass er nicht allein sein musste. Einsamkeit war er nicht mehr gewohnt, nicht mehr seit Shuichi in sein Leben getreten war. Doch nun, da er weg war, begann sich das alte graue Gefühl wieder in ihn hinein zu schleichen, ihn tief in seinem Inneren aufwühlend und er wollte sich am liebsten gleich dafür verfluchen, dass er es überhaupt zugelassen hatte, jemandem wieder tiefere Gefühle geschenkt zu haben - und erneut enttäuscht worden zu sein. Das, was er am meisten gefürchtet hatte, wieder verletzt, allein gelassen zu werden, hatte er sich selbst eingebrockt, das wusste er. Und nur aus dem Grunde, dass er versucht hatte einen Eisblock darzustellen, war die Situation eskaliert, war das eingetreten was er vermeiden wollte. Tohmas beruhigende Worte und die stützende Schulter an seiner Seite erleichterten ihn ein wenig. Tohma war immer für ihn da. Seine Fürsorglichkeit hatte im Laufe der Jahre nicht abgenommen und in diesem Moment war Eiri ihm dankbar dafür. Er schloss die Augen und versuchte seine Gedanken an Shuichi zu verdrängen. Immerhin hatte der Kleine ihn selbst darum gebeten ihn zu vergessen...weshalb sollte er das nicht in die Tat umsetzen? --------------- Love hurts, love scars, Love wounds, and marks, Any heart, not tough, Or strong, enough To take a lot of pain, Take a lot of pain Love is like a cloud Holds a lot of rain Love hurts, ooh ooh love hurts I'm young, I know, But even so I know a thing, or two I learned, from you I really learned a lot, Really learned a lot Love is like a flame It burns you when it's hot Love hurts, ooh ooh love hurts Some fools think of happiness Blissfulness, togetherness Some fools fool themselves I guess They're not foolin' me I know it isn't true, I know it isn't true Love is just a lie, Made to make you blue Love hurts, ooh,ooh love hurts Ooh,ooh love hurts (Sorry, ich LIEBE dieses Lied, das MUSSTE hier einfach mit rein ^^") Hiro wusste nicht, wie oft Shuichi sich diesen Song nun schon angehört hatte. Am liebsten hätte er die CD aus der Stereo-Anlage genommen und auf ewig zurück in ihre Hülle verbannt. Shuichi zog sich mit diesem Song doch nur selbst runter. Vorsichtig, mit einer Tasse heißem Kakao in der Hand, stand er in der Tür und betrachtete den zusammen gekauerten Shuichi. Nachdem er die Tassen auf dem Schreibtisch platziert hatte, machte er letztendlich die permanent dudelnde Musik aus. Erst in diesem Moment blickte Shuichi zu ihm auf. Seine Augen waren verheult. Mit einem bitteren Lächeln ging Hiro in die Hocke und strich seinem besten Freund einige Fransen aus der Stirn. "Es ist nicht gut, wenn du dir das Lied ständig anhörst. Ich weiß, dass das schwer ist, Shu. Aber wenn du dir so was anhörst deprimiert dich das doch noch mehr." Shuichi zog die Nase hoch und blickte zur Seite. Hiro hatte ja Recht, aber er konnte einfach nicht anders. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn er auf einen Knopf hätte drücken können und all seine Erinnerungen und Empfindungen an Yuki waren ausgelöscht. Doch leider leider war das nicht möglich. Das Gefühl innerer Zerrissenheit machte ihn wahnsinnig. Er krallte sich fest in den Stoff Hiros Hemdes. Er wollte weinen, doch mehr als ein Seufzen brachte sein müder Körper nicht hervor. "Vielleicht" keuchte er nur kurz auf "ist die Liebe wirklich nur eine Lüge..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)