Abraxas von CriD (Die Sehnsucht in mir) ================================================================================ Kapitel 7: Vorbei ----------------- "Sterben? Wieso sterben?", fragte Ensyis fassungslos. Warum jetzt auf einmal? Von einem Tag auf den anderen? Dylan hatte sich von Ensyis weggedreht und hantierte mit irgendetwas in den Regalen herum. Er sprach als würde es sich bei Abraxas Todesurteil um eine Lappalie handeln, wie wenn man eine winzige Fliege zerquetschte. Nur ein totes Insekt mehr. Es gab ja noch genug. "Unten im Dorf hat es in der letzten Zeit vermehrt Vampirangriffe gegeben. Bis jetzt sind es sechs Tote und die Spuren sind mehr als deutlich. Ich konnte das Biest nicht erwischen und nun verlangen die Bauern, dass wir unseren Vampir herausgeben." "Aber Abraxas war es nicht! Das wisst ihr genauso gut wie ich! Wir hatten ihn doch die ganze Zeit unter Kontrolle!",rief Ensyis hektisch. Das konnte doch nicht wahr sein?! Warum sollte er für etwas mit dem Leben bezahlen, was er nicht getan hatte? Dylan drehte sich wieder zu Ensyis und sah seinem Schüler kalt in die Augen. "Na und? Wir machen uns nur verdächtig wenn wir ihn schützen. Warum sollen wir ihn nicht herausgeben?" "Aber er war es nicht! Außerdem habt ihr doch selbst gesagt, dass er wichtig für unsere Forschungen ist! Warum sollten wir ihn opfern?" Ensyis gestikulierte mittlerweile wild mit seinem Armen in der Luft herum um seine Worte noch zu unterstützen. "Tss. Ein junger Vampir ist wertvoll für unsere Forschungen. Dein Abraxas unterscheidet sich aber kaum noch von irgendeinem anderen. Wir brauchen ihn nicht mehr." "Aber..." "KEIN Aber mehr, Ensyis! Der Vampir wird morgen den Dorfleuten übergeben. Sollen sie mit ihm machen was sie wollen!", unterbrach Dylan seinen Schüler schroff. Seine Stimme machte klar, dass er keinen Widerspruch mehr dulden würde. Das war die erste Lektion, die Ensyis hatte lernen müssen. Der Wille seines Meisters war Gesetz und er hatte keine Recht zu widersprechen. Vielleicht war es besser, denn Ensyis war kurz davor gewesen Abraxas Geheimnis preiszugeben. So schnell war man also daran eben gewonnenes Vertrauen wieder zu verlieren. Gedemütigt senkte er schließlich den Kopf und würgte ein leises "Jawohl" hervor, dann drehte er sich herum und wollte in sein Zimmer gehen. "Denk nicht mal daran ihm helfen zu wollen, Ensyis",schnarrte es kalt hinter ihm. Ensyis drehte sich nicht um als er antwortete:"Natürlich nicht." Dann verschwand er in seinem Zimmer. Die Zeit bis die Sonne endlich vollständig untergangen war, schien diesmal nahezu ewig zu dauern, dann aber zögerte Ensyis keinen Moment mehr und schwang sich aus dem Fenster seines Zimmers. Leise schlich er um das Haus herum, vorbei am immer noch hell erleuchteten Labor seines Meisters zum Zimmer Abraxas'. Der Jäger verharrte noch einen kurzen Moment um sich zu besinnen, um sich darüber im Klaren zu werden ob er das wirklich tun wollte. Ja er wollte. Ruhig hob er die Arme und machte sich am Rahmen des Fensters zu schaffen. Fenster von außen zu öffnen ohne auch nur einen Laut zu machen war mit das erste gewesen, was ihm Dylan beigebracht hatte. Jetzt zahlte es sich aus, dass der junge Mann immer solch ein gelehrsamer Schüler gewesen war. Abraxas schien ihn im Zimmer schon erwartet zu haben, zumindest sah er nicht mehr allzu überrascht aus, als Ensyis geschmeidig wie eine Katze durch das kleine Fenster schlüpfte. Natürlich nicht. Der Vampir hatte ihn sicher schon von weiten gespürt. Abraxas Gesichtsausdruck veränderte sich aber schlagartig zu purer Verblüffung als Ensyis zielstrebig auf ihn zuschritt und ohne ein Wort zu sagen, die Ketten löste. Verwundert schaute der Vampir erst auf das freie Handgelenk, dann wieder zu Ensyis. "Los komm!", flüsterte Ensyis leise. "Du musst gehen!" "Gehen?" Abraxas verstand noch immer nicht. Er hatte von dem Gespräch zwischen Dylan und Ensyis nichts mitbekommen. "Du musst fliehen, sonst wird dich Dylan morgen umbringen lassen. Und das will ich nicht. Nicht nachdem ich jetzt weiß, was mit dir los ist. Komm schon!" Der Jäger wartete keine Reaktion des Vampirs mehr ab, sondern zog ihn selbst grob in die Höhe. Auch auf die Gefahr hin, dass der vielleicht ein verdächtiges Geräusch von sich gab. Als die beiden endlich wieder draußen vor dem Fenster standen, deutete Ensyis zum Wald hin. "Du kennst den Weg zum See. Dort gehst du lang und immer in der selben Richtung. Und immer weiter. Du musst zum Drachengebirge. Dort beginnt das Reich der Dämonen. Ab da bist du sicher. Die echten Dämonen sind zwar auch nicht sonderlich gut auf Vampire zu sprechen, aber sie werden dir nichts tun. Meide menschliche Wohngebiete und auch die Burgen der Vampirlords. Aber das muss ich dir wohl nicht sagen, oder?" Abraxas schüttelte den Kopf und wand sich dann zum Wald hin, um zu verschwinden. Nach drei Schritten drehte er sich aber noch einmal zu dem jungen Jäger um. "Wirst du keinen Ärger bekommen?" "Nicht so viel wie du, wenn du dich erwischen lässt! Und jetzt hau endlich hab!", zischte ihm Enyis zu. Abraxas lächelte leicht im Licht des aufgehenden Mondes. "Danke",flüsterte er und drehte sich um und verschwand fast augenblicklich im Dunkel der Nacht. Zumindest Verstecken konnte er sich gut. Ensyis sah ihm noch einen Moment lang hinterher bevor er sich umdrehte um wieder auf sein Zimmer zu gehen. "Viel Glück, Abraxas" Im Labor seines Meister war mittlerweile das flackernden Kerzenlicht gelöscht wurden, er schien zu Bett gegangen zu sein. Nur gut so. Jede weitere Minute verschaffte Abraxas einen größeren Vorsprung. Ruhig kletterte er wieder in sein Zimmer hinein und wollte sich erschöpft ins Bett legen, aber da sass schon jemand. Ensyis Herzschlag setzte für einen Moment aus. Das Blut schien ihm in den Adern zu gefrieren. "Ich hätte dich wirklich nicht für so dumm gehalten. Ensyis", murmelte Dylan finster während er aufstand und Ensyis dann ohne Vorwarnung seine Faust in den Magen rammte. Keuchend beugte sich Ensyis vornüber und wäre wohl zu Boden gestürzt wenn ihn Dylan nicht festgehalten hätte. Seine Knie fühlten sich an als wären sie Pudding, denn es fiel ihm mit einem Mal unglaublich schwer sich auf den Beinen zu halten. "Ach Ensyis, Ensyis. Habe ich dir denn gar nichts beigebracht? Was hast du dir denn nur dabei gedacht?" Dylans Stimme hatte nun einen schon fast väterlichen Klang, aber Ensyis wusste, dass er sich davon nicht täuschen lassen durfte. Dylan war ein Teufel in Menschengestalt. Da machte es keinen Unterschied ob man selbst Dämon oder Mensch war. Störrisch presste der junge Mann die Lippen aufeinander. Er würde nichts sagen, da konnte sich der Jäger verbiegen wie er wollte. "Ach Ensyis. Was wird denn das jetzt? Das hast du dir wohl von deinem kleinen Vampirfreund abgeschaut, was? Ja der hat auch immer so geschaut mit seinen funklenden roten Augen. Na Ensyis willst du mich nun auch töten, wie der Vampir?" "Vielleicht?",presste Ensyis zornig heraus. Langsam kehrten seine Kräfte zurück und er entfernte sich wankend von seinem Meister. "Vielleicht? Das ist keine Antwort Ensyis. Ich habe dir beigebracht stets mit ja oder nein zu antworten. Also was nun? Deine Antwort zählt!" Ensyis schwieg beharrlich. "Du sagst nichts? Nun dann denke ich mir meinen Teil." Blitzschnell war er an Ensyis heran und schlug wieder nach ihm aus. Ensyis sah die Attacke kommen und versuchte sie zu blocken, aber er war noch viel zu langsam. Dylan war ihm viele Jahre Erfahrung und Stärke voraus, so traf der Handkantenschlag genau und lies Ensyis hustend wieder zu Boden gehen. Röchelnd stemmte er die Händen gegen die kalten Holzleisten des Häuschen und kämpfte dagegen an die Besinnung zu verlieren. Dylan spazierte unterdessen gemächlich um Ensyis herum. "Ach Ensyis. Hast du denn alles vergessen? Weißt du nicht mehr, was damals mit deiner Familie geschah? Und hast du deinen Schwur vergessen alles was sich Vampir schimpft gnadenlos zu verfolgen und zu vernichten? Warum willst du ihn beschützten?" "Weil er anders ist als die normalen Vampire. Außerdem hat er mit dem Vorfall von damals nichts zu tun. Ich kann nicht jedes dunkle Geschöpf für mein Unglück verantwortlich machen!",antwortete Ensyis trotzig. "Vor siebzehn Jahren hast du das anders gesehen",entgegnete Dylan kalt. "Ich war jung!",versuchte sich Ensyis nun schon fast verzweifelt zu verteidigen. "Das bist du jetzt noch immer. Sonst wärst du nie zu so einem Narrenstück in der Lage gewesen! Vielleicht solltest du erst einmal darüber nachdenken was du getan hast." Brutal trat Dylan zu und fegte den jungen Jäger durch den Raum. Der prallte von der Wand ab und blieb stöhnend am Boden liegen. Irgendetwas in ihm hatte laut geknackt, wahrscheinlich waren einige Rippen gebrochen. Wenn er Abraxas nur Zeit verschaffte, sollte ihm das Recht sein. Ensyis Blickfeld war stark eingeschränkt, so sah er nur wie sich ihm Dylans Füße langsam näherten. Dann spürte er wie sein Meister ihn am Hals berührte. Es wurde dunkel. "Ich denke du brauchst einige Zeit zum Nachdenken!",sagte Dylan und hob den bewusstlosen Ensyis vom Boden auf und legte ihn auf sein Bett. "Ich werde mich derweil wohl um deinen kleinen Freund kümmern müssen." Am nächsten Morgen war es Vogelgesang, der Ensyis weckte. Sein Kopf fühlte sich an als hätte er die letzte Nacht durchgezecht und es viel ihm schwer zu atmen. Was war denn nur passiert? Irgendwie konnte er sich an nichts mehr erinnern. Er war mit Abraxas am See gewesen. Und dann? Ja dann war er ins Bett gegangen. Ensyis seufzte. Wenn er mit derartigen Kopfschmerzen schon am frühen Morgen aufwachte befand er sich wahrscheinlich auf dem bestem Wege krank zu werden. Na das fehlte jetzt noch. Müde schlenderte der junge Mann in die Küche und begann erst mal eine paar Kaffebohnen in die Mühle hineinzuschütten. Wo war denn nur Dylan? Der stand doch in der Regel sonst immer vor ihm auf? Ensyis zuckte mit den Schultern. Mit einer lässigen Handbewegung griff er in einem Topf, der oben auf einem Regal stand und warf das bisschen Pulver, was er sich gegriffen hatte auf die Feuerstelle. Es knallte leise dann begannen bereits dünnen Flammen nach oben zu schlagen. Ensyis machte sich nun daran Holz nach zu legen und zu pusten, damit die kleinen Flammen größer wurden. Bald schon flackerte es hell auf der Feuerstelle der Küche und Ensyis stellte eine Topf mit Wasser darauf. Anstatt aber zu warten bis das Wasser kochte beschloss Ensyis doch lieber Abraxas einen Besuch abzustatten. Vielleicht wollte der ja auch einen Kaffee? Der Jäger hatte durchaus schon davon gehört, dass es auch Vampire gab, die zu dem Blut, das sie benötigten auch herkömmliche Nahrung zu sich nahmen. Jedem das seine. Als Ensyis aber die Tür zum Zimmer des Vampirs aufstieß und diesen begrüßen wollte erlebte er allerdings eine Überraschung. Der Raum war leer?! Noch bevor Ensyis aber wirklich beginnen konnte sich zu wundern, hörte er es hinter sich knarren. Dylan war zurückgekehrt und unter seinen Arm geklemmt hing ein ziemlich übel zugerichteter Abraxas. Der Vampir blutete aus zahlreichen kleinen Wunden und seine Kleidung war zerfetzt. Stöhnend blieb Abraxas liegen, als ihn Dylan zu Boden stieß. Erschrocken lief Ensyis auf die Beiden und hockte sich neben Abraxas. Fassungslos starrte er seinen Meister an. "Was ist denn passiert?" "Er wollte fliehen",entgegnet Dylan schulterzuckend. "Ich konnte ihn gerade noch im Wald finden, aber das Schlimmste leider nicht mehr verhindern." Alarmiert hob Ensyis den Kopf. "Das Schlimmste?" Dylan nickte betrübt. "Ja, die kleine Blonde aus dem Dorf. Wie heißt sie gleich, Na... Na.." Ensyis war kreidebleich geworden. "Natalia?" Dylan schnipste triumphierend mit dem Finger "Genau die! Ich kam leider zu spät um sie noch zu retten, da hatte er sie schon" "Hatte er sie schon...",wiederholte Ensyis langsam als würde er denn Sinn der Worte nicht verstehen. Die Zeit schien aus ihrem normalen Fluss gesprungen zu sein, denn es dauerte ewig bis sich Ensyis endlich zu Abraxas hinterbeugte. "Was... Was hast du getan?", flüsterte er leise. Abraxas Augen hatten sich geweitete. Er war unfähig zu sprechen oder sich zu verteidigen. So konnte er nur verzweifelt mit dem Kopf schütteln. Das stimmte nicht. Er hatte niemanden etwas getan. Ja das Mädchen war tot. Auch er hatte ihre blutleere Hülle gesehen. Aber er war es nicht gewesen! Ensyis war aufgesprungen und lief nun unruhig im Zimmer hin und her. Die Hand hielt er sich vor dem Mund um den Brechreiz zu unterdrücken, der immer wieder aufkam. Natalia. Natalia. Das Mädchen was er geliebt hatte, war tot?! Das konnte nicht sein. Das DURFTE einfach nicht wahr sein. Niemand hatte das Recht sie ihm wegzunehmen und am allerwenigsten Abraxas. Dieser Vampir! "Stimmt es wirklich?",fragte er leise an Dylan gewand. Dieser nickte traurig. "Ja, ich sah selbst wie er seine Zähne in ihren Hals schlug. Nach der Gefangenschaft hier muss sie ein wahres Festmahl gewesen sein. Frage mich nicht was das arme Mädchen um diese Uhrzeit noch im Wald zu suchen hatte." Ensyis schloß für einen Moment die Augen und legte den Kopf in den Nacken um sich zu sammeln. "Und ich habe dir vertraut",sagte er angewidert zu dem am Boden liegenden Vampir. Seine Augen hatten sich vor Hass verzehrt. Es schien als wolle er sich jeden Moment auf ihn stürzen. Verzweifelt mühte sich Abraxas wieder nach oben zu kommen, aber sein geschundener Körper versagte ihm den Dienst. Dylan hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Wie hatte er ihn nur so schnell finden können? Stöhnend stemmte er seinen Oberkörper dann doch etwas nach oben. "Ich war es nicht! Ensyis du musst mir glauben!",keuchte er kaum hörbar. Jede Bewegung bereitete ihm Schmerzen. Es schien als gäbe es keine Stelle an seinem Körper mehr, die nicht weh tat, aber schon spürte er wie die unheilvolle Macht in ihm seine Kräfte zurück kehren ließ. "Ich bitte dich Ensyis! Das Mädchen ist tot, aber ich war es nicht, dass schwöre ich bei... bei..." "Bei deiner Seele vielleicht?",lachte Ensyis höhnisch. "Was ist die schon wert? Warum bist du geflohen? Was soll das? Warum ausgerechnet jetzt? Gerade nachdem was du mir gestern gesagt hast?! Warum?",schrie Ensyis nun schon fast. Seine Beherrschung war so gut wie am Ende. Er wollte irgendetwas schlagen, zerstören. Irgendwie seinen Schmerz nach außen drängen und das erste was sich ihm da bot war Abraxas. Der Vampir schrie gequält auf als Ensyis ihm ins Gesicht schlug. "Seele! Ha! Alles gelogen. Du hast sie umgebracht! Und das wo du wusstest, was sie mir bedeutet! Wie konnte ich mich nur so irren?" Abraxas widersprach nicht mehr. Der Vampir hatte keine Kraft mehr dazu. Wieder begannen Tränen seine Wangen hinab zu laufen. Es war nicht nur der physische Schmerz, der ihm das Wasser in die Augen trieb. Nein, dass was ihn zum Weinen brachte war viel tieferer Natur. Der Hass den ihm Ensyis mit einem mal entgegen schleuderte, war viel grausamer als das was ihm bis jetzt alles angetan wurden war. Wieso? Was hatte er getan, dass ihm der junge Jäger auf einmal nicht mehr glaubte? Warum hörte er wieder auf Dylans Worte? Ensyis selbst hatte doch gewollte, dass er ging. Warum klagte er ihn jetzt deswegen an? Abraxas hatte keine Antwort darauf, ihm blieb nichts anderes als seiner Trauer stumm Ausdruck zu verleihen. Der nächste Schlag Ensyis' richtete sich nicht mehr gegen Abraxas sondern gegen die Wand des Hauses. Die Holzleisten zitterten, als er dagegen schlug aber sie hielten seiner Gewalt stand und schließlich hielt Dylan den rasenden Jäger am Arm fest. "Beruhige dich, Ensyis. Was geschehen ist geschehen. Du kannst es nicht rückgängig machen. Der Tod ist ein ständiger Begleiter der Jäger. Das weißt du!" Jetzt hatte es Dylan geschafft Ensyis Zorn auf sich zu ziehen. Ensyis hatte jeglichen Respekt verloren und schrie seinen Meister nun hysterisch an:"Soll ich es etwa einfach so hinnehmen, dass mir schon wieder die wichtigste Person in meinem Leben weggenommen wurde? Und wieder durch einen... VAMPIR!" Das letzte Wort hatte Ensyis förmlich ausgespuckt so widerwärtig schien es ihm zu erscheinen. Abarxas zuckte getroffen zusammen. Kein Schlag mitten ins Gesicht hätte so weh tun können. >KLATSCH< Dylan hatte die Hand bereits wieder heruntergenommen, bevor Ensyis überhaupt erst dazu kam, nach der schmerzenden Wange zu greifen. "Dein Zorn vernebelt deinen Verstand! Denk mal ein bisschen darüber nach, wer du bist! Du solltest mittlerweile in der Lage sein, Verluste hinzunehmen ohne deswegen gleich rasend zu werden. Oder bist du etwa doch nur einer von vielen kleinen schwachen Menschen? Was ist? Willst du vielleicht wieder zurück in dein Dorf? Zurück in dein altes Leben? Das Leben eines Bauern führen? Wirst du dich dann glücklicher fühlen? Wenn du wieder >normal< bist?" Frustriert schüttelte Ensyis den Kopf. "Nein." Dylan nickte. "Das Mädchen liegt noch immer im Wald. Unweit des kleinen Sees. Du solltest sie vielleicht holen, bevor die Käfer sie fressen." Ensyis schluckte laut und wechselte dann noch einmal einen Blick von Dylan zu Abraxas. Der Vampir schüttelte flehend den Kopf. Ensyis musste ihm einfach glauben. Die grünen Augen des Jägers glänzten härter als jedes Metall als er sich von dem Vampir abwand und zur Tür hinaus stürzte, Richtung Wald. Dylan blieb mit Abraxas finster lächelnd im Raum zurück. "So, so. Eine Seele hast du also?", lachte er leise und kniete sich dann neben Abraxas nieder. Der Vampir starrte ihn hasserfüllt an. Wenn er die Kraft gehabt hätte, hätte er Dylan auf der Stelle zerfleischt. Dass er es konnte, daran zweifelte Abraxas keinen Moment mehr, so wütend und enttäuscht, wie er im Moment war. Dylan strich Abraxas mit der rauen Handfläche fast sanft über die geschundenen Wangen. "Ach kleiner Vampir. Eigentlich müsste ich dir fast dankbar sein." Unter der Berührung Dylans begann Abraxas leicht und dann immer stärker zu zittern. Er wollte von diesem Monster nicht angefasst werden. Er konnte ihn schlagen, misshandeln und wenn er ihn töten wollte, bitte sollte er es tun. Aber er sollte ihn nicht so berühren. Das ging zu weit, das war zu viel der Demütigung. "Wieso, dankbar?", fauchte der Vampir hasserfüllt. Er wollte ihn verschlingen, ihn mit Haut und Haaren auffressen. Ach wenn er doch nur könnte, wenn er doch nur ein richtiger Vampir wäre. "Warum ich dir dankbar sein muss? Nun wenn du nicht aufgetaucht wärst, hätte ich es wohl nicht geschafft Ensyis Glauben noch einmal derart zu erschüttern. Weißt du, Ensyis ist ein sehr talentierter Jäger. Er wäre sicher auch ein guter Vampir. Findest du nicht?" Dylan schien für einen Moment auf eine Antwort zu warten, aber Abraxas hatte die Lippen verbissen aufeinander gepresst. Kurz zuckte der Jäger mit den Schultern und sprach weiter:"Aber dem Jungen fehlt es an Härte und Erbarmungslosigkeit. Aber nun wird das wohl kein Problem mehr sein, jetzt da du ihn so enttäuscht hast." "Ich habe ihn nicht enttäuscht! Ich war es nicht, der dieses Mädchen umgebracht hat, das wisst ihr genauso gut wie ich!",antwortete Abraxas wütend. Das war so ungerecht! Plötzlich erklang ein höhnisches Lachen. "Na und? Wenn interessiert es, wer dieses dumme Ding erledigt hat. Vielleicht war ich es ja sogar selber? Was zählt ist, dass Ensyis jegliches Vertrauen in Wesen deiner Art verloren hat und dann wird er sich mir auch nicht in den Weg stellen, wenn ich dich jetzt den Dorfleuten übergebe." Abraxas Augen weiteten sich vor Schrecken, als er das hörte. "Och. Hast du etwa gedacht, deine Hinrichtung würde verschoben werden? Oder weißt du noch nicht einmal Bescheid? Ensyis müsste es dir doch gesagt haben, auch wenn er sich jetzt nicht mehr daran erinnert." Ohne weitere Vorwarnung griff Dylan nach unten und zerrte Abraxas brutal nach oben. Der schlug panisch um sich und versuchte sich aus dem eisernen Griff des Jägers herauszuwinden. Erfolglos. "Komm schon!",knurrte er der Jäger dunkel und stieß Abraxas vor sich her. Es gab kein Entkommen. Der Weg zum Dorf hinunter dauerte keine Viertelstunde. Zweimal versuchte Abraxas noch zu fliehen aber es hatte absolut keinen Sinn. Der Jäger war nicht nur viel stärker als er sondern war auch ungleich schneller. Dazu kam, dass er verletzt war und sich sowieso kaum rühren konnte. Mit jedem Schritt, mit dem sie sich weiter dem Zentrum des kleinen Dörfchens näherten wurde Abraxas unruhiger. Sein Herz klopfte bis zum Hals und kalter Schweiß war auf seiner Stirn ausgebrochen. Das hier war kein Spaß mehr. Schon jetzt trafen sie ab und zu auf vereinzelte Dörfler, die ihn mit hasserfüllten Blicken bedachten. Jede Sekunde, die Abraxas lebte, schien für diese Leute eine Sekunde zu viel zu sein. Abraxas erkannte die schemenhaften Gestalten nicht an denen er vorbei wankte. Sie alle waren nur verzerrte Abbilder mit dem selben mörderischen Funkeln in den Augen. Wie sie ansahen, wie einen bissigen Hund, den man nun endlich erschlagen wollte. Johlend bewegte sich die Menge hinter dem Jäger und seinem Gefangenen hinterher. Und der Sammelplatz des Dorfes rückte immer näher. Hier waren noch viel mehr Menschen. Warum gab es so viele Leute in diesem winzigen Dorf? In diesem Moment musste wohl alles, was irgendwie laufen oder gar nur kriechen konnte sich auf den Straßen tummeln. Alle wollten sie sehen, wie seine letzte Stunde schlug. Für Abraxas schien es so, als würden die Menschen vollkommen widersinnig über den Platz hin und her wuseln. Ihre Gesichter waren vor Hass verzerrt und all ihre Abscheu richtete sich nur gegen ihn. Abraxas hörte sie. Die vielen Schimpfwörter und Verwünschungen, die man ihm nachrief. "Mörder, Monster, Teufel, Abschaum" Dabei war es doch so einfach ein Wort für ihn zu finden. Vampir. Die Augen wollten sie ihm herausstechen und ihn an seiner Zunge aufhängen, wenn er denn endlich zur Hölle fuhr und seine verdorbene Seele dort bis in alle Ewigkeit im Fegefeuer schmorren würde. Welch Ironie das doch war, wussten diese Tölpel denn nicht, dass ein normaler Vampir keine Seele mehr hatte? Dieses Wissen half Abraxas aber kein Stück weiter. Alles in ihm schrie mittlerweile, dass er doch endlich weglief und von hier verschwand. Sogar der Vampir in ihm, schien aufgeregt zu sein. Aber er konnte nichts machen. Während Dylan und Abraxas weiter voranschritten teilte sich die Menge vor ihnen und gab den Blick auf einen riesigen Holzstapel frei in dessen Mitte ein noch leerer Pfosten thronte. So sollte er also sterben. Verbrennen wollten sie ihn. In Abraxas explodierte die Angst. Es waren keine zehn Schritte mehr, bis sie den Stapel erreicht hätten. Panisch stemmte der junge Vampir die Beine gegen den Boden und zappelte wild herum. Aber Dylan schob ihn unerbittlich weiter. Dem Jäger schien es eine grausame Freude zu bereiten, wie sich sein Opfer vor Angst wand. "Was hast du kleiner Vampir? Sei doch froh, dass du verbrannt wirst. Wenn du wirklich eine Seele hast, wird sie vom heilige Feuer reingewaschen und Gott wird dir vielleicht deine Sünden vergeben. Na wie ist das?", lachte Dylan finster. "Aber ich war es nicht! Ich habe NICHTS getan. Gar nichts!", kreischte Abraxas verzweifelt auf. "Du bist ein Vampir. Das genügt!",grinste Dylan breit und stieß Abraxas auf den Scheiterhaufen hinauf. Sofort waren einige Männer mit Seilen herbei, die den wild um sich schlagenden Vampir zu bändigen versuchten. Die straff gezogenen Seile schnitten scharf in seine Haut ein. Wieder begann er zu weinen, vor Angst und Schmerz, denn seine Peiniger konnten es nicht unterlassen ihm auch noch hart in die Seiten zu schlagen. Ja das musste Spaß machen, wenn sich das Opfer nicht wehren konnte. "Ich war es nicht! Ich bin unschuldig!",schrie er noch einmal hilflos über den Platz. Doch keines seiner Worte fand Gehör, ja man lachte sogar über die hoffnungslosen Versuche des Vampirs, seine Haut zu retten. Schließlich stand Abraxas festverknotet oben auf dem Holzhaufen. Gehässig zwinkerte ihm Dylan zu, dann drehte er sich zu der aufgeheizten Menge um und erhob die Arme. Seine tiefe Stimme dröhnte weithin hörbar über den gesamten Platz: "Meine lieben Freunde. Wir haben uns heute hier versammelt um diesen Vampir den Weg in die Unterwelt zu weisen..." Im Wald war kein Laut zu hören, als Ensyis das tote Mädchen endlich gefunden hatte. Alles Leben schien sich von diesem Ort des Unglücks abgewandt zu haben und dies hätte auch Ensyis am liebsten getan. Der Anblick des blassen unnatürlich gekrümmten Körpers war zu viel für den jungen Jäger. Schluchzend sank Ensyis auf die Knie. "Natalia... Natalia", murmelte er immer wieder ihren Namen, immer noch fassungslos über das, was hier geschehen war. Wie hatte Abraxas so etwas nur tun können? Natalias Augen waren weit aufgerissen und vor Angst erstarrt. Ihre letzten Augenblicke mussten einfach nur schrecklich gewesen sein. An ihrem Hals waren zwei winzige Löcher zu erkennen, aus denen ein dünnes Blutrinnsal geflossen war. Jetzt aber war das alles schon erstarrt. In diesem Körper floß kein Blut mehr, er war kalt und starr. Traurig wollte Ensyis schon nach ihrem Körper greifen, als er neben sich plötzlich eine piepsige Stimme vernahm. "Na endlich kommt hier jemand vorbei und nimmt das arme Ding mit. Schau doch wie hässlich sie sich hier auf dieser schönen Blumenwiese macht. Die ganzen herrlichen Blumen sind breitgetreten wurden. Ihr trampligen Menschen könnt einfach nicht vorsichtig sein!",schimpfte das dünnen Stimmchen. Verwirrt sah sich Ensyis um. Wer war es, der ihn da gerade angesprochen hatte? "Wer bist du? Und wo bist du?", fragte er angespannt. "Ich? Ich bin ich! Und wo ich bin? Na hier! Direkt vor dir! Schau doch mal genau hin!" Ensyis hatte sich aufgerichtete und suchte die nähere Umgebung mit den Augen ab. Aber da war nichts. "Wo?" "Na hier! Hier unten! Auf der großen Glockenblume! Schau doch mal hin!" Unten? Verwundert schaute Ensyis in die angewiesene Richtung und tatsächlich, da war jemand oder besser etwas. Ein dünnes zierliches Geschöpf, allerhöchstens zehn Zentimeter groß und mit glitzernden Libellenflügeln auf dem Rücken. Das Geschöpf glitzerte im hellen Licht der Sonne und strahlte von innen heraus ein starkes Licht aus, so dass es Ensyis nicht möglich war es direkt anzusehen. Es handelte sich hierbei wohl um einen kleinen Glühelf, besser bekannt als Irrlicht, denn die normalen Naturelfen strahlten kein derart intensives Licht aus. Wie bei jedem anderen Elf konnte man auch hier nicht genau feststellen ob es sich nun um ein Männchen oder Weibchen handelte. Ensyis vermutete sowieso, dass es sich bei diesen Wesen wohl generell um Neutrums handeln musste."Na hast du mich jetzt endlich gefunden?",pipste das kleine Wesen keck und schwirrte dann hinauf vor Ensyis' Gesicht. "Also nimmst du das Mädchen jetzt mit? Sie liegt hier jetzt schon so lange herum. Bald werden die Totengeister hier lang kommen und weißt du wie viele Blumen, die erst verrotten lassen? Hässliche Biester sind das! Dass die Vampire aber auch nie ihren Abfall ordentlich wegräumen können. Jedes andere Raubtier frisst seine Beute ganz, und die lassen das Beste liegen! Dabei sieht sie so schön aus mit ihrer blassen Haut und dem angsterfüllten Blick, findest du nicht?" Erschrocken schüttelte Ensyis den Kopf: "Nein ganz bestimmt nicht!", entgegnete er hastig, fragte dann aber:"Du hast gesehen wie sie angegriffen wurde? Du hast ihn gesehen?" "Ihn wieso ihn? Es war doch eine Frau!" "Eine... Frau?", wiederholte Ensyis langsam. "Ja eine Frau! Mit rotschwarzen Haaren und langen Zähnen. Weißt du was eine Frau ist? Ein Frau sieht aus wie du. Aber sie hat oben so zwei große Hügel und unten ist sie ganz rund. Da schau, das Ding da unten war auch einmal eine Frau!",kicherte das kleine Wesen. "Ich weiß, was eine Frau ist!",unterbrach Ensyis das Irrlicht barsch:"Und du bist dir ganz sicher, dass es eine rothaarige Frau gewesen ist?" "Rotschwarz!",meinte das Irrlicht stolz. "Kein Mann mit blauen Haaren?" "Blaue Haare?",nachdenklich legte das Persönchen den Kopf auf die rechte Seite. "Ahhh ich weiß wenn du meinst. Nein der kam erst viel, viel später! Mit einem großen dunklen Mann, der hat den aber verdroschen. Das hättest du nicht sehen wollen. Aber der war das hier nicht Was ist nun, nimmst du das Ding jetzt mit?",fragte das Irrlicht nun schon etwas ungeduldiger. In Ensyis Kopf überschlugen sich im Moment die Gedanken. Abraxas war es nicht gewesen? Aber warum hatte es Dylan dann behauptet? Und warum hatte der Vampir versucht zu fliehen? Wo kamen die Kopfschmerzen und das Stechen in seiner Brust bei jedem Atemzug her? Irgendwie war da am gestrigen Abend etwas vorgefallen, an das sich Ensyis nicht mehr erinnern konnte, aber es war wichtig gewesen. Langsam begann eine böse Ahnung in ihm zu erwachen. Was wenn... Hastig drehte sich der Jäger auf dem Absatz herum und begann den Weg, den er gekommen war zurück zu rennen. "HEY? Was soll das? Willst du sie hier liegen lassen?", keifte das Irrlicht hinter ihm her. "Ich hole sie später!", rief Ensyis über die Schulter zurück, jetzt musste er wahrscheinlich erst einmal Abraxas retten. Es zählte jede Sekunde. Im Dorf hielt Dylan immer noch seine Ansprache über die Gefahr der Dämonen und die Notwendigkeit der Jäger um diese zu beseitigen. Abraxas hörte gar nicht hin. Das waren also seine letzten Augenblicke. Drei Wochen hatte er als Vampir überlebt und was konnte er? Gar nichts. Abraxas hatte weder gelernt sich in eine Fledermaus zu verwandeln, noch konnte er Wände hinauf gehen oder hatte Ausdauer wie ein Pferd. Er war ein Versager auf der ganzen Linie. So ein Ende passte da doch ganz gut. Wenigstens würde es danach vorbei sein. Vorbei... *Das ist ja erbärmlich was du hier ablieferst*,hörte er es auf einmal kichern. Erschrocken hob er den Kopf und sah sich um. Wer hatte ihn angesprochen? Alle Augen der Anwesenden lagen auf Dylan, von denen war es keiner gewesen und doch hatte er die Stimme deutlich gehört. Wurde er jetzt verrückt? *Verrückt? Nein, du drehst nicht durch. Zumindest nicht mehr als so schon. Ich bin's doch nur. Spürst du meine Aura denn nicht? Naja kein Wunder so lädiert wie du bist.",kicherte es wieder. Tatsache er wurde verrückt. "Wo bist du?",flüsterte Abraxas atemlos.*Nicht sprechen. Nur denken. Das reicht schon. Schau doch mal nach links oben. Da auf dem roten Dach* Abraxas wand den Kopf nach links und traute seinen Augen kaum. Auf dem Dach sass nur für seine scharfen Vampiraugen erkennbar eine kleine rotschwarze Fledermaus, die ihn frech angrinste. Konnten Fledermäuse grinsen? Diese tat es in jedem Fall. Jetzt war Abraxas auch klar, warum ihm die Stimme so bekannt vorgekommen war. Das war... "Rachel..",flüsterte er fassunglos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)