Abraxas von CriD (Die Sehnsucht in mir) ================================================================================ Kapitel 2: Aufbruch ------------------- Der Vollmond stand senkrecht über dem Burghof während Abraxas rote Augen den Himmel nach irgendeiner Bewegung absuchten. Aber es schien tatsächlich keine einzige Seele mehr außerhalb des Gemäuers zu sein. Seelen... Seelen sowieso nicht. Da war er der einzige hier, der die seine noch besass. Entschlossen gab er sich endlich einen Ruck und trat auf das Burgtor zu. Das helle Mondlicht brannte in seinen empfindlichen Augen. Kein Wunder, dass sich keiner seiner Brüder und Schwestern auf den Hof wagte. Das tat sich kein Vampir mit gesundem Verstand an. Aber dass es nicht der Verstand war, welcher Abraxas leitete, hatte der junge Dämon in den letzten Tagen bereits mehr als einmal feststellen müssen. Abraxas wusste nicht wie lange er nach der Zeremonie gelitten hatte. War es ihm zwar gelungen während des Rituals seine Seele zu behalten, so war sie ihm dann doch danach fast entrissen wurden. Die Transformation war unmenschlich grausam gewesen. Tagelang hatte er sich in Fieberträumen hin und her gewälzt, zwischen immer währenden Schmerzen un totaler Apathie. Und dann irgendwann war es vorbei gewesen. Abraxas hatte zum ersten Mal seine roten Augen aufgeschlagen und sofort erkannt, dass sich alles um ihn herum verändert hatte. Nicht der Ort hatte sich verändert, aber seine Wahrnehmung. Er hörte viel besser und spürte andere um ihn bereits, bevor er sie nur gesehen hatte. In der Dunkelheit sah Abraxas, als wäre es hellichter Tag, dafür brannte das eigentliche Licht wie Feuer auf seiner Haut und in den Augen. Man hatte ihm erklärt, dass sich dieser Umstand mit der Zeit geben würde, aber bis dahin sollte er doch lieber das Sonnenlicht meiden. Der Vampir hatte nicht vergessen, welchem Blick man ihm dabei zugeworfen hatte. Eine unbestimmbare Angst hatte sich auf der Burg verbreitet. Abraxas hatte einige Zeit gebraucht bis er begriffen hatte, dass diese Angst von ihm verbreitet wurde. Die anderen wichen ihm aus. Sie konnten es nicht vor ihm verbergen, schließlich war er einer der ihren... Nur doch so anders. Seit dem Ritual hatte Abraxas Meantoris nur noch ein einziges Mal gesehen. Es war eine seltsame Stimmung gewesen, die zwischen den Beiden gelegen hatte. Keiner hatte zu sprechen gewagt. Es war ein stilles Kräftemessen gewesen und Abraxas hatte nicht das Gefühl als Sieger daraus hervor gegangen zu sein. Aber der Hass in ihm brannte, stark wie zuvor. Er würde Meantoris kein zweites Mal so nahe an sich heran kommen lassen. Während Abraxas langsam auf die Stallungen zuschritt grübelte er darüber nach, was es gewesen war. Was hatte er gesehen, als Meantoris seine Seele verschlingen wollte? Betrübt schüttelte der junge Vampir den Kopf. Er wusste es nicht mehr, doch spürte er, dass es wichtig gewesen war. Aber trotzdem erschien es ihm fast so als wolle sein Innerstes selbst die Erinnerung vor ihm verbergen. Was sollte es. Wichtig war nur sein Vorhaben. Er musste hier weg. Keinen Tag länger mehr würde er es auf dieser Burg aushalten. Er wusste nicht was der Grund für den Hass war, der in seiner Brust brannte, aber er wusste, dass er da war und das war ein gutes Zeichen. Kein seelenloses Wesen wäre so in der Lage gewesen zu hassen. Auch das war ein menschliches Laster. Aber Abraxas nahm es gerne in Kauf. Als er den Stall betrat verstummten auf einmal die sonst so tiertypischen Geräusche, die sonst eigentlich in jeden Stall gehörten. Kein Heurascheln, keine scharrende Hufe auf dem steinigem Boden, keine ausgestoßene Luft aus den Nüstern der Tiere. Es war nahezu totenstill. Aber davon lies sich Abraxas nicht beirren. Er hatte bereits vorher gewusst, wie Tiere mit ihren ungemein schärferen Sinnen auf Untote wie ihn reagierten. Sie spürten WAS er war. Zielsicher steuerte Abraxas auf eine der hinteren Boxen zu. Vorbei an den prächtigen Tieren, der hohen Vampire. Nein so weit war er noch nicht, dass er es wagen würde eines dieser Tiere zu stehlen, noch nicht. Schließlich entschied er sich für ein schönes braunes Pferd. Eines der wenigen Tiere hier, die eine andere Farbe als die der Nacht trugen. Sein Verlust würde für die Herrschaften auf der Burg nicht ganz so tragisch sein und sie würden vielleicht davon absehen ihn zu verfolgen. Vielleicht... Abraxas war kein geübter Reiter, genauso wenig hatte er viel Erfahrung darin, wie man ein Pferd richtig aufzäumte. Der Umstand, dass das Pferd schnaubend zurückwich, als er es berührte, machte die ganze Sache zudem nicht leichter. "Shhh... ganz ruhig. Ich tu dir doch nichts." Das schien das Tier allerdings ganz anders zu sehen. Angstvoll hatte es sich nun schon so weit wie es nur irgend möglich war in seine Box zurückgezogen und den Vampir dabei kein einziges Mal aus den Augen gelassen. Wie zum Teufel machten das denn nur die Anderen? Resignierend trat Abraxas wieder auf das verängstigte Tier zu, das Geschirr wohlweislich hinter dem Rücken versteckend. Wie es ihm letzendlich gelungen war dem Pferd das Zaumzeug anzulegen wusste er nicht mehr. Es hatte wohl einige Zeit in Anspruch genommen und ihm einige schmerzhafte Bisse eingebracht. Zufrieden betrachtete Abraxas sein Werk. Die Satteldecke lag auf dem Rücken des Pferdes, das Zaumzeug saß richtig, fehlte noch der Sattel und er konnte endlich verschwinden. Bei weitem nicht mehr so vorsichtig und umsichtig wie noch zum Anfang, drehte sich der Blauhaarige zu Tür der Box und mit dem Rücken zu dem Braunen, um nach dem Sattel zugreifen. Das vor Angst sowieso schon bebende Tier schien nun endlich seinen Moment kommen gesehen zu haben und preschte ohne weitere Vorwarnung nach vorne, an Abraxas vorbei hinaus in die Freiheit. So weit kam es nicht. Ohne, dass er es selbst wirklich bestimmte drehte sich der Vampir herum und griff in einer einzigen fliessenden Bewegung nach den vorbeifliegenden Zügeln des Pferdes. Die Bewegungen des Tieres kamen ihm so unglaublich langsam vor. In der nächsten Sekunde wurde der Braune durch die Wucht der zurückgezogenen Zügel zu Boden gerissen. Es krachte laut als der mächtige Pferdekörper auf dem Stallboden aufschlug. Entsetzt liess Abraxas das Zaumzeug los und starrte auf das Tier hinab, das sich noch zu wundern schien, wie es denn überhaupt da hinunter gekommen war. War er... das gewesen? Ein halbe Stunde später betrat Abraxas mit dem nun fertig gesatteltem Pferd den Hof. Es hatte keine weiteren Komplikationen gegeben. Der Vampir schien dem lebenden Wesen sehr eindrucksvoll bewiesen zu haben wer der Stärkere war. Sein Blick wanderte noch einmal zum dunklen Gemäuer der Burg hinauf. Viele Jahre, war dieser Ort seine Heimat gewesen. Er konnte die anderen Vampire hinter den Mauern spüren. Ja er sah förmlich, wie alle ihre blutunterlaufenen roten Augen auf ihn gerichtete hatten und darauf warteten, dass er endlich verschwand. Er war kein Mensch mehr, aber er war auch niemand von ihnen. Mit Mühe wand er den Kopf, nach einer kleinen Ewigkeit wie es schien, ab und schwang sich in einer mühelosen Bewegung auf das Pferd hinauf. Die Gesetze der Erdanziehungskraft schienen für Wesen der Nacht ausser Kraft gesetzt wurden zu sein oder zumindest hatten sie an Einfluss verloren. Das Tor der Vampirburg war weit geöffnet. Das machte es ihm einfacher zu verschwinden. Warum sollte es auch geschlossen sein? Kein menschliches Wesen wagte sich freiwillig hierher mit Ausnahme ein paar Heldenmütiger, die ihren Mut teuer bezahlen mussten. Genug der unnützen Gedanken. Er musste weg hier, wie sehr sein Herz auch an diesem Ort hing, das war nicht mehr sein Zuhause. Brutal stieß Abraxas dem Pferd die Hacken in die Flanken und lies es wild nach vorne preschen. Die klappernden Hufe auf dem Steinboden klirren schmerzhaft in den Ohren, aber Abraxas trieb sein Pferd eher noch mehr an als es zu verlangsamen, um das böse Gelächter der Anderen in seinem Kopf zu übertönen. Die Nacht war noch lang und bis zum Morgengrauen wollte er so viele Meilen wie nur irgend möglich zwischen sich und dieses alte Monument gebracht haben. Die Jagd hatte begonnen. Mit der Zeit begann sich der Untergrund über den die schlanken Pferdebeine flogen zu verändern. Von der einstigen Steinwüste war fast nichts mehr geblieben. Überall war der Boden mit sattem, kniehohen Gras bedeckt. Vereinzelt standen dünne Bäume auf der Ebene herum. Auch wenn diese Gegend ansprechender aussah, als die woher Abraxas kam, wusste er doch, dass er sich hier nicht sicher fühlen durfte. Die weite Grasebene bot keine einzige Möglichkeit sich zu verstecken und so war er für auch noch weit entfernte, mögliche Verfolger gut zu sehen. Hier konnte er nicht ruhen. Auch begann bereits die Sonne langsam über die noch weit entfernten Berggipfel des Drachengebirges zu klettern. Noch erreichten ihn die Strahlen nicht, aber in spätestens einer Stunde würde die gesamte Savanne in Licht getaucht sein. Abraxas wusste, dass die Sonne ihn nicht umbringen würde. Das waren Geschichten der Menschen, welche sich an die vage Hoffnung klammerten am hellichten Tag vor den Geschöpfen der Nacht in Sicherheit zu sein. Tatsächlich kam es wohl eher selten vor, dass Vampire ein Dorf am Tag angriffen. Mochte das Sonnenlicht es nicht vermögen sie zu töten, doch ein Unwohlsein blieb immer. Bei einem aber noch so jungen Vampir wie Abraxas würden die Sonnenstrahlen grausame Schmerzen verursachen. Er war noch nicht so weit. Abraxas war sich im Klaren darüber, dass er schleunigst irgendwo Unterschlupf finden musste, wenn er sich nicht unter Qualen winden wollte. In der Ferne konnte Abraxas ein kleines Wäldchen entdecken. Aber es war noch weit entfernt und sein Tier war erschöpft. Auch ihm lag die vergangene Nacht schwer in den Knochen. Man hatte ihm erzählt, dass Vampire kaum ermüdeteten und Tage laufen konnten ohne erschöpft zu sein. Auf ihn traf das wohl noch nicht zu. Tatsächlich spürte er jeden Knochen in seinem Körper, sogar an Stellen, bei denen er noch nicht einmal geahnt hatte, dass dort überhaupt so etwas vorhanden war. Während Abraxas nun so dastand und grübelte was er tun sollte, stieg die Sonne immer weiter gen Himmel. Die Hälfte der Savanne war bereits in Licht getaucht und es konnte sich nur noch um Minuten handeln bis die Sonnenstrahlen auch den Vampir erreicht hatten. Das gab den Ausschlag. Hastig ohne noch weitere Gedanken daran zu verschwenden ob er es schaffen konnte, liess er sein Pferd nach vorne stürzen. Das hier war keine Frage mehr ob es möglich war zu schaffen. Es MUSSTE einfach möglich sein. Vielleicht hätte er es ja sogar noch geschafft, wenn das Pferd sein Tempo durchgehalten hätte. Aber der Vampir hatte dem Tier über Nacht einfach schon zu viel zugemutet. Mit Entsetzten musste Abraxas feststellen, dass der Braune immer langsamer wurde, so sehr er ihn auch antrieb. Das Tier konnte einfach nicht mehr und die Sonne stieg unaufhörlich höher. Schließlich war der Punkt erreicht, an dem es einfach nicht mehr weiter ging. Das Pferd machte noch einen letzten Satz nach vorne, begann dann aber zu straucheln. Vielleicht hätte es sich noch fangen können, wenn der Vampir auf seinem Rücken ihm nicht gnadenlos die Sporen in den Bauch getrieben hätten. So aber kam es letztendlich vollends aus dem Schritt und stürzte beim nächsten Straucheln zu Boden. Abraxas schleuderte es kopfüber aus dem Sattel. Insektenschwärme wirbelten nach oben, wo er landete und sich mehrmals überschlug. Noch aus der Drehung heraus, sprang der Vampir wieder auf die Beine und stürzte nach vorne. Er musste das Pferd nicht sehen um zu wissen, dass es immer noch auf dem Boden lag und sich wahrscheinlich eine Zeitlang nicht mehr rühren würde. Und die Sonne stieg weiter. Jetzt war es die Kraft seiner eigenen Beine, die ihn nach vorne trug. Erstaunt bemerkte er noch wie schnell er war, dann wurde sein Verstand urplötzlich in einem wogenden Strom voller Gier und Lebenswille hinfort gespült. Die Augen des Vampirs sprühten rote Funken, während er, in einer mörderischen Geschwindigkeit, weiter auf den Wald zu hetzte. Einzig der Instinkt des Vampirs und der damit verbundene animalische Lebenswille hatten ihn gerettet. Äste brachen unter krachenden Geräuschen auseinander als er den Wald erreichte. Für einen kurzen Moment sah Abraxas einzelne Staubteilchen und zersplitterte Holzstücke vor seinen Augen durch die Luft schweben. Wieder schien die Zeit auf unheilvolle Weise langsamer zu fliessen. Sofort aber war sie wieder im normalen Fluss und er stürzte polternd in das Unterholz das Wäldchens. Keuchend und nach Atem ringend richtete sich der Vampir langsam wieder auf. Keine Sekunde zu früh, hatte er das Wäldchen erreicht. Überall hatte die Sonne ihre sengenden Strahlen verbreitet. Dass der Wald sein gesamtes Gesicht zerkratzt hatte, bemerkte er nicht. Das dünne Blutrinnsal unter seinem linkem Auge, welches nun langsam über seine Wange hinab zum Kragen floss. Auch das bekam er nicht mit. Was war das eben gewesen, das die Kontrolle über ihn gewonnen hatte? All seine Gedanken, sein Selbst waren für einen Moment verdrängt wurden und in ihm drin war nichts mehr gewesen, ausser einer unglaublich alten und bösen Gier. Gier nach allem was da draußen lebte. Wenn ihn in diesem Moment irgend jemand zu nahe gekommen wäre, hätte er ihn in Stücke gerissen. Daran zweifelte Abraxas keinen Moment. War das... der Vampir in ihm gewesen? Immer noch heftig atmend, schloss Abraxas die Augen, versuchte sich zu beruhigen und horchte in sich hinein. Ja, da war es immer noch. Dieser schwarze Klumpen tief in ihm drin. Eine wabernde Masse voll böser Gedanken und unersättlichem Durst. Immer wieder zischten seine schwarzen Ausläufe nach oben, um einen Weg in sein Bewusstsein hinein zu finden. Aber der helle Funken hielt dieses schwarze Ding davon ab, weiter nach oben zu kommen. Der Stern brannte tief in ihm drin. Als Abraxas die Augen wieder öffnete, fiel ihm sofort der dunkle, schwarze Fleck am Himmel auf. Noch war er weit weg. Aber er bewegte sich näher und er war schnell. Bisher konnte Abraxas nicht sagen ob es sich nur um einen Schwarm schwarzer Vögel handelte, oder ob es etwas anders war. Vielleicht eine Horde geifernder Fledermäuse? Wer wusste das schon. Abraxas jedenfalls wollte nicht am Waldrand stehen bleiben um heraus zu finden, was da angeflogen kam. So einfach würde er es seinen Häschern nicht machen. Sein untotes Leben wollte er so teuer verkaufen, wie es nur möglich war. Ruhig drehte er sich um und begann so schnell es im Untergehölz der Bäume eben möglich war, tiefer in den Wald einzudringen. Das Pferd war eine Gefahr. Es war weithin sichtbar, aber vielleicht war es ja auch tot, von den Strapazen gestorben, die er ihm zugemutet hatte. Wenn das der Fall war konnte er Glück haben, den das hohe Gras würde den Pferdekörper vielleicht verdecken. Vielleicht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)