Abraxas von CriD (Die Sehnsucht in mir) ================================================================================ Kapitel 1: Die Weihe -------------------- Der junge Mann mit den blauschimmernden Haaren stand aufgerichtet am Fenster seines Gefängnisses. Die braunen Augen wanderten über die Szene, die sich unter seinem Fenster abspielte. Sie waren wieder fündig geworden. Unter lautem Gejohle hetzten die eigentlich unscheinbar wirkenden Männer in Schwarz, Frauen, Kinder und vereinzelt auch Männer über den Hof. Keiner der Gefangen würde die nächsten Tage überleben. Abraxas erschauderte als er darüber nachdachte. Wie viele waren für diese Rasse bereits gestorben? Und wie viele würden es noch sein? Hastig schüttelte er den Kopf. Was scherte es ihn? Solche Gedanken durfte er nicht mal ansatzweise denken. Er war hierher gebracht wurden um sich zu reinigen. Von allem was überflüssig war. Von Gefühlen, Erinnerungen und vor allem den leidigen Gelüsten der Menschen. Seine Menschlichkeit sollte er ablegen, die brauchte er nicht mehr, als vollkommenes Wesen. Sie würde ihn nur behindern. Aber noch war er ein Mensch, einer von ihnen, die dort unten auf dem Hof so erbärmlich schrieen. Ein Mensch mit all seinen Schwächen. Und eine der größten Lasten des Menschen war die Angst. All die Jahre hatte es ihn nicht gestört, was mit den Menschen geschah, die hier gefangen wurden. Ihr Tod und vor allem ihre Qual vor dem Unausweichlichem interessierten und vor allem berührten ihn nicht. Aber jetzt... Bald in wenigen Stunden würden diese Männer in Schwarz wirklich seine Brüder sein. Er war im richtigen Alter und Abraxas war stark genug, das Ritual, ohne zum willenlosen Goul zu mutieren, zu überstehen. Aber war der Wille den das einzig Wichtige? Was war mit diesem Funken, der da angeblich tief in einem drin brannte. Dieses brennenden Etwas, was sich ihm jetzt in aller Deutlichkeit offenbarte. Seine Seele. Was war mit ihr? Brauchte er sie denn nicht mehr um weiter zu existieren? Die Frage beantwortete sich von selbst. Zum Existieren... nein da brauchte man keine Seele. Und zum Leben? Zum Leben vielleicht, aber das hätte sich ja sowieso erledigt wenn er geweiht wurde. Ein markerschütternder Schrei drang an sein Ohr. Die schrille Stimme einer Frau hallte darin wider. Er wollte es nicht mehr hören, es sollte aufhören! Gequält schlug Abraxas die Hände über den Ohren zusammen. Aber der Schrei brach nicht ab. Im Gegenteil er verstärkte sich noch. Es tat weh. Und irgendwann bemerkte Abraxas, dass es nicht mehr die Frau vom Hof gewesen war, die schrie. Ihm selbst waren die Laute über die Lippen gekommen. Zitternd sank er zu Boden. Der junge Mann hatte Angst, schreckliche Angst. Abraxas wusste jetzt wofür dieser Raum da gewesen war. Ein letzte Prüfung. Er würde sie nicht bestehen. Schreckliche Zweifel hatten sich bereits in sein Herz geschlichen. Es war nicht so, dass er um diese Menschen trauerte. Sie interessierten ihn noch immer nicht. Der Tod... Was war das schon? Sein ständiger Begleiter, nicht mehr. Aber wollte er wirklich so werden wie sie? Diese Wesen da unten? Er hatte sie noch nie Lachen gesehen mit Ausnahme wenn sie ihre Opfer quälten. Freude? Das war doch nur Ausdrucks ihres Wahnsinns. Diese Wesen empfanden keine echte Freude mehr. Barmherzigkeit, Mitleid. Wie oft war es vorgekommen, dass sie einen der Ihrigen einfach liegen ließen, ohne die Gnade seinem Leben wenigstens ein schnelles Ende zu bereiten? Wie oft war einer nicht zurückgekehrt ohne das die anderen auch nur ansatzweise wussten was geschehen war? Nein so etwas interessierte sie nicht. Und wie war es mit der Liebe? Die Frauen gaben nur allzu bereitwillig ihren Körper her um ihre eigene unerfüllte Lust zu befriedigen. Aber bei diesem fast animalischen Prozess konnte man doch nicht mehr von Liebe sprechen. Nackte Körper, die sich aneinander rieben. Jeder mit jedem. Frauen mit Frauen, Männer mit Männern, mit Kindern oder auch Tieren. Nein das war keine Liebe. All die Jahre war Abraxas noch nicht einmal der Gedanken gekommen, dass dieses Leben der falsche Weg sein könnte. Bei ihm war es ja nicht so gewesen. Sein Leben war bis dahin behütete gewesen. Abgeschirmt von den Grausamkeiten hatte er in Frieden sein Leben dahin gefristet unter den wenigen anderen menschlichen Anwärtern. Sicher es war ihm aufgefallen, dass ab und zu mal einer verschwand und meist nicht wieder auftauchte. Aber was scherte es denn ihn? Ihm ging es gut. Und die Macht, welche ihm von Anfang an in Aussicht gestellt wurde, lies jeden Zweifel bereits im Keim ersticken. Aber jetzt hier in diesem kleinen Zimmer. So kurz vor dem, auf das er alle Jahre lang hingearbeitet hatte, da kamen ihm Zweifel. Und die Angst verstärkte sie. Zitternd hatte er sich an die Wand gelehnt und war mit dem Rücken langsam hinab gerutscht. Sein schwarze Kleidung schlief über den kalten Stein und verursachte ein kratzendes Geräusch. Haltesuchend fuhr Abraxas Hand durch die blauen Haare. Was sollte er nur tun? So wie diese Wesen wollte er nicht werden. Aber ihre Macht, die wollte er... immer noch. Aber ob er bereit war sich selbst dafür aufzugeben, das wusste er nicht mehr. Ein Geräusch von der Tür her lies den jungen Mann aufhorchen. Hastig richtete er sich wieder auf, als er bemerkte, dass die Tür tatsächlich geöffnet wurde. Als er der nun eintretenden Gestalt gewahr wurde verbeugte er sich schnell voller Ehrfurcht. "Es ist gut, Abraxas. Sieh mich an, mein Schüler." Zögernd hob Abraxas den Kopf. Sein Lehrmeister sah aus wie immer. Die dünne vom Alter gezeichnete Gestalt war in einen langen schwarzen (wie hätte es auch anders sein können?) Mantel gehüllt und betrachtete ihn aus den rot schimmernden Augen prüfend. Abraxas fühlte sich unter diesen Blicken jedes Mal aufs neue unwohl. Ihm war es immer so als würde jeder Funken seiner Seele durchspäht und ergründet werden. Bald würde da nichts mehr sein, was man ergründen konnte. Der von einem langem weißen Bart gerahmte Mund verzog sich spöttisch, beim Anblick der verschüchterten Gestalt vor ihm. "Du hast Angst, mein Schüler. Du zweifelst." "Nein Herr. Ich habe keine Angst. Ich..." Der Weißhaarige unterbrach ihn barsch. Seine Stimme klang drohend, befehlend, nicht mehr wohlwollend fragend wie noch zuvor. "Oh doch! Du hast Angst. Ich sehe es. Deine Augen. Sie vermögen es nicht den meinigen Stand zu halten. Suchend irren sie im Zimmer umher einen Punkt zu finden, an denen sie sich festkrallen können, dessen Anblick sie aufsaugen können. Hauptsache sie werden nicht gezwungen in das meinige Anlitz zu schauen. Ist es nicht so? Du hast Angst, vor dem was ich bin und vor dem was du bald sein wirst. Du zweifelst!" Abraxas schluckte. Fast schien es als wolle er zu einer Antwort ansetzten, als er nach wie es schien ewiger Zeit endlich den Mund öffnete. Aber heraus kam kein Wort. Er war nicht fähig zu widersprechen, sich zu verteidigen. Schliesslich stimmte ja alles was sein Meister gesagt hatte. Er zweifelte. Beklommen nickte er endlich. Das Schweigen, welches sich nun im Raum auszubreiten begann hätte nicht bedrohlicher sein können als alles andere, was sein Meister im Stande war zu tun. Abraxas hatte den Blick gen Boden gelenkt. Er wagte es nicht mehr aufzusehen. Wahrscheinlich erschreckte ihn das was sein Meister tat deswegen um so mehr. Der alte Mann war nach vorne geeilt und hatte den Blauhaarigen in seine Arme geschlossen. Abraxas war wie erstarrt. Lange, lange Zeit hatte ihn niemand mehr in den Arm genommen und nun gerade von dieser Person, von der er es am allerletzen auf der ganzen weiten Welt erwartete hätte. Im seinen Kopf begannen sich die Gedanken zu überschlagen. War das nur ein letzter Gruß vor seinem Ende? Was sollte diese plötzliche Geste der Zärtlichkeit? "Herr, was..." "Nicht Herr, Abraxas. Mein Name ist Meantoris. Jetzt, da du in den nächsten Stunden wirklich zu meinem Sohn werden wirst geziemt es sich nicht mehr, dass du mich mit Herr ansprichst." Abraxas Herz begann schneller zu schlagen. Hieß das... "Ich spüre deine aufkommenden Freude. Dein Herz es spielt eine fröhliche Melodie. Babum-Babum. Was ist nun? Wollen wir gehen? Ich kann es nicht mehr abwarten meinen wahren Sohn in die Arme zu schließen." Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, ergriff Meantoris Abraxas an der Hand. Niemand hätte dem Greis eine solche Kraft, die Abraxas nun zu spüren bekam zugetraut. Erbarmungslos zerrte ihn der Alte über den Gang. Die liebevollen Worte hatten den jungen Mann in tiefstes Grauen versetzt. Apathisch liess er sich hinter seinem Herrn herziehen. Vater, Sohn? Diese Worte waren es nicht, die ihm einen solchen Schrecken einjagten. Es war ein anderes Wort gewesen. Wahrer Sohn. Das war es gewesen. Abraxas verstand, so wie er jetzt war, war er für seinen Vater nicht gut genug. Er war nur ein unbedeutender, machtloser Mensch. Nicht mehr... aber auch nicht weniger. Abraxas' Blick stählte sich während die beiden den langen dunklen Gang zum Zeremoniesaal entlang schritten. Ja für diesen Mann wollte er einer der ihren werden. für ihn, wenn auch für niemanden sonst. Schliesslich war es Meantoris gewesen, der den kleinen Jungen Abraxas aus dem Sumpf der Verzweiflung geholt hatte. Damals, als seine Eltern hinterhältigst ermordet worden waren. Meantoris hatte seinem Leben einen neuen Sinn gegeben. Für ihn würde er es tun. Meantoris hatte das Ende des langen Ganges erreicht und blieb nun vor der riesigen mit okkulten Zeichen verzierten Flügeltür stehen und deutete Abraxas an, weiter zu gehen. Wieder begann die angst in Abraxas' Wellen zu schlagen, aber er unterdrückte sie gewaltsam. Er würde nicht mehr zweifeln. Im Raum waren bereits alles versammelt. Die dunklen Gestalten, nicht vergleichbar mit denen, welche sich auf dem Hof herum trieben, überwachten jeden seiner Schritte aufs Peinlichste genau. Alle Fenster im Raum waren mit schweren Brokatvorhängen verhüllt. Tausende Kerzen warfen statt dessen ihr zuckendes Licht umher. Abraxas erschien in diesem Moment alles mehr als unwirklich. Wie ein Schlafwandler tastete er sich auf den unscheinbar wirkenden Stuhl in der Mitte zu. Der Stuhl war ein simpler Holzstuhl in einer sehr merkwürdigen Farbe. Übelkeit stieg in dem jungen Mann auf, als er bemerkte, dass es sich dabei wohl um die Farbe geronnenen Blutes handeln musste und nicht nur die Farbe... Alles in ihm rebellierte dagegen sich auf diesen vom Teufel persönlich verfluchten Stuhl zu setzten. Aber er hatte schon lange keine Wahl mehr. Meantoris stand bereits wieder hinter ihm und drückte mit nun nicht gerade mehr sanfter Gewalt nach unten. Abraxas' Gesicht hatte jegliche Farbe verloren. Alle Blicke ruhten auf ihm und er konnte sich belügen wie er wollte, wohlwollend waren diese nicht. Die Gesichter der Anwesenden waren verzerrt zu gierigen, blutlüsternden Fratzen. Ihre roten Augen glühten unheilvoll und schienen ihn verschlingen zu wollen. Hilfesuchend wandte Abraxas' seinen Kopf hin und her und blieb letzendlich am Gesicht seines Meisters hängen. Aber auch dort fand er keinen Verständnis mehr. Meantoris' Gesicht unterschied sich nicht im entferntesten von dem seiner Brüder und Schwestern. Das bemerkte Abraxas spätestens in dem Moment als sich die spitzen Zähne des Vampirs in seine Halsschlagader gruben. Rasend vor Angst riss er die Arme nach oben um das Wesen der Finsternis von sich zu treiben. Aber umso mehr er sich sträubte um so tiefer gruben sich die blanken Zähnen in seine warme Haut hinein. Hatte er wirklich geglaubt, dass er das gewollt hatte? Plötzlich fühlte er seinen Kopf zurückgedrückte und eine warme Flüssigkeit floß in seinen Mund. Meantoris hatte ihm die nackte Handfläche auf den Mund gedrückt, vorher musste er sie sich selbst verletzt haben. Abraxas konnte die warme Flüssigkeit in seinem Mund erst nicht zuordnen, dann aber musste er mit entsetzten feststellen, dass es sich wohl um Blut handelte. Prustend versuchte er die widerwärtigen Flüssigkeit aus seinem Mund zu spucken. *Trink du NARR!* Abraxas' Augen weiteten sich. Niemand hatte diese Worte gesagt und trotzdem hatte er sie deutlicher als alles je zuvor vernommen. Seine Sinne verliessen ihn mehr und mehr. Immer undeutlicher konnte er erkennen was um ihn herum geschah. Nur noch der rasende sog an seinem Hals war existent. Das nächste was Abraxas sah war ein riesenhaftes schwarzes Chaos auf dass er sich mit unglaublicher Geschwindigkeit zubewegte. Er? Nein nicht er... er war niemand mehr, er war etwas. Hastig drehte er sich herum, um zu sehen woher er kam. Da war nichts als ein blutroter Wirbel aus Abertausenden schäumenden Blasen und noch etwas anderes. Er selbst... nein etwas viel Dunkleres und Älteres. Das Böse seiner Seele... dann war er? Und schliesslich verstand Abraxas, spätestens in dem Moment als kurz vor der Vereinigung seiner Seele mit dem Bewusstsein Meantoris' alle Erinnerungen seines Meister offen gelegt wurden. Und das, was er da sah... Ein gellender Schrei entfuhr Abraxas, als er das Blut seines Meisters hinunterschluckte diesen aber gleichzeitig weit von sich stiess. Zwei weitere Vampire sprangen heran und wollten ihn fassen, als er sich hastig aufrichtete. Seine Sinne rasten und die Wunde an seinem Hals blutete immer noch. Abraxas bekam nicht mehr mit, wie er langsam zu Boden sank und dort vornüber kippte. Unmenschlicher Hass brannte in ihm, Verachtung und Abscheu und das war das wichtigste, Trauer. Dann wurde es dunkel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)