Traurige Augen von Schattenwald ================================================================================ Kapitel 1: ----------- So ging er wieder nach Hause, wie jeden Tag. Und wie jeden Tag war sein Kopf gesenkt, seine Schultern hingen lustlos an seinem Leib, der leicht nach vorn gekrümmt war, als wolle er erbrechen. Die Hände in den Taschen, um sie zu wärmen, ging er langsam schreitend und verträumt die Straße entlang. Sein Haar wehte im Wind und seine Augen waren auf die Straße gerichtet. Es waren traurige Augen. Sie wollten nicht das sehen, was sie sahen. Er konnte ihre Worte spüren, er konnte sie förmlich hören, die ganzen Freunde, bei denen er jeden Nachmittag war. Wenn er jetzt an sie dachte, kam es ihm so vor, als würden sie über ihn herziehen, gerade jetzt, in diesem Moment. Er fühlte sich, als würde er nirgendwo mehr hingehören, es war, als würde er versinken. Versinken in einem Meer aus Wörtern. Neben ihm klapperte ein vom Wind getragener Joghurtbecher die Straße entlang. ,Wie schön es jetzt wäre, ein Blatt im Wind zu sein...', dachte er sich. ,Ich könnte fliegen, bis ans Ende der Welt! Ich würde alles sehen, bis mich der Wind an einem stillen Ort wieder absetzt, wo ich verweilen kann, bis mich erneut eine Brise mitnimmt. Den Launen der ewigen Winde ausgesetzt, über die Welt fliegend, was wäre ich froh! Statt dessen bin ich an die Erd gebunden...' Mit diesen Gedanken senkte er den Kopf wieder auf den Fußweg und ging weiter. Ein paar Haare wehten vor seiner Stirn, aber die wurden von einer starken Böe förmlich weggerissen. Er mochte den Wind wirklich sehr, aber er konnte nicht wie der Wind sein. Dieser unerfüllte Traum machte ihn traurig. Er hatte schon oft gehört, dass Tote ihre Asche im Wind verteilen ließen...und wieder dachte er nach: ,Würde man es noch spüren, mit den Wind zu gehen? Wie würde es wohl sein, zu fliegen?' Er beneidete die Vögel wirklich sehr. Doch zerrten ihn wieder eine traurigen Augen in die Realität zurück. Augen, mit denen er so vieles gesehen hatte. Schritt für Schritt ging er durch die Stadt und kam an einem Blätterwirbel vorbei. So eine Luftsäule gefiel ihm sehr und er spürte jedes Mal ein Glücksgefühl, wenn er an einer solchen vorbei ging. Egal, wie schlecht es ihm ging: So ein Blätterwirbel zauberte immer ein Lächeln auf seine Lippen. ,Ob das nur der Wind ist?', fragte er sich. ,Vielleicht ist es eine kleine Fee, die durch die engen Gassen huscht...?' Er versank in Gedanken um Mythen, um Fabelwesen und träumte immer weiter vor sich hin. Manchmal hatte er das Gefühl, als würde er laufen, ohne dass er wüsste wohin, aber er fand immer sein Ziel: Sein zu Hause. ,Ach,', dachte der Junge sich, ,ich bin ja doch nur der, der ich bin: Ein Mensch. Ich werde nie so sein...' Mit diesen letzten Gedanken schloss er die Haustür auf und ließ einen weiteren Tagtraum verfliegen. Einen wie viele andere, die täglich entstehen und mit traurigen Augen abgeblockt werden. Und wie auch viele andere verschwand dieser Tagtraum im Wind. Er tat das, was der Junge schon so lange tun wollte: Sorglos vor sich hinschweben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)