Gedanken von Nessi-chan ================================================================================ Kapitel 59: Eine alte Geschichte und ein neuer Trank ---------------------------------------------------- Eine alte Geschichte und ein neuer Trank (Kapitel 59) Tja, auch das nächste Jahr hatte mehr oder weniger schon in den Ferien begonnen. Severus hatte sich nach dem Schock der Ereignisse erstmal mit dem erholt, was er dann immer tat: Tränke brauen. Doch diesmal spielte in seine gewöhnliche Art sich abzulenken noch etwas anderes mit rein. ‚Ich hatte bestimmt genug Zeit, es zu vergessen,' dachte er, ‚aber es war einfach zuviel damit verbunden, als dass ich es hätte lassen können. Zu viele entscheidende Dinge...' ------------------------------------------------------ Nächte hatte Severus wieder einmal mit dem Brauen zugebracht und langsam hatte er das Gefühl, dass sein seit Jahren verfolgtes Ziel näher rückte. Während der Trank im Kessel leicht vor sich hin brodelte, lehnte Severus an der Kante seines Schreibtisches und sah auf das Stück Pergament in seinen Händen herab. Das Gefühl von Geborgenheit, das Severus seit seiner Kindheit beim Brauen immer verspürte, vermischte sich mit einer gewissen Traurigkeit. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein altes Stück Pergament, das schon leicht vergilbt war und auf dem jemand ein Rezept aufgeschrieben hatte. Mit wesentlich jüngerer Tinte waren Randnotizen und Verbesserungen gemacht, doch noch immer leuchtete ihm beim Anblick dieser Aufzeichnung die Schrift seiner Mentorin entgegen. Seit Jahren hatte Severus nun daran gearbeitet. Damals hatte er das Pergament eigentlich nur eingesteckt, damit es dem dunklen Lord nicht in die Hände fiel, doch nach dem Tod von Prof. Dr. O'Brian hatte Severus das Gefühl gehabt seiner alten Mentorin diesen Erfolg schuldig zu sein. Sie hatte damals auf ihn gesetzt, er hatte sie verraten, wenn auch unabsichtlich, und versuchte nun in gewisser Weise Buße zu tun. ‚Es ist wenig, ich weiß, aber ich wüsste nicht, was ich jetzt noch mehr für Sie tun könnte.' Ein Blubbern, das für jeden anderen normal geklungen hätte, wies Severus darauf hin, dass der Trank soweit war. Also legte Severus das Pergament zur Seite, verkleinerte das Feuer und schöpfte etwas mit einer Kelle aus dem Kessel. Das dickflüssige, schleimig-grüne bis matschbraune Gebräu sah nicht sonderlich appetitanregend aus, doch Severus hatte ja auch nicht vor damit an einem Gourmet-Wettstreit teilzunehmen. Vorsichtig füllte er es in eine Art Pipette, schnappte sich die bereitgestellte Tasche und verließ seinen zuvor gut versiegelten Kerker. Sein direkter Weg führte zu einem Verschlag am Rande des Verbotenen Waldes, in dem Hagrid normalerweise irgendwelche seltsamen Kreaturen hielt, die ihm mal wieder aufgeschwatzt oder aufgespielt wurden. Severus entsicherte den Riegel mit dem entsprechenden Zauberspruch und trat ein. In der Ecke des Verschlages stand ein extrem vergitterter Käfig, in dem sich eine staubgraue Katze befand. ‚Gut, dass Minerva von dem hier nichts weiß.', dachte Severus und stellte sich das Gesicht seiner Katzen freundlichen Kollegin vor. ‚Sie wird mich umbringen, wenn sie das je erfahren sollte.' Severus schüttelte lächelnd den Kopf und betrat den Käfig. Die Katze, die schon wusste, was jetzt kam, wich zurück und sah Severus misstrauisch an. „Ich weiß.", gab dieser als eine Art Antwort zu. „Es schmeckt nicht und es ging ein paar mal daneben, aber jetzt sind wir wirklich nah dran. Und wenn es so funktioniert, wie ich denke, dann kannst du nach dem Erfolg hier raus und musst mich nie wieder sehen." Die Katze wirkte noch immer misstrauisch, doch aus der Erfahrung heraus, dass sich dieser Mensch sowieso nicht abwimmeln ließ, ergab sie sich in ihr Schicksal. Severus hob sie hoch und flößte ihr den Trank mit der Pipette ein. Das Tier begann ein Husten von sich zu geben, als in diesem Moment auch schon die Tür aufging. Obwohl es eigentlich nur eine Person gab, die hier etwas zu suchen hatte, wandte Severus sich um und sah, wie erwartet, Hagrid in der Tür stehen. „Und?", fragte er. „Klappt es?" „Wenn ich das wüsste, Hagrid," antwortete Severus mit einem leichten Anflug von Sarkasmus, „würde ich dieses Tier hier wohl nicht tagelang quälen, oder?" „Jaja, schon klar." Hagrid zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen. „Bleiben Sie heute Nacht hier?" „Wohl so wie jede freie Vollmondnacht.", antwortete Severus, hatte sich aber schon wieder von Hagrid weggedreht. „In Ordnung." Damit war der Wildhüter verschwunden. Severus ließ sich mit der Katze auf dem Schoß am Rande des Käfigs auf den Boden nieder und musterte das kleine unscheinbare Tier. Wieviel hatte es schon durchstehen müssen? Vor Jahren war Severus bei einem nächtlichen Streifzug einmal Hagrid zur Hilfe geeilt, der ein massives Problem hatte, da ihn eine Art Riesenkatze bedrohte. Nachdem sie das Tier ruhig gestellt hatten, hatte Hagrid Severus erzählt, er habe das Tier gewonnen und sein Besitzer sei sehr froh es los zu sein, was sich Severus sehr gut vorstellen konnte. Hagrid hatte ihn damals gebeten ihn nicht zu verraten, da er sich solche Aktionen ja schon des öfteren geleistet hatte. Im Normalfall hätte Severus natürlich sofort mit Dumbledore darüber gesprochen, doch seine theoretischen Studien am Banntrank waren so gut wie abgeschlossen und er hätte bald zur Praxis übergehen müssen. Das Ministerium hatte Versuche an Opfern abgelehnt, doch Severus hatte keine Ahnung gehabt, wie er einen Trank testen und verbessern sollte, wenn ihm keine Testpersonen zur Verfügung gestellt wurden. Nach ein paar kleinen Tests, die Severus durchgeführt hatte, hatte er festgestellt, dass die Katze an einer abgewandelten Form des Wer-Virus litt. Im Gegensatz zum Virus beim Menschen war es nicht auf Menschen übertragbar und machte die Katze sowie auch ihre Krallen und Zähne „nur" größer, anstatt das ganze Wesen zu verwandeln. Der Virus war an sich schwächer und nach Severus' Ansicht würde ein Trank, der dieses Virus zerstört, das menschliche zumindest soweit eindämmen, dass der oder die Betroffene es kontrollieren konnte. Severus hatte also mit Hagrid die Vereinbarung getroffen, dass niemand von dem Tier erfahren würde, sofern er seine Tränke-Tests an der Katze durchführen durfte. Eine Zeit lang ging das gut, bis Severus in einer Nacht von der verwandelten Katze am Arm verletzt worden war. Der Trank hatte damals nur zu einer Aggressionssteigerung geführt und das Tier somit rasend gemacht. Hagrid hatte damals darauf bestanden, dass sich Dumbledore und Madam Pomfrey die Wunde ansahen, auch wenn sie Dumbledore daraufhin ihre ganzen Machenschaften darlegen mussten. Unter der Auflage, dass Severus außerhalb des Käfigs bleiben und besser auf sich Acht geben würde, hatte der Direktor die Fortführung der Tests gestattet. Seitdem bekam die Katze immer etwa drei bis vier Tage vor dem Vollmond den Trank ein- bis zweimal täglich und Severus blieb in der Vollmondnacht da, um sich das Ergebnis anzusehen, es zu analysieren und eventuell Änderungen zu notieren. So würde er auch heute hierbleiben und hoffen, dass er endlich den richtigen Weg gefunden hatte das Werk zu vollenden. Als Severus durch das kleine Fenster sah und bemerkte, dass die Dämmerung einsetzte, scheuchte er die Katze von seinem Schoß und verließ den Käfig. Mit einer Wolldecke und einer Kanne Tee machte es sich Severus auf einem alten Sessel gemütlich und wartete auf die Verwandlung der Katze. Stunden vergingen und es geschah nichts. Mit einem Wink seines Zauberstabs öffnete er das Fenster, sodass das Mondlicht direkt in den Käfig fiel, doch nichts passierte. Die Katze lag friedlich zusammengerollt da und das änderte sich bis zum nächsten Morgen nicht. Sobald die Sonne aufgegangen war, ging Severus in den Käfig und sah sich das Tier genau an. ‚Hoffentlich habe ich das jetzt nicht geträumt.', dachte er, doch er stellte fest, dass er Realität gesehen hatte. Die Katze wies keinerlei Verwandlungsspuren wie Kratzspuren oder andere Wunden auf. Severus spürte, wie sich in ihm ein Rausch breitmachte. Das musste Dumbledore wissen! Völlig überstürzt verließ Severus den Verschlag, stieß dabei noch mit Hagrid zusammen, ließ den Wildhüter jedoch einfach stehen und rannte Richtung Schloss. In Rekordzeit war er dort, an Dumbledores Wächter vorbei und betrat mit einem gewaltigen Aufstoßen der Tür das Büro. Dumbledore, von dem Lärm wachgeworden, betrat etwas schlaftrunken und noch mit Morgenmantel und Schlafmütze bekleidet das Büro aus Richtung seiner Privaträume. „Severus, um Himmels Willen! Was ist denn los?" „Es war Vollmond gestern!", erklärte Severus überschwänglich. „Wir haben jeden Monat Vollmond.", bemerkte Dumbledore etwas verständnislos. „Ja, ich weiß!", antwortete Severus. „Aber ich war heute Nacht wieder im Verschlag und es ist nichts passiert. Verstehst du, Albus?" Die Miene des Direktors hellte sich ganz plötzlich auf. Jetzt hatte er verstanden, was Severus ihm sagen wollte. „Du meinst, der Trank hat das Virus besiegt?" „Dieses Virus ja," antwortete Severus, „aber das menschliche Virus wird er wohl erstmal nur eindämmen." Er machte eine kleine Pause, um die Information sacken zu lassen, doch dann fuhr er fort. „Das Ministerium hat doch zugesichert, sie würden Tests an einer freiwilligen Person zulassen, wenn wir eine Garantie hätten. Die haben wir, schließlich hat es funktioniert." Dumbledore lächelte und sah den jüngeren Zauberer dann direkt an. „Ich werde mich sofort mit dem Ministerium in Verbindung setzen.", versprach er. „Dann werden wir ihnen Proben schicken und sie werden sich nach ihren Tests melden. Bis dahin werden wir wohl warten müssen." „Danke, Albus!" Von Euphorie gepackt wie noch nie in seinem Leben verließ Severus das Büro und begann mit den Vorbereitungen. ------------------------------------------------------ Noch heute konnte sich Severus an dieses Gefühl erinnern. Es war eine Befreiung gewesen. Er hatte seine Schuldigkeit an seiner alten Mentorin getan und hatte für sich und alle anderen bewiesen, dass er nicht nur Tränke erschaffen konnte, die Menschen zerstörten. ‚Das war der schlimmste Monat meines Lebens.', dachte Severus müde lächelnd. Das Ministerium hatte nach dem Erhalt des Trankes nichts von sich hören lassen und um den Vollmond herum hatte er das Gefühl gehabt, permanent auf glühenden Kohlen zu sitzen. ------------------------------------------------------- Krampfhaft versuchte Severus sich abzulenken. Er hatte dem zukünftigen dritten Jahrgang, Harrys Stufe, einen Aufsatz über Schrumpftränke aufgegeben und versuchte eine Musterlösung zu erstellen, doch es wollte nicht gelingen. Zwar war die Abhandlung, die er zustande gebracht hatte, lexikonreif, doch für seine Verhältnisse war sie hingeschmiert. Aber wie sollte er sich auf Schüleraufsatzkorrekturmaterial konzentrieren können, wenn jeden Tag der Bericht vom Ministerium reinkommen konnte? Dumbledore war da ganz ruhig und ließ sich mit Severus gar nicht erst auf ein Gespräch zu diesem Thema ein. ‚Für ihn ist es auch nicht so wichtig.', rechtfertigte sich Severus. ‚Er ist keiner Toten den Erfolg schuldig.' Nur eine Leidensgenossin hatte Severus, die seine Nervosität augenscheinlich teilte: Ami, die staubgraue Versuchskatze. Wie oft versprochen hatte Severus sie nach dem gelungenen Versuch freigelassen, doch jeden Abend war sie zurückgekehrt und hatte vor seiner Wohnungstür gesessen. Da sie eine angenehme Zeitgenossin darstellte, hatte Severus beschlossen, sie zu behalten, ließ sie tagsüber herumsträunen und gab ihr regelmäßig ihren Trank, um die Verwandlung zu verindern. Mrs Norris, die Katze von Hausmeister Filch, schien einen Verdacht über das andere Ich von Ami zu haben, denn sie ließ sie in Ruhe und ging ihr aus dem Weg. Müde und demotiviert lehnte sich Severus zurück. Ablenkung sollte ja gut sein, hatte er gehört, doch bei seiner Ablenkung kam nur Mist heraus, also konnte er es auch gleich lassen. Ratlos sah er zu Ami, die auf dem Boden mit einem Wollknäuel spielte, als es an der Tür klopfte. „Herein!" Als daraufhin der Direktor den Raum betrat, schoss Severus von seinem Stuhl hoch und auch Ami ließ ihr Knäuel in Ruhe. „Und?", fragte Severus. Was er meinte, brauchte Dumbledore nicht zu fragen. In diesen Tagen gab es für Severus nur ein Thema und somit auch nur eine Frage. „Das Ministerium hat mir soeben Bericht erstattet.", begann Dumbledore und schloss umsichtig die Tür. „Sie hatten nur einen anonymen Testkandidaten gefunden und waren sich nicht sicher, ob sie den Trank unter diesen Bedingungen überhaupt testen sollen." „Aber sie haben doch?", fragte Severus und wurde merklich unruhiger, wenn auch jetzt etwas aufbrausend. „Ja, sie haben.", nickte Dumbledore. „Und der Testkandidat bestätigt dir Erfolg auf der ganzen Linie, Severus. Du hast es geschafft." Severus schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und ballte die Fäuste. Jahre der Arbeit hatten sich gelohnt, er hatte es tatsächlich geschafft. Als er die Augen wieder öffnete, musste er erstmal einen Kloß herunterschlucken, bevor er leise sagte: „Danke, Albus." „Dank nicht mir, sondern deinem Genie, deiner besonderen Gabe, Junge.", entgegnete Dumbledore und fügte an der Tür noch etwas hinzu. „Sie wäre oder ist sicher sehr stolz auf dich." Erst ein paar Sekunden nachdem Dumbledore gegangen war, traf der Satz bei Severus auf. Sie? Meinte Dumbledore Prof. Dr. O'Brian? Konnte er denn überhaupt von ihrer Forschung an diesem Trank wissen? Um eine Art kleine Ehrung abzuhalten, öffnete Severus eine kleine Geheimschublade in seinem Schreibtisch, in welcher er für ihn wertvolle Fotos aufbewahrte. Er zog das Foto ihres Studienganges hervor, doch während er seine Mentorin ansah, fiel sein Blick auf sein eigenes Abbild und das von Lydia. Lydia, hatte Dumbledore sie gemeint? War sie stolz auf ihn? ‚Ich wünschte, ich könnte dich das fragen.', dachte er. ‚Du fehlst mir, Schwesterchen.' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)