Eisblaue Augen von Chi_desu (Shounen-Ai) ================================================================================ Kapitel 8: Eine Nacht mit Kay ----------------------------- Seine Wohnung war genau so, wie ich es beim ersten Anblick der Wohnhäuser vermutet hatte. Schäbig, alt und düster. Aber wenn mich jemand in diese Wohnung gebracht hätte, ohne mir zu sagen, wer hier wohnte, ich hätte sofort auf Kay getippt, obwohl ich selbst nicht genau sagen konnte, wieso. Seine Wohnung hatte nur 3 kleine Zimmer, das Schlafzimmer, das Bad und die kleine Küche, die eher als Kochnische hätte bezeichnet werden können. Das Schlafzimmer war ziemlich unaufgeräumt. In der Mitte stand ein großes Bett, es wirkte sehr gemütlich, es gab einen kleinen Fernseher und eine Stereoanlage, an den Wänden hingen Poster von Leuten die ich als Musik-Laie nicht kannte. Ich mochte seine Wohnung, aber sie wirkte eher wie ein Studentenzimmer als die Wohnung eines Erwachsenen. Während ich unschlüssig in der Tür stand, räumte Kay schnell ein paar Sachen zusammen, machte das Bett frei und den Boden davor. Dann sah er mich an, aus müden, blauen Augen. "Okay... mmh... gehen wir schlafen? Oder willst du noch irgendwas machen?" Seltsamerweise wurde mir bei dieser Frage ganz heiß und ich hatte sehr, SEHR beunruhigende Gedanken. Ich räusperte mich. "Ähm... nein... ich... ich bin müde... gehen wir... schlafen..." Jeder halbwegs intelligente Mensch musste merken, wie verlegen ich war, aber Kay ignorierte es entweder, oder er bekam es tatsächlich nicht mit. Er kramte eine dünne Wolldecke raus und gab sie mir. Für sich legte er die Bettdecke auf den Boden und sagte dann: "Du schläfst auf dem Bett." "Das ist aber nicht nötig, ich kann auch auf dem Boden..." "Ach was.", sagte er ruppig. "Das geht schon so." Und damit war das für ihn geklärt. Ich ließ mich gleich auf das Bett fallen während er noch mal ins Bad ging. Dann kam er zurück, trug nur noch seine Shorts und wieder ließ mich der Anblick nicht so kalt wie ich mir das gewünscht hätte. Er machte das Licht aus und legte sich hin. Dann war es plötzlich still im Raum. Von draußen drang ein bisschen Licht durch das Fenster, gerade so viel, dass ich ihn am Boden erkennen konnte, wenn ich runter sah. Ich war auf einmal hellwach. Wie sollte ich denn da auch schlafen? Ich lag im Zimmer von Kay, fast neben ihm, neben dem Jungen, in den ich so unendlich verliebt gewesen war! Lange lag ich wach, selbst als schon Kays gleichmäßige Atemzüge an mein Ohr drangen. Mein Herz, das mich zu verraten schien, klopfte lautstark gegen meine Brust. Ich fürchtete mich vor meinen Gefühlen. Nochmal wollte ich so einen Schmerz wie damals nicht durchmachen müssen. Mitten in der Nacht schrak ich hoch, geweckt durch ein ungewohntes Geräusch. Das Bett, in dem ich lag, roch fremd. Als ich die Augen öffnete, zeichneten sich fremde Lichter an der Wand ab und ich richtete mich erschreckt auf. Wo...? Erst als ich die Person am Boden vor dem Bett entdeckte, erinnerte ich mich daran, wo ich hier war. Bei Kay. Erleichtert ließ ich meinen Kopf zurück auf das Kissen sinken. Er hatte mich geweckt, wie er sich da unten unruhig hin und her warf. Es war wohl sehr unbequem am Boden. Ich hätte ihn gern raufgebeten, aber nach seiner ungeduldigen Entscheidung gestern Abend hatte ich dazu nicht den Mut. Gerade hatte ich meine Augen geschlossen, da ertönte von unten ein leises: "Duuu, Lukas?" "Hmmm?", machte ich verschlafen. "Ist dir kalt?" "Ein bisschen, wieso?" Schelmisch kam es aus der Dunkelheit: "Ich hätte hier eine wunderbar warme, weiche Decke." Grinsend fragte ich: "Und was muss ich tun, damit ich die kriege?" "Du musst mir nur ein bisschen Platz machen...." Ich war zu müde, um mich zu fürchten, vor mir selbst oder auch vor seiner Nähe. Statt dessen rutschte ich zur Seite, bis ich mit dem Rücken an die Wand stieß. Schwer kletterte Kay auf das Bett und zog die Bettdecke mit sich. Ungeduldig strampelte ich die Wolldecke weg und er legte die Bettdecke über uns beide. "Mmmh... schön warm...", seufzte ich und kuschelte mich in die Decke. Das beste daran war, dass sie nach ihm duftete. "Und weich..", seufzte er mit. "Der Boden war so hart." Ich schloss meine Augen, um in dieser angenehm warmen Umgebung wieder einzuschlafen. Er lag mit dem Gesicht zu mir, er war so nah, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte. Der Augenblick war perfekt, so wie nur einer zuvor in meinem Leben, damals ein Kuss auf einer Wiese im Schein des Mondes. Aber diesmal küssten wir uns nicht. Wer weiß, was anders gelaufen wäre, wenn wir es getan hätten. Statt dessen schliefen wir ein, so nah beieinander, und doch ohne einander auch nur zu berühren. Es war ein perfekter Augenblick. Morgens war von der distanzierten Nähe nicht mehr viel übrig geblieben. Ich wusste nicht, wer von uns im Schlaf den Abstand zwischen uns überbrückt hatte, jedenfalls lagen wir jetzt wirklich eng aneinander gekuschelt unter der Decke, ich wusste kaum, welcher Fuß meiner war, weil nämlich mein Bein eingeklemmt zwischen seinen war. Sein gleichmäßiger Atem kitzelte mich im Gesicht. Sein Duft brachte mich beinah um den Verstand, ich glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Vorsichtig befreite ich mich aus seiner Umarmung und kletterte so leise wie möglich vom Bett. Ich musste hier weg, weg von ihm, fliehen vor diesen Gefühlen, die mich zu überwältigen drohten, wann immer er in meiner Nähe war und ich in diese blauen Ozeane seiner Augen schaute... "Wo willst du denn so schnell hin?" Kays Stimme riss mich sehr schnell in die Wirklichkeit zurück und ich fühlte mich wie ertappt. Ich hatte keine Antwort parat. Er setzte sich im Bett auf, ohne seinen Blick von meinen Augen abzuwenden und sagte: "Ist schon komisch, wie sich alles verändert hat, was? Vor fünf Jahren bin ich dir aus dem Weg gegangen, und heute ist es umgekehrt. Heute fliehst du vor mir." "Was?", fragte ich erstaunt. Es war wirklich Zeit, dass es jemand von uns aussprach, aber dass es Kay sein würde, hatte ich nicht erwartet. Ich war noch nicht vorbeireitet auf diese Konfrontation. Ich war noch zu müde, zu sehr gefangen von seiner Aura. Deswegen senkte ich meinen Kopf und verkündete: "Ich geh ins Bad. Wir reden später weiter." So lange wie es möglich war, ohne verdächtig zu wirken, verbrachte ich im Bad. Als ich rauskam, hatte Kay schon das "Frühstück" vorbereitet, das für ihn aus einer Tasse Kaffee und einer Zigarette bestand. Ich setzte mich zu ihm an den kleinen Tisch und wir schwiegen. Zu meinem Leidwesen trug er noch immer nur seine Shorts. Ich war es, der das Schweigen schließlich beendete. "Warum bist du mir damals aus dem Weg gegangen?" Jetzt war ich bereit für eine Auseinandersetzung. Und für die Wahrheit. Er starrte auf seine Tasse, so als hätte er irgendwas ganz besonderes am Boden der Kaffeetasse entdeckt. Trotzdem antwortete er: "Weißt du noch, das Sommerfest damals?" Ich nickte. Wie hätte ich das vergessen können? Er murmelte: "Ich war so was von betrunken... ich war wirklich richtig zu. Und dann hatte ich einen wirklich... beunruhigenden Traum. Das hat mich erschreckt. Ich war mir unsicher, ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Deswegen bin ich dir aus dem Weg gegangen. Ich hatte Angst vor der Wahrheit, glaube ich." Stumm schaute ich ihn an, aber in meinem Inneren tobte ein Sturm. Ein beunruhigender Traum? Mir waren seine Worte damals nach dem Kuss noch bestens in Erinnerung geblieben: Was für ein abgefahrener Traum...! Also hatte er es tatsächlich für einen Traum gehalten. Oder sprach er von etwas anderem? Sollte ich nachfragen? War ich wirklich bereit für eine endgültige Antwort? Mein Mund öffnete sich, aber ich brachte keinen Ton raus. Was, wenn ich mich irrte? Ich versuchte, etwas zu sagen. Was, wenn er wirklich etwas für mich empfunden hatte, damals? Ich war jetzt mit Anya zusammen. Mir blieb jedes Wort im Halse stecken. "Und warum gehst du mir aus dem Weg?", fragte er. "Tu ich doch gar nicht.", entgegnete ich, nur etwas zu schnell. "Ich kannte dich mal ziemlich gut.", sagte er. "Du hast doch irgendwas. Seit wir uns gestern im Club gesehen haben bist du so komisch... als wäre dir irgendwas unangenehm." "Du kennst mich immer noch zu gut.", murmelte ich. "Ich habe wohl auch Angst." "Wovor?" Gerade schaute ich ihm in die Augen und er wirkte fast erstaunt über den Blickkontakt. Vielleicht konnte er in meinen Augen lesen, was ich selbst nicht wahrhaben wollte. "Ich traue mir selbst nicht, wenn ich bei dir bin.", sagte ich fest und stand dann auf, ohne den Blickkontakt zu ihm zu verlieren. "Manches ändert sich eben nie." Mit einem Kopfnicken verabschiedete ich mich von ihm und verließ die Wohnung. Diesmal war ich stolz auf mich. Ich hatte meine Gefühle unter Kontrolle behalten. Ich war NICHT verliebt in Kay. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)