Eisblaue Augen von Chi_desu (Shounen-Ai) ================================================================================ Kapitel 4: Ein Kuss im Mondschein --------------------------------- Kay verzieh mir meinen kleinen "Scherz" sehr schnell. Wahrscheinlich glaubte er, der Glühwein sei mir zu Kopf gestiegen, als ich ihn im Auto geküsst hatte. Hätte er gewusst, wie tief sich dieser Kuss in mein Gedächtnis gebrannt hatte, wie sehr er mich aufgewühlt und verletzt hatte, dann wäre er mir sicher von dem Moment an aus dem Weg gegangen. Aber er tat einfach so, als wäre es nicht passiert. Wie von selbst wurde ich in die kleine Gruppe aufgenommen, die sich um ihn und Kathrin scharte und war dadurch auch bei allem dabei was sie unternahmen. Das war schön, weil ich nicht mehr allein sein musste, andererseits tat es weh, ihm immer so nah zu sein und doch zu wissen, dass da niemals mehr sein würde. Die Wochen flogen nur so vorbei und langsam wurde es Sommer, es wurde wärmer und die ersten Klausuren für das Abitur nahten. Ich hatte sehr wenig Zeit, so wie die anderen auch, wir konzentrierten uns ganz auf das lernen, und so rückte mein Liebeskummer für eine kurze Weile in den Hintergrund. Mit Ach und Krach schaffte ich die Klausuren. Jetzt standen nur noch die mündlichen bevor, vor denen mir am meisten graute. Aber den Abend, nachdem wir die Ergebnisse der Klausuren bekommen hatten, dachte ich erst mal nicht weiter als ein paar Stunden an die Zukunft. Denn die Clique hatte eine Idee: Sommerfest. "Wir haben so viel gelernt, jetzt haben wir uns eine Pause und ganz viel Wodka verdient!", sagte Kay dazu nur lapidar. Und deswegen veranstalteten wir noch am selben Abend ein Sommerfest, was nichts anderes hieß als uns mit einer Stereoanlage und jeder Menge Alkohol auf der Wiese in der Nähe des Schulgebäudes trafen, im Kreis saßen und feierten. Je später der Abend wurde, desto mehr lichteten sich die Reihen. Der Mond stand hoch über der Wiese, leuchtend hell. Die Leute verteilten sich überall auf der Wiese. Auch Kay und ich saßen etwas abseits, nachdem ich ihn vor 2 Stunden zu dem Gebüsch am Rande begleitet und ihm bei einer Kotzorgie die Haare aus dem Gesicht gehalten hatte. Das Paradoxe daran war nicht, dass er, nach dem seine letzten paar Bier im Gebüsch gelandet waren, fröhlich weitertrank, als wäre nichts gewesen. Sondern, dass ich so verknallt war, dass es mir sogar gefallen hatte, einem übelst Kotzenden die Haare festzuhalten und ihn zurück auf die Wiese zu bringen. Hauptsache war nur, ich konnte ihm nahe sein. Und jetzt saßen wir abseits von den anderen, es musste inzwischen schon nach 3 Uhr sein, und er lallte mir etwas vor, über seine Freundin. "Sie sagt, ich hätte zu wenig Zeit für sie!", nuschelte er. "Und dass ich mich verändert hätte. Nach 2 Jahren sagt sie mir, ich hätte mich verändert, und sie weiß nicht, ob sie mit mir zusammenbleiben will! Zwei Jahre!! Das is so enttäuschend!" Und abfällig fügte er hinzu: "Weiber...!!" Er hob das Glas und prostete mir zu. Mitleidig schaute ich ihm zu. Also war diese dumme Kuh, mit der er zusammen war, gerade dabei, ihm das Herz zu brechen. Er schwankte gefährlich und ich fing ihn auf. Müde lehnte er seinen Kopf an meine Schulter. "Diese blöde Gans...", nuschelte er und ich streichelte über seinen blonden Haarschopf. "Also ich würde dich nie verlassen.", flüsterte ich. Ich weiß nicht, ob er es hörte. Wenn, dann nahm er es entweder nicht ernst, oder er kapierte gar nicht, was ich meinte. Jedenfalls sagte er nichts sondern schloss kurz die Augen, ruhte sich aus und versuchte wohl, gegen das Schwindelgefühl anzukämpfen. "Was machst du eigentlich nach der Schule?", fragte er dann. "Ich weiß noch nicht...", antwortete ich ehrlich. "Studieren, schätze ich. Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht. Aber in der Nähe gibt es doch eine Uni, in..." "Wolltest du nicht zurück nach Köln? Ich dachte, du wärst der erste, der aus diesem Nest verschwindet.", unterbrach er mich. Seine blonden Haarsträhnen hingen ihm ins Gesicht. Er sah unglaublich süß aus. Er hatte Recht. Vor ein paar Monaten hätte ich sofort gesagt dass ich, egal was ich studieren oder arbeiten würde, auf jeden Fall nach Köln gehen würde. Aber jetzt... jetzt gab es da noch Kay. Wir würden uns nie wiedersehen, ginge ich weg von hier. Ich nahm ihm die Bierflasche aus der Hand und nahm einen Schluck. Es war schön, hier so mit ihm zu sitzen, allein im Grunde, da uns keiner beachtete, alle so weit weg saßen und mit sich selbst beschäftigt waren, und über alles mögliche zu reden. "Irgendwie ist es gar nicht so schlimm hier. Und was wirst du tun?", fragte ich. Er lächelte leicht. "Ich geh nach Salzburg. Ich hab immerhin Verwandte dort und ich mag die Stadt. Außerdem gibt es da eine sehr gute Uni, wo ich das studieren kann was ich möchte, damit ich vielleicht später was mit Musik machen kann." Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was er da gesagt hatte. Er... er wollte weggehen? Weg von hier, von diesem erbärmlichen Nest, von... mir...? Furcht griff wie eine unsichtbare Hand nach meinem Herzen, fing es ein und drückte es zusammen. Heiser fragte ich: "Du wirst woanders studieren? In Österreich? Ist das... sicher?" "Mhm." Er nickte matt. "Ich habe die Bewerbungen abgeschickt und sie haben mich genommen. Eine Wohnung für mich suchen meine Verwandten im Moment. Schon sehr bald nach dem Abitur werde ich umziehen. Das heißt, falls ich bestehe." Er lachte. Meine Welt war in tausend Stücke zerbrochen. Kay wollte weggehen. Das bedeutete, ich hatte vielleicht noch ein paar Wochen mit ihm, dann würde er aus meinem Leben verschwinden. Und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Meine Gedanken überschlugen sich. Könnte ich nicht auch in Salzburg studieren? Ich wusste sowieso noch nicht, was ich studieren wollte, war doch egal, Hauptsache.... Ach was. Was für einen Grund sollte ich haben, dorthin zu gehen? Es gab keine Chance, ihm zu folgen. Unsere Wege würden sich irgendwann unweigerlich trennen. Und schon so bald... Mir schossen die Tränen in die Augen. Warum nur? Wieder schaute ich ihn an. Er hatte die Augen geschlossen und seufzte nur gelegentlich. Er war mir so nah und merkte nicht, wie sehr er mich schockiert hatte. Mir blieb nur noch, die übrige Zeit zu genießen. Traurig legte ich meinen Kopf auf seinen, presste meine Wange gegen sein duftendes, weiches Haar. Und dann liefen mir die Tränen über das Gesicht. Minutenlang saßen wir so da, dann fragte er leise: "Was ist mit dir?" Ich hob den Kopf wieder und wischte mir übers Gesicht. "Nichts.", log ich. Er richtete sich ungeschickt wieder auf. "Das glaub ich nicht. Hab ich was falsches gesagt? Ich will das jetzt wissen!" Schmollend schob er die Unterlippe vor und ich musste fast lachen. Mir liefen die Tränen übers Gesicht aber jetzt wirkten sie wie Lachtränen. Ich würde ihn schon bald nicht mehr wiedersehen. Das war der traurigste Moment meines Lebens. Irgendwie hatte ich das Gefühl, mit ihm etwas sehr wichtiges zu verlieren. Er war nicht nur irgendwer in den ich mich verliebt hatte. Er war meine erste große Liebe und - so dachte ich damals - auch die Liebe meines Lebens. Ich weiß nicht, ob es der Alkohol war, oder einfach nur meine Furcht, ihn nie wieder zu sehen.... jedenfalls holte ich tief Luft und sagte: "Ich muss dir was sagen... Kay." Er sah mich neugierig an. "Das neulich im Auto war kein Scherz... Ich hab mich in dich verliebt." So, jetzt war es raus. Er war wahrscheinlich zu betrunken, um zu kapieren, was ich da gesagt hatte, aber mir fiel eine gewaltige Last vom Herzen. Er schaute mich aus seinen blauen, weit offenen Augen an. Ich lehnte mich vor, bis sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Diesmal machte ich nicht mehr den Fehler, ihn zu überrumpeln. Er drehte den Kopf leicht zur Seite und das war als Einladung mehr als genug für mich. Ohne weiter darüber nachzudenken beugte ich mich vor und küsste ihn. Diesmal war es anders. Er war nicht entsetzt, und stieß mich auch nicht von sich. Seine Augen waren halb geöffnet, ich verlor mich fast in ihrem blau. Dann trennten wir uns für einen Augenblick, und er sah mich fast erstaunt an. Ich lächelte. Er hob die Hand und strich mir mein langes Haar hinters Ohr. Erst jetzt merkte ich, dass mein Haar offen war, offensichtlich hatte ich mein Haarband irgendwann verloren. Und dann, ich weiß nicht, wieso er das machte, rückte er vor und fing mich ein in einem zweiten, ungleich intensiveren Kuss. Ich schloss die Augen, die Umgebung, die Traurigkeit über sein Weggehen, das alles war für einen kurzen Augenblick vergessen. Der Augenblick brannte sich für immer in mein Gedächtnis. Seine Lippen waren so weich und süß. Und ich glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren als seine warme Zunge den Weg in meinen Mund fand. Es war der Himmel für mich, in meinem Bauch kribbelte es, und jetzt verwandelte sich die Verliebtheit in etwas anderes, stärkeres. Nach einer Unendlichkeit, die viel zu kurz war, und in der wir einen Kuss der mich einfach überwältigte austauschten, lösten wir uns voneinander und er sah mich an. Ich konnte seinen Blick beim besten Willen nicht deuten. Aber er sah nicht wütend aus. Dann legte er zwei Finger auf seine Lippen und fing an zu grinsen. "W-was ist?", fragte ich verunsichert. Grinsend sagte er: "Was für ein abgefahrener Traum...!" Dann sank er wieder vor, lehnte seinen Kopf an meine Brust und murmelte etwas unverständliches. Ich sah mich um. Niemand beachtete uns, keiner hatte es gesehen. Kay atmete in regelmäßigen Zügen gegen meine Brust und fiel schließlich um. Mit seinem Kopf auf meinem Schoß saß ich da, und versuchte noch immer, über diesen gewaltigen Kuss hinwegzukommen. Er hatte seine Augen geschlossen und war auf dem besten Wege, einzuschlafen. Liebevoll streichelte ich ihm sein blondes Haar aus der Stirn. Ich beugte meinen Kopf über ihn und meine Haare kitzelten ihn im Schlaf. Leise flüsterte ich: "Ich liebe dich." Während mein hübscher Kay friedlich mit seinem Kopf auf meinem Schoß schlief, lag ich noch lange wach, streichelte ihm über die Stirn und versuchte, mir jedes Detail seines Gesichts einzuprägen. Ich erwachte aus meinem leichten Schlaf, obwohl ich nicht wusste, wieso. Müde hob ich meinen Kopf und stellte fest, dass ich ihn auf die Brust des schlafenden Kay gelegt hatte. Er schlief tief und fest, und ich versuchte, mich zu erinnern, warum wir hier so lagen. Als seine Hand sich auf meine legte und unsere Finger sich ineinander verschlangen, war es mir vollkommen egal. Eng aneinander geschmiegt lagen wir auf der Wiese, atmeten die kühle Nachtluft eines beginnenden Sommers. Er roch wunderbar, trotz der mitschwingenden Alkoholfahne. Seine Brust hob und senkte sich langsam. Ich lächelte und wollte mich wieder hinlegen. Da stockte sein gleichmäßiger Atem und seine Augenlider flatterten. Müde, blaue Augen sahen mich plötzlich an. Einen Moment lang glaubte ich, nun sei mein schöner Traum vorbei. Aber er lächelte bloß und drückte meine Hand. Dann sank sein Kopf wieder zurück auf die Wiese und er schlief wieder ein. Ich ließ mein Haupt auf seine breite Brust sinken und driftete sehr schnell wieder in einen leichten Schlaf. Morgen war so unendlich weit weg. Heute wollte ich glücklich sein, und das konnte ich nur mit ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)