Schatten der Vergangenheit von abgemeldet (Kapitel 22 "So long, Star Sheriffs" ist fertig!!!) ================================================================================ Kapitel 19: Gelöste Bande ------------------------- Eine unangenehme Kälte umfing Fireball, als er aus seinem unruhigen Schlaf erwachte. Ob der Morgen bereits graute? Die Temperaturen in der Höhle sprachen dafür, denn kurz vor Sonnenaufgang erreichte das Thermometer hier draußen in der Wüste von Ischtar seinen Tiefpunkt. Es war faszinierend! Dort, wo man tagsüber Gefahr lief, einem Hitzschlag zu erliegen oder in der sengenden Sonne zu verdursten, musste man des Nachts Acht geben, dass man nicht an Unterkühlung starb. Der Star Sheriff war mit einem Schlag putzmunter und warf die dicke Wolldecke zur Seite, die ihn während des Schlafens wohlig warm gehalten hatte. Er durfte keine Zeit verlieren. Noch waren aus dem angrenzenden Tunnel keine Geräusche zu hören und auch die Leuchtkegel an den Wänden glommen nur so matt vor sich hin, dass man gerade undeutlich ihre Position erahnen konnte. Ihr Lichtkreis reichte aber keine zehn Zentimeter weit und konnte die alles verschlingende Dunkelheit des Höhleninneren nicht bezwingen. Das hieß, dass Arietis noch schlief. Mit grimmiger Entschlossenheit nickte der Star Sheriff zufrieden, als er langsam die Beine über die Bettkante schob und sich von seinem Nachtlager erhob. Wenn er seinen Plan wirklich in die Tat umsetzen wollte, war nun höchste Eile geboten, bevor der Outrider ihm auf die Schliche kam. Allerdings hieß das auch, dass er mit äußerster Sorgfalt vorgehen musste, um seinen Retter nicht durch Unachtsamkeit vorzeitig aus dem Schlaf zu reißen. Um ihn herum war es dunkel wie in einem Hühnerpopo, und wenn er nicht aufpasste, würde er wohlmöglich gegen ein Möbelstück laufen oder im Vorbeigehen etwas herunterreißen. Und das wäre das vorzeitige Ende seines Vorhabens. Den rechten Arm weit von sich gestreckt schob sich Fireball Stück für Stück über den Felsboden in die Richtung, in der er die Sitzgruppe vermutete. Man konnte wirklich nicht die Hand vor Augen sehen. Die Kälte kroch langsam durch seine Baumwollunterwäsche und jagte ihm eine Gänsehaut nach der nächsten den Rücken. Wie hatte Arietis nur all die Jahre unter diesen widrigen Bedingungen leben können? Dem Rennfahrer war es ein Rätsel, dass man sich freiwillig diesen Extremen der Natur aussetzte und darüber hinaus noch auf jeden Komfort verzichtete, den das moderne Leben zu bieten hatte. Für seinen Geschmack hatten ihm die letzten fünfzehn Tage in der Behausung seines Retters genügend Jugendherbergsfeeling für die nächsten zwanzig Jahre beschert. Es wurde Zeit, dass er diesem Ausflug in die Steinzeit ein Ende bereitete. Eine leichte Unebenheit im Boden ließ ihn plötzlich stolpern. Der Rennfahrer strauchelte und stieß dann mit einem dumpfen Aufprall gegen einen der Holzstühle, nach denen er so verzweifelt in der Luft herumgetastet hatte: „Verdammt…“, fluchte er leise und unterdrückte das Bedürfnis, dem Schmerz in seinem rechten Knie durch einen lauten Aufschrei Luft zu machen, „welcher vernünftige Mensch haust auch in so einem… Loch!“ Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Leuchtkugeln zu aktivieren, aber er hatte das Risiko nicht eingehen wollen, den Outrider aufzuwecken. Mit pochendem Herzen hangelte Fireball sich mit seiner gesunden Hand an der Tischplatte entlang, bis er den hinteren der Stühle gefunden hatte. Vorsichtig zog er ihn ein Stück nach hinten und tastete gespannt nach dessen Sitzfläche. Seine Finger trafen auf kühles glattes Silikon und er atmete erleichtert aus: sein Kampfanzug war noch da. Genau dort, wo er ihn am Abend zuvor in der Hoffnung versteckt hatte, dass Arietis ihn nicht bemerken würde. Betrübt befühlte der Rennfahrer seine taube Schulter und den leblosen Arm, der wie ein Fremdkörper an ihm festgewachsen zu sein schien. Er hatte dem Outrider seine drei Tage Aufschub gewährt, aber als am gestrigen Tag noch immer keine Verbesserung seines Zustandes eingetreten war, hatte er kurzerhand einen Fluchtplan entwickelt. Dieser war zwar weder gut durchdacht noch sonderlich erfolgsversprechend, aber in seiner aussichtslosen Lage war dem Star Sheriff einfach nichts Besseres eingefallen, als sich bei klammheimlich aus dem Staub zu machen, das Schiff des alten Mannes zu kapern und damit zurück in seine eigene Dimension zu fliegen. Die halbe Nacht über hatte er wach gelegen und sich den Kopf darüber zerbrochen, wo Arietis den Jet wohl versteckt halten konnte. Denn eines war ziemlich sicher, wenn er das Schiff nicht fand, hätte er genauso gut gleich im Bett bleiben können. Und der Outrider hatte sich strikt geweigert, auch nur ein Sterbenswörtchen über den Standort zu verraten. Ein wirklich schlauer Fuchs, der gute Ari! Bestimmt hatte er schon geahnt, dass der Rennfahrer einen ähnlichen Fluchtversuch unternehmen würde, aber er hatte die Sturheit des jungen Heißsporns offensichtlich unterschätzt. Jetzt musste Fireball zusehen, dass er so schnell wie möglich in seinen Kampfanzug kam. Einen Jet mit nur einem Arm zu fliegen würde schon schwierig genug werden, auch ohne dass ihn die merkwürdige Robe, die Arietis ihm verpasst hatte, dabei behinderte. Nur wie sollte er das Anlegen der hochmodernen Kunststoffausrüstung bewerkstelligen? Hierüber hatte er sich bislang keine all zu großen Gedanken gemacht, aber nun, da er das erste Stück der Beinpanzerung in der Hand hielt, verließ ihn der Mut. Üblicherweise brauchte er zum Anziehen nicht einen einzigen Finger krumm zu machen. Er begab sich zu Hause oder an Bord von Ramrod einfach auf die gekennzeichnete Stelle in der Ankleideeinheit und überließ den Rest den mechanischen Armen des extra dafür programmierten Roboters. Zivilisation, herrje, wie sehr er sich nach der Zivilisation sehnte! „Jetzt reiß Dich zusammen, Alter“, rügte er sich selbst im Flüsterton und schob sich ungelenk rückwärts auf die Tischplatte, „wenn es sein muss, fliegst Du eben in Unterwäsche zurück!“ diese absurde Vorstellung brachte ihn tatsächlich ein wenig zum Lächeln. Wie schön es doch war, wenigstens noch einen Schuss Galgenhumor zu besitzen! Wachsam nahm er jetzt alle Einzelteile seiner Uniform vom Stuhl und verteilte sie sorgfältig um sich herum. Es konnte doch nicht so schwierig sein, sie richtig an Ort und Stelle zusammen zu setzen. Beherzt tastete er nach der Panzerung für die Schienbeine und verwünschte abermals die Dunkelheit, die in dieser vermaledeiten Höhle herrschte. Fireball hatte das Gefühl, ständig die gleichen Teile in der Hand zu halten, aber die Stücke, die er eigentlich suchte, bislang nicht einmal berührt zu haben. Nach einer schieren Ewigkeit fand er endlich das Ersehnte. Vorsichtig legte er eine der federleichten Silikonplatten auf sein rechtes Schienbein, schlang umständlich das linke Bein darüber, um die Panzerung zu fixieren und schob dann von unten den Wadenschutz dagegen. Es bedurfte einiger Kraftaufwendung, die Platten miteinander zu verbinden, aber kurze Zeit später gab es ein leises Klicken und das erste Stück des Puzzles war geschafft: „Na bitte, es geht doch!“ frohlockte der Star Sheriff selbstgefällig und machte sich mit neuem Elan an die weiteren Einzelteile seiner Beinverkleidung. Stolz wie Oskar klopfte er fünf Minuten später auf seine Oberschenkel: „War doch ganz einfach!“ er hatte es ohne weitere Probleme geschafft, alle Teile der Beinpanzerung anzulegen und machte sich jetzt an die beiden Stücke, die das Becken und den Steißbereich abdeckten. Doch schon beim ersten maßnehmenden Anhalten der Frontpartie merkte er, dass etwas nicht stimmte. So sehr er sich auch bemühte, das Panzerteil in die richtige Position zu schieben, es kollidierte ständig mit den Oberschenkelpartien und wollte sich partout nicht in die vorliegende Konstruktion einfügen lassen. Hektisch tastete der Star Sheriff die inneren Ränder des Beinschutzes ab und schluckte schwer, als er seinen dummen Fehler erkannte. Die Rüstung war so konzipiert, dass zuerst die Torsopanzerung angelegt werden musste. Somit war gewährleistet, dass die Teile für Arme und Beine locker auf dem Rest auflagen und ihn nicht in seinen Bewegungen einschränkten: „Na, das ist ja ganz toll“, wütend griff Fireball unter die Platte an seinem rechten Oberschenkel und versuchte, sie mit Gewalt wieder von ihrem Gegenpart zu trennen. Aber so sehr er auch zog und zerrte, die beiden Stücke waren so bombensicher miteinander verbunden, als hätte er sie zusammengeschweißt, „oh bitte, komm schon!“ Das durfte einfach nicht wahr sein. Sollte sein Fluchtplan tatsächlich daran scheitern, dass er zu dämlich war, seinen Kampfanzug anzulegen? Junge, das war wieder eine Anekdote für Colt. Wenn er denn je die Gelegenheit bekommen würde, dem Cowboy davon zu erzählen. „Kann ich Dir vielleicht irgendwie helfen, Fireball?“ Entgeistert fuhr der Star Sheriff auf: „Ari…“, die Leuchtkugeln aktivierten sich wie von Geisterhand, ein Trick, den Fireball noch immer nicht durchschaut hatte, und beleuchteten das traurig lächelnde Gesicht des Outriders, „Sie…Sie sind schon wach?“ er wusste selber, wie tiefschürfend und weise diese Feststellung gewesen war, aber vor lauter Bestürzung war ihm nichts Passenderes eingefallen. Sein Vorhaben war gescheitert, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. „Bei dem Krach, den Du hier veranstaltest, würde es mich nicht wundern, wenn gleich die gesamte siebte Kavallerie hier aufschlägt“, Arietis verschränkte die Unterarme in den weiten Ärmeln seiner Robe und musterte seinen Patienten eindringlich, „Du wärst also einfach verschwunden, ohne auch nur auf Wiedersehen zu sagen?“ Was sollte Fireball darauf erwidern? Reumütig betrachtete er die Teile seines Kampfanzuges, die auf dem Tisch verstreut herumlagen und erkannte, was für ein komisches Bild er abgeben musste: „Es tut mir leid Ari“, er wusste, er würde dem Outrider niemals klar machen können, weshalb er sich zu diesem Schritt entschlossen hatte, aber trotzdem wollte er es um ihrer Freundschaft Willen versuchen, „Sie verstehen das nicht. Ich… ich muss einfach zurück. Meine Leute halten mich für tot… Und mein Arm… ich meine, Sie sehen doch selbst!“ missmutig stupste er das besagte Körperteil an, dass schlaff an seiner Schulter hin und her schaukelte. „Nein, ich verstehe wirklich nicht, warum Ihr Menschen Euer Leben immer wieder so leichtfertig aufs Spiel setzen müsst“, erwiderte der Outrider niedergeschlagen, „aber wenn Du wirklich den Wunsch hast zu gehen, dann werde ich Dich nicht aufhalten.“ Das war eine Wendung, mit der der Star Sheriff nicht gerechnet hätte: „Sie lassen mich gehen? Einfach so?“ beinahe war er ein wenig enttäuscht. Es war doch immer schön zu wissen, dass es jemanden gab, der sich um einen sorgte. Selbst, wenn es sich dabei eigentlich um den Feind handelte. Aber es machte ganz den Anschein, als hätte Ari ihn just in diesem Moment aufgegeben. Mit verschlossener Miene trat der Alte an den Tisch heran, zog ein in braunes Papier eingeschlagenes Päckchen unter seiner Robe hervor und legte es behutsam zwischen die Einzelteile von Fireballs Kampfanzug: „Reisende soll man nicht aufhalten“, murmelte er aufgeklärt und für den Geschmack des Rennfahrers einen Schuss zu pathetisch, „ich wusste, dass Du irgendwann versuchen würdest, Dich auf eigene Faust durchzuschlagen. Was hätte es also für einen Sinn, wenn ich Dich weiter gegen Deinen Willen hier festhielte.“ „Hm“, nickte Fireball einsichtig, denn diese Erklärung klang in seinen Ohren ziemlich vernünftig, „und Sie sind nicht sauer, dass ich… na, ja…“ „Dass Du Dich hinter meinem Rücken wie ein Hühnerdieb davonschleichen wolltest, nach allem, was ich für Dich getan habe“, Arietis schaute ihn fragend an und verzog das Gesicht zu einem gekränkten Grinsen, als er sah, wie der junge Mann betreten nickte, „was hätte ich anderes von Dir erwarten sollen? Schließlich bist und bleibst Du ein Mensch, nicht wahr!“ Die Kehle des Star Sheriffs war mit einem Mal wie zugeschnürt. Es tat weh, den alten Mann so betrübt und offenkundig verletzt zu sehen. Vielleicht war es tatsächlich ein Fehler gewesen, seine freundliche Art und sein Gutgläubigkeit so schändlich zu missbrauchen, denn immerhin wollte er ihn jetzt ohne ein Wort der Widerrede gehen lassen. Wenn er von Anfang an ehrlich zu ihm gewesen wäre, hätte er sicherlich auch so akzeptiert, dass die Zeit des Rennfahrers auf Ischtar abgelaufen war. Aber nun hatte Fireball die zarten Bande des Vertrauens, die sie in den letzten Tagen geknüpft hatten, mit einem einzigen Schlage beiseite gefegt und zerstört. „Aber selbst ein einfältiger und hitzköpfiger Fleischling wie Du sollte wissen, dass er mit so einer Verletzung keinen Raumanzug anziehen kann!“ resolut legte Arietis Hand an Fireballs Beinpanzerung und entfernte die ersten beiden Silikonplatten, ohne die kleinste Anstrengung zu zeigen, „die Gefahr, dass die Wunde wieder aufreißt ist viel zu groß!“ Wütend tat der Rennfahrer einen Schritt zurück: „Das kann ich auch gut alleine, vielen Dank!“ einen durchaus angebrachten Tadel für sein vorschnelles Handeln einzustecken war die eine Sache, sich gleich auf zweierlei Weise von einem Phantomwesen demütigen zu lassen, eine ganz andere. Wenn der Alte glaubte, er würde jetzt aus lauter Unterwürfigkeit zu Kreuze kriechen, hatte er sich gehörig geschnitten. Dumm an der Sache war nur, dass Arietis natürlich Recht hatte. Er würde die Brust- und Armpanzerung niemals über seiner Verletzung tragen können, ohne dabei nicht einigen Schaden anzurichten. Und damit wäre wohl auch der der letzte Hoffnungsschimmer auf eine spätere Heilung dahin gewesen. Aber wie sollte er es bewerkstelligen, die angelegten Kunststoffteile wieder von seinen Beinen zu entfernen, wenn er nur eine Hand zur Verfügung hatte? „Bitte, ganz wie Du willst“, der Outrider hob gleichgültig die Arme und wies auf das braune Päckchen, „darin findest Du ein paar Sachen, die Dir passen dürften und die für den Flug etwas kleidsamer sind als Deine Unterwäsche.“ dann schickte er sich an, die Höhle zu verlassen. „Hrrmm…“ störrisch griff Fireball nach der Panzerung an seinem anderen Bein und zerrte unkontrolliert an den Platten herum. Diesem eingebildeten Kerl würde er schon zeigen, wozu ein Star Sheriff in der Lage war. Irgendwie würde er diese verfluchten Dinger schon ab bekommen, das wäre ja gelacht. Der junge Mann war wütend. Wütend auf sich, weil er seinen neuen Freund gekränkt hatte, wütend auf Arietis, weil er sich so leicht hatte kränken lassen und, wie ihm zum ersten Mal bewusst wurde, auch auf Colt und Saber, weil sie ohne ihn zurück ins Neue Grenzland aufgebrochen waren. Hätten sie sich das Wrack seines Red Fury vielleicht mal ein bisschen genauer angeschaut, bevor sie es unter einer tonnenschweren Last von Gesteinsbrocken begraben hatten, wäre ihnen vielleicht ein bestechend wichtiges Detail aufgefallen. Nämlich das Nichtvorhandensein seiner Leiche! ‚Keine Sorge, Kleiner, ich hau Dich da schon raus!’ hatte der Cowboy gesagt. Und wo war er nun, der ehrenwerte Scharfschütze? Wenn der elende Kuhtreiber ausnahmsweise mal seine Glubschaugen aufgemacht hätte, würde er jetzt gar nicht in dieser bescheidenen Lage stecken, sondern sich gemütlich im Bett rekeln und vielleicht einen halbherzigen Annäherungsversuch bei April starten. Verzweifelt riss Fireball noch heftiger an der Silikonplatte und schnitt sich mit der scharfen Kante in den Daumen: „Ah, verdammt noch mal“, es brauchte nur noch eine Sekunde, bis sein Verstand seinen Stolz endlich gebrochen hatte, „kommen Sie schon und helfen Sie mir Ari, sonst sitze ich am jüngsten Tag noch hier!“ April stand mit verschränkten Armen vor Sabers Terrassentür und starrte mit finsterem Blick in den sonnigen Morgen hinaus. War es nicht eine schrecklich verhöhnende Ironie des Schicksals, dass das Wetter gerade heute entschieden hatte, sich wieder von seiner besten Seite zu zeigen und den Menschen von Yuma einen warmen, goldenen Herbsttag zu schenken? Nicht, dass es die junge Frau in irgendeiner Weise überrascht hätte. Nach all den Schlägen, die sie in den vergangenen Wochen hatte hinnehmen müssen, war ein Hochdruckgebiet zu Fireballs Beisetzung die einzig logische Konsequenz gewesen! Sie hörte, wie der Säbelschwinger hinter ihr die Treppe heruntergestiegen kam: „Willst Du Dich nicht langsam umziehen?“ drang seine ruhige Stimme wie durch einen Wall aus Watte zu ihr. Aprils Körper verspannte sich und sie atmete tief durch, bevor sie sich mit ausdrucksloser Miene zu ihrem Freund umwandte. Saber war auf der untersten Stufe der Treppe stehen geblieben und im Augenblick damit beschäftigt, seinen Säbel anzulegen. Er hatte am Abend zuvor lange überlegt, was er zur Trauerfeier des Rennfahrers anziehen sollte und war schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass sein Raumanzug wohl die passendste Alternative darstellte. Einerseits wegen der vorwiegend schwarzen Farbe, andererseits symbolisierte er die Anerkennung von Fireballs hervorragenden Diensten als Star Sheriff und Teamkollege. Das Gesicht des Schotten wirkte ebenso undurchschaubar, wie ihr eigenes, doch April ahnte, was in seinem Inneren vorgehen musste. Sie wusste, dass er, wie sie selbst auch, nicht besonders viel geschlafen hatte in der letzten Nacht, und das nicht nur wegen gemeinsamer Aktivitäten. Beide hatten sich bislang mit stoischer Verbissenheit über den Verlust von Fireball hinweg gesetzt, indem sie ein ums andere Mal die Flucht in ihre merkwürdige Traumwelt angetreten hatten, sobald der Gedanke an ihn unerträglich geworden war. Mit seiner heutigen Beerdigung aber holte sein Tod sie mit unbarmherziger Gewalt ein und zwang sie dazu, sich endlich ihren Ängsten und ihrer Trauer zu stellen. „Brauch ich nicht“, antwortete die junge Frau trotzig und zog einen Träger ihres roten Overalls zurecht, „ich werde nämlich nicht mitgehen!“ Saber seufzte schwer, weil er mit so einer Reaktion seitens der Blondine bereits gerechnet hatte: „Hör auf, so einen Unsinn zu faseln, natürlich kommst Du mit“, mit durchdringendem Blick versuchte er, direkt bis in ihr Herz zu schauen, „Du würdest es später bereuen, wenn Du Dich jetzt nicht von ihm verabschiedest.“ „Wer sagt denn, dass ich mich überhaupt verabschieden will, hm?“ der Eigensinn, der in ihren Augen aufloderte, versprach eine ziemlich hitzige Diskussion. Wenn April diese störrische Haltung eingenommen hatte, war sie schwerer umzustimmen, als ein Maultier. „Irgendwann wirst Du ihn loslassen müssen, Kleines!“ der Säbelschwinger trat die letzte Stufe der Treppe hinunter und kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu, um sie in die Arme zu nehmen. Aber die Blondine hatte im Moment nicht das Bedürfnis sich von dem Freund trösten zu lassen. Bockig wischte sie seinen Arm beiseite und trat einen Schritt zurück, um ihm ganz klar aufzuzeigen, dass sie nicht wünschte, angefasst zu werden: „Ach, und Du meinst, das geht auf so einer blöden militärischen Pflichtveranstaltung, ja?“ und wenn Saber sie noch so eindringlich gängelte, in diesem Punkt würde sie standhaft bleiben. Man hatte sie kein einziges Mal nach ihrer Meinung gefragt, als es um die Planung der Zeremonie gegangen war. Und das trotz ihrer Beziehung zu Fireball. Sie hätte ein Recht darauf gehabt, in diesem Punkt zumindest ihre Meinung zu äußern, aber man hatte sie einfach übergangen. Es konnte also niemand von ihr erwarten, dass sie ihren ganz persönlichen Abschied von der Person, die sie am meisten auf der Welt geliebt hatte, in einem unpersönlichen Rahmen unter den Augen des Oberkommandos vollzog. Sie würde Fireball Lebewohl sagen. Irgendwann, wenn sie dazu bereit war. Aber das Wo und das Wie würde sie ganz alleine bestimmen. Verunsichert durch ihre grobe Zurückweisung ließ Saber langsam die Hand sinken. Es war gerade mal zwei Stunden her, dass er ihren schweißgebadeten zitternden Körper fest in den Armen gehalten, ihre glühende Haut geküsst hatte, und nun wollte sie nicht einmal, dass er sie berührte. Manchmal kam es ihm so vor, als wäre die Freundin mit einem Fluch belegt. Nachts, wenn alles dunkel war und sie ihren Tränen getrost freien Lauf lassen konnte, gab sie sich dankbar und willig seiner Zärtlichkeit und seinem Verlangen hin. Aber sobald der Morgen anbrach und sie das Bett verlassen hatten, verwandelte sie sich in dieses unnahbare Wesen, das ihn absichtlich auf Distanz hielt und keine Vertrautheit zwischen ihnen duldete: „Du weißt, dass Dein Vater eine Beisetzung im engsten Kreis unter Ausschluss der Öffentlichkeit angeordnet hat“, eine flaues Gefühl flammte in Sabers Magen auf, als er an Commander Eagle und die letzte unschöne Begegnung mit seinem Vorgesetzten dachte, „mit militärischer Pflichtveranstaltung hat das nichts zu tun!“ wie würde Eagle wohl reagieren, wenn der Schotte zusammen mit April auf der Beerdigung aufkreuzte, nachdem er offen seinen Unmut über das Verhältnis zwischen den beiden zum Ausdruck gebracht hatte. Es kam zwar selten vor, aber Saber musste zugeben, dass er tatsächlich Angst vor einer erneuten Konfrontation mit dem Commander hatte. Sein ungebührliches Verhalten lastete mittlerweile ziemlich schwer auf seinem Gewissen. Offenbar unterlag er da einem ähnlichen Fluch wie April. Zu später Stunde gingen seine Gefühle mit ihm durch und es war ihm egal, ob er respektlos oder verletzend war, ob er seinen Stand missachtete oder seinem Herzen zuviel Gehör schenkte. Doch bei Tageslicht betrachtet setzte sich der kühle Denker in ihm durch und ließ ihn die Dinge aus einer objektiven und rationalen Warte aus erkennen. „Ist mir egal“, widerborstig drehte der weibliche Star Sheriff sich von ihm ab, „ich bleib hier und wenn Du Dich auf den Kopf stellst!“ Es verletzte Saber, dass sie ihm so erbarmungslos den Rücken zukehrte. Wollte sie denn nicht begreifen, dass er nicht der Feind war, sondern lediglich versuchte, ihr beizustehen: „Du willst wirklich nicht auf Fireballs Beerdigung dabei sein?“ wenn sie wenigstens in Tränen aufgelöst gebettelt hätte, hier bleiben zu dürfen, weil sie den Gedanken an den Abschied von Fireball nicht ertrug. Er hätte ihrem Flehen sofort nachgegeben! Aber dieser unbewegte eiskalte Engel, der da vor ihm stand, bereitete ihm mächtige Kopfschmerzen. April befand sich mit ihrer momentanen Taktik der Verdrängung auf heiklem Kollisionskurs und würde demnächst an den Klippen zerschellen, wenn sie das Ruder nicht rechtzeitig herumriss oder zuließ, dass jemand anderes das für sie tat. Und wie gerne wäre er dieser jemand gewesen! „Das ist nicht Fireballs Beerdigung“, flüsterte sie frostig, „da wird nur ein leerer Sarg in die Erde gelassen. Das hat nichts mit Fireball zu tun. Er ist längst begraben! Unerreichbar fern in der Phantomzone!“ „Aber es geht doch nicht darum, ob wir seine…“ das Wort Leiche brachte Saber einfach nicht über die Lippen, denn damit hätte er alles nur noch schlimmer gemacht, „es geht doch darum, dass wir gemeinsam an ihn denken und ihm damit die letzte Ehre erweisen.“ versuchte er sie mutlos umzustimmen. Was konnte er nur tun, um sie zu überzeugen. Es war so wichtig, dass April an der Trauerfeier teilnahm. Zwar hatte Commander Eagle dafür gesorgt, dass die Beisetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgte, aber es würde trotzdem die Runde machen, dass die Verlobte des Rennfahrers es nicht einmal für nötig gehalten hatte, auf dessen Beerdigung aufzutauchen. Und das würde zusätzliches Wasser auf die Gerüchtemühlen schütten, die im Kavallerieoberkommando eifrig am Rotieren waren. Auf diesen Erklärungsversuch erwiderte April nun gar nichts mehr. Sie stand einfach nur schweigend da und starrte hinaus ins Freie. „Schön, wie Du willst“, Saber senkte resignierend den Blick, „ich werde die anderen von Dir grüßen und ihnen sagen, dass Du Dich nicht fühlst.“ Er überprüfte unnötiger Weise noch einmal, ob das Wehrgehänge seines Säbels richtig saß und warf dann einen Blick auf die Uhr. Die Trauerfeier würde erst in einer Stunde beginnen; es blieb also noch genügend Zeit, einen weiteren Überredungsversuch zu starten, wenn April sich wieder etwas beruhigt hatte. Er war nur so sicher gewesen, dass ihr vor der Beerdigung ein kleiner Spaziergang im Sonnenlicht gut getan hätte, um die dunklen Wolken aus ihrem Kopf zu verjagen. Verwundert drehte sich der Schotte um, als es an der Haustür klingelte: „Wer ist das denn?“ wandte er sich mehr an sich selbst als an April und erwartete deshalb nicht wirklich eine Antwort. Ihr fortwährendes Schweigen quittierte er mit einem Schulterzucken quittierte und machte sich auf in den angrenzenden Flur: „Colt, was treibst Du denn hier?“ fragte er den Cowboy überrascht, der mit ziemlich niedergeschlagener Miene vor seiner Haustür stand. Auch Colt hatte sich dazu entschieden, bei der Beerdigung seinen Raumanzug zu tragen, auch wenn dieser farblich vielleicht nicht ganz der Etikette einer Bilderbuch-Trauergesellschaft entsprach: „Ich dachte, es wäre vielleicht besser, wenn Du nicht alleine mit April aufkreuzt“, der Scharfschütze hob verschwörerisch eine Augenbraue, „man muss den Aasgeiern ja nicht mehr Futter als nötig vor die Schnäbel werfen, richtig!“ er klopfte Saber kurz mit dem rechten Zeigefinger gegen den Brustpanzer. Diese Geste hätte den Schotten beinahe zu Tränen gerührt. Nach allem, was zwischen ihm und Colt in den letzten Wochen vorgefallen war, wollte der Cowboy ihm und April jetzt Rückendeckung geben: „Ich muss gestehen, ich bin platt“, es war genauso, wie er Eagle vor einigen Abenden gesagt hatte, für die Star Sheriffs waren die Mitglieder ihrer Crew das Wichtigste, „danke, Mann!“ kameradschaftlich schlug er Colt auf die Schulter. Wie gut es tat, wahre Freunde zu haben! „Lass mal gut sein, nicht der Rede wert“, winkte dieser großzügig ab und trat an Saber vorbei in die Wohnung, „ich fänds einfach unschön, wenn irgendein Schmierfink Fires Abschiedsfeier dazu missbrauchen würde, um dem KavCom einen reinzuwürgen.“ Auch wenn er durch seine raue Art versuchte, seine ehrlichen Gefühle herunterzuspielen, erkannte der Schotte doch die große Geste und die tiefe Verbundenheit und Sorge, die hinter dem Handeln und Denken des Scharfschützen standen: „Es gibt da nur noch ein kleines Problem“, sagte er kleinlaut, als er hinter dem Freund ins Wohnzimmer trat, „aber vielleicht kannst Du mir ja bei der Beseitigung unter die Arme greifen!“ „Was für ein Problem“, Colt blickte sich suchend im Raum um, „wo ist April, ist sie noch nicht fertig?“ „Ich bin hier, Colt“, antwortete die Blondine und trat mit einer Wasserflasche in der Hand aus dem Durchgang zur Küche. Sie stellte die Flasche im Vorbeigehen auf Sabers Fernsehkommode ab und umarmte den Cowboy herzliche, „schön Dich zu sehen.“ Colt erwiderte die Umarmung und schob die junge Frau dann auf Armeslänge von sich weg. Skeptisch betrachtete er ihren roten Overall und ihr verschlossenes Gesicht: „Ist alles in Ordnung mit Dir, Süße?“ „Ja, ja, geht schon.“ nickte sie schnell und wich seinem Blick peinlich berührt aus. Wenn er erst erfahren hatte, dass sie nicht mit auf die Trauerfeier ging, würde der Cowboy sich bestimmt nicht so schnell geschlagen geben wie der Säbelschwinger. Woran lag es nur, dass sie sich mit spielender Leichtigkeit gegen Saber durchsetzen konnte, aber bereits das Handtuch werfen wollte, bevor Colt überhaupt einen einzigen Ton zu dem Thema gesagt hatte. Vielleicht hatten die gemeinsamen Nächte mit dem Schotten doch einen nachhaltigen Schatten auf ihre ursprüngliche Beziehung geworfen. Wer konnte schon mit seinem Boss und gutem Freund Nacht für Nacht in die Kiste steigen, ohne sich dadurch zu verändern? „Sie will nicht mitkommen!“ platzte Saber ohne weitere Umschweife heraus und erntete dafür einen tödlichen Blick von der Blondine. Für diesen verwegenen Vorwurf würde er sich später einiges von ihr anhören müssen, aber er hatte sich die Chance auf Colts tatkräftige Unterstützung auf keinen Fall entgehen lassen können. Dafür nahm er es gern in Kauf, dass am Abend der Widerspenstigen Zähmung auf dem Programm stand. Colt kratzte sich durcheinander an der Nase: „Was soll das heißen“, er beäugte wieder Aprils feuerroten Catsuit und zog die Stirn kraus, „wir gehen zu Fireballs Beerdigung, da gibt es gar keine Diskussion ob wollen oder nicht!“ was sollte dieses merkwürdige Theater? „Ich sehe einfach keinen Sinn darin, zuzuschauen, wie die eine leere Holzkiste in der Erde verbuddeln und so tun, als hätte das irgendetwas mit Fireball zu tun!“ brauste die Blondine ungehalten auf und wollte sich an den beiden Freunden vorbei drängen, aber mit ihrer aufbrausenden Wut hatte sie auf Schlag Colts Kampfgeist zum Leben erweckt. „Moment, junge Dame“, rief er aufgebracht, während er sie am Oberarm packte und herumschleuderte, „Du bist es Fireball schuldig, dass Du dahin gehst, klar! Sieh zu, dass Du Dir was Passenderes anziehst und dann satteln wir die Pferde.“ „Sattel Deine blöden Gäule alleine, Kuhtreiber“, brüllte sie völlig entfesselt zurück, „ich bin Fireball überhaupt nichts schuldig. Er hat mir versprochen, dass er auf sich aufpasst und zu mir zurückkommt. Und was ist daraus geworden?“ Damit war für den Cowboy das Maß voll: „Du solltest Dich langsam damit abfinden, dass Fireball nicht wiederkommen wird, Prinzessin. Es ist zwar nett, sich für ein paar Tage aus der Realität zurück zu ziehen“, hier nickte er grimmig, weil sein Ausflug auf den Vergnügungsplaneten Phanorama im Prinzip nichts anderes gewesen war, „aber irgendwann muss man der Wahrheit auch ins Auge blicken können. Und wenn Du schon in der Lage bist, mit Saber Matratzengymnastik zu praktizieren, dann ist es ja wohl auch das Mindeste, dass Du mit auf Fires Beerdigung kommst!“ er schnaubte schwer wie eine alte Diesellok und hatte die Hände herausfordernd in die Hüften gestemmt. Das Drama, das April seit Tagen vor ihrer aller Nasen abzog, ging ihm gewaltig gegen den Strich. Natürlich war es schwer für sie, Fireballs Tod zu akzeptieren und niemand wollte ihr ihre Zeit der Trauer streitig machen. Aber das Verhalten, das sie im Moment an den Tag legte, ging einfach auf keine Kuhhaut mehr. Sie vernachlässigte vollkommen ihre Pflichten als Mitglied des Oberkommandos und der Star Sheriffs, scherte sich einen Dreck darum, was die Leute von ihr dachten, missbrauchte schamlos Sabers neu geborene Zuneigung zu ihr und wollte ihrem Verlobten dann noch nicht einmal einen Funken an Ehre zollen. Als ein heißer Schmerz wie ein Blitz durch seine Wange zuckte, fuhr Colt überrascht einen Schritt zurück. Wütend hatte April ausgeholt und dem Scharfschützen mit voller Wucht eine Ohrfeige verpasst. Wie konnte er es wagen, ihr nun doch wieder Vorhalte wegen Saber zu machen! Diese Sache ging den Cowboy nicht die Bohne an und sie würde sich sicherlich auch nicht dazu hinreißen lassen, sich deswegen vor ihm zu rechtfertigen: „Wie kannst Du es wagen, in diesem Ton mit mir zu reden, Du…Du….“ keifte sie aufgebracht und rannte dann in Richtung Treppe. Sollten Colt und Saber doch zusehen, wie sie miteinander klar kamen. Keine zehn Pferde würden sie dazu bringen, dieses Appartement heute zu verlassen! „Verdammt, jetzt habe ich aber endlich die Schnauze voll von Deinen Allüren, Sissie“, sie fühlte, wie sich zwei starke Arme um ihre Taille schlangen und sie mit Leichtigkeit in die Luft hoben, „ist mir doch egal, ob Du vernünftig angezogen bist, oder nicht, Du kommst jetzt mit!“ Mit geübtem Griff warf sich Colt die strampelnde und tobende Blondine über die Schulter und gab Saber ein kleines Zeichen, das wohl soviel wie „Aufbruch“ bedeuten sollte: „Du machst die Tür auf Top Sword und ich bugsiere Jezabel hier in den Jeep!“ „Lass mich sofort runter Colt“, zeterte April und schlug wild um sich, „warum glaubt Ihr eigentlich alle, dass Ihr mit mir umspringen könnt, wie mit einem Sack Kartoffeln?“ ihre Fäuste trommelten wild auf dem Hinterteil des Cowboys herum, der etwas nervös zu werden schien: „Jeder kriegt, was er verdient, Baby“, er verabreichte der jungen Frau einen ordentlichen Klaps auf den Allerwertesten, der sie kurz aufschreien ließ, „und wenn Du Dich nicht benimmst, werde ich noch ganz andere Seiten mit Dir aufziehen. Gehen wir Saber!“ „Colt, Du Mistkäfer!“ Fassungslos starrte der Säbelschwinger seinem Freund hinterher, der April tatsächlich wie einen Kartoffelsack in den Flur hinaus schleppte: „Meinst Du nicht, Du solltest sie vielleicht doch lieber wieder…“ „Lass mich runter, oder es wird Dir noch Leid tun!“ „Nein, ich denke, sie ist da oben erst mal gut aufgehoben“, der Cowboy zwinkerte dem Schotten frech zu und ignorierte die hohle Drohung, „auch wenn sie mindestens soviel wiegt, wie zwei Zentner Kartoffeln und ich wohl die nächsten Wochen nicht mehr sitzen kann!“ „COLT!“ „Ähm, also…“ der Schotte zögerte verlegen. „Man, Saber, jetzt mach endlich die Tür auf, bevor ich anfangen, hier Wurzeln zu schlagen!“ „COOOLT, Du mieser… Saber, wenn Du es wagst…ich werde Euch beide…“ Mit zögerndem Lächeln schob sich der Schotte an seinem Freund und dem fuchtelnden roten Bündel auf dessen Schulter vorbei: „Sorry, April“, er zog die Haustür auf und wies mit galanter Manier nach draußen, „ich schätze, im Moment ist Colt der Boss!“ Arietis hatte den Star Sheriff alleine in seiner Höhle zurück gelassen, nachdem er ihm dann mit einigem Murren doch aus den Überresten des Kampfanzuges geholfen hatte. Seine Laune war nicht die beste gewesen und Fireball plagte sich nun mit einem ziemlich schlechten Gewissen herum. Er hatte den neuen Freund hintergangen und dessen Vertrauen missbraucht, aber war es nicht in irgendeiner Weise nachvollziehbar, dass er endlich zurück nach Hause wollte? Natürlich hätte er sich geschickter und diplomatische anstellen können in seiner Vorgehensweise, aber was, wenn der Outrider ihn nun tatsächlich nicht hätte gehen lassen? Andererseits, warum sollte Arietis etwas daran liegen, einen Fleischling wie den Rennfahrer länger als nötig bei sich durchfüttern zu müssen. Fireball hatte ständig Widerworte, hörte weder auf gut gemeinte Ratschläge noch auf Anweisungen und war über alle Maßen hinaus ein ziemlich ungeselliger Zeitgenosse gewesen in den letzten Tagen. Wahrscheinlich war das Phantomwesen sogar froh, ihn endlich los zu werden! Betrübt griff der Star Sheriff nach dem weichen braunen Päckchen, das der Outrider für ihn auf dem Tisch hinterlassen hatte und faltete das Papier vorsichtig auseinander. Zum Vorschein kam eine ziemlich zerschlissene blaugraue Uniform, wie Fireball sie zuvor schon viele Male gesehen hatte. Als hätte er sich an der alten Baumwolljacke verbrannt, ließ der Rennfahrer sie ächzend auf den Tisch fallen. Er wusste genau, wann er zuletzt so einen Waffenrock zu Gesicht bekommen hatte, denn es war nur wenige Tage her gewesen. Christa hatte ihn getragen, die hübsche junge Navigatorin der Monarch Supreme. Es war eine Uniform des königlichen Garderegiments von Jarre! Mit zitternden Fingern fegte Fireball die Einzelteile seines Kampfanzuges vom Tisch und breitete die abgetragene Hose samt Gehrock auf der Holzplatte aus. Beide Kleidungsstücke mussten schon einige Jahre auf dem Buckel haben, denn der Stoff war an vielen Stellen verblichen und die Baumwolle verströmte einen modrigen Geruch. Die Jacke, die auf den Schulterklappen die Insignien eines Sterncaptains trug, war an mehreren Stellen mit ziemlich viel Geschick geflickt worden, auch wenn der Stoff, der in die Lücken eingefügt worden war, nicht ganz der Struktur und Farbe des Originals entsprach. Die Hose war zwar ebenso ausgedient, wies aber außer ein paar kleineren abgeschrammten Stellen keine Risse oder Ausbesserungen auf. Fireballs Herz schlug ihm bis zum Hals und sein Kopf glühte vor Erregung: wie war Arietis in den Besitz einer Militäruniform aus dem Königreich Jarre gekommen? Seine Gedanken überschlugen sich und das Adrenalin, das mit rasender Geschwindigkeit durch seine Adern gepumpt wurde, brachte seinen Körper zum Vibrieren. Der Outrider war ein Soldat gewesen, das hatte der alte Mann selber zugegeben. Handelte es sich bei diesem Waffenrock etwa um ein makaberes Souvenir, dass das Phantomwesen einem seiner getöteten Feinde in den aktiven Zeiten seiner militärischen Laufbahn abgeknöpft hatte? Nein, das konnte nicht sein. Arietis mochte Soldat gewesen sein, aber sicherlich hatte er auch als solcher schon den gebührenden Respekt vor dem Gegner besessen. Ehrfürchtig ließ Fireball die Finger seiner gesunden Hand über den Stoff des Rocks wandern. Wem mochte diese Uniform gehört haben und warum hatte Ari sie die ganzen Jahre über aufbewahrt? Unbeholfen fingerte er an den Knöpfen herum und schob sie umständlich durch die kleinen ausgeleierten Löcher. Dann nahm er die Jacke auf und manövrierte seinen linken Arm wie bei einem Geduldsspiel, das man kleinen Kindern zum Trainieren ihrer motorischen Fähigkeiten gab, in den Ärmel. Vorsichtig zog er den Stoff über seine bandagierte Schulter und schlüpfte dann auch mit dem rechten Arm in den Rock. Er passte wie angegossen, genau wie die Hose. Mit schauderndem Unbehagen schaute der Star Sheriff an sich herab. Arietis, er musste mit Arietis reden und zwar augenblicklich! Er hastete aus der Höhle: „Ari?“ wo mochte der Kerl stecken? Unschlüssig stand Fireball im dämmrigen Tunnel und überlegte, in welche Richtung er sich wenden sollte, als er das Klappern von Geschirr vernahm. Also hantierte der Outrider in der Küche herum. Der Rennfahrer ließ mehrere Höhlen hinter sich, von denen er teilweise noch immer nicht wusste, zu welchem Zweck das Phantomwesen diese nutzte. Seine Schritte hallten gespenstisch von den Sandsteinwänden wieder und verfolgten ihn wie der dröhnende Schatten eines Auftragskillers. Die Küche war die mit Abstand größte Aushöhlung, die Arietis zu Wohnzwecken diente. Hier drinnen war es heller als im Rest der Behausung, weil es drei kleine Fenster gab, die mühevoll in die dicke Felswand geschlagen worden waren. Die Möblierung war schlicht und spartanisch wie auch sonst überall. Ein kleiner Holztisch mit zwei Stühlen, ein paar Regale, ausgehöhlte Nischen in den Wänden, die Platz für Lebensmittel und andere Utensilien boten und eine Feuerstelle, auf der der Outrider sein Essen zubereitete. Die verderblichen Lebensmittel wie Eier und Milch, Fireball hatte nicht schlecht gestaunt, als Arietis ihm seine Hühnerschar und seine drei Ziegen vorgestellt hatte, wurden weiter im Inneren des Tunnelsystems aufbewahrt, wo es auch tagsüber angenehm kühl blieb. Von der vermeintlichen Küche ging es hinaus in einen kleinen Canon, wo sich nicht nur Ziegen- und Hühnerstall befanden, sondern auch noch der ganz persönliche und mit viel Liebe umsorgte Gemüsegarten. Der Star Sheriff hatte nicht glauben wollen, dass in so einer unwirtlichen Gegend wie der Wüste von Ischtar überhaupt etwas wachsen konnte, aber dank eines ausgeklügelten Leitungssystems war Arietis in der Lage, Wasser tief aus dem Inneren der Berge auf seine kleinen Felder zu leiten. Und mit Hilfe von großen Leinensegeln schützte er seine Ernte gegen die sengenden Strahlen der heißen Sonne, so dass Gemüse und Getreide das ganze Jahr über zwischen den Felsen gedeihen konnten. Das Phantomwesen hatte es im Laufe der Jahre geschafft, sich so einzurichten, dass er völlig autark von jeder Zivilisation überleben konnte. „Ari!“ keuchend kam Fireball im Durchbruch zur Küche zum Stehen, aus der ihm augenblicklich ein herrlicher Duft nach Tee und gebratenen Eiern in die Nase stieg. Arietis stand an der Kochstelle und wendete mit einem leichten Schlenker des Handgelenks die Hühnereier, die in der gusseisernen Pfanne brutzelten. Die vier gelbweißen Gebilde beschrieben einen leichten Bogen über dem Kopf des Alten und landeten perfekt wieder auf der ungebratenen Seite zischend in der Pfanne. „Passt die Uniform?“ der Outrider hatte Fireball bislang noch nicht angesehen. Jetzt stellte er das fertige Frühstück auf einem kleinen Felsvorsprung ab und drehte sich dem Star Sheriff zu. Für einen Augenblick dachte dieser, der alte Mann würde vor Schreck aus den Latschen kippen. Seine Augen weiteten sich, als hätte er einen Geist gesehen und seine Hand wanderte schwankend zu seinem langen Bart: „Das kann doch nicht…“ „Ari, wo haben Sie diese Uniform her?“ der Rennfahrer betrat die Höhle mit schnellen Schritten und richtete sich zu seiner vollen Größe vor seinem Gegenüber auf. Dieser schien die Schrecksekunde überwunden zu haben und lächelte versonnen: „Siehst Du, wie ich es gesagt habe, sie passt wie angegossen. Wusste doch, dass Du ungefähr dieselbe Größe hast!“ „Dieselbe Größe wie wer“, noch mehr irritiert dadurch, dass Arietis neuerdings die Angewohnheit angenommen hatte, ihn zu duzen, griff Fireball an den Kragen des Waffenrocks, „Ari, woher stammt diese Uniform?“ er würde nicht eher Ruhe geben, bevor er eine klare Antwort auf seine Frage erhalten hatte. Und wenn die alte Phantomnase noch so sehr um den heißen Brei herum schlich und in Rätseln sprach. „Aus dem Königreich Jarre.“ Aufgebracht raufte sich der Star Sheriff die Haare: „Herrje, das sehe ich selber. Wie sind Sie an das Ding rangekommen?“ Arietis nahm in aller Seelenruhe einen Teller aus dem Holzregal über der Feuerstelle, ließ die Spiegeleier aus der Pfanne darauf gleiten und drückte dem ruhelosen jungen Mann das Ganze in die Hand: „Setz Dich hin und iss, ich erzähl es Dir ja!“ Nicht so recht davon überzeugt, dass er tatsächlich so schnell am Ziel angelangt war, stellte Fireball den Teller auf den Tisch, zog einen Stuhl unter der Platte hervor und nahm vor seiner Mahlzeit Platz. Der Outrider brachte ihm noch Messer und Gabel sowie eine Tasse mit dampfendem Tee. Gespannt blickte der Rennfahrer zu ihm auf: „Ich wusste, dass Sie noch irgendein Geheimnis zu verbergen haben, Ari!“ „Nun, ja, ob ich es Geheimnis nennen würde“, das Phantomwesen widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Feuerstelle, „es ist nur einfach eine Sache, über die ich nicht gerne spreche, weißt Du!“ unter der Feuerstelle hatte Arietis eine größere Aushöhlung geschaffen, in der sich die Hitze der Flammen so gut sammeln ließ, dass man das Fach im geschlossenen Zustand guten Gewissens einen Ofen schimpfen konnte. Der Outrider schob die Steinplatte zur Seite, die das Loch verschlossen hatte und äugte hinein: „Na, noch ein paar Minuten! Wie wäre es mit ein paar Tomaten und Gurken?“ „Ari!“ drohte Fireball ungestüm mit erhobenem Messer. „Schon gut, schon gut“, beschwichtigte Arietis gutmütig, „ich habe schon verstanden.“ Jetzt entschied er sich offenbar doch, dem Star Sheriff bei seinem Frühstück Gesellschaft zu leisten. Er setzte sich ihm gegenüber auf den zweiten Stuhl, faltete die Hände wie so oft in den Ärmeln seiner Robe und schloss die Augen: „Als ich Dir vor einigen Tagen erzählt habe, dass ich einst Soldat gewesen bin, na, ja, eigentlich hast Du es ja selber herausgefunden, nun, jedenfalls habe ich Dir da nur die halbe Wahrheit erzählt.“ Gebannt schaufelte der junge Star Sheriff die Spiegeleier in sich hinein, während der Outrider sich irgendwo in der Vergangenheit zu verlieren schien: „Weißt Du, hier in der Phantomzone gibt es nicht besonders viel, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Nur eine Handvoll Planeten bieten überhaupt die Möglichkeit, sich auf ihnen anzusiedeln, und keiner von den übrigen unterscheidet sich besonders von Ischtar. Wir haben zwar nie in Armut oder Hunger gelebt, aber sicherlich gab es hier nie ein Land, in dem Milch und Honig geflossen wäre. Das Volk war unzufrieden und lechzte nach Dingen, die sie nur aus Erzählungen oder von Bildern kannten. Berge und Seen, weite Felder und Wiesen, schneebedeckte Gletscher, tropische Wälder. All das, was es in Hülle und Fülle im neuen Grenzland zu finden gab. Wir hatten schon ziemlich frühzeitig die Technologie für den Dimensionssprung entwickelt und waren so in der Lage gewesen, Eure Dimension zu erkunden. Der Unmut unter den Bewohner der einzelnen Planeten wuchs, je mehr man über Euch Menschen und Euer Leben im Reichtum herausfand…“ „Gansch scho schwarsch und weisch kann man dasch aber auch nischt schehen“, ereiferte sich Fireball und verschluckte sich beinahe an einem ziemlich großen Stück Eiweiß, „die Siedler im Neuen… Grenzland haben schwer arbeiten… müssen, um sich all das aufzu…bauen, was wir heute dort…haben!“ er klopfte sich hustend auf die Brust. „Das ist schon richtig“, stimmte Arietis ihm unumwunden zu, „aber diese Tatsache wollte damals niemand wahrhaben. Der Neid und der Hass auf die Menschen, die im Gegensatz zu uns alles hatten, wuchsen von Tag zu Tag. Das war die Zeit, in der Nemesis zunehmend an Macht gewann. Er schürte den Unmut des Volkes, hetzte uns regelrecht gegen die Fleischlinge auf, und als ihm die Zeit reif erschien, hat er die Macht an sich gerissen. Viele Tausende sind ihm gefolgt und wären für seine Versprechungen auf ein besseres Leben in den Tod gegangen. Ich selbst habe da keine Ausnahme gemacht. Heute schäme ich mich dafür, dass ich so verblendet gewesen bin, Nemesis und seinen Lügen zu glauben. Aber damals erschien es mir völlig logisch, dass die Menschen für unsere Lage verantwortlich gewesen sein sollten.“ Der Star Sheriff wischte sich mit dem rechten Ärmel der Uniformjacke über den Mund: „Und so begann die Invasion…“ er dachte an die vielen Erzählungen von König Jared und Commander Eagle aus jenen Tagen. Er selbst war damals noch ein kleiner Knirps gewesen und hatte deswegen keine eigenen Erinnerungen an diese Zeit. Das Gesicht von Arietis drückte tiefen Kummer und Schmerz aus, als er mit seiner Erzählung fortfuhr: „Ja, so ist es. Wir hatten Späher über das ganze Grenzland verteilt, um eine Schwachstelle in der Defensive der Fleischlinge aufzutun. Einen Planeten, den wir mit einem einzigen Überraschungsangriff dem Erdboden gleich machen und übernehmen konnten. Und diesen haben letztlich auch gefunden.“ „Jarre…“ murmelte Fireball versonnen. Der Outrider sprach von der Schlacht, in der sein Vater zusammen mit Nemesis’ Schlachtschiff in die Phantomzone katapultiert worden war. Geistesabwesend zog der Rennfahrer mit seiner Gabel kleine Spuren in die Überreste aus Fett und flüssigem Eigelb auf seinem Teller. „Ja, das Königreich Jarre. Wir hatten herausgefunden, dass der damalige König Jared versucht hatte, eine Allianz mit dem Kavallerie Oberkommando zu arrangieren, dass es aber noch zu keinem Abschluss der Verhandlungen gekommen war.“ „Ist er auch heute noch!“ Verstört blickte Arietis den Star Sheriff an, der in eine äußerst besorgniserregende Stimmung verfallen war: „Wie bitte?“ „Na, König Jared“, lächelte Fireball matt, „er ist heute immer noch König, wissen Sie.“ „Ach so“, der Outrider begriff, „wenn man so lange wie ich nicht mehr in Kontakt mit der Zivilisation gestanden hat, verliert man irgendwann den Überblick. Besonders über die Dinge, die nicht in der eigenen Dimension passieren. Nun, Nemesis hat damals entschieden, dass es Zeit war zu handeln, bevor das Bündnis zwischen Jarre und dem Oberkommando entstehen konnte. Nur so hatten wir eine Chance auf einen Sieg. Ich war damals bei den Streitkräften von Ischtar bereits im Rang eines Majors gewesen und wurde aufgrund meiner Erfahrung der direkten Eskorte von Nemesis’ Schlachtschiff zugeteilt…“ der alte Mann versank wieder in seinen Erinnerungen und bemerkte nicht, wie sich die Gesichtsfarbe seines Gegenübers bei der Erwähnung von Nemesis’ Schlachtschiff deutlich verändert hatte. Mit stillem Entsetzen lauschte Fireball den Erzählungen seines Feindfreundes, der im Begriff war, genau den Tag zu schildern, an dem er eine Halbwaise geworden war. „Der Angriff kam für Jarre völlig unerwartet und wir dachten, wir würden leichtes Spiel mit den weit unterlegenen Fleischlingen haben. Aber wir hatten unsere Rechnung nicht mit dem Mut und der Entschlossenheit von Euch Menschen gemacht. Obwohl die Unterstützung durch die Allianz ausblieb und sie schwere Verluste hinnehmen mussten, kämpften die Soldaten von Jarre mit bitterer Unbeugsamkeit weiter. Die Schlacht zog sich mehrere Tage hin und langsam aber sicher schafften wir es, den Kampfgeist des Gegners zu brechen. Wir bekamen laufend neue Munition und frische Soldaten aus der Phantomzone, während sich die Reihen der Menschen immer mehr lichteten und diejenigen, die noch übrig geblieben waren, aus Kräftemangel kaum noch einen Schuss abgeben konnten. Der Sieg schien unser, doch da löste sich völlig unerwartet ein Schiff aus der Verteidigungslinien und nahm direkten Kollisionskurs auf das Kommandoschiff.“ Fireballs Hand begann zu zittern und er legte flugs die Gabel beiseite, die leise klappernd auf den Tellerrand geschlagen hatte. Blut rauschte in seinen Ohren und pulsierte hinter seinen Augen. „Meine Aufgabe hatte darin bestanden, das Flaggschiff unseres Anführers gegen sämtliche Angriffe zu verteidigen, aber als ich dieses kleine Schiff mit seinem todesmutigen Piloten auf uns zurasen sah, war ich wie gelähmt. Meinen Kameraden musste es genauso ergangen sein, denn niemand eröffnete das Feuer auf den Angreifer. Nicht ein einziger Schuss wurde auf den Kampfjet abgegeben. Und dann…“ „Hat der Kampfjet das Schiff von Nemesis mit voller Wucht erwischt und beide wurden in einer gewaltigen Explosion in die Phantomzone zurück katapultiert“, mit schneidender Stimme hatte Fireball den Bericht des Outriders unterbrochen, „und vernichtet haben wir diesen Dreckskerl trotzdem nicht.“ Die plötzlich aufschäumende Wut des jungen Mannes war nicht zu übersehen: „Dann kennst Du die Geschichte also?“ Fireball nickte dämonisch: „Bis zu diesem Punkt schon. Die Geschichte von dem Kamikazepiloten, der sich geopfert hat, um Nemesis zu vernichten ist im neuen Grenzland legendär“, ungeduldig schob er den leeren Teller von sich fort, bevor er aus lauter Rastlosigkeit wieder anfing, damit herumzuspielen, „ich weiß, dass dieser Schlag Nemesis so hart getroffen hat, dass er beinahe dabei draufgegangen wäre. Er hat seinen Körper verloren und danach gut fünfzehn Jahre gebraucht, um seine Macht wieder soweit auszubauen, dass er neue Überfälle auf das Grenzland starten konnte. Nur was aus dem Piloten des Jets geworden ist, das weiß keiner.“ Es war unheimlich, diese Geschichte aus dem Mund eines Outriders erzählt zu bekommen, aber zum ersten Mal sah der Rennfahrer eine Möglichkeit, herauszufinden, was damals mit seinem Vater passiert war. „Es ist schon so, wie Du gesagt hast“, bestätigte Arietis stirnrunzelnd, denn er wunderte sich, warum die Ereignisse, die schon so viele Jahre zurück lagen, den jungen Mann so sehr aufregten, „der Kampfjet wurde zusammen mit Nemesis’ Flaggschiff in die Phantomzone katapultiert. Hierher, in die Nähe von Ischtar. Weil die menschlichen Schiffe eigentlich nicht für Dimensionssprünge geschaffen waren und dieser Jet auch nur durch den Sog des anderen Schiffes hierher geschleudert wurde, hat es den Sprung nur mit knapper Müh und Not überstanden. Der Pilot versuchte, sich nach Ischtar zu retten…“ „Der Pilot hat tatsächlich überlebt?“ fuhr Fireball unbeherrscht dazwischen und konnte die Anspannung kaum noch ertragen. Er musste sich jetzt zusammenreißen und durfte sich auf keinen Fall durch eine unbedachte Frage oder Geste verraten. Aris Gesicht hellte sich plötzlich auf, als er mit milder Stimme fortfuhr: „Ja, das hat er. Ich erhielt den Auftrag, diesen Eindringling zu verfolgen und ihm endgültig den Garaus zu machen“, das Herz des Rennfahrers setzte schlagartig aus, „also habe ich die Verfolgung aufgenommen und ihm nachgestellt. Bis hierher in die Canons.“ Er war hier, schoss es dem Star Sheriff durch den Kopf. Sein Vater war hier gewesen. Er hatte überlebt. Aber was war dann geschehen? Er traute sich kaum, die nächste Frage zu stellen: „Und, haben Sie ihn…erwischt?“ „Nein, das war gar nicht mehr nötig“, der Alte erhob sich von seinem Stuhl und ging zurück zum Backofen, „als ich das Wrack des Schiffes unweit von hier auf einem kleinen Felsplateau entdeckt habe, war mir ziemlich schnell klar, dass dieser Fleischling keine Bedrohung mehr für uns darstellen konnte.“ Geschäftig schob er die Steinplatte beiseite und zog mit Hilfe eines Holzlöffels ein braun gebackenes dampfendes Brot aus der Aushöhlung. Es roch verführerisch und wäre unter normalen Umständen genau das gewesen, was Fireball gebraucht hätte, um die Reste seines Frühstücks mit Genuss aufzutunken. Aber augenblicklich hatte er das Gefühl, als stünde sein Magen unmittelbar davor, die bereits verputzten Spiegeleier wieder von sich zu geben: „Also ist er beim Absturz ums Leben gekommen…“ stellte er geistesabwesend fest. Der Star Sheriff hatte sich noch nie so schlecht und elend gefühlt. All seine Hoffnungen, die er die letzten zwanzig Jahre mit sich herumgetragen hatte, waren mit einem einzigen Schlag zerplatzt wie eine gigantische Seifenblase. Sein Vater war tot. Die ganze Zeit über schon. Seine lächerliche Idee mit dem Outrider-Schiff war völlig umsonst gewesen. Genauso wie Mandarins Verlust. Mandarin! Ihr lachendes Gesicht tauchte vor ihm auf, kess und unbeschwert, die roten Haare vorwitzig in die Stirn gekämmt. Sie hatte für einen Traum sterben müssen, der von Beginn an niemals hätte in Erfüllung gehen können. Für seinen Traum! Arietis hatte ein großes Messer zur Hand genommen und schnitt einen Teil des Brotes in dicke Scheiben: „Nein, er ist nicht beim Absturz ums Leben gekommen.“ „Was“, japste der Rennfahrer einem Infarkt nahe, „Sie bringen mich wirklich um mit Ihrer Erzählmethode Ari! Kommen Sie endlich zum Punkt.“ Er konnte die Spannung kaum ertragen. Seine gesunde Hand hatte sich um die Kante der Tischplatte gekrallt und seine Füße scharrten nervös auf dem Felsenboden herum. War sein Vater nun am Leben, oder nicht? „Wenn Du mich nur einmal ausreden lassen könntest, Fireball, wäre ich wesentlich schneller fertig!“ tadelte der Outrider streng, während er dem Star Sheriff einige Scheiben des frischen Brotes vor die Nase stellte. „Tschuldigung...“ murmelte dieser kleinlaut. Eher aus Reflex und dem Bedürfnis heraus, sich irgendwie zu beschäftigen, schnappte sich der junge Mann eine Scheibe und wischte damit die Überreste des Rühreis von seinem Teller. Auch wenn sein Magen sich ein wenig beruhigt hatte, war er zwar nach wie vor nicht hungrig, aber der Hunger war jetzt sekundär. Solange er etwas zum Kauen hatte, konnte er sich wenigstens nicht durch übereilte Kommentare oder Ausrufe verraten. Misstrauisch beäugte Arietis seinen mampfenden Patienten von oben herab: „Warum interessiert Dich das Thema überhaupt so brennend? Das liegt doch alles schon so lange zurück.“ Ihm war die Nervosität und brennende Neugier des Rennfahrers nicht entgangen. „Würde doch jeden interessieren“, versuchte Fireball mit gespielter Gleichgültigkeit von seinem verräterischen Verhalten abzulenken, „hab doch gesagt, die Geschichte ist legendär bei uns… wollen Sie jetzt eigentlich weitererzählen, oder mir nur beim Futtern zuschauen?“ widerwillig zwängte er sich einen weiteren Bissen getunktes Brot zwischen die Lippen. Der Geschmack nach Fett und kaltem Spiegelei verursachte in seinem Magen einen leichten Brechreiz. Vorerst war der Outrider wohl zufrieden gestellt, denn er nahm den Faden seiner Geschichte ohne weitere Zwischenfrage wieder auf: „Ich habe meinen Gleiter neben dem Wracks seines Schiffes zur Landung gebracht, weil ich nicht noch einmal so einen schweren Fehler begehen und zumindest einen Blick auf seine Leiche werfen wollte. Aber wie ich schon gesagt habe, der Mann war nicht tot. Er war sehr übel zugerichtet, ob nun durch den Absturz oder den Sprung in die Phantomzone kann ich Dir nicht sagen. Da waren einige ziemlich schlimme Verletzungen und durch den hohen Blutverlust war er ohnmächtig geworden. Eigentlich wäre es meine Aufgabe gewesen, ihn zu erledigen, aber ich konnte es nicht…“ „Warum nicht?“ Fireball sah seinen Vater vor sich, wie er schwer verletzt in den Trümmern seines demolierten Jets lag. Wieso hatte man damals nicht versucht, ihm in die Phantomzone zu folgen, um ihn zu retten? König Jared hatte doch gewusst, was mit ihm geschehen war. Es wäre doch nur recht und billig gewesen, für das Leben eines Helden wie Shinjiro Hikari Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen! Träumerisch blickte Arietis hinaus in den sonnendurchfluteten Canon, in dem friedlich die Hühner vor sich hinpickten und die Ziegen gemächlich ihr Stroh fraßen: „Ich wollte es tun, wirklich. Ich habe mein Messer gezückt und war kurz davor, es ihm mitten ins Herz zu stoßen. Aber dann habe ich das hier entdeckt…“ er fuhr mit der rechten Hand in die Tasche seiner Robe und brachte ein zerfleddertes Stück Papier hervor, das er vor Fireball auf den Tisch legte, „in diesem Augenblick habe ich erkannt, dass Ihr Menschen nicht die blutrünstigen Monster seid, für die wir Euch bis dahin immer gehalten haben. Ich konnte ihn einfach nicht mehr töten!“ Mit tauben Fingern griff Fireball nach dem rechteckigen Zettel und zog ihn langsam zu sich heran. Sein ganzer Körper begann zu kribbeln, als er erkannte, dass es sich um ein sehr altes und zerkratztes Foto handelte. Zärtlich zog er die Konturen der jungen Frau nach, die ihn aus einer Hollywoodschaukel liebevoll anlächelte. Sie trug ein schlichtes gelbes Sommerkleid und hatte ihre braunen Locken zu zwei lustigen Zöpfen geflochten. Neben ihr lag ein dreifarbiger Sheltiewelpe auf den Polstern und knabberte genüsslich an den Schuhen des kleinen Jungen, den die Frau im Arm hielt. Das Herz des Rennfahrers krampfte sich schmerzhaft zusammen und seine Augen füllten sich mit Tränen, so dass das Bild zu einem undurchsichtigen Gewirr aus Farben verschwamm. Und trotzdem hatte er den kleinen Jungen mit seinen wuscheligen braunen Haaren, den großen Augen und seiner roten Latzhose genau vor sich. Wie hätte er dieses Foto auch vergessen können? Er hatte es jahrelang in seinem Portemonnaie mit sich herum getragen, bis es vor einem Jahr endlich einen festen Platz auf der Wohnzimmerkommode in seiner und Aprils Wohnung gefunden hatte. „Fireball, was ist los?“ besorgt über den plötzlichen Gefühlsausbruch des Star Sheriffs, dem in einem nicht versiegen wollenden Strom Tränen über die Wangen liefen, trat Arietis zu seinem Freund und legte ihm eine Hand auf die gesunde rechte Schulter. Er spürte das Zittern seines Körpers unter seinen Fingern und hörte das leise Schluchzen, das den jungen Mann unkontrolliert schüttelte. Wimmernd legte Fireball seinen Zeigefinger auf die Fotografie: „Der Junge…“, die Luft blieb ihm weg und er musste sich mehrfach räuspern, um noch einen weiteren Ton herauszubekommen, „das…das bin…ich.“ Der Outrider sah den Star Sheriff mit einer Mischung aus blanker Überraschung und erkennendem Verständnis an, gerade so, als hätte er im Unterbewusstsein bereits mit einer ähnlichen Enthüllung gerechnet, die ihn aber jetzt trotzdem völlig unerwartet getroffen hatte: „Deshalb diese Ähnlichkeit“, nickte er ergriffen, „dann war Shinjiro…“ „Ja“, flüsterte Fireball mit gebrochener Stimme, „Shinjiro Hikari war mein Vater!“ Mit noch blasserem Gesicht, als es bei den Phantomwesen üblich war, ließ sich der Alte erschöpft auf seinen Stuhl sinken: „Mein Gott… bist Du wirklich sein Sohn Shinji?“ Der Rennfahrer versuchte sich sichtlich zusammen zu reißen. Er schniefte laut und fuhr sich erneut mit dem Ärmel über die Nase: „So hat mich schon ziemlich lange niemand mehr genannt“, die Luft in der Küche schien auf einmal unerträglich heiß und er hatte das Gefühl bei lebendigem Leibe zu verbrennen, „ich hätte es eigentlich als eine Ehre empfinden müssen, dass mich nach meinem Vater benannt hat, aber seit ich mit dem Rennsport angefangen habe, war ich nur noch Fireball. Die Erinnerung an ihn war einfach zu schmerzhaft, jedes Mal, wenn ich meinen Namen gehört habe.“ Beinahe entschuldigend blickte er den Outrider an, so als wollte er bei ihm um Vergebung dafür bitten, dass er das Andenken seines Vaters nicht besser geachtet hatte: „Und trotzdem habe ich nie aufgehört, an ihn zu denken oder zu hoffen, dass er eines Tages zurück kommen würde. Als dieser Funkspruch auftauchte, da dachte ich wirklich…“, Fireball besann sich, dass er schon wieder im Begriff war, geheime Militärinformationen auszuplaudern, als ihm trotz all der verwirrenden Gefühle, die ihn beeinträchtigten, ein Licht aufging, „Sie sind das gewesen, Ari! Sie haben die Nachricht ins Neue Grenzland geschickt, um uns vor einem möglichen neuen Angriff der Wrangler zu warnen!“ Arietis verbeugte sich tief vor seinem Gegenüber: „Wenn ich gewusst hätte, dass Shinjiros Sohn ein Star Sheriff ist und durch diesen Funkspruch falsche Hoffnungen in ihm geweckt würden, hätte ich seinen Namen nicht dafür missbraucht“, gab er kleinlaut zu, „aber darin sah ich die einzige Möglichkeit, meine Warnung glaubhaft zu machen, ohne dass man sie für eine plumpe Falle hielt.“ „Zumindest bei mir hat es prima funktioniert“, schniefte Fireball ironisch, „ich bin wirklich mit der festen Überzeugung auf diese Mission gegangen, hier irgendwo meinen lange verschollenen Vater wiederzufinden…“ „Es tut mir so leid, Fireball, ich hatte nie die Absicht, Deine Gefühle zu verletzen“, der Outrider hielt den Kopf noch immer gesenkt, „aber als ich Wind davon bekommen hatte, dass die Wrangler einen erneuten Übergriff auf das Grenzland planten, musste ich die Menschen einfach vor der drohenden Gefahr warnen. Ich habe keine andere Möglichkeit gesehen…“ Jetzt zeigte sich auf dem Gesicht des Rennfahrers sogar ein kleines, wenn auch verweintes Lächeln: „Machen Sie sich keinen Kopf deswegen, Ari. Es war große Klasse, dass Sie ihren Hals riskiert haben, um uns zu warnen. Sie konnten es ja nicht wissen, dass ausgerechnet Hikaris Sohn…“, er stockte und stand unvermittelt auf, „was ist aus meinem Vater geworden, Ari?“ rastlos begann er in der Küche auf und ab zu gehen, so als wüsste er nicht, wohin mit seiner Energie. „Seine Verletzungen waren zu schwer, als dass ich ihn zurück in seine eigene Dimension hätte schaffen können. Mein eigenes Risiko war mir dabei egal, ich wäre auf jeden Fall mit ihm geflogen. Aber das hätte seinen sicheren Tod bedeutet. Also habe ich ihn hier in den Canons versteckt und mich um seine Wunden gekümmert. Ich habe alles nur erdenkliche herbei geschafft, um ihm zu helfen, aber es war nicht genug. Meine Anstrengungen und sein starker Lebenswille haben nicht ausgereicht…“ „Dann ist er also gestorben?“ Fireball wollte endlich Gewissheit haben, weil er sonst wohl nie in der Lage sein würde, gegen die Dämonen in seinem Inneren zu bestehen, die ihn seit seiner Kindheit quälten und geißelten. Er hatte es gewusst, irgendwie hatte er es immer gewusst. Dieses ganze Gerede von Hoffnung und der fixe Plan mit dem Outrider-Schiff, ja, selbst diese Mission waren nur klägliche Versuche gewesen, um sich über die Wahrheit hinwegzutäuschen. Er hatte nicht wirklich geglaubt, dass sein Vater, ein gefeierter Held und einer der besten Piloten der königlichen Garde, zwanzig Jahre lang in der Phantomzone schmorte, während er wusste, dass seine Familie zu Hause auf ihn wartete. Wenn er noch am Leben gewesen wäre, hätte er auch irgendwie einen Weg gefunden, in die eigene Dimension zurück zu kehren. „Ja“, der junge Mann konnte es nicht sehen, aber auch in Arietis’ Augen hatten sich nun Tränen gebildet, „er hat mit aller Kraft gekämpft und dem Tod fast zehn Tage lang die Stirn geboten, aber am Ende waren seine Verletzungen einfach zu schwer gewesen.“ „Zehn Tage?“ Fireball wollte es nicht glauben. Die Vorstellung, dass sein Vater eine so lange Zeit schwer verletzt in einer Höhle wie dieser hier gelegen hatte, von Freunden und Familie getrennt, ohne Aussicht auf Rettung, zerriss ihm schier die Seele in der Brust. Wenn es tatsächlich irgendwo in den Weiten des Universum so etwas wie einen Gott gab, wieso ließ er dann so schreckliche Dinge geschehen? „Es war seine Liebe zu Dir und Deiner Mutter, die ihn so stark gemacht hat, Fireball. In den Momenten, in denen er wach war und sprechen konnte, hat er mir von Euch erzählt. Er hat sich so sehr gewünscht, zu Euch zurückkehren zu können, um Dich aufwachsen zu sehen…“ „Danke, Ari“, Fireballs Hand legte sich stark und fest auf den zitternden Rücken des alten Mannes, „danke, dass Sie ihn nicht seinem Schicksal überlassen haben! Ich kann jetzt verstehen, warum Sie mich mit dieser Feldherrenmanier ans Bett gefesselt haben…“ Der Outrider nickte traurig: „Ich hätte es wohl nicht verwunden, wenn ich den Kampf gegen den Tod ein weiteres Mal verloren hätte.“ „Dann lassen Sie mich jetzt Ihnen eine Geschichte erzählen, Ari“, sagte der Rennfahrer mit plötzlich neugewonnener Ruhe. Er ging hinüber zum Durchbruch, der hinaus in den heißen Canon führte und lehnte sich mit dem gesunden Arm dagegen, „meine Mutter hat meinen Vater ebenso geliebt. Obwohl sie in ständiger Angst gelebt hat, dass er eines Tages nicht zu ihr zurückkommen würde, hat sie ihn immer unterstützt. Sie hätte niemals von ihm verlangt, dass er seinen Beruf als Pilot aufgibt, um bei seiner Familie bleiben zu können. Sie wusste, wie sehr er auch sein Land geliebt hat und dass es seine große Erfüllung war, für dieses Land einzutreten. Aber als dann jener schicksalsschwere Tag kam und mein Vater sein Leben für die Freiheit des Neuen Grenzlandes gab, ist meine Mutter an ihrer großen Liebe zerbrochen. Sie hat den Gedanken einfach nicht ertragen, ohne meinen Vater weiterleben zu müssen. Sie hat ihren eigenen Lebenswillen aufgegeben und es hat nicht sehr lange gedauert, bis sie ihm gefolgt ist. Ich war gerade mal drei Jahre alt, als sie mich in dieser brutalen Welt alleine gelassen hat. Und trotzdem kann ich es ihr bis heute nicht übel nehmen, denn ich weiß, wie sehr sie unter dem Tod meines Vaters gelitten haben muss. Und das ist auch der Grund, warum ich einfach nicht länger warten kann, Ari!“ Fireball hatte seine Fassung zurück gewonnen. Sein Vater war auf diesem Planeten gestorben, aber Arietis hatte dafür gesorgt, dass ihm ein ähnliches Schicksal erspart geblieben war. Nur ihm ganz allein hatte er es zu verdanken, dass er zurück in seine eigene Dimension kehren und das Leben leben konnte, das noch vor ihm lag. „Sie wollen nicht, dass April die gleichen Schmerzen durchmachen muss, wie ihre Mutter!“ begriff der alte Mann den Sinn hinter der kleinen Geschichte des Rennfahrers. „April ist stark“, stellte Fireball mit zärtlichem Unterton fest und bestätigte Aris Vermutung, „sie würde mit allem fertig werden, wenn es sein muss. Und sie hat gute Freunde, die sich um sie kümmern. Aber wenn ich irgendeine Möglichkeit habe, ihr Schmerzen und Kummer zu ersparen… sorry, Ari, dann muss ich das auch tun!“ „Ja, das kann ich verstehen“, lächelte der Outrider einsichtig, „aber Du musst mir versprechen, dass Du gut auf Dich Acht gibst!“ „Keine Sorge, Ari“, einer jähen Eingebung folgend trat Fireball von hinten an den Freund heran und umarmte ihn, „das werde ich! Aber vorher würde ich gerne noch das Grab meines Vaters sehen.“ April saß mit verschränkten Armen auf der Rückbank von Colts Jeep und schmollte. Der Cowboy hatte es wirklich fertig gebracht, sie den ganzen Weg durchs Treppenhaus bis hinunter ins Freie wie ein Stück erlegte Beute über der Schulter zu tragen um sie dann mit drohender Miene in den Wagen zu bugsieren. Und Saber dieser alte Verräter hatte ihm immer schön bereitwillig die Türen aufgehalten und dafür Sorge getragen, dass ihnen niemand den Weg versperrte. Jetzt flitzten sie mit einem Affenzahn über den Highway, mitten durch den dicksten Wochenendverkehr in Richtung Militärfriedhof. Es würde wohl nur noch ein paar Minuten dauern, bis sie ihr Ziel erreichten und April fröstelte leicht. Zuletzt waren sie alle zusammen vor gut zwei Monaten dort gewesen, um frische Blumen ans Grab von Mandarin Yamato zu bringen. Die Blondine konnte sich noch gut an die Beisetzung im letzten Jahr erinnern; Fireball hatte zu dem Zeitpunkt im Gefängnis gesessen und sie war, genau wie heute, mit Colt und Saber hergekommen, um dem Sterncaptain das letzte Geleit zu geben. Das halbe Oberkommando war dort gewesen und ihre Staffel hatte sich diese wirklich schöne Idee mit den Salutschüssen und der anschließenden Flugshow ausgedacht, die alle Trauergäste tief im Herzen berührt hatte. Und alles, was man jetzt für Fireball ausrichten wollte, war eine kleine, unauffällige Zeremonie, um die Presse nicht frühzeitig mit der Nase darauf zu stoßen, dass im KavCom einiges im Argen lag. Noch war verwunderlicher Weise kein Sterbenswörtchen an die Öffentlichkeit geraten, weder in Bezug auf das Himmelfahrtskommando in die Phantomzone noch auf die Dinge, die sich in der anderen Dimension zugetragen hatten. Aber morgen wollte man endlich eine offizielle Mitteilung zu den Vorfällen abgeben und Fireballs Verlust publik machen. Natürlich erst, nachdem man sein Andenken in aller Eile und ohne große militärische Ehren in einer leeren Holzkiste verscharrt und eine offizielle Anhörungskommission zu dem Vorfall eröffnet hatte. Fireball war schon immer ein Liebling der Presse gewesen, als jüngster Champion des Grand Prix von Yuma wohl auch nicht ganz zu Unrecht, und sein Tod würde viele Menschen einen ziemlichen Schock versetzen. Wenn man aber seine Beerdigung bereits hinter sich gebracht hatte, bevor der Medienrummel losbrach, würde man seinen Verlust in der Zeitung wenigstens nicht zusätzlich mit Fotomaterial von seinem Grab oder den trauernden Freunden aufbauschen können. Das sah diesen Feiglingen aus dem Hauptquartier mal wieder ähnlich. Erst erteilten sie ihren besten Leuten einen Auftrag, der vor Risiken und Gefahren nur so gestrotzt hatte und dann wollten sie nicht für die Konsequenzen gerade stehen. April ließ sich von ihrer festen Meinung nicht abbringen, dass es sich bei der Bestattung nur um eine Farce handelte, um den Hals einiger hochrangiger Leute, darunter ihr eigener Vater, aus der Schlinge zu ziehen. Und indem man Saber bereits suspendiert und seine Anhörung angesetzt hatte, konnte man der lechzenden Allgemeinheit auch gleich einen hervorragenden Sündenbock für Fireballs Ableben präsentieren. Ein ausgetüftelter Plan, wie immer bis ins kleinste Detail durchdacht, doch sie würde sich nicht in dieses Theaterensemble einfügen und die Rolle der trauernden und am Boden zerstörten Verlobten geben. Nicht, wenn man einen der wenigen Menschen, die ihr im Moment zur Seite standen, den Hyänen zum Fraß vorwerfen wollte und ihr die Möglichkeit nahm, sich so von Fireball zu verabschieden, wie er es verdient gehabt hätte. Gut, Saber hatte sich eben eindeutig gegen sie gestellt und Partei für den Cowboy ergriffen, aber das waren zwei völlig unterschiedliche Paar Stiefel, und für diesen kleinen Verrat würde sie den Schotten heute Abend gehörig Buße tun lassen. Trotzdem war er ihr Freund, ihr Vertrauter, und sie schämte sich zutiefst dafür, wie das Oberkommando im Moment mit ihm umsprang, wo er doch bis vor drei Wochen das Aushängeschild schlechthin für die Kavallerie gewesen war. Man konnte sich eben doch nur einzig und allein auf die Gefährten verlassen. Die standen sicher wie der Fels in der Brandung und fielen einem nicht holterdiepolter in den Rücken, weil es die Politik gerade so gebot. Im Rückspiegel warf sie Colt, der sich voll und ganz auf den Verkehr konzentrierte, einen kritischen Blick zu. Selbst er hatte sie nicht wirklich verraten, auch wenn er sie jetzt zwang, an dieser rundweg bedeutungslosen Beerdigung teilzunehmen. Er tat es, weil er sich um ihren und um Sabers Ruf sorgte und weil er nicht wollte, dass sie es später bereuen würde, nicht dabei gewesen zu sein. Sicherlich machte er sich auch Sorgen wegen ihres Verhältnisses zu dem blonden Schotten; offenbar hatte er sich auf die Fahne geschrieben, sie vor einer übereilten Entscheidung in Sachen Beziehungskiste zu bewahren. Der Cowboy war schon ein feiner Kerl, da gab es kein Vertun, auch wenn er nicht immer alles verstand, was um ihn herum vorging. Für ihn mochte diese Trauerfeier tatsächlich eine wichtige Bedeutung haben, obwohl April sicher war, dass er seinen Abschied von Fireball bereits in der Phantomzone genommen hatte. Er konnte nicht begreifen, dass es sie kalt ließ, wenn man einen leeren Sarg in der Erde versenkte und so tat, als läge der tote Freund darin. Vielleicht fand ihre Sturheit, seinen Tod nicht so recht akzeptieren zu wollen ihren Grund ja darin, dass sie nie die Leiche des Rennfahrers gesehen hatte. Und wie konnte man jemandem Lebewohl sagen, von dem man nach wie vor jeden Morgen nach dem Aufwachen dachte, er würde im Bett neben einem liegen. Nur um immer wieder festzustellen, dass sich Fireballs brauner Wuschelkopf in die drahtigen blonden Haare von Saber verwandelt hatte. Sie war einfach noch nicht bereit, Fireball loszulassen, war denn das so schwer zu begreifen? Colt trat heftig auf die Bremse und der Wagen kam mit quietschenden Reifen vor einer roten Ampel zum Stehen. Kurzzeitig fühlte sich April versucht, die hintere Tür des Jeeps aufzureißen und einfach davon zu laufen, aber wie sie den Cowboy kannte, würde er ihr ohne zu zögern nachjagen und sie anschließend im Auto festbinden, damit sie keinen weiteren Fluchtversuch unternahm. Sie würde die grausige Prozedur der Trauerfeier eben mit all den dazugehörigen Floskeln und Gesten über sich ergehen lassen müssen. Aber sie nahm sich fest vor, keine der Reden und Beileidsbekundungen an sich heran und die ganze Zeremonie einfach an ihrem äußeren Schutzpanzer abprallen zu lassen. Es war nicht die Beerdigung ihres geliebten Fireball! Es war nichts, gar nichts! „Mensch Saber“, Colt hatte Aprils verdrossenen Blick im Spiegel aufgefangen und dem Schotten gegen den Oberschenkel geboxt, „kannst Du nicht mal dafür sorgen, dass sie endlich mit dieser Schmollerei aufhört. Der arme Reverend Simmons wird keinen Ton herausbekommen, wenn sie ihn mit dieser gruseligen Miene anstarrt.“ Unsicher drehte sich Saber zu April um und erkannte, was der Cowboy mit der gruseligen Miene meinte. Tiefe Falten standen auf der Stirn der hübschen jungen Frau, der Mund war zu einem dünnen Strich verzogen, so als hätte sie gerade erst in eine Zitrone gebissen und ihre Augen blickten ihn mit herausforderndem Funkeln an, so dass dem Schotten eine Gänsehaut über die Arme lief. Schnell schaute er wieder nach vorne auf die Straße: „Wieso denn ich?“ er bettelte insgeheim, dass die Blondine nicht all zu wütend auf ihn war und ihm am Abend nicht noch eine unschöne Szene machte. Nach einer Beerdigung war ein Streit mit April das letzte, was einen Suizidgefährdeten in den Selbstmord treiben würde. Colt schnaubte verächtlich: „Bist mir wirklich ein ganzer Kerl, Kumpel. Genug Hintern in der Hose um sie flach zu legen hast Du, aber wenn Du ihr mal zeigen sollst, wer der Boss ist…“ „Halt die Klappe, Colt!“ fuhren April und Saber ihn harsch wie aus einem Munde an. „Was denn, was denn, Ihr könnt wohl beide die Wahrheit nicht vertragen, was?“ Die junge Frau verpasste ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf: „Du warst ein wesentlich angenehmerer Zeitgenosse, als Du noch kindisch durch die Gegend gelaufen bist und gebrüllt hast: ‚Ich will kein Wort hören. Ich will das nicht mal gesehen haben!’“ äffte sie die Worte des Freundes nach, die er an jenem ereignisreichen Morgen verwendet hatte, um seinem Unmut lautstark Luft zu machen. „Hey, es ist verboten, den Fahrer während der Fahrt anzusprechen oder zu schlagen“, überging der Cowboy ihre Stichelei mit Bedacht, „hat Dir Dein Daddy das nicht beigebracht?“ weit über das Lenkrad gebeugt, um sich vor weiteren Schlägen in Sicherheit zu bringen, gab Colt Gas, denn zwischenzeitlich war die Ampel wieder von rot auf grün umgesprungen. „Und Dir haben sie vergessen, Deine Portion Taktgefühl einzupacken, als Du den Kuhstall verlassen hast!“ griff Saber grollend mit ins Geschehen ein. Er hätte es zwar nicht ganz so spitzfindig auf den Punkt gebracht wie April, aber alles in allem hatte sie ihm mit ihrer letzten Bemerkung direkt aus der Seele gesprochen. Er fühlte sich ziemlich unwohl, seit Colt angefangen hatte, anzügliche Bemerkungen hinsichtlich ihrer nächtlichen Aktivitäten zu machen. Denn noch immer gab es diese ständig an ihm nagende Frage, ob es in Ordnung war, dass er mit Commander Eagles Tochter schlief. Sein Herz sagte ihm, dass es richtig war, was sie taten, aber sein Verstand legte in diesem Punkt immer häufiger ein Veto ein. Der Schotte wusste, dass April ihn letztlich nur benutzte, um leichter über Fireballs Tod hinwegzukommen und dass es niemals zu ihrer Liaison gekommen wäre, hätte der Rennfahrer den Angriff der Outrider überlebt. Sie gehörte mit Leib und Seele dem jungen Heißsporn, doch er redete sich ein, dass das für ihn in Ordnung ging, solange sie nur weiterhin bei ihm blieb. „Entschuldigt“, frotzelte Colt mit triumphierendem Grinsen, „aber ich kann schließlich nichts dafür, dass Ihr Eure Hormone nicht unter Kontrolle halten könnt.“ Er war selber ein wenig überrascht, dass er mittlerweile so locker mit diesem Thema umgehen konnte, nachdem er doch anfänglich drauf und dran gewesen war, seinen Boss mit bloßen Händen zu erwürgen. Saber räusperte sich vernehmlich: „Ich wäre Dir ziemlich dankbar, wenn Du dieses Thema während der Beerdigung vielleicht aussparen könntest, ja!“ sein Gesicht hatte er von Colt abgewandt und tat so, als würde er die vorbeiziehende Skyline von Yuma City bewundern. „Man, für wie bescheuert hältst Du mich eigentlich“, antwortete der Cowboy säuerlich, „glaubst Du, ich habe Dich und die Giftspritze dahinten aus reiner Nächstenliebe abgeholt, damit Ihr Benzin sparen könnt?“ das hatte man nun von seiner gut gemeinten Weitsichtigkeit. „So habe ich das doch gar nicht gemeint“, gab Saber unwirsch zu, denn natürlich waren ihm Colts Beweggründe hinsichtlich des Fahrservices sehr wohl bekannt, „ich möchte nur vermeiden, dass der Commander Wind von der ganzen Sache bekommt.“ Nach wie vor rätselte er, ob Eagle über die tatsächliche Beziehung zwischen ihm und seiner Tochter im Bilde war oder nicht. Wenn er solch einen Wind in der Annahme veranstaltet hatte, dass April lediglich bei dem Schotten wohnte, würde er Saber ungespitzt in den Boden rammen, sollte ihm je die ganze Wahrheit zu Ohren kommen. Von dieser Bemerkung angestachelt lehnte sich die Blondine zwischen den beiden Sitzen der Freunde hindurch und sah den Säbelschwinger abschätzend an: „Glaubst Du wirklich er ist so blöd und hat den Braten nicht längst gerochen?“ Unsicher zuckte Saber mit den Schultern: „Würde zumindest erklären, warum er so fuchsig geworden ist, als wir über Dich geredet haben.“ „Ach, das ist ja interessant“, Colt griff nach dem Schaltknüppel, um einen vor ihm herschleichenden Transporter zu überholen, „hast mir von diesem kleinen Intermezzo mit dem Commander ja noch gar nichts erzählt!“ er legte schwungvoll den vierten Gang ein, der Motor des Jeeps heulte gequält auf und sie zogen in zügigem Tempo am dem LKW vorbei. In einigen hundert Metern Entfernung tauchte das Straßenschild auf, das die Abfahrt nach Tucson ankündigte. Dem Stadtteil, in dem sich auch der große Militärfriedhof der Allianz befand. „Hat sich ja unheimlich gelohnt, Dein Überhohlmanöver, was.“ versuchte April für Saber in Bresche zu springen. Sie wusste, wie ungern er über den kleinen Zusammenprall mit ihrem Vater redetet und wie gern Colt wiederum jedes einzelne Wort dieser Unterhaltung gehört hätte. Entsprechend kläglich ging ihr Versuch, das Thema zu wechseln, in einem dröhnenden Lachen des Cowboys unter: „Junge, so schlimm ist es gewesen“, warum musste er die spannendsten Dinge im Leben grundsätzlich verpassen, „was hast Du denn gemacht? Du bist doch nicht etwa einem hochrangigen Offizier des KavComs gegenüber frech geworden?“ Für diese anzügliche Bemerkung erntete er einen weiteren Hieb von der Rückbank und einen finsteren Blick seines Bosses: „Könnten wir vielleicht mit diesem albernen Theater aufhören und uns darauf besinnen, dass wir gerade auf dem Weg zu Fireballs Beerdigung sind“, Sabers Miene war zu Stein erstarrt, „auch wenn gewisse Leute in diesem Auto der sturen Meinung sind, sie müssten ohne Rücksicht auf Verluste ihr eigenes Ding durchziehen!“ Mit dieser Bemerkung hatte der Schotte es geschafft, sowohl Colt als auch April zum Schweigen zu bringen, obwohl er sein Leben darauf verwettet hätte, dass zumindest sie ihm noch eine gepfefferte Antwort darauf präsentieren würde. So legten sie in eisigem Schweigen die letzten Kilometer ihrer Fahrt zurück, bis Colt den Jeep temperamentvoll auf den knirschenden Kiesparkplatz des Friedhofs steuerte. „Erwarten wir Gäste von Außerhalb?“ überlegte Saber laut und musterte interessiert den dunkelblauen Alamo-Mietwagen, der als einziges Fahrzeug auf der ausgedehnten Parkfläche stand. Es war noch ziemlich früh und die Trauerfeier würde erst in einer halben Stunde beginnen; dass sonst noch niemand vom Oberkommando eingetroffen war, konnte also nicht weiter verwundern. „Hm“, April strich sich neugierig übers Kinn, während sie ihr Colts Vehikel verließ und die Tür mit Schwung hinter sich zuklappte, „Raumhafenkennung. Gehört bestimmt nicht zu uns, ist wohl eher Zufall.“ Der Schotte sprang mit federnder Leichtigkeit von der Beifahrerseite hinaus auf den Kies. Es tat ihm leid, dass er der Freundin eben mit so scharfen Worten die Leviten gelesen hatte und ergriff nun schüchtern die Hände der jungen Frau: „Ich bin froh, dass Du mitgekommen bist, April!“ erschrocken ließ er die Arme sogleich wieder sinken, als er sah, dass sie unsicher versuchte, ihm auszuweichen. Damit erübrigte sich zumindest vorläufig die Frage, ob sie sauer auf ihn war: „Ich dachte nur, Du solltest das wissen.“ fügte er hastig hinzu und verschränkte bekümmert die Hände hinter dem Rücken um zu verbergen, wie sehr sie bebten. April hingegen schlenderte mit betont gefasster Haltung an ihm vorbei, ohne den Freund eines Blickes zu würdigen: „Ich hatte ja wohl keine andere Wahl, oder?“ so einfach würde sie Saber mit dieser Masche nicht davonkommen lassen. Colt, unfreiwilliger Zeuge dieser kleinen Szene, verriegelte den Jeep per Knopfdruck auf den Zündschlüssel und drehte sich dann mit peinlich berührter Miene in die Richtung des Eingangstores: „Wenn Ihr noch reden wollt, also ich kann ja schon…ufff…“ dem Cowboy blieb sprichwörtlich die Luft weg, als plötzlich ein kleiner braunhaariger Junge mit voller Wucht gegen seinen Körper prallte und die Arme fest um seinen Bauch schlang: „Colt, da bist Du ja endlich!“ rief er freudestrahlend und verbarg sein Gesicht anschmiegsam an der kühlen Silikonplatten des Kampfanzuges. „Joshi?“ verblüfft schaute Colt auf Robins kleinen Bruder hinab, brauchte aber nur zwei Sekunden, um die erste Überraschung zu verdauen. Dann nahm er den Kleinen auf den Arm und drückte ihn ganz fest an sich, „wie geht es Dir, Partner? Ich hoffe, Du hast nicht all zuviel Blödsinn angestellt, während ich weg war!“ mit väterlichem Stolz wuschelte er durch Joshs strubbeligen Haarschopf. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er den kleinen hombre in den letzten drei Wochen vermisst hatte. „Nein, ich war artig wie’ n Klosterschüler!“ antwortete der Junge im Brustton der Überzeugung und schaute seinen großen Helden dann unsicher an. Colt erkannte sofort, dass seine übersprudelnde Fröhlichkeit verblasste und seine großen Augen zu schimmern begannen: „Hast Du mich nicht mehr lieb, Colt?“ seine Fingerchen krallten sich an den Schultern des Cowboys fest, der ihn völlig entgeistert anstarrte: „Aber Josh, wie kommst Du denn auf die Idee“, er nahm seinen Hut ab und ließ ihn auf Joshs Kopf herunterplumpsen, „Du weißt doch, dass ich niemanden so lieb habe wie Dich!“ Wären nicht die Ohren des Jungen gewesen, wäre ihm der große Stetson wohl weit bis über die Augen gerutscht. „Warum bist Du dann nicht zu uns gekommen. Ich habe jeden Tag darauf gewartet, dass Du kommst und uns wieder nach Hause holst!“ Nun stellte Colt verärgert fest, dass auch er den Tränen nahe war. Er stellte Josh zurück auf seine eigenen Füße und kniete sich dann vor ihm hin, damit er ihm von Mann zu Mann in die Augen sehen konnte: „Du weißt doch, dass ich nicht einfach hier weg kann, Josh. Ich bin ein Star Sheriff und kann nicht kommen und gehen, wie ich es gerne möchte. Ich habe Verpflichtungen gegenüber dem Neuen Grenzland, hast Du das vergessen?“ Josh zog einen Schmollmund: „Aber wieso mussten wir denn überhaupt weggehen? Robin hat gesagt...“ seine Worte gingen in einem lauten Schniefen unter. Saber beobachtete mit schwerem Herzen diese kleine anrührende Szene und erkannte zum ersten Mal, wer am meisten darunter leiden würde, wenn sich Robin und der Cowboy tatsächlich trennten. Josh hatte in Colt eine Art Vaterersatz gefunden und sein Herz an den Scharfschützen gehängt. Wieso nur musste diese bedingungslose und ehrliche Liebe eines Kindes so bitterlich enttäuscht werden? Der Schotte spürte, dass April zurückhaltend eine Hand in seine Linke schob und sich schüchtern an seine Schulter drängte: „Damit wäre ja wohl geklärt, wem das Auto gehört“, murmelte sie andächtig, denn auch ihr ging das Wiedersehen zwischen Colt und Josh sehr nahe, „ich kann es nicht fassen, dass sie tatsächlich gekommen ist und auch noch den Kleinen mitgebracht hat.“ Glücklich über ihre kleine Gefühlsbekundung drückte Saber sanft ihre Finger und hauchte dann einen zarten Kuss darauf: „Fireball war auch ihr Freund, vergiss das nicht. Aber leichter wird es dadurch für beide nicht!“ „Für alle drei meinst Du.“ ergänzte April, die brennenden Augen mitleidig auf den kleinen Jungen gerichtet, der so tapfer gegen seine Tränen anzukämpfen versuchte. „Josh“, versuchte Colt ihm jetzt zu erklären, „dass Robin mit Dir zurück nach Tranquility gegangen ist, hat absolut gar nichts mit Dir zu tun, hörst Du! Du bist und bleibst mein kleiner Kumpel! Aber manchmal ist es zwischen Erwachsenen eben etwas komplizierter und man kann als Kind nicht so ganz verstehen…“ prustend verschluckte er sich an seinen eigenen Worten, als sein Blick auf die schlanke blonde Frau, die soeben durch das Eisentor des Friedhofs getreten war und den Cowboy jetzt abschätzig musterte: „Hallo Colt“, sie verschränkte schützend die Arme vor der Brust, so als würde sie trotz der lauschigen Spätsommertemperaturen frieren, „freut mich zu sehen, dass es Dir gut geht!“ „Robin…“ unsicher stand Colt auf und legte Josh eine Hand auf die Schulter, „ich hab nicht damit gerechnet, dass Ihr hier sein würdet!“ etwas Besseres war ihm auf die Schnelle nicht eingefallen. Nervös fuhr er sich durch die Haare und versuchte ihrem würdevollen Blick standzuhalten, der ihn zutiefst verunsicherte. Er war nicht im Geringsten vorbereitet gewesen, seiner Frau so bald wieder gegenüberzutreten und glaubte, dass man das laute Pochen seines Herzens noch im Kilometer entfernten Hauptquartier hören konnte. „Hey Josh“, rief April aufmunternd in die brütende Stille und streckte dem Jungen von der anderen Seite des Wagens aus eine Hand entgegen, „was hältst Du davon, wenn Du mit Saber und mir einen kleinen Rundgang machst, hm?“ „Das ist eine klasse Idee“, Colt nickte der hübschen Blondine dankbar zu und sah dann abenteuerlustig zu Josh hinunter, „was meinst Du, Partner?“. Der Junge blickte unsicher zwischen dem Cowboy und seiner großen Schwester hin und her. Er hatte keine Lust, sich schon wieder von dem Scharfschützen zu trennen, wo er ihn doch so lange nicht gesehen hatte. Aber er merkte, dass die beiden Erwachsenen wohl miteinander reden wollten und dass sie ihn dabei nicht gebrauchen konnten. „Okay“, gab er sich deshalb geschlagen, flitzte zu April hinüber und griff nach ihrer Hand, „aber nicht zu lange!“ Josh war ziemlich schnell zufrieden gestellt, als Saber seine andere Hand ergriff und die beiden Star Sheriffs ihn auf Kommando hoch in die Luft wirbelten. Colt winkte ihm mit betretenem Lächeln hinterher und wartete, bis das Gespann hinter einer Hecke verschwunden war, bevor er sich mit säuerlicher Miene seiner Frau zuwandte: „Meinst Du, dass eine Beerdigung die richtige Umgebung für den Kleinen ist?“ Robin warf mit einem knappen Rucken des Kopfes ihr blondes Haar über die Schulter, eine Geste, die der Cowboy noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte, und antwortete dann mit bissiger Stimme: „Je früher er lernt, dass es im Leben nicht immer danach geht, was man möchte, desto besser“, sie ließ das Eisentor los und kam ein paar Schritte auf ihn zu, „außerdem hatte er Sehnsucht nach Dir und hätte es mir wohl nie verziehen, wenn ich ihn zu Hause gelassen hätte.“ „Hm“, auf dieses Argument konnte Colt nicht viel erwidern, denn er freute sich ja genauso diebisch, den kleinen Tunichtgut wieder bei sich zu haben, „geht es Euch denn sonst soweit gut? Ich meine, kommt Ihr klar?“ „Keine Sorge“, stieß Robin kalt hervor, „wir haben es jahrelang ganz gut alleine geschafft, auch ohne dass ein Mann im Haus war. Ich bin schließlich nicht aus Zucker!“ Eine offene Herausforderung, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Der Cowboy blähte die Nasenflügel wie ein in die Enge getriebener Brumby: „So habe ich das überhaupt nicht gemeint, verdammt“, reflexartig fuhr seine rechte Hand hinauf zu seinem Kopf, wo sie vergeblich den Hut suchte, mit dem Josh im Moment durch die Gegend spazierte, „ich wollte doch nur wissen… ach, vergiss es einfach!“ diese Unterhaltung würde zu nichts führen. Warum war Robin überhaupt hierher gekommen, wenn sie ihm doch nicht zuhören wollte? Etwas Ähnliches schoss wohl auch ihr gerade durch den Kopf, denn sie schloss mit einem kurzen Seufzen die Augen, um dann in gesetzterem Ton fortzufahren: „Es ist nicht einfach. Man hat mir zwar wieder einen Job als Lehrerin angeboten, offenbar gibt es nicht so viele Menschen, die freiwillig eine Schule in der Abgelegenheit von Tranquility leiten wollen, aber Josh leidet ziemlich unter der Situation“, sie blies sich energisch eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, „er vermisst die Stadt und seine Freunde aus der Schule, aber vor allem wohl Dich, Colt! Ständig liegt er mir in den Ohren, dass er zurück möchte und war einmal schon drauf und dran, sich mit seinem Rucksack und seinem Taschengeld alleine auf den Weg zu Dir zu machen.“ „Der Junge ist eben ein Teufelskerl“, lächelte Colt innig, „ich vermisse ihn auch schrecklich. Das Haus ist verdammt still ohne sein Gepolter und Geschrei.“ Robin nickte: „Und was ist mir mit“, unvermittelt schaute sie ihm direkt in die Augen, „vermisst Du mich auch, Colt?“ Dem Cowboy wurde heiß und kalt zugleich. Das war genau die Frage gewesen, mit der er sich seit ihrem überstürztem Aufbruch Tag für Tag auseinander gesetzt hatte und deren Antwort ihm noch immer nicht behagte: „Natürlich vermisse ich Dich, Süße, Du bist meine Frau!“ „Lass diese dummen Floskeln, Cowboy, und sei wenigstens jetzt ehrlich zu mir, ja!“ „Hey“, begehrte Colt erregt auch, „was soll denn das jetzt schon wieder heißen? Natürlich bin ich ehrlich zu Dir!“ wie er befürchtet hatte, die Streiterei setzte sich da fort, wo sie vor zwei Wochen geendet hatte. Es war falsch von Robin gewesen, jetzt zurück zu kommen, aber das konnte er ihr schlecht sagen, denn Fireball war nicht nur sein Freund gewesen. Es war ihr gutes Recht, sich von dem Rennfahrer verabschieden zu wollen. Als hätte sie ein unbelehrbar bockiges Kind vor sich, dass vehement abstritt, eine offensichtliche Missetat begangen zu haben, schüttelte Robin traurig den Kopf: „Und wieso, bitte schön, bist Du dann nicht zu uns gekommen, wenn Du uns angeblich beide so sehr vermisst hast?“ ihre Worte waren messerscharf wie Rasierklingen und schafften es beinahe, Colt aus dem Konzept zu bringen. Er war drauf und dran hier vor seiner Frau auf die Knie zu fallen und sie um Vergebung zu bitten; ihr alles zu versprechen, was sie sich nur wünschte, damit sie diesen lächerlichen Streit beenden und endlich ihr gemeinsames Leben fortsetzen konnten. Aber damit hätte er das Unausweichliche nur für einen weiteren Augenblick hinausgezögert. Ihnen beiden war klar, dass es so nicht weitergehen konnte, sie waren nur beide zu feige, diesen Gedanken offen auszusprechen. „Du weißt warum“, fasste sich Colt schließlich ein Herz und senkte den Kopf, „Du verlangst etwas von mir, das ich unmöglich erfüllen kann.“ Am liebsten hätte er die Worte sofort zurück genommen, als er sah, wie blass Robin wurde, aber nun hatte er einen Grundstein für etwas Unaufhaltsames gelegt und würde das Schicksal nicht mehr abwenden können. Es schmerzte ihn, diese hübsche Frau, die ihm nach wie vor sehr viel bedeutete, so leiden zu sehen. Warum nur musste er immer alles vermasseln, was er anpackte? Er hätte so glücklich mit Robin und dem kleinen Dreikäsehoch werden können, aber sein Sturkopf und sein ungestümer Geist hatten einmal mehr alles zunichte gemacht. „Du bleibst also nach wie vor bei Deiner Entscheidung“, fragte Robin zitternd, „Du gibst Deinen Posten bei den Star Sheriffs nicht auf?“ „Ich kann nicht, und das weißt Du auch“, bestätigte er niedergeschlagen, „die Star Sheriffs sind mein Leben, meine Bestimmung. Anfangs könnte ich es vielleicht noch ertragen, aber irgendwann würde ich Dich dafür hassen, dass Du mich dazu gezwungen hast, das alles aufzugeben.“ Warum musste das so unheimlich schwer sein. Wenn Robin sich im Moment nur annähernd so furchtbar fühlte, wie er, zeugte es von enormer Selbstbeherrschung, dass sie nicht längst in Tränen ausgebrochen war. So eine Situation wünschte man nicht einmal seinem ärgsten Feind, geschweige denn den Menschen, die man liebte. „Ja ich weiß.“ Robins Stimme war zu einem leisen Wispern verkümmert. Mit ernster Miene griff sie in die rechte Tasche ihres Rocks und zog eine kleine Schachtel daraus hervor, die sie Colt schwankend unter die Nase hielt. Verstört nahm der Cowboy das Kleinod entgegen: „Was ist das?“ vorsichtig öffnete er die Schatulle und starrte mit verschleiertem Blick auf den schlichten Goldring, der matt in der Sonne glänzte. Er schniefte wehmütig und ließ den Deckel wieder zuschnappen: „Robin, ich…“ „Lass es gut sein, Colt“, plötzlich war Robin bei ihm und umschloss tröstend die Hand, mit der er ihren Ehrering umklammert hielt, „es war ein Fehler, von Anfang an. Wir hätten niemals heiraten dürfen.“ Nun, da es offenkundig soweit war, wollte der Scharfschütze nicht glauben, dass es bereits vorbei sein sollte. Eine unglaublich drückende Leere breitete sich in seinem Inneren aus und drohte, sein Herz zu zerquetschen: „Aber…“ „Nichts aber, Colt. Es sollte nun einmal nicht sein!“ schnell zog sie ihre Hand zurück und drehte dem Cowboy den Rücken zu, damit er nicht sah, dass sie kurz davor war, die Fassung zu verlieren. Colts Finger zitterten und seine Beine fühlten sich so wackelig an, als wollten sie ihm jeden Moment den Dienst zu versagen: „Es…es ist meine Schuld, nicht wahr? Ich habe die Sache gründlich verbockt!“ flüsterte er entschuldigend, während er Robins Ring, das letzte Stückchen, das sie noch miteinander verbunden hatte, von der einen Hand in die andere wandern ließ. Die Schultern seiner Frau begannen zu beben, als sie mit tapferer Stimme antwortete: „Nein, Colt, Du bist nicht alleine Schuld daran. Wir haben beide Fehler gemacht“, mit heißen Tränen auf den Wangen wandte sie sich ihrem Mann wieder zu, „ich habe gedacht, meine Liebe wäre stark genug, um Dich zu ändern und Dich in einen ganz normalen Menschen zu verwandeln. Aber Deine Liebe zu den Star Sheriffs ist noch viel größer und mächtiger gewesen“, kleine Wasserfälle bahnten sich ihren Weg ins Freie und hinterließen durchscheinende Flecken auf dem Kragen von Robins weißer Bluse, „Du wirst niemals das Leben eines Durchschnittsbürger führen können. Denn Du bist etwas ganz Besonderes, Colt! Und es war irrsinnig von mir, das ändern zu wollen!“ „Ach Robin“, übermannt von seinen Gefühlen schloss Colt seine Frau fest in die Arme und drückte sein Gesicht in ihr blondes Haar, „es tut mir so leid, so unendlich leid…“ Ein letztes Mal hielten sich die beiden eng umschlungen und erinnerten sich an die schöne, wenn auch kurze Zeit, die sie miteinander hatten verbringen dürfen. Dann löste sich Robin gefasst aus den starken Armen des Cowboys und wischte ihre Tränen fort: „Es gibt da noch eine Sache, um die ich Dich bitten möchte…“ „Und das wäre?“ ergriffen und aufgerieben von der gesamten Situation versuchte Colt, sich wieder zu sammeln. Dass gerade ihm, dem Frauenheld vor dem Herrn, eine Abschiedsszene einmal so sehr zusetzen würde, hätte er früher nie für möglich gehalten. So gesehen hatte es Robins Liebe doch geschafft, ihn zu verändern, wenn auch nicht in dem Maße, wie sie es sich erhofft hatte. „Es geht um Josh“, erklärte sie unerschütterlich, „die Entscheidung fällt mir zwar nicht leicht, aber ich möchte, dass er hier auf Yuma bleibt.“ Diese Erklärung ließ einen kleinen Hoffnungsschimmer in Colt aufflammen: „Wie meinst Du das?“ Er vergötterte den kleinen Rabauken so sehr, dass er sich ein Leben ohne ihn nur noch schwer vorstellen konnte. Ohne sein fröhliches Lachen, seine beherzte Art und seine strahlenden Augen, die stets so verehrend zu dem Star Sheriff aufblickten. Robin zögerte leicht: „Ich denke, es ist das Richtige für ihn. Ich kann ihn nicht schon wieder aus der Schule nehmen, wo er sich doch gerade erst eingelebt und neue Freunde gefunden hat. Und außerdem bietet ihm Yuma ganz andere Bildungsmöglichkeiten, als ich das in Tranquility je könnte“, sie griff abermals in ihre Rocktasche und förderte ein ziemlich zerfleddertes Taschentuch zu Tage, „er ist so ein schlauer kleiner Bursche, es wäre schändlich, ihm nicht die Ausbildung zukommen zu lassen, die er verdient.“ Ihr lautes Schnäuzen ging Colt durch Mark und Bein und er stand kurz davor, sie wieder an sich zu ziehen. Aber dieses Anrecht hatte sie ihm soeben mit der Rückgabe des Rings abgesprochen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem beide über den ersten Schmerz der Trennung hinweggekommen waren: „Das ist eine wirklich selbstlose Entscheidung, Robin, ich weiß doch, dass Dir der Knirps alles bedeutet!“ aber was genau wollte sie jetzt von ihm? Sie konnte nicht ernsthaft erwarten, dass er sich alleine um Josh kümmerte, wenn er doch sein halbes Leben auf Verbrecherjagd draußen im All verbrachte. „Ich weiß, dass er es irgendwann verstehen wird. Und er kommt auch langsam in das Alter, in dem er nicht mehr seine große Schwester braucht, sondern eher einen Vater, zu dem er aufblicken kann.“ „Aber Robin, ich…“ „Keine Sorge“, unterbrach sie ihn eilig, „er wird die Woche über in der Schule bleiben. Sie führen dort ein sehr angesehenes Internat, in dem die Kinder selbst am Wochenende unter hervorragender Betreuung und Aufsicht stehen.“ Erleichtert atmete Colt aus: „Verstehe, Du möchtest also, dass ich gelegentlich ein Auge auf ihn habe?“ das klang eigentlich zu schön um wahr zu sein. Josh würde in seiner Nähe bleiben und er konnte den Kleinen besuchen oder zu sich holen, wann immer er wollte. Dass Robin trotz der Situation noch in der Lage war, so eine großherzige Entscheidung zu treffen, zeigte ihm auf, warum er sich einst in sie verliebt hatte. Bei seinen Worten hatte sich ein leichter Unmut in seiner Frau geregt und nun blitzte sie ihn vorwurfsvoll von der Seite an: „Josh ist kein Haustier, auf das man gelegentlich ein Auge hat, Colt. Er ist ein kleiner Junge, der eine liebevolle, wenn auch starke männliche Hand in seinem Leben braucht. Wenn ich ihn wirklich hier lasse, dann nur mit der Gewissheit, dass Du soviel Zeit wie möglich mit ihm verbringen wirst und die Beziehung zu ihm so aufrecht erhältst, wie sie bislang zwischen Euch geherrscht hat!“ Der Cowboy nickte ernst: „Keine Sorge, Süße, dieses Mal werde ich es nicht vermasseln“, er streckte ihr zaghaft eine Hand entgegen und stellte erfreut fest, dass sie sie ergriff, „Joshi ist für mich wie ein Sohn und das wird er auch immer bleiben. Ich verspreche Dir bei allem, was mir heilig ist, dass ich jede freie Minute hier auf Yuma mit ihm verbringen werde. Wenn wir nicht unterwegs sind, kommt er zu mir. Ich werde sein Zimmer nicht anrühren, Ehrenwort. Und ich werde mit ihm zum Baseball gehen und zum Football und…man, ich werde der coolste Vater der Welt sein!“ Bei so einem wahren Vulkanausbruch an Inbrunst und Begeisterung konnte Robin nicht anders und musste unwillkürlich lächeln. Es war schön, Josh bei dem Cowboy in guten Händen zu wissen: „Das wirst Du, da bin ich sicher. Nur setz dem Jungen nicht zu viele Flausen in den Kopf, ja“, scheu drückte sie ein letztes Mal seine Finger, „ich liebe Dich, Colt!“ „Ich liebe Dich auch!“ murmelte er traurig, bevor er sie gehen ließ. Dieses Mal für immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)