Schatten der Vergangenheit von abgemeldet (Kapitel 22 "So long, Star Sheriffs" ist fertig!!!) ================================================================================ Kapitel 9: Die Zeit ist gekommen -------------------------------- Der Tag war alles andere als ein Spaziergang gewesen und Saber stand der Sinn nach einer heißen Dusche und einem ausgedehnten Erholungsschlaf. Zusammen mit Commander Eagle und König Jared hatte er stundelang die einzelnen Punkte ihrer bevorstehenden Mission immer und immer wieder durchgesprochen, denn es war wichtig, dass sie von Vornherein so viele Fehlerquellen wie möglich eliminieren konnten. Punkt fünf Uhr am nächsten Abend würde die neu zusammengestellte Crew mit Ramrod den Raumhafen von Yuma City verlassen und in Richtung der äußeren Grenzen aufbrechen. Wenn alles gut verlief und keine Komplikationen auftraten, würden sie für diesen Teil der Reise fünf Tage brauchen – hoffentlich ausreichend Zeit für Christa, um sich mit den Maverick-Systemen von Ramrod zu arrangieren. Danach stand der vorerst heikelste Teil ihres Auftrages an: der Sprung in die Phantomzone. Niemand konnte sagen, ob die Umrüstung ihres Schiffes geglückt war und ob sie tatsächlich in der Lage sein würden, den Dimensionssprung durchzuführen. Es war also gut möglich, dass sie bereits an diesem frühen Punkt umkehren mussten, um mit leeren Händen nach Yuma zurück zu kehren. Gelang ihnen jedoch der Sprung, so begann erst die eigentliche Mission. Herausfinden, von wo der Funkspruch abgegeben worden war und was es damit auf sich hatte. Sollten tatsächlich neue Gruppierungen der Outrider versuchen, gegen das neue Grenzland mobil zu machen, so mussten sie diese aufspüren und dafür Sorge tragen, dass sie ihre finsteren Pläne nicht in die Tat umsetzen konnten. Der Plan war so gespickt mit unbekannten Komponenten und Risiken, dass Saber mittlerweile fest von ihrem Scheitern überzeugt war. Allein die Tatsache, dass April sie nicht begleiten würde, war seiner Meinung nach Grund genug, die ganze Aktion abzublasen. Mochte Christa auch ein noch so guter Navigator sein, sie kannte nicht Ramrods Systeme und Steuerprogramme. Zwar tat April im Moment ihr Möglichstes, um ihre Nachfolgerin in die wichtigsten Grundlagen einzuweisen, aber Saber wusste, dass Aprils Erfahrung unabdingbar war, würde es tatsächlich hart auf hart kommen. Zum aberhundersten Mal in den letzten Tagen fragte er sich, was den weiblichen Star Sheriff zu ihrer Entscheidung getrieben hatte. In der Nacht, als sie ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, waren sie noch lange zusammen in seinem Wohnzimmer geblieben und hatten über den Einsatz gesprochen. Wie ihre Augen bei dem Gedanken daran geleuchtet hatten, welche Möglichkeiten sich durch einen geglückten Dimensionssprung ergeben konnten. Saber wusste, dass sie im Moment sehr litt. Weil sie nicht mit ihnen kommen konnte und Fireball allein einem ungewissen Schicksal überlassen musste. Nur wenn sie sich so sehr damit quälte, warum hatte sie sich dann zu diesem Schritt entschlossen? Mit April war etwas ganz und gar nicht in Ordnung, soviel stand fest. Vor ihrem Start würde er dieses Geheimnis nicht mehr lüften können, aber er hatte sich geschworen, dieser Sache nach ihrer Rückkehr auf den Grund zu gehen. Sie war nicht nur ein Mitglied seines Teams, sondern die beste Freundin, die er hatte; das war er ihr schuldig! Müde und zerstreut lenkte er Steed in den östlichen Teil der Stadt, wo ihn für heute seine letzte und gleichzeitig wohl schwierigste Aufgabe erwartete. Commander Eagle hatte jemanden vom KavCom damit betrauen wollen, aber Saber hatte darauf bestanden, sie persönlich zu übernehmen. Auch das gehörte zu seinen Aufgaben als Teamchef der Star Sheriffs, wie unangenehm es auch werden mochte. Die Sonne stand schon tief am Himmel, als er sein Ziel, eine hübsche kleine Wohnsiedlung im neuenglischen Stil erreichte. Er brachte Steed vor einem weißen Holzhaus mit braunen Giebeln, einem frisch gestrichenen Lattenzaun und einer kunstvoll geschreinerten Veranda zum Stehen. In der großen Eiche, die einen langen Schatten über den üppig blühenden Garten warf, zwitscherten ein paar Spatzen munter vor sich hin. Weit hinter dem Haus erhoben sich die eindrucksvollen Monument Hills. Saber genoss den Anblick der dunkelrot glühenden Scheibe, die Millimeter für Millimeter hinter der gewaltigen Gebirgskette verschwand und den orangefarbenen Sandstein in ein schieres Flammenmeer verwandelte. Eine leichte Briese wehte ihm lau um die Nase und zerzauste sein blondes Haar. Hier draußen, fern ab vom Verkehr und den Lichtern der großen Stadt, hatte er beinahe das Gefühl zu Hause zu sein. Sicherlich waren die schroffen Canyons hier nicht mit den sanften, grünen Hügeln der Highlands zu vergleichen, aber die frische Luft und der blaue Himmel erfüllten ihn ebenso sehr mit Frieden und Ruhe wie die Schluchten von Glencoe. Wenn Cynthia jetzt nur bei ihm sein könnte. Er würde sie fest in die Arme schließen und ihr all die Dinge sagen, die ihm schon so lange auf der Seele lasteten, die auszusprechen er sich aber nie getraut hatte. Steed scharrte unruhig mit einem Vorderhuf, aber Saber ignorierte ihn. Er wollte diesen Moment voll und ganz auskosten; wer konnte schon sagen, wann sie das nächste Mal die Gelegenheit haben würden, einen solchen Sonnenuntergang zu bewundern. Vielleicht nie mehr, aber diesen Gedanken schob er abwehrend beiseite. „Saber?“ Erschrocken kehrte der Star Sheriff in die Wirklichkeit zurück und schirmte seine Augen gegen die letzten Strahlen der Sonne ab: „Hallo Robin“, behände schwang er sich von Steeds Rücken und schenkte der jungen Frau, die mit grüner Schürze und Heckenschere bewaffnet plötzlich am Zaun des Holzhauses aufgetaucht war, ein freundliches Lächeln, „ich war gerade etwas in Gedanken…“ Robin steckte die Schere in eine extra dafür vorgesehene Halterung an der Schürze und wischte sich die erdigen Hände am Hosenboden ab, um den Freund anschließend herzlich zu umarmen: „Es ist schön, Dich zu sehen, willst Du nicht mit reinkommen?“ Wortlos folgte Saber dieser Einladung und schritt bedächtig hinter Robin den weißen Kiesweg in Richtung Haus entlang: „Ihr habt Euch hier wirklich ein kleines Paradies erschaffen…“ bewundernd ließ er seinen Blick über den saftig grünen Rasen und die Vielzahl an einheimischen und exotischen Blumen wandern. Es war erstaunlich, was Robins grüner Daumen und Colts völlig überraschendes Geschick im Umgang mit Hammer und Nagel in nicht einmal einem Jahr aus dem baufälligen Haus und dem verwilderten Garten gezaubert hatten. „Es ist immer noch eine Menge Arbeit und manchmal frage ich mich wirklich, ob wir je damit fertig werden“, Robins Stimme klang zärtlich und verträumt, „aber es ist unser Heim…“ Der Star Sheriff wollte die Stimmung ungern zerstören, aber er hatte an diesem Tag noch vieles zu erledigen und würde nicht ewig bleiben können: „Wo steckt Colt?“ Düstere Wolken zogen über Robins Miene und sie seufzte schwer: „Hockt schon seit Stunden hinten auf der Veranda und brütet mürrisch vor sich hin“, sie fasste Saber am Arm und flüsterte beschwörend, „was ist heute morgen vorgefallen?“ Nun war es am Säbelschwinger, einen schweren Seufzer zu unterdrücken: „Du weißt, dass April nicht an unserer nächsten Mission teilnehmen wird?“ „Hm“, die junge Frau nickte betrübt, „Colt hat es mir erzählt, nachdem Fireball wie ein getretener Hund vor unserer Tür aufgetaucht war und um Asyl gebettelt hat. Er hat sich furchtbar aufgeregt, weil er meinte, April würde Euch völlig grundlos im Stich lassen…“ Saber fiel Aprils Gesicht ein, das ihn bekümmert durch seine Balkontür angestarrt hatte: „Das kann man ihm nicht einmal verdenken, oder? Es muss schlimm sein zu erkennen, dass der eigenen Partner Geheimnisse vor einem hat.“ Robin schnaubte: „Ich rede nicht von Fireball, sondern von dem alten Dickschädel!“ „Oh…“ „Aber lass Dich nicht von mir unterbrechen. Was ist beim Oberkommando passiert?“ „April hat offiziell ihren Rücktritt von der kommenden Mission erklärt und Colt…“ er stockte, denn er wollte den Freund nicht vor der eigenen Frau in ein schlechtes Licht rücken, aber ihm fielen keine rechten Worte ein, um das Verhalten des Cowboys zu beschönigen. Was auch nicht nötig war, denn Robin kannte ihren Mann mittlerweile gut genug: „Hat mal wieder sein Temperament nicht unter Kontrolle halten können?“ „Nun, gelinde gesagt hat er sich benommen wie ein bockiges Kleinkind, dem man den Schnuller weggenommen hat!“ „Oh nein“, Robin verzog unangenehm berührt das Gesicht, „war es wirklich so schlimm?“ Saber schüttelte den Kopf: „Schlimmer! Unter normalen Umständen hätte Commander Eagle ihn wegen seines respektlosen Verhaltens eigentlich suspendieren müssen. Aber er ist nun mal der verdammt beste Schütze des gesamten Corps!“ Müde ließ Robin sich auf die Stufen der Veranda nieder, die Ellenbogen auf die Knie und das Kinn auf die Hände gestützt: „Du darfst ihm das nicht übel nehmen, Saber. Er gibt es zwar nicht zu, aber im Grunde hat er einfach nur Angst…“ „Wer hat hier Angst?“ Colt war mucksmäuschenstill von hinten an die beiden herangetreten und an der erschrockenen Miene seiner Frau konnte er ablesen, dass sie über ihn gesprochen hatten. Mit abweisender Haltung wandte er sich Saber zu: „Habe mich schon gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis Du hier auftauchst, Säbelschwinger!“ Hastig stand Robin auf: „Ich schätze, ich lasse Euch Jungs wohl besser allein!“ ohne sich noch einmal umzudrehen verschwand sie im Haus, ließ aber die Haustür leicht angelehnt. Colt wartete keine Antwort seines Freundes ab und nahm an genau der Stelle Platz, die seine Frau eben noch eingenommen hatte. „Hier.“ Saber streckte ihm mit unbeteiligter Miene ein Stück Papier entgegen. Der Cowboy riss es ihm unwirsch aus der Hand, machte aber keine Anstalten, es auseinander zu falten und zu lesen: „Was ist das, mein Entlassungsschreiben?“ „Dein Marschbefehl. Du hast es ja vorgezogen, Dich aus dem Staub zu machen, bevor Eagle uns klare Instruktionen geben konnte!“ „Ist doch zum Kotzen“, Colt zerknüllte das Papier und schleuderte es frustriert über den Rasen, „was muss man denn bei diesem Idiotenhaufen noch tun, um rausgeschmissen zu werden?“ Wütend baute sich Saber vor ihm auf und stemmte die Hände in die Hüften: „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man Dich für Dein unmögliches Verhalten sofort suspendiert. Dummer Weise brauchen wir Dich aber für diese Mission, Du verdammter Idiot – und das weißt Du ganz genau!“ „Warum verschwindest Du nicht einfach wieder und machst für seine Durchlaucht und Konsorten schön brav Männchen?“ die gebrochene, wehleidige Stimme passte bei weitem nicht zu den Worten, die Colt seinem Gegenüber entgegen gebracht hatte. Er hatte einfach keine Lust mehr auf diese schwachsinnigen Streitereien, die an der Tatsache ja doch nichts mehr ändern würden, dass April nicht mit ihnen kam. Den ganzen Tag hatte er mit sich und der Welt gehadert, war erst auf April, dann auf Fireball und Commander Eagle, auf Saber und schließlich auf sich selbst sauer gewesen. Mit der einzigen Erkenntnis, dass er sich noch so aufregen konnte; die Entscheidung war gefallen. Saber erkannte den Sinneswandel und auch den Zwiespalt, der in Colts Innerem tobte, aber er konnte dessen Verhalten vom Morgen nicht einfach unter den Teppich kehren: „Du hast Dich aufgeführt wie ein wildgewordener Pavian!“ Ein gleichgültiges Schulterzucken war die einzige Antwort auf diese Feststellung. „Was zum Teufel hast Du Dir nur dabei gedacht? Weißt Du, wie der Commander jetzt vor Jared und Roland dasteht? Wie ein absoluter Volltrottel, weil er sich von Dir auf der Nase rumtanzen lassen musste. Jeder andere Vorgesetzte hätte Dich wegen Respektlosigkeit vors Militärgericht gebracht.“ „Mir doch egal…“ „Dir ist doch wirklich nicht zu helfen, Mann!“ der Säbelschwinger schlug seinem lethargisch dasitzenden Freund empört den Hut vom Kopf und stapfte wütend durch den Garten davon. Kurz bevor er die Pforte des Zaunes erreicht hatte, wurden seine Schritte langsamer, bis er schließlich stehen blieb. Sein Puls raste und sein gesunder Menschenverstand schrie ihm förmlich zu, dass Colt einfach nicht zu helfen sei. Er hatte ihm seinen Einsatzbefehl gebracht, so wie Commander Eagle es erwartet hatte. Niemand verlangte von ihm, nun auch noch den Seelsorger zu spielen. Seine Zeit war eh schon alles andere als großzügig bemessen. Und trotzdem war Colt nicht nur ein Mitglied seines Teams, sondern sein Freund! Schweren Herzens straffte Saber die Schultern. Er kehrte resigniert zur Veranda zurück und ließ sich schwerfällig neben dem Cowboy nieder. Eine Weile herrschte Stille zwischen den beiden und jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Die Vögel hatten ihr Gezwitscher eingestellt und der warme Wind brachte die Blätter der Eiche zum Rascheln. Die Verandatür knarrte leise vor sich hin und im Inneren des Hauses hörte man Robin, die mit dem Abwasch beschäftigt war. „Mir schmeckt diese ganze Sache auch nicht, aye?“ Saber sah seinen Freund fragend von der Seite an und war beruhigt, als Colt endlich reagierte und den Blick erwiderte: „Mit Verlaub, Boss, den Eindruck hast Du heute morgen nicht gemacht!“ seine Stimme hatte sich ein wenig beruhigt, auch wenn seine Augen noch immer gefährlich glänzten. „Nur weil ich nicht gleich den Kopf verliere, heißt das noch lange nicht, dass ich vor Freude Purzelbäume schlage!“ „Du hättest den Kleinen sehen sollen, als er hier war“, Colt setzte seine leidvollste Miene auf, „auch wenn er jetzt den Coolen spielt. Kannst Gift drauf nehmen, dass er das nicht so einfach wegsteckt!“ „Himmel, Colt, Fireball ist erwachsen. Er wird schon damit klar kommen, dass sie nicht dabei ist.“ „Ach, darum geht’s doch gar nicht“, missmutig rupfte der Cowboy einen Grashalm aus und schob ihn sich in den linken Mundwinkel, „unsere Miss Oberschlau lässt ihn ohne Grund im Stich – das kommt doch schon fast einem Verrat gleich!“ Saber fielen die Worte von Robin wieder ein: „Sprichst Du jetzt von Fireball oder von Dir?“ er wusste, dass er den wunden Punkt erwischt hatte und machte sich auf einen erneuten Vulkanausbruch gefasst, aber nichts dergleichen geschah. Zu seiner Überraschung nickte Colt sogar langsam: „Ich hätte nie gedacht, dass Sie uns so hängen lässt!“ kaum zu überhörende Bitterkeit schwang in diesem Geständnis mit: „Sie weiß doch ganz genau, dass wir sie brauchen…“ „Hey“, eine Welle der Sympathie spülte auch den letzten Funken von Sabers Wut fort, „wir werden das schon schaffen! Christa ist wirklich ein verdammt guter Navigator.“ „Aber sie ist nicht April!“ Saber knuffte Colt leicht gegen die rechte Schulter: „Ich hätte sie auch lieber dabei. Wenn ich ehrlich sein soll, ist mir ziemlich mulmig bei dem Gedanken, ohne sie ins Ungewisse aufzubrechen.“ „Ich sage doch, sie lässt uns hängen!“ Colt schlug seine geballte Rechte in die linke Handfläche. Die pulsierenden Adern an seinen Schläfen traten deutlich hervor, als er diese Geste immer und immer wiederholte. Er konnte diese Ungerechtigkeit einfach nicht mehr ertragen. War denn ein wenig Ehrlichkeit unter Freunden schon zuviel verlangt? „Du tust April Unrecht, Colt“, Saber legte ihm etwas unbeholfen den Arm um die Schultern, „ich glaube, dass sie mehr leidet als wir alle zusammen!“ schnell zog er den Arm zurück, denn diese neue Vertrautheit zwischen ihm und dem Cowboy verunsicherte ihn. Er war es gewohnt, mit Colt zu streiten oder Schlagfertigkeiten mit ihm auszutauschen, aber ihre Freundschaft war bislang nie sehr innig gewesen. Eine Empfindung, mit der er nicht alleine dastand. Colt schielte ihn irritiert an und unterdrückte den Reflex, ein Stück von seinem Freund abzurücken: „Komm jetzt aber nicht auf die Idee, mich auch noch knutschen zu wollen, hombre!“ „Das hättest Du heute auch nicht wirklich verdient“, verschämt erhob Saber sich um etwas Abstand zwischen sich und Colt zu bringen, „aber mal ehrlich, Colt. Du bist zu hart zu April! Ich weiß nicht, was hinter diesem ganzen Theater steckt. Aber eigentlich kennen wir sie doch alle gut genug, um zu wissen, dass es etwas Ernstes ist. Und wenn sie es nicht erzählen will, wird sie dafür einen Grund haben.“ Colt erhob sich ebenfalls und steckte die Hände in die Hosentaschen seiner Bluejeans: „Bist Du fertig mit Deiner Predigt“, er wollte nicht länger über April reden. Für ihn stand fest, dass sie ihre Freunde schändlich im Stich ließ und er war nicht gewillt, an dieser Einstellung noch etwas zu ändern. Dafür war sein Stolz zu sehr verletzt. „Ich will nur eines wissen, alter Viehtreiber“, Saber streckte ihm erwartungsvoll die Hand entgegen, „unser Plan wird nur funktionieren, wenn wir alle hundertprozentig bei der Sache sind: können wir auf Dich zählen?“ Ein leichtes Lächeln huschte über Colts Gesicht, als er fest in die Hand einschlug: „Einer muss Euch ja raushauen, wenn Ihr Euch mal wieder knietief in Schwierigkeiten gebracht habt, oder?“ er revanchierte sich für den kleinen Schulterknuff und steckte die Hände wieder in die Taschen. „Dein Glück, alter Kuhhirte, ohne Dich wäre ich nämlich nicht geflogen!“ Saber meinte, den Stein hören zu können, der ihm eben in diesem Moment vom Herzen gefallen war. „Weißt halt, was gut für Dich ist, Boss!“ Darauf schenkte Saber ihm nur ein vielsagendes Lächeln und ging in Richtung Gartenpforte davon: „Sieh einfach zu, dass Du pünktlich bist, sonst komm ich Dich persönlich abholen!“ Colt war mit einem Satz auf der Veranda und klaubte seinen Hut vom Boden auf: „Ich freu mich drauf!“ er öffnete die Tür und wollte gerade ins Haus gehen, als er sich doch noch einmal umdrehte: „Saber…“ der Säbelschwinger hatte mittlerweile sein Pferd erreicht und schwang sich gerade in den Sattel, „danke…“ Saber zog seinen Säbel und deutete mit der gleichen verschlossenen Miene, die Colt von ihm gewohnt war in seine Richtung: „Ich verlass mich auf Dich!“ damit gab er Steed die Sporen und galoppierte davon. Saber sollte mit seiner Prognose den Sonnenuntergang betreffend Recht behalten. Der nächste Tag begann grau, nass und unfreundlich. Übermächtige Regenwolken verdunkelten den Himmel über Yuma City und ein kalter Wind peitschte heftige Schauer vor sich her. Wer nicht unbedingt raus auf die Straße musste, sah zu, dass er Heim oder Büro nicht verließ und hübsch im mollig Trocknen blieb, während vor der Haustür der jüngste Tag angebrochen war. April saß auf dem Sofa und beäugte skeptisch die dicken Regentropfen, die an die Wohnzimmerfenster prasselten, um dann in Sturzbächen daran herunter zu laufen. Eine Sturmböe jagte heulend um die Hausecken und versetzte ihr eine Gänsehaut. Einen schlechteren Tag für den Aufbruch der Star Sheriffs hätte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen können, aber er passte perfekt zu ihrer gedrückten Stimmung. Sie hatte den Kopf auf die angezogenen Knie gestützt und verfolgte mit gemischten Gefühlen, wie Fireball seine Vorbereitungen für den Abflug traf. Schon am Abend zuvor hatte er die Dinge im Wohnzimmer zusammengetragen, die ihm für die Mission sinnvoll oder nützlich erschienen waren, während April noch damit beschäftigt gewesen war, Christa mit Ramrods Navigation vertraut zu machen. Mal wieder hatte sich eine widerspenstige Strähne ihrer blonden Haare gelöst und kitzelte sie nun an der Nase. Geistesabwesend schob sie sie hinter ihr Ohr zurück. Christa war gut auf ihrem Gebiet, das musste sie neidlos zugeben. Vielleicht würde sie sogar irgendwann besser sein, als April selber, aber noch fehlte ihr die Erfahrung. Und das bereitete dem Star Sheriff die größten Kopfzerbrechen. Christa war ein Ass, wenn es um die Theorie ging, doch in den Szenarien, die vom Handbuch abwichen, war sie grundsätzlich ins Straucheln geraten und hatte wertvolle Zeit eingebüßt. Zeit, die sie im Ernstfall nicht haben würde. Sie war noch nicht soweit, eine Situation vom Impuls her sofort richtig einschätzen zu können, und sie hatte die Monarch Supreme nie in einem reellen Gefecht navigiert. April biss sich nervös auf die Unterlippe: natürlich war sie am Anfang selber unerfahren und wenig kampferprobt gewesen, doch immerhin hatte sie Ramrod mit entwickelt. Sie hatte die Tricks und Kniffe gekannt, die in keinem Nachschlagewerk zu finden waren, was ihr einen immensen Vorteil gegenüber den erfahrenen Männern und Frauen des Kavallerie Oberkommandos verschafft hatte. Ihre Jungs jetzt wissentlich mit einem Frischling wie Christa ins Rennen zu schicken kam ihr beinahe so vor, als würde sie sie geradewegs wie Lämmer zur Schlachtbank führen. Energisch versuchte sie, diesen Gedanken abzuschütteln. Christa war gut und sie war intelligent, sie würde schon wissen, was zu tun war, wenn es erst einmal darauf ankam. „Hast Du irgendwo mein Buch gesehen?“ Fireball kniete am Boden neben seiner großen Sporttasche und verstaute gerade einen Stapel T-Shirts. Erwartungsvoll blickte er zu ihr hoch. „Was?“ April war verwirrt. „Mein Buch…“ der Rennfahrer tat so, als müsste sie genau wissen, wovon er sprach. „Ach so, ja klar, DAS Buch“, April schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, „Du hast ja nur eins!“ sie legte den Kopf verträumt auf die Rücklehne des Sofas: „Meinst Du denn, Du wirst viel Zeit zum Lesen haben?“ Fireball wandte sich wieder seiner Tasche zu: „Man weiß doch nie“, er machte ein unbekümmertes, ja beinahe abenteuerlustiges Gesicht, „immerhin machen wir den Sprung erst in fünf Tagen. Bis dahin muss ich mir doch irgendwie die Langeweile vertreiben. Es sei denn natürlich, Du willst, dass ich mich ein wenig um Christa kümmere…“ Das ging für Aprils Geschmack ein wenig zu weit: „Pass auf, was Du sagst, Freundchen, sonst sorge ich persönlich dafür, dass Du in die Phantomzone katapultiert wirst – aber ohne Rückfahrschein!“ Fireball musste lachen: „Na, dann überlasse ich das Feld wohl besser Colt, dem alten Schürzenjäger. Der hat doch eh ein Äuglein auf den kleinen Rotschopf geworfen!“ sein Lächeln wurde noch breiter als er sich an das kleine Geplänkel zwischen Colt und Robin vor ein paar Abenden erinnerte. Aprils Mund zog sich bei der Erwähnung ihres Freundes zu einem schmalen Strich zusammen. Die offene Feindseeligkeit und Abneigung, die er ihr gegenüber an den Tag gelegt hatte, war ihr tief in die Glieder gefahren und hatte sie bis ins Mark erschüttert. Sie hatte sich immer und in jeder Situation auf den Cowboy verlassen können. Besonders in der Zeit, als es zwischen ihr und Fireball nicht zum Besten gestanden hatte. Stets war er da gewesen, um ihr den Rücken zu stärken, oder sie mit ein paar neckenden Sprüchen bei Laune zu halten. Ihn nun so eindeutig gegen sich zu wissen tat weh – mehr als sie sich eingestehen wollte. Der Rennfahrer stand auf und schlenderte hinüber ins Bad, um die notwendigen Utensilien von dort zusammen zu klauben. Auch sein Verhalten verwirrte April. Sicherlich war sie froh darüber, dass er sich offenbar mit ihrer Entscheidung abgefunden hatte, aber für ihren Geschmack war er nun beinahe ein wenig zu gleichgültig. Gut gelaunt war er am Morgen aufgestanden und hatte den ganzen Tag über so getan, als würden er und die anderen auf einen Camping-Ausflug gehen und nicht einen Abstecher in die Phantomzone machen. Es schien ihm nichts mehr auszumachen, April hier auf Yuma zurück zu lassen, wo er sich anfänglich gar nicht mit diesem Gedanken hatte abfinden können. „Ich hoffe nur, Dein Daddy hat diese Mal dafür gesorgt, dass wir bessere Verpflegung an Bord haben“, in seinem Kultur-Bag wühlend stand Fireball in der Badezimmertür, „letztes Mal wäre ich ja fast zum Vegetarier geworden!“ „Du hast ja echte Sorgen!“ sie verkniff sich zu erwähnen, dass sie dieses Mal nicht an Bord sein würde, um in Ramrods kleiner Küche die Kochlöffel zu schwingen. „Du weißt doch, ohne Mampf kein Kampf!“ „Pass lieber auf, dass Euch die Schmutzfüße nicht mein Schiff unter dem Hintern wegschießen, ja.“ Aprils Stimme nahm einen bitteren Zug an. Was bezweckte Fireball mit diesem aufgesetzten Verhalten? Wollte er sich etwa an ihr rächen? Ihr ein schlechtes Gewissen einreden oder sie einfach nur wütend machen? Was immer auch die Beweggründe waren, es funktionierte fantastisch! „Keine Angst, bekommst Dein Schätzchen schon unversehrt zurück. Wir fliegen da hin, hauen den Stinkern ordentlich eins auf die Mütze und zischen wieder ab. Das ist der Plan…“ er verschwand achselzuckend wieder im Bad, „welches ist Deine Zahnbürste? Nicht, dass ich die falsche mitnehme…“ Das war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Zornig sprang April von der Couch und stürmte durchs Wohnzimmer: „Kannst Du mir mal verraten, was für eine Show das ist, die Du hier abziehst?“ sie baute sich im Türrahmen gegenüber von Fireball auf, der auf dem Rand der Badewanne Platz genommen hatte. Ohne eine Reaktion auf ihren Wutausbruch erkennen zu lassen verstaute er Duschgel und Rasierschaum; er hatte nicht einmal aufgeblickt: „Ich weiß nicht, was Du meinst.“ Sein ruhige Stimme brachte Aprils Blut noch mehr zum Kochen: „Tu doch nicht so scheinheilig, Du Armleuchter. Ich weiß genau, dass Du mir nur was vormachst!“ Bedächtig stellte der Rennfahrer die kleine schwarze Tasche auf den heruntergeklappten Toilettendeckel. Versonnen starrte er auf seine Hände, die er ineinander verschränkt hatte: „Vielleicht solltest Du Dich ein wenig klarer ausdrücken…“ „Nur zu gerne“, rastlos griff sie nach der Haarbürste, die Fireball bereits aufs Waschbecken gelegt hatte, um sie später einzupacken, „Du läufst hier rum und tust so, als würdest Du mit den Jungs lediglich einen Ausschießen gehen? Ist ja fast so, als könntest Du es gar nicht erwarten, endlich wegzukommen…“ „Was willst Du eigentlich, April“, der Star Sheriff war überraschend aufgestanden, die Stimme mit einem Mal laut und unkontrolliert, „wäre es Dir lieber, wenn ich mit einer Miene wie sieben Tage Regenwetter rumlaufen würde?“ grob nahm er ihr die Bürste aus der Hand und warf sie in die Tasche. „Du willst mir ein schlechtes Gewissen einreden“, sie trat vor und riss die Bürste wieder an sich. Dabei fiel die Tasche zu Boden und der gesamte Inhalt ergoss sich über die Terrakottafliesen, „und das finde ich einfach mies von Dir!“ „Na großartig, das hebst Du jetzt sofort auf!“ „Das hebst Du jetzt sofort auf!“ April zog eine lächerliche Grimasse und äffte Fireballs Befehlston nach, „Du bist nicht meine Mutter.“ „Nee, leider…“ rot vor Wut entriss er ihr die Bürste ein weiteres Mal, „sonst würde ich Dich nämlich übers Knie legen und Dir eine ordentliche Tracht Prügel verpassen. Die hättest Du dringend nötig!“ „Und Du könntest eine kleine Gehirn-OP vertragen“, die Bürste wechselte zum vierten Mal den Besitzer, „ich glaube, Dir haben sie ins Oberstübchen gespuckt.“ Fireball packte ihr Handgelenk und versuchte ihr gewaltsam den zentralen Angelpunkt ihres Streits zu entwenden, doch sie wehrte sich sprichwörtlich mit Händen und Füßen: „Die bleibt hier, kapiert!“ „Nein, tut sie nicht!“ zischte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen zurück. Panik ergriff April. Sie hatte keine Chance gegen die kräftig zupackenden Arme ihres Verlobten und fühlte sich wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. Ohne wirklich darüber nachzudenken was sie tat, senkte sie instinktiv ihre Zähne in die Hand, die sie festhielt und biss mit voller Kraft zu. Jaulend ließ Fireball sie augenblicklich los: „Verdammt, bist Du wahnsinnig geworden!“ entsetzt starrte er auf die blutige Bissspur, die sich wie ein Mahnmal in seine Haut gegraben hatte. Erschrocken wich April einen Schritt zurück: „Hier hast Du das blöde Ding!“ sie pfefferte die Bürste schwungvoll in die Badewanne und flüchtete ins Schlafzimmer, wo sie sich keuchend aufs Bett fallen ließ. Sie hatte Fireball natürlich nicht wehtun wollen, aber irgendwie war ihr die Situation völlig aus den Händen geglitten. Er hatte sie gereizt, vielleicht nicht einmal absichtlich, und ihre aufs Äußerste gespannten Nerven waren mit ihr durchgegangen. Wenn das so weiterging, würde keiner der Star Sheriffs den Start von Ramrod erleben, ob nun an Bord oder vom Boden aus. Vorher würden sie sich gegenseitig umbringen. Colt zumindest, so war sie sicher, dachte sich im Moment garantiert die hundert schrecklichsten Foltermethoden aus, um sie für ihren Verrat zur Rechenschaft zu ziehen. Vom Zutodequasseln bis hin zur standesrechtlichen Exekution. Was für ein Dilemma war das nur, in das sie alle reingeschlittert waren und aus dem es keinen Ausweg gab, nicht einmal ein winzig kleines Mauseloch. Könnte sie nur die Uhr um ein paar Tage zurückdrehen, vielleicht eine Woche. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihrer aller Welt aus den Angeln geraten war. Denn da wollte sie sich nichts vormachen, auch Colt und Robin hatten unbezweifelbar das eine oder andere hitzige Gefecht wegen ihres Einsatzes ausgetragen. Robin war friedliebend, konnte den Cowboy aber locker in die Tasche stecken, wenn sie richtig in Fahrt kam. Und wie sah es mit Saber aus? Niemand machte sich wirklich Sorgen um ihn. Stets Soldat, immer bemüht, seine Pflichten zu erfüllen, aber sie hatte gesehen, was hinter seiner glorreichen Fassade vorging. Der Vorrat an Single Malt war an jenem Morgen noch beträchtlich geschrumpft, obwohl sie selber keinen Tropfen mehr angerührt hatte. Sie hatte die müden Augen und die tiefen Sorgenfalten gesehen, die sein so junges Gesicht um Jahre hatten altern lassen. Ja, sie hatten alle mit dieser Situation zu kämpfen, welches Recht hatte sie da, so die Beherrschung zu verlieren. Noch immer peitschte der schwere Regen gegen die Fensterscheiben und sorgte mit seinem monotonen Prasseln dafür, dass der Adrenalinschub, der durch ihren Körper geschossen war, langsam wieder auf das normale Niveau absank. Als sie leise Schritte hinter sich hörte, setzte sie sich beschämt auf. Fireball stand in der Tür, einige Lagen Toilettenpapier um seine linke Hand gewickelt und schaute sie forschend an: „Gibt es noch irgendwas, das ist nicht mitnehmen darf? Ich meine, bevor Du meine ganze Tasche umstülpst und ich noch mal packen kann…“ „Ist mir doch Wurscht, was Du einpackst!“ warum sagte sie das? War sie nicht eben zu der Erkenntnis gelangt, dass es besser war, sich langsam ein bisschen am Riemen zu reißen? Tja, offenbar war der Geist willig, aber ihr loses Mundwerk tat, was es wollte. „Na prima“, genervt wandte Fireball sich von ihr ab und dem Kleiderschrank zu, aus dem er noch einen Stoß Shorts hervorholte, „bleib am besten, wo Du bist, da stehst Du mir wenigstens nicht im Weg!“ und weg war er. Er war enttäuscht und wütend. Keine Frage, natürlich war er das. Vielleicht war es wirklich das Beste, wenn sie sich im Moment nicht in die Quere kamen. Mürrisch beäugte April das unwirtliche Wetter. Es half nichts, solange eine solche Spannung zwischen ihnen herrschte, würde keine vernünftige Konversation mehr zustande kommen. Unwillig zog sie die roten Stiefel unter dem Bett hervor und schnappte sich ihren gelben Regenmantel aus dem Schrank. „Ist vielleicht besser, wenn ich ein wenig spazieren gehe…“ sie hatte den leisen Hoffnungsschimmer, dass Fireball sie aufhalten würde. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, vielleicht würde er sich eines Besseren besinnen, und diese letzten kostbaren Augenblicke mit ihr zusammen verbringen wollen. Auf seinem Gesicht zeichneten sich die eindeutigen Spuren eines Kampfes ab. Tatsächlich schien er einen Moment mit sich zu hadern, ob er sie nicht aufhalten sollte, doch dann nahmen seine Augen einen leidvollen Zug an: „Schätze, Du hast recht!“ Verletzt zog April den Reißverschluss bis zu ihrer Nasenspitze hoch: „Na dann…“ wie in Zeitlupe durchquerte sie den Flur. In stummer Verzweiflung rief sie ihm zu, dass er sie doch zurückrufen möge. Sie wollte nicht gehen. Vielmehr wollte sie sich in seine Arme stürzen, ihn anflehen, heute Abend nicht zu fliegen. Aber das durfte sie nicht. Fireball hatte sich aus bestimmten Gründen entschieden, den Auftrag anzunehmen, genauso wie sie sich aus bestimmten Gründen dagegen entschieden hatte. „April…“ Ihr Herz machte einen Satz und mit vor Erleichterung strahlenden Augen drehte sie sich um. Doch Fireballs Miene hatte sich nicht verändert: „Ich fahre um halb fünf.“ Als sich die Wohnungstür hinter ihr schloss, meinte April, der Schmerz würde sie innerlich zerreißen. Wie sich wenig später herausstellte, nahm Fireball es sehr genau, was die Abfahrt um halb fünf betraf. April war trotz des schlechten Wetters gut zwei Stunden durch die Straßen von Yuma geirrt. Sie hatte gehofft, der Wind würde einen Teil ihrer trüben Gedanken mit sich fortpusten und hatte deswegen um jedes ihr bekannte gute Café einen riesigen Bogen geschlagen. Die wohlige Wärme, der Duft nach frisch Gebackenem und ein aufgeschäumter Latte Macchiato hätten wahrscheinlich sämtlich Dämme und Schleusen geöffnet und sie wäre einfach in Tränen ausgebrochen, ungeachtet des Umfeldes und der anderen Gäste, die sich mit ihr im Café befunden hätten. Vielleicht war es auch ein gewisser Anteil an Selbstgeißelung gewesen, der sie so lange frierend und klitschnass hatte herumlaufen lassen. Sie fühlte sich schuldig an dem ganzen Schlamassel, obwohl sie sich immer wieder einredete, dass sie dabei war, das einzig richtige zu tun. Colt verachtete sie und hatte sich mit Fireball und Saber ihretwegen zerstritten, ihr eigenes Verhältnis zu Fireball stand auch nicht zum Besten und was Saber anging… Er verfluchte sich sicherlich selber dafür, dass er sie an jenem Morgen in sein Wohnzimmer gelassen und unter dem Einfluss von zuviel Whisky ein irrsinniges Versprechen gegeben hatte. Liebend gern wäre sie bei Robin vorbeigeschneit, der einzigen Person, mit der sie im Moment noch normal reden konnte. Aber sie wollte und durfte ihrer Freundin nicht die letzten gemeinsamen Stunden mit ihrem Mann verderben. Schließlich wusste doch niemand, wann die Star Sheriffs nach Yuma zurückkehren würden. Oder ob sie überhaupt zurückkehren würden. Dieser Gedanke hatte sich immer wieder wie ein giftiger Pfeil tief in ihr Herz gebohrt und jedes Mal war ihr der schreckliche Alptraum eingefallen. Fireball, wie er in einem Flammenmeer mit dem Tode rang. Und wenn es doch falsch war? Wenn all das, was in den letzten Tagen passiert war, ein einzig großer Wink mit dem Zaunpfahl gewesen war, damit sie verhinderte, dass die Star Sheriffs, oder zumindest Fireball auf diese waghalsige Reise ging? Wenn ihr Traum einen Funken Wahrheit enthielt, eine wirre Mischung aus Vorahnung und Bewältigung der Vergangenheit darstellte? Nein, Sie würden wiederkommen. Natürlich würden sie das, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Saber hatte es ihr versprochen! Über ihre finsteren Grübeleien und zweigespaltenen Selbstgespräche hatte sie die Zeit vergessen und wäre beinahe zu spät nach Hause zurückgekehrt. Da sie nicht einschätzen konnte, ob Fireball in der augenblicklichen Situation tatsächlich ohne sie zum Raumhafen fahren würde, war sie die letzten Blocks gerannt, um kein Risiko einzugehen. Sie keuchte noch immer, als sie schwitzend vor Anstrengung den Sicherungscode an der Haustür eingab und schließlich ihre Wohnung betrat. „Du bist spät“, rief Fireball ihr vom Wohnzimmer aus zu, „ich habe Dir doch gesagt, dass ich um halb los will. Und jetzt ist es schon zwei Minuten nach!“ Japsend betrat April das Zimmer: „Tut mir leid… ich hab mich schon so beeilt…“ ihr Regenmantel hatte den Wassermassen auf der Straße wohl nur bis zu einem bestimmten Grad trotzen können, denn ihre Jeans und das T-Shirt, die sie unter der Jacke getragen hatte, waren völlig durchnässt. Ihre Schuhe verursachten beim Gehen leise schmatzende Geräusche, weil sie sich völlig voller Wasser gesaugt hatten und ihre hübschen blonden Haare klebten ihr in dunklen, triefenden Strähnen am Kopf. Kleine Tropfen fielen von den Spitzen auf ihre Gesicht, die Schultern und gelegentlich auch auf den Teppichboden. Fireball war entsetzt: „Du bist ja verrückt, willst Du Dir vielleicht den Tod holen?“ er eilte ins Badezimmer, um ein großes, flauschiges Handtuch zu holen. Wortlos reichte er es ihr und warf dann einen gehetzten Blick auf seinen Chronometer. „Wir können los, es geht schon!“ April versuchte das Zittern ihrer blauen Lippen zu unterdrücken; mittlerweile hatte die Kälte wieder die Oberhand über ihren Körper gewonnen. „Ja, klar, Dein Vater macht mich zur Schnecke, wenn er sieht, dass ich Dich so rumlaufen lasse“, er deutete stirnrunzelnd auf ihr T-Shirt, „mach schon, Du musst aus diesen Klamotten raus!“ April wollte Protest einlegen, aber da hatte Fireball auch schon selber Hand angelegt und ihr das nasse Kleidungsstück über den Kopf gezerrt: „Aber wir müssen doch los, sonst kommst Du zu spät.“ „Keine Sorge, die fliegen schon nicht ohne mich.“ „Nein, leider nicht!“ schoss es April durch den Kopf, aber sie wusste natürlich, dass er Recht hatte. Also nahm sie ihm das Shirt ab und eilte, das Handtuch geübt um die Haare wickelnd, hinüber ins Schlafzimmer: „Bin in einer Sekunde fertig!“ Die Fahrt zum Kavallerie Oberkommando verlief schweigend. April wagte es nicht, Fireball anzusehen und hatte den Kopf deswegen nach rechts gewandt, um geistesabwesend die Gebäude und Straßenzüge zu beobachten, die an ihnen vorbei flogen. Die Atmosphäre war erdrückend, ja geradezu nervenaufreibend. So war es kaum verwunderlich, dass beiden der sprichwörtliche Stein vom Herzen fiel, als sie die Sicherheitskontrolle des Sperrsektors vom Yuma City Raumhafen passiert hatten. Fireball manövrierte seinen Red Fury geschickt durch das verwirrende Labyrinth von Hangars, Verwaltungsgebäuden, Raumaufsichtstürmen und Mannschaftsbaracken, so als hätte er sein ganzes bisheriges Leben auf diesem Stützpunkt verbracht. Rechts vorbei am Bodenkontrollzentrum und dort war er endlich: Ramrod. Ihr Schiff, ihre Kampfeinheit, an vielen Tagen im Jahr ihr Zuhause und letztendlich das, was die Star Sheriffs erst zu dem gemacht hatte, was sie heute waren. Aprils Brust schwoll an vor Stolz, als der Stahlkoloss in der Entfernung zusehends größer wurde und klare Gestalt annahm. Sie flogen ihn nun schon so lange und trotzdem war sie jedes Mal wieder überwältigt von diesem imposanten Anblick. Das Design trug ihre Handschrift, die Challenge-Phase war ihre Erfindung gewesen und sie hatte das Herz von Ramrod erschaffen. Viele der Systeme waren auf ihre und Sabers Fähigkeiten zugeschnitten worden, zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Schiffes die einzig bekannten Mitglieder der kommenden Crew. „Hoffentlich schafft Christa es…“ ihre Gedanken begannen sich zu überschlagen. Noch nie hatte sie Ramrod einem Fremden überlassen. Sicher hatte es immer wieder Situationen gegeben, in denen Saber für sie eingesprungen war, aber das war etwas völlig anderes gewesen. Saber war ihr Freund, einer von ihnen. Einer von ihnen. Würde Christa es schaffen, auch eine von ihnen zu werden? Oder lag vielleicht genau darin ihre Angst begründet? Dass sie ersetzbar war? Die Star Sheriffs ohne sie auskommen würden? „Halt bitte an…“ sie griff nach Fireballs rechter Hand, die verkrampft das Lenkrad umfasste, wandte den Blick aber nicht von Ramrod, um dessen Rampe sich eine beträchtliche Anzahl von Menschen versammelt hatte. Soweit sie es erkennen konnte, waren auch Colt und seine Frau Robin unter ihnen. Verwirrt brachte der Rennfahrer den Fury Racer zum Stehen. Sie waren noch gut zweihundert Meter von Ramrod entfernt: „Was ist los?“ April zwang sich energisch zur Ruhe, was ihr nur sehr kläglich gelang: „Ich kann das nicht, Fire…“ sie zitterte am ganzen Körper und Tränen traten ihr in die Augen, „ich bin im Moment sicherlich der letzte Mensch in diesem Sonnensystem, den Colt sehen möchte…“ „Aber Du…“ wollte Fireball einen Einwand formulieren, fand aber keine rechten Worte dafür. Natürlich hatte April Recht mit ihrer Vermutung, aber war das ein Grund, sich ins Bockshorn jagen zu lassen? Verzweifelt versteckte sie ihr Gesicht hinter den Händen: „Es ist schon so schlimm genug. Ich kann mich da nicht zusammen mit den ganzen hochrangigen Offizieren hinstellen und seelenruhig zusehen, wie Ihr ohne mich verschwindet. Das bringe ich nicht über mich!“ ihr Schluchzen schnürte ihm die Kehle zu: „Du wolltest es doch so…“ krächzte er heiser. In dieser Sekunde hatte er eingesehen, dass der Abschied von April viel früher gekommen war, als er es erwartet hatte. Darauf war er nicht vorbereitet und versuchte deswegen, soviel Zeit wie möglich zu schinden. „Ich habe das nie gewollt“, schrie April hysterisch, „mich hat nie wirklich jemand gefragt, was ich will, okay?“ ihre Tränen flossen ungehemmt und der Rennfahrer bekam es mit der Angst zu tun. So aufgelöst hatte er April noch nie gesehen – und sie hatten schon so ziemlich alles miteinander durchgestanden, was man sich vorstellen konnte. Plötzlich erkannte er, wie sehr April litt. Nicht, weil sie sich schuldig fühlte, ihre Freunde im Stich gelassen zu haben, oder weil sie ihn enttäuscht hatte. Sie wollte tatsächlich mit auf diese Mission! Und trotzdem gab es etwas, das sie davon abhielt. Ohne nachzudenken betätigte er sein Gurtsystem und beugte sich zu ihr hinüber: „Ist schon okay, Süße! Du musst nicht, wenn Du nicht magst“, er zog sie fest an sich und gab ihr einen beruhigenden Kuss auf den noch feuchten Scheitel, „sie werden es schon verstehen!“ Eng schmiegte April sich an Fireballs warmen, starken Körper und wünschte, die Zeit würde stehen bleiben und sie könnte für immer so mit ihm hier sitzen. Doch die Zeit verstrich erbarmungslos, hatte keinen Sinn und kein Verständnis für ihre Wünsche und ihr Schicksal. So tapfer sie nur sein konnte, schluckte sie ein erneutes Schluchzen herunter und wischte ihre Tränen fort: „Sag Ihnen, dass es mir leid tut“, sie sah tief in seine braunen Augen, „es tut mir leid, Fire!“ Fireball legte zärtlich einen Finger unter ihr Kinn und küsste eine Träne von ihrer Nasenspitze: „Das weiß ich jetzt, Süße“, seine Hand strich zurückhaltend, fast schüchtern über ihre Wange, „ich kann zwar immer noch nicht verstehen, warum, aber ich vertraue Dir!“ energisch zog er ihren Kopf zu sich heran und küsste sie hart und leidenschaftlich. Dann betätigte er den Kanzelmechanismus und das Verdeck des Red Fury öffnete sich. April wusste, dass sie Fireball zuliebe stark sein musste. Er war es auch für sie. Sie drückte kurz seine Hand und hauchte ihm ein letztes: „Ich liebe Dich!“ zu, dann verließ sie schnell den Boliden, bevor sie es sich doch noch anders überlegte. Fireball zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann schloss er das Verdeck und fuhr mit quietschenden Reifen davon: „Enttäusche mein Vertrauen nicht!“ grimmig wischte er seine Tränen fort und zwang sich, nicht noch einmal zurück zu schauen. Schnell hatte er die kurze Strecke zu Ramrod zurückgelegt, verspürte aber kein Verlangen danach, sich von hochdekorierten Militärattaches oder wichtigen Leuten der Politik anerkennend auf die Schulter klopfen zu lassen. Er wollte jetzt noch ein wenig allein sein, bevor seine volle Konzentration dem Manövrieren ihres Schiffes gelten würde. Schnell entschlossen öffnete er eine Comline-Verbindung zu seinem Vorgesetzten, den er in der Menge ausgemacht hatte: „Melde mich zur Stelle, Commander. Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mein Baby gleich parken. Ist mir ein bisschen zuviel Trubel hier unten!“ Ohne eine Bestätigung abzuwarten trat er das Gaspedal durch und jagte die Laderampe von Ramrod hinauf, während viele verdutzte Augenpaare hinter ihm herstarrten. Es war ihm egal, was sie von ihm dachten. Er brachte seinen Wagen im Zwischendeck unter, wo auch der Bronco Buster, Steed und Nova während ihrer Einsätze darauf warteten, ins Kampfgeschehen eingreifen zu dürfen. Bislang waren noch alle Stellplätze leer, und zumindest bei einem würde sich an diesem Zustand auch nichts mehr ändern. Nova blieb natürlich zusammen mit April auf Yuma. Mochte dieser kleine rosafarbene Haufen aus Stahl und Kabeln auch nur durch künstliche Intelligenz bestechen, so hatte das Pferd doch einen eigenen Kopf entwickelt. Sie hätte nur unnötig Ballast bedeutet, da lediglich April in der Lage war, sie zu bändigen. Einen anderen Reiter hatte Nova nie akzeptiert. Fireball aktivierte die Schutzbügel, die während des Fluges und auch bei Kampfeinsätzen dafür sorgten, dass sein Rennwagen auch dort blieb, wo er ihn eben abgestellt hatte, ohne dabei Schaden zu nehmen. Dann begab er sich mit einer Mischung aus erwartungsvoller Vorfreude und beklemmender Angst ins Cockpit. Von hier hatte er einen guten Überblick über den gesamten Raumhafen, lediglich was an Ramrods Fahrgestell vor sich ging, konnte er nicht verfolgen. Er ließ den Blick über das Startfeld schweifen und fixierte die junge Frau in dem roten Overall, die reglos dort hinten im Regen stand und unverwandt zu ihm herüber sah. April hatte schreien wollen. In der Sekunde, als Fireball ohne sie davon gebraust war, brachen alle Ängste über ihr zusammen, wie ein Tsunami, der keine Überlebenden zulassen würde. Die Flammen, überall waren Flammen. Fireball würde sterben. Sie hatte es vorhergesehen und trotzdem nicht verhindert. Er würde nicht von dieser Mission zurückkehren. Sie war allein! Vage beobachtete sie, dass Fireball den Red Fury direkt ins Innere von Ramrod steuerte und sich auch in den folgenden Minuten nicht mehr am Boden blicken ließ. Sie glaubte zu ahnen, was in ihm vorging und konnte verstehen, dass er die Stille des Kampfkolosses dem aufgeregten Schnattern des Abschiedskomitees vorzog. Vielleicht stand er bereits oben im Cockpit und beobachtete sie. Gerade jetzt in dieser Sekunde. Sie meinte förmlich, seinen Blick zu spüren. Der Regen drang durch ihren Overall und rann kalt über ihre Kopfhaut. Wenn sie Fireball jetzt per Kommunikator anfunkte, konnte sie ihm doch noch alles erzählen. Er würde bei ihr bleiben und alles würde gut werden. Nur dummer Weise hatte sie ihren Kommunikator nicht dabei. Er war liegengeblieben, als sie sich vorhin in aller Eile hatte umziehen müssen. Panik keimte in ihr auf. Was sollte sie bloß tun? „Wirst Dir einen ordentlichen Schnupfen holen, wenn Du hier weiter so rumstehst!“ Erschrocken schrie April auf, als Steed plötzlich direkt neben ihr landete. Saber erkannte sofort, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Er schwang sich aus dem Sattel und packte die Frau fest bei den Schultern: „April, geht es Dir nicht gut?“ besorgt legte er ihr eine Hand auf die Stirn: „Himmel, Du hast Fieber! Du musst sofort hier weg!“ Er wollte sie auf Steeds Rücken bugsieren, doch April wehrte sich, plötzlich aus ihrer Starre erwacht: „Nein, lass mich, ich muss zu Fire!“ sie zappelte wie ein Fisch auf dem Trocknen und versuchte sich aus Sabers Griff zu befreien, hatte aber gegen den durchtrainierten Schotten keine Chance. Resolut zog Saber sie an sich und hielt sie ganz fest an sich gedrückt: „Hey, ich weiß, was Du jetzt durchmachst…“ „Nichts weißt Du“, winselte April verzweifelt, ließ aber den Kopf erschöpft an seine Brust sinken, „er wird…ich habe es gesehen…Fireball stirbt, wenn er…“ Wie bei einem Pferd strich Saber ihr beruhigend übers nasse Haar, während er ihr gälische Koseworte zuflüsterte, die sie nicht verstand: „Sprichst Du von Deinem Traum?“ „Und wenn es mehr war als das?“ sie schlang schutzsuchend die Arme um Sabers Körper und war froh, dass er nicht schon seinen Raumanzug trug. „Habe ich Dir nicht versprochen, dass ich auf ihn aufpassen werde?“ „Du kannst nichts versprechen, was Du nicht halten kannst!“ Er schob sie auf Armeslänge von sich weg, um ihr ins Gesicht sehen zu können: „April, es war ein Traum, okay? Ein Traum, der nichts zu bedeuten hat. Du hast in der letzten Zeit viel durchgemacht, da ist es normal, dass die Nerven blank liegen“, zärtlich strich er über ihre Schultern, „ich verspreche Dir, Fireball wird nichts passieren. Und auch keinem anderen. Spätestens in drei Wochen werden wir alle wieder gesund und munter zurück sein, ja!“ Seine Worte waren so ruhig und klar, dass April nicht anders konnte, als ihm zu glauben. Natürlich hatte er Recht. Es war ein dummer Traum gewesen, hervorgerufen durch die Auseinandersetzung mit Fireball. Sie hatte sich Vorwürfe gemacht und damit unterbewusst die Bilder von dessen Tod heraufbeschworen. Ein sogar wissenschaftlich dokumentiertes Phänomen. Beschämt wich sie seinem Blick aus, als ihr bewusst wurde, wie lächerlich und kindisch sie sich gerade verhalten hatte: „Tschuldige, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist“, sie versuchte ein klägliches Lächeln aufzusetzen, „Du hast recht, es wird schon alles gut gehen. Solange Du dabei bist, können die Jungs ja eigentlich nicht all zu viel Blödsinn anstellen.“ „Das will ich doch wohl meinen!“ grinsend küsste Saber Aprils Stirn: „Bist Du auch wirklich okay?“ „Ja, ja, alles klar, hab mich schon wieder im Griff, danke!“ abwehrend hoben sie ihre Arme um die Aussage zu unterstreichen. „Na, dann“, unsicher schaute der Anführer der Star Sheriffs zu ihrem Schiff hinüber, „ich schätze, es wird Zeit…“ „Hm.“ Saber griff nach Steeds Zügeln und zog sich auf den Rücken seines Mecha-Pferdes: „Kannst Du die Stellung auch wirklich alleine halten?“ der Satz wurde begleitet von einem verschwörerischen Zwinkern. „Denke schon!“ April zwinkerte zurück. „Sieh zu, dass Du aus dem Regen rauskommst!“ „Aye Boss“, sie schaute zu Ramrod hinüber, „ich wollte nur noch sehen, wie ihr startet…“ Der junge Mann nickte und gab seinem Pferd dann das Zeichen zum Aufbruch: „Bis bald, April. Wir werden Dich vermissen!“ Viel ruhiger als eben noch bei Fireball blickte sie dem Freund nach: „Und wenn Du noch etwas Zeit über haben solltest, dann pass gelegentlich auch auf, dass Dir selber nichts passiert, alter Säbelschwinger!“ Zur Bestätigung, dass er diesen weisen Hinweis noch vernommen hatte, hob Saber den linken Arm. Zwar war es nur ein Satz gewesen, aber diese vier Worte hatten April auf Schlag einen großen Teil ihres Selbstbewusstseins zurückgegeben: „Wir werden Dich vermissen!“ das hatte bislang noch niemand zu ihr gesagt. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Vielleicht würde tatsächlich alles gut werden. Fireball, der die ganze Szene von Ramrods Cockpit aus verfolgt hatte, fragte sich argwöhnisch, was er davon halten sollte, dass Saber April umarmt und geküsst hatte. Zum Glück würden sie bald viel Zeit haben, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. „Saber, da bist Du ja“, Commander Eagle streckte dem Blondschopf freudestrahlend die Hand entgegen, nachdem dieser von Steeds Rücken gesprungen war, „pünktlich auf die Minute. Ich denke, damit ist die Mannschaft komplett!“ Saber begrüßte die Umstehenden mit einem höflichen Nicken und wandte sich dann Colt, Robin, König Jared und Christa zu, die etwas abseits standen und sich gedämpft unterhielten. „Euer Hoheit, Ladies“, galant verbeugte er sich, während er Colt mit fester Hand auf die Schulter hieb, „wie ich sehe, hast Du hier alles im Griff, Colt!“ „Na selbstrended, Schwertschwinger“, sein Blick schweifte zu Ramrods Laderampe hinauf, „gilt aber wohl nicht für alle hier, wie?“ Seine Frau knuffte ihm vorwurfsvoll gegen die Brust: „Du bist unsensibel wie ein Stück Holz, Cowboy!“ mitfühlend tätschelte sie Christa, die gedankenverloren in den grauen Himmel starrte den Arm. Erst jetzt bemerkte Saber, dass Roland nirgends zu sehen war. „Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“ Colt setzte eine bedröppelte Miene auf, was Robin dieses Mal leider nicht milder stimmen konnte. Sie war aufgewühlt, weil die Star Sheriffs jede Minute aufbrechen und sie alleine, ohne Colt, auf Yuma zurückbleiben würde. Allein mit Josh und der Angst, wann sie ihren Mann wohl wiedersehen würde und was ihm alles während der gefährlichen Reise passieren konnte: „Kannst Du nicht einfach mal die Klappe halten, wenn Dir nichts Konstruktives einfällt?“ das saß. Beleidigt zog Colt seinen Hut tief in die Stirn und verschränkte die Arme: „Bitte, wie Madame meint!“ „Lass nur, Robin“, Christa versuchte kläglich lächelnd die Wogen zu glätten, „er kann schließlich nichts dafür, dass Lando sich wie ein kleines Kind aufführen muss!“ es war ihr sichtlich unangenehm, dass Roland sich tatsächlich geweigert hatte, die Truppe bei ihrem Aufbruch zu verabschieden. Auch das Gesicht von König Jared ließ erahnen, dass er im Moment alles andere als stolz auf seinen einzigen Sohn war: „Für dieses Verhalten wird er die Konsequenzen zu tragen haben, das kann ich Euch garantieren. Er wird eines Tages das Oberhaupt von Jarre sein und kann es sich nicht erlauben, sich so sehr von seinen Gefühlen leiten zu lassen.“ Christas Gesicht nahm bei seinen Worten einen dunkelroten Zug an und sie fuhr sich angespannt durch die Haare. „Ich schätze“, versuchte Saber die Situation ein wenig zu entspannen, „unser Freund hat gar nicht an Prinz Roland gedacht, sondern an Fireball…“ Colt grunzte zustimmend, hielt aber weiterhin den Mund. „Wie geht es denn April“, ein noch lauteres Grunzen unterbrach Robins besorgte Frage, „wir haben gesehen, dass sie dort hinten ausgestiegen ist.“ Natürlich hatte die Gruppe auch gesehen, dass Saber sich kurz danach noch mit ihr unterhalten hatte. „Ich denke, es geht ihr ziemlich schlecht“, er warf Colt einen mahnenden Blick zu, „sie hat schreckliche Angst um Fireball und kann es glaube ich nicht ertragen, ihn alleine gehen lassen zu müssen.“ „Ach ja“, der Cowboy stieß gereizt seinen Hut zurück und starrte erbost zu April hinüber, „und warum tut sie es dann?“ „Habe ich nicht gerade gesagt, dass Du Deine unsinnigen Kommentare für Dich behalten sollst?“ Colt starrte seine Frau gereizt an: „Also wisst Ihr Leute, ich kann ehrlich gesagt gut nachvollziehen, wie mies sich Fireball gerade fühlen muss. Ich weiß gar nicht, wer von uns beiden das boshaftere Weibsbild abbekommen hat!“ „Du kannst froh sein, dass so einen dummen Macho wie Dich überhaupt jemand haben wollte!“ Robin streckte ihm leidenschaftlich die Zunge heraus, was bei einer gestandenen Lehrerin ihres Kalibers alles andere als erwachsen wirkte. Saber fiel das alte Sprichwort „Was sich neckt, das liebt sich“ ein und er fand, dass es auf niemanden so gut passte, wie auf Colt und Robin: „Nun begrabt mal das Kriegsbeil, Ihr zwei. Ihr habt nach unserer Rückkehr noch alle Zeit der Welt, Euch das Leben gegenseitig schwer zu machen“, er stieß den Cowboy leicht mit der Fußspitze an, „und Du solltest endlich über Deinen Schatten springen, wir haben nicht mehr viel Zeit!“ In der folgenden Stille richteten sich alle Augenpaare auf Colt: „Ich weiß nicht, was Du meinst!“ er schaute absichtlich desinteressiert zu Ramrods Fahrwerk hinüber, hatte sich aber etwas vorgemacht, wenn er wirklich gedacht hatte, so einfach davon zu kommen. „Du weißt sehr wohl was ich meine“, Sabers Stimme nahm einen scharfen Zug an, „und ich finde, dass Du Dich wirklich wie ein absoluter Sturkopf verhältst. Und das alles aus gekränktem Stolz!“ Colt blieb stur. „Er hat recht, Schatz“, nun wieder ganz die liebende Ehefrau legte Robin ihm eine Hand auf den muskulösen Arm, „wenn Fireball ihr verziehen hat, dann wirst Du das doch auch können, oder?“ Keine Reaktion. „Sie leidet wirklich, Colt“, sprang nun sogar Christa für April in die Bresche, „ich habe doch gesehen, wie schwer es ihr fiel, mich auf Ramrod einzuweisen. Sie konnte den Gedanken kaum ertragen, dass ich ihren Platz einnehmen werde und sie nicht dabei sein wird, um Euch zu unterstützen! Was auch immer sie zu ihrer Entscheidung bewogen hat, freiwillig bleibt sie nicht hier!“ „Hm…“ Colts Schmollmund entspannte sich ein kleines Bisschen, doch bevor er etwas erwidern konnte, durchschnitt die tiefe Stimme des Commanders die regenschwangere Luft: „Saber, ich denke es ist an der Zeit, dass Ihr aufbrecht. Der Abschied wird uns nicht leichter fallen, je länger wir herumstehen und auf besseres Wetter warten!“ Saber nickte Colt und Christa zum Zeichen zu, dass Eagle Recht hatte. „Pass auf den Kleinen auf, okay“, zärtlich schloss Colt Robin in die Arme und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, „sonst könnte er noch jemanden bei dem Versuch Dich zu beschützen erschießen!“ Der Abschied verlief kurz und ohne Tränen, auch wenn Saber meinte, einen feuchten Schimmer in Robins Augen gesehen zu haben. Doch sie hielt sich tapfer und stand aufrecht zwischen König Jared und Commander Eagle, während die drei eben so aufrecht die Rampe bestiegen, die sie ins Innere von Ramrod beförderte. Sie sprachen kein Wort, denn jeder hing in diesen Sekunden seinen eigenen Gedanken nach, dachte an die Menschen, die man zurück ließ und von denen man sich vielleicht nicht hatte verabschieden können. Saber hätte alles dafür gegeben, Cynthia Lebewohl sagen zu können, sie wenigstens ein letztes Mal vor dem Start leibhaftig zu sehen. Und Christa ging hart mit Roland ins Gericht, mit dem sie seit dem gestrigen Tag kein Wort mehr gewechselt hatte. Er wollte ihre Entscheidung einfach nicht akzeptieren und hatte sie halbherzig vor die Entscheidung zwischen ihm und der Mission gestellt. Ihre Antwort war gewesen, dass es ihre Pflicht als Soldat sei, ihre Heimat zu verteidigen und er war gegangen. So einfach und gleichzeitig doch so kompliziert konnte es manchmal sein. Und Colt? Er hatte Josh zu Hause Goodbye gesagt und Robin war entgegen allen Erwartungen sogar mit zum Raumhafen gekommen, um bis zum Start bei ihm zu bleiben. Wieso war da trotzdem dieses quälende Gefühl, etwas Wichtiges noch nicht erledigt zu haben? Je näher die Einstiegsöffnung von Ramrod kam, desto drängender und unbeherrschbarer nagte es an ihm, bis er es schließlich nicht mehr aushielt. Gerade als sie von der Rampe in den offenen Hangar getreten waren, griff er völlig ohne Vorwarnung die Zügel von Steed und hievte sich etwas schwerfällig auf dessen Rücken: „Junge, ist schon ganz schön lange her, dass ich das letzte Mal im Sattel gesessen habe“, er wandte sich kurz den anderen zu, während er dem Pferd bereits die Sporen gab, „bin in einer Minute zurück!“ und damit galoppierte er zurück dem festen Boden entgegen. April stutze verblüfft, als sie sah, dass Steed kurz nach dem Aufbruch der Star Sheriffs noch einmal aus dem Inneren des Kampfschiffes auftauchte und mit einem wahnsinnigen Tempo auf sie zugetrabt kam. War Saber noch etwas Wichtiges eingefallen, das er ihr sagen wollte? War noch eine Frage zu Ramrods Navigation aufgetreten, die unbedingt vor dem Abflug geklärt werden musste? Als das Pferd näher kam, erkannte sie verblüfft, dass es gar nicht Saber war, der dort auf dem Rücken des Mecha-Tieres saß, sondern Colt. Ihr Herz krampfte sich schmerzlich zusammen und augenblicklich war der Streit im Büro ihres Vaters wieder präsent. Colts verletzende Worte, sein Gesichtsausdruck, sein ganzes Verhalten am gestrigen Tag. Unsicher schaute sie ihm entgegen, fest entschlossen, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Der Cowboy hatte dem Pferd die Zügel schießen lassen und brachte es nur gut zwei Meter vor der verdutzt blickenden April zum Stehen. Unsicher ließ er sich zu Boden gleiten und baute sich mit genauso finsterer Miene vor ihr auf, wie er sie auch bei ihrem letzten Aufeinandertreffen zur Schau getragen hatte. Doch dann tat er etwas, womit April in diesem Moment niemals gerechnet hätte. Er griff nach ihren Schultern und zog sie an sich. Eine Woge der Erleichterung spülte über April hinweg und glücklich darüber, dass ihr Freund ihr endlich verziehen zu haben schien, erwiderte sie seine herzliche Umarmung. Sie standen mehrere Sekunden in dieser zurückgewonnenen Eintracht und genossen es einfach, den anderen bei sich zu haben. Dann schob Colt sie von sich weg und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, genau wie Saber zuvor. Sein Gesicht war noch genauso steinern wie zuvor, als er mit brummiger Stimme murmelte: „Glaub ja nicht, dass Du mir so einfach davon kommst. Wenn wir zurück sind, dann habe ich einen ganzen Hühnerstall mit Dir zu rupfen und versohle Dir Deinen Allerwertesten!“ damit ließ er sie stehen, sprang mit plötzlich neuer Energie geladen von hinten auf Steeds Rücken und treib das Pferd zum Galopp an. April wischte sich die Freudentränen fort, als sie den Cowboy davonpreschen sah: „Kannst Du gerne tun, Cowboy!“ murmelte sie ergeben. Nun würde alles gut werden, da war sie sicher! Als Colt sich enthusiastisch in seine Satteleinheit schwang, lag ein breites und zufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht: „Hach, so schön wie in Mamis Schoß!“ er warf seinem Freund Fireball einen herausfordernden Blick zu: „Dann gib dem Baby mal die Sporen!“ „Boss“, empörte sich dieser in Sabers Richtung, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen, „der alte Kuhtreiber will schon wieder bestimmen, wo es langgeht!“ „Na, einer muss das ja schließlich in die Hand nehmen, Matchbox, sonst stehen wir hier morgen noch rum und halten Kaffeeklatsch!“ Saber räusperte sich unwirsch: „Ich schätze, ausnahmsweise hat Colt Recht, es wird Zeit, dass wir den guten alten Ramrod in die Luft befördern. Gib Schub, Fireball.“ Der Rennfahrer hob zum Zeichen, dass er den Befehl verstanden hatte den linken Daumen: „Du willst Schub? Schub kannst Du haben“, er drehte sich zu der Satteleinheit hinter ihnen um, „April…“ er blickte in das betroffen und gleichzeitig entschuldigend blickende Gesicht von Christa, „tut mir leid, Christa, Macht der Gewohnheit!“ schnell schaute er wieder nach vorne. „Keine Ursache, ich fühle mich geehrt…“ unbeholfen nahm die rothaarige Frau einige Einstellungen an ihrem Computer vor, um die peinliche Situation zu überspielen. „Solltest Liste führen“, Colt war offensichtlich endlich wieder ganz der Alte, „für jedes fünfte Mal übernimmt unser Kleiner den Abwasch für Dich!“ Christa runzelte die Stirn: „Wie oft muss ich denn abwaschen?“ „Ach Saber, hast Ihr wieder das Kleingedruckte nicht zu lesen gegeben, was?“ Fireball stieg wie selbstverständlich auf die kleine Balgerei ein. „Muss mir wohl entfallen sein…“ gab Saber in seiner typisch trockenen Art zurück und konzentrierte sich seinerseits auf die Daten auf dem Bildschirm vor ihm. Es konnte nicht schaden, wenn die Jungs sich ein wenig austobten. „Immer!“ frotzelte Colt genießerisch und machte es sich in seiner Satteleinheit bequem, als wollte er ein Nickerchen halten. „Wie, immer?“ Christa glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können. „Alte Star Sheriff Weisheit“, amüsierte sich Fireball, „besteige nie ein Schiff…“ „…wenn Du nicht sicher bist, dass mindestens eine Frau für die Kombüse an Bord ist!“ vollendete Colt den Satz ehrerbietig. „Ihr wollt mich doch verarschen, oder? Saber…“ flehend schaute das einzig weibliche Mitglied von Ramrod zu ihrem neuen Boss hinüber. „Das diskutieren wir aus, wenn wir im All sind. Ich will nicht riskieren, dass Du vorher doch noch einen Rückzieher machst“, seine Stimme wurde ernster, „und nun schaff unseren Hintern endlich in die Luft, Fire!“ zufrieden lehnte er sich in seiner eigenen Satteleinheit zurück, als der Kampfkoloss sich mit seiner neuen Crew vom Raumhafen erhob und seinem Schicksal entgegen flog. Sie alle ließen die Menschen zurück, die sie liebten. Doch ihre Freundschaft würde ihnen dabei helfen, diese Probe, die das Leben Ihnen erneut auferlegt hatte, zu meistern und stärker als je daraus hervor zu gehen. Sie waren zwar noch nicht wieder ganz die Alten, aber immerhin hatten die Star Sheriffs soeben bewiesen, dass sie auf dem besten Wege dahin waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)