Dunkel von Chi_desu (sasu/saku) ================================================================================ Kapitel 23: Regen ----------------- Sasukes Schuhe machten seltsame Geräusche auf der aufgeweichten Straße, als er sich mit kontrollierten Schritten seinem Bruder näherte. Als wäre er zu Stein erstarrt, stand Itachi da. Um seinen Kopf war ein blutiger Verband geschlungen, der seine Augen bedeckte. Obwohl er blind war, wusste Sasuke einfach, dass sein Bruder jede seiner Bewegungen genau wahrnahm. Fünf Schritte vor Itachi blieb er stehen. Sein Herz pochte lauter als die Regentropfen auf seiner Kleidung. Das Essen, das er für sich und Sakura gekauft hatte, lag vergessen auf der Straße. Ihm kam der befremdliche Gedanke, dass er Sakura vielleicht nie wieder sehen würde. "Willst du mich nicht angreifen?", fragte Itachi unerwartet. "Nein", antwortete Sasuke mit einem Kopfschütteln. "Ich habe genug. Ich bin es leid, gegen dich zu kämpfen." Und genau so war es auch. Sein Rachedurst war gestillt. Jetzt machte Itachis Anblick ihn nicht mehr wütend, sondern einfach nur... traurig. Natürlich war er sich auch der Gefahr bewusst, die von Itachi ausging, und während er den blutigen Verband anstarrte, der Itachis Augen bedeckte, rechnete Sasuke fest damit, jeden Moment selbst angegriffen zu werden. Aber mehrere Minuten vergingen in unangenehmem Schweigen. Hin und wieder rannte jemand an ihnen vorbei, eilig, um nicht zu nass zu werden. Es waren nur wenige Menschen, aber für eine Begegnung der Uchiha Brüder, ganz gleich wie sie auch ausgehen würde, waren es zu viele. Schließlich setzte Itachi sich in Bewegung und Sasuke folgte ihm wortlos. Nebeneinander standen Sasuke und Itachi an einem kleinen See außerhalb des Dorfes. Als Sasuke begriffen hatte, dass Itachi sich diesen Ort ausgesucht hatte, hatte er verstanden, dass es Itachi nicht um einen Kampf ging. Selbst in seinen Ohren klang das Prasseln der Regentropfen auf die Wasseroberfläche fast unnatürlich laut. Für Itachi mussten sie mindestens nochmal so laut klingen, das wusste Sasuke aus eigener Erfahrung. Hätte er kämpfen wollen, dann hätte er nicht einen Ort ausgesucht, an dem er durch das laute Prasseln noch zusätzlich gehandicapped war. Aber wenn Itachi nicht kämpfen wollte, was wollte er dann? Es dauerte eine ganze Weile, bis Sasuke den Mut aufbrachte, diese Frage zu stellen. Die Antwort war eine Überraschung. "Ich wollte dich warnen", sagte Itachi. "Orochimaru wird mit seiner Armee an diesem Dorf vorbeiziehen. Mach, dass du von hier wegkommst." "Orochimaru?" Sasuke stutzte. "Mit seiner Armee? Wohin ist er unterwegs?" Itachi schwieg einen Augenblick lang. "Er will nach Konoha." Die Nachricht war wie ein Schlag in den Magen. Sasuke brauchte einen Moment, um sich überhaupt der Tragweite dieser Worte bewusst zu werden. Die Tatsache, dass es nicht zu Itachi passte, sich um sein Wohlergehen zu sorgen, rückte in den Hintergrund angesichts der Vorstellung, dass Orochimaru Konoha vernichten wollte. Er verstand selber nicht, warum ihn das so hart traf. Ernst fragte er nach: "Wie viele Männer hat er?" "Nach dem, was ich gehört habe, mehr als genug, um Konohagakure dem Erdboden gleich zu machen." Das Prasseln der Regentropfen wurde fast unerträglich. Vor sich sah Sasuke die schwarze Woge von Sound-Nin, die das Dorf beim letzten Mal gestürmt hatten. Er sah Konoha brennen und der Gedanke war unerträglich. Er wusste, dass die Dorfbewohner keine Chance hatten. Tsunade war, wenn sie überhaupt noch am Leben war, zu schwach, um es mit Orochimaru aufzunehmen. "Wann wird er das Dorf erreichen?", fragte er tonlos. "Bald. Konoha bleiben höchstens noch ein paar Tage." Sasuke hatte geglaubt, er hätte dem Dorf den Rücken gekehrt. Sie hatten ihm sein Augenlicht genommen. Sie hatten ihn verraten. Aber jetzt sah er nur noch die vertrauten Gesichter seiner Freunde vor sich. Kakashi, Lee... Naruto. Naruto würde an vorderster Front kämpfen. Und sie würden ihn umbringen. Ich kann Naruto nicht sterben lassen. Er hat beim letzten Mal sein Leben für mich riskiert. Sasuke traf einen folgenschweren Entschluss. Er musste nach Konoha. Er musste seine Heimat und seine Freunde beschützen. "Sasuke." Die Stimme seines Bruders riss ihn aus seinen Gedanken. "Tu das nicht." Überrascht sah er Itachi an. "Tu das nicht", wiederholte der noch einmal, als hätte er Sasukes Gedanken gelesen. "Wenn du nach Konoha gehst, wirst du auch sterben." Zuerst verspürte er den Drang, sich zu rechtfertigen, aber dann siegte doch etwas anderes. Bitter fragte er: "Seit wann machst du dir um mich Sorgen?" "Denkst du immer noch, dass ich dich hasse?", fragte Itachi. Seine Stimme war kalt und emotionslos wie immer. "Wenn dem so wäre, hätte ich dich vor acht Jahren schon getötet." Die Gesichter seiner Eltern tauchten vor ihm auf, und Sasuke versuchte wirklich, Itachi zu hassen. Aber es wollte ihm nicht mehr gelingen. Im Grunde hatte er längst verstanden, dass Itachi ihn nicht hassen konnte, und er ihn auch nicht mehr. "Ich kann nicht anders", sagte er fest entschlossen. "Ich muss meine Freunde beschützen." "Du hast dich verändert." "Du dich auch." Es wurde still und Sasuke verlor sich in sinnlosen Fragen. Am meisten beschäftigte ihn, wie er es Sakura beibringen sollte. Er musste es ihr sagen, denn sonst würde sie Orochimaru geradewegs in die Arme laufen. Sie würde ihn nicht allein gehen lassen. Aber er wusste, wenn sie sterben würde, dann würde er endgültig daran zerbrechen. Er brauchte Sakura, mehr als alles andere auf der Welt. Sasuke schaute zu Itachi auf und fühlte zum ersten Mal seit langer Zeit eine Sehnsucht nach dem warmen, beruhigenden Lächeln seines großen Bruders in sich aufsteigen. Sag mir, was ich tun soll. Ich will sie nicht verlieren, aber ich kann auch Naruto nicht im Stich lassen. "Ich komme mit", sagte Itachi plötzlich. "Wie... wie meinst du das?" "Ich komme mit nach Konoha. Ich lasse dich nicht sterben." Traurig sagte Sasuke: "Vor acht Jahren hättest du mich beschützen müssen. Jetzt ist es viel zu spät." Er wollte Itachis Hilfe nicht. Der Gedanke, mit Itachi nach Konoha zurückzukehren, war unerträglich. Endlich hatte er sich damit abgefunden, dass Itachi nie mehr der große Bruder werden würde, den er so gebraucht hätte, und jetzt... "Ich brauche dich nicht", sagte er fest und wandte sich von Itachi ab. "Sasuke...", sagte Itachi leise. Aber Sasuke stapfte durch den Regen davon, den Kopf voller trauriger Gedanken. Er wusste selber gar nicht, wie er den Weg zurück zum Hotel fand. Bevor er an der Tür klopfen konnte, riss Sakura sie auch schon auf. "Sasuke! Wo warst du, ich hab mir Sorgen gemacht..." Als sie sah, dass er völlig durchnässt war, hielt sie inne. "Du bist ja ganz nass", sagte sie und nahm seine Hand. Er ließ sich von ihr ins Bad ziehen. Gedankenverloren starrte er an ihr vorbei, während sie ihn hinsetzte und ihm mit einem Handtuch die Haare abrubbelte. Sie erzählte ihm irgendwas, hielt ihm Vorträge darüber, dass er es sich nicht leisten konnte, sich zu erkälten, aber er konnte den Sinn ihrer Worte nicht wirklich erfassen. Sie war mitten im Satz, als er nach ihrem Arm griff. Sakura hielt erstaunt inne, als sie seine Finger an ihrem Unterarm spürte. "Ich habe Itachi getroffen. Gerade eben", flüsterte er. Er hatte eine heftige Reaktion erwartet, aber wieder hatte er sie unterschätzt. "Was ist passiert? Hat er dich angegriffen?", fragte sie, blieb aber ruhig. "Nein. Er war einfach da. Wir haben... uns unterhalten." Überrascht ließ sie die Arme sinken und das Handtuch rutschte ihm auf die Schultern. "Unterhalten?" Wie hätte er ihr das erklären sollen? Er begriff ja selber nicht, warum sie sich nicht gegenseitig an die Gurgel gegangen waren. Stattdessen sagte er: "Er hat mir erzählt, dass Orochimaru auf dem Weg nach Konoha ist. Und zwar mit einer gigantischen Armee. Er wird das Dorf dem Erdboden gleich machen." Jetzt schaffte er es, sie anzusehen. Sie war kreidebleich geworden. Ihr ging es genau wie ihm. Ganz egal, was sie sich geschworen hatten, der Gedanke, dass Konoha vielleicht schon bald nicht mehr existieren würde, traf sie beide schwer. Als hätte sie nicht mehr die Kraft, auf ihren Beinen zu stehen, sank sie auf die Knie. Sasuke beobachtete ihr Gesicht, während sie mit sich kämpfte und versuchte, diese Information zu verarbeiten. Als sie schließlich aufsah, wusste er, dass sie dieselbe Entscheidung getroffen hatte wie er. "Wir müssen sie warnen", sagte er und sprach damit nur aus, was ihnen beiden sowieso schon klar war. "Können wir es denn noch vor Orochimaru schaffen?" "Wenn Itachis Informationen richtig sind, dann ja. Wir sind nur zu zweit, wir können uns schneller fortbewegen." Sie atmete tief ein und aus. "Was tun wir jetzt? Brechen wir sofort auf?" "Nein. Bei dem Wetter kämen wir in der Dunkelheit sowieso nicht weit. Es ist besser, wenn wir heute Nacht hierbleiben und nochmal Kraft tanken für den Weg nach..." Er stockte. Für den Weg nach Hause, hatte er eigentlich sagen wollen. Sie stand auf und nahm ihm das Handtuch von den Schultern. "Dann sollten wir schlafen gehen. Zieh dich um, sonst wirst du noch krank. Und dann komm ins Bett." Das alles war seltsam unwirklich, aber sie beide reagierten schon instinktiv. Eine Mission stand an, und was sie brauchten, war ein Plan und viel Kraft. Wortlos schälte er sich aus den nassen Sachen und sie hing sie zum Trocknen auf. Die Stimmung war düster und gedrückt, als sie sich hinlegten. Sakura hatte seinen Arm umklammert, aber sie sagte nichts. Er hörte, wie der Regen auf das Dach und gegen das Fenster prasselte. Ihm ging so viel durch den Kopf, dass er nicht wusste, womit er sich zuerst befassen sollte. Warum hatte er Itachi nicht angegriffen? War es wirklich so einfach, zu verzeihen? Was würde aus Konoha werden? Selbst wenn alles gutging, würden sie wahrscheinlich nur ein oder zwei Tage vor Orochimarus Heer dort ankommen. Das war nicht genug Zeit, um eine ordentliche Verteidigung aufzubauen oder Verbündete zu benachrichtigen. Und da war noch Itachis Angebot... der Gedanke, es anzunehmen, erschien ihm völlig absurd, aber... "Sasuke?", kam es auf einmal von Sakura. "Was tun wir, wenn wir in Konoha sind?" Er wusste schon, worauf sie hinaus wollte. Dasselbe beschäftigte ihn ja auch. "Wollen wir sie wirklich nur warnen? Wird es ihnen überhaupt helfen?" "Ich denke nicht. Das Heer, das Orochimaru aufgestellt hat, muss gewaltig sein. Er wird das Dorf einfach überrennen." "Du willst ihnen doch helfen, oder?" "Du doch auch." Ernst sagte sie: "Dann werden wir vielleicht in Konoha sterben." "Wenn, dann sterben wir gemeinsam", erwiderte er, und es war ihm todernst. So absurd es war... vielleicht war Itachis Angebot doch etwas, was er mit ihr besprechen musste. "Itachi hat mir angeboten, mitzukommen und uns zu helfen." Einen Moment lang war sie still. Dann: "Du meinst, er will mit uns gegen Orochimaru kämpfen?" "Ja." "Und hast du...?" "Ich habe abgelehnt", antwortete er. "Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob das richtig war. Orochimaru fürchtet einen direkten Kampf mit Itachi, das hat er mir selbst gesagt. Vielleicht sollten wir nochmal darüber nachdenken." Sie überlegte lange, bis sie schließlich vorsichtig sagte: "Ich bin wirklich froh, dass Itachi dir nichts getan hat. Aber findest du dieses Angebot nicht ein bisschen eigenartig?" "Wieso eigenartig?" "Es ist noch nicht so lange her, da hast du Itachi noch aus tiefstem Herzen gehasst", antwortete sie. "Vor drei Jahren hat er dich so zugerichtet, dass ich dachte, du würdest nie mehr aufwachen. Wer sagt dir eigentlich, dass Itachi dir die Wahrheit sagt?" "Wieso sollte er lügen?" "Wir haben ihm immerhin sein Augenlicht genommen. Vielleicht ist er es diesmal, der sich rächen will. Irgendwo auf dem Weg nach Konoha fällt er vielleicht über uns her und bringt uns auch noch um. Hast du vergessen, wer er ist?" "Itachi war schon immer gefährlich, und er ist es blind immer noch. Aber er hat es nicht nötig, zu lügen. Wenn er gewollt hätte, hätte er mich auf offener Straße töten können." Zögernd erwiderte sie: "Bist du dir sicher, dass du ihn da richtig einschätzt? Ich meine, dein Urteilsvermögen war, was Itachi anbelangt, noch nie besonders gut. Woher weißt du, dass er plötzlich auf unserer Seite ist?" Sasuke musste bizarrerweise über ihr Misstrauen lächeln. Vor ein paar Monaten noch wäre er es gewesen, der jeden Eid geschworen hätte, dass man Itachi nie und nimmer vertrauen könnte. Aber jetzt und hier hatte er die Gewissheit, dass Itachis Absichten... irgendwie gut waren. Und das war ein überraschend gutes Gefühl, obwohl er Itachis Hilfe zurückgewiesen hatte. "Er ist mein Bruder. Ich weiß es einfach." Sakura seufzte und kuschelte sich enger an ihn. "Es ist deine Entscheidung. Aber vielleicht kann er uns wirklich helfen. Er ist der einzige, der gegen Orochimaru eine reelle Chance hat." Sasuke nickte in der Dunkelheit. "Ich werde darüber nachdenken." "Sasuke... wenn du sein Angebot abgelehnt hast..." "Er wird morgen auf uns warten. Ganz sicher." Als sich Sasuke und Sakura am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang dem See näherten, fühlte Sasuke sich irgendwie eigenartig. Sein Inneres fühlte sich taub an. Er wusste, dass sie unterwegs in den sicheren Tod waren. Und dass er vorhatte, mit seinem Bruder zu paktieren, um ihre Chancen ein kleines Bisschen zu verbessern. Bis Konoha waren es noch zwei Tagesreisen. Zeit, die er in Itachis unmittelbarer Nähe verbringen musste. Und er wusste selbst nicht, wie er sich dabei fühlen sollte. Überhaupt war seine Haltung Itachi gegenüber absolut zwiespältig. Irgendwie war ihm der brennende Hass verloren gegangen. Er hatte verstanden und akzeptiert, dass auch Itachi ihn nicht hasste. Aber dieser Mann war und blieb der Mörder seiner Eltern und derjenige, der ihn ganz allein zurückgelassen hatte. Und da war noch etwas. Irgendwie, wenn auch ganz schwach, sah Sasuke in Itachi immer noch den großen Bruder. Er erinnerte sich an Itachis warmes Lächeln und seine Art, ihm seine Sorgen und Ängste zu nehmen. In schwachen Momenten überkam ihn eine unstillbare Sehnsucht, nach diesem liebevollen Bruder zu suchen und ihn zu fragen, wie er sich dem Mann gegenüber verhalten sollte, der seine Eltern getötet hatte. Es konnte keine Lösung für dieses Problem geben, denn sein Bruder und der Mörder seiner Eltern waren dieselbe Person. Vielleicht kam daher die plötzliche Gefühlskälte. Um Naruto und Sakura zu beschützen musste er sich auf andere Dinge konzentrieren. Itachi wartete bereits am See, wie Sasuke es vorhergesagt hatte. Im Augenwinkel sah er, wie Sakuras Hand nervös zuckte, so als müsste sie sich beherrschen, um nicht ihren Kunai zu ziehen. Sie wirkte unentschlossen, hin und hergerissen zwischen Fluchtinstinkt und dem Wunsch, sich schützend vor Sasuke zu stellen. Er nahm ihr die Entscheidung ab, indem er den Arm ausstreckte und sie zurückhielt. "Lass mich das machen", sagte er und während sie unentschlossen wartete, ging er die letzten Schritte auf Itachi zu. "Also willst du, dass ich mitkomme?", fragte Itachi. "Ja." Sasuke kämpfte lange mit sich und Itachi wartete geduldig ab. Schließlich beugte er den Kopf, obwohl er nicht wusste, ob sein Bruder es überhaupt sehen oder wahrnehmen konnte. "Hilf mir, die zu beschützen, die ich liebe." *** So, ich hab mich wirklich beeilt dieses Mal, allerdings hat es etwas gedauert, bis Sama und ich völlig zufrieden waren mit dem Kapitel. Diesmal hat meine pöhse, pöhse Betaleserin mich wirklich gequält *ächz* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)