Tödliche Liebe von abgemeldet ((vorerst abgebrochen)) ================================================================================ Kapitel 6: Robert Berrisford ---------------------------- Kapitel 6: Robert Berrisford "Hey", rief Max und suchte das Arbeitszimmer mit den Augen nach Logan ab. Ihr Freund tauchte zerzaust unter dem Schreibtisch auf, eine Minidisk zwischen den Zähnen. Sein "hey!" war nicht mehr als ein unverständliches Brummen. Endlich nahm er die Disk aus dem Mund und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. "Was gibt's?" "Ich brauche Informationen über einen Mann." Logan hob eine Augenbraue. "Das ist mein Job. Hat er einen Namen?" "Ja, er heißt Berrisford. Der Vorname beginnt mit R." Völlig orientierungslos lief Alec durch die Straßen von Seattle. Laufen, immer weiter, nicht stehen bleiben und bloß nicht nachdenken. Plötzlich schnitt ein Klingeln durch die Stille, in Alecs Ohren so schrill, dass es den jungen Mann zusammenzucken ließ. Zitternd vor Anspannung zog er sein Handy aus der Jackentasche. "Ja?" Klavierspiel. Rachel. "Hey, ich versäum ja meine Stunde!" Manticore. Der kleine Mann mit Glatze. Er hält eine Diskette in der Hand. Die, die Alec aus dem Haus der Berrisfords gestohlen hat. "Das, was du uns gebracht hast ist sehr aufschlussreich, 494. Berrisford hat negative Informationen über Manticore und will seinen Freund im Senat informieren." Alec nickt. Exakt so, wie es von ihm erwartet wird. "Es ist wohl an der Zeit, allen Lieferanten eine Botschaft zu senden - etwas Eindeutiges." Der vornehme Typ von letzte Mal spricht mit dem Glatzkopf. Dieser wendet sich wieder Alec zu. "Eliminiere das Ziel morgen. Laut deinen Berichten bringt Berrisford seine Tochter morgens zur Schule?" "Ja, Sir" "Schaff sie beide weg. Ich denke, das ist eindeutig. Und jetzt geh! Die Stunde beginnt um vier." Wie in Trance ließ Alec das Handy sinken. Doch die Musik hörte nicht auf. Noch immer drang das Klavierspiel an Alecs feines Gehör. Eindringlich. Anklagend. Mit einer blitzschnellen Bewegung schmetterte Alec das Handy gegen die Hauswand. Er atmete heftig. So konnte es nicht weitergehen. Es musste etwas passieren. Max starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit der Nacht. Wie lange dauerte das denn noch? Wie auf ein Stichwort hin ertönte Logans Stimme. "Ich glaube, das könnte er sein: Robert Berrisford." Max stellte sich hinter ihren Freund. "Wer ist er?" "Ehemaliger Inhaber von Mercedine. Außerdem war er Spitzenreiter in Genverschmelzungstechnik und Stammzellenforschung." "Er war?", fragte Max mit gerunzelter Stirn. "Ja, das alles endete vor zwei Jahren, als jemand eine Bombe unter Berrisfords Auto platziert hat." "Ist er tot?" "Nein." Logan stützte seinen Kopf in die Hände. "Er hat wohl noch mal Glück gehabt. Ein paar Tage später machte er einen Deal mit dem FBI." "Das FBI versprach ihm Schutz vor weiteren Anschlägen, im Gegenzug stieg er aus dem Genomgeschäft aus?", riet Max. "Bingo!" Logan nickte. "Berrisford schloss die Firma und ging in Pension." "Aber was, zum Teufel, hat das alles mit Alec zu tun?" Logan half Max auf die Sprünge. "Berrisfords Firma hatte einige Verträge mit verschiedenen Regierungsstellen." Er drehte sich zu ihr um. "Aber abgesehen davon, was denkst du, wer sein größter Kunde war?" "Genverschmelzungstechnik und Stammzellenforschung? Klingt nach Manticore, nicht war?" "Der Anschlag zumindest trägt ihre Handschrift." Max sah ihn prüfend an. "Du denkst, Alec ist dafür verantwortlich?" "Wieso nicht? Er war damals ein ergebener Soldat, vielleicht hatte er den Auftrag." "Er sagt, es gibt Dinge, die er vergessen wollte", flüsterte Max nachdenklich. Logan fuhr fort. "Nehmen wir an, ich hab Recht: Alec versucht Berrisford umzubringen, aber die Sache läuft schief. Was ist, wenn der sehr lebendige und bestimmt stocksaure Berrisford Alec ins Blickfeld bekommen hat, als ihr das Päckchen abgeliefert habt?" Das klang einleuchtend. Max spann den Gedanken weiter. "Er heuert ein paar Typen an, um mit Alec abzurechnen." "Und Alec weiß, dass er bei dem Mann, den er umbringen sollte auf der Abschussliste steht. Was wird er tun? Was wurde ihm in Manticore immer wieder gesagt?" "Vor dem anderen zu zuschlagen!" Logan sah Max in die Augen. "Und was wirst du tun?" Max grinste. "Ihn davon abhalten, ne Dummheit zu machen." Sie schnappte sich ihre Jacke. Logan öffnete den Mund, doch Max kam ihm zuvor. "Ich weiß: Sei vorsichtig." Logan lächelte und hoffte, dass sie es tatsächlich sein würde. Ruhig und dunkel, beinahe gespenstisch, lag das Anwesen der Berrisfords vor ihm. "Kommen Sie her, Simon!" Rachels Vater winkt Alec zu sich ins Arbeitszimmer. "Nehmen Sie Platz", fordert Berrisford und der Soldat gehorcht. "Wollen Sie einen Drink?" "Nein, danke." "Um diese Tageszeit trinke ich normalerweise auch nicht, aber... na ja ... ein paar geschäftliche Probleme." Alec schluckt und sieht unbewusst zu Boden. Als Robert Berrisford weiter spricht, fällt Alec etwas in seiner Stimme auf. Etwas wie...Mitleid? "Es tut mir sehr leid, Simon, aber ab Ende der Woche werden wir ihre Dienste nicht mehr benötigen. Ich schicke Rachel für eine Weile weg." "Oh ..." "Sie besucht ihre Großeltern in New York." Hoffnung regt sich in Alec. Wenn Rachel zur Zeit des Anschlages schon in New York wäre... "Ich habe es ihr noch nicht gesagt und ich wüsste es zu schätzen, wenn das im Augenblick noch unter uns bleiben könnte." Rachels Vater hält Alec einen Scheck hin. Der X5 steht auf. "Ja, Sir." Gedankenverloren starrt Mr. Berrisford den jungen Freund seiner Tochter an. "Es muss schön sein." Verwirrt erwidert Alec seinen Blick. "Sir?" "Wenn man jung ist, so wie Sie. Keine Verantwortung, keine Pflichten." Alec zwingt sich zu einem Lächeln. "Ja, Sir." "Wenn man erst Kinder hat, ändert sich alles. Man versucht, das Richtige zu tun weil man will, dass sie stolz auf einen sind. Aber manchmal läuft das Richtige einfach falsch..." Alec versucht, seine Betroffenheit zu verbergen. Wieso erzählt ihm dieser Mann das alles? "Wie auch immer. Ich beneide Sie." Wieder probiert Alec ein ungezwungenes Lächeln, doch diesmal will es einfach nicht gelingen. "Hey, ich versäum ja meine Stunde!" Rachel taucht hinter Alec auf. Fragend blickt er Mr Berrisford an. Dieser lächelt. "Gehen Sie nur." Doch als Alec sich zu Rachel umdreht, läuft sie an ihm vorbei und fällt ihrem Vater in die Arme. Mr Berrisford drückt sie zärtlich an sich. Alec schwirrt der Kopf. Das ungute Gefühl der letzten Wochen wird fast greifbar. Was ist es? Schuld? Ebenso wie Liebe ist Schuld etwas, womit er nichts anfangen kann. Doch möglich wäre es. Wieder blickt er zu Rachel und Robert Berrisford. Wird er wenn es darauf ankommt, kalt genug sein können, diese kleine, glückliche Familie zu zerstören? Manticore. "Du weißt, was dein Auftrag ist?" "Ja Sir! Es ist nur..." "Nur was, 494?" "Sir, ich kann Berrisford eliminieren, ohne die Tochter umzubringen. Ein Rundumschlag erscheint mir einfach unnötig." Der kleine Glatzkopf funkelt ihn drohend an. "Du bist nicht der Leiter der Mission, 494. Du hast keine Meinung, du hast nur unseren Befehlen zu folgen!" "Ja, Sir!" "Bist du fähig, diese Befehle auszuführen?" Sein Blick bohrt sich in Alecs. Leise, kaum hörbar fällt seine Antwort aus. "Ja, Sir." "Wenn wir aus irgendwelchen Gründen das Vertrauen in dich verlieren, brauchen wir dich nicht mehr!" "Ja, Sir." "Dann wäre das also klar?" "Ganz klar." Erst nach ein paar Sekunden dämmert Alec, dass er etwas vergessen hat. "Sir." Den Blick auf das Haus gerichtet sprang Alec über den Zaun. Alec im Garten der Berrisfords. Verdeckter Teil der Mission: Keine Brille, kein Anzug. Niemand wird ihn sehen. Aus seiner Tasche holt Alec eine komplexe Bombe. Sie besitzt eine Fernzündung. Den Sender steckt Alec in die Jackentasche. Sorgfältig prüft er die Einstellungen des Sprengsatzes. Nachdem er ihn aktiviert hat, legt er ihn in einen kleinen Kasten aus Metall. Der wird unter dem Auto nicht auffallen. Perfekt. Die Kiste ist unter dem Auto der Berrisfords angebracht. Alec versteckt sich im Gebüsch, den Sender in der Hand. Von hier aus hat er das ganze Anwesen im Blick. Den Garten, das Haus, die Fenster. Rachels Fenster. Alec starrt nach oben. Rachel packt gerade ihre Sachen. Er versucht, den Blick abzuwenden, versucht, sich auf seine Mission zu konzentrieren. Er weiß, er wird keine zweite Chance bekommen. Ein Fehler und Manticore wird ihn nicht mehr brauchen... Doch diesmal siegt sein Herz über den Verstand. Die Liebe ist stärker als der eigene Instinkt zu Überleben. Den Zünder noch immer in der Hand, schleicht Alec am Auto vorbei, quer durch den Garten, hinein ins Haus. Hinter sich hört er, wie Robert Berrisford in das Auto steigt. Auf der Treppe rennt Alec Rachel fast über den Haufen. "Simon, was ist denn los?" "Wir haben nicht viel Zeit!" Verwirrt tritt Rachel einen Schritt zurück. "Was meinst du?" Er packt sie bei den Armen. "Rachel, hör mir zu! Du und dein Vater, ihr müsst sofort verschwinden!" "Wieso?" "Ich werde sagen, ihr seid mitten in der Nacht aufgebrochen, aber ihr müsst sofort fahren!" Sein Griff wird fester. "Du...du tust mir weh!" "Komm jetzt mit!" Alec versucht, sie die Treppe hinunter zu zerren, aber Rachel reißt sich los. Hastig springt sie ein paar Schritte zurück, aus Alecs Reichweite. "Sag mir, worum es geht. Bitte." Alec sieht sie unsicher an. Er will nicht, dass sie es erfährt. Will nicht ihren Respekt, ihre Bewunderung verlieren. Doch er hat keine Zeit mehr. "Okay..." Alec hat keine Ahnung, wo er anfangen soll. Nach mehreren Versuchen, bei denen er kein Wort heraus bekommt, bringt er es einfach auf den Punkt. "Ich wurde geschickt, um deinen Vater zu töten." Rachel starrt ihn an. "Das war mein Job. Du warst mein Job." Die Enttäuschung in ihren Augen bricht ihm das Herz. Er weiß, sie wird nie wieder dasselbe für ihn fühlen. Und diese Erkenntnis schmerzt weit mehr als die Ohrfeige, die diesen Worten folgt. Rachel fängt an zu schluchzen und hastet die Treppe hinunter. "Rachel!" Alec dreht sich um, versucht sie festzuhalten doch Rachel schüttelt ihn ab und läuft auf das Auto zu. Verwirrt starrt Alec auf die Kette in seiner Hand. Der Herzanhänger. Er muss ihn ihr aus Versehen vom Hals gerissen haben. Rachels Schreie lassen Alec aufblicken. "Daddy! Daddy!" Er rennt ihr hinterher ins Freie. Will sie dazu bringen, ihm zuzuhören. Was hat er jetzt noch zu verlieren? Die Mission ist so oder so gescheitert. Alec nähert sich dem Wagen, folgt Rachels Schreien. Er überlegt, ob er sie einfach in Ruhe lassen soll. Aus ihrem Leben verschwinden. Die Entscheidung wird ihm auf grausame Weise abgenommen. Der Krach hinterlässt in Alecs feinem Gehör das Gefühl, jemand hätte sein Trommelfell zertrümmert. Der Explosionsdruck wirft ihn um. Er fällt...und kann nicht begreifen, warum. "Rachel!!!" Jemand schreit. So laut. Alec braucht einen Moment, um zu begreifen, dass es seine eigene Stimme ist. Ein Auto hält vor Alec, doch er sieht nur den in Flammen stehenden Wagen der Berrisfords. "Steig ein!" Alec sieht auf. Der Fahrer hält einen Zünder in der Hand. Er ist von derselben Art, wie sein eigener. Nur steckt seiner noch unbenutzt in der Tasche. "Na los!" Alec wird von zwei Kerlen gepackt und auf den Rücksitz gestoßen. "Rachel! Nein!" Sie haben sie getötet... sie haben sie getötet... Schmerzen... Sie verändern seine Erinnerungen, seinen Verstand. Schmerzen... Rachel. "Ich liebe dich." Alec. In Manticore. In einer Zelle, so tief unter der Erde. Keine Erinnerungen, keine Gedanken, keine Gefühle. Nur der Schmerz vergeht nicht... Klavierspiel erklang und Alec rannte los. "Rachel!" Der X5 trat die schwere Eingangstür ein und schlug auf der Treppe zwei Bodyguards bewusstlos. Niemand durfte ihm im Weg stehen. Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Ganz vorsichtig näherte er sich dem Raum, aus dem die Klavierklänge zu kommen schienen. Schritt für Schritt näherte er sich Rachels Zimmer. Und dann sah er sie. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, wie bei ihrer ersten Begegnung. Doch etwas stimmte nicht. Das Haar, die Figur... Dann drehte sie sich um. Und Alec blickte in ein völlig fremdes Gesicht. "Wo ist sie?", schrie er das Mädchen an. Dann hörte er ein Klicken hinter sich. "Willkommen, Simon." Und Alec spürte den Lauf einer Pistole in seinem Nacken. Wenig später saß er gefesselt auf einem Stuhl. Und vor ihm Robert Berrisford, der wie von Sinnen auf ihn einredete. "Du bist in mein Haus gekommen, hast vorgegeben, dir liegt etwas an meiner Tochter-" "-so war es auch, ich-" "Halt's Maul!" Rachels Vater schlug Alec mit der Faust ins Gesicht. Warmes Blut lief Alecs Kinn hinunter. Berrisford stützte sich auf die Stuhllehnen, sein Gesicht war nur ein paar Zentimeter von Alecs entfernt. "Lüg mich nicht an!" Alec sah ihm in die Augen. "Sie haben angerufen und die Musik laufen lassen." Mr. Berrisford nickte. "Ich musste dich irgendwie hierher locken." Alec versuchte, sich zu fassen. Doch in seinem Kopf drehten sich die Gedanken. "Was haben sie jetzt vor?" Rachels Vater erhob sich, ging ein paar Schritte zurück und richtete die Pistole auf Alec. "Was werde ich wohl vorhaben?" Alec starrte auf die Waffe. Er hatte Angst. Er wollte nicht sterben. Und doch gab es selbst in diesem Moment Wichtigeres für ihn: Die Frage, die ihn schon seit zwei Jahren beschäftigte. "Was ist mit Rachel?" "Sie haben es dir nicht gesagt.", stellte Robert Berrisford betroffen fest. Alec schluckte. Berrisfords Tonfall gefiel ihm nicht. "Sie hat mir damals das Leben gerettet. Wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätte es mich im Wagen erwischt." Wieder beugte er sich vor, um Alec in die Augen sehen zu können. "Aber sie hatte nicht so viel Glück. Sie wurde von der Explosion getroffen und fiel ins Koma. Sie ist bis heute nicht wieder aufgewacht." Eine Träne lief Mr. Berrisford die Wange hinunter. "Seit zwei Jahren liegt Rachel im Sterben. Kannst du dir vorstellen, wie das ist? Wenn jemand, den man liebt mit jedem Tag weiter wegtreibt? Hast du überhaupt eine Ahnung, was du getan hast?!" Verzweifelt versuchte Alec den Sinn der Worte zu erfassen. Und dann, als Robert Berrisford leise schluchzend die Pistole auf Alecs Schläfe richtete, begriff er. Er hatte sie umgebracht. Mit stumpfen Augen sah er zu Berrisford hoch. Der zögerte. "Worauf warten sie noch?" Alec sah ihn an. "Schießen Sie, ich hab's verdient!" Berrisfords Hand begann zu zittern. Alec verlor die Nerven: "Tun Sie's!!!" Dann ging alles rasend schnell. Wie aus dem Nichts stand auf einmal Max neben Berrisford und schlug ihm den Ellenbogen ins Gesicht. Rachels Vater sank ohnmächtig zu Boden. Alec zitterte am ganzen Körper. Max machte sich an seinen Fesseln zu schaffen. Sie fühlte fast so etwas wie Mitleid für diesen jungen Mann, der so unvorstellbar verwirrt und hilflos aussah. Es dauerte einen Moment bis Alec seine Gedanken so weit geordnet hatte, dass er sprechen konnte. "Was machst du hier?" "Ich rette deinen Arsch. Ich hab dir gesagt, bitte um Hilfe bevor es zu spät ist und du hast mal wieder alles vermasselt!" "Und ich hab dir gesagt, lass mich in Ruhe!" Alec stand auf und stolperte aus dem Zimmer. Er wusste genau, wo er hinwollte. Jetzt war die Zeit gekommen. Er würde Rachel wieder sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)