Rainy Days von Selenay (Daiken) ================================================================================ Kapitel 2: Chapter 2 -------------------- Rainy Days II Dort wickelte Ken die Decke um sich und setzte sich wieder in seine Ecke. Kurze Zeit hatte er aufgehört zu zittern, doch jetzt fing es wieder an. Selbst die Erinnerung an die zimtfarbenen Augen des anderen Jungen konnte ihn nicht erheitern, wusste er doch, dass er ihn nie wieder sehen würde. Warum machte er sich überhaupt solche Illusionen, dass jemals irgendwer ihn mögen würde? Warum entfachte so eine kurze Begegnung wieder die Hoffnung in seinem Herzen, die er doch eigentlich schon vor langer Zeit aufgegeben hatte? Leicht schüttelte er den Kopf über seine Gedanken und zog die Decke noch enger. Draussen nieselte es nurnoch ein Wenig und die Blitze hatten aufgehört. Langsam brach die Dämmerung herein und tauchte sein Zimmer in schummeriges Licht. Ken lehnte seinen Kopf zurück an die Wand und schloss die Augen. Wieder versank er in seiner Welt aus Einsamkeit und bemerkte es nicht einmal, als die Tür leise geöffnet wurde und seine Mutter ihn besorgt musterte. In dieser Position verharrte er bis zum Morgen, als ein Klopfen an der Tür ihn aufweckte. Schnell stand er auf, duschte sich, zog seine Schuluniform an und machte sich auf den Weg, wiederholte die tägliche Routine. Seine Mutter seufzte, weil er wieder einmal das Haus ohne Frühstück verließ, doch er ignorierte es einfach. Mit gemächlichen Schritten überquerte er die Strasse und machte sich auf den zwanzigminütigen Weg zur Tachmachi Mittelschule. Einige Zeit hatte er sich davor gefürchtet dorthin zu gehen, hatte die Blicke seiner Mitschüler nicht mehr ertragen, doch dies war nun einer starren Gleichgültigkeit gewichen. Kein noch so kleines Zeichen seiner Gefühle dran nach aussen. Selbst als ihn ein Junge aus seiner Klasse absichtlich anrempelte und er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte, sagte Ken nichts. Eine Gruppe Mädchen, die neben ihm ging kicherte unentwegt und hin und wieder schauten sie in seine Richtung. Auf dem Schulhof gingen ihm alle Schüler entweder aus dem Weg oder schrien ihm Beleidigungen entgegeben. Auch diese ignorierte er scheinbar, doch innerlich brach wieder ein kleines Stück von ihm zusammen, wie jeden Tag. Er beschleunigte seine Schritte und rannte fast zu seiner Klasse. Noch niemand war im Klassenraum, doch Ken ging sofort zu seinem Tisch in der letzten Reihe. Niemand sonst ausser ihm saß dort, weil niemand neben dem 'Streber' sitzen wollte. Er packte seine Sachen aus und wartete. Zehn Minuten später klingelte es zur ersten Stunde und der Klassenraum füllte sich langsam. Nachdem alle Schüler auf ihren Plätzen saßen, betrat der Japanischlehrer ebenfalls die Klasse und begann den Unterricht. Niemand beachtete Ken und er selbst meldete sich nie, sagte nur etwas, wenn er gefragt wurde. Jedes Mal wurden ihm hasserfüllte Blicke zugeworfen und einige der Jungs gingen sogar so weit ihn hinter dem Rücken des Lehrers mit Papierkügelchen und anderen Dingen zu bewerfen. Ken tat nichts, wehrte sich nicht, sondern starrte einfach nur sturr nach vorne auf die Tafel. Was hätte es ihm auch gebracht sich zu wehren? Er gehörte nicht zur Klassengemeinschaft und würde nie dazugehören. Anfangs hatte er sich immer verzweifelt gefragt, was denn so falsch daran war intelligent zu sein, doch diese Fragen waren nach einiger Zeit dem einfacheren 'Es ist falsch' gewichen. Die meisten Lehrer nahmen Ken nicht einmal mehr dran, weil sie genau wussten, was dass bei seinen Mitschülern auslöste. Allerdings scherten sich die meisten Lehrer auch nicht weiter darum. Für Ken vergingen die Schulstunden nur sehr langsam und jede einzelne kam ihm wie eine kleine Ewigkeit vor. In den Pausen blieb er grundsätzlich auf seinem Platz sitzen und aß wie mechanisch das Essen, das seine Mutter ihm eingepackt hatte. Er merkte gar nicht was er aß, es war einfach nach einer Weile zur Gewohnheit geworden. Leicht zuckte er zusammen, als ihn plötzlich eine Hand an der Schulter berührte. Als er den Kopf hob, schaute er in ein paar blaue Augen, das ihn besorgt musterte. Vor ihm stand Mizuno-sensei, seine Englischlehrerin. "Ken, geht es dir nicht gut?" Verwundert schaute er die Frau an, die vor ihm stand. Nie zuvor hatte sich eine Lehrkraft an ihn gewandt, egal aus welchem Grund. Verwirrt schüttelte er den Kopf und starrte wieder seinen Tisch an. Da sie eine Antwort zu erwarten schien, antwortete er mit einem Kurzen 'Nein alles in Ordnung'. Als er wieder aufsah, schüttelte sie seufzend den Kopf und verließ den Raum. Noch jemand der ihn aufgegeben hatte, genau wie er sich selbst. Was hatte es für einen Sinn, die Situation ändern zu wollen? Es würde ja doch nichts bringen. Der Rest des Schultages verlief völlig normal und Ken hatte sich bereits wieder von der Unterbrechung seiner Routine erholt, auch wenn diese ihn ein Wenig aus der Bahn geworfen hatte. Für einen Augenblick hatte er den Eindruck gehabt, dass diese Frau sich wirklich dafür interessierte wie es ihm ging, aber auch sie hatte sich von ihm abgewendet, wollte nichts mit ihm zu tun haben. Auf seinem Weg nach Hause beachteten ihn nun auch seine Mitschüler nicht mehr, da sie schnell nach Hause wollten und keine Zeit hatten einen unwichtigen Streber zu massakrieren. Als er zu Hause ankam, hatte seine Mutter das Essen vorbereitet, doch er schüttelte nur den Kopf und ging in sein Zimmer. Dort zog er sich um und erledigte seine Hausaufgaben. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihm, dass sich wieder ein Sturm zusammenzubrauen schien. Den ganzen Tag war der Himmel schon grau gewesen und dennoch hatte es nicht nach Regen ausgesehen. Ken jedoch freute sich darüber, dass es wieder regnen würde und ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Unweigerlich schweiften seine Gedanken jedoch zum vorherigen Tag und schon wieder machte sich dieser kleine Funken Hoffnung in ihm bemerkbar. Mit zusammengebissenen Zähnen schüttelte er den Kopf und kauerte sich wieder in die Ecke auf seinem Bett. ~*~*~*~*~*~ Unwillig folgte Daisuke noch immer Takeru und Hikari, die sich weiterhin angeregt unterhielten, aber keinen Versuch machten ihn mit einzubeziehen. Das machte ihn traurig, aber er sagte nichts. Der Regen war mittlerweile auf eine Nieseln zurückgegangen, aber dennoch frohr der Brünette leicht in seinen nassen Sachen. Er hoffte nur, dass er sich keine Erkältung einfangen würde. Gerade war er wieder in eine riesige Pfütze getreten und das Wasser war ihm bis zu den Knien hochgespritzt. Das Einkaufszentrum war bereits in Sichtweite und Daisukes Laune fiel noch um ein gutes Stück, als er die vielen Menschen mit ihren Regenmänteln in den schillerndsten Farben sah. Er war kein Teil davon, in der großen Menschenmenge würde ihm niemand auch nur die geringste Beachtung schenken. Hikari zog Takeru bereits in das erste Bekleidungsgeschäft und warf ihm einen Seitenblick zu, den man nur als 'Verschwinde bloss!' verstehen konnte. Daisuke überlegte nicht lang und ließ die beiden allein. Takeru hatte sich nicht einmal zu ihm umgedreht und wenn er ihn fragen würde, konnte er immer noch behaupten, dass er die beiden im Gedränge verloren hatte. Der brünette Junge schlenderte eine Weile durch die verschiedensten Geschäfte und ließ sich schließlich in einem der kleinen Cafés nieder. Dort bestellte er sich eine heiße Schokolade um sich ein Wenig aufzuwärmen. Lange hielt er den Becher nur in den Händen um seine kalten Finger zu wärmen, setzte ihn schließlich jedoch an die Lippen und begann die braune Flüssigkeit mit kleinen Schlücken zu trinken. Daisuke bekam eine Gänsehaut, fühlte sich aber sogleich besser. Durch die Glasscheibe beobachtete er weiter die Menschen um sich herum. Eltern, die schmunzelnd ihre umhertollenden Kinder beobachteten, Liebespaare, die sich, wenn sie glaubten das niemand zusah, schnell einen Kuss gaben, nur um hinterher rot anzulaufen und gestresste Erwachsene, die ihre wöchentlichen Einkäufe zu erledigen schienen. Einmal sah er auch Takeru und Hikari. Die beiden sahen glücklich aus, hatten ihn völlig vergessen. Überhaupt schien sich niemand mehr für ihn zu interessieren. Früher war er immer nur glücklich lachend durch die Gegend gezogen, hatte jeden Tag etwas mit seinen Freunden unternommen. Wo waren diese Freunde alle geblieben? Es hatte nicht mehr als ein Lügen erzählendes Mädchen gebraucht, damit sich die Freundschaft in Luft auflöste. Daisuke versuchte diese Gedanken beiseite zu schieben, doch es gelang ihm nicht. Je mehr er es versuchte, desto mehr musste er daran denken. Er ließ den Nachmittag noch einmal Revue passieren und stoppte mit seinen Gedankengängen bei der 'Begnung' mit den anderen Jungen, auch wenn man diese eigentlich nicht als solche bezeichnen konnte. Ob es dem anderen wohl auch so ging? War er genauso allein und verlassen? Der Junge mit der Fliegerbrille schüttelte den Kopf. Nein, ganz sicher nicht. Auch wenn er versuchte es sich einzureden, glaubte Daisuke seiner eigenen Vermutung nicht ganz. Er verspürte den Drang zurück zu diesem Wohnblock zu gehen und den Jungen danach zu fragen. Doch sein Verstand stellte sich dagegen, er konnte schließlich nicht einfach so dort klingeln und ihn fragen. Er wusste nicht einmal seinen Namen! Schließlich machte er sich auf den Weg nach Hause, wollte endlich aus seinen nassen Sachen heraus. Als er dort ankam, war seine Schwester noch immer nicht wieder da, aber das machte Daisuke nichts. Schnell zog er sich aus und ließ sich Wasser in die Badewanne. Ein Bad würde ihm ganz sicher gut tun. Behende ließ er sich ins Wasser gleiten, wollte nicht die Hälfte auf dem Fußboden verteilen und seiner Mutter wieder einen Grund zum ausflippen geben. Selbst seine Eltern wollten ihn nicht mehr. Sie sahen nur seine Schwester und unterstützten diese, so gut sie konnten. War er denn wirklich gar nichts Wert? Daisuke tauchte unter und verharrte dort einige Sekunden. Wie leicht konnte er einfach nicht wieder auftauchen... Er könnte einfach abwarten, bis ihm die Luft ausging und trotzdem unter Wasser bleiben. Dann würde er auch niemandem mehr zur Last fallen. Prustend und nach Luft schnappend tauchte er wieder auf, strich sich die Haare aus den Augen. Er konnte es nicht tun, nicht solange sich vielleicht noch etwas zum Guten veränderte, auch wenn er nicht wusste was. Der Brünette zitterte leicht, als die nicht gerade warme Luft an seinen nassen Körper drang. Schnell wickelte er sich in ein großes Handtuch und trocknete sich ab. Danach ließ er das Wasser abfließen und hing das Handtuch über den Wannenrand. Nur mit Boxershorts und T-Shirt bekleidet, legte er sich ins Bett und starrte an die Decke. Die Leuchtziffern auf seinem Wecker sagten ihm, dass es erst 20:30 Uhr war, eigentlich zu früh zum schlafen, doch es kümmerte ihn nicht. Innerhalb von fünf Minuten war er eingeschlafen, denn in den Schlaf konnten ihn wenigstens seine Gedanken nicht verfolgen. Am nächsten Morgen war er sogar vor dem Weckerklingeln wach, was ihm sonst nie passierte. Gähnend schälte er sich aus seiner Bettdecke, suchte sich Kleidung aus dem Schrank und zog sich gemächlich an. Am Frühstückstisch wurde er schief angeschaut, dann aber mit nichts weiter als einem knappen 'Morgen' begrüßt. Schweigend aß er eine Scheibe Toast, machte sich sein Lunchpaket und packte seine Schulsachen zusammen. Ohne weiteren Gruß verließ er das Haus und ging einem weiteren einsamen Schultag entgegen. To be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)