Black Hole Sun von Dels ================================================================================ Kapitel 4: [ Fade to black ] ---------------------------- "Zimmerservice!" Das wollte ich schon immer sagen. Leider bringt mir das in diesem Fall wenig, ich könnte genauso mit einem Megafon durch die Gegend brüllen: "Hallo Elena, ich bin's, Klement, mach mal die Tür auf!" Aber das tue ich nicht, Elena wird mich schon früh genug bemerken. "Hallo?" dringt es dumpf durch die Tür und ich sehe mich genötigt, mich doch auszuweisen. "Klement.. Richter! Wir haben uns.." Die Tür geht auf und eine ebenso überraschte wie leichtbekleidete Elena Sacharov steht vor meinem männlichen Ortungssinn. Und das, was er ortet, gefällt ihm ausserordentlich. Elena scheint vor Kurzem noch unter der Dusche gestanden zu haben, ihre Haare glänzen feucht und ihr Körper steckt (vermutlich nackt) unter einem Morgenmantel. "Klement? Was.. was machen Sie denn hier? Kommen Sie rein, Sie sind ja ganz nass!" Fast hätte ich etwas geantwortet, kann es aber noch geradeso herunterschlucken. Darauf grinst Elena breit, ich glaube irgendwie scheint sie doch Gedanken lesen zu können. Vielleicht war dieser Blick von mir auch nur allzu offensichtlich. Aber nix heute mit Flirten. Der Koffer ist wichtig! "Wie haben Sie mich gefunden?" fragt Elena doch etwas misstrauisch. Ich grinse nur und erzähle ihr, wie ich das arme Mädchen am Empfang eingelullt habe. "Soso.. na dann , was verschafft mir die Ehre des Besuches?" Unauffällig lasse ich den Blick durch das Zimmer schweifen und entdecke auch prompt den Koffer neben den anderen Taschen und Hartschalenkoffern. Ungeöffnet. Sie scheint zum Glück wirklich noch nicht hineingeschaut zu haben. Und ihre Geschäftsutensilien scheint sie auch nicht zu vermissen. Glück gehabt! "Die Sache ist so... dem Fahrer des Taxis ist anscheinend vorhin ein Missgeschick passiert. Er hat aus Versehen unsere Koffer vertauscht.." mein Kopfnicken deutet auf den schwarzen Koffer am Boden, Elena folgt dem Blick. "So, das heisst, das ist Ihr Koffer? Das hatte ich garnicht bemerkt. Natürlich tauschen wir wieder, es tut mir leid, dass Sie deshalb den Weg hierher nocheinmal zurücklegen mussten!" Irgendwas an Elena ist anders. Ich weiss nicht wieso, aber sie kommt mir.. seltsam vor. Sie schaut in die Luft. Ihre Stirn runzelt sich, als würde sie angestrengt überlegen. "Was ist denn?" Dann geht das Licht aus. "Na sowas, Stromausfall?" Elena neben mir geht in Richtung Fenster und erst jetzt fällt mir auf, dass es zusammen mit dem Licht auch laut geworden ist. Draussen ist jetzt alles stockdunkel. Keine Neonreklame leuchtet, keine Strassenlichter brennen, keine Ampeln. Der Krach kommt von den Dutzenden von Autos, die hupend auf der Strasse stehen, in der Mitte der Kreuzung sind zwei Autos aneinander geschrammt. "Passiert sowas hier öfter?" frage ich in die Dunkelheit, denn sehen kann ich hier drinnen garnichts mehr. Haben die hier denn keine Notbeleuchtung? "Elena?" Etwas hinter mir rumort und ich hätte mein letztes Hemd gegeben, wenn jetzt das Licht angegangen wäre. Denn allein die Geräusche und ein schwaches Schemen kurbeln meine Phantasie an und zeigen Elena, die sich gerade anzieht. "Keine Angst, das Licht müsste bald wieder angehen. Das Hotel muss ein Notstromaggregat haben.." Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Elena mir überhaupt nicht zuhört. Sie zieht sich in Windeseile an und fängt an hecktisch irgendwelche Sachen in eine Sporttasche zu stopfen. "Was... was machen Sie da, Elena? Es müsste doch gleich wieder.." "Halt die Klappe Klement und komm mit! Wir haben keine Zeit mehr!" Mit offenem Mund starre ich Elena an, die energisch nach meinem Arm greift und mich aus dem Zimmer zu zerren versucht. Was ist denn jetzt los, bin ich im falschen Film gelandet? Ich dachte, das hier ist kein James Bond! Oder hat Elena etwa solche Angst, dass sie so übertrieben reagiert? .. Nun, meine Aufgabe als Mann wäre es jetzt natürlich, das Mädchen zu beruhigen und ihr klarzumachen, dass sie keine Angst zu haben braucht. Aber Elena ist nichts entgegenzusetzen, sie zieht und zerrt an mir, dass ich gerade noch den Koffer packen kann und schon rennt sie nach draussen. Auf dem Flur stehen jetzt mehrere Leute, die sich über den Stromausfall wundern, der anscheinend das ganze Stadtviertel betreffen muss, schon hört man Feuerwehr und Krankenwagensirenen lauter werden. Durch die Halle, zum Eingang. "Elena, was soll das, Sie sind ja total hysterisch! Das ist doch nur ein Stromausfall! Ich geh da jetzt nicht raus, erklären Sie mir bitte, was zum Teufel sie geritten hat?" Aber Elena ist taub. Zumindest scheint das so. Sie sucht stattdessen den Raum ab, ihre dunklen Augen huschen von einer Seite zur anderen. Langsam habe ich genug. Ich habe den Koffer und sollte wieder zurück zum Professor und seinem Killerwiesel. Sonst bekomme ich Ärger, immerhin eilt es. "Also dann, machen Sie es gut, ich bin sicher wir sehen uns noch einmal.." Schon hab ich die Hand an der Tür, als Elena mich zurückreisst. "Geh da nicht raus! Komm mit, los! Wir müssen irgendwo hin, wo keine Geräte sind!" erstaunt starre ich dieses junge, energische Ding an, das förmlich an meinem Arm klettet. Ah so. Sie hat ganz klar Angst und will nicht alleine gelassen werden. Normalerweise würde ich jetzt den Beschützer spielen, aber ich habe KEINE ZEIT! "Lassen Sie los, Elena, ich hab es eilig! Wirklich! Haben Sie keine Angst, der Strom.." Der Angriff kommt so überraschend, dass ich einfach überrollt werde, Elena liegt auf mir und ich auf dem Boden der Halle, um uns herum rumort es, gerade will ich schimpfen und aufstehen, als etwas Ohrenbetäubendes kracht. Für einen schrecklichen Moment ist alles grell um uns, die Lichter gleisen auf, draussen dringt ein metallenes Kreischen herein, das so gewaltig ist, dass mir davon der Schädel dröhnt. Und dann spüre ich sie.. die Luft, ich kann die Luft fühlen, jedes einzelne Atom ist geladen, voller knisternder Energie, berstend vor Elektrizität. Die Lichter zerplatzen funkensprühend, ebenso wie Monitore, die in einem Lärm zersplittern, der alles noch viel surrealer macht, als es sowieso schon ist. Und dann ist alles dunkel. Die Luft dampft, sie ist noch voller geladener Teilchen. Um uns herum liegen Splitter, irgendwo bitzelt etwas, Menschen stöhnen. Und dann bemerke ich den Geruch. Ein beissender Geruch verbrannten Fleisches. Er ist überall und so heftig, dass mir schlecht wird. "Elena? Elena, alles okay??" Der Körper über mir bewegt sich und rollt von mir herunter. "Alles okay. Und du, bist du verletzt?" Ich verneine, aber der Schock sitzt mir immernoch in den Knochen. "Was.. war das?" Elena steht langsam auf und ich folge ihr in die Senkrechte. Langsam höre ich sie wegbewegen und schnappe rechtzeitig nach ihrer Hand. "Elena, was ist da passiert?" Sie dirigiert uns zur Tür und durch die Scheibe kann ich schemenhaft ein Bild erkennen, dass mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es regnet noch immer aber sonst ist es mucksmäusschenstill. Die Scheinwerfer der Autos dringen vereinzelt durch das pechschwarze Dunkel und beleuchten eine Horrorvision. Überall liegen Menschen auf der Strasse, im Regen und rühren sich kein Stück. Ihre Körper dampfen. Und plötzlich weiss ich, wie dieser bestialische Gestank zustande gekommen ist. "Das.. das ist doch.." Der Strom war zurückgekommen. Aber nicht allmählich, sondern mit einem Schlag, eine gewaltige Masse an Energie war durch die Leitungen gepresst worden. Lichter waren gesprungen, Stromleitungen geplatzt. Die schwarzen Schnüre liegen wie Seile auf der Strasse, der Stromstoss der Hochspannungsleitung hat sie voll erwischt. Durch den Regen war der Strom durch jeden Körper gekrochen, den er finden konnte und hatte das Fleisch von innen verbrannt. "Mein.. Gott.." Ich kann meinen Blick nicht von dieser Grausamkeit wenden, sehe nur immer mehr leblose Körper, die langsam aufhören zu dampfen unter diesem Regenschauer. Einzig in den Autos bewegen sich noch Menschen, wagen nicht auszusteigen, ihren sicheren Käfig auf Gummireifen zu verlassen. Ich wäre jetzt genauso tot... "Elena! Woher.. du hast.. ich doch..!" stammle ich fassungslos. Elenas seltsames Verhalten bekommt einen Sinn. Sie WUSSTE, was dort draussen passieren würde. Und sie hatte mir das Leben gerettet, indem sie mich daran gehindert hatte, hinaus zu gehen. Aber.. WOHER um Himmels Willen hatte sie das gewusst?? Allerdings erwartet mich keine Antwort, Elena scheint das einfach zu überhören. Sie ist so.. unglaublich gefasst! "Du wusstest das!" platze ich heraus und spüre, wie sich eine Hand an meine Wange legt. "Ich wusste es nicht.." sagt Elena leise. "Ich hatte es geahnt. Und jetzt komm, wir müssen so schnell wie möglich weg hier. Wir haben keine Zeit mehr!" Wieder zieht sie mich zur Tür, aber diesmal sträube ich mich hermetisch! "Bist du wahnsinnig, da gehe ich nicht raus, willst du, dass ich gegrillt werde?!" Sie ist wahnsinnig! Sie ist eine Psychopathin! Sie wusste das von Anfang an, ich habe es schon geahnt, als sie mir die Tür geöffnet hatte! NEIN, ich hatte es schon im Flugzeug bemerkt! Mit dieser Elena/Nathalie/Dingsda stimmt etwas nicht! Und jetzt habe ich es schwarz auf weiss! Das ist doch verrückt! "Hey, pass auf, Hosenscheisser! Ich habe dir nicht das Leben gerettet, dass ich es jetzt einfach wegwerfen würde! Da draussen ist nichts mehr, der Strom ist weg! Vertrau mir, ich weiss es!" Das ist verrückt! Total verrückt! Warum tut sie das, was macht sie da, ich will verdammt nochmal keinen James Bond hier drehen! Das kann sie schön alleine machen! Ohne mich! Ich bleibe hier sitzen, bis der Regen weg ist und es hell ist und überhaupt keine Gefahr mehr besteht. Zur Hölle, da draussen liegen zig Tote und sie will einfach rausgehen! Weggehen! Die Menschen brauchen Hilfe, und sie.. "Deine Nächstenliebe rührt mich, aber wenn du wirklich etwas bewirken willst, komm mit und stell keine dummen Fragen mehr! Hey.. vergiss deinen Koffer nicht, wegen dem bist du hergekommen, hm?" sagt sie einfach so. Ohne jede Spur von Angst oder Entsetzen. Sie wusste es.. sie wusste ganz genau, was passiert. Wieso sollte sie sonst so ruhig sein? "Hören.. hör zu, Elena! Ich weiss nicht, was hier los ist und was du da gemacht hast, aber lass dir eins sagen: Hau - ab - und - lass - mich - in - Ruhe!! UND! Entschuldige vielmals, dass ich überrascht bin, wenn vor meiner Nase ein Dutzend Leute geröstet werden und ich auch noch fast dazugehört hätte! Du.. du bist sonderbar, wahrscheinlich irgendeine Geheimspionin, die auf Mission ist und ihren Weg mir Leichen pflastert.." Das Klatschen überrascht mich mehr, als das es wehtut. Aber Elena hat keine schlechte Rechte. "Du siehst zuviel Fernsehen.." knurrt sie und wendet sich ab. Meine Backe brennt, aber jetzt sehe ich die Sache wenigstens etwas nüchterner. "E-Elena? Wo willst du hin? Was machst du jetzt?" Sie will tatsächlich nach draussen! Sie ist lebensmüde! Schon hat sie die Tür in der Hand.. "Ich sorge dafür, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Wenn du mitkommen willst, ich kann dich sicher gut gebrauchen - wenn nicht... leb wohl!" und tritt nach draussen in den Regen. Läuft an den Toten vorbei. Über die Strasse. "Elena!!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)