Untitled von Tach ================================================================================ Kapitel 1: Die Straße nach Herblay ---------------------------------- "Ich kann wohl nicht davon ausgehen, dass du jetzt bereit bist mir zu sagen, in wessen Dienst du stehst?" Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor, in der er schweigend beobachtete, wie die Landschaft an ihm vorbeipolterte. Sie waren noch nicht weit von Paris entfernt und wenn sie dieses Tempo beibehielten, würden sie heute auch nicht mehr weit kommen. Es gab also nur zwei Möglichkeiten: Man hatte es nicht sehr eilig, ihn zu treffen, oder das Ziel der Kutsche war nicht mehr weit entfernt. Etwas sagte ihm, dass zweiteres wohl zutreffender war. Es gab da nur einen Haken. Er kannte niemandem im Umkreis von Paris. Sie durchquerten ein kleines Dorf; so klein, dass man es kaum als Dorf ausmachen konnte. Drei Kühe, ein Schwein und eine Bauernfamilie waren die einzigen Einwohner. "Bald sind wir in Herblay..." schoß es ihm durch den Kopf. In Gedanken fuhr er den Weg ab, der ihm noch bevorzustehen schien. Das Ziel dieser Fahrt würde nicht Herblay sein. Der Herrensitz dieser Ortschaft war seit Jahren unbewohnt. Sie würden Herblay also durchfahren. Und was kam danach? Sie könnten nach St. Denis wollen. Es wäre ein Umweg, aber durchaus möglich. Immerhin würde es erklären, warum weder Kutsche noch Diener erkennen ließen, wem sie gehörten. Andernfalls wäre die nächste größere Stadt Compegne. Aber das machte für ihn ebensowenig Sinn wie alles andere. Er gab auf und ließ sich in den Sitz fallen. Diese Straße machte ihn wahnsinnig. Ein Loch war tiefer als das andere und dieser verdammte Kutscher zeigte nicht einmal den Willen, ihnen auszuweichen. Ganz zu schweigen davon, dass die Bänke nicht gerade die Krone der Schöpfung waren und sein Hinterteil jetzt schon zu streiken begann. Er begann sich zu wünschen, dass Herblay ihr Ziel ist. "Ihr müsst den mangelnden Komfort entschuldigen, meine Herrschaft bevorzugt das Reisen zu Pferd." "Du kannst ja tatsächlich selbständig reden..." "Ich habe gelernt, nur dann zu reden, wenn meine Herrschaft es wünscht!" Für einen Moment huschte ein Grinsen über das vernarbte Jungengesicht. Dann zuckte er mit den Schultern. "Ich möchte euch bitte, kein Wort darüber zu verlieren, dass ich geredet habe! Meine Herrschaft sieht es nicht gerne, wenn ich über sie rede." Er nickte. Warum hätte er auch irgendeiner ,Herrschaft' etwas über die Gesprächigkeit der Dienerschaft erzählen sollen? "Wann werde ich deine Herrschaft kennen lernen?" "Bald..." Der Knecht warf einen Blick aus dem Fenster. "Wir sind fast da!" "Unser Ziel ist also tatsächlich Herblay?" "Ja!" Als die Kutsche endlich hielt, begann es bereits zu dämmern. Und doch stand das Anwesen groß und erhaben strahlend vor ihm. Nichts erinnerte mehr an die verlassenen Gemäuer, die ihm im Gedächtnis waren. Aber immer noch war er sich sicher, den Absender des Briefes nicht zu kennen. Er spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Es beunruhigte ihn, dass er sich auf all diese Vorgänge einfach keinen Reim machen konnte. "Folgt mir!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)