Schuldgefühle von abgemeldet (2. Platz im Herbst/Winter-FF-WB 2003) ================================================================================ Kapitel 5: Rivalitäten ---------------------- Kapitel 5 - Rivalitäten Es war kurz nach Beginn der Feierabendzeit und im Nekohanten war es wesentlich voller als sonst um diese Zeit, und das wollte einiges heißen. Mousse hatte keinen einzigen ruhigen Augenblick, während er zwischen den Tischen und der Küche hin und her eilte, um die Wünsche der hungrigen und durstigen Kundschaft zu befriedigen. /Wo steckt bloß Cologne?/ schnaufte der kurzsichtige Amazonenmann genervt, als er einen weiteren Bestellungszettel an seine angebetete Shampoo weiterreichte, die wie ein Wirbelwind durch die Küche eilte, um den Nachschub aufrechtzuerhalten. /Keine Ahnung. Aber warum sind heute so viel mehr Leute hier als sonst?/ /Weil Ucchans Okonomiyakirestaurant nicht geöffnet hat./ ertönte plötzlich eine Stimme wie knisterndes, uraltes Pergament von der Hintertür aus. Cologne, Matriarchin der Joketsuzoku-Amazonen und Besitzerin des Nekohanten, hockte auf ihrem Stock und schaute sich prüfend um. /Ich bin erfreut, daß du in meiner Abwesenheit so gut allein zurechtgekommen bist, Ur-Enkelin./ lobte sie die lilahaarige Amazone. /Ich bin auch noch da./ murrte Mousse. Schneller als die meisten Leute gucken können, war die Matriarchin auf ihrem Stock zur Durchreiche gehüpft, wo sie dem jungen Mann eben jenen Stock über die Rübe zog. /Geh und erledige deine Arbeit anstatt hier rumzutrödeln. Unsere Gäste warten schon./ befahl sie barsch. Mousse machte sich leise grummelnd wieder an die Arbeit. /Und du machst dich jetzt auf den Weg zum Haus der Tendos./ wandte Cologne sich an Shampoo. /Ist etwas passiert?/ /Das kann man so sagen./ entgegnete Cologne langsam. /Vor dem Stadtpark von Nerima gab es heute einen Unfall, wie ich vor einer Stunde erfahren habe. Deswegen bin ich auch unterwegs gewesen./ /Ist mein Airen verletzt worden?/ fragte Shampoo besorgt. /Nein. Aber Ukyo Kuonji ist von einem Lastwagen angefahren worden./ Cologne senkte die Augen und sprach nicht weiter. /Das bedeutet, ich habe nun eine Rivalin weniger./ rief die jüngere Amazone erfreut. Augenblicklich kassierte sie von ihrer Urgroßmutter einen Schlag mit dem Stock auf den Kopf. /Sei etwas beherrschter, Kind./ brummte die Matriarchin unter mißbilligendem Kopfschütteln. /Du weisst, daß mein zukünftiger Schwiegersohn das Mädchen als gute Freundin betrachtet. Wenn du so etwas vor ihm sagst, habe ich keine Zweifel, daß du die nächste sein wirst, die als Rivalin ausscheidet./ Shampoo machte ein nachdenkliches Gesicht und nickte dann einsichtig. /Ich werde gehen und ihn trösten./ /Sehr gut./ Cologne nickte zustimmend. /Mach vorher noch eine extragroße Portion seines Lieblingsessens fertig./ Etwa zu dieser Zeit war Akane Tendo damit beschäftigt, Rillen in den Fußboden im Wohnraum zu laufen. Wie ein Wachposten marschierte sie vor der Verandatür auf und ab. Dabei glitt ihr finsterer Blick immer wieder über Soun und Genma, die am Tisch saßen, und erfolglos versuchten, ihre Furcht bei einer Runde Shogi zu vergessen. Es wollte ihnen nicht so recht gelingen. Jedesmal wenn Souns jüngste Tochter an ihnen vorbeikam, leise ihr übliches 'Ranma, du Trottel'-Mantra vor sich hinknurrend, wanderten die Augen der beiden Senioren nervös in ihre Richtung. "Wenn Ranma nicht bald auftaucht, wird sie vor Wut explodieren." mutmaßte Soun leise flüsternd. "Schlimmer." erwiderte Genma ebenso leise, um Akane nicht noch mehr zu reizen. "Wenn mein mißratener Sohn nicht bald auftaucht, wird sie uns womöglich größere Portionen von ihrem Zeug servieren." Die beiden alten Freunde dachten schockiert über diese Möglichkeit nach und begannen verzweifelt mit der Suche nach einem Ausweg. Nach einigen Minuten non-verbaler Kommunikation zwischen den Beiden trafen sie eine gemeinsame Entscheidung. °Wir werden Akane vorschlagen, den größeren Anteil ihres Schaffenswerks für Ranma aufzubewahren.° "Jetzt reicht's!" fauchte Akane nach einem erneuten Blick auf die Uhr und stapfte in die Küche. "Wenn er meint, er braucht nicht zum Essen nach Hause kommen, essen wir halt ohne ihn." Da sie bereits für alle Teller und Besteck gedeckt hatte, fehlten jetzt nur noch die zwei Schüsseln mit den Bestandteilen eines undefinierbaren Etwas, das nur Akane Tendo ein Abendessen nennen konnte. Mit diesem sogenannten Abendessen kam sie nach zwei Minuten aus dem Katastrophengebiet zurück, das bis vor drei Stunden noch Kasumis aufgeräumte und saubere Küche gewesen war. Enthusiastisch schaufelte sie Portionen dunkelbrauner, matschiger Krümel, die angeblich Reis sein sollten, auf drei Teller. Anschließend gab sie eine undefinierbare Masse hinzu, bei der es sich um Fischragout handeln sollte. "Ähm...Akane?" warf Soun zaghaft ein. "Ja, Vater?" "Meinst du nicht, wir sollten etwas von deinem Essen für Ranma aufbewahren?" Genma nickte enthusiastisch. "Nein." grollte Akane kopfschüttelnd. "Wenn Ranma meint, er müßte das Essen verpassen, kriegt er halt nichts mehr." "A-aber Akane..." "Das wird ihm eine Lehre für später sein." unterbrach sie ihn wütend. Bevor Genma oder Soun noch einen weiteren Einwand erheben konnten, ertönte das durchdringende 'Ring-Ring' einer Fahrradklingel von draußen, einen Moment später gefolgt von einem lauten Krachen, als das dazugehörige Fahrrad durch die Verandatür krachte. "Nihao." grüßte Shampoo die Anwesenden freudestrahlend. Dann fiel ihr Blick jedoch auf Akanes Werk. Mißbilligend rümpfte sie die Nase und schüttelte den Kopf. "Aiya. Küchenzerstörer-Mädchen will wieder Airen töten. Gut, daß Shampoo rechtzeitig da." "Was willst du denn hier?" knurrte Akane gereizt. "Und überhaupt...lern endlich richtig sprechen, du Amazonen-Bimbo." "Shampoo mitgebracht essen für Trösten von Airen." erklärte die Amazone, während sie mit einem triumphierenden Grinsen den Warmhaltekorb mit ihrem Essen hochhielt. "Viel besser als furchtbares Zeug von Küchenzerstörer-Mädchen." "Gerettet!" seufzten Soun und Genma gleichzeitig und starrten sabbernd auf die Essensbox. "Wir brauchen deinen drogenverseuchten Fraß nicht!" widersprach Akane jedoch sofort. Das rote Glühen einer Kampfaura, das sie umgab, hinderte Soun und Genma daran, ihr zu widersprechen. "Essen auch nur sein für Airen." meinte Shampoo. "Nicht sein für Panda-Mann oder für Heulsusen-Mann." "Dann hast du da sicher wieder 'ne Liebesdroge reingemixt, Amazonen-Bimbo." warf Akane ihr vor. "Anders kriegt so eine wie du ja auch keinen Mann." "Nein." Die Amazone schüttelte energisch den Kopf. "Shampoo schwört bei Ehre von Amazonenstamm. Essen soll nur helfen bei Trösten von Airen." "Erstens", grollte Akane, während sie wütend auf die Amazone zustapfte, "ist mein Essen nicht so schlecht, daß er dafür Trost von einem Bimbo wie dir bräuchte, und zweitens ist er sowieso nicht hier, also verschwinde gefälligst und laß uns in Ruhe." Mit diesen Worten brachte sie ihre Rivalin auf eine ballistische Flugbahn in die ungefähre Richtung des Nekohantens, bevor diese noch ein weiteres Wort dazu sagen konnte. Dann packte sie Shampoos Fahrrad und schleuderte es hinterher. "So. Und nach dieser unerfreulichen Unterbrechung", sie lächelte gezwungen fröhlich, "können wir uns wieder einem köstlichen Abendessen widmen. Nicht wahr?" Sie warf den beiden Erwachsenen einen fragenden Blick zu. Einen Blick, der klarmachte, daß es unklug sein könnte, sie in ihren Ansichten nicht zu bestätigen. Soun und Genma blieb keine Wahl. Sie täuschten soviel Enthusiasmus vor wie möglich, was nicht gerade viel war, und nickten. Dann ergaben sie sich in ihr Schicksal und nahmen ihre Eßstäbchen in die Hand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)