366 Tage - 366 Geschichten von Gedankenchaotin (366 Tage Challenge 2024) ================================================================================ Kapitel 41: 10.02.2024 - Beeil dich! ------------------------------------ “Beeil dich, Herbert. Wir müssen los!” Die Stimme seiner Frau Erika drang aus dem Wohnzimmer zu dem Fünfzigjährigen herüber und er brummte kurz. Er verstand die Hektik, die seine Frau gerade verbreitete, absolut nicht. Vorgestern hatte ihre gemeinsame Tochter Alena ihr erstes Kind auf die Welt gebracht und Erika wollte so schnell wie möglich zu der frischgebackenen Mutter. “Hetz mich doch nicht so. Das Kind wird schon nicht weglaufen und auch in einer Stunde noch da sein”, richtete er das Wort an seine Frau und zog sich in aller Ruhe sein Hemd an. Kaum, dass er den letzten Knopf geschlossen hatte, trat Erika zu ihm ins Wohnzimmer. Er konnte sehen, dass sie angespannt war und das machte es nicht unbedingt besser für ihn. "Interessiert es dich gar nicht, wie unser erstes Enkelkind aussieht?”, sprach sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. “Doch natürlich tut es das, aber es ist niemandem geholfen, wenn du in Hektik verfällst. Das Kind und auch die frischgebackenen Eltern sind auch in einer Stunde noch da. Es kann noch nicht weglaufen!”, erwiderte er und stopfte das Hemd in seine Hose. Er schloss den Gürtel, während Erika direkt nach Luft schnappte. “Ich habe Alena zugesagt, dass wir pünktlich um halb drei bei ihr sind. David hat extra Kuchen für uns gebacken, da können wir nicht zu spät kommen. Also beeil dich endlich, sonst fahre ich ohne dich!”, fuhr sie ihn an und stürmte anschließend aus dem Raum. Verblüfft sah Herbert ihr nach und brummte ein weiteres Mal. Er wollte seinen Enkelsohn natürlich auch kennenlernen, aber die Art und Weise, wie seine Frau gerade mit ihm umging, gefiel ihm auch nicht unbedingt. Kurz schüttelte er den Kopf, bevor er ihr ins Wohnzimmer folgte. “Erika”, sprach er seine Frau an, die bereits im Flur stand und sich die Lippen nachziehen wollte. “Warum ist es dir so wichtig, pünktlich zu sein? Was spricht dagegen, wenn wir ein paar Minuten später kommen?” “Weil ich nicht schon wieder zu spät kommen will”, erwiderte Erika und im ersten Augenblick war Herbert tatsächlich verwirrt. “Was meinst du damit?” Bei der frage ihres Mannes sank Erika etwas in sich zusammen. Sie trat wieder zu ihrem Mann und ließ sich auf dem Sessel nieder, der ihm am nächsten war. “Ich habe dir nie von Sigrid erzählt, oder?”, begann sie leise, woraufhin Herbert den Kopf schüttelte. Er suchte in seinem Kopf nach der Information, die auf eine Frau namens Sigrid hinweisen könnte, aber fündig wurde er nicht. “Sigrid war meine Schwester und zwei Jahre nach mir geboren”, hörte er sie schließlich antworten und blinzelte im ersten Moment verwirrt. “Ich war damals in der Schule und mein Vater hatte mich angerufen, dass Sigrid auf dem Weg ist. Ich sollte mich beeilen, wenn ich bei der Geburt dabei sein wollte, aber .. ich war zu spät”, erzählte sie leise und biss sich kurz auf die Lippen. “Ich habe Sigrid nie kennengelernt, weil sie .. kurz nach der Geburt verstorben ist. Ihr Herz war nicht stark genug ausgebildet. Wäre ich nur eine Stunde früher da gewesen oder überhaupt pünktlich, wie mein Vater es verlangt hat, dann ..”, fuhr sie fort und Herbert konnte sich ein leises Seufzen nicht verkneifen. Er ging vor ihr in die Hocke und nahm ihre Hände in seine. “Erika, Schatz. Das ist doch nicht deine Schuld. Selbst wenn du pünktlich gewesen wärest, hättest du vielleicht nicht einmal mehr etwas für Sigrid tun können. Aber das hat nichts mit der Situation jetzt zurück. Unserem Enkelsohn geht es gut und Alena und David auch”, versuchte er seine Frau zu beruhigen und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, ehe er sie in seine Arme schloss. Erika schmiegte sich an ihn heran und nickte langsam. Sie wusste, dass Herbert recht hatte und sie wusste auch, dass man wirklich nichts dagegen hatte tun können, dass Sigrid gestorben war, aber das sie nicht pünktlich sein würde, war ihr seit diesem Moment nie wieder passiert. Minutenlang hielt Herbert seine Frau fest, bevor er sie wieder von sich weg drückte. “Aber jetzt beeil du dich lieber mit deiner Lippenpflege, sonst kommen wir wirklich noch zu spät”, schmunzelte er anschließend sachte und deutete auf den Lippenstift, den Erika noch immer in der Hand hielt. Er selbst erhob sich wieder und schlüpfte in seine Jacke, während Erika nur leise lachte und ihn kurz ein weiteres Mal umarmte. “Danke”, flüsterte sie leise und widmete sich anschließend ihrem Make-up, damit sie wirklich so schnell wie möglich los konnten. Zu Alena, David und ihrem kleinen Enkelkind Finn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)