Vampire Kiss von Funkenherz (Vermouth x Jodie, (Curaçao x Kir)) ================================================================================ Kapitel 12: ------------ Wieder herrschte Schweigen. Jodie versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sie musste herausfinden, was sie nun tun sollte. Die Informationen, die die Schauspielerin ihr gegeben hatte, kamen überraschend, waren aber bares Gold wert. Und dann stand da noch dieser Deal im Raum, der zukünftig so viele Menschenleben retten und unnötiges Leid vermeiden könnte, wenn Chris denn ihr Wort hielt. Und wenn es denn gelingen würde, die andere Blondine an die Spitze des Vampirclans zu bringen. Sie musste das unbedingt mit ihren Teamkameraden besprechen. Nicht nur, weil sie diese Entscheidung nicht allein fällen konnte, sie wollte wissen, was ihre Kameraden davon hielten. Ob sie dem Angebot zustimmen, oder es ablehnen würden, würde sicherlich eine riesige Diskussion auslösen. Sie konnte es sich schon lebhaft vorstellen. Und sie könnte sich etwas anhören, was ihren Alleingang betraf. Aber was das betraf, damit konnte sie leben. Sie hatte diese Entscheidung immerhin bewusst getroffen und mir ihr hatte Chris zudem geredet. Auch wenn sie nicht verstand, was die Vampirin dazu bewegt hatte ihr all diese sensiblen Informationen anzuvertrauen. Wie also sollte sie nun weiter vorgehen? Ihre Gesprächspartnerin zurück in die Zelle bringen, zurück ins Büro laufen, auf die Wiederkehr der heutigen Patrouille warten und dann das Gespräch mit ihren Kameraden suchen? Wieder musste sie an das Videomaterial denken und daran, wie übel ihr Team die andere Frau zusammengeschlagen hatte. Die Blondine war eine Vampirin und dennoch waren ihre Verletzungen auch nach Stunden noch schwer genug, als dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Selbst hier neben ihr zu sitzen, strengte sie an. Sie schluckte. Wenn sie jetzt zurück nach oben ging und Mondnebel über die gewonnenen Informationen in Kenntnis setzte, würden ihre Kameraden die Daywalkerin doch sofort wieder verhören. Was, wenn dieses Gespräch dann wieder so eskalieren würde? Chris war nun einmal eine sehr schwierige Person und mit ihrer Art kamen viele nicht klar, doch sie würde die Schauspielerin auch nicht dazu überreden können, sich für ein weiteres Gespräch in soweit zu verbiegen, als das das Risiko einer weiteren Eskalation nicht bestand. Verdammt! So wenig Jodie auch von Vampiren hielt und so sehr diese Frau sie auch oftmals aufregte, sie konnte schlecht zulassen, dass ihre Teamkameraden die Andere am Ende noch schlimmer verletzten. Und hierbei ging es nicht nur um die Wahrung einer gewissen Moral, nein, auch der Deal, den Amerikas Nummer Zwei ihr soeben in Aussicht gestellt hatte, würde zerplatzen wie eine Seifenblase, wenn erneut jemandem die Hand ausrutschen sollte. Was machte sie nur? Arg! Es war doch wirklich zum Haare raufen. Am liebsten hätte Jodie geschrien. Eigentlich gab es nur eine Lösung für das Problem, die jedoch alles nur verschlimmbessern würde und ihr auch nicht gefiel... aber etwas anderes? Welche Wahl blieb ihr? //Oh Gott, ich kann nicht glauben, dass ich wirklich ernsthaft darüber nachdenke...//, schalt sie sich in Gedanken selbst. "Hey, Erde an Jodie, was ist los mit dir? Du siehst aus, als hättest du ein Alien gesehen.", riss Chris sie aus ihren Gedanken. Die Stimme der Schauspielerin klang amüsiert, doch die Jägerin konnte leicht heraushören, wie sehr es die Andere anstrengte, hier aktuell neben ihr zu sitzen. Das Gewicht, welches an ihrer Seite lehnte, bestätigte es ihr auch noch einmal. "Du weißt also doch wie ich heiße. Ein Wunder.", entgegnete Jodie, da sie Chris nicht erklären wollte, worüber sie soeben nachgedacht hatte. Sie wandte den Blick um sie anzusehen. "Um es noch einmal zusammenzufassen: du bietest den Umstieg auf Blutkonserven, eine Zusammenarbeit was Vampire betrifft, die sich nicht an die neuen Regeln halten und bist bereit einen Teil deines Blutes zu Forschungszwecken an uns abzutreten, wenn Mondnebel dir im Gegenzug garantiert, deinen regelkonformen Vampiren nicht zu schaden und dir bei deinem Putsch hilft, sodass du die neue Clananführerin wirst?" "Fast richtig.", wandte Chris ein und Jodie sah sie fragend an. "Auch wenn ich es sein werde, die im Hintergrund die Fäden zieht, will ich den Posten des neuen Anführers nicht. Ich bleibe Stellvertreterin und werde eine Person auf den Thron setzen, der ich wirklich vertraue." Die Jüngere blinzelte. "Eine Person, der du vertraust? Wer soll das sein? Warum um Himmels Willen willst du die Position denn nicht selbst?" "Um wen genau es sich handelt, verrate ich, sollte der Deal zu Stande kommen. Aber es ist eine Person, die meine Ansichten voll und ganz teilt, so viel sei gesagt.", begann Chris. "Und warum ich den Anführerposten nicht selbst will? Das ist doch ganz einfach. Mein Herz schlägt einzig und allein für die Schauspielerei. Als Clananführerin hätte ich dazu keine Zeit mehr. In meiner aktuellen Position als Nummer Zwei habe ich immerhin schon genug zu tun." Jodie blinzelte. "Du lehnst die Position der Anführerin wegen deinem eigentlichen Beruf ab, das kommt jetzt unerwartet..." Aber sollte sie sich wirklich wundern? Wieder musste sie daran zurückdenken, dass Bourbon ihr bereits bestätigt hatte, dass Chris für ihre Ziele und Interessen bereit war über Leichen zu gehen. Die andere Blondine warf ihr lediglich ein schwer zu deutendes Lächeln zu und Jodie verdrehte genervt die Augen. Erneut überschlugen ihre Gedanken sich. Die Frau neben ihr war selbstsüchtig, skrupellos und extrem gefährlich, sie gehörte ganz eindeutig weggesperrt. Gleichzeitig jedoch bot sie Mondnebel einen Deal an, der hunderte Leben jährlich retten würde und charismatisch, wie die Schauspielerin sein konnte, zweifelte Jodie nicht daran, dass es ihr wirklich gelingen würde, einen Großteil von Amerikas Vampiren auf ihre Seite zu ziehen, auch wenn sie die Position des Anführers oder der Anführerin an eine Person abtreten wollte, die ihr Vertrauen genoss. Die Jägerin massierte sich die Schläfen. Ihr Gegenüber war kriminell, gleichzeitig musste sie jedoch verhindern, dass Chris erneut zu Schaden kam. Spontan fiel ihr da nur ein Weg ein. Ein riskanter Weg, über den sie lieber nicht zu lange nachdenken sollte, da sonst das reelle Risiko bestand, dass sie sich noch einmal umentscheiden würde. Da die angeschlagene Vampirin an ihrer Seite lehnte, schob sie die Ältere ein Stück weit auf Abstand, was ihr einen fragenden Blick einbrachte. Jodie atmete noch einmal tief durch und legte ihrem Gegenüber schließlich die Hände auf die Schultern. "Verdammt, ich bin vollkommen übergeschnappt..." Leider nur war sie nicht immer der Kopfmensch, der sie sein wollte, sondern viel mehr eine Person, die letztlich auf ihr Bauchgefühl vertraute. "Okay, wir haben nicht all zu viel Zeit und müssen uns deshalb beeilen. Wir sitzen hier inzwischen bestimmt eine gute halbe Stunde und ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Kameraden sich inzwischen bereits angefangen haben zu wundern, wo ich bin." Verständnislos schüttelte Chris den Kopf und sah sie an. "Und was genau willst du mir jetzt damit sagen?" "Das wir dich möglichst schnell wieder auf die Füße kriegen müssen. Wie schnell wirken deine Selbstheilungskräfte im Normalfall?" Die Daywalkerin blinzelte. "Du hast es neulich selbst an dem Kratzer an meiner Wange gesehen. Mit Blut beginnt mein Körper sofort damit sich zu heilen, ... aber ich verstehe nicht ganz." Die junge Frau atmete einmal tief durch. Mit etwas Blut würde Chris also wieder auf die Beine kommen. Sie hatte es bereits geahnt, aber trotzdem baute sich in ihr nun ein gewisser Widerstand auf, den sie nur schwer niederringen konnte. Na ganz wunderbar...nicht. Sofort holten sie ihre negativen Erinnerungen ein. Dennoch riss die Jägerin sich zusammen, knüpfe den ersten Knopf ihrer Bluse auf und zog das Oberteil schließlich am Hals ein Stück weit zur Seite. "Los jetzt, beeil dich, aber übertreib es nicht. Mir gefällt das hier ganz und gar nicht, aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht." Die andere Blondine starrte sie so ungläubig an, als fürchtete sie, dass Jodie soeben den Verstand verloren hatte. "Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?" "Wahrscheinlich.", zischte die Jägerin. "Aber wir müssen dich schnell wieder halbwegs fit kriegen und das besser gestern als heute, also beiß schon zu, bevor ich es mir noch anders überlege." Beinahe fassungslos starrte die Daywalkerin sie an. Erst, als Jodie nach einer der langen, platinblonden Strähnen griff und ihr Gegenüber daran in ihre Richtung zog, gelang es ihr, die Schauspielerin aus der ungläubigen Starre zu reißen, in die sie gefallen war. "Zieh mir nicht an den Haaren, verdammt!", kam es verärgert von Chris. "Dann hör auf mich anzustarren wie ein Reh im Scheinwerferlicht.", konterte Jodie. "Du meinst das also wirklich ernst....", stellte die Schauspielerin ungläubig fest, ehe Jodie beobachten konnten, wie die smaragdgrünen Augen ihres Gegenübers im Schein der Handytaschenlampe schlagartig ein helles Stahlblau annahmen. Die Daywalkerin lehnte sich in ihre Richtung, legte ihr zwei Finger unter das Kinn und schob es ein wenig hoch, sodass ihre Blicke sich trafen. "Sieh mir jetzt tief in die Augen und konzentrier dich nur darauf.", forderte sie. "Eh? Was soll das denn jetzt...?", hakte die junge Frau verständnislos nach, blickte ihrem Gegenüber jedoch ganz automatisch in die unnatürlich hellen Augen, immerhin zogen diese in dem sonst eher dunklen Keller ihren Blick förmlich auf sich. Noch während sie sich fragte, was genau Chris damit bezweckte, bemerkte Jodie, wie sie ruhiger wurde und ihre Gedanken langsam aber sicher abdrifteten. Wie merkwürdig... sie hatte fast das Gefühl jeden Moment einzuschlafen. Aktuell fehlte ihr jedoch die Konzentration, um sich wirklich auf ihre Gedanken zu konzentrieren. Wie durch einen Schleier nahm sie wahr, wie die Vampirin sich zu ihrem Hals beugte. Sie spürte die Lippen der Anderen auf ihrer Haut, aber der Schmerz blieb aus. Es fühlte sich viel mehr an, als würde die andere Blondine ihren Hals küssen... aber sie biss nicht zu. Es dauerte eine Weile, bis Jodies Gedanken langsam wieder klarer wurden. Was genau machte die Vampirin da eigentlich? Als Chris schließlich wieder auf Abstand ging, warf Jodie ihr einen skeptischen Blick zu. "Sag mal, hast du mir gerade allen Ernstes einen Knutschfleck verpasst? Hat sich zumindest so angefühlt. Als ob wir gerade Zeit für solche Scherze hätten!", kam es wenig begeistert von der Jägerin, ehe sie stutzte. Die Lippen ihres Gegenübers waren von ihrem Blut noch rötlich verfärbt. Aber was zum? Sie hatte sie doch gar nicht gebissen. Zumindest hatte sie nichts gemerkt. Wenn sie an die letzten beiden Bisse dachte, welche extrem schmerzhaft gewesen waren... Gleichzeitig war ihr plötzlich wirklich schwindelig. Die Jägerin fühlte sich seltsam matt und ausgelaugt und das, obwohl gerade noch alles in Ordnung mit ihr gewesen war. Zeitgleich konnte sie beobachten, wie das Veilchen im Gesicht der Anderen verschwand und auch die aufgesprungene Lippe von Sekunde zu Sekunde gesünder aussah. "So ein Quatsch, aus dem Alter sind wir raus.", kam es nur von Chris. Die Schauspielerin verdrehte die Augen, wusste den verwirrten Blick der Jägerin jedoch eindeutig zu lesen. "Du nennst dich Vampirjägerin und hast wirklich keine Ahnung, dass jeder Vampir sein Opfer mit intensivem Blickkontakt in eine Art Trance versetzen kann, um die Schmerzen beim Zubeißen erträglicher zu machen?" "Gehört habe ich schon davon, aber- ", begann Jodie, ehe ihre Mimik ärgerlicher wurde: "Hey! Wenn du so etwas kannst, wieso hast du es damals in der Bar dann nicht getan? Oder als du auf die tolle Idee gekommen bist, mir die Zähne ins Handgelenk zu jagen?!" "Kein Bedarf.", lautete die schlichte Antwort, über die Jodie sich ganz eindeutig mehr aufgeregt hätte, hätte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit nicht auf sich gezogen. Chris massierte sich die Schläfen, als hätte sie starke Kopfschmerzen. Die Augenfarbe der Daywalkerin wechselte immer wieder zwischen dem natürlichen Grün und einem hellen Stahlblau. "Sag mal, was machst du da?", hakte die Jägerin skeptisch nach. "Weg von mir.", verlangte Chris sichtlich angestrengt. "Du bist wirklich lebensmüde, weißt du das eigentlich, Kätzchen? Wie kannst du das Risiko eingehen, einem ausgehungerten und verletzten Vampir deinen Hals anzubieten? Ich hätte dich ganz leicht töten können, hätte ich die Beherrschung verloren. Ich habe schon mehr genommen, als ich eigentlich wollte, ehe ich mich wieder unter Kontrolle hatte, aber der Blutgeruch hier in der Luft macht mich noch wahnsinnig." Bei ihren Worten, lief Jodie erneut ein eiskalter Schauer über den Rücken. Die Ältere kämpfte also gerade gegen ihre Instinkte und dagegen, ihr den Hals zu zerfetzen? Wie außerordentlich beruhigend. Genau so wie die Tatsache, dass Chris ihr noch einmal die Gefahr unter die Nase hatte reiben müssen, in die sie sich soeben wissentlich begeben hatte. Um ihr Glück nicht überzustrapazieren, stand die Jägerin rasch von ihrem Platz auf, musste sich jedoch sofort an der Wand abstützen, da ihr nach dem Biss und dem damit verbundenen Blutverlust immer noch schwindelig war. Alles drehte sich. Sie fühlte sich so matt und abgeschlagen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Jodie blinzelte, riss sich zusammen und tappte leise bis zur Tür des Heizungskellers, das Handy mit eingeschalteter Taschenlampenfunktion weiterhin in der Hand haltend. Sie öffnete die Tür einen Spalt weit und lauschte. Nichts zu hören und nichts zu sehen. Schließlich fiel ihr etwas ein. Sie machte es sich doch gerade wieder nur unnötig kompliziert. Gab die Daywalkerin nicht sonst immer damit an, dass ihr Gehör bei weitem feiner war, als bei normalen Vampiren? "Hey Chris, hörst du irgendjemanden im Hausflur?", wollte sie wissen. Fragend blickte die Blondine, die sich inzwischen bereits wieder wesentlich besser im Griff hatte, sie an und konzentrierte sich schließlich, ehe sie den Kopf schüttelte. "Nein, da ist niemand. Nur im Erdgeschoss über uns höre ich Schritte und es riecht nach frischem Kaffee." "Du bist wirklich unheimlich, weißt du das eigentlich?" "Du wolltest mich doch eben noch als Detektor zweckentfremden.", kam die ironische Antwort der Schauspielerin. Jodie schüttelte den Kopf und zwang sich nicht vom Thema abzuschweifen. "Denkst du, das Blut war ausreichend, sodass du wieder laufen kannst?" Mehr konnte sie ihr aktuell zumindest nicht geben. Nach dem Biss war nun Jodie selbst es, die sich so fühlte, als würde sie jeden Moment umfallen. In der Tat konnte sie Amerikas Nummer Zwei dabei beobachten, wie sie vorsichtig aufstand, sich den Staub von der Kleidung klopfte und kurz prüfend Arme und Beine bewegte. "Die Menge hat nicht ausgereicht um sämtliche Blessuren zu heilen, aber es geht mir bereits etwas besser. Sagst du mir jetzt endlich, was du eigentlich vor hast?" Jodie winkte die geringfügig Ältere zu sich heran und trat schließlich aus dem Heizungskeller, während sie mit einer Hand rasch damit begann eine SMS zu tippen. "Ich tue etwas vollkommen hirnrissiges, was euch verdammten Vampiren in die Hände spielt und mich den Kopf kosten könnte.", murrte sie vor sich hin. "Komm jetzt." Nachdem Jodie die SMS versandt hatte, steckte sie das Handy in ihre Hosentasche und lief los. Schwindelig, wie ihr aktuell war, war es diesmal Chris, die sie stützen musste, auch wenn die Vampirin ebenfalls noch nicht wieder richtig fit war. Als die Blondine die eigentliche Gefangene ins Treppenhaus führte, hielt sie noch einmal inne und suchte Blickkontakt. Sie war verrückt! Ganz eindeutig! Sie konnte nur vollkommen durchgedreht sein, sonst würde sie das hier nicht tun! Das hier konnte furchtbar nach hinten losgehen. Ihre Leute würden ihr den Hals umdrehen! Und doch sah sie die einzige Lösung in ihrem Handeln, wenn sie Chris den Hals retten und zukünftig hunderte Menschenleben schützen wollte. "Du stehst zu deinem Wort bezüglich des Deals?", wollte sie ernst wissen. Ihre Begleiterin sah sie einen Moment an und nickte schließlich. "Natürlich. Aus welchem Grund sollte ich sonst einer Jägerin so viele sensible Informationen anvertrauen?" Gemeinsam stiegen die beiden Frauen die Treppen hinauf. Jodie warf der Tür, welche ins Büro führte, einen mehr als gehetzten und hektischen Blick zu, ehe sie Chris mit sich zog und hinaus in den Hof trat. Sie betete, dass nicht ausgerechnet jetzt die Patrouille zurückkehren würde. Sie konnte selbst noch nicht fassen, was sie da tat. Aber ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es die einzige wirkliche Lösung war, auch wenn es schwierig wäre, das ihrem restlichen Team begreiflich zu machen. "Du holst mich da ernsthaft raus?", hakte Chris ungläubig nach. Ihrem Blick nach zu urteilen, hielt sie die Jägerin für mindestens genau so übergeschnappt, wie Jodie sich aktuell selbst einschätzte. "Ich kann selbst noch nicht ganz glauben, dass ich das tue. Versteh mich bitte nicht falsch, Vampire sind mir weiterhin zu wider, aber ich versuche hier gerade über den Tellerrand hinaus zu schauen." Ungesehen schafften die beiden Frauen es den Hof der Vampirjäger zu verlassen. Schon fanden sie sich in der kühlen Nacht wieder. Es regnete und die Temperaturen waren unterirdisch. Jodie war bereits nach einer Minute vollkommen durchgefroren und auch Chris hatte bald starke Ähnlichkeit mit einer durchnässten Katze. Ungläubig sah die Vampirin sich um und genoss ganz offensichtlich die wiedererlangte Freiheit und die kühle Nachtluft, auch wenn das Wetter wahrlich hätte besser sein können. "Und jetzt? Du solltest dich nicht mit mir sehen lassen, Kleine.", sprach die Schauspielerin sie an. "Bourbon hat mir gestern seine Telefonnummer gegeben. Ich habe ihm eben eine SMS geschickt. Ich denke er wird dich abholen kommen.", erklärte Jodie. Sie zog die Schauspielerin mit sich und war dankbar darüber, dass Mondnebels Hauptquartier nicht mitten in der belebten Hauptstadt lag. Angeschlagen und durchnässt, wie sie aktuell beide waren, mussten sie doch für Unwissende so aussehen, als wären sie soeben einem Horrorfilm entsprungen, in dem sie zum Ende hin einem gemeingefährlichen Gegner entkommen waren. Die Jägerin zog ihre Begleiterin mit sich, weg von der Basis der Vampirjäger und hin zu einer Eibenhecke, direkt neben einer Bushaltestelle ganz in der Nähe. Die beiden Frauen stützten sich auf dem kurzen Weg gegenseitig. Ein ziemlich seltsames Gefühl, so mit einer eigentlichen Feindin durch die Stadt zu laufen, erst recht, wenn Jodie daran dachte, dass sie ihrem Team in gewisser Weise in den Rücken gefallen war. Ihr Magen stach ungut, wenn sie daran dachte, was ihre Kameraden wohl von ihr denken mussten, wenn sie realisierten was passiert war. Sie musste es ihnen schnellstmöglich erklären, doch erst einmal musste sie Chris in Sicherheit wissen. Nachdem sie etwa zehn Minuten, getarnt hinter der Hecke, abgewartet hatten und Jodie aufgrund des vorherigen Blutverlustes bereits immer wieder beinahe die Augen zufielen, fuhr schließlich ein silberner Mercedes, ein teurer 2-Sitzer um genau zu sein, die Straße entlang und hielt an der Bushaltestelle. Nachdem zwei andere Fahrzeuge vorüber gefahren waren und ein Pizzalieferant die Straße überquert hatte, öffnete sich die Fahrertür und eine Person stieg aus. Bereits der ganzen Körperhaltung konnte man Skepsis und Vorsicht deutlich ansehen. Die Person rechnete mit einer Falle, da war Jodie sich sicher. Doch auch wenn sie das misstrauische Verhalten nicht einmal ansatzweise verwunderte, die Tatsache, dass es sich bei besagter Person nicht um Rei handelte, überraschte sie dafür um so mehr. Sie hatte dem Blonden eine SMS geschrieben, doch an seiner Stelle war es Curaçao, die soeben aus dem Wagen gestiegen war. Chris, die ihren Bodyguard ebenfalls entdeckt hatte, scannte noch einmal skeptisch die verlassene Straße mit dem Blick, ehe sie aus dem provisorischen Versteck trat. Jodie folgte ihr. "Curaçao.", sprach sie die andere Frau leise an. Schon wandte die Silberhaarige sich ihr zu. Ein misstrauischer Blick traf Jodie, dann musterte die Vampirin viel mehr besorgt Amerikas Nummer Zwei. "Keine Sorge, außer uns ist niemand hier.", erklärte Chris ihr rasch. "Oh Gott, was machst du denn für Sachen? Chris... geht es dir gut?" "Ja, es geht schon.", versicherte die Schauspielerin. "Aber wir müssen hier so schnell wie möglich weg." Als die beiden Blondinen bei Curaçao angekommen waren und neben dem Auto stehen blieben, musterte die Silberhaarige ihre Freundin noch einmal prüfend, ehe sie Chris schließlich in eine Umarmung zog und ihr Gesicht an der Schulter der Schauspielerin vergrub. Diese blickte ihren Bodyguard mit einem Lächeln auf den Lippen an und erwiderte die Umarmung. Jodie wiederum war erstaunt, einmal mehr einen Blick auf diese liebe, fürsorgliche Seite Curaçaos werfen zu können, hob sie sich dies doch scheinbar nur für Chris und Rena auf. Schließlich gingen die beiden Frauen wieder auf Abstand. Chris öffnete die Beifahrertür und stieg in den Wagen, um dem Regen vorerst zu entkommen. Derweil sah Jodie zu Curaçao, welche sie nun ebenfalls aus ihren verschiedenfarbigen Augen musterte - deutlich kühler, als sie zuvor noch Amerikas Nummer Zwei angesehen hatte, wohlgemerkt. "Das war doch Bourbons Handynummer, an die ich die SMS gesandt habe, oder?", wollte Jodie wissen. "Stimmt, aber er hätte viel länger gebraucht um herzukommen. Ich war gerade in der Nähe.", erklärte Curaçao ihr, ehe die Silberhaarige missfallender dreinblickte. "Allerdings hat dieser Idiot vergessen zu erwähnen, dass ich euch beide abholen soll." Ein Blick auf das Auto, welches lediglich über Fahrer- und Beifahrersitz verfügte, reichte aus, um das Problem sofort zu erkennen. Dennoch waren es Curaçaos Worte im Allgemeinen, die die Jägerin stutzen ließen. "Uns beide? Ich habe Chris nur bis hier her begleitet.", erklärte sie ihr. "Ich habe die Kleine eingeweiht. Sie hat sich bereiterklärt die Vermittlerin zu spielen.", mischte Chris sich vom Auto aus ein. Curaçao betrachtete Jodie einen Augenblick lang schweigend, ehe sie den Kopf schüttelte. "Schön und gut, aber habt ihr mal daran gedacht, dass es Fragen aufwerfen wird, wenn von dir plötzlich jede Spur fehlt, Mädchen? Du warst in den letzten zwei Wochen immerhin so etwas wie Chris Schatten. Bourbon und ich haben es bislang vermieden die anderen einzuweihen, was wirklich passiert ist, aber sie werden bereits skeptisch. Wenn du nicht wieder auftauchst, wird jeder sich zusammenreimen können, was wirklich passiert ist und wissen, dass ihr zwei sicher nicht einfach jobbedingt außerhalb übernachtet habt." Curaçaos Worte trafen Jodie wie ein Schlag. Sie war so sehr damit beschäftigt gewesen, Chris in Sicherheit zu bringen, dass sie nicht darüber nachgedacht hatte, wie es danach weitergehen würde. Natürlich, sie musste mit Mondnebel sprechen, aber was würde passieren, wenn die Vampire von dem Vorfall und der Gefangennahme erfuhren? Curaçaos Worten nach zu urteilen, war bislang noch nicht durchgesickert, was eigentlich geschehen war, doch wenn die Vampire es herausbekommen würden,... würden viele von ihnen ihre stellvertretende Anführerin dann nicht rächen wollen, ganz egal, was diese ihnen sagte? Das so etwas passierte war nicht auszuschließen, sogar ziemlich wahrscheinlich um genau zu sein, dämmerte es ihr. Aber wenn Mondnebel nun aus Vergeltung angegriffen würde, wäre der Deal geplatzt, noch bevor sie darüber diskutiert hätten. Nein, nein, nein! Der Jägerin graute es, als sie realisierte, was sie zu tun hatte, um diese Eskalation von Anfang an zu vermeiden. Ihr Herz raste und ihr ganzer Körper fühlte sich eiskalt an, als sie langsam auf den Wagen zutrat. "Du willst mir sagen, dass ich mitkommen muss, wenn die ganze Geschichte nicht auffliegen soll und wir das Risiko eines eigenmächtigen Angriffs verhindern wollen, oder Curaçao?" Langsam nickte die Silberhaarige. "Zumindest fällt mir nichts ein, was deine Abwesenheit sonst erklären würde.", ergriff sie das Wort. "Natürlich, wir könnten immer noch behaupten du wärst tot, aber wenn dich dann irgendjemand in der Stadt sehen sollte..." Die Blondine konnte nicht verhindern, das ihre Hände zitterten, als sie neben der Beifahrertür stehen blieb und sich kurz am Autodach festhielt. "Verdammt... ich will nicht wieder zurück in dieses elende Anwesen." Eigentlich hatte sie verärgert klingen wollen, doch man hörte ihrer Stimme ganz eindeutig Angst und Verzweiflung an. Schließlich blickte sie nach unten und ins Auto, in welchem Chris saß, das Gespräch verfolgte und gleichzeitig das Handschuhfach nach einer Zigarettenschachtel durchsuchte. Sie wurde nicht fündig. "Wenn ich mitkomme, dann steige ich nur als gleichberechtigtes Mitglied eurer Verschwörung in dieses Auto, nicht wieder als eure Gefangene.", hörte sie ihre eigene Stimme sagen. Curaçao war zum Kofferraum getreten und öffnete diesen. "Es fällt mir nach wie vor schwer dir zu vertrauen.", murrte sie wenig begeistert. Chris hingegen suchte Blickkontakt mit der Jägerin. "Mir fällt aktuell auch keine vernünftige Ausrede ein, warum ich dich hätte ziehen lassen sollen. Tut mir leid, Kätzchen." Sie schnippte sich eine Haarsträhne zurück über die Schulter. "Du wirst vor Anderen wieder mein Dienstmädchen spielen müssen, damit die ganze Geschichte nicht auffliegt, aber du steigst als Verbündete in diesen Wagen, nicht als Gefangene. Ich werde dir baldmöglichst ein Gespräch mit Mondnebel ermöglichen, aber vorerst müssen wir den anderen Vampiren Alltag vorspielen." Chris klang aufrichtig. Jodie konnte nur hoffen, dass sie ihre Worte ernst meinte und nicht nur schauspielerte. Aktuell hatte sie jedoch gar keine andere Wahl, als sich darauf zu verlassen. Sie war unbewaffnet und hätte gegen Curaçao nicht den Hauch einer Chance, wenn diese es darauf anlegen würde, sie mit Gewalt ins Auto zu verfrachten. Ganz davon abgesehen, hatte es derzeit absoluten Vorrang den Deal auf die Beine zu stellen. So wenig es ihr gefiel, vorerst musste sie mit den beiden Vampirinnen zurück ins Anwesen kehren. Curaçao stand abwartend am Kofferraum. So genau konnte Jodie nicht sagen, was genau die Silberhaarige darin eigentlich suchte. Sie selbst warf einen Blick auf das Auto und verfluchte erneut die Tatsache, dass es sich dabei um einen Zweisitzer handelte. Wo genau sollte sie hier denn bitte... Auch dafür sah sie eigentlich nur eine Möglichkeit, die logisch und absurd zugleich war. Mit einem seltsamen, flatternden Gefühl in der Magengegend, gab sie ihren Widerstand schließlich auf und wählte die einzige Möglichkeit in diesem Wagen mitzufahren, die ihr blieb. "Schnall mich gefälligst mit an, okay?", verlangte sie, schlüpfte kurzentschlossen ebenfalls durch die Beifahrertür und nahm schräg auf dem Schoß der Daywalkerin Platz. In diesem Moment wünschte Jodie sich nur noch im Erdboden versinken zu können, oder gleich aus einem ziemlich schrägen Traum aufzuwachen, so unwirklich kam ihr die Situation vor. Chris machte es nicht unbedingt besser. Die Schauspielerin starrte sie so entgeistert und fassungslos an, als wäre ihr soeben ein zweiter Kopf gewachsen. Jodie hörte, wie der Kofferraum zufiel und sah, wie Curaçao nur zwei Sekunden später neben ihnen auf dem Fahrersitz Platz nahm. Die Augen der Vampirin schimmerten stahlblau, während ihre Mimik eindeutig verärgert wirkte. "Sag mal, was fällt dir ein, Menschlein?! Das da ist Amerikas Nummer Zwei, die Frau, die ein neues Zeitalter für uns Vampire einläuten wird, und kein verdammtes Sitzkissen!", fauchte sie. "Ach, und wo hätte ich deiner Meinung nach sonst mitfahren sollen? Auf dem Dach oder im Fußraum vielleicht?!", blaffte Jodie zurück. "Zur Not im Kofferraum, aber das...!" Die Aufmerksamkeit der beiden Frauen wurde jäh von Chris auf sich gelenkt, als diese kurzentschlossen den Beifahrersitz ein Stück weit zurückfahren ließ und die Arme um Jodie legte. "Keine von uns ist zufrieden mit der aktuellen Situation, aber könnten wir jetzt bitte von hier verschwinden? Es lässt sich gerade nicht ändern. In einem 2-Sitzer ist leider nicht mehr Platz." Auch die Schauspielerin klang nicht gerade erfreut, jedoch war ihre Stimme schneidend scharf, um die aufkommende Diskussion sofort zu unterbinden. Curaçao murrte noch etwas unverständliches vor sich hin, dann fügte sie sich, folgte der Anweisung und startete den Motor. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Jodie suchte nach einer bequemeren Position und lehnte das Kinn schließlich zögerlich auf Chris Schulter. Die Schauspielerin ließ sie. Während die junge Frau die Landschaft an ihnen vorbeirauschen sah, versuchte sie zu realisieren, was sie getan hatte. Sie hatte tatsächlich Amerikas Nummer Zwei befreit, war Mondnebel damit vorerst gewaltig in den Rücken gefallen und befand sich nun auch noch erneut auf dem Weg zurück in dieses elende Vampirnest...auf dem Schoß des Sternchens sitzend wohlgemerkt. Sie konnte es nicht fassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)