How To Save A Life von Hypsilon (Haikyuu Krankenhaus AU RairPairs on the Run) ================================================================================ Kapitel 5: Wake Up ------------------ Schlafen. Es gibt zwei Seiten des Schlafs. Die erste, das ist der Beginn und dichtet das Einschlafen. Mal dauert es länger, mal geht es schneller, glauben wir, aber in Wirklichkeit dauert es immer gleich lang bis das menschliche Bewusstsein dem Schlaf überführt wird. Was wir als einen längeren Zeitraum vermuten, ist das nicht loslassen wollen des Bewusstseins. Es müssen noch Dinge zu Ende gedacht werden. Der Körper muss noch etwas verarbeiten, bis er ruhen kann und das Hirn den Tag aufarbeiten kann. Die zweite Seite ist das Ende, das Aufwachen, wieder eine Bewusstseinsänderung. Das Endschlafen, nicht mehr schlafen. Dabei haben wir auch manchmal, das Gefühl, dass es länger dauert. Wie sagt man manchmal „Heute werde ich nicht so richtig wach“, aber wach sind wir ab dem Moment des Alarmtons, des liebevollen Weckruf der Mutter oder des aus dem Bett reißen eines Geräusches in unserer Wohnung, das da nicht hingehört. Davor haben wir geträumt, oder nicht – würden wir sagen. Tatsächlich träumen wir immer. Unsere Träume verarbeiten das Geschehene, unsere Wünsche und Ängste, unsere Erfahrungen und Befürchtungen. Was wir vergessen, woran wir uns erinnern. Wir können von Gerüchen träumen, ohne zu riechen oder Farben schmecken, die es gar nicht gibt. Im Traum ist alles möglich. Solange, bis es nicht mehr möglich ist. Bis der Traum zu Ende ist und… *** Der Alarmton, der Kenmas Nachtruhe störte, war ein Nebengeräusch wie eh und je und mit Leichtigkeit verstummt. Die Nacht war kurz, wie so oft. „Nur noch ein bisschen“, sagte er sich selbst und schmiegte sich in den weichen Polster. Es war nicht so, dass er es besonders schön im Bett fand oder den Drang hatte, mit der weichen Garnitur zu kuscheln. Was ihn gerade, wie auch sonst, vom Aufstehen hinderte, waren die unsichtbaren Fänge der Bequemlichkeit. Kenma schlief nicht viel. Hat er noch nie. Er fühlte sich auch nie so, als bräuchte er mehr, ein paar Stunden reichten vollkommen aus. Sein Kopf war beim Alarmton auch immerzu hellwach, doch diesen Elan, wie ihn Kuroo zum Beispiel hatte, direkt aus dem Bett und unter eine kalte Dusche zu springen, hatte er nicht. Einmal hat er es auch versucht. Er war kreischend zusammen gefahren und hat Kuroo damit einen so großen Schrecken eingejagt, dass ihm dieser schwor, er würde ihn sein Leben lang mit einem Kaffee am Bett wecken, so lange bis Kenma jemanden findet, der es an seiner statt tun würde. So war es auch an diesem Morgen. Kenma ruhte seine Augen aus während er das Prasseln der kalten Dusche hören konnte. Allein der Gedanke an das eiskalte Wasser ließ ihm einen unangenehmen Schauer über den Rücken laufen. Er krümmte sich im Bett zusammen, die wohlige Wärme über sich schmiegen zu lassen. Das nächste Mal, als er die Augen öffnete, tat er das nicht wegen eines Alarms, sondern weil der angenehme Geruch von Kaffee an ihn herandrang. Das nervige Geräusch der Maschine hat er gar nicht gehört. „Mhhh“, machte er und rieb sich beim Aufrichten über die Augen. Die Decke wurde abgestreift und Kuroo bekam Aussicht auf das Shirt, das Kenma gestern nach dem Dienst übergezogen hat. „Heute wollen sie Bokuto holen“, sagte er. Die Tasse Kaffee wurde übergeben. Für Kuroo und Kenma war es normal, dass der ältere einfach ins Zimmer kam. Kenma nickte und nahm den ersten wohltuenden Schluck. Kuroo machte ihn eigentlich genau so, wie Kenma ihn mochte. Kein Zucker, ein kleiner Schuss Milch. “Wie bitter“, hat er damals gesagt. “Wie das Abbild meiner Seele“, war die spottende Erwiderung. Was Kuroo eben gesagt hat, kam erst nach dem dritten Schluck richtig bei Kenma an, davor fragte er sich, was heute anders war. Bokuto holen… Sie würden ihn also wecken, die Regenerationsphase nach der Operation war abgeschlossen, ab jetzt würde er sich den Schmerzen stellen müssen, die man nach so einem Eingriff hatte, er würde Schmerzmittel einnehmen müssen, anders als jetzt, wo er sie mit der Infusion bekam. „Was ist anders?“, fragte Kenma. Kuroo schüttelte amüsiert den Kopf. „Bist du gar nicht aufgeregt? Wie es Bokuto gehen könnte?“ Das Thema wurde umgelenkt. Warum? Kenma zog skeptisch die Augenbrauen hoch. „Ich kenn ihn kaum, also?“ Er hob die Tasse höher und maß Kuroo eines unausweichlichen Blickes. „Jaja, schon klar, du hast keine Bindung zu ihm, wie ich“, gluckste Kuroo, der sich mit dem Patienten bereits viel zu gut verstand. So viel zu “gut, dass du nicht zu involviert bist“ und “Man weiß nie, was passiert“. Kenma wartete ab. „Oder Akaashi“, kam Kuroo einfach nicht auf den Punkt und wackelte lieber mit den Augenbrauen, als dass er verriet, welch Schandtat mit dem Kaffee getrieben wurde. „Okay“, sagte Kenma, stellte die Tasse auf sein Nachtkästchen, stand etwas wackelig auf aber ging tapfer ins Badezimmer. Kuroo blieb noch einen Moment im Zimmer zurück. „Ich muss heute früher weg, geh nicht wieder ins Bett!“, wurde Kenma später durch die geschlossene Badezimmertür informiert. Das warme Wasser lief dabei bereits über Kenmas Haut und ließ ihn wohlig seufzten. Durch Kuroo hat er sich angewöhnt, morgens zu duschen. Auch zu duschen. Denn er duschte ebenso, wenn er vom Dienst nach Hause kam. Es war wie das Abwaschen der Geschehnisse des Tages. Deswegen stand er am vergangenen Abend besonders lange in der kleinen Kabine. Das Wasser hat ihm die Haare direkt in die Sicht gespült, aber er hat sowieso nicht gesehen, wie die Wassertropfen vor ihm über die weißen Fließen zu Bahnen gen Boden liefen. Die Dusche nach dem wilden Tag in und nach der Notaufnahme hat ihn lange verarbeiten lassen, was er gesehen hat. So viel Blut, wie sie bereits gewarnt wurden, so viel Leid, es war laut gewesen und Kenma hatte das Gefühl, er würde Fieber bekommen. Kuroo hat ihm etwas zu essen hingestellt und darauf bestanden, dass er es auch isst. Ob er bereits geahnt hat, dass Kenma die ganze Aufregung zu schaffen gemacht hat? Nach seiner kurzen Morgendusche stand Kenma in frischer Kleidung vor dem Kühlschrank und erkannte darin das Kräuel, das mit seinem Kaffee angerichtet wurde. Hafermilch. Kuroo hat also eine Veganerin kennengelernt. „Toll“, seufzte er, schlug die Kühlschranktür wieder zu und erkannte, dass es plötzlich auch mehr Sinn machte, dass sein gestriger Teller ausschließlich mit gedünstetem Gemüse belegt war. Die Schüssel Reis gabs fast immer. Der nächste unerfreuliche Moment baute sich schon direkt am Weg zum Bus auf. Kenma konnte es kaum nennen, aber es fühlte sich ein bisschen wie eine Vorahnung an. Unheil. Nicht gut. Mit jedem Schritt schien er einer unaufhaltsamen Katastrophe näher zu kommen, dass er sich die Frage stellte, ob ein Umdrehen und zuhause bleiben vielleicht gar nicht so unangebracht gewesen wäre. Es ging ihm ja auch nicht richtig gut. Aber dann hätte er direkt liegen bleiben müssen. Hätte er nun Halt gemacht und wäre umgedreht, die Prozedur des Aufstehens wäre ganz umsonst gewesen. Also stellte er sich seinem Schicksal. „Dr. Model~“, offenbarte sich seine Vorahnung im Bus. „Terushima“. Er seufzte und setzte sich entgegen des energischen Winkens nicht neben ihn, sondern in die Nähe des Ausganges. Eine weitere Vorahnung, die er just mit dem Hinsetzen hatte, erfüllte sich direkt darauf. Terushima war aufgesprungen und kam zu ihm. „Ich find‘s richtig toll, dass wir jetzt zusammen Bus fahren“, sagte er. „Ich nicht“, antwortete Kenma bereits genervt. „Wo ist denn Dr. Hahnenkamm? Seid ihr nicht sowas wie best Buddys oder so? Ihr wohnt doch auch zusammen, habt ihr noch Platz? Meine WG löst sich auf… Mein Mitbewohner hat sein Jura-Studium abgeschlossen und geht weg, allein kann ich mir das nicht mehr leisten und such jetzt ab nächsten Monat was Neues“, plapperte Terushima munter drauf los. Kenma konnte dem Rande des Wahnsinns nicht näher kommen. Er lehnte seinen Kopf an den Vordersitz, schloss die Augen und mühte sich einer ruhigen Atmung. „Erstens… Kuro ist nicht mein Buddy, er ist mein bester Freund. Seit immer… und zweitens“, begann er und richtete sich nun wieder mit einem sehr ernsten und vernichtenden Blick auf. „Warum um alles in der Welt sollten wir dich bei uns wohnen lassen?“, fragte er ihn entgeistert. Ja, sie hatten tatsächlich noch ein Zimmer in ihrer WG frei, aber Kuroo hat sich nie um eine dritte Person bemüht, weil er wusste, dass es Kenma nicht gefallen würde. Somit gefiel Kenma auch die Frage nicht, die Terushima da stellte und ihm gefiel dieses Geplaudere in aller Früh nicht. Kuroo kannte seinen Platz, er wusste, wie viel Kenma des Morgens sprechen und aufnehmen wollte. Von Können war keine Rede. Kenma hat genau wahrgenommen, wie aufgeregt Kuroo wegen Bokuto war und dass er vermutlich deswegen früher los wollte – Hoffentlich ja nicht wegen der Veganerin, die der Grund für die Hafermilch im Kühlschrank war. „Okay, okay, ich merk schon, du bist kein Morgenmensch, wir reden einfach später darüber“, sagte Terushima und klopfte Kenma mit der Hand auf die Schulter. Kenma sehnte sich bereits jetzt nach dem Ende der Schicht, denn so wie dieser Tag anfing, konnte es nicht besser werden. Was ihn aber am Kiosk am Weg zum Krankenhaus erreichte, schockierte ihn auf eine ganz besondere Weise. „Laktosefrei, Hafermilch, wenn Sie haben“ Vor ihm und – zu seinem Leittragen – Terushima stand Dr. Suna und bestellte sich gerade Kaffee. Mit Hafermilch. Seine Körperhaltung drückte aus, dass er nicht angesprochen werden wollte, immer eigentlich und Kenma hätte es auch nie gewagt, dennoch schlug ihm das Kinn fast zu Boden. Terushima rempelte ihn mit einem wissenden Blick. „Na? Nach Dr. McArrogant jetzt die Herzchen für Dr. DamnHot?“, fragte er. Zur Antwort bekam er sofort den Ellenbogen in die Seite gestoßen. „Halt die Klappe oder er hört uns“, zischte er und schliff Terushima am Ärmel schleunigst weiter. Es war ja nicht auszudenken, der Herzspezialist würde bemerken, dass sie über ihn redeten. „Also ist was vorgefallen, dass du die Flucht so ergreifst? Dachte nicht, dass du so umtriebig bist, naja, mit so einem hübschen Gesicht, ich würde dir ja auch mein Bett anbieten, wen-“ der nächste Stoß mit dem Ellenbogen folgte. „Sag mal, hast du sie noch alle?“, fragte Kenma und schubste Terushima nun auch noch. Sowas musste er sich doch nicht anhören. Seine Augen zogen sich zu bedrohlichen Schlitzen zusammen, seine Lippen bildeten eine wütende Schnute und seine Augenbrauen richteten über Terushima. „Nur weil du nicht mehr als deine Libido im Kopf hast, heißt das nicht, dass alle anderen Menschen auch notgeil durch die Gegend laufen!“, knurrte er ihn an und gab ihm noch einen Schubser mit. Kenma drehte sich um ehe Terushima etwas erwidern konnte und stapfte davon und über den restlichen Parkplatz ins Krankenhaus. Was allerdings nicht daran hinderte, ihm nachzulaufen und sich zu verteidigen. „Ich bin nicht notgeil! Aber gewisse Vibes spürt doch jeder. Sorry, Dude, dann treibst du dich wohl nicht rum. Aber Single bist du schon oder?“, fragte er. Kenma blieb stehen. Sein Blick hatte sich eigentlich gerade beruhigt, doch wurde nun von einer kleinen Welle Unverständnis heimgesucht. „Dude? Nein! Sicher nicht! Single? Geht dich das was an? Ich glaube nicht. Aber wenn dich das beruhigt, für mich gibt es niemanden“, sagte Kenma, drückte beim Lift angekommen den Kopf zum Türöffnen und setzte zum Einsteigen an, ließ Terushima aber den Vortritt und machte den Schritt wieder zurück. Er zeigte seinem Kollegen den Mittelfinger. „Ich mag dich, ehrlich!“, lachte Terushima im Lift während die Tür zu ging und war dahin. Kenma atmete erleichtert auf. Für einen Augenblick wollte er seine Ruhe genießen, ehe er gleich in die Garderobe musste, sich mit dem wilden Rudel für die Schicht zu wappnen. Ruhe genießen. Unmöglich. Was hätte er für eine einsame Liftfahrt mit Dr. Sakusa gegeben, in der man sich einfach nur anschwieg? Stattdessen kam Kuroo aus der Richtung des Haupteinganges angelaufen. In der Hand hatte er einen Becher mit der Aufschrift, des Kiosks, wo er Dr. Suna vorhin gesehen hat. „Lass uns gleich zu Bokuto gehen, ja?“, gab es keine Chance auf die Situation einzugehen. Kenma wollte es auch gar nicht. Das wäre unangenehm gewesen und er wusste, dass Kuroo das auch wissen musste, also ahnte er, dass er es auch nicht ansprechen würde. Tat er auch wirklich nicht. Nicht während der Liftfahrt, nicht beim Umziehen und nicht am Weg zur Intensivstation. Vor dieser trafen sie auf Akaashi, der bereits in ein Gespräch mit Dr. Suna vertieft war. Der Kaffeebecher ruhte noch in dessen Hand, wartete darauf, geleert zu werden. „Werte Kollegen“, sagte Kuroo mit einem Schneid auf den Lippen, wie Kenma ihn schon so häufig erlebt hat. Dr. Sunas Blick zu ihnen zurück wanderte zu Kuroos Hand, die den Pappbecher nach dem letzten Schluck im Mülleimer vor der verglasten Tür warf, dann trafen sich die Blicke der beiden Älteren. Kenma sah zu Akaashi und vermittelte ihm Unbehagen. Akaashis linke Augenbraue zuckte knapp, dann besah er die Szene ebenso. „Schlaflose Nacht?“, fragte Kuroo kess, als auch Dr. Suna seinen Becher entsorgte. „Ich wüsste nicht, was Sie das anginge“, antwortete dieser mit scharfem Unterton, dem sich sogar Kuroo mit eingeschüchtertem Blick abwandte. Dr. Suna entnahm sich aus dem Spender ein Paar Handschuhe, zog sie auf und ging weiter indem er mit dem Handgelenk den Türöffner betätigte. Die drei Assistenzärzte machten ihm das mit den Handschuhen gleich und folgten zu Bokutos Krankenbett. So friedlich wurde Kenma die Umgebung wieder bewusst. Aber nicht nur Bokuto lag hier. Etwas weiter von ihm entfernt lag Keade, die Motorradfahrerin vom gestrigen Verkehrsunfall. Nach der Operation, die Dr. Ushijima geleitet hat, musste sie die Nacht auf der Intensivstation verbringen, bestimmt noch eine weitere, denn der Eingriff war kein Einfacher und selbst, wenn der Oberarzt alles in seiner Macht stehende getan hat, war es ihm nicht möglich, ihre Beine zu retten. Leblos, nur durchblutet würde sie sie mit sich führen, aber Kaede würde ihr Leben lang an den Rollstuhl gebunden sein, würde sich nicht ein Wunder der Medizintechnik auftun, das zertrümmerte Knochen heilte und Nerven neu formte und Muskeln reparierte. „Dr. Akaashi, darf ich bitten?“ Kenma sah von Kaede ab und beobachtete wie Akaashi unter Anweisung die Vorbereitungen machte, Bokuto aus dem Tiefschlaf zu holen, natürlich nicht ohne davor noch alles akribisch zu erklären und es sich bestätigen zu lassen. Viel war noch nicht zu tun, die Medikamente, die durch die Infusion verabreicht wurden, wurden nun vom Tropf genommen, der Tubus kontrolliert und schließlich mussten sie warten bis Bokutos Körper die letzte Dosis verarbeitet hat. Irgendwann würde die selbstständige Atmung wieder einsetzen und der Tubus müsste entfernt werden. „Gut, Sie sind heute mit der regelmäßigen Kontrolle beauftragt. Pagen Sie mich sofort an, wenn er aufwacht“, sagte Dr. Suna und ließ Akaashi noch den Zustand des Patienten zusammenfassen. Alles war den Umständen entsprechend in bester Ordnung. Kenma spürte, dass er erleichtert war. Kuroo stand mit einem breiten zufriedenen Grinsen neben ihm, hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und nickte. „Gut gemacht, Akaashi“, sagte er. „Dr. Suna? Ich wollte Sie noch etwas fragen“, wandte er sich aber rasch an den Oberarzt, der bereits gehen wollte. Wieder bekam Kuroo einen urteilenden Blick, Kenma wollte flüchten. Musste er sich wirklich hier vor ihm ein Stelldichein ausmachen? „Es geht um eine Patientin auf der Pädiatrie“, sagte Kuroo, er wies Dr. Suna, dass sie dabei gerne gehen konnten, was sie auch taten. An der Tür tauschten sie mit Dr. Iwaizumi, Shirabu und Terushima ab. Dr. Iwaizumi ging zielstrebig auf Kaedes Bett zu. Shirabu folgte ebenso fokussiert nach, nur Terushima tanzte wieder aus der Reihe. „Ist Bo-Bro schon wach?“, fragte er aufgeregt. Kenma und Akaashi verdrehten im Gleichgang die Augen. „Bist du gefälligst leise“, zischte Iwaizumi. Er hatte ja jetzt schon genug von diesem ungestümen Jungarzt. „Sorry“, flüsterte Terushima, aber deutete fragend zu Bokuto. „Wir haben gerade die Medikamente abgesetzt, er wird erst in den nächsten Stunden vielleicht sogar erst Tagen aufwachen“, sagte Akaashi ruhig und ging nachdem er vom Monitor noch ein paar Einstellungen in die Patientenakte übernommen hat. Kenma blieb noch ein wenig um die Ruhe in sich aufzunehmen. Terushimas Aufruf zuvor hat bewirkt, dass Kaede nun blinzelte. Iwaizumi reagierte schnell und stellte sich mit einem entspannten Blick in das Sichtfeld der Patientin. „Ihr Beide? Diesmal hört ihr zu, das nächste Mal macht ihr das selbst“, sagte er zu den beiden Assistsenzärzten, sie nickten, Terushima setzte zu einer laut vermuteten Antwort an, doch Shirabu stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Seite, dies zu verhindern. „Kay, kay“ er würde ja ruhig sein. Iwaizumi gewahr Kaede einen Moment, aufzuwachen, sich zu sammeln und im Hier und Jetzt anzukommen, dann sprach er sie an. „Guten Morgen, ich bin Dr. Iwaizumi, das sind Dr. Shirabu und Dr. Terushima. Sie sind im Haikyuu Medical Hospital, können Sie sich an etwas erinnern? Wissen Sie, wer Sie sind?“, fragte er. Shirabu beobachtete die Situation aufmerksam, Terushima presste die Lippen zusammen. Kenma stand etwas abseits und blieb still. Kaede blinzelte erneut. Iwaizumis Blick wurde besorgter, doch dann begann sie zu sprechen. „Kaede, Sato Kaede ist mein Name, aber nennen Sie mich bitte nur Kaede… und ich… kann mich an… an einen Unfall erinnern, auf der Autobahn und… oh Fuck! Dieser scheiß Mercedes!“, kam sie direkt zu Sinnen und fluchte sofort, was Iwaizumi verblüffte. Terushima rempelte nun Shirabu an. „Die gefällt mir“, sagte er. Kenma musste gar nicht sehen, dass Shirabu die Augen rollte. „Ja, sehr gut… also nicht sehr gut wegen dem Unfall, aber, dass Sie sich korrekt erinnern… nur Kaede“, fand Iwairzumi wieder zur Sprache und war sogar für einen kleinen Witz zu haben. Kaede schmunzelte. Iwaizumi sprach weiter. „Wir mussten Sie notoperieren“ Von Kaede kam ein abwartendes „Mhm“. Eine Erklärung folgte. Ihre Beine wurden regelrecht zertrümmert, Sehnen und Nervenstränge, auch welche im Rückenmark, beschädigt, Muskel zerrissen. Es glich einem Wunder, dass der Oberarzt und Iwaizumi während einer stundenlangen Operation dafür sorgen konnten, dass Kaede noch ganz war, wenngleich nicht mit allen Funktionen und in massig Gips gehüllt, die Schrammen auf ihrem ganzen Körper glichen einem Tropfen Wasser auf heißem Stein. „Und warum schauen Sie so besorgt“, wollte die Patientin wissen. In ihren hübschen grünen Augen war nicht das zu erkennen, was man von jemanden erwartet hätte, der gerade erfuhr, dass die Hälfte des Körpers durch etliche Nägel und Schrauben zusammengehalten wurde und eigentlich keinen Nutzen mehr hatte. Kenma fragte sich, ob das eine normale Reaktion war oder ob das noch eine Nachwirkung der Narkose sein konnte. „Das bedeutet, dass Sie Ihre Beine nie wieder bewegen können, sie werden auf einen Rollstuhl und ständige Hilfe angewiesen sein, Ihr Leben lang“, sagte Iwaizumi ernst und sah Kaede eindringlich an. Auch Terushima und Shirabu unterstrichen ihr mit unterschiedlichen Blicken die Schwere der Situation. Terushima zeigte Mitleid, Shirabu vermittelte bereits, dass eine Menge Arbeit auf sie zukommen würde, ihr Leben umzustellen. Die Stimmung in der Station hing am seidenen Faden und war zugleich zum Zerschneiden dick. Kaede sah zu ihren Füßen hinunter. „Hmm..“, machte sie und seufzte. Iwaizumi legte seine Hand an ihre Schulter, sie zu trösten, wollte ihr gerade aufmunternde Worte sagen, ließ sich aber noch einmal von ihr überraschen. „Das ist schon ziemlich scheiße“, sagte sie. „Voll Scheiße“, bestätigte Terushima. Kenma schüttelte den Kopf. Dieser Kerl hatte echt kein Feingefühl. Er wusste zwar von sich selbst, dass er auch keines hatte, deswegen sagte er lieber nichts. Er beobachtete stattdessen weiter von Bokutos Bett aus, wie Iwaizumi sein Beileid aussprechen wollte. Aber Kaede ließ ihn wieder nicht recht zu den Worten kommen. „Naja, besser als abkratzen oder?“, fragte sie. Sie hob den Kopf, sah von einem zustimmenden Terushima zu einem etwas perplexen Shirabu und einem nicht weniger irritierten Iwaizumi. Kaede schloss für einen Moment die Augen aber lächelte mild. „Wissen Sie Dr. Iwaizumi, ich kann mich richtig gut an den Unfall erinnern. Man sagt doch immer, dass kurz vor dem Tod das ganze Leben an einem vorbezieht wie ein Film. Ich hab es gesehen. Ich hab mein ganzes Leben gesehen, alles, was ich liebe und alles, was ich bereue. Ich hab eigentlich Frieden geschlossen. Und verstehen Sie mich nicht falsch, auch wenn Sie wirklich gut aussehen, aber Sie sind kein Engel und darüber bin ich gerade wahnsinnig froh. Ich lebe. Und dafür bin Ich Ihnen sehr dankbar, Dr. Iwaizumi … und Dr. Shirabu war das? Und Dr. Teru-?“ Kaede stockte und sah von einem Arzt um ihr Bett zum Anderen. „Dr. Terushima Yuuji, Teru tuts aber auch“, sagte Terushima "Dr. Vollidiot wäre passender", zischte Shirabu und Kenma ertappte sich eines amüsierten Lautes. Terushima verzog das Gesicht, aber Shirabu sprach weiter: „Dr. Ushijima hat Ihre Operation geleitet, Dr. Iwaizumi hat einen großen Anteil dazu beigetragen, dass Sie jetzt noch sitzen und mit uns sprechen können, ich… wir haben assistiert.“ Kaede nickte anerkennend. „Dann danke ich für Ihre Unterstützung und Dr. Iwaizumi, danke, dass Sie mich soweit zusammengeflickt haben und dass ich Ihnen nun in die Augen sehen kann und nicht in die eines Engels“ Ihr Blick fand Iwaizumi und ließ ihn hadern. Ihr sanftes freundliches Lächeln stieß schließlich ein ungewohnt unruhiges Gerede des Stationsarztes los. „Oh… natürlich, das ist unser Job. Also nicht das in die Augen sehen, schon auch, natürlich sehen wir unseren Patienten in die Augen und auch Operationen am Sehapparat führen wir durch, aber nicht ich und auch die beiden hier nicht, noch nicht zumindest, das kommt auf deren Spezialisierung an“ Kaede begann zu kichern. Kenma sah Iwaizumi im Rücken schon an, dass er sich am liebsten die Haare raufen würde, da wurde es ihm auch schon zu bunt und er ließ die vier lieber erst einmal unter sich. Das war ja kaum mitanzusehen. Dr. Iwaizumi machte immer einen so beherrschten Eindruck. Ob es daran lag, dass ihn diese Frau durch die Blume mit einem Engel verglich? Mehrmals? Kenma hätte ihr das wohl gleich abgewöhnt. Engel. So einen hatte er selbst als nächstes auf seiner Liste. Der nächste Raum, den er betrat, war ein privates Krankenzimmer. Es war still. Unangenehm, denn er dachte, der Patient würde schlafen und er müsse ihn wecken. Als er aber um die Ecke schritt und zum Bett kam, saß Iizuna mit verschränkten Beinen und der Decke über den Schultern dort, seine Ellenbogen hatte er an den Knien angelehnt und in den Händen hielt er sein Smartphone. Die Finger wischten koordiniert über das Display, seine Augen fixierten konzentriert die Anzeige, als wäre er komplett versunken. In was auch immer. Kenma kam leise noch einen Schritt näher, wollte gerade auf sich aufmerksam machen, da zogen sich Iizunas Lippen schon zu diesem engelsgleichen Lächeln hoch. Ja… Kenma dachte zwar, Dr. Iwaizumi würde sich zum Affen machen, für einen Moment zumindest, aber er spürte, hätte er selbst mehr Temperament, er würde dasselbe tun. „Worin würden Sie investieren, wenn Sie zu viel Geld hätten, Dr. Kozume?“, fragte Iizuna und überraschte Kenma. Er fragte sich, wie er nur an den Schritten erkannt wurde, aber auch ob er etwa der Grund für dieses schöne Lächeln war. Und war es schön oder war es durchtrieben, weil Iizuna bereits geahnt hat, dass er Kenma eiskalt erwischen würde? Aber Kenma war schlagfertig. „Pharmazie und Technik“, sagte er. Iizuna verharrte in seiner Haltung. „Welche Unternehmen?“, wollte er wissen. Kenma nannte Johnson&Johnson und Takeda als solide Partner, aber meinte, dass unbekanntere Firmen wie Astra Zeneca und vielleicht sogar Moderna einen Durchbruch schaffen könnten. Bei Technik nannte er die Bluechips Apple und Microsoft, damit, meinte er, konnte man nichts falsch machen. „Aber Nintendo und Nvidia sind bestimmt auch nie verkehrt, mit wie viel Geld spekulieren Sie? Ich schätze, dass Sie auch mit einer Investition in Cannabis gut fahren könnten, aber dazu können Sie sich bestimmt auch in den nächsten Jahren noch entscheiden, bevor das wirklich durch die Decke bricht“, ging er weiter darauf ein. Iizunas Daumen schnellten über das Display, Kenma erkannte ein paar Charts, rote Zahlen und auch grüne, aber besonders gut konnte er das Geschehen nicht verfolgen, Iizuna war zu schnell und er zu weit weg. „Okay“ Das Handy wurde weggelegt und Iizuna richtete sich auf. Sein Lächeln traf Kenma wieder mitten ins Herz. „Was machen wir jetzt?“, wollte er wissen. „Sie gehen zum Ultraschall und dann zum CT“, antwortete Kenma in aller Ruhe. „Kommen Sie nicht mit?“ Iizuna ließ die Decke von seinen Schultern rutschen und hob die Beine elegant aus dem Bett. Kenma streifte der Gedanke, dass Kaede Sato das nicht mehr tun konnte, aber hing mit diesem Gedanken etwas zu lange auf Iizunas muskulösen Beinen. „Meine Augen sind hier oben“, sagte dieser nämlich frech. Kenma riss den Blick sofort ertappt hoch in die warmen rötlichen Augen. „Nein, ich gehe nicht mit“, sagte er. Er hat nur alles organisiert. Zum Händchenhalten war er nicht da. Aber das wusste Iizuna ja nicht, der soeben nach Kenmas Handgelenk griff. „Und wenn ich bitte sage, weil mir alleine langweilig ist?“ Kenma sah auf sein Handgelenk und die langen schlanken Finger, die Druck darauf ausübten. Nicht fest. Lieblich gar. Ein Kribbeln. Nicht unangenehm. „Dann haben Sie Ihr Smartphone, aber das müssen Sie beim Ultraschall selbst und beim CT ablegen“, erklärte er und entzog sich der ungewohnten Berührung. „Sagen Sie mir zumindest, wo ich hin muss?“ Iizuna stand auf. Er überragte Kenma um gut zehn Zentimeter. Das war nichts, womit man ihn hätte einschüchtern können, viele hier waren größer als er, nur niemand war so schön wie Iizuna. „Okay“ Kenma nickte, ging voran und Iizuna folgte ihm. „Sie reden nicht viel, nicht wahr?“, fragte Iizuna aufgeweckt. Kenma zuckte mit den Schultern. „Man muss nicht immer etwas sagen“, bekundete er seine Meinung. „Glauben Sie nicht, dass Sie es mal bereuen werden, etwas nicht gesagt zu haben?“ Kenma dachte für einen Moment darüber nach, schüttelte aber den Kopf. „Wenn ich es nicht sage, ist es nicht wichtig“ und davon war er überzeugt. Es war nicht wichtig, Iizuna zu sagen, dass ihn sein Lächeln aus dem Konzept brachte und dass er so etwas bei noch keinem anderen Menschen je zuvor erlebt hat. Er meinte zu wissen, dass es nichts brächte, wüsste der hübsche Mann davon. Denn für Kenma gab es keine Konsequenz daraus. Es wäre nur unangenehm. Und unangenehm mochte er nicht. Iizuna gab das Fragespiel schließlich auch auf. Musste er, denn er war recht schnell in der Radiologie abgestellt. „Sie finden zurück“, sagte Kenma und ging, ohne ihn noch einmal anzusehen. Denn dann hätte er den Anflug eines sehnsüchtigen Blickes erkannt und wäre sich der Nichtkonsequenz vielleicht gar nicht mehr so sicher gewesen. Aber es gab kein Ansehen mehr. Stattdessen gab es weitere Aufgaben. Patientenakten aufarbeiten, die Runde mit Dr. Komori, der auch Akaashi, Terushima und Yamaguchi wieder beiwohnten und auch das Mittagessen, das er mit Yamaguchi, Tsukishima und Yachi zu sich nahm. Yachi war dabei sehr abwesend, auch Yamaguchi schien der Unfall vom Vortag noch tief in Mark und Bein zu sitzen, dafür wurde Tsukishima ein paar garstige Worte los. Ihm schien hier kaum jemand in den Kram zu passen und irgendwie machte ihn das sympathisch, zumindest seine Einstellung. Kenma dachte wieder an Iizuna und was er über das Aussprechen von Gedanken gesagt und was Kenma abgeschmettert hat. Er befand sich in einer Zwickmühle. Einerseits fand er Tsukishima sympathisch, weil er so wenige der Ärzte hier mochte, besondere Zuwendung bekam an diesem Tag Kuroo, was Kenma sehr amüsierte, und das wüsste er nicht, würde Tsukishima den Mund darüber halten und andererseits fand er ihn anstrengend, weil er darüber sprach und nicht einfach Ruhe walten lassen konnte. Kenma seufzte. Er stand auf, nahm sein Tablett und brachte es weg. „Es nervt mich, wenn Leute zu viel reden“, sagte er zurück bei Iizuna, weil er ihn nun zu seinem psychologischen Gutachten und zu einem verhaltenen „Oh“ brachte. „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht nerven“ Kenma hob beim Gehen den Kopf an und sah zu seinem Patienten. Sein Mund klappte zum Widersprechen auf, in Iizunas Augen war ein Funkeln zu erkennen, sein Mund klappte wieder zu. Kenma schwieg. Wieder fragte er sich, was es zur Sache tat, ob Iizuna nun wusste, dass er ihn nicht nervte. Für den Tag hätte er mit den nächsten Schritten seinen Kontakt zu ihm bereits abgeschlossen und nach der Operation würde Iizuna das Krankenhaus irgendwann wieder verlassen und Kenma würde ihn nicht mehr wiedersehen. Es war egal, wie sie zueinander standen. Kenma erkannte aber nun etwas anderes in Iizunas Gesicht. Bedauern. Er seufzte, denn das gefiel ihm nicht. „Da vorne ist der Wartebereich, Sie sind schon angemeldet“, sagte er und deutete geradeaus. „Danke“, wurde knapp erwiedert. „Iizuna?“ Kenma blieb stehen, auch Iizuna stoppte und drehte sich rasch um. „Sie nerven mich nicht“, sagte er. Nun drehte er sich um, ließ seinen Patienten mit einem breiten Lächeln zurück und wusste, warum man manchmal doch etwas sagte. Im Laufe des Nachmittages wurde ihm der Zustand des Schweigens aber immer dringlicher, dass er in seiner letzten Stunde die Intensivstation aufsuchte, mit Akaashi die Vitalwerte der Patienten zu kontrollieren. Auch Mai lag nach Dr. Meians Eingriff hier. Ihre Werte waren richtig gut, dass sie noch an diesem Tag auf die normale Station verlegt werden könnte. „Ein eigenes Zimmer, das wird schön, jeder Schritt hier reiß einen aus der Ruhe“, sagte sie und Kenma nickte er nur zustimmen zu. Wenn nur Schritte wären. Bokuto war vor zwei Stunden aus seinem Tiefschlaf aufgewacht, Akaashi hat wie verlangt Dr. Suna angepaged und Bokuto wurde von der Maschine genommen. Künstliche Beatmung war nicht mehr notwendig, nur mehr die Überwachung vom Herzschlag blieb aufrecht. Das mit der Stimme hat etwas gedauert, bis sie von einem anfänglichen Krächzen zu einem erbärmlichen Hauchen wurde. „Du hast mich Kotaro genannt“, sagte er nun gequält aber mit einem schelmischen Grinsen. Seine goldig glänzenden Augen fixierten Akaashi, den ein zarter Schimmer von roter Farbe um die Nase auflief. „Woher weißt du das?“, fragte er. Kenma fiel sofort die persönliche Anrede auf, aber nach so einem Erlebnis und dem Versprechen, das der schwarzhaarige Arzt gegeben hat, überraschte es ihn nicht sonderlich. Dennoch fand er es unangebracht. Bokuto war ihr Patient. „Also stimmt es?“ Bokutos Gesichtsausdruck wechselte von tollkühn zu überglücklich. Akaashi zog die Augenbrauen hoch. „Ein Bluff“, meinte er, ihn durchschaut zu haben. Aber Bokuto verneinte. „Teruuji hats mir gesagt. Bist voll mein Held, du hast mein Leben gerettet“, wiederholte er, was Terushima vor einer Stunde hier herumposaunt hat. Akaashi verzog das Gesicht. „So würde ich mich nicht bezeichnen“, sagte er und hinderte Bokuto daran, sich aufzurichten. Kenma verstand nicht, warum er sich immer wieder aufsetzen wollte, wo er doch in aller Ruhe liegen konnte. Gut, er hätte sich seine Konsole gewünscht in dieser Situation, er hätte dann Frieden gegeben. Er hätte sich bestimmt auch bei Akaashi bedankt, denn er fand ebenfalls, dass er Bokuto das Leben gerettet hat, aber dabei hätte er es belassen. Liegend. Bokuto beließ es nicht dabei. „Aber ich lebe, weil du nicht aufgegeben hast“ „Dr. Suna hat die Reanimation abbrechen lassen“, sagte Akaashi nüchtern. Seine Hand verweilte auf Bokutos Schulter um ihn direkt wieder zurückzuhalten, wenn er sich verwehren wollte. Dem aber stieg die Empörung ins Gesicht. „Warum wollte er mich umbringen?“, fragte er entsetzt. Kenma seufzte. „Er wollte Sie nicht umbringen, aber Sie waren tot“, sagte er. „Für einen kurzen Moment, klinisch tot“, ergänzte Akaashi schnell. Bokutos Augen weiteten sich und sein Grinsen wurde breiter. „Und deine wunderschöne Stimme, die meinen Namen gesagt hat, hat mich wieder zum Leben erweckt“, Akaashis Finger schnellten hoch in sein Gesicht, er massierte sich die Schläfen und suchte nach Worten. „Ach lass ihn doch in dem Glauben“, stöhnte Kenma angespannt und wollte gehen. Akaashi senkte die Hand wieder. „Bokuto-san…“ – „Kotaro! Du hast es versprochen!“ – „Kotaro, es ist wichtig, dass du dir Ruhe gönnst, du hattest eine anstrengende Operation am Herzen, wir haben das mit Dr. Suna bereits besprochen. Regeneration ist jetzt sehr wichtig“, wiederholte Akaashi nicht zum ersten Mal, so wie Bokuto mit dem Kopf mitwippte. „Für mich war es nicht anstrengend“, summte er. „Du hast geschlafen, dein Körper muss sich erholen“, warf Akaashi ein. Bokuto wollte nicht. Die Diskussion und Verhandlungen, wie Akaashi ihn dazu brachte, still zu halten und seinen Frieden zu geben, wollte sich Kenma nicht mehr anhören. Seine Schicht war vorbei, Akaashi sollte gerne alleine länger bleiben, wenn ihm dieser eine Patient so am Herzen lag. Nicht nur Akaashi blieb länger. Beim Verlassen dieses Trakts kam Kenma auch bei dem Zimmer vorbei, wo Kawanishi in einem Einzelzimmer lag, weil sein Tiefschlaf nach dem Unfall länger geplant war. Er war Dr. Ukai Juniors Patient, dem Chefarzt der Unfallchirurgie. Kenma hat nur mitgehört, dass er weit oben auf der Liste für eine Spenderlunge stand. Seine Lungen wurden so massiv gequetscht, dass sie ihren Dienst in den nächsten Wochen komplett aufgeben würden, wenn bis dahin nicht seine Leber und Nieren versagen würden. Er hat viel Blut verloren, es war ein Wunder, dass Nishinoya vor Ort war, denn hätte er nicht gehandelt, Kawanishi wäre noch am Unfallort verblutet und gestorben. Yachi hat ihren Job auch gut gemacht, als der Patient in die Notaufnahme geschoben und behandelt wurde. Aber Yachi nahm ihren Job vielleicht ein wenig zu ernst, genauso wie Akaashi. Überstunden für die Patientenumsorge. Nichts, was Kenma tun würde. Dennoch blieb er stehen und beobachtete Yachi für einen Augenblick. „Dr. Romero ist einer der besten Transplantationsärzte im Land,. Das heißt, wenn wir bald eine Lunge bekommen, sind Sie in den besten Händen. Also… Sie sind jetzt schon in den besten Händen, wir passen sehr gut auf Sie auf…“, sagte Yachi. Sie gähnte. Kenma wunderte sich etwas darüber, sie hatten eigentlich eine normale Schicht. Er wusste nicht, dass Yachi seit dem Unfall nicht zuhause war und nachdem die anderen Assistenzärzte die Garderoben und das Krankenhaus verlassen hatten, beim Vorbeigehen an diesem Zimmer zurück geblieben ist. Kenma fragte auch nicht nach und ließ Blondine sitzen. „Ich passe auf Sie auf“, sagte sie. Ihr Kopf nickte weg und Kenma machte sich lieber auf den Weg nach Hause. Es war nicht seine Aufgabe, ihr nahezulegen, heim zu gehen, sich auszuruhen und sich abzulenken um für die kommende Schicht gewappnet zu sein. Sie gehörte auch nicht seinem Team an. Terushima gehörte seinem Team an und der schoss auch ganz plötzlich um die Ecke. „Jo, Dr. Model, Dude, nein nicht Dude! Magst du nicht, hab ich mir gemerkt. Gut nicht? Egal, wir können heute leider nicht über die WG reden, ich muss bei Kaede bleiben, sie weint und sie kann nicht sprechen und Dr. Iwaizumi ist in ner OP und Shirabu meint, dass das nicht seine Aufgabe ist, aber ich kann keine Frauen weinen sehen, Männer vermutlich auch nicht… hmm ja, vermutlich nicht, bitte weine nie vor mir okay?“, kam es einerseits sehr praktisch aus Terushimas Mund, dass sich Kenma mit diesem nicht weiter beschäftigen musste, der restliche Inhalt des Gesagten hätte ihn in keine wildere Achterbahn der Reaktionen führen können. Wie konnte man in einem Satz so viel Blödsinn verzapfen und trotzdem noch wichtige Fakten rüberbringen? „Wow… kannst echt stolz auf dich sein“, sagte Kenma und meinte das nicht einmal irgendwie gehässig. Er war tatsächlich ein bisschen beeindruckt. Aber nur ein bisschen und auch nicht für lange Zeit. „Wir sehen uns dann morgen“, rief ihm Terushima ein paar Schritte weiter zu. Der Weg zur Intensivstation war bereits eingeschlagen und Kenma sah seiner Art zu gehen, regelrecht zu hetzen, an, dass ihm wirklich etwas an der Patientin lag. Ob es nur deswegen so war, weil sie eine Leidenschaft teilten, die Kaede nun nicht mehr erfüllen konnte und die Terushima gerade (wegen ihr) mied? Kenma fand es auf psychologischer Ebene gerade auch sehr interessant, was sich unter den Assistenzärzten gerade entwickelte. Vielleicht würde dieses erste Jahr, bis er eine Spezialisierung gewählt hätte, ja auch auf zwischenmenschlicher Basis interessant werden. Das hat er nämlich eigentlich nicht angenommen. Er war davon ausgegangen, dass sie still nebeneinander her konkurrierten und dass das die einzigen Anschlussstellen mit den anderen sein würden. Tja. Zuhause angekommen musste er noch etwas anderes Zwischenmenschliches ansprechen und unterbinden, denn er war nicht gewillt, seinen Vorgesetzten eines Morgens nackt durch die Wohnung spazieren zu sehen. Somit nutzte Kenma den Moment, wo er Kuroo am direkten Weg durch die Küche über den Weg lief und sprach seine Vermutungen und Befürchtungen aus. „Waaas?!“ Kuroo entgleiste das Gesicht, kurz darauf brach er in schallendes Gelächter aus. „Wie kommst du denn bitte darauf? Ich meine… ja gut, Dr. Suna sieht schon wahnsinnig gut aus, aber ganz ehrlich? Der Kerl ist sogar mir ne Nummer zu groß“, gluckste er. Kenma verzog das Gesicht. Alles, was er dachte, an zwischenmenschlicher Analyse gelernt zu haben, war falsch, umsonst. „Arsch“, sagte er nur zu Kuroo und ging auf sein Zimmer. Die nächsten Stunden verbrachte er spielend an seiner Konsole. Die Gedanken rasten dabei. Sie rasten um die falsch interpretierten Vibes zwischen Kuroo und Dr. Suna, um Yachi, die bei Kawanishi eingenickt war und um Bokuto, der bei Gott nicht stillhalten wollte und der so vielleicht auch Akaashi schlaflose Nächte bereiten würde. Irgendwie verstand er ja, dass man sich um Bokuto sorgte. Er war wie ein kleines Kind im Körper eines Erwachsenen, er war naiv und sprudelte über vor Lebensfreude. Bokuto hatte eine ganz besondere Art, das Leben locker zu nehmen, obwohl er solch ein Handicap mit seinem Herzen hatte. Es war ähnlich wie bei Kaede, die ihm diesbezüglich vielleicht sogar einen Floh ins Ohr gesetzt hat oder hat sie ihm sogar unbewusst ins Gewissen geredet? Die Motorradfahrerin hat Kenma beeindruckt wie sie Dr. Iwaizumi erklärt hat, dass sie dankbar dafür war, noch am Leben sein zu dürfen. Auch das verstand Kenma. Er hat einen kurzen Gedanken daran verloren, dass er die Funktion seiner Beine abgeben würde, nie aber die seiner Hände. Und dann drängte sich Iizuna auf. Sein Lächeln lenkte Kenma beim Spielen ab, es ließ ihn beim Zähneputzen seufzten und es hinderte ihn daran, einzuschlafen ohne selbst ein Lächeln über seine Lippen kommen zu lassen. Kenmas Augen klappten zu, eine angenehme Wärme machte sich in seiner Brust breit und mit zuckenden Fingern entglitt er dem Schlaf und seinen Träumen, von denen er am nächsten Morgen nichts mehr wissen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)