Die goldenen Töne des Klondike von KiraNear ================================================================================ Kapitel 1: Pfannkuchen mit Gemüse --------------------------------- Vorsichtig, fast schon liebevoll begann Donald den Pfanneninhalt umzurühren. Paprikascheiben und Tomatenstücke brutzelten gemütlich auf mittlerer Flamme, in einer Nachbarpfanne briet ein Pfannkuchen, einer von vielen. Die angenehmen Gerüche vermischten sich zu einer einheitlichen Sinfonie, die die gesamte Küche erfüllte. Eine harmonische Einheit, die Donalds Nase verwöhnte, seinen Appetit anregte und ihm eine wohlschmeckende Mahlzeit versprach. Zufrieden blickte Donald sein Ergebnis an, ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Mit flinken Handgriffen drehte er die Gaszufuhr des Ofens ab und verteilte den Großteil der beiden Pfanneninhalte auf vier bunte Teller. Donald bereitete seine Stimmbänder darauf vor, seine Neffen zum Essen zu rufen. Doch das laute Getrappel auf den knarzenden Dielen, wie auch die stöhnenden Treppenstufen verrieten ihm, dass er sich den Atem sparen konnte. „Gut, wenn ihr schon hier seid, dann lasst es euch schmecken. Genießt das Essen, solange es noch warm ist“, meinte Donald und trug vorsichtig die vier Teller zum Esstisch, um sie sofort zu servieren. Dabei wanderte sein Blick immer wieder gen Küchenfenster, was seinen Neffen nicht entging. Sie folgten seinem Blick, konnten jedoch nichts Verdächtiges erkennen. Allein dank ihrer Erfahrung begannen sie zu ahnen, was ihr Onkel dort vermutete. Während die drei jungen Küken sich an den Tisch setzten, kehrte Donald in die Küche zurück und schob das restliche Essen auf einen fünften, zusätzlichen Teller. Diesen stellte er ebenfalls auf dem Esstisch ab und holte aus dem Nebenzimmer einen weiteren Stuhl. All dies unter den neugierigen Blicken seiner drei Neffen, die sein Handeln keineswegs kommentierten. Es sorgte lediglich dafür, dass sie ihr Essen ganz langsam, in kleinen Bissen, zu sich nahmen.   Zufrieden betrachtete Donald sein Werk, dann schritt er zur Haustür und öffnete sie. „Werter Onkel, ich habe längst mitbekommen, dass du dich wieder an meinem Küchenfenster herumschleichst. Ich weiß ganz genau, dass du vorhattest, in den nächsten Minuten bei mir zu klingeln … also komm schon rein“, sagte Donald, während er den Busch in seinem Vorgarten betrachtete. Der Busch begann zu wackeln und als sein Onkel Dagobert die enganliegenden Äste zur Seite schob, war keine Spur von Überraschung in Donalds Gesicht zu sehen. „Oh, Neffe, ich wusste gar nicht, dass du meine Anwesenheit bemerkt hast“, versuchte Dagobert so beiläufig wie möglich zu klingen. Donald verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Aha. Und als nächstes möchtest du mir erzählen, dass du dich rein zufällig in meinen Vorgarten verlaufen hast. Obwohl du ganz genau weißt, zu welcher Uhrzeit bei uns das Mittagessen aufgetischt wird. Dein feiner Riecher hat dir verraten, dass es bei uns heute Pfannkuchen gibt. Eines der Gerichte, welches du rein zufällig gerne isst. Aber du bist nicht die einzige Ente mit einem guten Riecher.“ Dabei tippte er sich an den Schnabel. „Den Geruch von Geiz und Münzgeld habe ich schon gerochen, da hast du gerade erst deinen Geldspeicher verlassen. Also komm rein, sonst wird dein Teller kalt.“ Dagobert, mehr als sichtlich entzückt, nahm aus gespielter Höflichkeit seinen Zylinder herunter. „Wenn du mich so einlädst, nun, es wäre unhöflich ein derartig freundliches Angebot abzulehnen. Ich meine, du hast dafür auch hart geschuftet, was bei dir eine absolute Ausnahme ist ...“ „Ja ja ja, jetzt beeil dich und geh rein. Es ist nicht so, als hätte ich eine andere Wahl. Würde ich mich dagegen wehren, dir etwas zu servieren, würdest du mir nur wieder vorheulen, was für eine harte und herzlose Familie du hättest. Eine bitterböse Familie, die einem armen Schlucker wie dir kein Essen abgeben möchte. Oder du wedelst wieder mit meiner Schuldenliste vor meinem Schnabel herum.“ Dagobert bemühte sich um einen Hundeblick, als er Donald wieder in die Augen sah. „Also Neffe, deine Worte verletzen mich sehr. Als würde ich derartige Dinge tun oder auch daran denken!“ „Hast du, bereits mehrfach in der Vergangenheit. Ich kann es schon lange nicht mehr an meinen beiden Händen abzählen. Und du wirst es in Zukunft wieder tun, da bin ich mir sicher.“ Dagobert erwiderte nichts mehr darauf, stattdessen legte er seinen Zylinder an der Garderobe ab und betrat zusammen mit seinem Neffen das Esszimmer. Tick, Trick und Track versuchten noch immer, ihre Mahlzeit so langsam wie möglich zu sich zu nehmen. Sie wollten nichts von dem Gespräch zwischen ihren beiden Onkeln verpassen. Freundlich sahen sie zu Onkel Dagobert hinüber. „Hallo!““ „Onkel!“ „Dagobert!“ „Hallo, Kinder! Hach, Donald, mit diesen Pfannkuchen hast du dich ein weiteres Mal selbst übertroffen. Und wenn ich mir das Gemüse so ansehe … löblich, löblich, so gesund zu essen. Wie ich dich kenne, ist das Gemüse aus dem Angebot. Gesund, nahrhaft und kostengünstig. Die besten Voraussetzungen für eine vollwertige Mahlzeit“, lobte Dagobert und setzte sich auf den Stuhl, den ihm sein Neffe kurz zuvor noch an den Tisch gestellt hatte. „Jetzt würde mich nur noch interessieren, woher du von meiner Anwesenheit gewusst hast. Ich meine, wo ich doch rein zufällig hier bin.“ „Bitte schön, lass es dir schmecken“, sagte Donald und reichte seinem eine Serviette, bevor er selbst Platz am Tisch nahm. „Ich habe recht schnell herausgefunden, dass du hier bist. Unter uns, du hast dich nicht gerade unauffällig in dem Gebüsch versteckt, das Rascheln hat es mir verraten. So bewegt sich kein Tier, das weiß ich ganz genau.“ Wieder tippte er sich an seinen Schnabel, mit einem selbstbewussten Lächeln darauf. „Außerdem warnt mich mein siebter Sinn, wenn du in der Nähe von mir bist. Jetzt erzähle doch bitte, was du heute von mir oder den Jungs möchtest“, sagte Donald. Nebenbei begann er, wie alle anderen seine Pfannkuchen in kleine, mundgerechte Stücke zu schneiden. Dagobert sah seinen Neffen an, als hätte dieser vor seinem Schnabel einen 100 Talerschein angezündet. „Welche Unterstellungen du hier wieder von dir gibst…“   Er stopfte sich mehrere Gabeln in den Mund, doch als er bemerkte, dass Donalds Miene sich kaum änderte, musste Dagobert sich eingestehen, dass seine Strategie erneut nicht aufzugehen schien. „Gut, gut, du hast gewonnen. Das mit dem Essen habe ich nicht wissen können und ich gebe zu, ich habe mich in deinem Vorgarten versteckt. Du weißt, wie sehr ich deine Pfannkuchen schätze! Abgesehen davon hielt ich es für unhöflich, dich mitten beim Kochen zu stören.“ Dagobert legte seine Gabel auf dem Tisch ab. Während sein Neffe ihn einem wachsamen Blick studierte, sahen seine drei Großneffen ihn neugierig an. „Du hast vollkommen recht, ich bin mit einem gewissen Anliegen zu euch gekommen. Es hat jedoch nichts mit deinen Schulden zu tun, ausnahmsweise mal. Nein, vor mir liegt ein Abenteuer, eines, auf welches ich euch vier zu gerne mitnehmen möchte.“ Donald, die Augenbraue gehoben, sah seinen Onkel nun noch kritischer an, einen Anblick, den Dagobert bereits gewohnt war. „Lass mich raten, wir sollen wieder irgendein armes Volk in irgendeiner gottverlassenen Gegend sinnlosen Plunder um die Ohren hauen. Und das nur, weil sie etwas haben, was du unbedingt haben möchtest. Oder du willst ein weiteres Mal auf Schatzsuche gehen, nicht wahr?“ Dagobert, der den letzten Rest an Gemüse zu einem kleinen Berg zusammenschob, blickte von seinem Teller auf und schüttelte den Kopf. „Nicht ganz, mein Neffe, aber du bist mit deinen Vermutungen schon nach dran. Näher, als du es dir vorstellen kannst.“ Kaum hatte Dagobert sein kostenloses Mahl beendet, wischte er seinen Schnabel mit der Serviette ab. Sofort begannen die drei Küken, die Teller auf einen Stapel zu stellen und schoben ihn an das andere Ende des Tisches. Alles unter dem stolzen Blick ihres Großonkels. Anschließend holte Dagobert aus der Innentasche seines Gehrocks ein zusammengerolltes Stück Papier hervor. Dass dieses Papier bereits seine besseren Zeiten hinter sich hatte, war sofort erkennbar. „Nun gut, was willst du uns mit diesem alten und vergilbten Stück Papier sagen?“, fragte Donald, nachdem er selbst fertig mit Essen war. Erneut schüttelte Dagobert den Kopf. „Neffe, ein bisschen mehr Respekt im Generellen würde dir ganz guttun. Heute sehe ich mal noch darüber hinweg, das hast du deinen herrlichen Pfannkuchen wie auch dem leckeren Gemüse zu verdanken. Jedenfalls“, sagte Dagobert und rollte das Papier vor ihnen auf dem Tisch aus. „Das hier ist eine Karte eines alten Heimatortes von mir, Dawson. Ich bin mir sicher, dass ich euch schon mal davon erzählt habe.“ Donald stützte sich mit seinem Arm auf dem Tisch ab. „Ja, mehrere tausend Male hast du uns davon erzählt, wenn nicht sogar noch öfter.“ „Fein, dann dürften euch die meisten Fakten bereits bekannt sein. Kommen wir zum Wesentlichen, worum es bei dieser Reise gehen wird“, sagte Dagobert und beugte sich über die Karte. Seine Verwandten taten es ihm nach. „Was genau möchtest du uns nun mit dieser Karte sagen? Außer, dass du zu habgierig bist, um sie an ein Museum zu spenden?“, sagte Donald amüsiert. Dagobert überging diese spitze Bemerkung und sah dagegen mit einem Lächeln die Karte an. Eine Art von Lächeln, dass die vier sehr, sehr selten an ihm sahen. „So unglaublich es klingen mag, aber es besteht die Möglichkeit, dass ich damals einen Schatz zurückgelassen habe. Ich, Dagobert Duck, habe mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bei meinem Auszug aus Dawson einen Schatz vergessen mitzunehmen. Es ist mir ein wenig peinlich, aber als ich neulich über meine Vergangenheit so nachdachte und in Erinnerungen schwelgte, da ist es mir wieder eingefallen.“ Er blickte in die Runde, sein Blick wurde klar und ernst. „Ein Fehler, den ich umgehend beheben möchte. Denn selbst nach all den Jahren hat der Schatz nichts an seinem Wert verloren und mir wäre es lieber, wenn ich ihn sicher hinter einem schützenden Glaskasten wüsste, als in irgendeiner Schublade.“ Das war eine Erklärung, mit der sie nicht gerechnet hatten. Fragend sahen Donald und seine Neffen sich an. „Wenn ich dich richtig verstehe, Onkel Dagobert, dann müsste dieser Schatz sich immer noch dort befinden?“, fragte Tick neugierig nach. „Nun ja, wenn ihn bisher keiner gefunden hat, ist er sicher noch dort“, fügte Track hinzu. „Track hat recht. Wenn man den Schatz entdeckt hätte, wäre es mir sicherlich zu Ohren gekommen“, fügte Dagobert hinzu. „Genau! Vor allem, wenn es sich um einen so wertvollen Schatz handelt. Was ich mich aber frage, Onkel, wie konntest du diesen Schatz so lange vergessen? Normalerweise vergisst du nicht eine einzige deiner Münzen. Da ist es doch seltsam, dass du ausgerechnet dort, wo du deinen Reichtum aufgebaut hast, etwas so Wertvolles in einer Schublade liegen lässt“, mischte sich nun auch Trick in das Gespräch ein. „Nun, das liegt daran, dass es kein Geld ist. Und es ist auch nicht indirekt wertvoll, zumindest nicht auf die Art, auf die man es zuerst vermuten würde. Zumal ich es all die Jahre in meinen tiefsten Erinnerung verschüttet war, bis ich mich intensiver mit meiner Vergangenheit auseinander gesetzt habe.“ Suchend blickte er sich auf dem Tisch um, wurde jedoch nicht fündig. „Neffe, es ist unhöflich seinen Gästen nicht wenigstens ein Glas Wasser anzubieten, aber ich sehe dir den Fauxpas nach, wenn du dies umgehend nachholst.“ Während Donald sich erhob und in der Küche ein Glas mit Leitungswasser füllte, begann Dagobert ein wenig weiter über ihr kommendes Abenteuer auszuholen. „Ganz genau kann ich es natürlich nicht sagen, ob sich der Schatz noch dort befindet. Aber mein Gefühl sagt mir, dass er diesen Ort bis zum heutigen Tag nicht verlassen hat, nicht für eine Sekunde. Er wartet nur darauf, von mir abgeholt zu werden.“ Dankbar nahm Dagobert das Glas Wasser entgegen und leerte es in einem Zug. „Dürfen wir fragen, um was es sich bei dem Schatz handelt, Onkel Dagobert?“ „Ja, verrätst du es uns bitte?“ Dagobert stellte das leere Glas ab und sah seine drei Großneffen nacheinander an. „Natürlich. Die genauen Details werde ich euch vor Ort verraten, aber damit ihr schon mal einen kleinen Vorgeschmack bekommt: Es handelt sich um Notenblätter. Um einen Stapel ganz besonderer Notenblätter, um es mal genauer zu sagen. Sie tragen die Namen Goldtöne und waren zur damaligen Zeit sehr in Dawson beliebt.“ Verwirrt blickten sich Donald und seine Neffen an. Mit einer derartigen Antwort hatten sie nicht gerechnet, das konnte man ihnen an der Schnabelspitze ablesen. Dagobert ließ die Reaktion dagegen kalt. „Da wir jetzt die Fakten geklärt haben, würde ich sagen, dass wir noch heute aufbrechen, am besten in den nächsten Stunden. Je früher wir nach Dawson fahren und nach dem Schatz suchen, desto besser. Ihr wisst ja, Zeit ist Geld. Mein Geld. Wir sollten also nicht mehr allzu viel von meinem wertvollen Geld verlieren!“ Mit diesen Worten sprang Dagobert vom Stuhl, schnappte sich seinen Hut von der Garderobe und blickte mit erhobenen Zeigefinger seine vier Neffen an. „Mit eurer Zusammenarbeit rechne ich selbstverständlich. Donald, wenn du unbedingt eine Motivationsspritze benötigst, ich werde dir auch ein wenig von deiner Schuldenliste abschneiden. Sagen wir, da deine Pfannkuchen sehr vorzüglich waren, fünf Zentimeter.“ „Nein, nein, lieber Onkel, zehn Zentimeter und nicht weniger.“ „Fünf Zentimeter oder ich überlege es mir noch einmal, lieber Neffe.“ „Gut, dann halt fünf. Ein Versuch war es wert.“ „Du hast du noch eine Menge an Verhandlungsgeschick zu lernen, Neffe. Manchmal kann ich nicht glauben, dass in unseren Adern das gleiche Blut fließen soll.“ Dagobert kehrte an den Tisch zurück, rollte die Karte wieder zusammen und steckte sie in seinen Gehrock zurück. „Ich erwarte euch in dreißig Minuten vor meinem Geldspeicher, keine Minute später. Wir müssen pünktlich sein, sonst haben wir die nächste Gelegenheit erst wieder in ein paar Stunden!“ „Warum? Fliegen die alten Klapperkisten etwa nicht mehr den ganzen Tag lang, oder was willst du uns damit sagen?“ Wieder konnte Dagobert nicht hören, was er da aus dem Mund seines Neffen zu hören glaubte. „Fliegen? Willst du mich ins Armenhaus abschieben? Nein, nein, wir fahren wie in den guten alten Zeiten mit dem Zug. Die Strecke rentiert sich für die Bahngesellschaft nur leider nicht so sehr wie andere Ziele, daher wird sie nur alle drei Stunden bedient.“ Er klatschte energisch die Hände zusammen. „In dreißig Minuten möchte ich euch beim Bahnhof sehen und wehe, wir verpassen wegen eurem Onkel den Zug“, sagte er stark betont, bevor er das Haus verließ und seine Neffen nach wie vor ratlos im Hausflur stehen ließ.   Währenddessen schlichen sich zwei Gestalten, welche bis eben leise unter dem offenen Wohnzimmerfenster ausgeharrt hatten, langsam quer durch Donalds Garten. Öffneten den Hinterausgang des Zauns und sahen zu, dass sie Land gewannen. Erst, als sie mehrere Meter zwischen sich und Donalds Haus gebracht hatten, brachen sie ihr Schweigen. „Hast du das gehört, Anwantzer? Der alte Duck will offenbar in seiner alten Heimatstadt einen Schatz heben.“ „Natürlich, Sir, ich habe wie Sie alles mit meinen beiden Ohren vernehmen können“, erwiderte sein Assistent. „Offenbar holt ihn doch sein Alter ein, wenn er bisher nicht danach gesucht hat. Es muss sich um einen sehr wertvollen Gegenstand handeln. Ganz besonders, wenn er nicht nur seine Brut, sondern auch sich selbst an den Ort des Geschehens bemüht. Nun gut, das soll mir recht sein.“ Sie hatten mittlerweile ihr Auto erreicht. Während Klaas Klever auf der Rückbank Platz nahm, setzte sich sein Assistent ans Steuer. „Auf zum Flughafen! Damit werden wir noch vor dem Alten Dawson erreichen. Und dann werden wir sein enttäuschtes Gesicht sehen, wenn ich die Goldtöne noch vor ihm finden werde! Dann kann er meinen Hut verspeisen, mit Butter und Ahornsirup“, sagte Klaas Klever und lachte so laut es ihm möglich war. Kapitel 2: Blubberlutsch ------------------------ Vor Schmerzen stöhnend, rieb sich Donald den Rücken. „Ich habe es geahnt, dass du wieder die Holzklasse buchen würdest. Trotzdem war ich so naiv und habe mich wieder von dir zu einer Zugfahrt überreden lassen“, meckerte dieser vor sich hin, schien aber auch der Einzige zu sein, der sich an dieser Tatsache störte. „Nun hör schon auf, dich so undankbar zu beschweren. Du klingst wie ein altes Waschweib, das auf ihrem Waschbrett schlafen musste. Vor lauter Wut siehst du die positiven Seiten daran nicht! Allein das viele Geld, das ich mir dadurch eingespart habe,…“, sagte Dagobert und schwang seinen Gehstock umher. Als hätte er damit sein finales Wort gesprochen, schwieg die Entenfamilie für die restliche Fahrt. Während die drei Küken sich neugierig aus dem Fenster die vorbeiziehende Natur ansahen, entschied Donald sich, dem ganzen durch einen tiefen und festen Schlaf zu entkommen. Bis Dagoberts Stock ihn wieder in die Realität zurückholte. „Was … was ist los?“, fragte Donald verwirrt. „Wir sind da, also solltest du am besten sofort wieder wach werden“, entgegnete Dagobert mit einer leichten Ungeduld in der Stimme. Sie hatten nach mehreren Stunden Zugfahrt und zwei Umstiegen ihr Ziel erreicht, Dawson zeigte sich ihnen in seiner gesamten Pracht. Sie sahen diese Pracht sofort, kaum, hatten sie den Zug hinter sich gelassen. Während Donald weiterhin seinen Rücken rieb und seinem Onkel ganz leise Verwünschungen hinterher flüsterte, achtete dieser gar nicht mehr auf seinen Neffen und sah sich lieber die Stadt an. „Onkel Dagobert, es ist sicherlich lange her, dass du hier warst, nicht wahr?“ „In der Zeit hat sich die Stadt bestimmt sehr verändert.“ „Kannst du noch etwas von damals erkennen, Onkel Dagobert?“ Voller Wissensdurst sahen Tick, Trick und Track ihren Großonkel an.  Mit einem nostalgischen Glanz in den Augen, sah Dagobert sich immer weiter um. Seine Hand schloss sich fester um seinen Gehstock und die Eindrücke schienen ihn fast zu überfordern. „Ich muss zugeben, es hat sich hier doch viel mehr verändert, als ich es mir immer vorgestellt hatte. Natürlich bleibt auch eine Stadt wie Dawson nicht in der Zeit stehen, ganz anders als in meiner Erinnerung.“   Er entfernte sich mit mehreren Schritten vom Bahnhof und strich mit einem seiner Paddel über den kalten Asphalt. „Das letzte Mal, als ich hier durch die Straßen ging, waren diese nicht betoniert. Stattdessen bestanden sie zu unsrer Zeit aus feinstem Wüstensand, über das die Pferde und anderes Hutgetier problemlos herumlaufen konnten. Das war wichtig, wenn man mit einem Planwagen unterwegs war.“ Mit diesen Worten drehte er sich zu seinen Neffen um. Darauf zu warten, dass sich Donald körperlich wie auch emotional von der Zugfahrt erholen würde, stand Dagobert nicht im Sinn. Stattdessen stampfte er mit dem Gehstock auf den Boden auf, um Donalds Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. „Wir haben Dawson erreicht, also sollten wir keine Zeit verstreichen lassen. Würde dieser Ort noch so aussehen wie zu meinen damaligen Zeiten, hätte ich einen Besuch im besten Saloon der Stadt vorgeschlagen. Doch ich vermute, dass dieser mit Sicherheit längst abgerissen worden ist …“ Dagobert holte seinen alten Stadtplan heraus, welchen er zuvor auf dem Esstisch ausgebreitet hatte. „Es könnte jedoch auch sein, dass sie ihn bis heute bewahrt haben, als eine Art Kulturgut. Immerhin war es, wirtschaftlich gesehen, ein sehr wichtiger Dreh- und Angelpunkt. Jeden Tag kam eine große Menge an Stammkundschaft und Gästen, die nur auf der Durchreise waren. Los, Kinder, die Pause ist vorbei, ein Schatz wartet auf uns!“ Entschlossen und gleichzeitig vorsichtig steckte Dagobert seine uralte Karte wieder ein, bevor er entschlossenen Schrittes eine Straße entlang ging. Seine Neffen, die im Gegensatz zu ihm noch nie einen Paddel in die fremde Stadt gesetzt hatten, schlossen sich ihm sofort nach wenigen Sekunden an. Zu Dagoberts Zufriedenheit hatte Donald damit aufgehört, sich über seinen schmerzenden Rücken zu beschweren.   Stattdessen sah sich Donald wie seine Neffen um, ein Gebäude nach dem anderen, nichts entging seinem neugierigen Blick. „Hier hast du früher gelebt … wie es hier wohl aussah?“ „Vermutlich so, wie man es aus jedem Western film so kennt, Trick“, beantwortete Donald seine Frage. „Nicht ganz.“ Dagobert, der die kleine Gruppe nach wie vor anführte, drehte sich zu ihnen um, blieb jedoch nicht stehen. „Aber ich muss sagen, viele von ihnen sind sehr akkurat und nah am Original dran, was die Architektur der Stadt und der Gebäude angeht. Auch in der heutigen Version von Dawson kann man das sehen, vieles von früher ist noch erhalten geblieben oder wurde restauriert.“ „Gleichzeitig gibt es auch viele moderne Dinge, wie Klimaanlagen oder elektrisches Licht“, kommentierte Donald den moderneren Teil des Stadtbildes. „Das war unvermeidbar. Dennoch, ich bin froh, dass sie hier eine schöne Balance zwischen der Schönheit der Vergangenheit und den Annehmlichkeiten der Moderne gefunden haben. Da kann sogar ein alter Haudegen wie ich sich nach so einer langen Zeit wieder zu Hause fühlen.“ Schließlich blieb er stehen, und drehte sich zu dem Gebäude zu seiner Linken um. „Ein weiterer Punkt, den sie zu meinem Glück bis zum heutigen Tag erhalten haben, ist der Aufbau der Straßen. Sie mögen das alles nun mit Teer versiegelt haben, aber die Straßenführung ist bis heute gleichgeblieben. Ein kurzer Blick auf die Karte und schon finde ich mich wieder zurecht.“ Vier Augenpaare folgten seinem Blick, kaum, dass sie selbst stehen geblieben waren. Dabei sahen sie ein Gebäude, welches man sofort als das erkennen konnte, als dass es das riesige Schild über dem Eingang auszeichnete. „Die Goldader? Ist der Name nicht ein bisschen … direkt, Onkel Dagobert?“, fragte Trick ihn und bekam ein kurzes Lachen als Antwort. „Nun, es war immerhin die Goldader des Klondike, der die meisten von uns überhaupt hierhergeführt hatte. Zudem es hier noch andere Goldstücke gab, wie die besten und preiswertesten Mahlzeiten. Viele haben hier ihre besten Geschäfte abgeschlossen, inklusive meiner eigenen Wenigkeit. Sogar Eheanträge wurden bevorzugt dort drin gestellt. Und das Klavier … wer immer darauf spielte, es war stets ein Meisterwerk.“ „Verstehe! Dann könnte es sein, dass sich die Notenblätter noch immer hier befinden und nach wie von jemanden benutzt wird, nicht wahr?“ „Ja, das … das könnte sein.“   Dagobert nahm sich keine weitere Zeit, mit eiligen Schritten ging er auf den Saloon zu. Donald und seine Neffen glaubten für einen kurzen Augenblick, ein trauriges Lächeln im Gesicht ihres Onkels gesehen haben, wenn auch nur für den Bruchteil mehrerer Sekunden. Dann folgten sie ihm, durchquerten den Raum bis zum anderen Ende, an welcher sich wie erwartet eine Bar befand. Ein Hund, bekleidet in einer traditionellen Kombination aus Hemd und Weste, befand sich auf der anderen Seite des Tresens und polierte ein Glas. Donald konnte sich nicht daran erinnern, wann er jemals einen Barkeeper gesehen hatte, der nicht seine Zeit mit dem Polieren von Gläsern verbrachte. Offenbar war es eine Standartbeschäftigung, die sie auf der gesamten Welt vereinte. „Guten Tag, die Herren. Kann ich Ihnen was anbieten?“, fragte er, während er seinen Blick vom Glas nahm. „Wir können Ihnen alles anbieten, was wir im Sortiment besitzen. Wir haben derzeit einen sehr guten Whiskeyjahrgang, den ich Ihnen nur empfehlen kann. Alternativ auch verschiedene Biersorten. Und für die Kurzen, nun, wir haben auch Blubberlutsch und andere Limonade“, sagte der Barmann, während er seine Gäste erwartungsvoll ansah. Doch bevor einer seiner Neffen einen Getränkewunsch äußern konnte, ging Dagobert dazwischen. „Getränke benötigen wir keine, vielen Dank der Herr. Aber wir haben es in gewisser Weise eilig. Das einzige, mit dem sie uns dienlich sein könnten, wäre die Herausgabe einer gewissen Information. Sie sind doch sicherlich schon länger her in diesem Saloon beschäftigt, nicht wahr? Dann ist Ihnen auch sicherlich das eine oder andere Wissen ins Ohr gekommen.“  Der Barmann strich sich über den Vollbart, Dagobert hatte seine volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. „Verstehe, verstehe, Informationen benötigen die Herren also. Nun, ich denke, damit kann ich dienen. Wie viel ihn Ihnen verrate, ist selbstverständlich davon abhängig, wie viel Ihnen die Informationen wert sind. Sie sehen wie ein schlauer und freundlicher Geschäftsmann aus, ich bin mir sicher, dass wir uns schnell über den Preis einig werden können.“ Neugierig blickten die vier Neffen ihren Onkel an, gespannt vor Neugierde, auch wenn sie sich seine Antwort bereits denken konnten. So war es auch keine Überraschung für sie, als dieser energisch den Kopf schüttelte. „Es ist wahrlich eine Tragödie. Die ganze Welt will mich und mein Geld schröpfen, dabei bin ich doch nichts weiter als eine Ente mit ein klein bisschen Geld in der Brieftasche.“ Donald verkniff sich den einen oder anderen Kommentar, der seinen Verwandten daran erinnern sollte, dass dieser nicht nur ein klein bisschen Geld besaß, sondern dank seines Vermögens zu den reichsten Personen des gesamten Planeten gehörte. „Kommen Sie schon, wir leben in harten Zeiten und auch ich muss von etwas leben. Nun gut, ich habe verstanden, offenbar sind Ihnen die Informationen nicht so viel wert, wie es bei dem anderen Herren der Fall war.“   Dagobert hatte sich bereits zum Weggehen umgedreht, als die letzten Worte sich durch seine Ohren in seinen Kopf bohrten. Aufrichtig erschrocken drehte er sich auf der Stelle um. „Wie bitte?! Jemand anderes hatte sich ebenfalls nach Informationen erkundigt? Darf ich erfahren, wer das gewesen war? Oder muss ich dafür auch bezahlen?“ Die offene Hand, die der Barkeeper dem älteren Erpel entgegenstreckte, war diesem Antwort genug. Schwer seufzend drehte sich Dagobert zu seinem Neffen um. „Donald, sei so lieb und gib dem Herren sein Geld. Offenbar weiß er mehr, als wir vermutet haben, aber ohne einen Obolus werden wir das wohl nie erfahren.“ Doch Donald verschränkte nur die Arme vor seiner Brust. „Das könnte dir so passen, nicht wahr? Dass ich an deiner Stelle bezahle? Vergiss es, das kannst du dir gerne in deinen Backenbart schmieren. Abgesehen davon, ich habe absolut kein Geld dabei, zumindest keine Scheine. Und ich denke nicht, dass der Barkeeper meine einzelnen Kreuzer haben möchte.“ Frustriert, da er ahnte, dass sein Neffe bezüglich seines spärlichen Bargelds nicht gelogen hatte, drehte er sich wieder zum Barmann und holte seine eigene Brieftasche heraus. Sehr langsam zog er einen Geldschein heraus und reichte ihn dem Barmann, als müsste er dem Teufel persönlich sein Erstgeborenes überreichen. Mit einem schnellen Griff schnappte sich der Barmann den 20-Taler-Schein und ließ ihn in der Tasche seiner Weste verschwinden. „Ein wenig geizig ist er auch noch? Nun gut, der andere Kerl hat mir vorhin dafür eine Menge Geld gegeben. Daher denke ich, dass ich jetzt ein Auge zudrücken kann“, sagte der Barmann, hörte endgültig mit dem Polieren auf und stellte das Glas vor sich ab. „Was möchten die Herren gerne wissen? Aber bitte präzise und direkte Fragen. Um allzu lang meine Zeit zu verschwenden, dafür war das Trinkgeld dann doch zu dürftig.“ Dagobert grummelte vor sich hin, sortierte seine Gedanken und tippte genervt mit den Fingerspitzen auf dem Tresen vor sich herum. „Nun, ich möchte von Ihnen im Grunde zwei Dinge erfahren. Erstens, ist Ihnen eine Musiksammlung namens Goldtöne bekannt? Früher, als ich hier noch ansässig war, wurde des Öfteren das eine oder andere Stück daraus gespielt.“ Dabei deutete er auf das Klavier, welches sich am Rande der Stube befand. Der Barmann folgte Dagoberts Blick, bevor er zu einer Antwort ansetzte. „Das muss dann aber sehr lange her sein, denn ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Klavier je benutzt worden ist. Aber gut, bei Ihrem Alter wundert mich das auch nicht“, sagt er und nahm das nächste Glas in die Hand, das darauf wartete, von ihm poliert zu werden. „Aber ja, ganz dunkel sagt es mir was. Mein Vorgänger hatte es mal erwähnt, kurz nach dem Besitzerwechsel. Er erwähnte mal, dass hier oft die wilde Luzie abging, mit all den Goldschürfern und den schönen Mädchen, die hier jedem Mann die Augen verdreht haben sollen.“ Für einen Augenblick hielt er inne, starrte auf das Glas und schien über etwas nachzudenken. „Nun, um ganz ehrlich zu sein, ich habe hier schon lange keine Notenblätter oder sonstige Liedsammlungen hier gesehen. Das muss vor meiner Zeit gewesen sein, befürchte ich. Wäre aber schön, dann könnte ich auf dieses elektronische Mistteil dort hinten verzichten.“ Sein Finger deutete auf eine Jukebox, die allein optisch nicht zum Rest der Einrichtung passte. Wie ein plötzlicher Misston in der schönsten Melodie. Anschließend nahm er das Glas wieder in die Hand und setzte seine Polierarbeit von zuvor fort. „Hm, das ist bedauerlich, aber das war wohl abzusehen. Die meisten Leute, die sich für diese Musik interessiert haben, sind schon längst weggezogen. Und die nachkommenden Generationen haben wohl nie einen Draht dazu entwickelt. Sehr, sehr bedauerlich.“ Dagobert hielt die Hand an seinen Schnabel, Donald konnte ihm ansehen, dass er diesen Umstand aufrichtig bedauerte. „Sagen Sie, wissen Sie zufällig, was mit den Notenblättern passiert ist, nachdem Sie hier nicht mehr benutzt worden sind? Ich meine, man …“ Er schluckte, die Worte auszusprechen schien ihm eine Qual zu sein. „Ich meine, man hat sie doch nicht wie Altpapier entsorgt, nicht wahr? Man hat sie doch sicherlich irgendwo in eine ordentliche Aufbewahrung gegeben, nicht wahr?“   Der Barmann blinzelte Dagobert an, derartig irritiert, dass er sogar das Polieren für einen Augenblick komplett vergessen hatte. „Verrückt, ich frage mich langsam, was es mit diesen Blättern auf sich hat? Vielleicht hätten wir sie doch damals behalten sollen. Also, wenn wir damals geahnt hätten, dass sie nach so langer Zeit so heiß begehrt sein würden.“ Nun war es Dagobert, der sein Gegenüber irritiert anblickte. „Was meinen Sie damit? Sie haben bereits vorhin jemanden erwähnt, der ihnen viel Geld für Ihre Auskunft bezahlt hat. Wer war das? Wie viel hat er Ihnen gegeben und was wollte er von ihnen genau wissen?“ Wieder hielt der Barmann Dagobert seine offene Hand hin, und lächelte ihn verschmitzt an. „Nun, der andere hat auf jeden Fall viel mehr gezahlt als Sie. Alternativ könnten Sie aber auch etwas zum Trinken bei mir bestellen. Ich meine, die drei Knirpse da drüben könnten sicherlich ein Gläschen Blubberlutsch vertragen? Sie und der andere Herr doch sicherlich auch, oder?“ Ein weiteres Mal stellte der Barmann das Trinkglas ab, und lehnte sich weit auf seinem Tresen vor. „Besonders in dieser Jahreszeit ist eine regelmäßige Flüssigkeitszunahme außerordentlich wichtig. Mit Verlaub, wenn ich mir so ansehe, machen Sie alle auf mich den Eindruck, als könnten sie ein kühles, frisches Getränk gut verkraften.“ Dagoberts Kiefer begann zu mahlen und er ging im Geiste sämtliche Optionen durch, musste allerdings nach einer kurzen Bedenkzeit zugeben, dass er nicht allzu viele davon hatte. Je mehr Zeit er sich ließ, desto größer wurde der Versprung des mysteriösen Fremden. Zumal auf die Information zu verzichten für ihn langfristig nicht in Frage kam. Möglicherweise war es jemand, der sich mit ein paar wenigen Münzen zufrieden stellen ließ, jemand, der keine Ahnung hatte, um was es genau ging … darauf musste Dagobert pokern. Doch zuerst musste Dagobert wissen, um wen es sich dabei handelte. Zumal der Barmann noch immer nicht damit herausgerückt hatte, an welchem Ort sich die Blätter befanden. Seufzend holte er seine Brieftasche heraus. „Sie sind ein knallharter Verkäufer, das muss man Ihnen lassen“, sagte er, holte mehrere Scheine heraus und legte sie auf dem Tresen ab. „Wie man Geschäfte macht, das wissen Sie auf jeden Fall. Und sie haben gewonnen. Geben Sie jedem meiner Neffen eine Flasche Blubberlutsch, mir reicht dagegen ein Glas Wasser“, sagte er und der Barmann kam der bezahlten Aufforderung auf der Stelle nach. Wenige Minuten später tranken seine Neffen mit Strohhalmen die kalte Limonade, während Dagobert die Zitronenscheibe in seinem Wasserglas betrachtete. „Nun, wir haben unseren Teil der Abmachung eingehalten und uns mit Getränken versorgen lassen. Jetzt müssten Sie nur noch unseren Wissensdurst stellen, wenn ich bitten darf.“ Mit Nachdruck sprach er die letzten Worte aus, während er jede Bewegung des Barmanns genau im Auge behielt. Dieser hatte, nachdem er die Getränke ausgeteilt hatte, wieder zu seiner alten Tätigkeit des Gläserpolierens zurückgefunden. „Richtig, richtig. Wie gut, dass Sie mir diese kleine Gedächtnisstütze gegeben haben, ich erinnere mich nun auch viel klarer.“ Dagobert verschluckte sämtliche Verwünschungen, die er dem Barmann am liebsten an den Kopf geworfen hätte. „Eins nach dem anderen. Ich kann mich erinnern, als ich den Laden hier vor langer Zeit übernommen habe, dass viele Gegenstände entweder durch modernere Versionen ersetzt oder komplett rausgeschmissen wurden. Vieles wurde dem örtlichen Museum vermacht, aber die ganzen Bücher gingen an die Bibliothek. Vermutlich kann man sie sich dort immer noch ansehen, ich vermute es jedenfalls, mich selbst ziehen da keine zehn Pferde hin.“ Er stellte das Glas ab und sah nun Dagobert tief in die Augen. „Zumal ich mit meiner Bar sowieso keine Zeit für Späße wie das Lesen von irgendwelcher Literatur habe. In Ihren Augen liegt der Blick eines Geschäftsmannes, das kann ich sofort erkennen. Sie werden somit wissen, was ich damit meine.“   Ungeduldig trommelte Dagobert mit den Fingerspitzen auf dem Tresen herum. Geduld war eine Tugend, die ihm heute nicht sonderlich weit aus dem Geldspeicher gefolgt war. Der Barmann konnte es hören, es brachte ihn jedoch nicht sonderlich aus dem Konzept. An diesem Ort war er derjenige, der das Tempo bestimmte. „Jedenfalls, wenn ich mich in meiner Erinnerung nicht täusche, hat mein Vorgänger auch einen Stapel an Notenblättern erwähnt, die er bei der Bibliothek abgegeben hatte. Zu 100% kann ich es Ihnen natürlich nicht bestätigen. Das habe ich auch der anderen Person gesagt, die mich danach befragt hatte.“ Sein Blick wanderte zu den drei Kindern und dem einen Erwachsenen, die auf ihren Hockern saßen und dem Gespräch aufmerksam lauschten. Das gelegentliche Schlürfen war das einzige Geräusch, die sie von sich gaben. Seine Augen wanderten zu Dagobert zurück. „Was die andere Auskunft angeht, da kann ich Ihnen leider nicht so viel sagen, wie Sie sich möglicherweise erhoffen“, nahm der Barmann seinem Kunden sofort jeglichen Wind aus den Segeln. „Zumindest kann ich Ihnen keinen Namen nennen. Was ich sicher sagen kann, es waren auf jeden Fall Fremde, die wie Sie von weit her gekommen waren. Und der Mann, er dürfte so in Ihrem Alter rum gewesen sein.“ Der Barmann musterte Dagobert, als müsste er schnell etwas überprüfen, dann nickte er, um sich selbst eine Bestätigung zu geben. „Dieser Fremde wollte auch alles über irgendwelche Notenblätter wissen und ihm habe ich das Gleiche gesagt wie Ihnen eben. Nur hat er mit der Bezahlung nicht so lange gewartet, sondern mir noch ein außerordentlich hohes Trinkgeld gegeben“, sagte der Barmann mit einem frechen Grinsen, woraufhin Dagobert die Augen verdrehte. Mit einem schnellen Schluck leerte den Rest des Glases und kaute die Zitronenscheibe an. „Vielen Dank, wir werden uns dann bei der Bibliothek umsehen, möglicherweise ist der andere noch dort, dieser Fremde …“ Langsam realisierte Dagobert, was der Barmann soeben zu ihm gesagt hatte. Es hatte ein paar Sekunden gedauert, bis er die Informationen, die seine Ohren empfingen, verarbeitet hatte. Dieses Mal reagierte er schnell und legte einen weiteren Geldschein auf dem Tresen ab. „Einen Augenblick… Sie sagten, der Mann wäre in etwa in meiner Altersklasse. Sagen Sie, trug er zufällig einen schwarzen Frack und dazu passend eine schwarze Melone auf dem Kopf?“ Die Köpfe seiner Neffen drehten sich in seine Richtung. Sie wussten ganz genau, wen Dagobert damit meinte. Der Barmann sah ebenfalls Dagobert an und nickte. „Ganz genau. Dann scheinen Sie sich wohl zu kennen?“ „Ja, das könnte man so sagen. Dass wir uns kennen. Sehr gut sogar… wie lange ist es her, dass dieser Mann hier war?“ Der Barmann musste nicht lange überlegen. „Es war nicht so lange her, ich würde sagen, zwischen einer und zwei Stunden?“ Dagobert presste den Schnabel eng zusammen. „Vielen Dank für Ihre Auskunft. Neffen, trinkt eure Blubberlutsch aus, oder nehmt sie meinetwegen mit. Wir müssen uns beeilen. Den Weg zur Bibliothek kenne ich, der dürfte sich auch nicht geändert haben.“ Mit einem agilen Schwung sprang Dagobert von seinem Hocker herunter und zeigte mit einer auslandenden Geste zum Ausgang. „Ich habe zwar keine Ahnung, wie dieser schmierige Mistkerl von den Notenblättern erfahren haben könnte. So wie ich ihn kenne, hat er mit Sicherheit unser Gespräch am Mittagstisch belauscht…“ Mit eiligen Schritten stampfte Dagobert auf den Eingang zu und hielt die Schwingtür ein Stück weit offen. „Muss ich euch noch eine Einladung schicken? Oder euch daran erinnern, dass Klaas Klever bereits einen viel zu großen Vorsprung hat? Wenn wir uns beeilen, können wir Ihn vielleicht sogar noch einholen!“ Dabei winkte er mit der freien Hand immer wieder in die Richtung des Ausgangs. Da sie ihren Onkel nicht weiter verärgern wollten, sahen die vier zu, dass sie ihm so schnell wie möglich folgten. „Dieser Klever denkt wohl, er kann alles in die Finger bekommen, was man gut zu Geld machen kann. Dabei hat er absolut keine Ahnung vom wahren Wert dieser Notenblätter, absolut keine Ahnung. Aber dem werde ich die Suppe schon versalzen, ihr werdet sehen!“ Eilig schritt Dagobert die Straße entlang. Seine Neffen folgten ihm mit den Blubberlutschflaschen in den Händen und sahen ihn mit großen Augen an. Dagobert selbst dagegen war mit seinen Gedanken weit, weit weg. „Ja, dem werde ich die Suppe so dermaßen versalzen, dass das Tote Meer ein angenehmer Abendtrunk dagegen wäre. Dann wird Klaas Klever schon sehen, was er davon, sich in Dinge einzumischen, die ihn absolut nichts angehen.“ Dann beschleunigte Dagobert seinen Schritt, woraufhin Donald und die drei Küken sich Mühe geben mussten, um mit ihm Schritt halten zu können. Gleichzeitig fütterte die letzte Aussage ihres Onkels ihre Neugier und sie begannen sich zu fragen, ob hinter den Notenblättern ein weiteres Geheimnis steckte. Ein weiteres Geheimnis, dass Dagoberts emotionale Reaktion erklären würde. Sie spürten, dass es hier nicht nur um einen Geldwert ging, nein, hier war noch eine weitere Komponente im Spiel. Um welche Art von Komponente es sich jedoch handelte, konnten sie jedoch nur vermuten und nicht sicher sagen. Kapitel 3: Pfirsichtorte ------------------------ Klaas Klever hatte einen deutlichen Vorsprung. Er war ihnen bereits einen großen Schritt voraus und das schmeckte Dagobert Duck absolut nicht. Darum erhöhte er das Tempo, mit welchem er durch die Straßen seiner ehemaligen Heimat durchschritt. Seinen Neffen dagegen fiel es schwer, mit ihm Schritt halten zu können. Sie hatten bereits geahnt, dass das Auffinden der unbekannten Notenblätter sehr wichtig für ihren Onkel war. Im Normalfall genügte es Dagobert, seine Neffen mit einer sehr schmalen Finanzspritze auf den Weg zu schicken. In Normallfall nahm er sich nicht die Zeit, um einen durchschnittlichen Gegenstand oder Schatz zu besorgen. Wenn Dagobert aus diesem Anlass seinen Geldspeicher verließ, bedeutete es, dass es sich um ein größeres Geschäft oder eine sehr wertvolle Sache handelte. Musiknoten waren jedoch noch nie unter den Dingen gewesen, um deren Beschaffung sich Dagobert höchstpersönlich kümmern wollte. Zumal sie ihren Onkel nicht als musikalischen Liebhaber kannten, eher das Gegenteil war der Fall. Und doch folgten seine Neffen ihm. Sie folgten ihm durch Straßen, die sie nur aus seinen Erzählungen kannten, um Musiknoten zu bekommen, deren Bedeutung ihnen unbekannt waren. Schließlich, sehr zur Freude Donalds und dessen Beinen, blieb Dagobert vor einem Gebäude stehen. Die Fassade war mit zarten Lavendelfarben verziert worden. Kräftig genug, dass sie einem verriet, dass der letzte Pinselstrich erst vor mehreren Jahren getätigt worden war. Man hielt die Stadt und ihre wichtigsten Gebäude gut im Schuss. Doch sie waren nicht gekommen, um die Restaurationsbemühungen von Dawsons Stadtverwaltung zu loben, sondern vielmehr, um das Innere des Gebäudes aufzusuchen. „Dawson Stadtbibliothek“ stand in geschnörkelter Schrift auf dem Schild, und die vielen Bücherregale, die man durch die Fenster hindurch erkennen konnte, ließen keinen weiteren Zweifel zu. „Hier befinden sich also die Musiknoten. Vorausgesetzt, dass Klaas Klever sie bisher noch nicht gefunden hat“, sagte Dagobert. Die Finger, die seinen Gehstock hielten, verkrampften sich. Er atmete tief ein. „Finden wir es heraus“, sagte er und betrat die Bibliothek.   Seine Neffen folgten sie ihm in das Innere des Gebäudes. Überall konnten sie lesende Menschen sehen, sie schienen ihre Umgebung kaum bis gar nicht wahrzunehmen. So hatte Dagobert keine Probleme, die Theke zu erreichen und wurde auch sofort angesprochen. „Einen Augenblick bitte!“, sagte die Dame leise, womit sie Dagoberts Geduld auf die Probe stellte. Donald ging um ihn herum, um einen besseren Blick auf die Mitarbeiterin werfen zu können, seine Neffen taten es ihm nach. Seine Augen fielen auf eine Entendame mittleren Alters, welche dabei war, mehrere Karteikarten in einer Vorrichtung befestigten, die ihm vollkommen unbekannt war. Auch Dagobert entging es nicht, sein Blick wurde weicher und auf seinem Schnabel zeichnete sich ein kleines Lächeln ab. „Ein Rolodex? Sieht man heutzutage leider kaum noch, die jungen Leute wissen gar nicht, was ihnen damit entgeht“, sagte er, kaum hatte sich die Entendame zu ihnen umgedreht. Diese blickte kurz zurück auf ihren Rolodex, dann färben sich ihre Wangen rot. „Nun, man muss ja nicht immer auf das neueste Pferd setzen, nicht wahr? Bleib lieber bei dem, bei du dich auskennst, Becky, das hat mein alter Herr auch immer gesagt.“ Sie räusperte sich, als wäre sie viel privater geworden als ihr lieb war und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder vollkommen der Duck Familie. „Wie dem auch sei, herzlich Willkommen in der öffentlichen Stadtbibliothek von Dawson, wie kann ich Ihnen helfen?“ Jede andere Person wäre auf diese Frage eingegangen, hätte sein Anliegen vorgebracht und die Dame hätte sich dann darum gekümmert. Dagobert Duck dagegen gehörte nicht zu diesen Personen. In seinem Kopf hatte es die ganze Zeit gearbeitet, als würde er über etwas nachdenken, was ihm auf der Zunge lag … und kaum hatte die Dame ihren Namen genannt, weiteten sich seine Augen. Dabei starrte er auch immer wieder auf die große, gelbe Schleife an, die ihr Haar zierte. „Verzeihen Sie, dass ich so direkt frage, aber das muss ich wissen. Sie sagten, Ihr Name sei Becky … Sie, nein, du bist aber nicht zufällig früher in deiner Jugend Schleifen-Becky genannt worden, nicht wahr?“ Verwirrt blickte die Mitarbeiterin über den Rand ihrer Halbbrille. Anschließend kniff sie die Augen zusammen und versuchte, die Antwort in Dagoberts Gesicht zu finden. Bis ihr ein Licht aufging, ihr Gesicht sich wieder entspannte und sie ihn mehr als überrascht ansah. „Dagobert? Sag mir nicht, dass du das bist, Dagobert?“ Fröhlich glucksend sah sie ihn an und als Dagobert bestätigend nickte, schüttelte sie lächelnd ihren Kopf. „Wahnsinn, ich hätte nicht gedacht, dass ich dich nach all der Zeit mal wieder sehen würde. Wie lange ist es her? Zu lange, wenn du mich fragst – du hättest wenigstens mal eine Karte schreiben können.“ Sie zwinkerte ihn an, und stand auf, um sich Dagobert genauer ansehen zu können. „Gut siehst du aus, du bist zwar älter geworden, aber im Grunde hast du dich in den ganzen Jahren kaum verändert. Ich sehe immer noch diesen Schalk in deinen Augen, der damals unermüdlich nach Gold gesucht hat … aus dir ist ja richtig was geworden, nicht wahr?“ Wieder nickte Dagobert ihr stumm zu. Auch wenn sein Reichtum üblicherweise sein ganzer Stolz war, mit dem er bei jeder passenden Gelegenheit angab, so verzichtete er zur Überraschung seiner Neffen darauf. Stattdessen winkte er mit der freien Hand ab. „Ich muss sagen, die Zeit war auch gnädig zu dir. Und wie du weißt, bin ich stets beschäftigt, ich hatte also keine Zeit, dir eine Karte zu schicken.“ Der Gehstock wanderte von einer Hand zur anderen, und erst, als Becky ihren Blick zur Seite wandte, wurde sie sich der Anwesenheit weiterer Personen bewusst. „Ich nehme mal an, das hier sind deine Verwandten? Muss schön sein, eine Familie zu haben. Sind das dein Sohn und deine kleinen Enkel?“ Für einen kurzen Moment sah sie Donald wie auch die drei Küken nachdenklich an, dann begann sie zu lachen, als hätte sie einen besonders lustigen Witz von sich gegeben. „Ach, was rede ich denn da? Du bist nicht die Art von Mann, der sich eine Frau und Kinder ins Haus holt, absolut nicht. Lass mich raten, das sind Neffen von dir.“ „In der Tat, in der Tat. Selbst nach all den Jahren, in denen wir uns nicht gesehen habe, kennst du mich besser als ich meine Westentasche.“ Dagobert drehte sich zu seinen Neffen um und sah ihn einen nach dem anderen an. „Donald hier ist der Sohn meiner Schwester Dortel, ich habe früher sicherlich oft von ihr erzählt. Sie hat mir immer diese harten Kekse geschickt, die keiner von uns essen konnte.“ Wieder begann Becky laut zu lachen, so laut sie es sich in einer Bibliothek erlaubte. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sie sich wieder beruhigt hatte. „Verstehe, verstehe, alles andere hätte mich auch gewundert. Dann nehme ich an, die drei kleinen Jungs hier sind wohl Donalds Nachwuchs?“ „Nein, mein Neffe hat keine Nachkommen und ich bin mir bis heute unsicher, ob ich diesbezüglich traurig oder dankbar sein soll“, antwortete Dagobert sofort. Dabei ignorierte er Donalds stark irritierten Blick. „Jedenfalls, bei den Drillingen handelt es sich um meine Großneffen, die Kinder seiner Schwester. Man sieht es ihnen nicht an, aber sie sind sehr gewitzt und schlau. Da kommen sie ganz nach ihrem Großonkel“, sagte Dagobert und er konnte nicht verhindern, dass seine Brust ein wenig anschwoll. „Ich verstehe. Nun, ich muss zugeben, dass sie alle einen sehr aufgeweckten Eindruck auf mich machen“, sagte Becky freundlich, bevor sie Dagobert wieder in die Augen sah.   „Bertel, ich freue mich natürlich, dich mal wieder zu sehen. Aber ich kann mir vorstellen, dass du nicht für ein einfaches Pläuschen gekommen bist oder um mit deiner Verwandtschaft anzugeben. So wunderbar sie auch sein mag, keine Frage.“ Sie rückte die Schleife auf ihrem Kopf zurecht, als wüsste sie nicht, wohin mit ihren Händen. Und auch Dagobert reagiert zunächst zögerlich, geradezu wortkarg auf ihre Bemerkung. „Dir kann ich absolut nichts vormachen, nicht wahr? Gut, um es auf den Punkt zu kommen, ich bin hier, weil ich etwas finden möchte, was ich damals vergessen habe.“ Jetzt war es Becky, die verwirrt ihr Gegenüber ansah. „Vergessen? Was hast du denn hier vergessen? Hast du etwa einen Goldklumpen unter dem Kopfkissen liegen gelassen, oder wie darf ich das verstehen?“ Die Hände in die Hüfte gestemmt, blickte sie Dagobert mit einem amüsierten Lächeln an. Dagobert dagegen schien immer mehr und mehr über seine nächsten Worte nachzudenken. „Mit dem Goldklumpen liegst du gar nicht mal so verkehrt. Genauer gesagt, es ist kein richtiges Gold, das ich damals hier zurückgelassen habe. Vielmehr geht es um ein bestimmtes Set an Notenblättern. Die Goldnoten, um es mal ganz präzise auszudrücken“, sagte er und kaum hatten die letzten Worte seinen Schnabel verlassen, wich das Lächeln aus Beckys Gesicht. „Natürlich, das hätte ich mir denken können. Zumal du nicht der Erste bist, der heute danach gefragt hat. Es gibt keine Zufälle, das hat mir der heutige Tag mit Nachdruck bewiesen.“ Sie nahm die Hände wieder herunter und stützte sich auf dem Tresen vor ihr ab. „Du redest von ihren Notenblättern, nicht wahr? Damit erwischst du mich eiskalt, bei dir macht es ja noch Sinn, dass du danach frägst, aber dieser Fremde …“ Erschrocken zuckte sie zusammen, als Dagobert ihre beiden Hände nahm und sie fest mit seinen eigenen drückte. „Klaas Klever war also tatsächlich hier! Er ist auch hinter den Blättern her, du hast es mir so eben bestätigt …“ Sein Gesicht wurde fahl und seine Arme zitterten wie Espenlaub. Selbst seine Stimme klang nicht mehr so selbstbewusst wie noch wenige Augenblicke zuvor. „Sag mir, hast du ihm die Blätter ausgehändigt? Hast du sie ihm gegeben? Ich muss es wissen, bitte, sag es mir!“ Dagoberts unsichere Miene passte perfekt zu seinen Worten. eine Augen zuckten wild, als er Beckys Gesichtszüge genau studierte. Welche erst hart, dann wieder weicher wurden. „Natürlich nicht. Als ob ich so einem dahergelaufenen Fremden etwas mitgebe, was ein wichtiger Teil unserer Vergangenheit ist. Ein wichtiger Teil deiner Vergangenheit“, sagte sie und Dagoberts Blick wich ihr aus. Er ließ seinen Kopf hängen und doch konnte Donald ganz klar erkennen, dass sich dessen Wangen tiefrot färbten. Beckys wissendes Grinsen dagegen wurde immer größer. „Um dein kleines, goldliebendes Herz zu beruhigen: Ich habe diesem Fremden gar nichts erzählt. Nur, dass die Noten ein lokaler Schatz sind, den wir nicht jedem dahergelaufenen Unbekannten in die Hand drücken würden. Das kann er gleich vergessen.“ Becky schnalzte mit dem Schnabel, bevor sie Dagobert mit einer wohlwollenden Miene ansah. „Bei dir ist es jedoch völlig anders. Für dich haben diese Notenblätter eine Bedeutung, nicht wahr? Immerhin…“ „Schon gut, das ist jetzt hier nicht die richtige Zeit, um über solche Dinge nachzudenken. Sie liegen in der Vergangenheit und da liegen sie ganz gut, finde ich.“ „…“   Becky sah ihn für einen kurzen Moment schweigend an, Reue lag in ihrem Blick und sie schien sich ihre nächsten Worte wohl zu überlegen. Schließlich trat sie hinter dem Tresen hervor und blieb direkt neben Dagobert stehen. „In Ordnung, dann möchte ich mich auch nicht weiter in Angelegenheiten einmischen, die mich nichts angehen“, sagte sie und rückte ein weiteres Mal ihre Schleife zurecht. „Dennoch, dir kann ich es ja sagen. Was denkst du, wo die Notenblätter nun sind?“ Dagobert erwiderte den Blickkontakt, den sie mit ihm aufbaute. Seine Neffen, komplett mit der Situation überfordert, dagegen hörten nur aufmerksam zu. „Wir haben uns im Saloon erkundigt, in dem die Notenblätter oft gespielt wurden. Dort wurde uns gesagt, dass man sie vor langer Zeit der Bibliothek übergeben hat. Auch wurde mir gesagt, dass Klaas Klever ebenfalls in dieser Stadt sei und nach den Notenblättern gefragt hat.“ „Ach, so hieß dieser unfreundliche Erpel also? Klaas Klever? Also sonderlich clever scheint er nicht sein, wenn er meint, dass ich für ihm für eine großzügige Spende Dinge verrate, die ihn absolut nichts angehen.“ Sie schritt zum Tresen zurück, blieb jedoch auf der Besucherseite, lehnte sich mit dem Rücken am Holzgestell und sah Dagobert spöttisch an. „Du hast Glück, dass wir uns von früher kennen, denn sonst hätte ich es dir auch nicht verraten wollen. Der Ort, an dem die Notenblätter sich nun befinden.“ Fragend sahen Dagobert und seine Neffen sich an. „Willst du damit andeuten, dass sie vor vielen Jahren hierhergekommen sind und sich nun woanders befinden? Du meintest ja, dass du es mir sagen würdest … also sag es mir bitte, wo kann ich die Notenblätter finden?“ Ein großes Lächeln zierte Beckys Gesicht, ihr Ton triefte vor Zufriedenheit, als sie ihren Schnabel öffnete. „In der Tat. Als uns die Notenblätter damals gestiftet wurden, hatte ich gerade meinen Jahresurlaub in der Karibik, war ganz nett, nur ein bisschen … naja, man hatte zu der Zeit dort gerne Partys gefeiert, das ist nicht so meins, wie du dir denken kannst.“ Sie räusperte sich, ganz so, als wäre ihr die Bemerkung unangemessen erschienen. „Zu meinem Glück hatte meine damalige Kollegin genug Weitsicht besessen, um die Notenblätter nicht einfach in unseren Bestand aufzunehmen. Stattdessen hat sie damit bis zu meiner Rückkehr gewartet. Natürlich habe ich die Notenblätter sofort wiedererkannt, wie hätte ich es nicht können? Schließlich hatte ich Nelly diese Lieder oft genug spielen hören können. Ganz genauso wie alle anderen, die damals regelmäßig im Saloon anwesend waren.“ Neugierig blickten die vier Neffen ihren Onkel an, der Name Nelly war ihnen kein unbekannter. Dennoch besaßen sie genug Respekt, um ihre Fragen, die ihnen unter den Federn brannten, nicht auszusprechen. Dagobert dagegen bemühte sich, keinerlei Reaktion zu zeigen. Jedoch konnte er es nicht verhindern, dass sein Mundwinkel ein wenig zuckte und seine Augen sich für einen Herzschlag lang weiteten. Für Becky war es Reaktion genug. „Versteh mich nicht falsch, selbstverständlich hatte ich Kontakt zu ihr aufgenommen, um ihr die Notenblätter zurückzugeben… aber sie hatte kein Interesse daran. Warum, wollte sie mir nicht erklären, aber ich habe auch gar nicht weitergefragt. Allein ihr Blick, das war einer, bei dem weitere Worte überflüssig sind. Als Frau versteht man das sofort.“ Dagobert, mit einer gewissen Ungeduld in der Stimme, sah sie eindringlich an. „Was hast du danach mit den Blättern gemacht? Du hast sie doch nicht etwa…?“, wollte er von ihr wissen, doch die Worte wollten ihm nicht aus dem Schnabel kommen. „Welcher Gedanke dir auch gerade durch den Kopf rauscht, das habe ich garantiert nicht damit gemacht. Ich bin doch kein Banause, der alles gleich in den Müll wirft. Nein, die Blätter habe ich eins nach dem anderen fein säuberlich in eine Folie verpackt und sie mit nach Hause genommen. Letzten Endes sind es gewöhnliche Notenblätter und all die Jahre zuvor hat niemand danach gefragt, daher dachte ich, wären sie in diesem Haus nicht gut aufgehoben. Warum genau ich das getan habe, konnte ich mir lange nicht erklären.“ Sie fuhr mit dem Finger über den Tresen und als ihr Blick zurück zu Dagobert ging, lächelte sie ihn bedeutungsschwanger an. „Wer weiß, vielleicht habe ich auch nur darauf gewartet, dass du vorbeikommst und sie abholen möchtest? Immerhin… ach, ich sehe schon, ich rede zu viel. Verzeih, das kommt mit dem Alter.“   Ein weiteres Mal räusperte sie sich, rückte ein letztes Mal ihre Schleife zurecht und sah Dagobert tief in die Augen. „Wie dem auch sei, ich möchte euch gar nicht lange aufhalten. Im Grunde ist damit meine Aufgabe beendet, auch wenn sie mir erst jetzt so richtig bewusst wurde. Bitte schön“, sagte sie und reichte Dagobert einen kleinen Schlüssel. „Leider kann ich euch nicht begleiten, aber wir kennen uns von früher, Dagobert. Daher vertraue ich euch, dass ihr keinen Unfug in meinem Haus anstellen werdet. Die Notenblätter sind oben in meinem Schlafzimmer, im Schrank in der Mitte. Müsste die mittlere oder oberste Schublade sein, ich bin mir sicher, dass ihr die Blätter schnell finden werdet. Achja, ich kann mir sicher sein, dass ihr meine Privatsphäre weitestgehend respektieren werdet, nicht wahr?“ Dagobert nahm den Schlüssel entgegen und steckte ihn in eine Tasche seines Gehrocks. „Bitte, was du uns hier unterstellst, als wären wir irgendwelche dahergelaufenen Ganoven ohne Anstand und Ehre.“ Becky gab ein kleines Lachen von sich. „Ich wollte dich nur necken, ich weiß doch, dass ich es hier mit einem ganz feinen Gentleman und seiner ehrenwerten Verwandtschaft zu tun habe.“, sagte Becky amüsiert. „Es ist immer noch das alte Haus unter der Linde, nicht wahr? Das in dieser fürchterlich blauen Farbe?“, fragte Dagobert. „Oh, jetzt verletzt du aber meine Gefühle“, sagte Becky mit einem Lächeln. „Dieses furchtbare Blau, wie du es nennst, schimpft sich Skyblue, mein Lieber.“ „Der Name ist irrelevant, das ändert nichts daran, dass die Farbe dein Haus verschandelt“, sagte Dagobert mit einem kurzen Kopfschütteln. „Was auch immer dich nachts schlafen lässt, Bertel!“ Sie drehte sich auf der Stelle, ging um den Tresen herum und setzte sich wieder auf ihren Platz zurück. „Wenn ihr fertig seid, sperrt doch bitte wieder die Tür zu und bringt mir den Schlüssel vorbei, ja? Wenn ihr bitte noch nachsehen könntet, ob das Wohnzimmerfenster offen ist, das wäre nett. Oft genug klettert die Nachbarskatze dort rein und findet ihren Weg nicht mehr hinaus, das dumme Ding.“ Dagobert, der es offensichtlich nicht mehr abwarten konnte, das Zuhause seiner früheren Bekanntschaft zu besuchen, nickte zu jedem ihrer Worte. „Du wirst gar nicht bemerken, dass wir dein Haus jemals betreten haben“, sagte Dagobert und drehte sich zu seinen Neffen um. Diese schlürften die letzten Reste aus ihren Blubberlutsch-Flaschen. „Nun gut, ihr habt die Dame gehört, lasst uns zu ihrem Haus gehen, bevor sie es sich noch einmal anderes überlegt …“   Kaum war die Familie Duck in Richtung des Ausgangs aufgebrochen, als sie schnelle Schritte hörten und sahen, wie sich Becky ihnen wieder näherte. Offensichtlich hatte sie ihnen noch etwas zu sagen und wollte es nicht quer durch den Raum rufen, um keinen unnötigen Lärm zu verursachen. Sie war durch und durch eine Vollblut-Bibliothekarin, das war ihnen allen sofort bewusst. „Achja, Dagobert, es gibt da noch eine Sache, die ich euch geben kann und ihr würdet mir damit auch einen großen Gefallen tun, fällt mir ein. In der Küche habe ich eine Pfirsichtorte stehen, wenn ihr möchtet, könnt ihr sie euch gerne mitnehmen. Eigentlich habe ich sie für ein Treffen der… ach, nicht so wichtig, jedenfalls habe ich jetzt eine Torte zu viel und…“ Zufrieden wackelte Dagobert mit dem Kopf. „Wenn das so ist, eine Einladung zu einer der einer berühmten Torten, da kann man schlecht nein sagen. Zumal es ein Geschenk ist und damit kostenlos. Kostenlose Dinge sind mir die liebsten“, und auch Donald, wie auch die drei Neffen schienen von dem Geschenk begeistert zu sein. „Dachte ich es mir doch. Und ich habe eine Sorge weniger, die mir Falten verursacht. Lasst sie mir aber ja nicht auf den Teppich fallen, der war teuer“, sagte sie, zwinkerte ihnen zu, bevor sie endgültig wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte. „In Ordnung, dann sollten wir aufbrechen. Aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Einen Neffen nach dem anderen sah er mit einem ersten Blick an, während sie das Gebäude verließen und wieder die Straße entlangliefen. „Wir sind kurz vor unserem Ziel. Glücklicherweise haben wir nun einen gewaltigen Vorsprung, den Klaas Klever nicht hat. Wer weiß, wohin er gegangen ist und ob er nicht wieder zurückkommt. Diesen Vorsprung müssen wir ausnutzen, verstanden?“ Vierfaches Nicken war ihm Antwort genug. Zufrieden lockerte sich sein Griff um den Gehstock. „In Ordnung, dann folgt mir. Ich kenne Beckys Haus und weiß noch ganz genau, wo es damals stand“, sagte er, ohne auch nur einen Blick auf seine Karte zu werfen. Dabei deutete den Vieren an, ihm ein weiteres Mal durch die Straßen von Dawson zu folgen. Dass nicht nur Donald und die Drillinge versuchten, mit Dagobert Schritt halten zu können, sondern auch zwei gewisse andere Personen, war niemandem von ihnen bewusst. Finsteres Lächeln lag auf den Lippen der Verfolgern. Sie mussten nur noch auf die richtige Gelegenheit warten, um zuschlagen zu können. Eine Gelegenheit, die sich ihnen in den nächsten Minuten bieten würde. Kapitel 4: Melone mit Salz -------------------------- Kurze Zeit später erreichten sie Beckys Haus, was vor allem Dagoberts flottem Tempo geschuldet war. Zufrieden sah er das Haus an, wenn auch nicht aufgrund der Wandfarbe. „Es ist lange her, dass ich das Haus gesehen habe … hier haben wir uns oft verabredet, um die Pläne für den nächsten Tag durchzugehen. Ich habe oft mit ihren beiden Brüdern nach Gold geschürft“, fügte Dagobert eine Erklärung hinzu, nach der keiner gefragt hatte. Doch selbst wenn sie die Neugierde dafür gehabt hätten, es hätte seinen Neffen an Atem gefehlt, um derartige Fragen zu formulieren. Es war ihnen gerade noch gelungen, die leeren Limonadengläser unterwegs in einem Mülleimer zu entsorgen, ohne den Anschluss an ihren Onkel zu verlieren. „Becky wohnt wirklich sehr schön“, sagte Donald nach mehreren Minuten, die sein Körper benötigte, um wieder zu Kräften zu kommen. „Das stimmt, sie hatte immer schon ein Auge für solch… ästhetischen Spielereien.“ Dagobert wartete einen kurzen Augenblick, bis sich seine Neffen von dem schnellen Spaziergang erholt hatten. Dann griff er in eine Tasche seines Gehrocks und holte den Schlüssel heraus, den ihn Becky kurz zuvor anvertraut hatte. „Macht mir dort drinnen keine Schande, ich habe hier immerhin einen Ruf zu verlieren, selbst, wenn ich hier schon sehr lange nicht mehr wohne. Becky ist eine alte Freundin von mir und ich will hier keinen unnötigen Dreck machen. Wir suchen diskret nach den Notenblättern, ja? Wenn ihr etwas kaputt macht, dürft ihr es ersetzen. Donald, sag deinem Pech, es soll draußen bleiben.“ Donald rollte mit den Augen. „Als hätte ich darüber irgendeine Kontrolle, werter Onkel.“ „Dann wird es Zeit, dass du dir welche beschaffst, nicht wahr?“, sagte Dagobert mit einem schelmischen Funkeln im Blick. Wenige Umdrehungen und eine intensive Nutzung der Türmatte später standen die fünf Ducks im Haus und sahen sich um. „Denkt daran, macht nichts kaputt oder ihr müsst es mit eurem Taschengeld bezahlen!“ „Du kannst dich auf uns verlassen, Onkel Dagobert“, meinte Tick und salutierte ein wenig. Seine Brüder taten es ihm gleich. „Hauptsächlich meinte ich auch euren Onkel damit, bei euch bin ich mir sicher, dass ich mich diesbezüglich auf euch verlassen kann“, erwiderte Dagobert. „Es ist übrigens unhöflich, über jemanden zu reden, der euch dabei zuhört, wisst ihr das?“, murrte Donald laut.   Doch weder Donald noch Dagobert hatten Interesse an einem Streitgespräch. Deshalb ließen sie die Angelegenheit auf sich beruhigen und gelangten über die Treppe in das erste Obergeschoss. Vorsichtig sahen sie sich alle Räume an, bis sie den richtigen gefunden hatten. Ihr Schlafzimmer war für Becky offenbar ein Ort der Erholung, ein riesiges Himmelbett füllte bereits den Raum zur Hälfte auf und lud zu einem gemütlichen Schläfchen ein. Eine Einladung, welcher Donald nur zu gerne nachgegangen wäre, das konnte Dagobert ihm auf der Schnabelspitze ablesen. „Neffe, du kannst deine Augen gerne nachher im Zug ausruhen. Es schickt sich nicht, im Bett einer dir fremden Person zu schlafen, ganz egal, wie einladend es auch aussieht. Dass ich dir derartige Manieren noch beibringen muss …“ Enttäuscht schüttelte Dagobert den Kopf. „Ich sag es doch immer, mit der heutigen Jugend geht es immer weiter bergab.“ Länger wollte Dagobert sich nicht mit derartigen Gedanken aufhalten. Zumal es einen dringlicheren Grund gab, weshalb er das Haus seiner Jugendfreundin überhaupt betreten hatte. Den gesamten Weg über hatte Dagobert an nichts anderes denken können, wie an den genauen Aufenthaltsort der Notenblätter. Der Schrank in der Mitte ähnelte optisch den Schränken zu beiden Seiten, das bemerkte er sofort. Als Dagobert vorsichtig die Schubladen nacheinander aufmachte und durchsuchte, wurde er schneller fündig, als er es erhofft hatte. „Seht doch mal! Wir haben endlich gefunden, weshalb wir hier heute hergefahren sind!“, sagte Dagobert stolz und sah sich ein Blatt nach dem anderen an. Wie Becky es beschrieben hatte, waren die einzelnen Notenblätter sorgsam in eine Hülle gepackt worden, um sie vor dem Zahn der Zeit zu bewahren. „Habt ihr mich nicht gehört? Ich sagte, ich habe den Schatz gefunden … gut, für euch hat er keine so große Bedeutung, aber ein bisschen mehr Freude hätte ich mir dann doch gewünscht! Wo ist euer Entdeckergeist?“, fragte Dagobert und drehte sich zu seiner verdächtig stillen Verwandtschaft um.   Der Anblick, der sich ihm nun bot, brachte seinen Atem zum Stocken. Eine Pistole war auf die Drillinge gerichtet, wie auch eine weitere auf Donalds Kopf. Unsicher erwiderten die vier Neffen seinen Blick. „Nun, ich denke nicht, dass es Ihrer werten Verwandtschaft an Entdeckergeist mangelt. Sie zeigen nur, dass sie ebenfalls über genügend Menschenverstand besitzen. Ihre Verwandten wissen, wann man lieber seinen Schnabel halten sollte“, konnte Dagobert eine Stimme hören. Es war eine Stimme, von der er gehofft hatte, sie für den heutigen Tag nicht vernehmen zu müssen. „Wen sehe ich da? Klaas Klever und sein genauso nerviges Anhängsel Anwantzer.“ Kaum hatte Dagobert seinen Atem wiedergefunden, blickte er seinen Konkurrenten finster an. „Oh und ich hatte gehofft, Sie und Ihr schmieriger Gehilfe hätten sich auf den Weg nach Entenhausen gemacht, um Ihre Wunden zu lecken“, giftete Dagobert zurück. Dafür hatte Klaas Klever nur ein müdes Lächeln übrig. „Das hätten Sie wohl gerne, nicht wahr? Dass ich einfach aufgebe und nach Hause fahre, mit leeren Händen? Mitnichten! Im Gegenteil, Sie haben mir sogar die Entscheidung erleichtert!“ Auf Klaas Klevers Schnabel erschien ein Lächeln, welches Dagobert eine unangenehme Gänsehaut verpasste. „Während ich noch überlegte, wie ich diese wichtige Information aus der Dame herausbekommen könnte, sind Sie mitsamt Ihrer Brut ebenfalls bei der Bibliothek aufgetaucht. Wir können von Glück reden, dass man den Eingang nicht zu 100% vom Tresen aus im Blick hat und dass so viel los war.“ Zufrieden betrachtete er seine Fingerspitzen. „Sich zwischen den Bücherregalen zu verstecken und zu lauschen war ein Kinderspiel. Danach mussten wir Ihnen nur noch folgen … an dieser Stelle möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Sie haben mir immerhin eine Menge Arbeit erspart, das war sehr rücksichtsvoll von Ihnen. Wenn ich nun also um die Blätter bitten darf?“ Anwantzer näherte sich seinen Neffen, während die bedrohlichen Läufe der Pistolen immer noch auf sie gerichtet waren. Dagobert musste kein zweites Mal hinsehen, um zu erkennen, dass es sich nicht um Spielzeugwaffen handelte. Klever und sein Assistent machten Ernst, das war ihm bereits seit der ersten Sekunde bewusst. „Sie kennen das Spiel, mein lieber Rivale. Entweder geben Sie mir die Blätter, und zwar alle, oder … nun, zwingen Sie mich doch bitte nicht, den Satz auszusprechen. So etwas derartig Unnötiges kann auch verhindert werden.“ Dagobert betrachtete die Blätter in seiner Hand und es kostete ihm sämtliche Mühen, sie nicht von sich zu schleudern oder seine Hand vor Wut zu verkrampfen. „Kommen Sie schon, Sie müssen mir nur die Blätter geben und dann sind Sie uns auch schon wieder ganz schnell los!“ Gierig streckte Klaas Klever die Hand aus und Dagobert sah ein letztes Mal seine Neffen an. Niemand von ihnen war ein Superheld, so schlau oder besonders sie auch waren. Wenn doch nur Donald mit seinem besten Freund Kontakt aufnehmen könnte! Jedoch, selbst wenn Donald es könnte, bis Phantomias eintreffen würde, wären die beiden Ganoven mit ihrer Beute bereits auf und davon. „Sie haben einen miesen Charakter, hat Ihnen das schon jemals jemand gesagt?“, presste Dagobert zwischen seinen Zähnen hervor, als er seinem Konkurrenten gezwungenermaßen die Notenblätter aushändigte. Dieser dagegen nahm die Blätter dankbar an und lächelte Dagobert an, als wären sie alte Freunde. „Sehen Sie? War doch gar nicht so schlimm. Glauben Sie mir, in meinen Händen sind die Notenblätter viel besser aufgehoben als bei Ihnen. Es lohnt sich doch, immer mal wieder einen Spaziergang zu machen. Da bekommt man Dinge zu hören, die ganz und gar interessant sind. Machen Sie sich nichts daraus, vielleicht hat diese Becky ja noch ein Tagebuch voller schnulziger Erinnerungen, die sie zu Geld machen können.“ Als hätte er den Witz des Jahrhunderts von sich gegeben, begann Klaas Klever laut zu lachen. Anwantzer war der Einzige, der sich seinem Lachen anschloss. Einem kalten und fast schon boshaftem Lachen. Dagobert dagegen schwoll die Hutschnur an, zu gerne hätte er dem Konkurrenten gegenüber seine Meinung laut geäußert. Schnaufend, noch immer die Notenblätter in der Hand, sah er Klaas Klever tief in die Augen. Gebannt beobachteten Dagoberts Neffen die beiden älteren Herren, auch in ihnen ratterten die Zahnräder. Auch sie überlegten sich, wie sie aus dieser Situation würden entkommen können.   „Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, werden die beiden mit den Notenblättern entkommen“, flüsterte Tick seinen Brüdern zu und diese nickten. „Der Meinung bin ich auch, aber gegen eine Pistole hat keiner von uns eine Chance. Zumindest nicht, wenn man sich nicht eine Kugel im Federkleid einfangen möchte.“ Donald hatte sich in das Gespräch seiner Neffen eingemischt und blickte sorgenvoll zwischen ihnen und Anwantzer hin und her. „Aber was sollen wir machen? Onkel Dagobert hat einen bestimmten Grund, warum er die Notenblätter finden wollte. Die können wir uns doch nicht so einfach abnehmen lassen! Was haben die damit vor?“ „Ich weiß es nicht, Truck, ich weiß es nicht.“ Donalds Stimme hatte einen verwunderten Klang angenommen. „Und ich weiß auch nicht, was unser lieber Onkel da vorhat“, fügte Donald verwundert hinzu. Die Drillinge blickten zu Dagobert zurück, wie dieser und Klaas Klever sich nach wie vor ein Blickduell lieferten. Während letzterer irritiert die Arme verschränkte hatte und mit den Fingern klopfte, hatten sich Dagoberts Gesichtszüge vollkommen entspannt. Die Notenblätter raschelten, als Dagobert schließlich seinen Arm ausstreckte und sie Klaas Klever entgegenhielt. Es entging seinen Verwandten keineswegs, dass er dabei ein seltsames Lächeln trug. „In Ordnung, Herr Klever. Wenn Sie diese Noten so dringend haben wollen, dann werde ich mal nicht so sein. Nehmen Sie sie ruhig“, sagte Dagobert in einem Ton, als wäre er die Zufriedenheit in Person. Für Klaas Klever schien das nicht zuzutreffen. Kaum hatte er seinem Konkurrenten die Notenblätter abgenommen, zeichneten sich Schweißperlen auf seiner Stirn ab. Mit einem Handzeichen gab er seinem Assistenten zu verstehen, die Waffen ein kleines Stück zu senken. „Geht doch, altes Haus. Haben Sie auf ihre alten Tage doch noch etwas wie Einsicht gelernt. Und ich muss ihnen sogar dankbar sein, wären Sie allein hier gewesen, wären Sie nicht auf meine Forderungen eingegangen.“ Wieder begann Klaas Klever aufzulachen, auf Donalds Armen wie auf denen seiner Neffen breitete sich eine kalte, unangenehme Gänsehaut aus. „Nun denn, nachdem Sie mir dieses überaus großzügige Geschenk gemacht haben, möchte ich Sie und Ihre Familie auch gar nicht länger aufhalten. Wenn es Ihnen ein Trost ist, ich werde Ihnen die Torte überlassen. An derartigem Naschkram habe ich absolut kein Interesse“, sagte Klaas Klever, rollte die Notenblätter zusammen und griff nach einer Transportrolle, die Anwantzer ihm sofort zur Verfügung stellte. „Schön, dass Ihnen mein Geschenk so gut gefällt“, sagte Dagobert gefasst und voller Selbstbewusstsein. „Nur, bevor Sie und Ihr Assistent uns verlassen, da hätte ich doch noch eine Frage. Wenn Ihnen das nichts ausmachen würde.“ Anwantzer sah seinen Chef an, dieser drehte sich zu Dagobert zurück und betrachtete ihn abwertend. Selbstsicher schmunzelnd baute Klaas Klever sich vor seinem Konkurrenten auf. „In Ordnung, ich denke, diese zwei Minuten werde ich mir noch nehmen können. Was auch immer Sie von mir wissen möchten, ich werde Sie nur zu gerne aufklären und erleuchten.“   Dieses Mal war es Dagobert, welcher ein siegessicheres Lächeln im Gesicht trug. „Sie sind sich also sehr sicher, mit diesen Noten einen großen Reibach machen zu können. Dann können Sie mir auch sicherlich folgende Frage beantworten: Warum glauben Sie, aus welchem Grund sind diese Notenblätter so wertvoll?“ Klaas Klever begann zu lachen, es dauerte nicht lange, bis er sich einzelne Tränen wegwischte und mit der freien Hand den Bauch hielt. „Mein lieber Konkurrent, man könnte annehmen, ich habe Ihnen nicht nur diese Notenblätter entnommen, sondern auch Ihren Verstand. Für eine kurze Sekunde hatte ich sogar Mitleid mit Ihnen.“ Klaas Klever sah die zusammengerollten Notenblätter an und schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe versprochen, Ihre Frage zu beantworten, daher werde ich das auch tun!“ „Schön, dann sagen Sie mir doch bitte, was genau den hohen Wert der einzelnen Notenblätter festlegt“, sagte Dagobert mit einer starken Prise Sarkasmus in der Stimme. „Die Antwort ist selbstverständlich sehr simpel“, sagte Klaas Klever und räusperte sich. „Es muss sich um außerordentlich seltene Exemplare handeln, möglicherweise von einem verstorbenen Musiker. Es handelt sich um ein Erbe, welches über Generationen weitergereicht wurde. Oder es handelt sich gar um Werke, die das Tageslicht der Öffentlichkeit bisher noch nie zu sehen bekommen haben!“ Dagobert hob zweifelnd eine Augenbraue, was seinen Neffen nicht entging. Sie waren jedoch schlau genug, um ihre Bedenken nicht zu äußern. Zumal sie so manche von Beckys Aussagen bereits zuvor zum Nachdenken gebracht hatte. „Warum nehmen Sie sich dann nicht die Zeit und sehen sich die Notenblätter genauer an? Nicht, dass ich Ihnen etwas unterstellen möchte, aber … wir wollen doch ganz sicher sein, nicht wahr?“ Skeptisch blickte Klaas Klever von Dagobert auf die Blätter in seiner Hand hinab. Betrachtete die Rollen mehrere Sekunden lang, bevor er mit dem Kopf schüttelte. „Sie wissen ganz genau, worum es sich hierbei handelt, nicht wahr? Sonst hätten Sie sich nicht selbst auf den Weg gemacht, sondern nur ihre Brut an diesen staubigen Ort geschickt. Doch glauben Sie nicht, dass Sie die einzige Person ist, die Dinge von Wert nicht erkennen kann.“ Klaas Klever bemühte sich um ein verschmitztes Lächeln, doch es fiel ihm um einiges schwerer. Auch konnte er den selbstbewussten Ton in seiner Stimme nicht mehr halten. Dann begann er eine der Blätter mit beiden Händen aufzurollen und einen genaueren Blick darauf zu werfen. „Nun sehen, staunen und neiden Sie, wie ich dieses wertvolle Stück Musikgeschichte betrachten werde!“ Seine Augen huschten über das ausgerollte Stück Papier, dabei bildeten sich deutliche Falten auf seiner Stirn. Als könnte er nicht glauben, was er sah, nahm Klaas Klever sich eine andere Rolle vor und wiederholte den Vorgang. Immer wieder und wieder entrollte er Papierrolle für Papierrolle und betrachtete sie durch seine Brillengläser hindurch. Sein Gesicht wurde mit jedem Blatt Papier immer bleicher und als er am letzten Stück angekommen war, versagten ihm die Beine. Mit starrem Blick trugen ihn seine Beine zum nächstbesten Schrank, bevor sie ihm endgültig den Dienst versagten. Schwer schluckend ließ sich Klaas Klever auf den Boden fallen, es war für Dagobert ein leichtes, ihm die Notenblätter wieder abzunehmen. „Duck, du Schurke! Was hat das zu bedeuten? Was sind das bitte für Notenblätter? Ich dachte, ich hätte es hier mit Mozart, Bach oder van Beethoven zu tun?! Ich wäre sogar mit Werken von Vivaldi oder Schumann zufrieden gewesen … aber das hier? Das sind nur schnulzige Lieder über das Leben im Wilden Westen und der Suche nach Gold!“ Erschüttert griff er sich an die Stirn, dann wanderte die Hand zu seiner Melone. Genau diese Reaktion hatte Dagobert erwartet, ein mehr als zufriedenes Lächeln zeichnete sich auf dessen Schnabel ab. „Nun, wenn Sie irgendwelche Mutmaßungen anstellen, ohne den Kontext zu kennen, dafür kann ich doch nichts. Ich habe Ihnen schließlich nicht gesagt, dass Sie unser Gespräch beim Mittagessen belauschen sollen. Auch habe ich Ihnen nicht den Floh ins Ohr gesetzt, dass diese Noten hier irgendeinen materiellen Wert haben.“ Fast schon belehrend hob er seinen Zeigefinger und schnalzte amüsiert mit der Zunge. „Das haben Sie sich alles selbst zuzuschreiben. Es stimmt, diese Notenblätter enthalten nichts weiter als die Gefühle und Sehnsüchte, die die Menschen damals empfunden haben. Für die Ewigkeit in Papierform festgehalten. Doch Sie waren nie ein Teil davon, Sie werden es nie verstehen.“   Klaas Klever begann laut zu schnaufen, eine Stressader zeichnete sich auf seiner Stirn ab, bevor ihn wieder jegliche Energie verließ. Anwantzer, der die Situation bisher nur noch beobachtet hatte, sah seinen Chef fragend an. „Stecken Sie die Waffen weg, Anwantzer … die waren ja sowieso nicht echt. Aber immerhin echt genug, um die Ducks dazu zu bringen, mir die Blätter zu geben. Diese vollkommen wertlosen Blätter, mit denen ich nichts, aber auch rein gar nichts anfangen kann.“ Noch immer auf den Boden sitzend, hob er schwach seinen Kopf, sah Dagobert an und fing zu lachen an. Ein lautes Lachen, das aus dem Tiefsten seines Herzens kam; mit welchem er all seiner Enttäuschung und seinem Schmerz Form geben wollte. „Ich hätte nicht gedacht, dass jemand wie Sie für solch sentimentalen Dinge etwas übrighat. Erklären Sie es mir nicht, ich habe kein Interesse daran, mehr darüber zu erfahren. Anwantzer, wir gehen. Wir sind hier fertig.“ Sofort half sein Assistent ihm auf die Beine und führte ihn zur Treppe, bevor er Klaas Klever beim Abstieg dieser unterstützte. Donald, Dagobert wie auch die Drillinge sahen den dreien hinterher, wie sie Stufe für Stufe hinabgingen. „Anwantzer, wir gehen umgehend zu meinem Privatjet. Verlassen wir diesen verdammten Ort so schnell wie möglich …“ „Natürlich, Sir, die Maschine sollte von diesem Gebäude aus recht schnell zu erreichen sein.“ „… Sie wissen, was jetzt kommt?“, fragte Klaas Klever mit schwacher Stimme. „Dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Möchten Sie Salz dazu haben?“ „Selbstverständlich! Aber wir warten, bis wir in meinem Privatjet sind. Wenn ich schon meine Melone vor Scham essen muss, dann möchte ich das wenigstens im Sitzen tun“, sagte Klaas Klever alles andere als amüsiert. „Wie sie wünschen, Sir!“ Die letzten Worte des Assistenten erreichten gedämpft die Ohren der Ducks. Dann hörten sie das Geräusch einer Tür, die erst geöffnet und kurz darauf wieder geschlossen wurde. Zufrieden sahen die Fünf sich an. „Wahnsinn, das war ein Abenteuer“, meinte Truck beeindruckt. Donald dagegen verschränkte selbstbewusst die Arme vor der Brust. „Natürlich habe ich gewusst, dass die Waffe nicht echt ist, ich meine, wenn man sie sich mal genauer ansieht…“ „Natürlich hast du das, werter Neffe. An dir ist ein Schauspieler verloren gegangen. Als du so gezittert und dich um dein Leben gefürchtet hast, das habe ich dir tatsächlich abgekauft“, sagte Dagobert amüsiert. Anschließend kontrollierte er Notenblätter in seiner Hand. „Alle noch hier, das ist gut. Mein Rivale war so nett und hat uns für einen leichteren Transport diese Rollenbox hiergelassen, wie zuvorkommend von ihm. Ich hoffe, seine Melone schmeckt ihm dafür heute besonders gut.“ Seine Neffen schüttelten unisono den Kopf, konnten sich aber ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. Ein Grinsen, welches sich schnell zu einem lauten und herzhaften Lachen entwickelte.   „Eins muss ich jedoch fragen, Onkel Dagobert“, sagte Donald, kaum, dass sie sich wieder beruhigt hatten. „Ich kann verstehen, dass Klaas Klever keine Lieder zu Geld machen kann, die nur für eine Handvoll Menschen eine Bedeutung haben. Aber was genau bedeuten diese Noten für dich? Ich meine, klar, du erzählst mir jedes Mal von deiner Vergangenheit, wenn ich deine Münzen polieren darf. Aber du hast nie irgendwelche Noten erwähnt.“ Dagobert stützte sich an seinem Gehstock ab, während er über diese Frage nachdachte. „Das kann ich mir vorstellen, dass dich das überrascht, Neffe. Wie ich euch bereits während des leckeren Mittagesssens erklärt habe, hatte ich den Schatz, die Goldtöne über die vielen Jahre leider vergessen.“ Er seufzte laut vor sich hin, sein Blick fixierte den Boden und ein trauriges Lächeln trat in sein Gesicht. „Es war damals eine schöne, wilde und auch ereignisreiche Zeit. Niemand, der zu dieser Zeit dort mit anwesend war, kann etwas mit diesen Noten anfangen. Sie sind ein Zeugnis dessen, wie wir damals das Leben gefeiert haben und auch, wie viel uns der Goldrausch bedeutete. Das ist etwas, das muss man erlebt haben. Es ist ein Lebensgefühl, das sich nicht wiederholen lässt.“ Ein verträumter Schleier legte sich auf seine Augen, woraufhin seine Neffen untereinander fragende Blicke austauschten. „Dürfen wir uns sie mal ansehen, Onkel Dagobert?“, fragte Tick freundlich. „Natürlich, seht sie euch so oft an, wie ihr möchtet.“ Vorsichtig, als wären die Blätter nicht eingehüllt in schützendem Plastik, nahmen die drei Neffen die Notenblätter in die Hand. Trotz der Schutzmaßnahme erkannten sie sofort, dass die Blätter bereits sehr viele Jahre hinter sich hatten. Dass sie oft verwendet worden waren. Als ihre Blicke die Texte überflogen, unterstützten sie die Aussage ihres Onkels. Es wurden viele spezifische Situationen beschrieben, die man erlebt haben musste, um den Kontext dahinter verstehen zu können. Schließlich wanderte ihr Blick auf den unteren Teil der Blätter, sie alle hatten eine Widmung, mit welcher sich der Künstler für alle Zeiten verewigt hatte. Sie alle waren mit ein- und denselben Namen unterzeichnet worden: Nelly. „Oh, nun verstehe ich, warum dir diese Blätter wichtig sind, nicht wahr?“, fragte Donald und erst jetzt bemerkten die Drillinge, wie ihnen ihr Onkel neugierig über die Schultern schaute. Dagobert erwiderte den Blickkontakt, den sein Neffe zu ihm aufbaute. Sein Gesicht zeigte kaum eine Regung, sie ahnten, wie viel es Dagobert an Selbstbeherrschung kosten musste. Dann, von einer Sekunde auf die andere, als hätte er jegliches Anzeichen von Nostalgie und Traurigkeit von sich geschüttelt, ging Dagobert zu seinen Neffen und nahm ihnen die Blätter ab. Mit vorsichtigen Bewegungen rollte er sie abermals zusammen und verstaute sie in der Rolle, die ihr Konkurrent in seinem Frust vergessen hatte. „Genug der Reise in die Vergangenheit! Sehen wir zu, dass wir uns ebenfalls langsam auf den Weg machen. Immerhin müssen wir Becky noch ihren Schlüssel zurückbringen und nach dem Wohnzimmerfenster sehen. Ich möchte mir nicht nachsagen lassen, dass ich mich nicht an mein Wort halten kann.“ Kaum hatte er die Transportrolle unter seinen Arm geklemmt, ging er zur Treppe und sah seine Neffen voller Erwartung an. „Worauf wartet ihr? Als Lohn bekommt ihr dafür auch eine Torte, das habt ihr doch ganz genau gehört, wie ich euch kenne. Besonders euren Onkel“, sagte Dagobert und deutete mit dem Gehstock auf Donald. Doch seine Neffen blieben stehen und sahen ihn fragend an. Wieder tauschten Donald und die Drillinge Blicke aus, bevor sie sich zu Wort meldeten. „Eines würde uns noch interessieren, Onkel Dagobert“, fragte Donald mit unschuldiger Miene. „Warum genau hast du uns mitgenommen? Ich meine, die meiste Zeit warst du selbst aktiv und wir hier nur Zuschauer, die absolut nichts dazu beigetragen haben. Das hättest du auch allein geschafft. Also, warum sind wir hier?“ „Ich denke, ich weiß es, Onkel Donald“, sagte Truck, bevor sich jemand anderes äußern konnte. „Vermutlich wollte Onkel Dagobert uns nur Anteil an seiner Vergangenheit haben lassen. So oft, wie er uns davon erzählt, lag es ihm sicherlich am Herzen, es uns auch einmal zeigen zu können. Immerhin liegt die Zeit am Klondike so lange zurück, dass es kaum noch Dinge gibt, die uns einen Eindruck davon vermitteln könnten.“ „Das stimmt!“ Tick klatschte die Hände aufeinander, als ihn die Erkenntnis ebenfalls traf. „Wir haben heute eine Menge zu sehen bekommen, zumal wir mit einer leckeren Torte belohnt werden. Wenn das nicht mal ein klasse Ausflug ist?“ Sie begannen zu kichern, während Dagobert seine Neffen genervt ansah. Ungeduldig klopfte er mit seinem Gehstock auf dem Holzboden. „Offensichtlich haben wir nun endgültig alle offenen Fragen geklärt. Können wir uns nun auf den Weg machen? Wenn ich euch daran erinnern darf, der Zug fährt nur alle drei Stunden und ich möchte, wenn möglich, heute noch nach Hause fahren.“ „Ist in Ordnung, Onkel Dagobert, wir beeilen uns!“ Mit Frohmut im Herzen, folgten sie ihrem ungeduldigen Onkel so schnell wie möglich die Treppe hinunter, ohne zu wissen, dass er das gleiche spürte. Er würde es jedoch niemals aussprechen, weder an diesem Tag noch an einem anderen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)