Die goldenen Töne des Klondike von KiraNear ================================================================================ Kapitel 4: Melone mit Salz -------------------------- Kurze Zeit später erreichten sie Beckys Haus, was vor allem Dagoberts flottem Tempo geschuldet war. Zufrieden sah er das Haus an, wenn auch nicht aufgrund der Wandfarbe. „Es ist lange her, dass ich das Haus gesehen habe … hier haben wir uns oft verabredet, um die Pläne für den nächsten Tag durchzugehen. Ich habe oft mit ihren beiden Brüdern nach Gold geschürft“, fügte Dagobert eine Erklärung hinzu, nach der keiner gefragt hatte. Doch selbst wenn sie die Neugierde dafür gehabt hätten, es hätte seinen Neffen an Atem gefehlt, um derartige Fragen zu formulieren. Es war ihnen gerade noch gelungen, die leeren Limonadengläser unterwegs in einem Mülleimer zu entsorgen, ohne den Anschluss an ihren Onkel zu verlieren. „Becky wohnt wirklich sehr schön“, sagte Donald nach mehreren Minuten, die sein Körper benötigte, um wieder zu Kräften zu kommen. „Das stimmt, sie hatte immer schon ein Auge für solch… ästhetischen Spielereien.“ Dagobert wartete einen kurzen Augenblick, bis sich seine Neffen von dem schnellen Spaziergang erholt hatten. Dann griff er in eine Tasche seines Gehrocks und holte den Schlüssel heraus, den ihn Becky kurz zuvor anvertraut hatte. „Macht mir dort drinnen keine Schande, ich habe hier immerhin einen Ruf zu verlieren, selbst, wenn ich hier schon sehr lange nicht mehr wohne. Becky ist eine alte Freundin von mir und ich will hier keinen unnötigen Dreck machen. Wir suchen diskret nach den Notenblättern, ja? Wenn ihr etwas kaputt macht, dürft ihr es ersetzen. Donald, sag deinem Pech, es soll draußen bleiben.“ Donald rollte mit den Augen. „Als hätte ich darüber irgendeine Kontrolle, werter Onkel.“ „Dann wird es Zeit, dass du dir welche beschaffst, nicht wahr?“, sagte Dagobert mit einem schelmischen Funkeln im Blick. Wenige Umdrehungen und eine intensive Nutzung der Türmatte später standen die fünf Ducks im Haus und sahen sich um. „Denkt daran, macht nichts kaputt oder ihr müsst es mit eurem Taschengeld bezahlen!“ „Du kannst dich auf uns verlassen, Onkel Dagobert“, meinte Tick und salutierte ein wenig. Seine Brüder taten es ihm gleich. „Hauptsächlich meinte ich auch euren Onkel damit, bei euch bin ich mir sicher, dass ich mich diesbezüglich auf euch verlassen kann“, erwiderte Dagobert. „Es ist übrigens unhöflich, über jemanden zu reden, der euch dabei zuhört, wisst ihr das?“, murrte Donald laut.   Doch weder Donald noch Dagobert hatten Interesse an einem Streitgespräch. Deshalb ließen sie die Angelegenheit auf sich beruhigen und gelangten über die Treppe in das erste Obergeschoss. Vorsichtig sahen sie sich alle Räume an, bis sie den richtigen gefunden hatten. Ihr Schlafzimmer war für Becky offenbar ein Ort der Erholung, ein riesiges Himmelbett füllte bereits den Raum zur Hälfte auf und lud zu einem gemütlichen Schläfchen ein. Eine Einladung, welcher Donald nur zu gerne nachgegangen wäre, das konnte Dagobert ihm auf der Schnabelspitze ablesen. „Neffe, du kannst deine Augen gerne nachher im Zug ausruhen. Es schickt sich nicht, im Bett einer dir fremden Person zu schlafen, ganz egal, wie einladend es auch aussieht. Dass ich dir derartige Manieren noch beibringen muss …“ Enttäuscht schüttelte Dagobert den Kopf. „Ich sag es doch immer, mit der heutigen Jugend geht es immer weiter bergab.“ Länger wollte Dagobert sich nicht mit derartigen Gedanken aufhalten. Zumal es einen dringlicheren Grund gab, weshalb er das Haus seiner Jugendfreundin überhaupt betreten hatte. Den gesamten Weg über hatte Dagobert an nichts anderes denken können, wie an den genauen Aufenthaltsort der Notenblätter. Der Schrank in der Mitte ähnelte optisch den Schränken zu beiden Seiten, das bemerkte er sofort. Als Dagobert vorsichtig die Schubladen nacheinander aufmachte und durchsuchte, wurde er schneller fündig, als er es erhofft hatte. „Seht doch mal! Wir haben endlich gefunden, weshalb wir hier heute hergefahren sind!“, sagte Dagobert stolz und sah sich ein Blatt nach dem anderen an. Wie Becky es beschrieben hatte, waren die einzelnen Notenblätter sorgsam in eine Hülle gepackt worden, um sie vor dem Zahn der Zeit zu bewahren. „Habt ihr mich nicht gehört? Ich sagte, ich habe den Schatz gefunden … gut, für euch hat er keine so große Bedeutung, aber ein bisschen mehr Freude hätte ich mir dann doch gewünscht! Wo ist euer Entdeckergeist?“, fragte Dagobert und drehte sich zu seiner verdächtig stillen Verwandtschaft um.   Der Anblick, der sich ihm nun bot, brachte seinen Atem zum Stocken. Eine Pistole war auf die Drillinge gerichtet, wie auch eine weitere auf Donalds Kopf. Unsicher erwiderten die vier Neffen seinen Blick. „Nun, ich denke nicht, dass es Ihrer werten Verwandtschaft an Entdeckergeist mangelt. Sie zeigen nur, dass sie ebenfalls über genügend Menschenverstand besitzen. Ihre Verwandten wissen, wann man lieber seinen Schnabel halten sollte“, konnte Dagobert eine Stimme hören. Es war eine Stimme, von der er gehofft hatte, sie für den heutigen Tag nicht vernehmen zu müssen. „Wen sehe ich da? Klaas Klever und sein genauso nerviges Anhängsel Anwantzer.“ Kaum hatte Dagobert seinen Atem wiedergefunden, blickte er seinen Konkurrenten finster an. „Oh und ich hatte gehofft, Sie und Ihr schmieriger Gehilfe hätten sich auf den Weg nach Entenhausen gemacht, um Ihre Wunden zu lecken“, giftete Dagobert zurück. Dafür hatte Klaas Klever nur ein müdes Lächeln übrig. „Das hätten Sie wohl gerne, nicht wahr? Dass ich einfach aufgebe und nach Hause fahre, mit leeren Händen? Mitnichten! Im Gegenteil, Sie haben mir sogar die Entscheidung erleichtert!“ Auf Klaas Klevers Schnabel erschien ein Lächeln, welches Dagobert eine unangenehme Gänsehaut verpasste. „Während ich noch überlegte, wie ich diese wichtige Information aus der Dame herausbekommen könnte, sind Sie mitsamt Ihrer Brut ebenfalls bei der Bibliothek aufgetaucht. Wir können von Glück reden, dass man den Eingang nicht zu 100% vom Tresen aus im Blick hat und dass so viel los war.“ Zufrieden betrachtete er seine Fingerspitzen. „Sich zwischen den Bücherregalen zu verstecken und zu lauschen war ein Kinderspiel. Danach mussten wir Ihnen nur noch folgen … an dieser Stelle möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Sie haben mir immerhin eine Menge Arbeit erspart, das war sehr rücksichtsvoll von Ihnen. Wenn ich nun also um die Blätter bitten darf?“ Anwantzer näherte sich seinen Neffen, während die bedrohlichen Läufe der Pistolen immer noch auf sie gerichtet waren. Dagobert musste kein zweites Mal hinsehen, um zu erkennen, dass es sich nicht um Spielzeugwaffen handelte. Klever und sein Assistent machten Ernst, das war ihm bereits seit der ersten Sekunde bewusst. „Sie kennen das Spiel, mein lieber Rivale. Entweder geben Sie mir die Blätter, und zwar alle, oder … nun, zwingen Sie mich doch bitte nicht, den Satz auszusprechen. So etwas derartig Unnötiges kann auch verhindert werden.“ Dagobert betrachtete die Blätter in seiner Hand und es kostete ihm sämtliche Mühen, sie nicht von sich zu schleudern oder seine Hand vor Wut zu verkrampfen. „Kommen Sie schon, Sie müssen mir nur die Blätter geben und dann sind Sie uns auch schon wieder ganz schnell los!“ Gierig streckte Klaas Klever die Hand aus und Dagobert sah ein letztes Mal seine Neffen an. Niemand von ihnen war ein Superheld, so schlau oder besonders sie auch waren. Wenn doch nur Donald mit seinem besten Freund Kontakt aufnehmen könnte! Jedoch, selbst wenn Donald es könnte, bis Phantomias eintreffen würde, wären die beiden Ganoven mit ihrer Beute bereits auf und davon. „Sie haben einen miesen Charakter, hat Ihnen das schon jemals jemand gesagt?“, presste Dagobert zwischen seinen Zähnen hervor, als er seinem Konkurrenten gezwungenermaßen die Notenblätter aushändigte. Dieser dagegen nahm die Blätter dankbar an und lächelte Dagobert an, als wären sie alte Freunde. „Sehen Sie? War doch gar nicht so schlimm. Glauben Sie mir, in meinen Händen sind die Notenblätter viel besser aufgehoben als bei Ihnen. Es lohnt sich doch, immer mal wieder einen Spaziergang zu machen. Da bekommt man Dinge zu hören, die ganz und gar interessant sind. Machen Sie sich nichts daraus, vielleicht hat diese Becky ja noch ein Tagebuch voller schnulziger Erinnerungen, die sie zu Geld machen können.“ Als hätte er den Witz des Jahrhunderts von sich gegeben, begann Klaas Klever laut zu lachen. Anwantzer war der Einzige, der sich seinem Lachen anschloss. Einem kalten und fast schon boshaftem Lachen. Dagobert dagegen schwoll die Hutschnur an, zu gerne hätte er dem Konkurrenten gegenüber seine Meinung laut geäußert. Schnaufend, noch immer die Notenblätter in der Hand, sah er Klaas Klever tief in die Augen. Gebannt beobachteten Dagoberts Neffen die beiden älteren Herren, auch in ihnen ratterten die Zahnräder. Auch sie überlegten sich, wie sie aus dieser Situation würden entkommen können.   „Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, werden die beiden mit den Notenblättern entkommen“, flüsterte Tick seinen Brüdern zu und diese nickten. „Der Meinung bin ich auch, aber gegen eine Pistole hat keiner von uns eine Chance. Zumindest nicht, wenn man sich nicht eine Kugel im Federkleid einfangen möchte.“ Donald hatte sich in das Gespräch seiner Neffen eingemischt und blickte sorgenvoll zwischen ihnen und Anwantzer hin und her. „Aber was sollen wir machen? Onkel Dagobert hat einen bestimmten Grund, warum er die Notenblätter finden wollte. Die können wir uns doch nicht so einfach abnehmen lassen! Was haben die damit vor?“ „Ich weiß es nicht, Truck, ich weiß es nicht.“ Donalds Stimme hatte einen verwunderten Klang angenommen. „Und ich weiß auch nicht, was unser lieber Onkel da vorhat“, fügte Donald verwundert hinzu. Die Drillinge blickten zu Dagobert zurück, wie dieser und Klaas Klever sich nach wie vor ein Blickduell lieferten. Während letzterer irritiert die Arme verschränkte hatte und mit den Fingern klopfte, hatten sich Dagoberts Gesichtszüge vollkommen entspannt. Die Notenblätter raschelten, als Dagobert schließlich seinen Arm ausstreckte und sie Klaas Klever entgegenhielt. Es entging seinen Verwandten keineswegs, dass er dabei ein seltsames Lächeln trug. „In Ordnung, Herr Klever. Wenn Sie diese Noten so dringend haben wollen, dann werde ich mal nicht so sein. Nehmen Sie sie ruhig“, sagte Dagobert in einem Ton, als wäre er die Zufriedenheit in Person. Für Klaas Klever schien das nicht zuzutreffen. Kaum hatte er seinem Konkurrenten die Notenblätter abgenommen, zeichneten sich Schweißperlen auf seiner Stirn ab. Mit einem Handzeichen gab er seinem Assistenten zu verstehen, die Waffen ein kleines Stück zu senken. „Geht doch, altes Haus. Haben Sie auf ihre alten Tage doch noch etwas wie Einsicht gelernt. Und ich muss ihnen sogar dankbar sein, wären Sie allein hier gewesen, wären Sie nicht auf meine Forderungen eingegangen.“ Wieder begann Klaas Klever aufzulachen, auf Donalds Armen wie auf denen seiner Neffen breitete sich eine kalte, unangenehme Gänsehaut aus. „Nun denn, nachdem Sie mir dieses überaus großzügige Geschenk gemacht haben, möchte ich Sie und Ihre Familie auch gar nicht länger aufhalten. Wenn es Ihnen ein Trost ist, ich werde Ihnen die Torte überlassen. An derartigem Naschkram habe ich absolut kein Interesse“, sagte Klaas Klever, rollte die Notenblätter zusammen und griff nach einer Transportrolle, die Anwantzer ihm sofort zur Verfügung stellte. „Schön, dass Ihnen mein Geschenk so gut gefällt“, sagte Dagobert gefasst und voller Selbstbewusstsein. „Nur, bevor Sie und Ihr Assistent uns verlassen, da hätte ich doch noch eine Frage. Wenn Ihnen das nichts ausmachen würde.“ Anwantzer sah seinen Chef an, dieser drehte sich zu Dagobert zurück und betrachtete ihn abwertend. Selbstsicher schmunzelnd baute Klaas Klever sich vor seinem Konkurrenten auf. „In Ordnung, ich denke, diese zwei Minuten werde ich mir noch nehmen können. Was auch immer Sie von mir wissen möchten, ich werde Sie nur zu gerne aufklären und erleuchten.“   Dieses Mal war es Dagobert, welcher ein siegessicheres Lächeln im Gesicht trug. „Sie sind sich also sehr sicher, mit diesen Noten einen großen Reibach machen zu können. Dann können Sie mir auch sicherlich folgende Frage beantworten: Warum glauben Sie, aus welchem Grund sind diese Notenblätter so wertvoll?“ Klaas Klever begann zu lachen, es dauerte nicht lange, bis er sich einzelne Tränen wegwischte und mit der freien Hand den Bauch hielt. „Mein lieber Konkurrent, man könnte annehmen, ich habe Ihnen nicht nur diese Notenblätter entnommen, sondern auch Ihren Verstand. Für eine kurze Sekunde hatte ich sogar Mitleid mit Ihnen.“ Klaas Klever sah die zusammengerollten Notenblätter an und schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe versprochen, Ihre Frage zu beantworten, daher werde ich das auch tun!“ „Schön, dann sagen Sie mir doch bitte, was genau den hohen Wert der einzelnen Notenblätter festlegt“, sagte Dagobert mit einer starken Prise Sarkasmus in der Stimme. „Die Antwort ist selbstverständlich sehr simpel“, sagte Klaas Klever und räusperte sich. „Es muss sich um außerordentlich seltene Exemplare handeln, möglicherweise von einem verstorbenen Musiker. Es handelt sich um ein Erbe, welches über Generationen weitergereicht wurde. Oder es handelt sich gar um Werke, die das Tageslicht der Öffentlichkeit bisher noch nie zu sehen bekommen haben!“ Dagobert hob zweifelnd eine Augenbraue, was seinen Neffen nicht entging. Sie waren jedoch schlau genug, um ihre Bedenken nicht zu äußern. Zumal sie so manche von Beckys Aussagen bereits zuvor zum Nachdenken gebracht hatte. „Warum nehmen Sie sich dann nicht die Zeit und sehen sich die Notenblätter genauer an? Nicht, dass ich Ihnen etwas unterstellen möchte, aber … wir wollen doch ganz sicher sein, nicht wahr?“ Skeptisch blickte Klaas Klever von Dagobert auf die Blätter in seiner Hand hinab. Betrachtete die Rollen mehrere Sekunden lang, bevor er mit dem Kopf schüttelte. „Sie wissen ganz genau, worum es sich hierbei handelt, nicht wahr? Sonst hätten Sie sich nicht selbst auf den Weg gemacht, sondern nur ihre Brut an diesen staubigen Ort geschickt. Doch glauben Sie nicht, dass Sie die einzige Person ist, die Dinge von Wert nicht erkennen kann.“ Klaas Klever bemühte sich um ein verschmitztes Lächeln, doch es fiel ihm um einiges schwerer. Auch konnte er den selbstbewussten Ton in seiner Stimme nicht mehr halten. Dann begann er eine der Blätter mit beiden Händen aufzurollen und einen genaueren Blick darauf zu werfen. „Nun sehen, staunen und neiden Sie, wie ich dieses wertvolle Stück Musikgeschichte betrachten werde!“ Seine Augen huschten über das ausgerollte Stück Papier, dabei bildeten sich deutliche Falten auf seiner Stirn. Als könnte er nicht glauben, was er sah, nahm Klaas Klever sich eine andere Rolle vor und wiederholte den Vorgang. Immer wieder und wieder entrollte er Papierrolle für Papierrolle und betrachtete sie durch seine Brillengläser hindurch. Sein Gesicht wurde mit jedem Blatt Papier immer bleicher und als er am letzten Stück angekommen war, versagten ihm die Beine. Mit starrem Blick trugen ihn seine Beine zum nächstbesten Schrank, bevor sie ihm endgültig den Dienst versagten. Schwer schluckend ließ sich Klaas Klever auf den Boden fallen, es war für Dagobert ein leichtes, ihm die Notenblätter wieder abzunehmen. „Duck, du Schurke! Was hat das zu bedeuten? Was sind das bitte für Notenblätter? Ich dachte, ich hätte es hier mit Mozart, Bach oder van Beethoven zu tun?! Ich wäre sogar mit Werken von Vivaldi oder Schumann zufrieden gewesen … aber das hier? Das sind nur schnulzige Lieder über das Leben im Wilden Westen und der Suche nach Gold!“ Erschüttert griff er sich an die Stirn, dann wanderte die Hand zu seiner Melone. Genau diese Reaktion hatte Dagobert erwartet, ein mehr als zufriedenes Lächeln zeichnete sich auf dessen Schnabel ab. „Nun, wenn Sie irgendwelche Mutmaßungen anstellen, ohne den Kontext zu kennen, dafür kann ich doch nichts. Ich habe Ihnen schließlich nicht gesagt, dass Sie unser Gespräch beim Mittagessen belauschen sollen. Auch habe ich Ihnen nicht den Floh ins Ohr gesetzt, dass diese Noten hier irgendeinen materiellen Wert haben.“ Fast schon belehrend hob er seinen Zeigefinger und schnalzte amüsiert mit der Zunge. „Das haben Sie sich alles selbst zuzuschreiben. Es stimmt, diese Notenblätter enthalten nichts weiter als die Gefühle und Sehnsüchte, die die Menschen damals empfunden haben. Für die Ewigkeit in Papierform festgehalten. Doch Sie waren nie ein Teil davon, Sie werden es nie verstehen.“   Klaas Klever begann laut zu schnaufen, eine Stressader zeichnete sich auf seiner Stirn ab, bevor ihn wieder jegliche Energie verließ. Anwantzer, der die Situation bisher nur noch beobachtet hatte, sah seinen Chef fragend an. „Stecken Sie die Waffen weg, Anwantzer … die waren ja sowieso nicht echt. Aber immerhin echt genug, um die Ducks dazu zu bringen, mir die Blätter zu geben. Diese vollkommen wertlosen Blätter, mit denen ich nichts, aber auch rein gar nichts anfangen kann.“ Noch immer auf den Boden sitzend, hob er schwach seinen Kopf, sah Dagobert an und fing zu lachen an. Ein lautes Lachen, das aus dem Tiefsten seines Herzens kam; mit welchem er all seiner Enttäuschung und seinem Schmerz Form geben wollte. „Ich hätte nicht gedacht, dass jemand wie Sie für solch sentimentalen Dinge etwas übrighat. Erklären Sie es mir nicht, ich habe kein Interesse daran, mehr darüber zu erfahren. Anwantzer, wir gehen. Wir sind hier fertig.“ Sofort half sein Assistent ihm auf die Beine und führte ihn zur Treppe, bevor er Klaas Klever beim Abstieg dieser unterstützte. Donald, Dagobert wie auch die Drillinge sahen den dreien hinterher, wie sie Stufe für Stufe hinabgingen. „Anwantzer, wir gehen umgehend zu meinem Privatjet. Verlassen wir diesen verdammten Ort so schnell wie möglich …“ „Natürlich, Sir, die Maschine sollte von diesem Gebäude aus recht schnell zu erreichen sein.“ „… Sie wissen, was jetzt kommt?“, fragte Klaas Klever mit schwacher Stimme. „Dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Möchten Sie Salz dazu haben?“ „Selbstverständlich! Aber wir warten, bis wir in meinem Privatjet sind. Wenn ich schon meine Melone vor Scham essen muss, dann möchte ich das wenigstens im Sitzen tun“, sagte Klaas Klever alles andere als amüsiert. „Wie sie wünschen, Sir!“ Die letzten Worte des Assistenten erreichten gedämpft die Ohren der Ducks. Dann hörten sie das Geräusch einer Tür, die erst geöffnet und kurz darauf wieder geschlossen wurde. Zufrieden sahen die Fünf sich an. „Wahnsinn, das war ein Abenteuer“, meinte Truck beeindruckt. Donald dagegen verschränkte selbstbewusst die Arme vor der Brust. „Natürlich habe ich gewusst, dass die Waffe nicht echt ist, ich meine, wenn man sie sich mal genauer ansieht…“ „Natürlich hast du das, werter Neffe. An dir ist ein Schauspieler verloren gegangen. Als du so gezittert und dich um dein Leben gefürchtet hast, das habe ich dir tatsächlich abgekauft“, sagte Dagobert amüsiert. Anschließend kontrollierte er Notenblätter in seiner Hand. „Alle noch hier, das ist gut. Mein Rivale war so nett und hat uns für einen leichteren Transport diese Rollenbox hiergelassen, wie zuvorkommend von ihm. Ich hoffe, seine Melone schmeckt ihm dafür heute besonders gut.“ Seine Neffen schüttelten unisono den Kopf, konnten sich aber ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. Ein Grinsen, welches sich schnell zu einem lauten und herzhaften Lachen entwickelte.   „Eins muss ich jedoch fragen, Onkel Dagobert“, sagte Donald, kaum, dass sie sich wieder beruhigt hatten. „Ich kann verstehen, dass Klaas Klever keine Lieder zu Geld machen kann, die nur für eine Handvoll Menschen eine Bedeutung haben. Aber was genau bedeuten diese Noten für dich? Ich meine, klar, du erzählst mir jedes Mal von deiner Vergangenheit, wenn ich deine Münzen polieren darf. Aber du hast nie irgendwelche Noten erwähnt.“ Dagobert stützte sich an seinem Gehstock ab, während er über diese Frage nachdachte. „Das kann ich mir vorstellen, dass dich das überrascht, Neffe. Wie ich euch bereits während des leckeren Mittagesssens erklärt habe, hatte ich den Schatz, die Goldtöne über die vielen Jahre leider vergessen.“ Er seufzte laut vor sich hin, sein Blick fixierte den Boden und ein trauriges Lächeln trat in sein Gesicht. „Es war damals eine schöne, wilde und auch ereignisreiche Zeit. Niemand, der zu dieser Zeit dort mit anwesend war, kann etwas mit diesen Noten anfangen. Sie sind ein Zeugnis dessen, wie wir damals das Leben gefeiert haben und auch, wie viel uns der Goldrausch bedeutete. Das ist etwas, das muss man erlebt haben. Es ist ein Lebensgefühl, das sich nicht wiederholen lässt.“ Ein verträumter Schleier legte sich auf seine Augen, woraufhin seine Neffen untereinander fragende Blicke austauschten. „Dürfen wir uns sie mal ansehen, Onkel Dagobert?“, fragte Tick freundlich. „Natürlich, seht sie euch so oft an, wie ihr möchtet.“ Vorsichtig, als wären die Blätter nicht eingehüllt in schützendem Plastik, nahmen die drei Neffen die Notenblätter in die Hand. Trotz der Schutzmaßnahme erkannten sie sofort, dass die Blätter bereits sehr viele Jahre hinter sich hatten. Dass sie oft verwendet worden waren. Als ihre Blicke die Texte überflogen, unterstützten sie die Aussage ihres Onkels. Es wurden viele spezifische Situationen beschrieben, die man erlebt haben musste, um den Kontext dahinter verstehen zu können. Schließlich wanderte ihr Blick auf den unteren Teil der Blätter, sie alle hatten eine Widmung, mit welcher sich der Künstler für alle Zeiten verewigt hatte. Sie alle waren mit ein- und denselben Namen unterzeichnet worden: Nelly. „Oh, nun verstehe ich, warum dir diese Blätter wichtig sind, nicht wahr?“, fragte Donald und erst jetzt bemerkten die Drillinge, wie ihnen ihr Onkel neugierig über die Schultern schaute. Dagobert erwiderte den Blickkontakt, den sein Neffe zu ihm aufbaute. Sein Gesicht zeigte kaum eine Regung, sie ahnten, wie viel es Dagobert an Selbstbeherrschung kosten musste. Dann, von einer Sekunde auf die andere, als hätte er jegliches Anzeichen von Nostalgie und Traurigkeit von sich geschüttelt, ging Dagobert zu seinen Neffen und nahm ihnen die Blätter ab. Mit vorsichtigen Bewegungen rollte er sie abermals zusammen und verstaute sie in der Rolle, die ihr Konkurrent in seinem Frust vergessen hatte. „Genug der Reise in die Vergangenheit! Sehen wir zu, dass wir uns ebenfalls langsam auf den Weg machen. Immerhin müssen wir Becky noch ihren Schlüssel zurückbringen und nach dem Wohnzimmerfenster sehen. Ich möchte mir nicht nachsagen lassen, dass ich mich nicht an mein Wort halten kann.“ Kaum hatte er die Transportrolle unter seinen Arm geklemmt, ging er zur Treppe und sah seine Neffen voller Erwartung an. „Worauf wartet ihr? Als Lohn bekommt ihr dafür auch eine Torte, das habt ihr doch ganz genau gehört, wie ich euch kenne. Besonders euren Onkel“, sagte Dagobert und deutete mit dem Gehstock auf Donald. Doch seine Neffen blieben stehen und sahen ihn fragend an. Wieder tauschten Donald und die Drillinge Blicke aus, bevor sie sich zu Wort meldeten. „Eines würde uns noch interessieren, Onkel Dagobert“, fragte Donald mit unschuldiger Miene. „Warum genau hast du uns mitgenommen? Ich meine, die meiste Zeit warst du selbst aktiv und wir hier nur Zuschauer, die absolut nichts dazu beigetragen haben. Das hättest du auch allein geschafft. Also, warum sind wir hier?“ „Ich denke, ich weiß es, Onkel Donald“, sagte Truck, bevor sich jemand anderes äußern konnte. „Vermutlich wollte Onkel Dagobert uns nur Anteil an seiner Vergangenheit haben lassen. So oft, wie er uns davon erzählt, lag es ihm sicherlich am Herzen, es uns auch einmal zeigen zu können. Immerhin liegt die Zeit am Klondike so lange zurück, dass es kaum noch Dinge gibt, die uns einen Eindruck davon vermitteln könnten.“ „Das stimmt!“ Tick klatschte die Hände aufeinander, als ihn die Erkenntnis ebenfalls traf. „Wir haben heute eine Menge zu sehen bekommen, zumal wir mit einer leckeren Torte belohnt werden. Wenn das nicht mal ein klasse Ausflug ist?“ Sie begannen zu kichern, während Dagobert seine Neffen genervt ansah. Ungeduldig klopfte er mit seinem Gehstock auf dem Holzboden. „Offensichtlich haben wir nun endgültig alle offenen Fragen geklärt. Können wir uns nun auf den Weg machen? Wenn ich euch daran erinnern darf, der Zug fährt nur alle drei Stunden und ich möchte, wenn möglich, heute noch nach Hause fahren.“ „Ist in Ordnung, Onkel Dagobert, wir beeilen uns!“ Mit Frohmut im Herzen, folgten sie ihrem ungeduldigen Onkel so schnell wie möglich die Treppe hinunter, ohne zu wissen, dass er das gleiche spürte. Er würde es jedoch niemals aussprechen, weder an diesem Tag noch an einem anderen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)