Zwischen Licht und Dunkelheit von Feuchen ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die Lichter der Stadt waren leuchtend hell, während er ein wenig durch die Straßen wanderte. Er hatte einen langen, schwarzen Umhang übergeworfen, an dem eine Kapuze befestigt war, die er übergezogen hatte. Einzig seine roten Augen blickten unter dem Kapuzenrand etwas hervor. „Es ist unfair“, erklang eine Stimme neben ihm. Die andere Person neben ihm war in einen dunkelgrauen Umhang gehüllt, während seine Augen eher gelblich unter der Kapuze hervorblitzten. „Kann man nichts machen, Haru“, erwiderte derjenige, blickte noch kurz zu dem großen Bildschirm, bevor er sich umdrehte. „Riku-nii-san“, fing Isumi Haruka an, bevor er sich ebenfalls umdrehte und dem anderen folgte, während er nichts weiter sagte. Sie gingen einfach nur schweigend durch die hell erleuchteten Straßen, während niemand sie groß bemerkte. Erst in einer entfernten Seitenstraße vor einem alten Theatergebäude stoppten sie. Nur langsam schob Nanase Riku die Kapuze von seinem Kopf, starrte zu dem Eingang, der teilweise mit Brettern zugenagelt war. Auch, wenn sie diese inzwischen so weit entfernt hatten, dass sie wieder ins Innere konnten. „Genieße deinen Ruhm, solange du kannst, Kujou Tenn“, sagte er mit einem dunklen Unterton. „Riku-nii-san“, fing Haruka erneut an, sah ihn von der Seite her an. Riku lächelte zu ihm, bevor er sich schweigend daran machte, den Eingang dieses Theatergebäudes zu durchqueren und den inneren Weg entlang zu wandern. Drinnen gab es nicht mehr wirklich etwas zu sehen, weswegen er einfach nur auf eine hintere Tür zuging, die eine Treppe freigab, nachdem er sie geöffnet hatte. Eine längere Treppe, die nach unten führte. Er ging einfach nur weiter, trat unten in einen langen Gang, während Haruka ihm still folgte. Sie brauchten nicht darüber zu reden. Diese Gegend war so etwas, wie ihre Heimat gewesen. Seit Riku acht war, lebte er hier unten. „Keine Sorge, ich passe auf dich auf, Riku“, erklang die kindliche Stimme seines Zwillingsbruders zu ihm durch. Es war nichts, an das er noch denken wollte, da es so weit in der Vergangenheit war. Nanase Tenn existierte nicht mehr. Nicht für ihn. Oder Haruka. Oder irgendjemand anderen hier unten. „Wer bist du? Hast du dich verlaufen?“ Haruka zuckte ein wenig zusammen, als ihm die Erinnerung kam, wie er Tenn das erste Mal getroffen hatte. Er saß zusammengesunken in einer Seitengasse, wo er sich sicher fühlte. Damals war er acht gewesen. Seine Kleidung war zerfetzt, während er schluckte, als er das erste Mal in diese rosafarbenen Augen sah. „Ich– tu mir nichts ...“ „Ich tue dir nichts. Hast du niemanden? Mein Name ist Nanase Tenn. Willst du mit mir kommen?“ „Na–Nanase? Wie–“, „–wie diese Menschen, die vor einem Monat umgekommen sind, weil sie etwas versucht haben?“ Haruka nickte langsam, sah einfach nur zu dem anderen, bemerkte das Lächeln dieses Jungen. „Woher–“, „Das waren unsere Eltern. Riku und ich leben im Untergrund.“ Haruka schüttelte heftig seinen Kopf, sah wieder zu der Person, die vor ihm lief. Riku war inzwischen zwanzig. Er war ein Jahr älter, als es Haruka war. Vor ihnen erstreckte sich ein unterirdischer Platz mit kleineren Häusern, die sie aus allem möglichen gebaut hatten. Manche stabiler als andere, aber hier unten waren sie vor den meisten Einflüssen von draußen eh geschützt. „Nanase-san“, drang eine ruhige Stimme zu ihnen. Izumi Iori trat zu ihnen und musterte sie einen Moment, „ihr ward unterwegs?“ „Ein bisschen“, sagte Riku, zuckte mit den Schultern, drehte seinen Kopf etwas zu Haruka um, „aber ich mag es nicht, wenn es zu hell ist.“ „Riku-nii-san ist eben lieber nachts unterwegs“, sagte Haruka schmunzelnder, „... wir nähern uns dem Moment. Es ist viel los.“ „Ah, diese Gruppe“, entgegnete Iori und nickte etwas. Riku verengte seine Augen, ging an Iori vorbei und zu seinem eigenen, kleinen Haus. Haruka und Iori sahen ihm nach, allerdings sagten sie nichts mehr. Oder zumindest nichts, was Riku mitbekam. Er ließ sich auf einem Sitzkissen nieder, legte den Kopf in den Nacken und lächelte etwas vor sich hin. „Warum darfst du das alles genießen? Ich dachte, du mochtest es auch nicht? Ich dachte, unsere Heimat ist hier. Hey, Tenn, vermisst du mich?“ Riku schluckte, während er an das strahlende Gesicht auf den Bildschirmen dachte. Daran, wie Kujou Tenn zu der Masse blickte, die ihm zujubelte. „Als wenn du mich vermissen würdest“, sagte Riku und verengte seine Augen, „erinnerst du dich überhaupt noch an mich? Muss ich deine Erinnerungen auffrischen, Nanase Tenn?“ Er grinste langsam mehr, richtete sich auf und nahm einen Dolch in die Hand. „Ich werde dafür sorgen, dass du dich an mich erinnerst. Ich werde dafür sorgen, dass jeder weiß, wer Kujou Tenn wirklich ist.“ „Irgendwann stehen wir gemeinsam auf der Bühne, Tenn-nii“, erklang die kindliche Stimme eines siebenjährigen Nanase Riku, während er die Hand seines Zwillingsbruders festhielt. „Das werden wir. Für Mama und Papa“, sagte Nanase Tenn neben ihm, lächelte ihn ruhig an, „immerhin haben sie dieses Theater aufgebaut. Es war ihr Traum. Sie wollten, dass wir irgendwann ebenfalls hier auftreten.“ Riku schluckte, als er die Erinnerungen spürte. Die Erinnerung, kurz nach dem Tod ihrer Eltern. Seitdem hatten sie hier gelebt. Zuerst in dem alten Theatergebäude, später waren sie in den Untergrund gezogen, wo niemand sie finden konnte. Diejenigen, die hier lebten, waren Straßenkinder, die Tenn gefunden hatte, weil sie ebenfalls niemanden hatten. Oder die Riku später gefunden hatte, nachdem Tenn sie verraten hatte. Sie waren eine Familie. Sie waren Rikus neue Familie, nachdem Tenn ihn verlassen hatte. Auch, wenn sie ansonsten mehr eine normale, freundschaftliche Bindung hatten, so fühlte es sich dennoch genau so an. Einzig Haruka war mehr für ihn. Weil Riku wusste, dass Haruka genauso stark an Tenn gehangen hatte, wie er. Weil sie sich gegenseitig gebraucht hatten, um Tenns Verrat zu verkraften. „Bist du glücklich dort? Wird es dir wehtun, wenn ich dir alles nehme, was du hast?“, fragte Riku in den Raum hinein, blickte auf die Klinge seines Dolches, „weil das ist es, was ich vorhabe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)