Neue (und alte) Abenteuer von Sharry (Szenen, die es nicht in die Hauptfic geschafft haben) ================================================================================ Kapitel 1: Extrakapitel - Erste Version --------------------------------------- Erste Version der Geschichte In dieser Version findet Mihawk in der Nacht, in der die G6 gefallen ist, ein Kind im Wald, welches sich an nichts erinnern kann. Zwei Tage später - Auf dem Markt von Sasaki, Mihawks Heimatinsel   -Mihawk- „Warum sind alle so aufgebracht?“ Überrascht sah er hinab. Er hatte nicht damit gerechnet, dass seine sonst so schweigsame Begleitung doch den Mund aufmachen konnte. „Der Brunnen ist defekt“, erklärte er ruhig und nickte zur Marktmitte hinüber. „Für ein verschlafenes Völkchen, wie dieses hier, ist so etwas ein kleiner Weltuntergang.“ „Mhm“, stimmte das Mädchen ihm nur zu und beobachtete mit großen Augen den Trubel um sie herum, während sie den Marktplatz entlangschritten. Doch im nächsten Moment lag dieser durchdringende Blick, der nicht zu diesem kindlichen Gesicht passen wollte, auf ihm. Aber was auch immer seine Begleitung dachte, sie sprach es nicht aus, sondern sah wieder auf den Weg vor ihnen. Sie war ein seltsames Geschöpf, manche Sekunde schien sie naiv und unwissend, als wäre mit ihrer Erinnerung auch ihre gesamte Erfahrung über das Leben verschollen gegangen, und dann gab es diese anderen Momente, wenn sie ihn so ansah, als könnte sie in seine Seele schauen. Noch eine Sekunde länger betrachtete Dulacre sein unfreiwilliges Mündel, dann wandte auch er seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne, als ein großgewachsener Mann in Marineuniform eiligen Schrittes auf sie zu kam. „Dulacre“, grüßte er ihn dünnlippig. „Jiroushin“, entgegnete er und nahm den dargebotenen Unterarm in einen festen Griff, ehe er sich seiner Begleitung zuwandte, die den Soldaten beinahe schon misstrauisch begutachtete. „Loreen, dies ist mein alter Freund, Jiroushin. Jiroushin, Loreen.“ „Guten Tag, es freut mich, Sie kennen zu lernen, junge Dame“, bemerkte Jiroushin und verbeugte sich knapp. Das Mädchen hingegen bewegte sich nicht, sondern sah ihn weiterhin mit diesen kindlich großen Augen ernst an. Dulacre seufzte. „Es ist unhöflich, so zu starren, Loreen“, murrte er, „also verbeuge dich und begrüße ihn.“ Einen langen Moment sah sie ihn an und wieder mal wusste er diesen Blick nicht zu deuten. Dieses Kind war wirklich eigenartig, kannte die einfachsten Gepflogenheiten nicht. Dann sah sie den Soldaten wieder an und langsam senkte sie den Kopf. „Guten Tag.“ Nichts an ihrer Verbeugung erinnerte an eine junge Dame, keine Eleganz oder Anmut, nun ja, schließlich war sie auch noch viel zu jung für eine Dame. Aber auch Schüchternheit oder Unsicherheit, die man bei einem Kind vielleicht erwarten könnte, fehlten. Der schmale Körper strahlte eine Anspannung aus, die Dulacre nur von hervorragenden Kämpfern kannte und ihr Rücken war so gerade, wie der eines Soldaten, als sie sich wieder aufrichtete. Gleichwohl war sie doch alles andere als eine Kriegerin, mit diesem weichen, zerbrechlichen Körper und diesem ruhigen, sanften Gemüt. „Ich werde etwas mit Jiroushin besprechen müssen und möchte dich darum bitten, in der Zeit die Dinge einzukaufen, die auf Kanans Liste stehen.“ Er reichte dem Mädchen den Korb, den er bisher getragen hatte. „Aber ich möchte, dass du in der Nähe bleibst. Geh mir nicht verloren, verstehst du?“ Für einen Augenblick begegnete sie nur ruhig seinem Blick, dann nickte sie und nahm den Korb entgegen. Im nächsten Atemzug drehte sie sich einfach um und ging, zog bereits die Liste aus dem Korb hervor, und wandte sich nicht einmal um. Sie war wirklich ein eigenartiges Kind. „Das ist es also“, murmelte Jiroushin neben ihm. „Das seltsame Kind, welches du von deinen Reisen mitgebracht hast. Weißt du, dass bereits gemunkelt wird, sie sei dein eigen Fleisch und Blut?“ „Ich habe sie nicht mitgebracht“, entgegnete Dulacre, ignorierte den spitzen Kommentar, und bedeutete seinem ehemaligen Crewmitglied, ihm zu einem Café zu folgen, „ich habe sie hier am Abend meiner Ankunft gefunden.“ „Sie ist ein seltsames Kind“, wiederholte der andere missbilligend und ließ sich Dulacre gegenüber nieder, „irgendwie wirkt sie unglaublich abwesend auf der einen Seite und hochkonzentriert auf der anderen. Als wäre sie ein Hai in einem Aquarium oder ein Raubtier hinter Glas.“ Als der Kellner kam, bestellten sie; Kaffee für Dulacre, grünen Tee für Jiroushin. „Warum hast du dich dieses Kindes angenommen, Dulacre?“, fragte der andere dann direkt und sah ihn kalt an. „Wenn es keine Familie hat, bring es in ein Heim oder gib es in Kanans Verantwortung. Wir beide wissen, dass du kein Interesse daran hast, ein Mündel aufzunehmen, und du eignest dich auch nicht dazu, ein Kind zu erziehen. Dieses Kind unter deine Fittiche zu nehmen, wird weder ihr noch dir zugute kommen.“ „Denkst du, dass sie mit ihrer Art irgendwo Anschluss finden würde?“ Sie sahen einander an. „Was interessiert es mich? Sie ist hübsch anzusehen und scheint folgsam und ruhig, vielleicht etwas wenig erzogen. Sie wird schon überleben.“ Dann neigte der Soldat den Kopf und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an, während sie ihre Bestellungen entgegennahmen. „Aber seit wann interessiert dich so etwas, Dulacre? Sag bloß, du fühlst dich verantwortlich für ein dahergelaufenes Balg? Wann bist du denn nur so weich geworden, Kapitän?“ Unbeeindruckt hielt Dulacre dem Blick des anderen stand. „Ich habe meine Gründe“, erklärte er nur und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sein Mündel sich an einem Stand genauso verbeugte, wie er ihr vor wenigen Minuten erst erklärt hatte und dann mit der Verkäuferin sprach, „und ich bin schon lange nicht mehr dein Kapitän." „Deine Gründe also“, wiederholte Jiroushin zweifelnd und ließ vier Tropfen Milch in seinen Tee fallen, ehe er mit den Schultern zuckte. „Nun ja, was auch immer du damit bezweckst, wir beide wissen, dass sie dich nur für ein paar Tage wird unterhalten können und du danach einsehen wirst, was für eine Albernheit dies ist.“ Dulacre entgegnete nichts, sondern beobachtete, wie sie sich von der Verkäuferin verabschiedete. Diese rief ihr etwas nach und plötzlich war es da, dieses Lächeln, so ehrlich und rein, wie Dulacre es noch nie bei einer Person gesehen hatte, mit Ausnahme vielleicht wenn er an den Roten und den Jungen mit dem Strohhut dachte. Dies erinnerte ihn allerdings auch daran, warum er gerade hier war. „Hast du sie dabei?“, fragte er daher und sah den Soldaten an. „Meinst du, ich trage diese hässliche Tasche als Statement mit mir herum?“, entgegnete Jiroushin nur und warf die schwarze Tragetasche auf den Tisch. „Die Informationen sind derzeit allerdings noch unvollständig. Keiner hätte damit gerechnet, dass so etwas geschehen würde.“ „Mhm“, antwortete Dulacre nur und zog eine der Akten hervor. Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte er, dann entschied er, dass er seiner Intuition folgen musste. „Sag mal, Dulacre“, meinte der andere und nippte an seinem Tee, „der Pirat, der gestorben ist, dieser Lorenor Zorro, war er nicht dieser Bengel aus dem East Blue, den du verschont hattest?“ Ohne aufzusehen, nickte Dulacre und durchforstete die Berichte und das Bildmaterial. „Aha“, machte der andere nur. „Höre ich da noch mehr Missbilligung?“, fragte er nach, als er den urteilenden Blick des anderen auf sich fühlte. „Du scheinst meine Entscheidungen nicht gutzuheißen, Jiroushin?“ „Ich wunder mich nur, was du dir denkst, Dulacre“, erklärte der andere. „Eine Torheit alle paar Jahre mag vertretbar sein, aber nach diesem Bengel kommst du jetzt mit diesem Balg an. Was ist los mit dir? Entwickelst du auf deine alten Tage plötzlich väterliche Gutmütigkeit? Muss ich mir Sorgen machen?“ „Vor allem solltest du dich nicht lächerlich machen“, widersprach Dulacre, ohne aufzusehen. „Wir beide wissen, dass ich weder von Güte noch von törichten Handlungen etwas halte.“ „Und dennoch ist dieses Kind nun hier und du möchtest Informationen über den Tod dieses Piraten.“ Dulacre wollte etwas entgegnen, doch schallendes Gelächter ließ sie beide aufblicken. Mehrere kleine Kinder hatten sich um sein Mündel gescharrt und schienen sich aufgeregt mit ihr zu unterhalten. Langsam ließ Dulacre die Akte sinken. Da war sie wieder, genau wie mit Kanan am vergangenen Abend. Nun lachte sie wie das Kind, was sie war, kicherte leise, strich sich lose Haarsträhnen hinters Ohr und neigte verlegen den Kopf. Sie war wirklich eigenartig. „Dulacre“, murrte der andere nun und forderte seine Aufmerksamkeit ein, „du magst meine Sorgen als belanglos abtun, aber du musst verstehen, dass aus meiner Sicht du dich überaus ungewöhnlich verhältst.“ „Ich bin ein Mihawk, Jiroushin, ich habe sie aufgenommen, ich bin für sie verantwortlich.“ „Ach bitte“, entgegnete der andere und winkte ab, „seit wann scherst du dich um diesen alten Spruch?“ Kopfschüttelnd nickte der Soldat zu der Kinderansammlung am leeren Brunnen hinüber. „Nein, mir kannst du nichts vormachen. Irgendetwas stimmt mit diesem Kind nicht. Du hast aus irgendeinem Grund Interesse an ihr und ich will wissen warum.“ „Du willst?“, wiederholte Dulacre mit hochgezogener Augenbraue. „Welch ungewohnt fordernden Töne von dir. Warum sollte ich dir irgendetwas verraten?“ „Sieh es als Bezahlung hierfür an“, sagte der andere und tippte mit seinem Fingerknöchel auf die zweite Akte. „Also?“ Für einen Moment sahen sie einander nur an, dann schnalzte Dulacre mit der Zunge und entschied, seinen Freund nicht unnötig verärgern zu wollen. „Sie hat ihr Gedächtnis verloren“, erklärte er also großzügig. „Sie hat keine Ahnung, wer sie eigentlich ist.“ „Oh.“ Nun zeigte Jiroushin ehrliche Verwunderung. „Aber nanntest du sie eben nicht Loreen? Ist das nicht ihr Name?“ „Nein“, widersprach er und zuckte mit den Achseln. „Kanan und sie haben diesen Namen wohl ausgesucht. Wie du dir sicher vorstellen kannst, entspricht es nicht Kanans Vorstellungen eines gepflegten Haushaltes, einen Gast nicht mit Namen anzusprechen.“ Jiroushin machte einen nachdenklichen Laut und folgte Dulacres Blick Richtung Marktplatzmitte, wo die Traube von Kindern um Loreen herumtanzte und lachte. Dann jedoch sah er Dulacre wieder an. „Nun gut, dann hast du halt ein Kind mit Amnesie gefunden, na und? Immer noch kein Grund für dich hier einen auf Erziehungsberechtigten zu machen.“ Missbilligend richtete Dulacre nun ebenfalls seinen Blick auf sein ehemaliges Crewmitglied. „Was denn? Sei nicht überrascht, Dulacre. Du bist derjenige, der sich seltsam verhält, nicht ich.“ Seufzend wandte Dulacre sich wieder der Akte zu. „Sie kann Yoru hören“, erklärte er dann. „Was?“ „Ja, ich war auch überrascht.“ „Du verarschst mich doch!“ „Tze“, schnalzte er mit der Zunge über solch Kraftausdrücke, „aber nein, ich sage die Wahrheit.“ „Du willst mir sagen, dass dieses Kind Eisen schneiden kann?“ „Ich will dir gar nichts sagen“, widersprach er, „außer, dass dieses Kind Yoru hören kann und Yoru zu ihr spricht und wir beide wissen, wie außergewöhnlich das ist.“ Der andere schnaubte laut auf und warf sich in seinem Stuhl zurück. „Diese Balg soll Schwertkämpfer sein? Das ich nicht lache! Sieh sie dir doch an! Sie ist so schwach, sie könnte bei einem Sturm umknicken.“ „Das ist mir durchaus bewusst.“ Doch Dulacre hörte ihm kaum noch zu, als er endlich gefunden hatte, wonach er gesucht hatte. „Darum also“, murrte Jiroushin unzufrieden, „wirklich ein eigenartiges Kind.“ „Nicht wahr?“ Im nächsten Moment sah er auf, als Loreen auf sie zu kam, eine Blumenkrone auf dem leuchtend grünen Haar, welches so gut zu ihrem kindlichen Gesicht passte und so überhaupt nicht zu ihrer ernsten Miene. Nichts war mehr von dem Lachen geblieben, von der Fröhlichkeit, der Leichtigkeit, wie immer, wenn sie ihm nahe kam. „Hast du alles bekommen, was auf der Liste stand?“, fragte er sie und sie nickte nur, sah ihn unverhohlen an. „Dann ist es wohl Zeit für uns aufzubrechen.“ „Warte, was?“ Jiroushin erhob sich ebenfalls. „Du willst schon gehen? Was ist mit…?“ „Ich habe herausgefunden, was ich wissen wollte“, entgegnete Dulacre, während er seine Tasse leer trank und Geld auf den Tisch legte. „Du kannst die Akten wieder mitnehmen. Meinen Dank, Jiroushin, und auf Wiedersehen.“ Mit großen Augen sah sein Freund ihn an und für einen Moment erinnerte dieses leuchtende Grün ihn an die Augen seines Mündels. Nein, das stimmte nicht, dieser Blick erinnerte ihn an… „Was habe ich dir gesagt, Loreen? Sei nicht so unhöflich. Das gehört sich nicht.“ Unbeeindruckt schaute sie zu ihm auf, wandte sich dann Jiroushin zu und verneigte sich erneut auf diese steife Art, die so überhaupt nicht zu einem Kind passen wollte. Dann richtete sie sich wieder auf und folgte Dulacre. Aus dem Augenwinkel sah er zu ihr hinab, doch sie sah stur geradeaus, obwohl sie seinen Blick spüren musste. Sie war wirklich eigenartig und Dulacre entschied, seine Hypothese zu überprüfen. „Was hältst du von Jiroushin?“, fragte er sie unvermittelt. „Nein, lass mich meine Frage umformulieren. Was war dein erster Gedanke, als er auf uns zukam?“ Ohne stehen zu bleiben, sah sie nun zu ihm hinauf, zeigte sich so ungewohnt unbeeindruckt von seinen Augen. „Dass ich wachsam sein muss“, antwortete sie geradeheraus, wie auf jede seiner Fragen, die er stellen musste, da ihr Verstand nicht so offen lag, wie er bei einem Kind ihres Alters eigentlich sollte. Nein, so harte Mauern hatte er nur selten erlebt und er könnte sie nur mittels Gewalt überwinden, was er derzeit noch nur als ultima ratio in Betracht zog. „Warum?“, hakte er also nach. „Ich weiß es nicht“, sagte sie mit einem saloppen Schulterzucken. „Weil er ein Soldat ist?“ Nun wandte sie den Blick ab und schien darüber angestrengt nachzudenken, während sich tiefe Furchen in ihre Stirn gruben. „Ich… ich glaube schon.“ Dulacre spürte, wie seine Fingerspitzen zu kribbeln anfingen, wirklich interessant. „Hast du das gleiche Gefühl, wenn du mich ansiehst?“ Sie blieb stehen und neigte leicht den Kopf, als sie ihn fragend ansah. „Hast du auch das Gefühl, wachsam sein zu müssen, wenn du mich ansiehst?“, erläuterte er seine Frage. Langsam verengten sich ihre Augen, als sie wohl über die Beweggründe hinter seinen Fragen nachdachte. Dann nickte sie. „Und bei Kanan?“ Sie schüttelte den Kopf. Langsam verstand er, darum also, darum war sie so anders, wie zwei verschiedene Charaktere in einem Menschen. Entweder sie benahm sich wie ein einfaches Kind, was noch nie etwas Negatives erlebt hatte, dem nie etwas Schlimmes widerfahren war, was schlicht nichts wusste und nicht mal einfachste Umgangsformen kannte. Aber dann gab es diese anderen Momente, immer wenn sie ihm nahe war, da mochte sie sich zwar an nichts erinnern und dennoch waren ihre Reaktionen geprägt von Erfahrungen. Wann immer irgendetwas passierte, was mit diesen Erfahrungen verknüpft war, dann war sie nicht mehr dieses kleine Kind, und anscheinend war eine Verknüpfung die Marine. „Hältst du die Marine für deinen Feind?“, fragte er unvermittelt und neigte leicht den Kopf. Erneut musste sie einen Moment über diese Frage nachdenken, dann nickte sie und sah ihn an. „Und mich? Bin ich auch dein Feind?“ Überraschend schnell schüttelte sie den Kopf. „Nein“, flüsterte sie und rieb sich dann den Hinterkopf, ignorierte die zu Boden fallende Blumenkrone, „es ist ein anderes Gefühl. Du kommst mir nicht wie ein Feind vor.“ „Und dennoch bist du mir gegenüber wachsam.“ Sie nickte. „Kann es sein, dass du mich als einen… Rivalen ansiehst.“ Ihre Augen wurden groß, noch größer, als sie so oder so schon waren, doch zum ersten Mal in seiner Gegenwart zeigte sie ein leichtes Schmunzeln und Dulacre erkannte es. „Ja.“ „Möchtest du mich besiegen?“ „Ja.“ Doch dann rieb sie sich die Schläfen und wandte den Blick ab. „Zumindest glaube ich das. Aber ich weiß es nicht. Ich…“ Plötzlich wurde sie unterbrochen, als nur wenige Meter vor ihnen die Haustür zum alten Herrenhaus aufgerissen wurde und Kanan herausgestürmt kam, um Dulacres Mündel den Korb abzunehmen. Er hingegen beobachtete das Kind recht neugierig. Es war nicht mehr als ein Gedanke gewesen, eine wahnwitzige Hypothese, ein verzweifelter Wunsch. Obwohl sie nichts wusste, einfachste Verhaltensmuster nicht kannte, hatte sie ihn erkannt, hatte seinen Namen gekannt und war ehrfürchtig vor Yoru stehen geblieben, hatte dessen Namen geflüstert und auf dessen Fragen geantwortet. Obwohl sie so schwach war, glaubte sie wohl wirklich, was sie gesagt hatte, und obwohl sie ihren eigenen Namen nicht kannte, hatte sie diesen einen Steckbrief viel zu lange angesehen, als würde sie ihn kennen. All das hatte ihn stutzig werden lassen, doch dann hatte er mitbekommen, wie Kanan ihr in der Küche von dem großen Unglück der Marine erzählt hatte, dem Fall der G6, und beinahe beiläufig hatte dieses Kind den Namen Homura fallen lassen. Es war eine Sache, Dulacre zu kennen. Als weltbester Schwertkämpfer und einer der sieben Samurai war er nun mal berühmt. Homura Nataku auf der anderen Seite war zwar unter Schwertkämpfern kein unbeschriebenes Blatt, gehörte jedoch nicht zu den Namen, die von der Allgemeinheit erkannt werden würden, und mehr noch hatte es überhaupt keinen Sinn ergeben, diesen Namen im Zusammenhang mit dem Sturz der G6, verursacht durch die Strohhutpiratenbande, zu nennen, obwohl er nichts mit diesem Stützpunkt zutun hatte. Zumindest hatte Dulacre das gedacht, aber dann hatte er entschieden diese irrationale Vermutung zu überprüfen und nun hatte er sie bestätigt bekommen. Obwohl der Name Homura nicht in einem einzigen Zeitungsartikel gefallen war, hatten die marineinternen Berichte erklärt, dass er wohl maßgeblich an der Verhaftung der Strohhüte beteiligt gewesen war. All diese kleinen Zufälle und Ungereimtheiten ließen nur einen Schluss zu, nur eine einzige Lösung, so wahnwitzig sie auch sein mochte. Dieses Kind vor ihm, welches nun mit einem fast schon sanften Lächeln Kanan ins Haus folgte, konnte niemand anderes sein als das Balg, welches die G6 zu Fall gebracht hatte und dessen Körper zwischen den Trümmern und den Leichen der Soldaten nicht hatte geborgen werden können. Dieses Kind dort vor ihm, so naiv und unbeschwert, ohne jegliche Erinnerung und doch ihm gegenüber wachsam, der Marine gegenüber wachsam, war niemand anderes als Lorenor Zorro.     Kapitel 2: Extrakapitel 2 - Unerwarteter Besuch ----------------------------------------------- Unerwarteter Besuch   Nach Teil 2 Kapitel 53 Kuraigana – in der Pause vom ultimativen Training, nachdem Zorro zusammengebrochen war Einige Tage später   - Zorro – Gähnend schlurfte er durch die Flure des Schlosses. Am vergangenen Abend hatte er lange mit Dulacre gestritten – diskutiert, wie der Samurai es nennen würde, obwohl es eindeutig ein Streit gewesen war – und sich schließlich darauf geeinigt, dass sie am kommenden Tag endlich wieder das Training aufnehmen würden. Es hatte auch lange genug gedauert, aber Zorros Wunden waren mittlerweile fast komplett verheilt und wie immer wurde er langsam ruhelos, wenn er so lange nicht trainieren durfte. Nicht mal seine morgendlichen Runden hatte er laufen dürfen, nicht mal als Loreen, selten war Dulacre so streng mit ihm gewesen und selten hatte Zorro sich so sehr an ihm die Zähne ausgebissen. Schlussendlich war er eingeknickt, hatte die Tage mit viel Schlafen und Lesen verbracht – nicht mal Observationshaki hatte er üben dürfen, Dulacre hatte darauf bestanden, dass er sich vollständig erholen sollte, ehe sie weitertrainieren würden – und konnte es nun kaum erwarten, endlich wieder auf den Berg zu steigen. Er konnte wirklich kaum noch abwarten, noch nie hatte er solch ein Training erlebt. Dulacre trieb ihn wirklich an seine Grenzen und weit darüber hinaus, und ja, es gab Momente, da dachte er, er würde sterben, aber verdammt nochmal, was machte es Spaß. Vielleicht war er deshalb nun noch ruheloser als sonst, weil er nicht nur trainieren wollte, sondern weil er so trainieren wollte, und morgen würde er das. Daher sollte er sich heute noch ausgiebig stärken. Vielleicht hatte er ja Glück und Perona hatte ihm was vom Frühstück verwahrt. Müde stieß er die Türe zum Kaminzimmer auf. „Morgen“, gähnte er erneut und erstarrte. Sein Gegenüber erstarrte ebenfalls und zeigte dann mit ausgestrecktem Arm auf ihn. „Aaah!... Aaaah!“, machte er und zeigte immer noch mit ausholenden Bewegungen auf Zorro, während er Dulacre anstarrte, welcher in seinem Sessel saß und unbeeindruckt die Zeitung las. „Worte, Rothaar, versuch es mal damit.“ „Lorenor Zorro!“ „Wir kommen der Sache näher.“ „Das ist Lorenor Zorro!“ Nun starrte Shanks ihn an und Zorro musste gestehen, nicht weniger erstaunt zu sein. Schließlich stand vor ihm niemand anderes als der rote Shanks, der Mann, der das Leben seines Kapitäns gerettet hatte. „Das ist korrekt“, antwortete der Samurai noch immer so gleichgültig. Zorro merkte, wie eine Anspannung durch seinen Körper glitt, doch bevor er sich bewegen konnte, bevor er sagen konnte, was er zu sagen hatte, war Shanks bereits auf ihn zugeeilt und warf ihm seinen Arm um die Schultern. „Was für ein Zufall!“, lachte er laut auf und zog Zorro mit sich in den Raum hinein. „Ich wollte dich unbedingt kennenlernen, war echt neugierig, was du wohl für einer bist. Du warst der Erste, der in Ruffys Crew eingetreten ist, nicht wahr? Und du hast doch auch…“ Plötzlich hielt der Pirat in seinem Wortschwall inne und sah Zorro ernst von der Seite her an. „Ich dachte, du bist tot“, murmelte er dann in einer Tonlage, die Zorro schaudern ließ. Wie konnte er so schnell vom lachenden Plappermaul zu einem der vier Kaiser werden? „Du bist doch mit der G6 gefallen, oder nicht?“ Dann wirbelte er herum, ließ Zorro los und stakste auf den Samurai zu. „War das dein Werk? Hast du etwa die G6…?“ „Verschon mich mit falschen Mutmaßungen“, unterbrach Dulacre ihn kühl, ohne auch nur aufzusehen. „Ich hatte mit dem Sturz der G6 nichts zu tun. Warum sollte ich auch meine Zeit mit so einer Lappalie verschwenden?“ „Aber wie…?“ Nun sah Shanks ihn wieder mit großen Augen an, während Zorro keine Ahnung hatte, was hier vor sich ging. Er hatte sich auf einen ruhigen Tag eingestellt und plötzlich stand der rote Shanks vor ihm. „Er ist ein Wiedergeborener.“ Zorro drehte sich um, hinter ihm, neben der Tür, stand ein hochgewachsener Mann und rauchte einen Zigarillo. Dann zwinkerte er Zorro kurz zu. „Hab ganz gute Augen“, erklärte er mit einem Schmunzeln. „Oh, wirklich?“ Nun stand Shanks wieder neben ihn und begutachtete ihn eindringlich, wusste offensichtlich ganz genau, wovon der andere sprach. „Schon vorher oder seit Senichi?“ „Von seinem Schatten her würde ich auf danach tippen“, kam es wieder von Ben Beckman, Vize der Rothaarpiraten. Zorro mochte nicht, dass ein anderer für ihn sprach und so salopp sein Geheimnis entlarvte. Gleichzeitig war ihm sehr bewusst, wie entspannt – wenn auch offensichtlich entnervt - Dulacre dafür war, dass Fremde anwesend waren. Natürlich kannte Zorro die Geschichten, die sich um den roten Shanks, dessen Crew und dessen Kämpfe gegen Dulacre rankten. Der Samurai selbst hatte auch das ein oder andere darüber fallen lassen. Er schien die Anwesenheit des Kaisers nicht unbedingt gutzuheißen, aber es schien ihm egal, dass Beckman mal eben so Zorros Geheimnis verraten hatte. „Ach, ist das so?“ Immer noch sah Shanks ihn so intensiv an. Zorro begegnete diesem Blick, wunderte sich, was dieser Mann wohl dachte. „Ja, ich bin Lady Loreen“, murrte er, nicht gewillt, dass der Mann an der Wand ihm nochmal das Wort nehmen würde. „Oh!“ Nun machte Shanks noch einen Schritt auf ihn zu, sodass keine Hand mehr zwischen sie gepasst hätte, und sah mit leicht geneigtem Kopf zu ihm hinab. „Shanks, rück ihm nicht so auf die Pelle, du machst ihm noch Angst“, mahnte Beckman hinter Zorro. „Ach, darum würde ich mir keine Sorgen machen“, bemerkte der Samurai von seinem billigen Platz. „Lorenor ist niemand, der sich von anderen Menschen einschüchtern lässt.“ „Na, da hat jemand aber großes Vertrauen in dich“, schmunzelte Shanks und sah zu Zorro hinab. „Hat Falkenauge Recht? Hat die heutige Jugend denn gar keinen Respekt mehr?“ „Respekt schon“, entgegnete Zorro direkt und hielt den anderen weiterhin im Blick. „Aber es gibt keinen Grund für mich, von dir eingeschüchtert zu sein oder gar Angst zu haben. Schließlich bist auch du nur ein Mensch.“ Für einen Moment sagte niemand etwas, aber Zorro hatte nicht gelogen; er meinte jedes Wort so, wie er es gesagt hatte. Natürlich war ihm bewusst, wer der andere war und dass er vermutlich dessen Kraft noch nicht mal ansatzweise erfassen konnte. Er musste ähnlich stark sein wie Dulacre, wenn sie so oft miteinander gekämpft hatten, ohne dass es einen eindeutigen Sieger gegeben hatte. Aber das bedeutete auch, dass Zorro, wenn er Dulacre eines Tages besiegen wollte, auch vor Gegnern wie dem roten Shanks nicht zurückschrecken durfte. Plötzlich lachte Shanks laut auf und schlug ihm so heftig auf den Rücken, dass seine Knie nachgaben. „Ach, du gefällst mir!“, verkündete er mit einem lauten Lachen. „Wusste doch, dass die Zeitung gefaked war, würde so gar nicht zu dem Rotzbengel passen, ein Crewmitglied im Stich zu lassen. Da hat Ruffy sich wirklich jemand Guten geholt! Nicht wahr, Ben?“ Im nächsten Moment glitt eine Schockwelle durch Zorros Körper und die Schwerkraft schien sich zu verzehnfachen. Im selben Atemzug war dieser Moment wieder vorbei. „Zumindest scheint er kein Schwächling zu sein“, murrte Beckman und beobachtete ihn, doch von seinem Grinsen war nichts mehr zu sehen, er schien Zorro gerade ernsthaft zu beurteilen, „und er muss Nerven aus Stahl haben, wenn er freiwillig bei Mihawk lebt.“ „Könntet ihr bitte aufhören, mein Heim als euren Spielplatz zu missbrauchen“, brachte sich nun Ebengenannter mit einem leisen Stöhnen ein, „und mir wäre es lieber, ihr würdet davon ablassen, meinen Schüler zu belästigen.“ „Oh!“, kam es einstimmig von Kapitän und Vize, die einen vielsagenden Blick tauschten. „Deshalb die Gerüchte um Lady Loreen“, kam es von Shanks. „Hab mich schon gewundert, ob es tatsächlich jemanden geben würde, der deine miese Laune tagein tagaus aushalten könnte.“ Dulacre wollte etwas entgegnen, aber Beckman war schneller. „Und deswegen bist du so schnell abgehauen, als der Krieg beendet war“, bemerkte er, wofür er einen erstaunten Laut seines Kapitäns erntete. „Ich hatte mich also doch nicht geirrt, dass dein Kampfstil seltsam unruhig wirkte. Du wolltest schnell nach Hause.“ „Tatsächlich ja“, knurrte Dulacre und schlug nun seine Zeitung zu, ein sanfter rosa Schimmer auf seinem Nasenrücken, „dieser Krieg war so ermüdend, dass ich nicht erwarten konnte, von dort wegzukommen und meine Zeit mit etwas Sinnvollem zu verbringen.“ „Warte mal“, murmelte nun Shanks und hatte einen Finger an seine Schläfe gelegt, während er wohl angestrengt nachdachte, irgendwie ein vertrautes Bild, auch wenn Zorro nicht wirklich wusste wieso, „mir entgeht hier was. Wieso bist du überhaupt hier?“, meinte er dann und zeigte auf Zorro, doch bevor er überhaupt antworten konnte, sprach Shanks bereits weiter: „Und dann auch noch als Schüler? Als würdest du dich dazu herablassen, jemanden zu trainieren. Also etwas passt hier ganz und gar nicht, du würdest doch nie…“ „Er war der Junge, den Mihawk im East Blue verschont hat“, ergänzte Beckman und drückte seinen Zigarillo aus, nur um sich direkt einen neuen anzustecken. „Seinetwegen hast du uns doch damals Ruffys Steckbrief gebracht, nicht wahr? Nicht, weil du Informationen über Ruffy wolltest, sondern über ihn.“ Zorro war sich sehr wohl bewusst, dass er der Junge war, und es war nicht das erste Gespräch dieser Art, dem er beiwohnte, und doch war es auch anders, die Energie im Raum war ganz anders. Da war eine Spannung, wie inmitten eines Kampfes, er konnte fühlen, wie sein Monster in ihm unruhig wurde, was vielleicht aber auch an den vergangenen Tagen ohne Training lag. „Auch das ist korrekt“, bestätigte Dulacre ohne jegliches Zögern. „Du trainierst ihn, damit er dich eines Tages besiegen kann“, stellte Beckman fest. „Das tue ich.“ Grinsend schnaubte Beckman auf. „Du warst ja schon immer ein grausamer Mann, Mihawk, aber das ist selbst für dich makaber.“ „Wenn du meinst.“ Dulacre schien nicht im Mindesten beeindruckt, während er die Zeitung auf den Tisch ablegte und dann Shanks grob zur Seite schubste, um sich Zorro zuzuwenden. „Es tut mir leid, Lorenor, ich hatte nicht mit diesem… Besuch gerechnet und auch nicht, dass sie sich wie Kinder in einem Zoo aufführen würden. Wenn du deine Ruhe vor ihnen haben möchtest, würde ich dir raten, dein Frühstück in der Küche einzunehmen.“ „Was?“ Augenblicklich schob sich das bärtige Kinn des roten Shanks auf Dulacres Schulter. „Du willst ihn uns vorenthalten, das ist aber ganz schön gemein von dir.“ „Lass das!“, fauchte der Samurai und stieß den anderen von sich weg. „Mir wäre am liebsten, ihr würdet augenblicklich verschwinden. Warum seid ihr überhaupt hier? Ich habe nichts mit dir zu bereden.“ „Oh, bist du dir da so sicher?“ Shanks grinste breit, doch dann glitt sein Blick von Dulacre auf Zorro. „Aber du hast Recht. Was ich mit dir besprechen möchte, kann warten.“ Dann drückte er sich überraschend flink an Dulacre vorbei und legte seine Hand auf Zorros Schulter. „Zorro, kämpf mit mir!“ „Was?“ „Okay!“ „Lorenor!“ Dann packte Dulacre die Schulter des anderen Piraten und zog ihn zu sich herum. „Nein, Rothaar, er wird nicht gegen dich kämpfen!“ Eine schmerzhafte Welle der Wehmut erfasste Zorro, als er sah, wie schelmisch Shanks den anderen angrinste. Wenn er so grinste, dann erinnerte er Zorro irgendwie sehr an seinen Kapitän, daher also wirkte er so vertraut. „Aber er hat bereits zugesagt, und die Ehre eines Schwertkämpfers besagt doch…“ „Das ist mir gleich, aber du wirst nicht…“ „Ich will gegen ihn kämpfen“, brachte Zorro sich nun ein und sicherte sich die Aufmerksamkeit aller im Raum, doch er sah nur Dulacre an. „Schließlich ist er so stark wie du.“ Für einen Moment wurden die Augen des Samurais groß, dann verengte er sie zu Schlitzen und trat auf Zorro zu, als er verstand, was Zorro meinte. Er wusste nicht, ob Shanks und Beckman über Dulacres mangelhafte Kontrolle Bescheid wussten – vermutlich schon – aber er brauchte es auch nicht laut aussprechen, damit sein Lehrmeister verstand. „Ich erlaube es nicht“, betonte dieser jedoch kalt. „Na, ein Glück, dass ich dich nicht um Erlaubnis frage“, entgegnete Zorro unbeeindruckt. Im Hintergrund gluckste Shanks auf und sah Zorro über Dulacres Schulter hinweg mit hochgezogenen Augenbrauen an. Doch Zorro hielt dem harten Blick seines Lehrmeisters stand. „Du wirst nicht gegen mich kämpfen, ehe ich gut genug bin. Sollte ich dann nicht die Gelegenheit nutzen, gegen jemanden zu kämpfen, der mit dir mithalten kann und mich freiwillig herausfordert? Wäre es nicht ziemlich dumm, mir so eine einmalige Chance entgehen zu lassen?“ Einen langen Moment sah der Samurai ihn einfach nur mit versteinerter Miene an. „Du bist so ein sturer Bengel, ich sollte dir beide Arme brechen“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Nicht, dass mich das aufhalten würde“, widersprach Zorro und verschränkte die Arme, starrte zurück, für Sekunden sagte niemand etwas. Laut stöhnte Dulacre auf, dann schritt er an Zorro vorbei Richtung Tür. „Meinetwegen, tu was du nicht lassen kannst. Aber du wirst nicht mit deinen Schwertern kämpfen und das ist nicht verhandelbar.“ „Was? Warum?“ Wütend wirbelte Zorro herum. Wenn er auch nur den Hauch einer Chance haben wollte, gegen Shanks mehr als zwei Sekunden zu bestehen, dann würde er wohl eindeutig seine Schwerter brauchen. „Wenn du noch nicht mal das verstehst, sollte ich als dein Lehrmeister dir erst recht verbieten, gegen ihn zu kämpfen“, knurrte der andere. „Nein, wenn ich etwas nicht verstehe, dann solltest du als mein Lehrmeister es mir erklären“, widersprach Zorro entnervt und schritt dem anderen nach, blieb dann jedoch stehen, als Dulacre geräuschvoll die Tür hinter sich zuknallte. „Mistkerl.“ „Na, sieh einer an“, murmelte Shanks hinter Zorro leise, aber er hatte keine Ahnung, was der andere damit wohl meinte, und es war ihm auch egal. Denn nun hatte sich Beckman in Bewegung gesetzt und kam auf ihn zu. „Ich vermute, es liegt an deinem Haki“, bemerkte er sachte und blieb vor Zorro stehen, schenkte ihm ein halbes Lächeln, ehe er die Arme verschränkte. „Gehe ich recht in der Annahme, dass du die Hakianwendung erst während deiner Zeit unter Mihawks Fittische gelernt hast?“ Zorro nickte. „Ja, dann kann ich ihm nur zustimmen. Du bist offensichtlich noch ein Neuling im Bereich der Verhärtung, aber in einem Kampf gegen Shanks wirst du nicht die Zeit haben, dich auf eine ebenmäßige Rüstung konzentrieren können. Das heißt, du würdest dein volles Potential nicht abrufen können, und solltest du nur einen Moment schwächeln, dann würden deine Schwerter dafür büßen, sie würden brechen, selbst, wenn Shanks kein Haki anwenden würde. Schließlich ist sein Schwert stark genug, um dem schärfsten Schwert der Welt standhalten zu können.“ Beckman blies blauen Dunst ins Zimmer. „Um diese Gefahr zu eliminieren und dir zu ermöglichen, dich ganz auf den Kampf zu konzentrieren, benötigst du ein Schwert, welches deine derzeitigen Schwächen aushalten kann. Ein Drachenschwert sollte geeignet sein, Shanks Kraft und Gryphons Härte zu widerstehen, selbst wenn du es nicht schützen kannst. Deshalb wird er dir wohl eines holen, schließlich besitzt dieser Schwertnarr mehrere.“ „Ich verstehe“, murmelte Zorro, dann sah er den älteren Mann an. „Du kannst gut erklären. Dulacre macht alles immer unnötig kompliziert.“ Nun lachte Beckman das erste Mal auf. „Du bist ganz schön direkt“, urteilte er mit einem Grinsen, „kein Wunder, dass Mihawk so gereizt ist. Aber auch das kann ich dir erklären. Er umgibt sich nun mal bevorzugt mit Menschen, die mit seinem Intellekt mithalten können und ist nicht bereit, seine Wortwahl an die Hörerschaft anzupassen.“ „Anders ausgedrückt“, warf nun Shanks ein und schmiss seinen Arm über Zorros Schulter, „er ist ein verkappter Schnösel, der nicht in der Lage ist, normal zu reden, weil er nicht mit schlichten Gemütern wie uns in einen Topf geschmissen werden will.“ Nun war sein Gesicht Zorro so nahe, dass ihre Nasenspitzen einander fast berührten, während Shanks sich halb gegen halb auf ihn lehnte. „Aber du hast schon was“, meinte er mit diesem unnatürlich breiten Grinsen, welches Zorro zu sehr an Ruffy erinnerte, „scheinst ihm ja ziemlich gut Paroli bieten zu können.“ „Ich bin ehrlich“, entgegnete Zorro schlicht, „ich halte nicht viel davon, mich zu verstellen, und wenn er damit nicht klarkommt, ist das sein Problem.“ Dann wurde ihm wieder bewusst, wer da auf seiner Schulter hing. „Aber was ich noch sagen…“ „Lass mal stecken“, grinste Shanks ihn weiterhin an. „Dieses Gespräch müssen wir nicht führen. Aber wir können schon mal zu eurem üblichen Trainingsort gehen; ich freue mich richtig darauf, dich in Aktion zu sehen.“ „Wo ist eigentlich der Rest eurer Crew?“, murmelte Zorro und sah zwischen Shanks und Beckman hin und her. „Sie sind an Bord geblieben“, bemerkte Beckman. „Falkenauge mag es gar nicht, wenn wir einfach zu Besuch kommen“, holte Shanks aus. „Seit einer kleinen Feier vor ein paar Jahren hat er mir verboten, irgendwen mit von Bord zu nehmen. Hab’s einmal ignoriert und er hat beinahe unser Schiff versenkt, mache ich nicht nochmal, seine Tobsuchtsanfälle sind nicht lustig. Niemand darf mehr mit, müssen sie halt warten.“ „Niemand?“, wiederholte Zorro und beäugte Beckman, der nicht wirklich wie niemand wirkte. „Na, mich kann er leiden“, schmunzelte der Angesprochene. „Wir spielen sogar ab und an Schach miteinander. Allerdings haben wir es nie über die erste Partie hinausgebracht.“ „Warum?“, fragte Zorro, nicht wirklich interessiert, aber vielleicht würde Beckman ihm nun einen Trick verraten, mit dem er Dulacres strategisches Denken vielleicht verstehen konnte. „Keiner von uns war bisher bereit, den ersten Zug zu machen.“ „Langweilig!“ Übertönte Shanks das gefährliche Schmunzeln seines Vizes, dann drückte er Zorro Richtung Tür. „Na komm, zeig uns den Weg, dann können wir uns schon mal ein bisschen aufwärmen, bis Falkenauge mit dem Schmollen aufhört.“ „Wer schmollt hier?“ Die Türe wurde wieder aufgerissen und Dulacre kam hereingestürmt. „Außerdem würde ich nicht darauf vertrauen, dass Lorenor den Weg zu den Ruinen findet. Er verläuft sich ja regelmäßig auf dem Weg ins Bad.“ „Ach, halt doch die…“ „Aber wo ist denn jetzt seine Waffe?“, ignorierte Shanks einfach Zorros Einwand, während sie bereits das Kaminzimmer verließen. „Du wirst ihm doch irgendein Schwert geben müssen, Falkenauge. Einen Schwertkämpfer ohne Schwert kämpfen zu lassen, ist selbst für deine Verhältnisse richtig fies.“ Unbeeindruckt sah Dulacre auf Shanks hinab, obwohl dieser sogar einen Hauch größer schien. „Hast du keine Augen im Kopf?“, meinte er nur und riss das große Tor auf, deutete mit einer Hand auf Yoru, welches er wie üblich auf seinen Rücken geschnallt hatte. „Yoru?“, wiederholten Shanks und Beckman einstimmig mit Erstaunen, tauschten einen verwunderten Blick aus, der Zorro an Jiroushins Reaktion erinnerte. „Du lässt jemand anderen mit deinem Schwert kämpfen?“, fragte Beckman stutzig. „Du lässt jemand anderen dein Schwert tragen?“, fragte Shanks laut. „Ich durfte es noch nicht einmal anfassen“, beschwerte er sich dann wie ein verwöhnter Rotzbengel. „Weil du schludrig bist“, urteilte Dulacre kühl, „schludrig mit deinen eigenen Sachen, mit den Sachen Fremder, ja sogar mit deinem eigenen Körper. Ich würde dir nicht mal ein Weinglas anvertrauen, geschweige denn eines meiner Schwerter.“ Der Rothaarige streckte ihm die Zunge heraus, sagte aber nichts mehr, nun lag sein Blick jedoch noch neugieriger auf Zorro als zuvor. Als sie die Ruinen erreicht hatten, brachte Dulacre etwas Abstand zwischen sie und die beiden Rothaarpiraten. „Nun gut, Lorenor, höre mir zu“, sprach er gewohnt eindringlich. „Der Grund, warum du mit Yoru kämpfen wirst, ist…“ „Ich weiß“, unterbrach Zorro ihn. „Beckman hat es mir erklärt.“ „Ach, hat er das?“, kam es vom Samurai leicht säuerlich. „Nun gut, dann können wir zum Wesentlichen übergehen. Ich möchte, dass du dir keine Gedanken um Yorus Rüstung machst, aber du wirst dich im Zweifel schützen müssen, verstanden?“ Zorro nickte. „Ich halte es für ratsam, wenn du deine besonderen Fähigkeiten in diesem Kampf nicht einsetzt, konzentriere dich aufs Kämpfen, das wird dich schon genug beanspruchen.“ Es war überraschenderweise so wie immer. Erst hatte Dulacre sich gewehrt, doch nun, da er Zorros Entscheidung akzeptiert hatte, handelte er beinahe so, als wäre es sein Plan gewesen. „Ich möchte, dass du dir Rothaar als eine Verbindung von meinen und Jiroushins Stärken vorstellst.“ „Nicht so einfach“, murmelte Zorro und meinte es nicht mal als Scherz, „schließlich habe ich immer noch keine genaue Vorstellung davon, wie stark du wirklich bist oder wie du richtig kämpfst.“ Dann sah er zu Shanks hinüber, der irgendwelche lächerlichen Dehnübungen vollführte, wobei Beckman ihn mit einem halb bedauernden, halb belustigten Blick beobachtete, den Zorro auch nur zu gut nachempfinden konnte. „Das heißt, er ist so stark wie du, kann sich aber perfekt an seinen Gegner anpassen so wie Jiroushin?“, fragte er nach. „Er kann wie Jiroushin sich meinem Können innerhalb von Sekunden anpassen und seine Kampftechnik jederzeit komplett ändern.“ „Korrekt“, stimmte Dulacre ihm zu, „er mag kein echter Schwertkämpfer sein, aber für dein Niveau dürfte es ausreichend sein.“ Zorro sah zweifelnd zu ihm hoch, nicht sicher, ob Dulacre gerade einen von ihnen oder sogar beide gleichzeitig beleidigen wollte, oder ob Zorro ihn einfach nur nicht verstand. „Allerdings ähnelt er mir in noch einer Sache. Anders als Jiroushin hat Shanks kein Problem damit, dich für deine Fehler hart zu bestrafen. Soldaten trainieren viel in Übungskämpfen, Piraten haben diesen Luxus nicht, also ist jeder Kampf für sie ein echter.“ Zorro nickte nur. Mit einer solchen Aussage konnte er etwas anfangen, schließlich galt dies auch für ihn. „Wobei er auch den Spieltrieb eines Welpen hat, also brauchst du dir keine Sorgen machen, dass er dich töten möchte. Es geht ihm eher darum Spaß zu haben und du kommst ihm gerade recht.“ „Warum wolltest du nicht, dass ich gegen ihn kämpfe?“, fragte Zorro dann nach, sein Blick wieder auf Shanks fixiert. Dulacre seufzte: „Nun ja, das liegt daran, dass…“ „Na, können wir denn endlich loslegen?“ Wie aus dem Nichts stand Shanks plötzlich wieder neben Dulacre und hatte sein Kinn auf dessen Schulter abgelegt, obwohl Zorro ihn doch nicht eine Sekunde aus dem Blick gelassen hatte. „Du sollst das lassen“, fauchte Dulacre und schob den anderen von seiner Schulter. „Nun gut, bringen wir dieses Fiasko hinter uns. Lorenor, denk daran, was ich dir gesagt habe, und lass dich nicht aus dem Konzept bringen.“ Erneut nickte Zorro nur, ehe sein Lehrmeister Yoru vom Rücken nahm und es ihm in einer eleganten Bewegung darbot. Nun war selbst der rote Shanks ruhig, als Zorro tief einatmete und dann schließlich das mächtigste Schwert der Welt in Empfang nahm. Für einen Moment schloss Zorro sein Auge und erlaubte sich, Yoru in seiner vollen Macht zu fühlen, bat das alte Schwert um Geduld und Vergebung und darum, ihm in diesen Kampf beizustehen, auch wenn er noch nicht seiner würdig war. Wie immer war Yorus Antwort sanft und einnehmend, aber Zorro bildete sich ein, dass seine Fingerspitzen kribbelten, vielleicht freute Yoru sich auf diesen Kampf gegen eine Klinge, mit der es bereits so oft gekämpft hatte, vor vielen, vielen Jahre. „In einem echten Kampf würde ich dir nicht so lange Zeit lassen, deine Waffe kennen zu lernen, weißt du das?“, kam es überraschend kühl vom roten Shanks irgendwo vor Zorro. „Dann greif mich doch an“, entgegnete Zorro ruhig und merkte, wie sein Herz langsam Yorus Rhythmus fand. Im nächsten Moment sprang er zur Seite und riss Yoru hoch, gerade noch rechtzeitig, um einen harten Schlag zu parieren. Zorro duckte sich zur Seite und entging nur um Haaresbreite einem Tritt, ehe Stahl erneut auf Stahl prallte. Shanks war schnell, nicht, dass das überraschend war. An einen eigenen Angriff war nicht zu denken, Zorro schaffte es kaum rechtzeitig auszuweichen und musste viel zu oft Schwerthiebe oder Tritte mit Yoru abwehren. Jedes Mal bebte es durch Zorros Knochen und er wusste, dass er es vermeiden musste, aber er wusste nicht wie. Shanks war überall. Gleichzeitig war Zorro alles andere als zurückhaltend. Er mochte nicht mit dem Kaiser mithalten können, aber er wäre nicht Lorenor Zorro, wenn er es nicht wenigstens versuchen würde, und Yorus Ruhe gab ihm Kraft und Zuversicht. Zorro hatte Spaß! „Für einen Anfänger bist du gar nicht schlecht darin, Yoru zu führen“, bemerkte Shanks, doch im nächsten Moment verschwand sein Grinsen, und seine Klinge fuhr gezielt auf den Griff nieder, „aber du bist nicht Falkenauge!“ Ein ungeahnter Schmerz glitt durch Zorros Finger, als sein Gegner versuchte ihm die Waffe aus den Händen zu schlagen. Knochen knackten, aber er ließ nicht los, würde auf keinen Fall loslassen. Shanks übte noch mehr Druck aus, lehnte sich vor, sein Oberkörper über den gekreuzten Klingen, während Zorro nichts tun konnte, um dieser Kraft zu entgehen. Er konnte nicht ausweichen, ohne Yoru loszulassen, also musste er es aushalten. „Sag mal“, murmelte Shanks, sein Gesicht viel zu nahe an Zorros, viel zu ernst, nichts von dem bisherigen Schalk verblieben, „warum denkst du, dass ich gegen dich kämpfen wollte?“ Zorro grunzte unter dem Druck auf, schaffte es aber nicht, seine Zähne weit genug auseinander zu bringen, um zu antworten. „Weil ich Falkenauge einen Gefallen tun will? Damit er sehen kann, wie weit du wirklich bist, obwohl er nicht selbst gegen dich kämpfen kann? Oder weil ich sehen will, wie stark Ruffys erstes Crewmitglied wirklich ist? Beides falsch.“ Plötzlich war es nicht mehr bloße Körperkraft, Haki schien aus jedem seiner Poren zu sickern, so schwer machte es die Luft, während Shanks Gesicht ihm immer näher zu kommen schien, so mächtig war seine Aura. Zorro meinte seine Energie in jedem Atemzug einzuatmen, es war beeindruckend und faszinierend, so unglaublich stark. „Ich will es verstehen. Wie kann es sein, dass Falkenauge nicht mehr gegen mich kämpft, obwohl er jede Sekunde seines Lebens nach einem Kampf schmachtet, aber dich bildet er bereitwillig aus, obwohl du doch noch lange nicht auf unserem Niveau mitspielst?“ Shanks lehnte sich noch mehr vor. Irgendwo im Hintergrund konnte Zorro seinen Lehrmeister und Beckman etwas sagen hören, aber seine gesamte Konzentration lag auf seinem Gegner. „Ich finde, ich habe ein Recht darauf zu erfahren, ob du ein würdiger Nachfolger bist, ob du gut genug werden kannst, um Falkenauges Gier zu befriedigen.“ „Mach doch, was du willst“, brachte Zorro endlich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, absolut nicht in der Lage dieser überwältigenden Kraft auszuweichen. „Ich will gegen dich kämpfen, weil du gegen ihn gekämpft hast. Deine Motive sind mir egal.“ Aber er konnte angreifen! Tatsächlich sprang Shanks zurück, leise Überraschung in seinem Blick, dann grinste er gefährlich. „Nicht schlecht, gar nicht schlecht.“ Zorro rieb sich das Blut von der Stirn, während sein Gegner nicht mal einen Kratzer hatte. Dann ging er wieder in Kampfposition und hob Yoru an. Keine Sekunde zu früh. Einem Tritt ausweichen, die Klinge musste er blocken. Zwei Tritte hintereinander, einer traf ihn an der Schulter. Aber er ließ nicht los, würde Yoru nie loslassen, denn dann hatte er bereits verloren. Die Erde unter ihren Füßen bebte bei jedem Zusammenprall, kam gar nicht mehr zur Ruhe. Er sprang zur Seite, duckte sich, riss sein Schwert hoch, aber Zorro war schon längst nicht mehr mit Defensive zufrieden, doch seine Angriffe wollten nicht durchdringen. Shanks wich ihm mit einer Leichtigkeit aus, die Zorro beinahe neidisch machte; er bewegte sich viel spielerischer als Jiroushin oder er selbst. Erinnerte ihn in manchen Momenten an den Koch oder an Ruffy. Das war offensichtlich der Unterschied zwischen einem Schwertkämpfer und jemandem, der mit einem Schwert kämpfte. War es das, was Dulacre gemeint hatte? Seine Bewegungen waren unüblich für einen Schwertkämpfer und obwohl seine Deckung offensichtliche Lücken und Schwächen hatte, konnte Zorro sie sich nicht zunutze machen, als würde Shanks sie ihm bewusst darbieten. Vielleicht waren es auch keine Schwächen, bei einem Schwertkämpfer vielleicht, aber vielleicht nicht bei jemandem, der nur mit einem Schwert kämpfte. „Urgh!“ „Keine Tagträume bitte“, lachte Shanks, während er seinen Ellenbogen in Zorros Schulter bohrte. Er war zu langsam gewesen! Wieder mal war er zu langsam gewesen! Hart schlug er auf dem Boden auf, fing sich mehr schlecht als recht ab, kam keuchend wieder zum Stehen. Dann sprang er noch mal zurück, entging nur knapp der gegnerischen Klinge, im nächsten Moment griff Zorro an. Shanks folgte keinem Muster in seinem Kampf und seine Schwächen waren keine Schwächen. Nichts, was Zorro bisher gelernt hatte, galt mehr in diesem Kampf. Alle seine Erfahrungen waren nichts wert in diesem Moment. Er konnte nicht voraussehen, wie Shanks kämpfen würde, sein Observationshaki fraglos unterlegen, aber auch unabhängig davon konnte er sich nicht auf seine Erfahrung verlassen. Dieser Gegner war anders. Mit Leichtigkeit wehrte Shanks seinem Angriff ab. „Haben wir uns langsam aufgewärmt?“, fragte er mit einem spielerischen Grinsen. „Dann können wir ja anfangen, oder?“ „Was?“ Im nächsten Moment prallte Zorro erneut zu Boden, rollte sich zur Seite, drückte sich mit einer Hand ab, bevor diese ihm bereits wieder weggetreten wurde. Gleichzeitig riss er sein Schwert gerade noch rechtzeitig in die Höhe, um Shanks davon abzuhalten, sein Gesicht in zwei Hälften zu teilen. Er war zu langsam! Er schaffte es nicht, Yoru rechtzeitig in Position zu bringen, musste viel zu oft auf plumpe Notwehrmaßnahmen zurückgreifen. Jedes Mal schrie sein Schwert unter Zorros Fehlern auf, aber nahm es hin, nahm es für ihn hin. Schwer atmend brachte er ein paar wenige Meter zwischen sich und Shanks. Was tat er hier? Wollte er so ein Schwertkämpfer sein? Der seine Waffe leiden ließ, nur weil er zu schlecht war? Wäre es nicht Yoru, wäre das Schwert in seiner Hand längst zerbrochen. Jeder Kratzer auf der Klinge deines Schwertes ist ein Zeichen der Schande, ein Zeichen dafür, dass dein Schwert dafür bezahlen musste, dass du nicht gut genug warst. Dulacre hatte Recht, jeder Aufschrei Yorus war ein Zeugnis von Zorros Unfähigkeit. Der beste Schwertkämpfer der Welt hatte Zorro für diesen Kampf sein Schwert anvertraut, das beste Schwert der Welt, und was tat Zorro? Er blamierte sie beide mit seinem Unvermögen. Aber ganz gleich was er tat, er konnte nicht mal träumen mit Shanks mitzuhalten. Yoru in seiner Hand drängte ihn zu mehr Schnelligkeit, zu härteren Angriffen, ignorierte Zorros mangelndes Können, verlangte von ihm so gut zu sein, dass Yoru kämpfen konnte, verlangte von Zorro so gut zu sein, dass er seine Waffe zumindest im Kampf nicht behindern würde, wenn er schon nicht so gut kämpfen konnte, wie der eigentliche Führer dieser Waffe. Shanks griff an, Zorro wich aus, so verlief fast jeder Schlagabtausch zwischen ihnen. Er konnte nur so viele Angriffe abblocken, bevor seine Knochen brechen würden. Er konnte nur so oft angreifen und seine Deckung vernachlässigen, ehe sein Rüstungshaki brechen würde. Ausweichen war derzeit die sinnvollste Alternative, um möglichst lange durchzuhalten. Aber es war keine Alternative, um einen Kampf zu gewinnen, und Yoru wollte gewinnen, Zorro wollte gewinnen. Aber er wusste nicht wie, wusste nicht, wie er mit einem so übermächtigen Gegner mithalten konnte, der ihn spielerisch durch die Ruinen jagte, doch sein Grinsen war verschwunden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er sich langweilen würde, wenn Zorro nicht langsam einen Weg finden würde. Hart prallten die Klingen aufeinander, Luft schnitt seine Oberarme auf. Er hatte ausweichen wollen, aber war nicht schnell genug gewesen und hatte dann Yorus Stimme nachgegeben und den Angriff durch einen Eigenen abgehalten. Dieses Mal hatte Yoru nicht geschrien. Langsam verstand Zorro. Er würde sich nicht an Shanks anpassen können, nicht wie bei seinen bisherigen Gegnern, nicht wie bei Jiroushin, und zwar nicht, weil er so unüblich für einen Schwertkämpfer kämpfte, sondern weil Zorro sein Können noch nicht ansatzweise erfassen konnte. Und er würde nicht lange genug durchhalten, um das zu ändern. Er würde vermutlich Wochen mit seinem Gegner die Klingen kreuzen müssen und realistisch gesehen, konnte Zorro dieses Tempo vielleicht noch ein paar Stunden aushalten, sollte der andere nicht irgendwann aufdrehen oder die Lust verlieren. Aber auch, wenn Zorro nicht mit Shanks mithalten konnte, seine Waffe war dazu sehr wohl in der Lage. Yoru konnte mit den Angriffen Gryphons umgehen, sie aufhalten, ihnen entgegenstehen. Zorro war der Schwachpunkt, er konnte Yoru nicht gut genug führen, damit es gegen Shanks und dessen Waffe Gryphon bestehen konnte. Sie waren das schlechtere Team, obwohl Zorros Waffe im Zweifel sogar die überlegenere war, weil seine Schwäche so beißend offensichtlich war. Doch in dem Moment, als er verstand, dass sie aufgrund des Kräfteungleichgewichts zwischen ihm und seiner Waffe unterlegen waren, wusste er auch, wie einfach die Lösung war. Wenn er wollte, dass sie gewinnen konnten, dann musste er sein Schwert so führen, dass es seine ganze Kraft nutzen konnte. Natürlich wusste Zorro, dass er ein Zanbato wie Yoru anders führen musste als seine Katana, aber darum ging es hier nicht. Die wichtigste Waffe ist nicht die, die du führst, sondern du selbst. Wieder brachte Zorro Abstand zwischen sich und seinen Feind, er brauchte noch etwas Zeit, aber die gab Shanks ihm nicht. Erlaubte ihm nicht, seinen Atem zu beruhigen, Yorus Rhythmus zu vereinnahmen. Dulacre mochte das damals in einem anderen Zusammenhang gemeint haben, aber es war trotzdem die Wahrheit. Nicht nur Yoru war eine Waffe und wenn Zorro als Schwertkämpfer noch nicht gut genug war, um Yoru so zu führen, wie er musste, dann musste er selbst zur Waffe werden, ein Werkzeug werden. Nur so konnte er Yoru die Freiheit geben, die es brauchte, um Gryphon aufhalten zu können, und nur wenn Yoru Gryphon aufhalten konnte, konnte Zorro überhaupt eine Chance gegen Shanks haben. Gib mir zwei Sekunden, bat er seine Waffe und Yoru erhöhte ihn. „Ui!“ Shanks sprang zurück, als Yorus Schnittwelle ihn beinahe erfasst hatte. Der unerwartet starke Angriff, mit dem Yoru Shanks abgeblockt hatte, drosselte die Geschwindigkeit des Kaisers kaum, aber dennoch genug. Tief ausatmend ging Zorro zurück in die Ausgangsposition und schloss sein Auge. Sein Fehler war gewesen, sich einer unbekannten Größe wie Shanks anpassen zu wollen, obwohl Yorus Macht ihm doch so viel vertrauter war, schließlich hatten sie bereits Wochen miteinander trainiert. Zorro erlaubte den Mauern seines Verstandes zu fallen, erlaubte Yorus Stimme seinen Körper zu fluten, ihn zu der Waffe zu machen, die Yoru brauchte, um befreit kämpfen zu können. „Nicht einschlafen, Zo…!“ Hart prallten ihre Klingen aufeinander, Zorros Hände hatten sich bewegt, bevor er überhaupt sein Auge geöffnet hatte. Aus dem Augenwinkel sah er noch Shanks überraschten Gesichtsausdruck, da war er bereits neben ihm, über ihm, hinter ihm. Immer wieder knallte Yoru gegen Gryphon, aber endlich übernahm Zorro die Initiative. Es war, als würde die Zeit langsamer verstreichen. Während Shanks sich eben noch unmenschlich schnell bewegt hatte, konnte Zorro nun seine Bewegungen fast schon so deutlich sehen, wie wenn er Observationshaki anwandte. Nein, sogar noch besser, Shanks war langsam geworden, oder Zorro nur schneller. Er wusste es nicht und er durfte darüber auch nicht nachdenken, musste einfach nur auf Yoru hören, sich von dieser mächtigen Stimme leiten lassen. Aber plötzlich konnte er fast mit Shanks mithalten. Der Kaiser sagte etwas mit einem lauten Lachen, aber es erreichte Zorros Ohren nicht, während er nur Yorus Stimme hörte, doch der nächste Angriff seines Gegners ließ die Erde unter ihnen bersten. Gleichzeitig fiel es Zorro beinahe leicht ihn abzufangen. Er merkte den Schmerz in seinen Muskeln, in seinen Gelenken, aber das war weit weg, erreichte seine Sinne kaum. Alles, was er wahrnahm, war Yoru. Alles, was er hörte, war Yorus Stimme. Sein Summen eins mit Zorros Herzschlag, eine Verbundenheit, die er so noch nie mit einer Waffe gespürt hatte. Mit einem Mal schien die Welt vor Zorro in neuen Farben zu erblühen. Zorro spürte, wie sich sein Haki öffnete, in einer Form, die er noch nicht kannte. Plötzlich war es ein Leichtes, sein Observationshaki einzusetzen, während die Hakiströme um ihn herum sichtbar wurden, ohne dass es ihn überraschte. Zorro wusste kaum, was er tat, aber er verstand. Yoru sprach so klar und ruhig mit ihm, drang in die tiefsten Winkel seiner Seele hinein und ganz gleich, was Shanks tat, Zorro wusste, was er zu tun hatte. Endlich wurde aus der Jagd ein Kampf, aus der Flucht Angriff. Nun grinste sein Gegner endlich wieder, hatte offensichtlich Spaß, wie auch Zorro. Er war sich bewusst, dass er noch immer nicht mit Shanks mithalten konnte, aber der Abstand wurde geringer. Wenn Zorro noch ein bisschen durchhalten würde, wenn er Yoru noch etwas mehr geben konnte. Die Farben um ihn herum wurden immer intensiver und er schien sich immer schneller in der Zeit bewegen zu können, als würden die Gesetze der Natur nicht mehr für ihn und seinen Körper zu gelten. Seine Sicht konnte kaum noch mit der Geschwindigkeit mithalten, aber das war nicht schlimm, Zorros Körper bewegte sich, ohne dass er mehr als diesen Strudel aus Farben sehen musste. Alles, was er tun musste, war Yoru zuhören und zu dem Führer werden, den es brauchte, um frei kämpfen zu können. „Halt!“ Yoru verstummte und plötzlich war die Welt leer, als gäbe es nichts mehr, kein Sauerstoff, keine Schwerkraft, kein Licht, nichts. „Lass von ihm ab.“ Zorro stand verloren im Nichts, absolut orientierungslos, konnte seinen eigenen Körper nicht fühlen, konnte Yoru nicht fühlen. Es gab kein Gleichgewicht und seine Knie gaben nach, aber Zorro spürte seinen Körper kaum, als wären seine Sinne nach dieser Intensität plötzlich abgestumpft. Irgendwo in der Ferne konnte er Stimmen hören, fremde Stimmen, aber nicht die eine Stimme, die bis gerade seine Sinne erfüllt und verstärkt hatte. „Lorenor, lass los“, kam ein sanfter Befehl, den Zorro nicht verstand, „lass Yoru los.“ Er verstand nicht, was das bedeutete. Doch dann war da ein Gefühl, ein Sinn. Zorro fühlte, wie etwas über seinen Handrücken strich, etwas Warmes, Körperwärme. „Der Kampf ist vorbei. Du hast dich gut geschlagen.“ Erleichterung glitt durch seinen Körper, er war gut genug gewesen. Er hatte es geschafft, endlich geschafft. „Genau, du kannst Yoru nun loslassen und dich etwas ausruhen.“ Ausruhen… Ja, Zorro sollte sich etwas ausruhen. Langsam wurde diese Welt aus Nichts dunkel, und dann sah er einen dunklen Umriss über sich, fühlte den gebrochenen Boden unter sich, die Schmerzen in seinem Körper. „Gut gemacht, Lorenor. Du solltest jetzt etwas schlafen, also lass Yoru jetzt los.“   -Mihawk- Mit einem letzten Flattern fiel Lorenors Augenlid endlich zu und endlich – endlich! – lösten sich auch seine Finger kaum merklich um Yorus Griff, sodass Dulacre die Waffe seinem Schüler entwinden konnte, ohne Gewalt anzuwenden. „Oh, hat er sich doch etwas übernommen? Dabei hat es gerade so richtig angefangen, Spaß zu machen. Hätte echt nicht gedacht, dass er schon so…“ „Schweig!“ Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme bebte, beinahe brach, und als er mit Lorenor im Arm aufstand und seinen ehemaligen Rivalen ansah, schwand dessen Lächeln, nicht, dass es Dulacre irgendetwas bedeutete. „Falkenauge, was ist denn…?“ „Deswegen hasse ich es, mit Amateuren zu arbeiten.“ Seine Stimme war nur ein Flüstern, so sehr stahl der Zorn ihm den Atem. Dann warf er sich sein Schwert über den Rücken und trat den Heimweg an, ignorierte den unerwünschten Besuch. „Mihawk!“ Er blieb stehen, selten nannte Shanks ihn beim Namen und selten klang er so ernst. „Was ist passiert? Ich verstehe deine Wut nicht. Er hat sich doch prächtig geschlagen, deutlich besser, als ich erwartet habe. Er hat zwar etwas gebraucht, aber dann hat er sich hervorragend an meinen Kampfstil angepasst. Er scheint ja sogar schon zu verstehen, wie man einen Kampf kontrolliert, ohne zu führen. Also ich…“ „Du Narr.“ Langsam drehte Dulacre sich dem anderen zu. „Hast du seine Fähigkeiten etwa so verkannt? Er hat sich nicht dir angepasst, das kann er noch gar nicht.“ „Aber…“ „Er hat sich Yoru angepasst.“ „Was?“ Die Augen des anderen wurden groß. „Er hat sich seiner Waffe untergeordnet?“ „Deswegen sage ich ja, dass du ein Amateur bist; ein wahrer Schwertkämpfer hätte es erkannt.“ Kopfschüttelnd ging Dulacre dann seinen Weg, ignorierte die Schritte, die ihm folgten. Eigentlich war es seine Schuld. Er hatte gedacht, dass Shanks es unmöglich nicht hatte bemerken können, und war daher davon ausgegangen, dass der andere den Kampf beenden würde, bevor Lorenor seine physischen Grenzen überschreiten würde. Aber das hatte er nicht und selbst Dulacre hatte einen Moment zu lange noch gezögert, war eine Sekunde seiner Schwäche erlegen, als er gesehen hatte, welches Potential in Lorenor schlummerte. Dieser Kampf hatte es offensichtlich gemacht. Lorenor war ein wahrer Meister des Schwertes, seine Technik von allerhöchster Qualität, aber er konnte sie noch nicht auskosten, denn sein Körper konnte mit seinem wahren Können noch nicht mithalten. Der heutige Kampf hatte gezeigt, wie gut Lorenor sein könnte, wenn seine Physis ihn nicht mehr zurückhalten würde. Eine Sekunde schloss Dulacre seine Augen und glitt mit der Zunge seine Zahnkronen entlang, fühlten den süßen Schmerz, wenn die Kanten ins Fleisch schnitten. Ob Shanks ihm einen Gefallen hatte bereiten wollen? Ihm das hatte geben wollen, was Dulacre selbst nicht tun konnte, ohne Lorenors Leben zu riskieren? Wenn ja, hatte er trotz des desaströsen Endes Erfolg gehabt. Dulacres Gier war so schwer zu kontrollieren, wie schon lange nicht mehr. Aber es hatte noch etwas deutlich Schlimmeres offenbart. Shanks war nicht mehr genug, so wie Dulacre es schon immer befürchtet hatte. Jetzt, da er Lorenors wahres Potential gesehen hatte, konnte ihn jemand, der mit dem Schwert kämpfte, aber kein Schwertkämpfer war, nicht mehr genügen, selbst wenn es der rote Shanks war. Schwer atmend legte er Lorenor auf dem Sofa ab und rieb sich den Nasenrücken. „So gut ist er also.“ Shanks stand auf der anderen Seite des Sofas und hielt Dulacre fest im Blick. Beckman zeigte wie üblich mehr Taktgefühl als sein Kapitän und war nicht mit ins Kaminzimmer gekommen. „Ich kann mich nicht erinnern, wann ich dich das letzte Mal so gesehen habe.“ Leise ächzte Dulacre auf und ließ sich dann vor Lorenor auf den Boden sinken. „Du bist eindeutig das wahre Monster unter uns, Rothaar. Wie kannst du mir das antun? Er wird noch Monate brauchen – vielleicht sogar Jahre - bis er das Level erreichen wird, welches er heute gezeigt hat. Wie soll ich denn nur so lange noch aushalten? Ich habe das Gefühl, den Verstand zu verlieren.“ Ungelenk stützte Shanks seinen Ellenbogen auf der Rückenlehne ab und legte dann sein bärtiges Kinn auf seiner Hand ab. „Du hast dir also einen würdigen Nachfolger ausgesucht“, murrte er, aber seine Stimme klang ungewohnt kühl. „Es macht mich fast eifersüchtig. So hast du noch nie über mich geredet.“ „Nein, das habe ich nicht“, stimmte Dulacre zu. „Also habe ich mir selbst ins Knie geschossen, was? Nach heute besteht wohl keine Chance mehr, dass du doch nochmal gegen mich kämpfen wirst, oder?“ „Diese Chance hast du vor über einem Jahrzehnt einem Seekönig zum Fraß vorgeworfen; gib nicht Lorenor die Schuld dafür.“ „Ein Schwertkämpfer, der sich seiner Waffe beugt, nur um einen Kampf zu gewinnen. Er ist wirklich eigenartig. Wollen Schwertkämpfer nicht sonst immer um jeden Preis den Kampf führen?“ „Er hat sich nicht gebeugt, Shanks. Das ist ja das Besondere an ihm. Lorenor ist ein unglaublich stolzer Schwertkämpfer und dennoch empfindet er keine Scham darin zu folgen, solange er es als den richtigen Weg erachtet. Er hat erkannt, dass er die Schwachstelle in diesem Kampf war und Yoru erlaubt die Kontrolle zu übernehmen, um diese Schwäche auszugleichen. In einen Kampf auf Leben und Tod würde den meisten Schwertkämpfern ihr Stolz im Weg stehen und sie würden sterben.“ Er betrachtete Lorenors geschundenes Gesicht. „Er hingegen hat entschieden seiner Waffe zu folgen, der einzige Weg, der ihm in einem Kampf gegen jemanden wie dich auch nur die leiseste Chance auf einen Sieg ermöglichen würde.“ „Warum bist du also so wütend?“ Langsam sah er auf, begegnete dem Blick seines ehemaligen Rivalen. Solche Gespräche waren immer selten zwischen ihnen gewesen, diese Momente, in denen Dulacre ihn beinahe leiden mochte. „Weil der Preis zu hoch war und du das hättest bemerken müssen. Yoru gibt sich nicht mit ein bisschen zufrieden. Es hat von ihm verlangt, so gut zu sein, wie ich es bin, und sein Körper kann dies noch nicht aushalten. Wäre ich nicht eingeschritten, hätte dieser Kampf Lorenor zerstört, ohne dass du ihn hättest besiegen brauchen. Sein Körper hätte einfach irgendwann der Beanspruchung nicht mehr standhalten können. Bereits jetzt sind die Folgen desaströs.“ Die Augen des anderen folgten seinen, Shanks machte einen nachdenklich Laut. „Komisch, du hast Recht, sein Hakifluss ist echt unstet. Im Kampf ist es mir wirklich nicht aufgefallen… nein, ich könnte schwören, dass er im Kampf gut war, sogar beeindruckend flüssig war. Es wäre mir doch aufgefallen, wenn er…“ „Deswegen sage ich ja, dass du ein Amateur bist, Rothaar.“ Dulacre rollte mit den Augen. „Natürlich war sein Hakifluss im Kampf so gut, wie er sein kann. Die Kapazitäten dieses Jungen sind für seine derzeitigen Fähigkeiten beeindruckend und seine Konzentration ist während eines Kampfes nahezu perfekt und natürlich braucht Yoru für einen vernünftigen Kampf einen perfekten Hakifluss.“ „Aber woran hast du es dann bemerkt? Ich meine, ich hab auch gemerkt, dass er seinen Körper viel zumutet, aber ich dachte, dass er schon wüsste…“ „Lorenor hat die unangenehme Angewohnheit, seine eigenen Grenzen zu ignorieren. Wie ein gewisser anderer jemand, den ich kenne.“ Sie tauschten einen kurzen Blick aus. „Daher hatte ich ein besonderes Augenmerk auf seine körperliche Verfassung gelegt.“ „Dennoch bist du nicht vorher eingeschritten? Warum? Ich war doch schon längst überzeugt und du hattest gesehen, was du hattest sehen wollen. Warum hast du ihn nicht früher aufgehalten?“ Er schwieg. „Kann es etwa sein…? Warst du etwa für einen Moment so fasziniert von unserem kleinen Scharmützel, dass du… Falki, warst du abgelenkt? Sag bloß, ist er derjenige?“ Nun lehnte Shanks sich vor Schalk grinsend vor. „Willst du mir sagen, dass er derjenige ist, auf den du die ganze Zeit gewartet hast? Der perfekte…?“ „Nein.“ Dulacre betrachtete wieder Lorenors Gesicht, nun zeigten sich die Strapazen, seine Wangen waren bereits leicht eingefallen. Er würde wohl ein paar Tage brauchen, ehe sie ihr Training fortsetzen konnten. „Ich glaube nicht, dass Lorenor je die Perfektion erreichen wird, die ich ersehne. Dennoch, heute habe ich einen Blick in die Zukunft werfen können, und was ich gesehen habe, übersteigt bei Weitem meine Erwartungen. Also ja, ich war für einen Moment abgelenkt, das gebe ich zu. Wieder einmal habe ich ihn unterschätzt.“ Er seufzte auf und fuhr sich durch die Haare, fühlte sich beinahe erschöpft und das, obwohl er nichts getan hatte. „Zum Ende hin hat er versucht, Yoru vollends zufrieden zu stellen, aber das kann nur ich, deshalb hatte er seinen eigenen Kampfstil verloren und war mehr und mehr in meinen hineingerutscht, deshalb wusste ich, dass er sich bereits zu sehr aufgegeben hatte. Egal, wie sehr man sich seinem Schwert öffnet, man darf sich nie von seinem Schwert dazu zwingen lassen, den Kampfstil des vorherigen Führers zu kopieren.“ Dann sah er Shanks an. „Vergib mir meine grobe Art von eben. Aber euer Kampf war sehr wohl fesselnd für mich und ich war besorgt um seine Gesundheit, hatte mich über meine Fahrlässigkeit geärgert. Es war nicht gerecht von mir zu erwarten, dass du diese Feinheiten bemerken würdest, wo du doch weder Lorenor noch Yoru so gut kennst, wie ich es tue.“ Er senkte seinen Blick wieder auf Lorenor, der stetig atmete. „Wäre es dir Recht, wenn wir, was auch immer du zu besprechen hast, auf morgen verschieben würden? Mir steht heute nicht der Sinn danach, die Eindrücke dieser unerwarteten Prophezeiung durch belanglose Alltagsprobleme verblassen zu lassen.“ „Wie du willst.“ Shanks schritt durch den Raum, jedoch nicht zur Türe, sondern ums Sofa herum und ließ sich dann zu Dulacres Überraschung neben ihn sinken. Sein Blick hatte eine Ernsthaftigkeit, die Dulacre nicht gewohnt war. Seit dieser Kampf vorbei war, legte der andere ein Verhalten an den Tag, was Dulacre durchaus als angenehm empfand, und das ließ ihn wachsam werden. Dafür konnte es nur einen Grund geben, Shanks analysierte ihn. „Ist dir bewusst, dass du dich gerade zum ersten Mal, seit wir uns kennen, bei mir für irgendetwas entschuldigt hast?“ Shanks Augen schienen irgendetwas in ihm zu suchen und dann wurden sie groß, fassungslos sah er erst Lorenor und dann wieder Dulacre an. „Ich verstehe, so ist das also.“ Dulacre entgegnete nichts, verstecke sich nicht, verleugnete sich nicht. Shanks war gerne ein tumber Holzkopf und ausgesprochen nervig, allerdings war seine soziale Ader deutlich besser ausgeprägt als Dulacres eigene und er legte eine emotionale Intelligenz an den Tag, die für Dulacre seit jeher unbegreiflich war. Er wusste nicht, was für Informationen Shanks halfen, seine Schlüsse zu ziehen, aber Dulacre wusste, wann ein Kampf sinnlos war. „Du liebst ihn“, stellte Shanks mit einer Deutlichkeit fest, als würde er Dulacres Gefühle besser kennen als er selbst. „Habe ich Recht, Mihawk? Schlägt dein kaltes Herz etwa für diesen Jungen?“ Etwas an der Stimme des anderen ließ ihn zögern, als wäre diese Möglichkeit etwas Unvorstellbares für den Mann, der gerne schon mal das Unmögliche möglich machte. Aber Dulacre wusste nicht, was es war, und was auch immer es war, es würde nichts an der Wahrheit ändern, also nickte er. „Weiß er es?“ Leise lachte er auf. „Glaubst du wirklich, ich würde ihm gegenüber eine solche Schmach eingestehen? Glücklicherweise sind seine sozialen Fähigkeiten… schwach. Jiroushin behauptet, er würde es nicht mal begreifen, selbst, wenn ich es ihm sagen würde und ich glaube, damit liegt er noch nicht mal falsch.“ „Soll ich es ihm sagen? Ich kenne Mittel und Wege, dass er es kapieren würde.“ Ohne aufzublicken, klatschte er dem anderen einmal mit voller Kraft gegen den Hinterkopf. „Nur ein Scherz, nur ein Scherz.“ Doch immer noch war da dieser seltsame Ton in Shanks Stimme, der Dulacre beunruhigte. „Keine Sorge, ich werde niemandem davon erzählen, nicht mal Ben.“ „Darum würde ich dich bitten.“ „Du bittest?!“ Unbeeindruckt begegnete er dem beinahe erschrockenen Blick des anderen. „Verdammt, langsam machst du mir wirklich Angst. Hätte nicht gedacht, dich je so zahm zu erleben.“ „Mir bleibt doch nichts anderes übrig. Wir beide wissen, dass du mir nicht geglaubt hättest, wenn ich meine Gefühle abgestritten hätte, und dann hättest du es erst recht überall herumerzählt, nur um mich zu ärgern. Aber ich habe kein Interesse daran, dich zu töten, denn dann würde man im Zweifel erwarten, dass ich mich um die Geschehnisse dieser Welt kümmere; das ist mir eindeutig zu lästig. Dazu weiß jeder, dass du zu schlicht bist, als dass man dich erpressen könnte. Also bleibt mir nur die Bitte, wenn ich verhindern möchte, dass diese Worte hier je den Raum verlassen.“ „Stimmt“, nickte Shanks nachdenklich und lehnte sich gegen das Sofa. „Na gut, ich werde diese Worte im Zweifel mit mir ins Grab nehmen. Aber Mihawk…“ Nun sah der andere ihn viel zu ernst an. „Sollte es je zu einer Hochzeit kommen, will ich eine Einladung und ich will den Toast sprechen.“ Tatsächlich brachte dieser schlechte Scherz ihn zum Schmunzeln. „Meinetwegen, Rothaar, wenn dies deine Bedingung ist, dann kann ich sie gefahrlos eingehen.“ „Ach, kannst du das?“ Es schien, als wollte Shanks noch etwas sagen, aber in jenem Moment ging die Tür auf und Beckman kam herein, gefolgt von Perona, die das Abendessen mit sich brachte.   -Zorro- Yoru! Senkrecht saß er im Bett… oder eher auf dem Sofa, wie er nach einem Moment der Orientierungslosigkeit feststellen musste. Sein ganzer Körper schmerzte. Es war nicht, wie wenn sein Monster die Kontrolle übernommen hatte, nein, es erinnerte ihn an Bär, und an die vergangenen Wochen des Trainings. Alles brannte, alles tat weh, die Knochen kurz vom Brechen, die Muskeln kurz vorm Reißen, teils gerissen. Aber er konnte sich bewegen und es war sein Körper, immer noch sein Körper. Was war passiert? Doch dann erinnerte er sich wieder und die Anspannung glitt aus seinem Körper, gab dem Schmerz noch mehr Raum und ihm wurde übel. Er hatte gegen Shanks gekämpft, für ein paar wenige Atemzüge hatte er wirklich gegen Shanks gekämpft. Langsam sah er auf seine geschundenen Hände hinab, Finger und Handflächen übersät von bereits verheilenden Blasen, teilweise eitrig, teilweise blutig. Die Übelkeit nahm zu und die Welt vor ihm begann sich langsam zu drehen. War das etwa…? So wie Yoru ihn hatte kämpfen lassen, war das etwa…? Konnte es sein…? „Du bist aufgewacht, das ist gut. Ich hatte schon begonnen, mir Sorgen zu machen.“ Er sah auf, als sein Schwindel sich überraschend legte. Dulacre stand am Fenster und sah in die neblige Nacht hinaus. „Wie lange war ich ohnmächtig?“, fragte Zorro. „Etwas länger als einen Tag. Rothaar war ziemlich enttäuscht, er hätte noch gerne mit dir gesprochen.“ „Sie sind abgereist? Wann?“ „Heute Morgen. Beckman hat wie immer einen strammen Zeitplan. Tze, manchmal könnte man glatt vergessen, wer der Kapitän dieser Crew ist.“ Dann seufzte der andere. „Aber das ist nun nicht mehr von Belang. Sag mir lieber, wie es dir geht. Ich gehe davon aus, dass du heute noch nicht mit deinem Training fortfahren möchtest?“ Zorro wusste, dass der andere ihn neckte – schließlich tat alleine Sprechen schon so weh, dass ihm die Tränen kommen wollten – aber er konnte nicht anders. „Doch“, murmelte er, „bei Sonnenaufgang will ich weitermachen.“ „Das habe ich befürchtet.“ Überrascht sah er den Rücken des anderen an. Dulacre versuchte noch nicht mal, es ihm auszureden? „Das heißt, du verstehst, was passiert ist, Lorenor?“ Obwohl der andre ihn nicht ansah, nickte Zorro nur, nicht in der Lage es laut zu sagen. Es gab keine Worte, um das auszudrücken, was er gerade empfand. „Gut.“ Nun zum ersten Mal klang Dulacres Stimme anders, tiefer. „Dann werden wir bei Sonnenaufgang aufbrechen und deine Physis endlich deinem Können anpassen.“ „War das… war das wirklich ich?“, flüsterte Zorro, obwohl er die Antwort wusste, ausnahmsweise die Antwort mal wusste. „Es war nicht Yoru, oder? Das war…?“ „Natürlich warst du das“, schnaubte der andere leise auf, klang sofort wieder gewohnt herablassend. „Also bitte, was für eine naive Frage. Yoru mag es eingefordert haben, aber was nicht existiert, kann nicht gegeben werden.“ Für einen Moment erinnerte Zorro sich an dieses Gefühl, an seine Sinne, an seinen Körper, an Yoru in diesem Moment. Doch dann sah er den anderen an, der ihm immer noch den Rücken zugewandt hatte. „Bist du wütend?“, fragte er nach. „Weil ich wieder einmal meine Grenzen überschritten habe?“ Dulacre seufzte. „Ein bisschen“, gestand er ein. „Allerdings war dies gegen Shanks auch die einzige Möglichkeit, die dir geblieben ist. Tatsächlich bin ich eher beeindruckt. Nicht viele Schwertkämpfer sind gewillt, ihrer Waffe die Führung zu überlassen, allerdings passt es wohl zu deinem bisherigen Verhalten.“ Einen Moment dachte Zorro über diese Worte nach, doch Dulacre sprach bereits weiter: „Dennoch solltest du als Schwertmeister nie deinem Schwert gehorchen, Lorenor. Die meisten Schwerter sind gierig und kampfversessen, die Schwäche eines menschlichen Körpers ist ihnen gleich. Wenn du dich einmal von deinem Schwert kontrollieren lässt, wirst du es nie…“ „Yoru hat mich nicht kontrolliert.“ „Was? Wovon redest du? Ich habe es doch mit eigenen Augen gesehen, wie du…“ „Ich habe mich Yoru angepasst, ich bin Yoru gefolgt. Aber ich habe es freiwillig in meinen Geist gelassen.“ Ganz langsam drehte Dulacre sich zu ihm herum, seine Augen weit aufgerissen, wie Zorro sie noch nie gesehen hatte. „Du willst mir sagen, dir war bewusst, was passiert ist, und du hast es bereitwillig hingenommen?“ Zorro schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe es nicht hingenommen, Yoru hat es nicht eingefordert. Ich habe Yoru drum gebeten, die Führung zu übernehmen.“ „Wie bitte?“ Zweifelnd verschränkte Dulacre die Arme. „Ja, ist doch klar. Ich konnte einfach nicht mit Shanks mithalten, aber Yoru konnte mit seinem Schwert mithalten, daher musste ich besser werden, und Yoru wusste wie, daher entschied ich, Yoru die Führung zu überlassen.“ Langsam schritt Dulacre auf ihn zu, die Stirn in Falten. „Zu Anfang vielleicht, aber zum Ende hin hast du dich dann in ihm verloren, oder nicht? Ich konnte ganz genau sehen, dass du…“ „Ich habe versucht, deinen Kampfstil zu imitieren“, unterbrach Zorro ihn, „weil ich wusste, dass Yoru deinen Kampfstil braucht, um möglichst frei kämpfen zu können.“ Kopfschüttelnd blieb Dulacre auf der anderen Seite des Sofas stehen und sah zu Zorro hinab. „Du willst mir sagen, dass du Yoru gefolgt bist, aber die Kontrolle behalten hast, selbst als Yoru die Führung übernommen hatte?“ Zorro nickte, verstand nicht, warum Dulacre ihn anscheinend nicht verstand. „Du willst mir sagen, dass du Yoru selbst zum Ende des Kampfes hin jederzeit noch aus deinem Geist hättest verbannen können, obwohl du schon fast im Delirium warst?“ Erneut nickte Zorro. „Aber warum warst du dann so abwesend? Auf mich wirktest du, als hätte Yoru deinen Geist vernebelt?" „Hast du eine Ahnung wie scheiße weh mein Körper tat?“, murrte Zorro mit einem Schulterzucken, nur um festzustellen, dass sein Körper immer noch scheiße weh tat. „Yoru hat mir geholfen, den Schmerz auszublenden, damit ich mich auf den Kampf konzentrieren konnte. Natürlich war mein Geist vernebelt, aber ich hatte mich nicht in Yoru verloren, ich hab das absichtlich gemacht, um den Schmerz aushalten zu können, damit ich mich konzentrieren konnte.“ Dulacre sah ihn einfach nur an. „Als mir bewusst wurde, welche Möglichkeit Yoru mir bietet, wollte ich es auskosten, ich wollte einen guten Kampf liefern. Ich wollte…“ Er zögerte, sah erneut auf seine Hände hinab. „Ich wollte dir beweisen, dass ich das Warten wert bin. Ich mag noch nicht da sein, aber ich bin keine Zeitverschwendung.“ Dann sah Zorro seinen Lehrmeister entschieden an. „Noch mag ich Yoru brauchen, um meine körperlichen Grenzen zu überwinden, aber ich verspreche, dass ich ein Gegner werde, der selbst Shanks dir nicht war.“ Nun weiteten sich die Augen des anderen, dann senkte er den Blick und ein leises Schmunzeln glitt über seine harten Züge. „Du schaffst es doch immer wieder, mich zu überraschen, Lorenor. Du hast es also verstanden?“ Dulacre ging in die Hocke und legte seine Arme auf der Sofalehne ab, sodass sie fast auf Augenhöhe waren. Zorro überraschte, wie sanft der andere ihn ansah. „Ich bin geduldig, Lorenor, denn glaube mir, ich habe nicht dieses Kampfes bedurft, um zu wissen, dass es das Warten wert sein wird.“ Abrupt erhob der andere sich dann wieder. „Allerdings gestehe ich, nicht mit dieser interessanten Wendung gerechnet zu haben.“ Langsam ging er ums Sofa herum und ließ sich Zorro gegenüber auf den Beistelltisch nieder. „Weißt du, du bist nicht der erste Schwertkämpfer, der sein Schwert führen ließ. Sie sind selten, aber es gibt Schwertkämpfer, die nicht um jeden Preis die Führung innehaben wollen. Tatsächlich lässt Jirou seinen Degen in einem Kampf auf Leben und Blut immer führen.“ „Was?“, überrascht sah Zorro den anderen an. „Natürlich, weshalb denkst du, ist er ein Meister des Degens? Das besondere an seiner Waffe Gars ist, dass dieser Degen ein sehr zurückhaltendes Gemüt hat. Es übernimmt die Führung, wenn es sein muss, aber nie die Kontrolle. Sie passen sehr gut zueinander, ein aggressiveres Schwert würde Jirous Sanftmütigkeit sehr schnell ausnutzen.“ Dulacre seufzte. „Nun gut, aber Jiroushin ist gerade nicht von Belang; die Partnerschaft mit Gars ist in gewisser Art einzig. Denn er ist wohl der einzige Schwertkämpfer, dessen Waffe ihn nicht kontrollieren will, wenn er die Führung abgibt. Deswegen habe ich dich gewarnt, Lorenor. Denn für die meisten Schwertkämpfer bedeutet die Abgabe der Führung auch die Aufgabe der Kontrolle, und über kurz oder lang ihren Untergang.“ Diese Worte überraschten Zorro nicht wirklich. Er kannte die Geschichten von Kriegern, die willenlose Marionetten ihrer Waffen geworden waren, war vertraut mit der leisen und lauten Gier seines Kitetsus. Damals, als er das Wado-Ichi-Monji an sich hatte nehmen dürfen, hatte sein Meister ihm erklärt, wie mächtig die Seelen der Schwerter sein konnten und dass nur wenige Waffen so friedliebend waren, wie diese in Zorros Händen. All diese Dinge hatten Zorro nie Angst gemacht, nie eingeschüchtert, nicht im Vergleich zu seinem eigenen Monster, zu diesem absoluten Verlust der Kontrolle. Aber vielleicht war genau das der Grund, warum er nie zugelassen hätte, dass eine Waffe – selbst wenn diese Yoru sein sollte – ihn kontrollieren würde. Er bemerkte, wie Dulacre ihn begutachtete, als würde er Zorros Gedanken verfolgen. „Du bist wirklich ein eigenartiger Mann, Lorenor.“ Dann erhob er sich. „Du solltest noch etwas schlafen, damit wir bald dein Training wiederaufnehmen können.“ „Du bist seltsam drauf“, murrte Zorro. „Ist irgendetwas passiert? Normalerweise wärest du doch total dagegen, so schnell mit dem…“ „Ich sagte, ich wäre geduldig, Lorenor, aber so geduldig dann doch nicht.“ Dulacre wandte sich ihm zu und Zorro konnte das Brennen in diesen Augen sehen. „Es ist schon schwer genug für mich, dich so kämpfen zu sehen und nicht in der Lage zu sein, selbst gegen dich anzutreten. Aber jetzt… ein Schwert führen zu lassen, ohne um die Kontrolle kämpfen zu müssen… wusstest du, dass selbst ich es nicht einfach so konnte, sondern es mir aneignen musste? Wusstest du, dass kaum ein Schwertkämpfer dies erfolgreich erlernen kann? Ich kenne keinen aktiven Schwertkämpfer neben mir, der beim Versuch nicht gescheitert ist. Und du… du hast es einfach ganz selbstverständlich getan, und das auch noch mit Yoru.“ Kopfschüttelnd zuckte Dulacre mit den Schultern und zeigte ein selten ehrliches Lächeln, ehe er sich mit einem Wink wieder zum Gehen wandte. „Dir mag noch nicht mal bewusst sein, wie beeindruckend deine Tat ist, aber Lorenor, glaube mir, dass Jiroushin sich geirrt hat; dein Talent ist ohnegleichen.“ Doch dann blieb er stehen, ohne Zorro anzusehen. „Wobei ohnegleichen stimmt wohl nicht. Schließlich konnte meine Schwester es auch. Tja, wer weiß, vielleicht hatte Shanks ja doch Recht.“ „Warte, was meinst du…?“ Doch der andere war gegangen, ließ Zorro mit diesen Worten zurück, und vielleicht sollte es Zorro aufrütteln, Angst machen oder was auch immer. Aber das war Zorro egal. Dulacre hatte sehr zufrieden gewirkt und Zorro war verdammt nochmal müde. Über Kontrolle, Führen, Schwerter, Sharak und Shanks konnten er sich irgendwann anders Gedanken machen. Jetzt sollte er schlafen, denn bei Sonnenaufgang würde er damit beginnen, diesen flüchtigen Moment der Zukunft Realität werden zu lassen.   Kapitel 3: Extrakapitel 3 - Law und Yaone ----------------------------------------- Law und Yaone Nach dem letzten Kapitel des 3. Teils   -Zorro- „Ach, hier steckst du. Du wirst schon gesucht, deine Verbände müssen gewechselt werden.“ Gähnend sah er auf, als Trafo die Treppenstufen hinaufkam, selbst ebenfalls einbandagiert wie eine Mumie. „Deswegen bin ich hier“, grinste Zorro und verschränkte die Arme hinterm Kopf. „Chopper ist etwas nervig derzeit.“ Der andere erwiderte sein Grinsen trocken. „Das mag daran liegen, dass du schwer verletzt bist. Mir juckt es um ehrlich zu sein auch in den Fingern.“ „Dabei dachte ich, du stehst auf meiner Seite.“ „Nun ja, in erster Linie bin ich nun mal Chirurg und dein Körper ist mein Meisterwerk, also geh pfleglich damit um.“ Aber Trafo zeigte immer noch sein trockenes Grinsen und lehnte sich Zorro gegenüber an die Reling. „Was machst du überhaupt hier draußen? Ich dachte, du schläfst mit solchen Wunden immer tagelang.“ „Wer sagt, dass ich nicht geschlafen habe?“, entgegnete Zorro, ehe er mit den Schultern zuckte. „Dulacre hat angerufen.“ Augenblicklich verdunkelte sich das Gesicht des anderen. „Ich kann diesen Typen nicht ausstehen“, murrte er salopp. „Hast eine seltsame Wahl mit dem getroffen.“ Zorro entgegnete nichts. Was sollte er schon darauf antworten, unrecht hatte Trafo ja nicht. Gleichzeitig war Zorro viel zu müde, um jetzt irgendeine Diskussion zu führen, geschweige denn aufzustehen und sich Choppers zermürbendem Urteil auszusetzen. „Naja, du scheinst deine Ruhe haben zu wollen. Dann werde ich dich nicht weiter stören. Aber lass dir bis Sonnenuntergang die Verbände wechseln, sonst werde ich dich dazu zwingen, verstanden?“ „Schon klar, schon klar“, murrte Zorro, „aber warte mal, ich muss noch was mit dir besprechen.“ Trafo, der sich gerade wieder den Treppenstufen zugewandt hatte, blieb stehen und sah ihn fragend an. Dann grinste er. „Nein, ich werde nicht Chopper über deinen…“ „Darum geht es nicht“, unterbrach Zorro ihn und das schien den anderen zu überraschen. „Worum geht es dann?“, fragte er mit ernstem Unterton und lehnte sich wieder an die Reling. Zorro seufzte und beugte sich vor, legte seine Unterarme auf den aufgestellten Knien ab. „Morgen wird die Marine ankommen“, murmelte er, „deshalb hat Dulacre angerufen.“ „Oh, dann sollten wir wohl bald aufbrechen“, bemerkte Trafo, „aber darum sagst du mir das nicht, oder?“ Kopfschüttelnd seufzte Zorro erneut und raufte sich die Haare. „Mensch, das ist echt nicht mein Fachgebiet, aber was soll’s. Nein, es hat einen anderen Grund. Aber bevor ich dir diesen jetzt erkläre, möchte ich, dass du dir nicht zu große Hoffnungen machst, okay?“ Trafo hob fragend eine Augenbraue hoch, doch Zorro winkte nur ab. „Ja, komm mir nicht so, ich habe meine Gründe, warum ich das sage. Glaub mir, ich weiß genau, dass du nicht so ein Drama wie Dulacre oder der Koch abziehen wirst.“ Nun neigte Trafo leicht den Kopf. „Und dennoch warnst du mich, nicht emotional zu werden, wenn ich dich richtig verstehe? Jetzt werde ich aber langsam doch neugierig.“ „Also“, murrte Zorro und sah den anderen ernst an, „es gibt eine Soldatin – ihr Name lautet Yaone – und sie ist wie ich, mit dem Unterschied, dass sie sich nicht erinnern kann.“ „Ich verstehe kein Wort.“ „Ach so, sie ist wie ich gestorben und in einem fremden Körper zu sich gekommen. Ihre derzeitige Gestalt ist, genau wie Lady Loreen bei mir, nicht ihre wahre. Aber anders als ich, kann sie sich nicht an ihr früheres Leben erinnern, und natürlich kann sie sich nicht verwandeln.“ Er wartete, bis Law nickte, ehe er weitersprach: „Das sich Wiedergeborene nicht verwandeln können, ist nicht unüblich, aber wir kommen mit unseren Erinnerungen zurück. Sie muss sie danach verloren haben, durch einen Unfall oder was weiß ich. Ist auf jeden Fall seltsam.“ „Okay“, murmelte Trafo und verschränkte die Arme, „und warum erzählst du mir das alles? Ich meine, du hast Recht, dass ich mich sehr für deinen Zustand interessiere und ich möchte so viel darüber erfahren wie möglich, aber ich verstehe nicht, was diese Soldatin damit zu tun hat. Falls du meine Teufelskraft nutzen willst, muss ich dir leider sagen, dass ich bezweifle, ihre Erinnerungen zurückholen zu können. Aber natürlich könnte ich es versuchen.“ Zorro winkte ab. „Ach, auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, darum geht es nicht.“ „Worum dann?“ Seufzend zögerte er. Das hier war wirklich nicht sein Ding und er wusste nicht, wie er es Trafo schonend beibringen sollte. Also entschied er, bei den Fakten zu bleiben, in der Hoffnung, dass Trafo als Arzt damit schon umzugehen wissen würde. „Was auch immer, also das Ding ist, Wiedergeborene können einander erkennen. Jeder hat so einen Schatten, welcher den anderen Körper zeigt.“ Trafo nickte. „Ich erinnere mich, dass du damals nach Punk Hazard sagtest, dass Eizen deinen Schatten sehen könnte, meinst du das? Ist er auch wie du?“ Zorro schüttelte den Kopf. „Nein, ist er nicht, keine Ahnung, warum er es kann. Brook kann es allerdings auch, hat vielleicht was mit Nahtoderfahrungen zu tun oder so. Auf jeden Fall haben wir aufgrund dieses Schattens der Soldatin versucht herauszufinden, wer sie eigentlich ist.“ Mühsam versuchte Zorro den kleingefalteten Zettel aus seinem Bauchwickel zu ziehen, aber seine bandagierten Finger folgten seinen Befehlen nur grobmotorig. „Wir haben ein passendes Foto gefunden und Dulacre erkannte ihn aus seiner Zeit bei der Marine.“ „Ihn?“, fragte Trafo nach und Zorro nickte nur. „Ich wollte dir eigentlich schon viel früher Bescheid geben, aber nachdem ich den Namen herausgefunden hatte, wollten meine Verbündeten der Marine sich erst absichern und dann sind hier ja einige Dinge passiert.“ Endlich hatte er den Fetzen herausgezogen und reichte ihn Trafo, der das Papier misstrauisch entgegennahm und begann auseinanderzufalten. „Sie kann sich zwar nicht erinnern, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Yaone in Wirklichkeit Don Quichotte Rocinante ist.“ Trafo entgegnete nichts, mit bebenden Fingern hielt er das Papier, atmete zittrig, und dann sah er schließlich Zorro an. „Wie sicher bist du dir?“ Zorro zuckte mit den Schultern. „Ich kann dir nicht wirklich Beweise liefern, aber ich gebe dir mein Wort darauf, dass der Mann auf dem Bild dem Schatten, den ich gesehen habe, zum Verwechseln ähnlich sieht. Darüber hinaus hat Vizeadmiral Comil – Yaone ist derzeit in seiner Obhut – herausgefunden, dass die ersten Aufzeichnungen von Yaone in 1511 in einem Waisenhaus aufgetaucht sind. Bereits damals hatte sie keinerlei Erinnerung und Dulacre hat mir bestätigt, dass de Flamingo seinen Bruder in dem Jahr erschossen hat.“ „Ja, das stimmt.“ Trafo senkte den Blick wieder auf das Foto und Zorro konnte sehen, wie seine Augen schimmerten. „Darum sagtest du mir also, ich solle mir keine Hoffnungen machen, nicht emotional werden.“ „Ich habe keinen Beweis“, wiederholte Zorro, "und selbst, wenn es stimmt, heißt das nicht, dass sie sich je wieder erinnern wird." „Aber wenn das, was du sagst, der Wahrheit entsprechen sollte“, murmelte Trafo und seine sonst so ruhige Stimme klang alles andere als gefestigt, „dann könnte es sein, dass Cora lebt? Dass er all die Zeit gelebt hat?“ Sie sahen einander an. „Ja, ich bin mir sicher, dass Don Quichotte Rocinante lebt.“   - Der nächste Morgen –   „Muss ich das gut finden? Ihr Zwei trefft euch alleine mit einem Vizeadmiral der Marine auf feindlichem Gebiet, so kurz nach der Schlacht, und wir sollen davon ausgehen, dass euch nichts passiert?“ Zorro zuckte mit den Schultern. „Ist halt so und uns wird nichts passieren. Selbst, wenn es ein Hinterhalt sein sollte – was es nicht ist – dann sind Trafo und ich absolut in der Lage, uns selbst zu helfen.“ „Jetzt komm schon, Zorro“, murrte Ebengenannter hinter ihm schlechtgelaunt. Irgendwie war er ungeduldiger als Ruffy vorm Mittagessen, nicht, dass Zorro es ihm verübeln konnte. „Sag mir doch wenigstens, warum ihr das macht?“ „Geht nicht“, murrte Zorro und verschränkte die Arme, „noch nicht.“ Er konnte Nami ganz genau ansehen, dass sie verstand. „Na gut, aber nehmt eine der Babyteleschnecken mit und Zorro“, mahnend hob sie einen Finger, „danach rückst du mit der Wahrheit raus, verstanden.“ „Nerv nicht.“ Mit einem Augenrollen wandte er sich um und folgte Trafo, der energisch Richtung Sonnenaufgang nickte. Dann seufzte er. „Mach dir keine Sorgen, uns wird nichts passieren.“ In Stille ging er neben Trafo her, es gab eh nichts, worüber sie hätten sprechen können. Wenn er ganz ehrlich war, wäre es Zorro lieber, wenn er überhaupt nicht dabei sein müsste. Er half Comil und Konsorten, wenn es ihm in den Kram passte, und nachdem er erfahren hatte, dass Trafo mit de Flamingos kleinen Bruder eine Vergangenheit hatte, war es auch richtig gewesen, ihn einzuweihen. Aber all das hieß noch lange nicht, dass Zorro groß Lust darauf hatte, die nächsten Stunden mit irgendwelchem Gerede zu verbringen. Nicht, wenn er seine Zeit mit viel Sinnvollerem verbringen konnte, Schlafen zu Beispiel. Gähnend folgte er Trafo in die Kneipe, die Dulacre ihm genannt hatte. Er war wirklich müde und sein Körper hatte sich immer noch nicht vom Kampf erholt. Aber die Dinge waren nun mal, wie sie waren. „Treffen in einem geheimen Hinterraum einer heruntergekommenen Kneipe? Spricht nicht sehr für die Marine“, bemerkte Trafo, als sie das vorgesehene Zimmer betraten. „Hat eindeutig Dulacres Handschrift“, urteilte Zorro, „auch wenn er normalerweise wohl nie so eine Kneipe ausgesucht hätte. Er kann dich echt nicht abhaben.“ Trafo zuckte daraufhin nur mit den Achseln und ließ sich auf einem alten Sofa nieder, das unter seinem Gewicht aufstöhnte. Zorro tat es ihm gleich und hockte sich auf einen Sessel, der etwas abseits an einem Tisch am Fenster stand. „Sie sind spät“, murrte Trafo nun und schlug die Beine übereinander. „Nein, wir sind nur viel zu früh“, entgegnete Zorro gähnend und verschränkte die Arme hinterm Hinterkopf. Gerade hatte er entschieden, ein Nickerchen zu machen, da pochte es an der Tür. Kurz tauschten die beiden Piraten einen Blick, da ging die Türe schon auf und eine alte Dame kam herein. Ihr langes, graues Haar war wie ein Schal um ihren Hals gewickelt und trotz tiefer Falten im Gesicht bewegte sie sich aufrecht und elegant, als wäre ihr Alter nicht mehr als eine Fassade. „Einen schönen guten Tag", grüßte sie mit tiefer Stimme und neigte dabei leicht ihren Kopf. Sie war groß, deutlich größer als Trafo und ihr Lächeln hatte etwas Wissendes. „Wer zur…? Sagtest du nicht, Vizeadmiral Comil würde sich hier mit uns treffen?“ Trafo war aufgesprungen und obwohl ihr Gegenüber eine alte Frau war, ging er in Kampfhaltung, ohne Zorro auch nur anzusehen. Zorro beobachtete ebenfalls die alte Dame. „Oh, damit hatte ich nicht gerechnet. Hörst dich irgendwie anders an als erwartet, Jade, fast schon freundlich.“ Nun lächelte sie Zorro an und das Grinsen ihres Schattens ließ ihn wie immer leicht schaudern. „Du hingegen hörst dich genauso an, wie ich es erwartet habe, Lorenor Zorro. Auch wenn dein Blick sich kein bisschen verändert hat.“ Dann trat sie zur Seite. „Nun komm schon herein, Yaone. Im zugigen Flur stehen bleiben gehört sich nicht.“ Es war seltsam, sie nicht in Marineuniform zu sehen, aber mehr noch überraschte Zorro, wie unsicher sie wirkte, den Blick gesenkt, die Finger im Saum ihres Hemdes verknotet. Die wenigen Male, die sie einander begegnet waren, hatte sie entweder aufmüpfig oder fröhlich und redselig auf ihn gewirkt. „Warum sind wir überhaupt hier, Vizeadmiral? Wie oft soll ich noch sagen, dass ich mich nicht erinnern kann und auch nicht einsehe, warum ich daran etwas ändern sollte?" Ihr Schatten auf der anderen Seite hatte wie sonst auch die Augen geschlossen, ohne jegliche Gesichtsregung. „Nicht doch, nicht doch, mein Kind", entgegnete Jade und schloss die Türe, „ich habe dir doch gesagt, dass du mich Jade nennen sollst. Niemand würde dir glauben, dass eine alte Matrone wie ich bei der Marine wäre." Yaone rollte nur mit den Augen und diesen Ausdruck konnte Zorro nachvollziehen. Er sah überhaupt nicht ein, warum auch er anwesend sein musste, während er erneut gähnte. Trafo neben ihm schien sich noch etwas mehr zu verspannen, immer noch stand er da, wie zum Kampf bereit, als ob diese zwei ihnen tatsächlich gefährlich werden könnten. „Das ist sie also?", fragte er mit rauer Stimme. Dann wandte er sich mit zweifelndem Blick Zorro zu. „Und du bist dir sicher?“ Zorro zuckte nur mit den Schultern. Was sollte er denn darauf antworten, was er nicht bereits gesagt hatte? „Sie“, zischte nun die Soldatin und machte einen Schritt auf Trafo zu, „hat übrigens auch einen Namen! Ich heiße Yaone, verstanden?“ Dann wandte sie sich wieder Jade zu, die mit ihrem geheimnisvollen Lächeln an der Türe stand und sie alle beobachtete, als wäre sie nur eine Zuschauerin eines spannenden Experiments. Zorro hatte schon immer seine Schwierigkeiten gehabt sie als Comil zu lesen, aber gerade merkte er, dass die echte Jade viel beunruhigender war als der dicklippige Marinesoldat, und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er keine Ahnung hatte, was Jade in ihrem früheren Leben gemacht hatte. An ihrem Blick gemessen traute er ihr ohne Zögern zu, dass sie eine Serienmörderin sein könnte. „Vizeadmiral, können wir bitte gehen?“ Yaone klang immer noch so schlecht gelaunt, wie Zorro sich fühlte. „Ich habe ihn gesehen und es hat nichts verändert, also bitte hören Sie damit auf, mich…“ „Yaone“, unterbrach Jade sie mit einem überraschend bestimmenden Ton, „ich habe dir zugesagt, dass dies mein letzter Versuch sein wird, die Erinnerungen an dein früheres Leben zu erwecken. Aber dafür möchte ich, dass du es zumindest ernsthaft versuchst. Denkst du nicht, dass deine Vergangenheit es verdient hat, dass er es verdient hat, dass du es zumindest versuchst.“ Sie nickte zu Trafo hinüber, der überrascht aufsah. Für einen Moment starrte Yaone fassungslos zwischen Trafo und Jade hin und her. „Er ist ein Pirat“, zischte sie, als würde dies alles erklären. „Na und? Haben Piraten keine Gefühle?“, entgegnete Jade unbeeindruckt. „Wir glauben, du könntest jemand sein, den er vor langer Zeit verloren hat. Verdient dieses Andenken an einen verstorbenen Menschen nicht, dass du es zumindest versuchst?“ Nun schwieg sie. Zorro hingegen betrachtete seinen Verbündeten. Trafos Gesicht war eine ausdruckslose Maske und dennoch konnte man regelrecht hören, wie es hinter dieser Stirn arbeitete. Zorro hatte keine Ahnung, was wohl in ihm vorging, konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, auf dieser Seite zu stehen. Ein bisschen fragte er sich, ob die anderen von der Crew ihn so angesehen hätten, wenn er damals als Loreen sich hätte überwinden können, ihnen die Wahrheit zu sagen. „Okay, meinetwegen“, murrte die Soldatin dann und nickte entschieden, „was soll ich tun?“ „Ich würde sagen, ihr Zwei unterhaltet euch einfach mal, und vielleicht macht ja dann irgendetwas klick.“ Mit diesen Worten ging Jade auf Zorro zu und setzte sich ihm gegenüber in den zweiten Sessel. Einen Moment standen Soldatin und Pirat sich noch unschlüssig gegenüber, dann schnaubte sie einmal laut auf, schritt erhobenen Hauptes an Trafo vorbei und ließ sich aufs Sofa fallen, genau dorthin, wo dieser zuvor gesessen hatte. Das schien der Chirurg dementsprechend auch als Angriff aufzunehmen, denn er schürzte die Lippen – die Ader an seiner Schläfe pulsierte so auffällig, wie es sonst nur Ruffy hinbekam – und stapfte zu einem Stuhl herüber, den er dann zum Sofa zog und sich dort demonstrativ niederließ, obwohl neben Yaone noch reichlich Platz gewesen wäre. Irgendwie erinnerte Zorro das Verhalten der Zwei an Dulacre, wenn er nicht bekam, was er wollte; richtig nerviger Kindergarten also und dabei wollte Zorro doch nur schlafen. „Also?“, knurrte Trafo dann und starrte sie nieder. „Was jetzt?“ „Frag mich doch nicht“, entgegnete sie in etwa genauso zickig wie er. „Ihr drei behauptet, ich wäre irgendwer, der ich nicht bin.“ „Ich behaupte gar nichts.“ „Mir egal. Erzähl mir einfach irgendwas über ihn und danach können wir hoffentlich einfach mit diesem Mist aufhören.“ „Übrigens“, lenkte Jade Zorros Aufmerksamkeit auf sich, während die andere beiden sich immer noch gegenseitig anfauchten, wie zwei Hauskatzen, die um Territorium stritten, „ich denke, ich sollte dich informieren, dass Falkenauge mich dazu zwang, ihm relevante Informationen über uns Wiedergeborene weiterzugeben.“ Zorro zuckte mit den Schultern und gähnte nachdrücklich. „Na und?“, murrte er und verschränkte die Arme. „Überrascht mich nicht sonderlich. Dieser Mistkerl hasst es, Dinge nicht zu wissen und er liebt es, Wissen gegen andere einzusetzen. Bei ihm hättest du mit so etwas rechnen müssen.“ „Dennoch hast du ihn über Yaone eingeweiht und mich an ihn verwiesen“, bemerkte Jade, deren Gesichtsausdruck rein gar nichts über ihre Gedankenwelt verriet, nicht dass es Zorro in irgendeiner Form interessierte. „Willst du mir jetzt etwa Vorwürfe machen?“, mahnte er und lehnte sich vor. „Nur um das klarzustellen: Ihr kamt zu mir, damit ich euch helfe, und nur Dank Dulacre konnten wir dieses beschissene Foto zuordnen, und wie du dich vielleicht erinnern kannst, hatte ich auf Mary Joa Besseres zu tun, als mich mit einer Soldatin herumzuschlagen, die sich nicht mal an ihr altes Leben erinnern will.“ „Du hältst dich nicht an unsere Regeln“, entgegnete Jade unterkühlt. „Anonymität und Geheimhaltung ist das Wichtigste, um uns und unser Umfeld zu schützen. Aber nicht nur, dass du Falkenauge höchst persönlich einweihst und ihm ermöglichst noch mehr Informationen zu sammeln, nein, auch noch die Strohhüte und nun Trafalgar Law? Beabsichtigst du etwa, deine zweite Gestalt nicht länger zu verheimlichen? Dabei hat Banri dir doch damals…“ „Eure Regeln sind mir egal, verstanden?“ Er konnte sehen, dass sie das wütend machte, aber das beeindruckte ihn nicht wirklich. Erneut gähnte er und lehnte sich wieder zurück. „Ganz ehrlich, es war deine Entscheidung, mir damals zu helfen und dafür bin ich dir dankbar, und wenn es mir in den Kram passt, habe ich kein Problem, mich auch dafür erkenntlich zu zeigen. Aber mit dem Rest kannst du mir echt den Buckel runterrutschen.“ „Aber…“ „Ich habe nicht vor, der Welt alle Geheimnisse über dich und deine Kumpane zu verraten, keine Sorge, aber ich werde mich nicht verstellen, nur weil ihr Angst vor eurer Vergangenheit habt. Das hat nichts mit mir zu tun.“ Nun lehnte sie sich vor und stützte eine Hand auf dem Tischchen zwischen ihnen beiden ab. „Ist dir nicht bewusst, wer und was wir sind? Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen und müssen unseresgleichen beschützen und ich weiß, dass du es weißt. Du gehörst nicht zu den ahnungslosen Tölpeln, wie Banri, du erinnerst dich an das, was nach deinem Tod geschehen ist und ich dachte, du wüsstest…“ Zorro seufzte auf und bereute fast, Dulacre damals nach dem Soldaten gefragt zu haben. Dann sah er sie an. „Ich weiß, wer ich bin und was meine Aufgabe ist.“ Ihre Augen weiteten sich eine Spur und sie lehnte sich wieder etwas zurück, obwohl Zorro sich nicht bewegte. „Mein Name ist Lorenor Zorro und ich folge meinem Kapitän.“ „Aber…“ „Kein Aber. All diese Dinge, denen du deine Existenz untergeordnet hast, sind mir egal. Also versuche erst gar nicht, mich damit manipulieren zu wollen. Das zieht bei mir nicht.“ Sie wollte etwas entgegnen, doch plötzlich knallte Yaone ihre Füße auf den Boden und sprang auf. „So hat das doch alles keinen Sinn“, knurrte sie und sah voller Verachtung zu Law hinab. „Ich kenne die Eckdaten über Don Quichotte Rocinantes Leben. Denkst du wirklich, der Vizeadmiral hätte mir nicht tausendmal diese Akte aufgezwungen? Also entweder du erzählst mir jetzt irgendetwas, was nicht in irgendeiner Akte auftaucht, oder wir lassen das Ganze einfach bleiben.“ „Du bist ziemlich anmaßend“, zischte Trafo zurück. „Du bist irgendein Mädel – eine Soldatin auch noch – und verlangst von mir, dass ich von einer Zeit erzähle, als Don Quichotte Rocinante undercover war, und dann auch noch über private Momente?“ „Ich verlange gar nichts von dir!“, widersprach sie aufgebracht. „Ich bin nur hier, weil dein toller Freund und Schwerverbrecher da drüben versucht hat, mich umzubringen – und dabei einen Massenmord veranstaltet hat – und seitdem alle darauf bestehen, dass ich irgendwer anders sein soll, als ich bin. Also, wenn du hierdrauf keinen Bock hast, dann können wir es meinetwegen sehr gerne einfach bleiben lassen und ich kann endlich zu meinem normalen Alltag zurückkehren und Mistkerle wie dich und Lorenor Zorro da drüben einkerkern!“ Zorro sah zu Jade herüber. „Scheint nicht gut zu laufen“, murmelte er und sie nickte mit einem Augenrollen, schien kein bisschen mehr über Zorro aufgebracht, nicht dass es ihn kümmerte. „Dann verschwinde halt!“ Nun stand Trafo ebenfalls auf und begegnete ihrer Verachtung mit ebenbürtiger Ablehnung. „Du könntest so oder so nicht er sein. Er war gütig, sanft, ehrlich und ein besserer Mensch als jeder einzelne hier in diesem Raum und es ist eine Beleidigung an sein Andenken, dass du denkst, dass du…“ „Ich habe nie behauptet, dein ach so toller Rocinante zu sein und wenn du…“ „Sprich seinen Namen nicht aus!“ So langsam sollte Zorro überlegen, ob er nicht vielleicht eingreifen sollte. Trafo konnte ja doch ein ganz schönes Drama machen. Er hatte ja immer gewusst, dass die Samurai doch nach ganz bestimmten Voraussetzungen ausgesucht wurden. „Oder was? Huh!“ Sie schritt auf ihn zu, absolut nicht eingeschüchtert. „Willst du mich etwa umbringen, Pirat? Versuchs nur! So, wie es dein Kollege da drüben versucht hat! So wie es Rocinantes Bruder anscheinend bei ihm…“ „Sei still.“ Ganz leise sprach Law, den Blick gesenkt, die Hände zu Fäusten geballt. Offensichtlich überrascht machte Yaone einen halben Schritt zurück, hatte wohl bemerkt, dass sie eine Grenze überschritten hatte. Doch dann Law lachte fast schon leise auf. „Eigentlich bist du ihm gar nicht so unähnlich“, flüsterte er. „Ich vergesse manchmal, dass er auch so sein konnte, weil er mir gegenüber immer so verdammt nett war. Aber wenn ihm irgendetwas nicht gepasst hat, dann konnte er richtig stur werden und wenn Menschen ihn wütend machten, dann… er konnte genauso rumkeifen, wie du es gerade tust, hat sich mit jedem angelegt, dessen Verhalten seinem eigenen Gerechtigkeitssinn widersprochen hat – und war dabei total scheinheilig, dieser Vollidiot hat ganze Krankenhäuser in Brand gesteckt und mit Morddrohungen nur so um sich geworfen, wenn er wütend war…“ Dann sah Trafo auf, ein gekniffenes Lächeln auf den Lippen. „Es tut mir leid, Yaone. Ich wurde zwar gewarnt, mir keine Hoffnungen zu machen, aber… selbst, wenn du früher mal er gewesen sein solltest, du hast jetzt ein eigenes Leben, vermutlich ein viel besseres Leben, hoffentlich ein viel besseres Leben. Vielleicht, nein, wahrscheinlich ist es sogar besser, wenn du dich nicht erinnerst.“ Sie sah ihn mit großen Augen an, während er schluckte. „Ich hätte nicht erwarten sollen, dass du dich verhalten würdest wie er damals in meiner Kindheit. Ich hab einfach mit was anderem gerechnet.“ Die Situation war seltsam, das konnte selbst Zorro sagen. Vor wenigen Sekunden waren die beiden noch drauf und dran gewesen, einander an die Gurgel zu gehen, und nun redeten sie miteinander wie… vernünftige Menschen. „Womit hast du denn gerechnet? Was hätte der Rocinante aus deiner Kindheit denn getan?“, fragte Yaone und plötzlich musste Zorro an die G6 zurückdenken. Es war das erste Mal seit damals, dass sie sich wie damals anhörte, als sie ihn durch die Flure der G6 geführt hatte, laut lachend erzählt hatte, froh darüber in Zorro einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, unwissend, dass Zorro nur kurze Zeit später die Hölle auf Erden über sie hineinbringen würde. Trafo zögerte für einen Moment, dann seufzte er und sprach etwas kühler, obwohl er dabei errötete: „Er hätte wohl gesagt, dass er mich lieb hat, und dabei hätte er wie ein betrunkener Vollidiot gelächelt.“ Einen Moment war es ganz still und Zorro beobachtete Jade aus dem Augenwinkel, die das Ganze viel zu fasziniert beobachtete. Er hingegen hatte das Gefühl, absolut am falschen Platz zu sein; das hier ging ihn nichts an. „In Ordnung. In Gedenken an deinen verstorbenen Freund und meinen verstorbenen Kameraden werde ich es versuchen.“ „Was?“ Überrascht machte Trafo einen Schritt zurück, doch sie folgte ihm und dann hob sie beide Hände; die Rechte war immer noch bandagiert, vermutlich von damals. Mit weit aufgerissenen Augen erstarrte Trafo, während sie sein Gesicht umschloss, und mit ihrem rechten Daumen über dessen Wange strich, als würden die beiden einander schon ewig kennen. Es war wie ein Unfall, obwohl es Zorro absolut nichts anging, konnte er nicht anders als hinzustarrten, wie diese Soldatin Trafo gegenüberstand und er so aussah, als würde er jeden Moment einen Schlaganfall kriegen. Im nächsten Moment lächelte sie, auch das erinnerte Zorro an die G6; es war ein ehrliches Lächeln und sie war mit Sicherheit einst ein sehr fröhlicher Mensch gewesen, zumindest bevor Zorro in ihr Leben getreten war. „Ich hab dich lieb, mein kleiner Law.“ Was auch immer in Law vorging, nichts davon drang nach draußen und so ließ Yaone irgendwann ihre Hände sinken und ging auf Abstand, sah Jade beinahe etwas hilfesuchend an. „Und?“, fragte diese, doch Yaone schüttelte nur den Kopf. „Nein, nichts.“ Mit einem schweren Seufzen erhob Jade sich. „Nun dann, du hast es ernsthaft versucht und ich stehe zu meinem Wort. Wir können gehen und ich werde dich nicht mehr zwingen, dich zu erinnern.“ Fast schon überrascht starrte Yaone ihre Vorgesetzte an. „Aber…“ Doch Jade wandte sich Zorro zu: „Ich bin froh, dass wir deine Position klären konnte. Ich muss gestehen, dass deine Stellung der Neutralität mehr ist, als ich erwartet habe.“ Es war also ein Spiel gewesen, er hatte es ja fast erwartet, so wie Dulacre solche Spiele halt auch gerne spielte. Leise grunzend erhob er sich ebenfalls, ließ seinen Blick auf Trafo fallen, der mittlerweile die Arme verschränkt hatte und so aussah, als wäre überhaupt nichts Bemerkenswertes passiert, wenn es nicht für seine zusammengepressten Lippen wäre. „Nun gut, die Herren, wir sollten dann nicht weiter einander die Zeit rauben. Yaone, verabschiede dich, wir müssen ein Schiff kriegen.“ „Aber… aber…“ Noch einen Moment sah sie Jade beinahe schockiert an, doch dann nickte sie nur knapp, wie der Soldat, der sie war, schritt auf Trafo zu und hielt ihm eine Hand hin, ein schwaches Lächeln auf den Lippen. „Es tut mir leid, dass ich deine Hoffnung nicht erfüllen konnte, aber wir haben es versucht, nicht wahr?“ Trafo schluckte einmal. „Danke, dass du es versucht hast“, erklärte er, seine Stimme absolut neutral, als würden sie sich über das Wetter unterhalten, „für eine Soldatin bist du wohl ganz in Ordnung.“ „Gleichfalls, Pirat“, grinste sie und folgte dann Jade zur Tür, ignorierte Zorro, was er ihr allerdings nicht übelnahm – er war nur froh darüber, dass das ganze jetzt endlich vorbei sein würde. Er hatte sich zwar für Trafo ein besseres Ende gewünscht, aber nun ja, das hier war nun mal das echte Leben und keine Schnulze. An der Türe blieb Yaone stehen und sah zu Trafo zurück. „Leb wohl“, sagte sie. „Leb wohl“, antwortete er und als sie sich schon umwandte, setzte er leise hinterher, „Cora.“ „Was?“ Sie starrte ihn an. „Ähm… n… nichts“, murmelte Trafo. Doch sie starrte ihn weiterhin an, ihre Augen weit aufgerissen. „Corazon war sein Deckname“, flüsterte sie und trat wieder in den Raum hinein. „Es war der Name, den sein Bruder ihm gegeben hat und du hast ihn auch so genannt?“ Langsam nickte Trafo, eine etwas abwehrende Körperhaltung eingenommen: „Ja, zunächst schon, er war ja nur irgendein Kommandant der Crew. Ich konnte ihn am Anfang nicht wirklich leiden, aber irgendwann…“ „…hast du ihn Cora genannt.“ Sie lächelte, doch etwas war anders, aber was? Und dann fiel es Zorro wie Schuppen von den Augen: Ihr Schatten! Ihr verdammter Schatten lächelte! Und dann öffnete er die Augen. „Du hast ihn zum Frühstück geweckt und…“ Tränen rannen ihr Gesicht hinab und sie streckte ihre Hände nach Trafo aus, der einen Schritt zurückwich. „Du hast auf mich hinabgesehen, hab noch geschlafen, konnte dein Gesicht kaum erkennen, mit der blendenden Sonne, und dann hast du… dann hast du mich Cora genannt.“ Trafo blieb stehen und irgendetwas in seinem Gesicht veränderte sich, aber Zorro entschied, dass es für ihn an der Zeit war, zu gehen, nicht weiter der ungebetene Zuschauer zu sein. Sich die Haare raufend, wandte er den Blick ab und folgte Jade nach draußen. Das hier ging ihn eindeutig nichts an – nicht, dass irgendetwas davon ihn etwas angegangen war – und so schloss er die Türe hinter sich, während er hörte, wie Trafo ungläubig etwas flüsterte. „Endlich“, murrte er, „endlich haben wir es hinter uns.“ „Was redest du da?“ Jade zeigte ihm wieder dieses gefährliche Lächeln. „Das hier war jetzt erst der Anfang. Sollte Don Quichotte Rocinante sich wirklich wieder erinnern, gibt es viel Wissen für die Marine zu dokumentieren und viel Geschehenes aufzuarbeiten.“ „Mag sein“, murrte er und zuckte mit den Schultern, „aber das hat nichts mehr mit mir zu tun.“ „Du bist wirklich ziemlich schlicht, nicht wahr?“ Die nächste Stunde verbrachten sie im Schankraum der dunklen Kneipe und obwohl Zorro sich bessere Gesprächspartner wünschen könnte, war es nicht schlimm, schließlich hatte Jade ihn eingeladen und redete die meiste Zeit, sodass Zorro sich aufs Trinken konzentrieren konnte. Zwischendurch klingelte die Babyteleschnecke und er musste Nami beschwichtigen, dass alles in Ordnung war und sie bald zurückkommen würden. Aber so bald war es dann doch nicht. Irgendwann stand Jade auf, um das Treffen zu beenden, weil es wohl schon zu lange dauerte und sie beim Schiff erwartet wurden, und Zorro war darüber recht dankbar, denn er war müde und seine angeknacksten Knochen taten ihm weh. In Stille wanderte er neben Trafo das kleine Dorf entlang zurück zum Schiff. Anders als die Marine hatten sie natürlich nicht am Hafen angelegt, aber es war dennoch nicht weit. Trafo hatte die geröteten Augen gesenkt und Zorro die Arme hinterm Hinterkopf verschränkt. Es war etwas seltsam und wenn Zorro nicht Zorro wäre, sondern vielleicht Robin oder der Koch, würde er jetzt vielleicht das Gespräch suchen, aber was sollte er schon sagen? Was sagte man jemanden, der für Ewigkeiten vom Tod einer wichtigen Person ausgegangen war, nur um diese jetzt in einem fremden Körper und als Feind wiederzusehen – aber war Don Quichotte Rocinante nicht schon immer Trafos Feind gewesen? Er war ja auch von der Marine, oder nicht? Urgh, langsam bekam Zorro Kopfschmerzen von diesem ganzen Mist. „Ab wann konntest du dich zurückverwandeln?“, fragte der andere ihn irgendwann. „Ist das wirklich wichtig?“, entgegnete Zorro nach einem Moment und beäugte Trafo von der Seite. „Nein… nicht wirklich“, flüsterte er. Dann blieb er wie vom Donner gerührt stehen und starrte erst Zorro an und dann in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. Zorro konnte ihm regelrecht ansehen, was er dachte. Erneut starrte Trafo ihn an und atmete einmal tief ein. „Du musst nur die Straße hier weiter den Waldrand entlang zur Bucht nehmen, einfach geradeaus. Das wirst du hinbekommen, oder?“ „Tze!“ Zorro rollte mit dem Auge und verschränkte dann die Arme vor der Brust. „Und was hast du vor?“ „Das tun, was wirklich wichtig ist!“ Und dann rannte er los. „Hey Trafo! Fang!“ Er warf ihm die Teleschnecke zu. Der andere fing sie im Laufen auf, nickte ihm kurz zu und dann rannte er weiter und irgendwie konnte Zorro das verstehen. Mit einem leisen Schmunzeln ging er weiter, absolut zufrieden mit sich und der Welt. Nach einer Weile klingelte die kleine, weiße Teleschnecke in seiner Hosentasche und da er überraschend gut gelaunt war, nahm er sogar ab. „Kannst du frei sprechen“, kam es nach der erwarteten Stille, während Zorro die Teleschnecke auf seiner Schulter platzierte. „Kann ich.“ Mit einem zufriedenen Lächeln begutachtete er die hohen Baumwipfel um sich herum. „Du scheinst gut gelaunt, Lorenor.“ „Ich denke, ich habe heute eine gute Tat vollbracht.“ „Ach? Also erinnert sich Don Quichotte Rocinante wieder.“ „Rufst du deshalb an? Weil du wissen willst, wie es gelaufen ist?“ Leise lachte der andere. „Das auch. Aber vor allem erhielt ich gerade einen Anruf deiner Navigatorin, dass sie dich nicht erreichen könnten und Trafalgar dich wohl nur wenige hundert Meter vom Schiff entfernt zurückgelassen hat.“ „Ja und? Ich geh halt spazieren. Wo ist das Problem?“ „Lorenor, wo bist du?“ „Ich hab einen kleinen Abstecher in den Wald gemacht, aber ich hab mich nicht ver…“ Der andere seufzte entnervt auf. „Sei bitte so gut und lass dich per Observationshaki von eurem Scharfschützen orten. Ich kann darauf verzichten, dass mein Sozius auf irgendeiner Insel in der neuen Welt verschüttgeht, weil deine Crew vergessen hat, dir…“ „Dulacre“, unterbrach er ihn und ignorierte die übliche Schimpftirade. „Lorenor?“ Er war stehen geblieben und sah den Horizont vor sich an. Er hatte das Ende des Waldes erreicht, stand auf einer Klippe und vor ihm erstreckte sich die weite See. Vorne in der kleinen Bucht dümpelte die Thousand Sunny vor sich hin und brach die Strahlen der untergehenden Sonne. „Ich glaube, wir haben wirklich Glück gehabt“, murmelte er. Eine Sekunde war es ganz still. „Ja, das haben wir.“   Kapitel 4: Extrakapitel 4 - Geld regiert die Welt ------------------------------------------------- Geld regiert die Welt Diese Szene spielt sich irgendwann nach Abschluss der Trilogie ab   -Sanji- „Und was machen wir jetzt?“, murrte Lysop unzufrieden und wuschelte sich durch die Locken. „Ich bin immer noch dafür, dass wir die einfach mal kräftig vermöbeln“, schlug Ruffy vor und stieß beide Fäuste gegeneinander. „Ganz schlechte Idee, Ruffy“, urteilte der Marimo vom Sofa her, wo er mit den Armen hinterm Kopf auf dem Rücken lag und einen unbestimmten Takt mit den überschlagenen Beinen wippte. „Damit wirst du den Inselbewohnern keinen Gefallen tun.“ „Aber dann wären wir diese Mistkerle los“, widersprach der Kapitän beinahe schon schmollend. „Ja, und die Inselbewohner wären ihre Jobs los“, entgegnete der Schwertkämpfer weiterhin mit geschlossenen Augen. „Was? Warum?“ „Denk doch mal mit, Lysop“, kam es nun von Nami, während sie weiter durch die Unterlagen blätterte. „Der Vertrag über die Handelsgüter wurde mit Hank und Banter abgeschlossen. Sie mögen zwar Diktatoren sein, aber wenn wir sie einfach so mir nichts dir nichts stürzen, ist der Vertrag hinfällig.“ „Können die Inselbewohner nicht einfach einen neuen Boss bestimmen und der oder die macht dann einen neuen Vertrag?“, fragte Chopper neugierig und hüpfte auf einen Stuhl neben die Navigatorin. „Natürlich wäre das möglich“, antwortete nun Robin, die auf Namis anderer Seite saß und die Dokumente ebenfalls höchst aufmerksam durchlas, „allerdings sind die Konditionen ausgesprochen gut. Man muss Banter lassen, dass sie äußerst geschickt verhandeln kann. Ich bezweifle, dass man so gute Konditionen heute noch einmal bekommen würde.“ „Und wieso das?“, meinte nun Sanji und steckte sich eine Zigarette an. „Sollten die nicht froh sein, wenn ihr Vertragspartner eine autonome Insel ist und nicht ein Diktator?“ „Ja, sicher“, schnaubte der Schwertkämpfer nun wieder von seinem billigen Platz. „Wer würde sich nicht die Hände danach reiben mit einem Land Verträge zu knüpfen, dessen Liquidität und Leistungsfähigkeit durch interne Unruhen gefährdet sind?“ Sarkasmus tropfte aus jedem seiner Worte. „Ach, halt die Klappe, Marimo, und tu nicht so, als ob du Ahnung davon hättest. Ein einmaliger Putsch spricht nicht für instabile Landstrukturen. Erst recht nicht, wenn die Regierung aus zwei korrupten Halsabschneidern besteht.“ „Doch, genau dafür spricht es“, widersprach der andere, ohne sich zu rühren, „zumindest dann, wenn der Putsch durch gesetzeslose Fremde durchgesetzt wird, und dass wir Piraten sind, dürfte die Lage nicht verbessern.“ „Aber…“ „Zorro hat durchaus Recht“, unterbrach Robin nun beinahe freundlich Choppers und Sanjis einstimmigen Einwand. „Aus Sicht eines Vertragspartners spricht es nicht für ein Land, wenn es sich nicht mal gegen den Angriff einer einzelnen Piratencrew zur Wehr setzen kann und daraufhin das Regime – dahingestellt, ob wir persönlich es als inhuman bewerten oder nicht – zerbricht. Für einen Vertragspartner steht so das Risiko im Raum, dass so etwas nochmal passieren könnte und deswegen wäre die neue Regierung nicht in der Lage auch nur ansatzweise so gute Konditionen herauszuarbeiten.“ „Wenn überhaupt jemand mit ihnen noch Handel betreiben wollen würde“, bemerkte Nami unzufrieden. „Nichts spricht sich in der Wirtschaft schneller herum als ein unzuverlässiger Handelspartner.“ „Also, was bedeutet das jetzt?“ hakte Franky nach, während Sanji missmutig zwischen den Papieren, die die Inselbewohner ihnen zur Verfügung gestellt hatten, und den Crewmitgliedern hin und her sah. „Wir können doch nicht einfach nichts tun und diese Leute ihrem Elend überlassen.“ „Aber was sollen wir dann tun?“, murmelte Nami schulterzuckend. „Ich sehe das wie Zorro. Die Insel selbst ist nicht groß genug, um ohne Handel überleben zu können. Was bringt es, ein Regime abzusetzen, wenn die Menschen daraufhin verhungern und in noch größerer Armut leben, weil die Infrastruktur kollabiert.“ „Und wenn niemand mitbekommt, dass wir es sind?“, meinte Sanji dann in die Runde, wollte rein aus Prinzip nicht einsehen, dass der idiotische Schwertheini mit irgendetwas Recht haben sollte. „Was ist, wenn niemand mitbekommt, dass Piraten ihre Hände im Spiel haben? Dann sähe es halt nur nach innenpolitischen Querelen aus, oder? Man müsste nicht damit rechnen, dass so etwas nochmal passieren würde, oder?“ „Ändert aber nichts daran, dass der aktuelle Vertrag futsch ist“, brummte der Marimo vom Sofa, „und Robin hat Recht. So gute Konditionen wird man heutzutage, vor allem in dieser Region nach den ganzen Unruhen, nicht mehr bekommen. So oder so wird ein unfreiwilliger Machtwechsel dazu führen, dass die Insel weniger Einkommen erzielt, und selbst, wenn dies gerechter verteilt werden würde als bisher, würde ein neuer Vertrag vermutlich jegliches Wirtschaftswachstum deutlich erschweren.“ „Aber, wenn es so oder so nicht gut für die Leute ausgeht, dann können wir die doch einfach angreifen“, meinte Ruffy nun wieder, den sie nur mit viel Mühe davon hatten abhalten können, das Regierungsgebäude einfach anzugreifen, nachdem sie um Hilfe gebeten worden waren. „Ist es nicht besser, einen schlechten Vertrag mit irgendwelchen Händlern zu haben, als von solchen Idioten rumgeschubst zu werden? Außerdem kann ich diesen Typen mit dem Schnurrbart wirklich nicht abhaben.“ „Am besten wäre es, wenn wir den aktuellen Vertrag auch über einen Putsch hinweg irgendwie aufrechterhalten könnten“, erklärte Jinbei mit verschränkten Armen, während Sanji misstrauisch den Marimo betrachtete. „Aber ich wüsste beim besten Willen nicht, wie wir das hinbekommen können. Hank und Banter müssten den ja fast schon freiwillig an die neue Regierung abtreten und warum sollten sie das tun, nachdem sie gestürzt wurden?“ Dieses Mal entgegnete niemand etwas, niemand hatte eine Antwort auf dieses Problem, und Sanji begutachtete nur den nervigen Mooskopf. Obwohl er wieder so tat, als wäre er unfreiwillig anwesend, beteiligte er sich am Gespräch. Aber viel nerviger war, dass er von dem ganzen Mist sogar einiges zu verstehen schien, mehr zumindest als Sanji selbst, und das nervte ihn wirklich. Mehr noch nervte ihn, wie ungewöhnlich unruhig der andere sich benahm. Normalerweise hielt er sich doch auch nicht an Choppers Anordnungen, sollte er doch trainieren gehen, wenn er Hummeln im Hintern hatte, anstatt hier große Töne vor sich hin zu spucken. „Möchtest du dir auch mal den Vertrag anschauen?“, bemerkte Robin dann auch noch und hielt die Papiere ausgerechnet dem Marimo hin. „Kein Bedarf“, lehnte dieser grob ab. „Im Völkerrecht interessiert man sich in der Regel nicht für nationalen Kram, aber in so ziemlich jeden Staatenvertrag steht am Ende eine Klausel, dass der Vertrag bei Regimezusammenbruch dem jeweils anderen Vertragspartner automatisch ein Rücktrittsrecht zuspricht. Gehe nicht davon aus, dass das hier anders sein wird, scheint ein typischer Durchschnittsvertrag zu sein.“ „Woher weißt du diesen ganzen Kram?“, fragte Franky nun das, was Sanji sich auch fragte, doch Zorro zuckte nur mit den Schultern und schnalzte entnervt mit der Zunge. „Aber, aber“, lächelte Robin nun und sah in die Runde, „unser geschätzter Schwertkämpfer hat doch höchstpersönlich an dem drei-Länder-Projekt mitgearbeitet, welches die Unruhen im West Blue beendet hat. Es wurde als der anspruchsvollste Staatenvertrag seit Gründung der Weltregierung eingestuft und niemand anderes als Lady Loreen hat die Durchsetzung durch eine eindrucksvolle Rede vor dem Völkerrechtskomitee der Weltregierung ermöglicht.“ „Ach, lass den Mist“, murrte der Marimo. „Die Rede war von Eizen.“ Ach ja, für einen kurzen Moment hatte Sanji diesen Teil vergessen. Für einen kurzen Moment hatte er vergessen, dass Zorro während ihrer zweijährigen Trennung nicht nur den Schwertkampf trainiert hatte. Für einen kurzen Moment hatte Sanji vergessen, dass der andere Lady Loreen war. Nicht, dass es ihn überraschte. Es war nicht so, als würde der Marimo freiwillig über dieses Thema sprechen, reagierte meistens schnell gereizt und abweisend auf leise Andeutungen, wie gerade erst. Von sich aus sprach er nie über das Thema, ließ selbst den Namen seines Alter Egos nur äußerst selten fallen. Nein, es war einfach zu vergessen, dass Lorenor Zorro und Lady Loreen ein und dieselbe Person waren. „Ja ja, tolle Rede, tolle Rede“, murmelte Nami unbeeindruckt und durchforstete weiter hochkonzentriert die Unterlagen, „aber die hilft uns kein bisschen bei…“ „Können wir nicht einfach Hank und Banter überzeugen den Vertrag an eine neue Regierung zu übertragen, nachdem wir sie besiegt haben?“, fragte Brook. „Ja, das hört sich nach einem guten Plan an“, entschied Ruffy und schlug in die Hände, „und dafür müssen wir sie erstmal ordentlich aufmischen.“ „Nein, Ruffy“, stöhnte Nami auf und rieb sich durchs Gesicht. „Ich hab’s dir doch eben schon gesagt, so einfach ist das nicht. Wir müssen einen Weg finden, die Insel…“ „Freizukaufen.“ Plötzlich starrten sie alle zur Türe, als diese aufgerissen wurde und niemand anderes als Falkenauge im Türrahmen stand, ein mörderischer Blick in diesen stechenden Augen. „Ihr seid spät dran“, knurrte er dann. „Hat euch niemand beigebracht, dass es unhöflich ist, jemand warten zu lassen? Erst recht, wenn ihr euch mehrere Tage verspätet?“ „Ich habe dir doch Bescheid gegeben, dass wir noch was anderes regeln müssen“, murrte Zorro, der sich nun endlich mal rührte und auf den bandagierten Unterarmen aufstützte. „Hättest nicht extra herkommen müssen.“ „Offensichtlich schon“, entgegnete der ehemalige Samurai unbeeindruckt. „Du weißt doch, wie ungerne ich Zeit verschwende.“ „Ja, wir haben hier aber noch ein Problem und…“ „Ich habe doch bereits die Antwort gegeben und ich verstehe nicht, warum keiner von euch auf die doch so offensichtliche Lösung gekommen ist. Zumindest bei dir weiß ich, dass du eine Ausbildung genossen hast, die dich auf so etwas…“ „Jetzt nerv nicht“, stöhnte der Marimo und ließ sich wieder auf den Rücken fallen, irgendetwas Unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart grummelnd. „Das habe ich gehört“, knurrte Falkenauge. „Ja, und deine Federboa ist auch hässlich.“ „Glücklicherweise ist meine Selbstachtung nicht von deinem mangelhaften Modegeschmack abhängig.“ „Als hättest du noch irgendeine Form von…“ „Aufhören“, stöhnte Nami auf. „Hallo Mihawk, schön dass du da bist. Könntet ihr euch bitte nicht sofort in den Haaren liegen.“ „Könntest du deine Lösung für unser Problem näher erklären?“, setzte Jinbei sofort hinterher, während Falkenauge in den Raum schritt. „Hatte ich dich richtig verstanden, du hast vorgeschlagen, die Insel freizukaufen?“ „Ganz recht.“ Falkenauge verschränkte die Arme. „Ich kenne die Problematik Watan betreffend. Als Knotenpunkt der meisten Handelsrouten kennt so ziemlich jeder das Problem, aber ähnlich wie beim Sabaody Archipel ignorieren die meisten es.“ Er ließ seinen scharfen Blick durch den Raum gleiten. „Ich hätte mir denken können, dass ihr euch nicht davon abbringen lassen würdet, die aufkeimende Revolution zu unterstützen, aber glücklicherweise scheint ihr ja selbst gemerkt zu haben, dass eine Revolution nicht die Probleme dieses Volkes lösen wird. Sie wären zwar befreit von ihren Unterdrückern, aber so bettelarm, dass ihre Wirtschaft vermutlich innerhalb von zwei Jahren vollständig kollabieren würde.“ „Und was ist jetzt dein Vorschlag?“, fragte Franky am Tresen neben Sanji. „Was meinst du mit freikaufen?“ „Genau das, was ich gesagt habe“, entgegnete Falkenauge ernst und schritt durch den Raum, zum Sofa hinüber. „Banter die Halsabschneiderin, ist durch und durch Geschäftsfrau, wenn auch eine skrupellose. Wenn ihr diesen Leuten helfen wollt, müsst ihr den bestehenden Vertrag aufrechterhalten, wie ihr bereits selbst festgestellt habt. Dieser ist jedoch mit dem aktuellen Regime geschlossen worden. Ergo ist die Lösung denkbar simpel, ihr müsst Banter und Hank ihren Posten als Staatsoberhäupter abkaufen.“ „Was?“ Fassungslos starrte Sanji den Neuankömmling an. „Das kannst du doch nicht ernst meinen? Ist das ein schlechter Witz?“ „Ich neige nicht zu sinnlosen Scherzen, Smutje“, antwortete der andere und ließ sich auf den letzten freien Platz des Sofas sinken, welches ansonsten vollständig vom Marimo blockiert wurde. „Von allen Möglichkeiten ist dies die einzig Erfolgsversprechende, mit der ihr diesem Volk wirklich helfen könnt. Sollte es euch jedoch nur darum gehen, euren Spaß zu haben und ein paar Diktatoren zu verprügeln, ohne die langfristigen Folgen für die Insel berücksichtigen zu wollen, wäre eine solche Alternative natürlich vorzugswürdig und weniger aufwendig.“ „Nein“, widersprach Ruffy sofort. „Klar, würde ich dem Schnauzbart gerne eine verpassen, aber was bringt es, wenn das die Sache nur verschlimmert?“ „Oh, höre ich da Reife aus deinem Mund, Strohhut? Ich bin schockiert.“ „Lass den Mist“, murrte Zorro und trat leicht nach ihm, ohne dass Falkenauge sich davon stören zu lassen schien. „Ja, okay, in der Theorie vielleicht“, schnaubte Nami auf und schlug ihren Hefter zu, „aber wie sollen wir mal ebenso eine ganze Insel kaufen. Hast du eine Ahnung, wie viel so etwas kostet?“ „Grob geschätzt sollte es in etwa 12,5 Milliarden Berry kosten, um die Insel samt Vertrag von Banter und Hank abzukaufen“, antwortete Falkenauge ohne Umschweife auf die eindeutig rhetorisch gemeinte Frage. „Wobei der tatsächliche Preis etwas niedriger ausfallen könnte, da mir die faktischen Vermögensverhältnisse nicht bekannt sind. Watan ist meinem Kenntnisstand zu Folge recht hoch verschuldet, um den ausschweifenden Lebensstil des Regimes finanzieren zu können, mehr sollte es dementsprechend auf keinen Fall sein, selbst wenn Banter versucht, das Geschäft ihres Lebens machen zu wollen. Ein vernünftiger Handelsstratege könnte den Verkaufswert vermutlich unter die zehn Milliarden drücken.“ Eine betretene Stille füllte den Raum. „Also, ähm, ich weiß ja nicht, wie ich es dir sagen soll“, fing Nami an und Sanji konnte ihr ansehen, dass sie sich arg zusammenreißen musste, „aber wer zum Teufel soll sich bitte so eine gigantische Summe leisten können? Das ist mehr als die ganze Big Mom Bande an Kopfgeld wert war. Wer bitte schön hat so viel Geld sich mal eben ein ganzes Land zu kaufen? Und dann müssten ja auch noch die ganzen Schulden von Watan übernommen werden. Selbst ein Staat könnte das nicht mal eben so…“ „Lorenor.“ „Wa… was?“ Verwirrt sahen sämtliche Anwesende erst zu Falkenauge, dann zu Nami und schlussendlich zum Marimo, der ebenso verwirrt dreinblickte und sich nun endlich mal aufsetzte. „Und wie soll ich mir so was mal eben so leisten können?“, murrte er und stützte die Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab. „Alleine wirst du die erforderliche Höhe nicht stemmen können, das sehe ich ein.“ Der Samurai seufzte. „Ach, nun gut. Ich will mal nicht so sein. Je schneller wir das hier hinter uns bringen, desto besser.“ Damit erhob er sich. „Wo willst du hin?“, murrte Franky. Falkenauge hob nur eine Augenbraue an und schritt weiter. „Euer Problem lösen, wie immer.“ „Was ein eingebildeter Fatzke“, presste Sanji zwischen den Zähnen hervor, als der andere endlich den Raum verlassen hatte, „und du gibst dich auch noch freiwillig mit dem ab, Marimo.“ „Hey“, knurrte dieser, ohne sich jedoch zu bewegen, „ich kann auch nichts dafür, dass er ein Mistkerl ist.“ „Aber warum meinte er, dass du die erforderliche Höhe nicht alleine stemmen könntest? Hast du Geld, Zorro?“, fragte Lysop und fast gleichzeitig lachten mehrere Crewmitglieder inklusive des Marimos auf. „Nein“, antworten sie einstimmig und der Säbelrassler zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, was für einen Mist Dulacre damit…“ Plötzlich brach er ab und sein Grinsen schwand. Brook fragte gerade nach, da kam Falkenauge auch bereits wieder herein, eine große, alt aussehende Teleschnecke in der Hand. „Hey“, murrte Zorro direkt, „sag bloß, du hast wieder irgendeinen Mist hinter meinem Rücken gemacht?“ „Ich wüsste nicht, wovon du redest, Lorenor.“ „Oh, doch, das weißt du genau!“, knurrte der Marimo und stand nun auf, während der ehemalige Samurai die Teleschnecke neben den Dokumenten absetzte und dann ebenfalls am Tisch gegenüber Nami Platz nahm. „Und worum geht’s“, fragte eben diese nach und rollte entnervt mit den Augen. „Eizens Blutgeld“, spuckte Zorro beinahe aus und knallte eine Hand auf den Tisch. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich…“ „Du hast mir gesagt, dass du diese Schecks nicht verwenden wolltest und dass ich mit ihnen nach Belieben verfahren könnte“, unterbrach Falkenauge den anderen unbeeindruckt, „und genau das habe ich getan.“ „Ich verstehe nur Bahnhof“, bemerkte Franky neben Sanji. „Um was für Schecks geht es?“ „Lorenors Alimente für seine Dienste in Eizens Namen“, erklärte Falkenauge gelassen, während er Zorros wütendem Blick mit einem Lächeln standhielt. „Lorenor hatte kein Interesse, dieses Kapital zu nutzen, und erlaubte mir, dieses Geld an mich zu nehmen, was ich auch tat.“ „Und was hast du getan?“, knurrte Zorro mit einer Tonlage, die Lysop aufspringen ließ. „Dein Geld angelegt natürlich“, entgegnete Falkenauge weiterhin aalglatt. „Es reichte aus, um einen großzügigen Kredit bei der Bank Sarues zu erhalten, und mit diesem Kredit habe ich in deinem Namen unter anderem Anteile an den fünf Inseln gekauft. Mit der Rendite wurde natürlich nicht nur der Kredit zurückgezahlt, sondern das Portfolio Stück für Stück erweitert.“ „Was hast du…?!“ „Reg dich bitte nicht auf, Lorenor. Lass uns diese Mühseligkeit hinter uns bringen und uns dann wichtigeren Dingen widmen“, unterbrach Falkenauge ihn, worauf dem Marimo Zornesröte übers Gesicht kroch, während der ehemalige Samurai eine Nummer eintippte und dann die Sprachmuschel seiner Teleschnecke abnahm. „Und wenn ich euch nun bitten dürfte, ruhig zu sein.“ Zorro knallte beide Hände auf den Tisch, aber bevor er auch nur etwas sagen konnte, wurde abgenommen. „Koumyous Büro, Guten Morgen.“ Die Crewmitglieder tauschten neugierige aber auch verwirrte Blicke aus, während Zorro seinen Sozius gedanklich anscheinend an die Gurgel ging. „Guten Morgen, Houran, bitte stellen Sie mich durch“, sprach Falkenauge nun kühl aus und ignorierte den feurigen Blick des Marimos. „Natürlich, Herr Mihawk, wenn ich Sie um einen Moment Geduld bitten darf.“ „Was…?“ Versuchte Franky zu fragen, was sie alle dachten, aber es wurde bereits wieder abgenommen. „Mihawk, mein Guter!“, bebte die Stimme eines Bären durch den Raum. „Ich habe schon auf Ihren Anruf gewartet.“ „Herr Koumyou, haben Sie die Unterlagen, um die ich Sie gebeten habe?“, sprach Falkenauge und erwiderte nichts von der herzlichen Wärme des anderen. „Natürlich, natürlich“, antwortete der Bär. „Ich habe mir erlaubt den Vertrag, den Sie damals für Maao nutzten, für Watan anzupassen. Sofern Sie die Teleschnecke ans Fax anschließen, kann ich Ihnen eine Kopie zusenden.“ „Später, erst einmal möchte ich über die Finanzierung sprechen.“ Es war offensichtlich, dass die beiden Männer solche Gespräche öfters führten, aber woher wusste jener Fremde auf der anderen Seite der Leitung, dass sie beabsichtigten… hatte Falkenauge das etwa alles vorausgesehen und bereits notwendige Schritte in die Wege geleitet? „Selbstverständlich, junger Herr.“ „Jung?“, kam es von Lysop, bevor er sich hinter der Tischkannte versteckte, als Falkenauge ihn niederstierte. „Ist jemand bei Ihnen?“ „Niemand von Belang“, antwortete Falkenauge eiskalt. „Wie dem auch sei“, fuhr der Fremde fort. „Also, ich habe wie besprochen die Vermögensverhältnisse von Lady Loreen überprüft. Derzeit zur Verfügung stehende Mittel, abzüglich der zu berücksichtigenden Ausgaben, betragen etwas mehr als 500 Millionen Berry.“ Was? 500… 500 Millionen Berry?! Sanji brauchte eine Zigarette! Natürlich reichte dieses Geld nicht ansatzweise aus, aber dennoch… „Hatte ich Ihnen nicht gesagt, dass ich einen sicheren Kurs bevorzuge?“, bemerkte Falkenauge kühl. „Natürlich, die Rücklagen entsprechen dem prozentualen Anteil der Renditen, den Sie vorgegeben haben, junger Herr“, reagierte der Fremde sofort. „Außerdem handelt es sich bei den meisten Beteiligungen um festangelegtes Kapital. Ich habe die Liquidierungsrate dementsprechend nur für die kurzfristigen Kapitalanlagen ermittelt. Diese beträgt knapp 2,8 Milliarden Berry.“ „Was?!“ Nami hatte sich erhoben. „Zwei… Zwei…“ „Junger Herr?“ „Entschuldigen Sie die Störung, Herr Koumyou, beachten Sie das nicht.“ Nun funkelte Falkenauge Nami äußerst missbilligend an. „Natürlich“, hinterfragte der Fremde nicht. „Also die Liquidation könnte ich bis morgen früh umsetzen. Darüber hinaus könnten wir im Zweifel das Festkapital angehen, das würde etwas länger dauern, wäre aber möglich. Jedoch gehe ich davon aus, dass dies nicht in Ihrem Sinne ist.“ „Nein, nein. Ich möchte nicht, dass das Festkapital angefasst wird. Stellen Sie bis morgen früh 2,5 Milliarden Berry für meinen Sozius zur Verfügung, den Rest übernehme ich. Bitte bereiten Sie die nötigen Unterlagen bis morgen früh vor und passen Sie den Vertrag entsprechend unserer Beteiligungsverhältnisse an.“ „Natürlich.“ „Und bitte stellen Sie auch sämtliche Verträge zusammen, die wir derzeit mit Watan unterhalten. Ich werde Sie für das fragliche Gespräch hinzuschalten.“ „Wann habe ich damit zu rechnen?“ „In zwei Stunden.“ „In Ordnung, ich werde vorbereitet sein, junger Herr.“ „Ich danke Ihnen.“ Falkenauge legte auf. Einen Moment schwiegen sie alle, selbst Zorro, der sich mittlerweile beruhigt zu haben schien. „Den Rest übernehme ich“, flüsterte dann jedoch Nami und starrte Falkenauge fassungslos an. „Du willst mir sagen, dass du mindestens 7,5 Milliarden Berry mal eben so liquidieren kannst?“ „Mach dich nicht lächerlich, Frau Navigatorin, tze.“ Kopfschüttelnd nahm Falkenauge die Teleschnecke vom Tisch. „Als würde ich für so einen Betrag Anteile verkaufen.“ … „Du… du hast so viel Geld auf der hohen Kante?“ „Nein, für Alltagsgeschäfte greife ich aus Prinzip nicht auf Ersparnisse zurück, sondern nutzte stets nur mein Umlaufvermögen.“ „All… Alltagsgeschäfte?“, hinterfragte Nami fassungslos, was Falkenauge mit einem augenscheinlich verwirrten Nicken bestätigte. „Oh Mann, du bist so ein Vollidiot!“, knurrte Zorro am Tischende und rieb sich den Nasenrücken. „Du hast echt absolut kein Verhältnis zu Geld.“ „Das muss ich mir von einem wie dir, der seine Schecks in Millionenhöhe als Lesezeichen nutzte, nicht anhören.“ „Du hast was?“ Nun war Nami kreidebleich und lehnte sich kopfschüttelnd zurück. „Freaks, alle beide… was für Freaks.“ „Nana“, brachte sich nun Robin mit einem sanften Lächeln ein, „zumindest scheinen wir jetzt einen Weg gefunden zu haben, die Insel zu retten. Ich bin ganz überrascht, Mihawk, ich hätte dich nicht für den gutmütigen Typ Mensch gehalten.“ „Und damit liegst du absolut richtig“, kam es nun von Falkenauge herablassend. „Versteht mich nicht falsch, ich tue euch hier keinen Gefallen, nur damit das klar ist. Watan ist aufgrund seiner Lage schon seit jeher nicht uninteressant für die Familie Mihawk gewesen, aber ich hatte nie die Geduld mich mit diesen Halsabschneidern abzugeben.“ „Was meinst du damit?“, murrte Franky misstrauisch. „Was passiert, wenn du und Zorro die Insel aufkauft? Werdet ihr dann die neuen Herrscher?“ „Was?“, kam es augenblicklich von Zorro. „Halt mich daraus, ich hab keinen Bock auf so einen Mist.“ „Du denkst zu rückschrittlich, Cutty Fram, Königreiche und Herrschertum sind schon lange veraltete Strukturen. Die Familie Mihawk leitet einen wirtschaftlichen Insel- und Staatenverbund. Vereinfacht ausgedrückt dient mein Name als Schirmherrschaft unter den sich die Staaten stellen können, dann werden sie ins Vertragsnetz der Fünf Inseln eingegliedert und somit handelsüblich integriert. Regelmäßig bin ich dabei Hauptanteilseigner am Vermögen der Inseln, dies bedeutet jedoch nicht, dass ich mir die unnötige Arbeit aufhalse, diese Inseln zu verwalten. Die Staaten können selbst, mit Hilfe Vertreter der Familie Mihawk, eine Regierung bilden. Durch die wirtschaftliche Integration generieren die Staaten mit der Zeit Gewinn und steigern ihr Vermögen, daran verdiene auch ich. Ihr seht also, es handelt sich in keinster Weise um sinnlose Gutmütigkeit. Letzten Endes profitiere ich davon, wenn die Bevölkerung von Watan unter meinem Namen ihren Wohlstand steigert. Jeder weiß, dass zufriedene Arbeiter besser arbeiten als unzufriedene Arbeiter; Sklaverei ist langfristig betrachtet absolut unwirtschaftlich.“ „Du willst wirklich sichergehen, dass man nicht eine Sekunde daran zweifelt, dass du ein Arsch bist, oder?“, murmelte Sanji. „Du könntest ja zumindest so tun, als würde dir auch was an den Menschen hier liegen.“ „Aber das tut es nicht, Smutje. Dennoch habe ich nichts dagegen, wenn sie durch meinen Profit wechselseitig ebenfalls profitieren. Das ist alles an Gutmütigkeit, was ich anzubieten habe.“ „Also nur, damit ich das richtig kapiere“, kam es nun von Lysop. „Du und Zorro werdet die Insel sozusagen kaufen, deswegen soll dieser Kumuh das Geld bis morgen zusammenstellen? Aber was war das dann mit den Verträgen?“ „Ich kaufe hier gar nichts“, brummte der Marimo erneut entnervt. „Nun ja, es dient der Vorbereitung“, entgegnete Falkenauge und ignorierte Zorros Einwurf. „Für Verhandlungen bedarf es Argumente und ich beabsichtige, nicht mehr für diese Insel zu zahlen, als sie wert ist. Ich bin doch kein Wohlfahrtsverband.“ „Was meinst du…?“ „Ach, das ist doch nicht so schwer zu begreifen, Lysop“, murrte Nami. „Mihawks Hintermann soll nach irgendwelchen Missständen suchen, irgendwelchen bestehenden Schulden oder Fehltritten, die Watan in der Vergangenheit gegenüber den bestehenden Verträgen begangen hat. So kann er Banter im Zweifel zum Verkauf zwingen und den Preis auch noch ordentlich drücken.“ „Ich bin froh, dass du zumindest mitdenkst, Frau Navigatorin.“ Sie schenkte ihm ein falsches Lächeln. „Dennoch, ich hatte dich nicht für einen guten Handelsmann gehalten, Mihawk. Du wirkst auf mich eher wie jemand, der sich nimmt, was er will.“ „Ganz recht. Langwierige Verhandlungen langweilen mich und Verwaltungsarbeit überlasse ich grundsätzlich meinen Angestellten, aber das heißt nicht, dass ich es nicht kann. Wie du dich gewiss erinnerst, kann ich recht schonungslos sein, auch mit Worten.“ Das schien Nami jedoch gar nicht zu beeindrucken. „Ja, ich erinnere mich sehr wohl. Aber ich frage mich nur, ob deine aggressive Herangehensweise zielführend ist.“ „Wenn du möchtest, darfst du mich und Lorenor gerne begleiten und dich selbst davon überzeugen.“ „Und nochmal, halt mich daraus; dieses Geld hat nichts mit…“ „Das würde ich sehr gerne.“ Und so kam es, dass Nami und Falkenauge kurze Zeit später das Schiff verließen, während Zorro demonstrativ trainieren ging. Keiner wusste wirklich, was die zwei ausgeheckt hatten, aber kurz nach Sonnenuntergang kamen sie zurück, ohne unterschriebenen Vertrag, aber Sanji kannte Namis Grinsen zu gut, während Falkenauge nur halb so sehr ein Arsch war wie sonst. Den ganzen Abend verbrachten die beiden mit Robin und zwischendurch sogar dem Marimo in der Aquarien-Bar, doch die Worte, die Sanji über den kleinen Aufzug hören konnte, verwirrten ihn eher, als dass er sie verstand. Aber was auch immer sie getan hatten, am nächsten Morgen, noch während sie beim Frühstück saßen, tauchten Banter und Hank zähneknirschend am Hafen auf und unterschrieben, was auch immer Falkenauge ihnen vorhielt. An jenem Tag rettete die Strohhutpiratenbande ein Volk auf eine recht unübliche – diplomatische – Art und Weise vor seinen Diktatoren. Aber diese zurückhaltende Vorgehensweise war es wohl wert gewesen, jedenfalls für Nami, denn sie hatten so gelernt, dass immerhin einer von ihnen Geld hatte, viel Geld, und zumindest Nami würde sichergehen, dass sie daraus auch ihren Profit schlagen würde.     Kapitel 5: Extrakapitel 5 - Eine Nacht im Hotelzimmer ----------------------------------------------------- Eine Nacht im Hotelzimmer – aber es ist Zorro Nach Abschluss des dritten Teils In irgendeinem Hotel auf irgendeiner Insel der Grand Line. Es ist später Abend und die Strohhüte feiern noch   -Mihawk- „Dulacre!“ Er ließ das Handtuch sinken, mit dem er sich gerade das Haar trocken rubbelte, und sah auf, als die Türe zu seinem Zimmer aufgerissen wurde. „Lorenor, was kann ich für dich tun?“, entgegnete er und verschränkte die Arme vor der nackten Brust. Er war nicht sonderlich überrascht, schließlich hatte er die stampfenden Schritte seines Sozius den ganzen Gang hinunter gehört, und dennoch wunderte er sich, warum Lorenor ihn gerade jetzt aufsuchte, obwohl er doch die späten Abendstunden mit seiner Crew genießen konnte. „Du Mistkerl!“, knurrte Lorenor jedoch offensichtlich wütend und knallte die Türe hinter sich zu. Seine schlechte Laune verunsicherte Dulacre keineswegs, dass er problemlos Dulacres Hotelzimmer gefunden hatte, hingegen schon; das konnte nichts Gutes bedeuten. Der nächste Moment bestätigte Dulacre dunkle Vorahnung, als Lorenor sich seinen hässlichen Mantel vom Leib riss und auf ihn zu stapfte. „Was ist denn…?“ Bevor er auch nur seine Frage beenden konnte, hatte Lorenor ihm am Nacken gepackt, zu sich runtergerissen und knallte ihre Lippen aufeinander. Mehr als verwirrt starrte Dulacre den anderen an, erkannte selbst ohne diesen zornigen Blick, dass dies keine Geste aus Zuneigung war, kein unbeholfener Kuss der Zärtlichkeit; es war ein Angriff. Ohne den Kontakt zu unterbrechen, stieß Lorenor ihn zwei Schritte zurück, bis Dulacre gegen den Bettkasten knallte und da erkannte er, dass es tatsächlich Lorenors Absicht war, ihn aufs Bett zu stoßen. Aber genug war genug, solche Mätzchen waren alles andere als unterhaltsam, zumindest an einem Tag wie diesem. „Lorenor, was soll das?!“ Er löste sich vom anderen und drängte ihn gleichzeitig etwas auf Abstand. „Ist das nicht offensichtlich?“ Lorenor zeigte sich unerbittlich, ließ sich zwar von Dulacre zurückdrängen, hielt dem Druck jedoch unbeeindruckt stand. Aber nichts an seinem Verhalten war für Dulacre selbsterklärend und das musste sein Gesicht auch zeigen, denn Lorenor sah ihn an, als würde Dulacre sich absichtlich dumm anstellen, was er selbstredend nie tun würde. „Wir schlafen jetzt miteinander!“ … „Wa… was?“ Lorenor sah ihn immer noch absolut ernst – und absolut wütend – an, sein Arm angespannt unter Dulacres abweisender Hand, aber seine Worte ergaben überhaupt keinen Sinn. „Wovon redest du?“ Nun neigte Lorenor leicht den Kopf und eine Zornesader pochte auf seiner Schläfe. Allerdings war Dulacre selbst auch nicht bester Laune. Er hatte sich aufgrund unwichtiger Sperenzien mit der Familie Cho verspätet und die wenige Zeit in Anwesenheit seines Partners aufgrund dessen lauter Crew und seiner eigenen Kopfschmerzen kaum genießen können. Nun wollte er nur noch ins Bett und seinem erschöpften Körper dringend benötigte Erholung zukommen lassen und verstand nicht, weshalb Lorenor nun hereingestürmt kam, ihm unverständlichen Kauderwelsch an den Kopf warf und dabei auch noch so tat, als hätte Dulacre etwas verbrochen; dabei hatte er sich an diesem Tag bemüht höflich gegenüber den Strohhüten verhalten. „Willst du mich verarschen?!“ „Nein, ich habe eher den Eindruck, du erlaubst dir einen geschmacklosen Scherz mit mir. Eben zeigtest du noch keine Einwände gegen meine Absichten, mich zurückzuziehen und nun kommst du hereingestürmt mit diesem…“ Mit seiner freien Hand gestikulierte er nichtssagend in Lorenors Richtung in einem frustrierten Versuch dieses seltsame Verhalten zu beschreiben. „Was ist das überhaupt für ein Aufzug? Reißt deine Klamotten vom Leib, greifst mich beinahe an und stößt mich zum Bett hinüber. Man könnte glatt meinen, du wölltest…“ Oh? „…mit dir schlafen? Ja, das waren meine Worte“, murrte Lorenor, der ihn nun mit leicht zuckender Augenbraue ansah, sich jedoch nicht mehr so sehr gegen Dulacres Hand stemmte. Oh. „Was denn jetzt? Schlaganfall?“, grummelte der Jüngere und verschränkte die Arme, neigte dabei den Kopf auf die andere Seite, als wüsste er nicht, ob er besorgt böse oder belustigt dreinschauen sollte. Oh! Dulacre taumelte zurück, stieß erneut gegen den Bettkasten und landete stolpernd auf seinem Bett; eine ungeahnte Hitze jagte seine Wangen empor. „Okay, was zur Hölle ist das denn jetzt?“, kam es nach einigen Sekunden langgezogen vom anderen. „Bist du echt so verdammt prüde? Mann, das macht die ganze Sache nur noch nerviger.“ Irgendetwas an dieser Aussage passte nicht zusammen, aber Dulacres Gehirn hatte die sichere Betriebstemperatur längst überschritten und war gerade nicht in der Lage, komplexere Gedankengänge zu verfolgen. Räuspernd lehnte er sich zurück, versuchte wieder Herr der Lage zu werden, und scheiterte ganz offensichtlich. „Mach bitte keine Scherze“, meinte er dann schließlich und rieb sich den Nacken, zupfte an seinem Handtuch mit dem leisen Wunsch, er würde zumindest ein Hemd tragen, als wäre diese Situation weniger beschämendbloßstellend, wenn er weniger entkleidet wäre. „Was soll das überhaupt? Diese ganze Charade? Hast du wirklich diesen feierwütigen Abend mit deiner Crew unterbrochen, nur um dich über mich lustig zu machen?“ Lorenor sah ihn misstrauisch an, stand immer noch dort mitten im Raum wie bestellt und nicht abgeholt. „Sehe ich so aus, als würde ich mich über dich lustig machen?“, entgegnete er mit offensichtlicher Genervtheit, aber die Wut von vorher schien sich etwas gelegt zu haben. „Außerdem bist du doch wieder derjenige, der mich die ganze Zeit zum Narren hält, nur um dich über mich lustig zu machen.“ Vielleicht hatte Dulacre sich geirrt. Diese Worte offenbarten, dass Lorenor sehr wohl wütend war. Scheinbar glaubte er, dass Dulacre ihn wieder manipulieren würde, wie er es in der Vergangenheit des Öfteren getan hatte, aber dennoch ergaben diese verschiedenen Aussagen immer noch keinen Sinn. Lorenor war wütend auf ihn, weil er dachte, Dulacre würde ihn manipulieren, gleichzeitig war dies wohl ein seltsamer Versuch seinerseits gewesen, Dulacre ins Bett zu bringen, obwohl die gesamte Situation ihn nervte? Nichts davon wollte zusammenpassen und Dulacre hatte absolut keine Ahnung, warum er jetzt wieder der Bösewicht sein sollte, obwohl er sich kein Vergehen hatte Zuschulden kommen lassen. „In Ordnung, lass mich… lass mich deinen Gedankengang nachvollziehen“, murmelte er und rieb sich das Gesicht, konnte der Hitze seiner Wangen jedoch keinen Einhalt gebieten. „Also, vielleicht habe ich dich falsch gelesen, aber bisher hatte ich nicht den… Eindruck, dass du… Interesse an solchen Aktivitäten hast… und dennoch stürmst du hier nun herein – offensichtlich erzürnt – und verlangst, diese umzusetzen? Habe ich etwas missverstanden?“ „Nein, das passt schon so“, murrte der andere und als Dulacre aufsah, begegnete dieser ihm mit verschränkten Armen, zeigte wieder sein ruhiges aber stoisches Wesen, wie so oft, wenn ihm etwas nicht passte. Zweifelnd schüttelte Dulacre leicht den Kopf: „Nun, dann musst du mir verzeihen, aber ich verstehe deinen Gedankengang absolut nicht. Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel und weshalb bist du so zornig? Als ich mich eben zurückzog, schienst du noch nicht in dieser Stimmung.“ Konnte es sein, dass Lorenor ihm übelnahm, dass er sich so früh zurückgezogen hatte, nachdem er sich bereits verspätet hatte? Dies würde zumindest seine Laune erklären, alles andere jedoch nicht. „Es gab keinen Sinneswandel“, erklärte Lorenor eiskalt und stierte ihn nieder, als wären sie Feinde, „aber du weißt, dass ich es nicht abhaben kann, wenn du mich manipulierst und alleine Entscheidungen triffst, die auch mich etwas angehen.“ Was?! Wovon redete er? Sich die Haare raufend, lehnte Dulacre sich zurück, stützte sich mit der anderen Hand auf der Matratze ab, immer noch so unpassend entblößt, und hatte das Gefühl Antworten Fragen zu erhalten, die er nicht gestellt hatte. Selten hatte er sich so schwergetan, Lorenors Gedanken nachzuvollziehen, aber gerade hatte er das Gefühl, als würden sie unterschiedliche Sprachen sprechen. „Ich höre deine Worte, Lorenor, aber ich verstehe nichts von dem, was du sagst“, stöhnte er frustriert auf, während seine Kopfschmerzen wieder zunahmen und die Hitze in seinem Gesicht langsam auf ein aushaltbares Niveau sank. „Mir erschließt sich nicht, wo der Zusammenhang besteht, also bitte, sei so gut und erläutere mir, was hier vor sich geht. Der Tag war lang, ich bin müde und scheinbar nicht mehr in der Lage sinnvolle Schlussfolgerungen zu ziehen.“ Er konnte Lorenor ansehen, dass dieser abwägte, ob dies ein taktisches Vorgehen Dulacres oder eine simple Bitte war, doch zu seiner Erleichterung schnaufte Lorenor nur einmal Laut auf und schien zu seinen Gunsten zu entscheiden. „Okay, dann antworte mir ehrlich: Bin ich für dich immer noch ein Bengel, den du nicht für voll nehmen kannst?“ Lange starrte Dulacre ihn an, ehe er die passenden Worte fand: „Diese Frage ist nicht im Mindesten geeignet, auch nur ansatzweise meine Verwirrung aufzulösen. Möchtest du mich etwa verärgern? Solltest du dir hier einen Spaß erlauben, sei dir gewiss, dass ich ihn nicht lustig finde.“ Das war ein Fehler gewesen. Sofort pochte Lorenors Zornesader wieder auf und er baute sich vor Dulacre auf. „Stimmt es“, knurrte er mit so tiefer Stimme, dass sein ganzer Brustkorb zu vibrieren schien, „dass du dich wieder mal zurückhältst und mir nicht sagst, dass du mit mir schlafen willst, weil du mich immer noch als Kind siehst und Sex dann für dich nicht in Frage kommen kann?“ Wieder einmal wusste Dulacre nichts zu antworten, als er diese Frage, diese direkten Worte, aufnahm. Aber zumindest erklärte diese Frage so einiges. Deswegen war er wütend, deswegen dachte er, Dulacre würde ihn manipulieren, und deswegen war er Hals über Kopf ins Zimmer gestürzt und hatte ein Vorhaben realisieren wollen, an dem er anderweitig keinerlei Interesse zeigte. Allerdings ließ dies noch eine Frage offen. „Wer hat dir denn nur einen solchen Unsinn in den Kopf gesetzt?“, entgegnete Dulacre und nun, zum allerersten Mal zeigte Lorenor etwas, was man als Unsicherheit deuten konnte. Dulacre ausweichend senkte er den Blick, als würde er sich an etwas erinnern, was er lieber vergessen würde. Aber von so etwas würde Dulacre sich gewiss nicht aufhalten lassen. „Ich höre“, hakte er nach. Noch eine Sekunde starrte Lorenor zu Boden, doch als er dann aufsah, fraß sich sein intensiver Blick direkt in Dulacres Seele, wie so oft, wenn er eine Entscheidung gefällt hatte. „Es war nur Scherz, sie wollten mich nur aufziehen, nachdem du so früh abgehauen bist, aber…“ „Wer hat dich womit aufgezogen?“ Ernst sahen sie einander an, obwohl Dulacre sich die Antwort denken konnte. „Die anderen. Meinten, du hättest dir von heute mehr erwartet, aber dass ich deine Avancen noch nicht mal bemerke. Der Koch hat behauptet, du würdest mit mir schlafen wollen, aber dass das wohl nichts mehr in diesem Leben werden wird, weil ich subtile Andeutungen nicht kapiere und du zu prüde bist, um so etwas offen anzusprechen.“ Das erklärte natürlich einiges. Vermutlich hatten die Crewmitglieder sich wirklich nur einen – wenn auch unangebrachten – Scherz mit Lorenor erlaubt und ihn zur allgemeinen Erheiterung geneckt, aber der Smutje hatte nun mal eine gewisse Begabung, unbewusst oder bewusst Worte zu wählen, die Lorenor unter die Haut gingen und zumindest in dieser einen Sache war Lorenor oft unbeholfen und unsicher, Dulacre hätte es wissen müssen. „So wie er es sagte, klang es so, als wäre ich immer noch der kleine Bengel in deinen Augen, nicht viel mehr als ein Welpe, den du schützen musst.“ „Wie bitte? Nur weil der Smutje ein paar lüsternen Gedanken zum…“ „Es ist mir egal, was er denkt!“, unterbrach Lorenor ihn und riss die Hände auseinander. „Ist mir scheißegal. Was ich wissen will, ist, hat er Recht? Stimmt das? Denkst du so?“ Dulacre zögerte, war sich nicht sicher, ob es wirklich Wut war, was der andere zeigte, oder vielleicht doch etwas ganz anderes. „Habe ich dir je das Gefühl gegeben?“, entgegnete er, bewusst ruhig, wusste, dass es hier um viel mehr ging als schlichter Sex. „Seit wir diese Partnerschaft eingegangen sind, habe ich dir je das Gefühl gegeben, nicht ebenbürtig zu sein? Hattest du je das Gefühl, ich würde dich immer noch als Kind sehen?“ „Sollte ich etwa nicht?“, widersprach Lorenor, nun auch deutlich ruhiger. „Du behandelst jeden gerne herablassend und betonst andauernd, wie viel älter du doch bist. Du hast monatelang deine Gefühle vor mir verborgen und mich lieber als Schachfigur eingesetzt als mir deine wahren Absichten zu verraten. Es würde durchaus zu dir passen, oder nicht?“ Endlich verstand er, was vorgefallen war und nun ergaben auch Lorenors Taten einen Sinn. „Und anstatt mich zur Rede zu stellen, hast du entschieden, einfach selbst aktiv zu werden, obwohl du selbst eigentlich keinerlei Interesse an so etwas hegst?“, fragte Dulacre nach. Es war wahrlich eine besondere Art, wie Lorenor immer entschied, Probleme aus der Welt zu schaffen, stoisch mit dem Kopf durch die Wand. Er konnte sehen, dass Lorenor nicht genau wusste, was er auf diese Fragen entgegnen sollte. Ein sanfter rosa Schimmer hatte sich überraschenderweise über seinen Nasenrücken gelegt, aber er wirkte dennoch alles andere als schüchtern und es wäre ein Fehler, den Disput schon als überwunden anzusehen. „Jiroushin hat mir mal gesagt, dass er mitspielt, wenn du ihn als Schachfigur einsetzt, und dass das für ihn auch okay so ist.“ Ernst sah er Dulacre an. „Aber ich bin keine Schachfigur und das hier ist kein Spiel. Wir sind keine Kinder, die Erwachsene spielen, also glaube ja nicht, du könntest mich so behandeln und irgendwelche Spiele mit mir abziehen.“ Dulacre nickte sachte und senkte den Blick. Mit einer Hand winkte er zu einem nahestehenden Sessel, in der Hoffnung, dass Lorenor sich dort niederlassen und die Spannung sich etwas legen würde, aber der Jüngere tat ihm diesen Gefallen nicht. Also beugte Dulacre sich vor, legte die Unterarme auf den Oberschenkeln ab und faltete die Hände, während er über diese Worte nachdachte. „Es stimmt“, gestand er schließlich ein, „es fällt mir tatsächlich recht schwer, zu ignorieren, wie viel jünger du doch bist, und gewiss ist mein Umgang mit meinen Mitmenschen alles andere als schmeichelhaft. Daher kann ich deine Beweggründe durchaus verstehen und dennoch möchte ich eines klarstellen.“ Entschieden sah er auf und begegnete unumstößlich diesem undeutbaren Blick. „Die Witzeleien deiner Crew, die Bemerkungen des Smutjes, sie entsprechen nicht der Wahrheit.“ Lorenor entgegnete gar nichts, starrte ihn einfach nur misstrauisch an, was Dulacre ein leises Seufzen entlockte. „Sag, Lorenor, hast du je gedacht, ich würde so etwas von dir erwarten oder solch Avancen andeuten?“, fragte er daher nach und erhielt als Antwort ein deutliches Kopfschütteln. „Nun, das ist auch nicht überraschend, denn es gab nie solche Avancen. Nicht ein einziges Mal stand ich dir mit solchen Erwartungen gegenüber. Ich versichere dir, dass ich keine dummen Spiele betreibe, und trotz unseres eindrücklichen Altersunterschiedes ist mir sehr wohl bewusst, dass du schon lange kein Kind mehr bist. Ist dies deutlich genug, um deine Zweifel zu beseitigen? Ich beabsichtige nicht, dich in irgendeiner Form zu manipulieren und es erschließt sich mir nicht, wieso sich dieser Smutje erdreistet, solche Behauptungen über mich aufzustellen.“ Immer noch stand Lorenor mit verschränkten Armen vor ihm und Dulacre konnte ihm regelrecht ansehen, wie es in ihm arbeitete und wieder einmal hatte er keine Ahnung, was seine Schlussfolgerung sein würde. „Ich weiß, dass du nie irgendwelche Andeutungen gemacht hast“, antwortete er schließlich, absolut ruhig. „Wie gesagt, die anderen haben einen Witz gemacht und ich kenne dich, du bist viel zu verklemmt für so einen Mist. Darum geht es mir nicht, sondern um den Scheiß, den der Koch verzapft hat und um dem du dich gerade in deiner tollen Erklärung herumgewunden hast.“ Er hatte es also bemerkt. „Also, hat er recht? Du hast es nie angesprochen, nie etwas gesagt, aber kann es sein, dass du mit mir schlafen willst?“ Ja, das hatte er nun davon. Lorenor sah ihn so ernst an, als ob er ihn gerade eines Mordes beschuldigen würde, während Dulacre wieder mal seine erwärmenden Wangen nicht verbergen konnte. Wie konnte er nur so direkt über solch Dinge reden? „Und keine Ausreden dieses Mal, verstanden?“ Seufzend senkte Dulacre den Blick und gab sich geschlagen. Vielleicht sollte er sich nicht wundern, schließlich war sein Partner ein Pirat, und nur weil Lorenor selbst nie Interesse an solchen Aktivitäten gezeigt hatte, bedeutete dies natürlich nicht, dass er von solchen Themen je verschont geblieben war; so wie er nun auch Dulacre damit nicht verschonte. Erneut seufzte er auf, wie lästig, wie peinlich. „Nun, wenn du mich so direkt fragst, dann ja, natürlich würde ich es wollen. Natürlich fände ich es sehr schön, dir auf eine Art nahe zu kommen, wie niemand sonst, dich zu berühren, wie niemand sonst, und dich zu sehen, wie niemand sonst dich je sehen wird. Ich würde sehr gerne intim mit dir werden“, gestand er leise ein. „Ich hatte ja schon befürchtet, dass du es nicht verstehen würdest, aber weißt du, damals, als wir entschieden, eine Beziehung einzugehen und ich von meinen Fantasien sprach - von den nicht so unschuldigen Dingen, die erwachsene Menschen miteinander machen, erinnerst du dich? – da meinte ich tatsächlich… was in Gottes Namen machst du da?!“ Erschrocken riss er den Kopf nach oben, als das schlichte Shirt des anderen zu seinen Füßen auf den Boden klatschte, und Lorenor in einer äußerst unvorteilhaften Position versuchte, seinen Stiefel im Stehen auszuziehen. „Wonach sieht es denn aus?“ „Könntest du bitte aufhören, dich zu entkleiden?“ Offensichtlich überrascht hielt Lorenor darin inne, seinen Stiefel auszuziehen, hüpfte leicht zur Seite, um seine Balance zu halten. „Was ist denn jetzt schon wieder dein Problem?“, knurrte er, obwohl er in dieser bedauernswerten Haltung alles andere als bedrohlich wirkte. „Mein Problem ist, dass du dich gerade ausziehst“, entgegnete Dulacre mit feuerroten Wangen. „Weil du gerade gesagt hast, dass du mit mir Sex haben willst!“ „Ja, aber das bedeutet nicht, dass du dich ausziehen sollst!“ Dulacre war aufgesprungen, doch Lorenor sah ihn perplex an, senkte sein erhobenes Bein, nun ohne Stiefel. „Ach, so einer bist du also“, murmelte er und wedelte leicht mit dem Stiefel in der Hand herum. „Na, mir soll es egal sein, ob mit oder ohne Klamotten.“ „Was?! Nein! Darum geht es gerade gar nicht!“, entkam es ihm aufgebracht und er riss die Arme hoch in einem verzweifelten Versuch, die Situation irgendwie zu retten. „Was regst du dich denn jetzt wieder so auf? Ich sollte wütend sein“, knurrte Lorenor und richtete seinen Stiefel fast wie eines seiner Schwerter auf Dulacre. „Schließlich hast du wieder einmal…“ „Ich habe gar nichts“, unterbrach er ihn und packte dessen Stiefel. „Alles, was ich getan habe…“ „Du hast wieder mal den Mund nicht aufgemacht!“ Der Stiefel flog nahe der Badezimmertüre zu Boden, als sie fast zeitgleich losließen. „Ich hab keinen Bock darauf, dass du mir wieder mal irgendeinen Scheiß vorenthältst und ich das dann vom Koch erfahre.“ Überrascht ließ Dulacre die Hände sinken, während Lorenor laut aufschnaubte. „Lorenor“, begann er bewusst ruhig, als er so langsam – viel zu langsam - die Hintergründe erfasste, „ich habe dir nichts vorenthalten oder verschwiegen. Alles, was…“ „Hast du wohl!“, knurrte er nun, und benahm sich beinahe wie der Bengel, der er doch ganz offensichtlich nicht mehr war. „Du hast nicht ein einziges verdammtes Mal erwähnt, dass du mit mir…“ „Weil es mir nicht wichtig ist!“ Er packte Lorenors Handgelenk, als dieser zu einer weiten Geste ausholte und ihn nun verwirrt anstarrte. „Ich habe jene Fantasien nie vor dir verschwiegen. Bereits damals habe ich dir von ihnen erzählt, auch wenn du mich nicht verstanden haben solltest. Aber sie waren für mich nie mehr als das, Fantasien. Ich habe nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht, sie Realität werden zu lassen.“ „Aber der Koch…“ „Seit wann interessieren dich denn bitte seine Worte?“ Einen Moment schwiegen sie, dann seufzte Dulacre und versuchte, die Situation zu deeskalieren. „Lorenor, hör mir zu. Für einen jungen Mann wie den Smutje mag eine Beziehung ohne sexuelle Bindung unvorstellbar und seltsam erscheinen, deshalb mag er solch dumme Sprüche klopfen, aber bitte lasse ihn nicht für mich sprechen.“ Nun schenkte er Lorenor ein leises Lächeln. „Weißt du, ich bin schon lange keine zwanzig mehr und das ist vielleicht das einzig Gute daran, dass ich so viel älter bin als du. Ich hatte genug Zeit, mir die Hörner abzustoßen, Dinge auszuprobieren, zu erleben, und meine Prioritäten haben sich verändert. Ich weiß genau, was ich will, was ich in einer Beziehung mit dir erwarte, und nichts – absolut nichts – davon hat sexuellen Hintergrund. Ich möchte dich und deine Nähe, mit allem, was du zu geben hast, sei es gut oder schlecht, aber ich brauche dafür keinen Geschlechtsverkehr und sollten wir nie diesen Schritt gehen, ist das für mich absolut in Ordnung. So wie unsere Beziehung derzeit ist, macht sie mich sehr glücklich. Deshalb habe ich es nicht erwähnt, nicht, um dir etwas zu verschweigen oder um falsche Rücksicht zu üben, sondern schlicht aus dem Grund, dass es mir nicht in den Sinn gekommen ist, so unwichtig waren diese Fantasien.“ Wieder einmal sah Lorenor ihn viel zu lange viel zu ernst an, wehrte sich jedoch zumindest nicht gegen Dulacres Griff. Würde er sich je an diesen intensiven Blick gewöhnen? Beinahe beneidete Dulacre es, dass Lorenor solche Worte hören und ihn völlig unbeeindruckt anstarren konnte, während seine eigenen Wangen brannten. Früher war all das für Dulacre nicht so schwierig gewesen. Aber dann erinnerte er sich wiederum, dass er früher nie so gefühlt hatte. Ohne Gefühle war es einfacher, unbedeutender Spaß. Aber nichts an Lorenor war unbedeutend und so war es nicht einfach für Dulacre. Dann schienen die Zahnräder einzurasten und Lorenor neigte erneut leicht den Kopf, offensichtliches Zeichen, dass er versuchte, Dulacre nachzuvollziehen. „Okay, aber dennoch, du würdest es wollen, oder? Du würdest mit mir schlafen wollen?“ Leise aufstöhnend rieb Dulacre sich mit seiner freien Hand durchs Gesicht, verstand nicht, warum der andere solche Nachfragen stellen musste und dabei auch noch so sachlich bleiben konnte, aber wusste, dass er sie ernsthaft beantworten musste. „Ja, Lorenor, a… könntest du das bitte lassen und mich aussprechen lassen?“, fauchte er, als Lorenor auf sein erstes Wort hin sich direkt hinabbeugte, um mit seiner freien Hand seinen zweiten Stiefel auszuziehen. „Ganz gleich, wie dieses Gespräch hier verlaufen wird, wir werden heute nicht miteinander intim werden, verstanden?“ „Was? Wieso denn jetzt doch nicht? Ich dachte, du willst das?“ Offensichtlich verwirrt sah Lorenor ihn an. Meinte er das ernst? Konnte er wirklich so schlicht sein? Heute forderte Lorenor wirklich seine Geduld. „Ja, allerdings nicht unter der Prämisse, dass du dich von den Worten des Smutjes verunsichern und zu irgendwelchen Handlungen hinreißen lässt.“ „Hä?“ Gerade in diesem Moment wirkte er wirklich unglaublich naiv und jung, wie er nicht mal ansatzweise verstand, was er in Begriff zu tun gewesen war. „Wovon redest du?“ „Davon, dass wir dieses Gespräch hier nur führen, weil ein paar neckende Worte des Smutjes dich verunsichert haben. Von dir aus wärest du nie auf die Idee gekommen, mich je danach zu fragen, ob ich ein solches Interesse habe, und aus diesem Grund werde ich nicht so einfach mit dir intim werden, selbst wenn es etwas ist, was ich gerne tun würde.“ Lorenor sah ihn an, als würde er Kopfschmerzen bekommen – und den Schmerz konnte Dulacre nur zu gut nachvollziehen – und neigte leicht den Kopf. „Ich verstehe absolut nicht, was jetzt wieder dein Problem ist“, entgegnete er dann, viel ruhiger als zuvor. „Okay, es war eine dumme Bemerkung des Kochs, aber wenn Sex etwas ist, was du machen willst, dann sollten wir darüber sprechen und…“ „Lorenor, es ist wie du sagst. Unser Altersunterschied beschäftigt mich durchaus - allerdings nicht aus den von dir genannten Gründen – und natürlich bedeutet dies auch, dass ich in manchen Bereichen bereits Erfahrungen gesammelt habe, die du noch nicht hast und vielleicht noch nicht einmal sammeln möchtest.“ Sachte sprach Dulacre, versuchte behutsam mit dem anderen umzugehen und gleichzeitig diese prekäre Thematik irgendwie zu überstehen. „Und ja, es würde mich durchaus glücklich machen, mit dir intim zu werden, aber so, wie du dachtest, dass ich aus falscher Rücksicht mit dir nicht über solche Dinge spreche, so möchte ich nicht, dass du dich aus falscher Rücksicht zu solchen Taten hinreißen lässt.“ „Heißt?“ „Heißt, ich möchte nicht, dass du dich mir aufdrängst, nur auf die Worte eines anderen hin. Sollten wir je intim miteinander werden, dann nur weil du und ich dies auch wollen. Also, Lorenor, lass mich dir deine eigene Frage stellen: Möchtest du überhaupt mit mir schlafen oder war dein Hereinstürmen nur eine Handlung, aus dem Affekt geboren?“ Lorenors Auge weitete sich und die Überraschung in seinem Gesicht bestätigte Dulacres Vermutung. „Da… darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.“ „Das überrascht mich nicht wirklich“, seufzte Dulacre mit einem leisen Schmunzeln, „und es ist in Ordnung. Du musst solche Entscheidungen nicht treffen und du musst darüber auch nicht nachdenken, nicht heute Abend und auch in Zukunft nicht. Aber solltest du je darüber nachdenken, können wir dann immer noch Gespräche führen… und vielleicht, aber nur vielleicht, mehr als das.“ Und zu seiner Überraschung war es nun Lorenor, der leicht errötete, als ob Dulacre etwas wahrhaft Zweideutiges gesagt hätte. Er senkte den Blick und rieb sich den Nacken. „Irgendwie komme ich mir gerade richtig dumm vor“, murmelte er nach ein paar Sekunden und endlich ging er auf Dulacres Angebot ein und ließ sich auf den freien Sessel fallen. „Nun, ich gebe zu, dass es mich überrascht, wie leicht du dich von den Worten des Smutjes hast verunsichern lassen. Normalerweise sind dir solche Kommentare doch einerlei“, lenkte Dulacre ein und beobachtete ihn aufmerksam. „Nah, ich war vorher schon angepisst und er hat’s halt ausgenutzt“, murrte Lorenor unzufrieden und rieb sich durchs Gesicht. „Weil ich mich verspätet habe?“ „Weil du schlecht gelaunt warst, aber so getan hast, als wäre nichts und dann einfach abgehauen bist.“ Mit einem Mal sah Lorenor ihn wieder eiskalt an. „Hab dir angesehen, dass etwas nicht stimmt, aber weil ich nicht wusste was, hätte der Koch genauso gut Recht haben können.“ Dulacre seufzte. „Vergib mir, Lorenor. Aber mein Verhalten hatte wirklich nichts mit den Vermutungen deiner Crew zutun. Es war ein langer Tag, ich habe mich darüber geärgert, mich verspätet zu haben und ich werde den ganzen Tag schon von Kopfschmerzen geplagt – wie immer, wenn ich der Familie Cho zu lange ausgesetzt bin – aber ich wollte die wenigen Stunden, die ich in deiner Gesellschaft verbringen kann, nicht mit solchen Nichtigkeiten belasten. Mir hätte bewusst sein sollen, dass du es bemerken und missverstehen könntest.“ „Schon gut“, murrte Lorenor in seiner üblichen stoischen Gelassenheit, während er sich schwerfällig wieder erhob und seinen zweiten Stiefel einsammelte. „Aber hey sag mal, du meintest eben was davon, dass wir heute nicht miteinander intim werden. Also auch nicht, wenn ich es wollen würde? Warum? Warum würdest du nicht wollen?“ Wieder brachte er Dulacre zum Schmunzeln. Manchmal waren seine Gedankengänge doch sehr eigen. Errötend senkte er den Blick, hatte wirklich nie gedacht, sich mit Lorenor über so etwas zu unterhalten. „Weil es etwas ist, was uns beiden Spaß machen soll, Lorenor, und zumindest heute würde ich an solchen Aktivitäten keinen Gefallen finden.“ „Oh“, machte Lorenor, „stimmt, du bist erschöpft und hast Kopfschmerzen.“ „So schlimm ist es nicht, aber ja, ich bin heute gewiss nicht in bester Verfassung und wie bei unserem ersten richtigen Kampf, finde ich, dass auch dein erstes Mal nicht überstürzt oder halbherzig stattfinden sollte. Ich möchte sichergehen, dass wir beide es genießen können.“ Langsam nickte der Jüngere, als würde er über Dulacres Worte nachdenken, ehe er unverhohlen gähnte. „Okay“, murmelte er beim Gähnen, zog seinen Stiefel an und richtete sich wieder auf. „Dann sollte ich jetzt gehen und dich schlafen lassen, oder?“ Dulacre zuckte mit den Schultern. Wie konnte er nur so einfach solche Themen so abschließen, als hätten sie übers Training gesprochen? Wirklich beneidenswert. „Nun ja, wenn du noch etwas mit deinen Freunden feiern möchtest, solltest du das tun. Aber falls du auch schon müde sein solltest…“ Er deutete mit einer Hand hinter sich. „… das Bett wäre groß genug für zwei.“ Misstrauisch sah Lorenor zu ihm auf. „Na, du wolltest doch mit mir schlafen, Lorenor, dann lass uns doch zusammen schlafen.“ Plötzlich erhellte sich Lorenors Gesicht, wie früher, wenn Dulacre einer zusätzlichen Trainingseinheit zugestimmt hatte. „Oh, der Vorschlag gefällt mir.“ Lachend strubbelte er dem Jüngeren durchs Haar, der daraufhin wie gewohnt seine Hand wegschlug. „Ich habe mir fast gedacht, dass dir das mehr liegen wird.“   Die Zeitung lesend lag Dulacre aufrecht gegens Kopfende gelehnt im Bett und sah auf, als Lorenor mit nur einem Handtuch um die Schultern und ansonsten vollständig entblößt aus dem Badezimmer kam. „Du versteckst dich ja gar nicht, wie du es sonst immer machst“, bemerkte dieser neckend, ohne überhaupt zu Dulacre hinüberzusehen, sondern ging zu Dulacres Koffer hinüber. „Ich leih mir eine von deinen Unterhosen, okay?“ „Im Einschubfach im Deckel sind noch Neugekaufte, nimm dir bitte eine von denen“, entgegnete er mit einer angenehmen Wärme auf den Wangen, während er es sich erlaubte, den Jüngeren ganz ungeniert zu beobachten, „und ich habe es dir doch mal erläutert, oder nicht? Es ist etwas anderes.“ „Weil ich jetzt dein Sozius bin?“ „Ja.“ Für einen Moment sahen sie einander nur an, dann senkte Dulacre seinen Blick wieder auf die Zeitung und Lorenor rubbelte sich sein Haar trocken. „Hättest du es damals gedacht?“ fragte er leise und sicherte sich Dulacres Augenmerk, obwohl er selbst gerade zu seinen Schwertern ging und sie ans Bett trug. „Hättest du damals im East Blue gedacht, dass die Dinge sich so entwickeln würden?“ „Du meinst, dass Lorenor Zorro eines Tages in mein Hotelzimmer stürmen und nach Sex verlangen würde?“ Leise lachte er auf. „Natürlich nicht, wobei ganz ähnlich hast du mich ja auch damals zum Kampf herausgefordert, überraschen sollte es mich also nicht.“ Leise seufzte er, erinnerte sich an Jiroushins Worte. „Aber rückblickend betrachtet, wer weiß, vielleicht war ich dir damals bereits verfallen.“ „Hä?“ Nun sah Lorenor ihn an, während er seine Schwerter gegen den Nachttisch lehnte. „Echt jetzt?“ Dulacre zuckte mit den Schultern. „Nun ja, was erwartest du jetzt von mir? Laut Jiroushin hast du mich wohl immer schon fasziniert.“ Lorenor setzte sich auf die Bettkante und schwieg. „War das etwa zu direkt für dich?“ „Nein“, murmelte er, dann sah er Dulacre an. „Aber… was meinte Jiroushin mit schon immer? Seit…?“ „Nein“, unterbrach er Lorenors Sorge sofort. „Nicht erst seit Sasaki.“ Erneut wurde Lorenors Auge groß vor Erstaunen. „Bereits seit dem East Blue.“ Nun senkte Lorenor den Blick und ein fast schon fassungsloses Lächeln glitt ihm über die Züge, wie der naive Wildfang, der er nun mal auch war, dass ihm tatsächlich immer noch nicht bewusst war, wie beeindruckend sein damaliges Verhalten gewesen war. Dann warf der Jüngere seine Beine aufs Bett und verschränkte die Arme unterm Hinterkopf, ohne überhaupt daran zu denken, sich zuzudecken. „Na dann, gute Nacht.“ Dulacre sah zu ihm hinab, wunderte sich wieder mal, was in Lorenors Kopf wohl vorging, doch ehe er überhaupt etwas antworten konnte, fing der andere schon leise an zu schnarchen; innerhalb von Sekunden eingeschlafen.   Kapitel 6: Extrakapitel 6 - von Wölfen und Bären ------------------------------------------------ Von Wölfen und Bären Während des 2. Teils, zu Beginn der zweijährigen Ausbildung auf Kuraigana   -Zorro- „Einen Anzug! Ernsthaft? Für so etwas verschwendet Kanan unsere Trainingszeit?“ „Lorenor." „Lorenor mich nicht! Zwei ganze Tage! Und für was? Für einen Anzug, den ich eh nie tragen werde, weil…" „Genug!“, unterbrach Dulacre ihn offensichtlich entnervt, nicht dass Zorro weniger genervt war. „Wir beide hatten sowohl gestern als auch heute Termine auf Sasaki und Sadao, daher wären wir so oder so nicht früher abgereist.“ Zorro stöhnte genervt über die Rationalität des Samurais auf, wovon dieser sich jedoch nicht aufhalten ließ. „Außerdem möchte ich dir vehement widersprechen. Auch wenn wir derzeit noch nicht wissen, ob die Situation je eintreffen wird, so ist es nie verkehrt, einen Anzug für den Fall der Fälle parat zu haben.“ Zweifelnd sah Zorro zum anderen auf, der die Beine überschlagen auf seinem Thron saß und die Zeitung las. „Ich bin Pirat“, stellte er fest, „wann zur Hölle sollte ich einen maßgeschneiderten Anzug brauchen?“ Nun sahen diese grellen Augen über den Rand der Zeitung auf Zorro hinab und selten hatte der andere ihn so herablassend angestarrt, doch nach einigen harten Herzschlägen seufzte Dulacre bedauernd auf und senkte seinen Blick wieder auf die Zeitung. Augenrollend wandte Zorro sich dem Meer zu, ignorierte bewusst den anderen. Wusste, dass Dulacre nur wollte, dass Zorro nachhaken würde, damit er wieder einmal über seinen Modegeschmack meckern konnte, aber diesen Gefallen würde er ihm nicht tun. Wenn Zorro ehrlich war, so war sein Lehrmeister da nicht besser als Kanan oder Perona und vielleicht sollte er sich glücklich schätzen, dass Dulacre noch nicht darauf bestanden hatte, Zorro selbst einzukleiden. Aber das sollte er wohl nicht zu laut denken, am Ende würde es den anderen nur auf dumme Gedanken bringen. Der Samurai konnte wirklich nervig sein und es war schon schlimm genug, dass er Zorro so oder so immer wieder meinte belehren zu müssen, aber zumindest in dieser einen Sache könnte er doch mal die Klappe halten und Zorro in Ruhe lassen. „Verkappter Schnösel“, knurrte er leise nach einigen ruhigen Minuten, in denen er sich still über den anderen ärgerte, und verschränkte die Arme. „Lorenor!“, kam fast zeitgleich schon die Ermahnung. „Was denn? Stimmt do…“ „Geh unter Deck!“ Überrascht sah Zorro wieder auf. Dulacre sah nicht zu ihm hinab, sondern aufs Meer, richtete sich allmählich auf und faltete die Zeitung. Seine ganze Körperhaltung hatte sich verändert und Zorro hörte es seiner Tonlage an; etwas stimmte nicht und das hatte anscheinend nichts mit seinem Kommentar zu tun. „Was? Was ist denn…?“ „Unter Deck! Beeil dich!“ Der Samurai trat seinen Thron zurück. „Stelle sicher, dass man dich nicht wahrnehmen kann, und wenn du dich dafür verwandeln musst.“ Zorro merkte seine Anspannung, nicht sicher weshalb, aber wusste, dass er dieses eine Mal nicht diskutieren sollte. „Okay.“ Er rappelte sich auf und war schon drauf und dran, die Luke herunterzuklettern, da griff Dulacre ihn am Arm und zog ihn zurück. „Hey! Was soll das denn...?“ Wusch! Er hätte nicht mal zurückstolpern können, hatte es nicht mal gesehen, hätte nie im Leben schnell genug reagieren können. Dulacre hatte ihn zurückgezogen, doch mit der freien Hand hielt er etwas fest, das fast wie ein Geschoss sie angegriffen hatte, schneller als Zorro es hatte sehen können. Aber erst auf den zweiten Blick erkannte Zorro, was da auf sie zugeschossen gekommen war. Es war eine Axt, eine riesige Streitaxt, ähnlich groß wie Yoru, und ihre dunkle Stimme bebte übers Meer wie der Angriffsschrei eines Riesen. „Was zur…?“ Zorro starrte die Streitaxt an, die der andere so selbstverständlich aufgefangen hatte. Wo zur Hölle kam diese Waffe her? Und wer oder was hatte sie geworfen? „Ach, das wird wieder einmal lästig“, seufzte Dulacre dann auf, ehe er weit ausholte und die Axt einfach wegschleuderte, ehe er sich Zorro zuwandte. Die Anspannung von zuvor war vergangen, dennoch wirkte er alles andere als entspannt. „Ich möchte, dass du hinter mir bleibst und dich nach Möglichkeit wenig bewegst, verstanden?“ Verwirrt starrte er den anderen an. „Ich… ich soll nicht mehr unter Deck?“ „Nein“, seufzte Dulacre auf, ehe er sich wieder dem Meer zuwandte, „dafür ist es nun zu spät. Wir wurden bereits bemerkt.“ „Was? Von wem reden…?“ „Falkenauge!!“ Aus der Richtung, in die Dulacre gerade die Axt geschleudert hatte, kam ein ohrenbetäubender Schrei und im nächsten Moment drückte Dulacre Zorro mit einer Hand hinter sich, ummantelte seinen anderen Unterarm und blockte ebengenannte Axt mit der bloßen Hand ab. „Da bist du ja!“ Das Sargboot schaukelte so heftig, dass es Zorro beinahe zu Fall brachte. Dann sah er auf und musste schlucken. Kaum zwei Meter vor ihnen hockte ein Biest auf der niedrigen Balustrade des Sargbootes, die riesige Streitaxt über die Schulter geworfen, hielt den Griff lässig in einer Hand, die eher einer Pranke glich. Wildes Haar war in einer Vielzahl von zotteligen Zöpfen halbwegs gebändigt und selbst in dieser gebückten Haltung war dieses Biest fast so groß wie Zorro. „Manata“, sprach Dulacre unterkühlt, „was willst du?“ „Ist das nicht offensichtlich?“, antwortete das Biest, welches Dulacre mit Manata ansprach. „Kämpf gegen mich, Falkenauge!“ „Ich wiederhole meine Worte von unserer letzten Begegnung“, entgegnete Dulacre, immer noch mit dieser Kühle, die Zorro nur kannte, wann immer der Samurai von dessen Vater oder von Homura sprach, „aber ich hege kein Interesse an einem Kampf mit dir. Also bitte tue uns beiden den Gefallen und ziehe deiner Wege.“ „Nah“, grinste sie breit, zeigte vergilbte Zähne, die eher einem Raubtier glichen, „meine Leute werden noch was brauchen, bis sie mich eingeholt haben und ich will was Spaß, also kämpf mit mir.“ Sie deutete mit ihrer freien Hand hinter sich, wo sich in der Ferne der Schemen eines Schiffes am Horizont abzeichnete. Zorro glitt es kalt den Rücken hinunter. War sie so weit einfach gesprungen? Mehr noch, hatte sie aus dieser Entfernung ihre Waffe so zielgenau auf ihn geworfen? Verdammte Scheiße, wer war diese Frau, die eher einem wilden Biest glich? „Nein“, lehnte der Samurai ab. „Ach komm schon“, knurrte sie und schlug mit ihrer freien Hand auf ihren Oberschenkeln, brachte das Boot zum Erbeben. „Du bist stark, ich bin stark, lass uns kämpfen!“ „Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich dein Verlangen nicht stillen werde. Ich bin Schwertkämpfer und ganz gleich, wie stark du sein magst, du mit deiner plumpen Streitaxt wirst nicht in der Lage sein, meine Langeweile zu vertreiben, also werde ich meine Zeit nicht mit dir verschwenden." Kalt hallte Dulacres vernichtendes Urteil über die See, ohne dass er auch nur im Mindesten von der Aura der Fremden beeindruckt schien. „Was machst du hier überhaupt, Manata? So nahe der Red Line warst du doch schon bestimmt zwanzig Jahre nicht mehr. Ich dachte, ich hätte meine Ruhe vor dir." „Gab nen Krieg", murrte sie, als wären dies kaum mehr als Gerüchte. „Hab gehört, der alte Newgate is‘ nicht mehr, getötet von einem seiner eigenen Bälger." „Wie immer bist du schlecht informiert", seufzte Dulacre mit einer Überheblichkeit, die Zorro nur zu vertraut vorkam. „Dieser Krieg war vor Wochen. Du wirst in diesen Gewässern niemanden mehr finden, erst recht nicht Marshall D. Teach." Sie zeigte wieder ihr wildes Grinsen. „Warst du dort, Falkenauge? Hast du gekämpft?" „Als Samurai wurde meine Anwesenheit erwartet, aber einen Kampf würde ich es nicht nennen; es war ernüchternd langweilig." Sie lachte laut auf und schlug sich mehrmals auf den Oberschenkel, brachte das Boot wieder zum Wanken. „Du bist schon ein lustiges Gör und redest immer noch wie ein piekfeiner Schnösel." „Ich bin von edlem Blut, das darf man meiner Wortwahl ruhig anhören", entgegnete er blasiert. „Aber du bist Pirat." Plötzlich richtete sie sich auf, brachte das Boot in leichte Schieflage. „Und Piraten reden nicht, sie kämpfen." Erneut seufzte Dulacre auf diese Art, die Zorro zu gut kannte von ihren langwierigen Trainingseinheiten über das Observationshaki. „Manata, ich werde nicht meine Zeit mit dir…" „Huch, was bist du denn? Ein Welpe?" Nun aufgerichtet, überragte sie Dulacre um einiges und sah beinahe verwundert auf Zorro hinab. Sie musste größer als Brook sein - und mindestens fünfmal so breit wie das Skelett - Haut und Leder spannten sich über schwere Muskeln. Wer zur Hölle war diese Frau? Sie musste verdammt stark sein, wenn sie sich erlauben konnte, so mit Dulacre zu reden, ohne dass er sie sofort mit Drohungen bewarf. Gleichzeitig war Zorro sich sicher, noch nie von einer riesigen Axtkämpferin auf einem solchen Niveau gehört zu haben. „Eher ein Streuner, beachte ihn nicht." Doch sie hatte sich schon vorgebeugt, eine Hand vorgestreckt und machte ein seltsames Geräusch, als wollte sie Zorro wie ein verängstigtes Kätzchen anlocken. „Was soll das denn werden?" Verwirrt starrte er sie an. Obwohl sie sich vorgebeugt hatte, überragte sie ihn immer noch, und wenn sie glaubte, dass ihre Körperhaltung sie weniger bedrohlich wirken ließ, irrte sie sich gewaltig, aber dafür konnte Zorro so für einen Moment ihre Axt besser begutachten. „Oh, es ist putzig", flüsterte sie beinahe bedächtig, als wolle sie Zorro nicht verscheuchen. Dachte sie wirklich, er hätte Angst vor ihr? „Deins, Falkenauge.?" „Nein, wie gesagt, er ist nur ein…" „Dann will ich‘s haben!" „Halt!" Die rauen Finger der Fremden waren keiner Handlänge entfernt von seinem Gesicht nach ihm ausgestreckt. Die Hand, mit der sie ihn eben noch hatte locken wollen. Fast schon wahnsinnig starrte sie ihn an. Jetzt verstand Zorro, warum er sich nicht bewegen sollte. Er war schlicht nicht in der Lage, ihre Bewegungen schnell genug zu sehen, geschweige denn zu reagieren. Dulacre hatte sie aufgehalten, seine Finger umschlossen noch nicht mal ansatzweise ihr breites Handgelenk, während er sie ruhig ansah. Aber Zorro kannte auch diesen Blick, die unterdrückte Wut. „Du befindest dich auf meinem Territorium, Manata, verhalte dich dementsprechend." Sich offensichtlich keiner Schuld bewusst, sah sie zu Dulacre hinab. „Aber wenn‘s doch nicht deins ist…" Sie zuckte mit den Schultern. „Es riecht nach Blut und Kampf; ich will‘s haben. Mein letzter Welpe hat‘s leider nicht gepackt." „Verschone mich mit deinen Geschichten und verschwinde. Hier gibt es nichts für dich zu holen, weder einen Kampf noch einen Welpen. Mach dich auf und suche Teach, nur deshalb bist du doch überhaupt hier, nicht wahr? Um herauszufinden, ob der Bengel, der Newgate töten konnte, auch so stark ist, wie die Geschichten sagen." Eine Zornesader pulsierte auf Dulacres Schläfe, als die Fremde ihn einfach ignorierte und Zorro weiter anstarrte. „Ich will aber den Welpen." Dann starrte sie Dulacre mit einem breiten Grinsen an. „Und wenn du nicht willst, dass ich mir den Welpen nehme, dann wirst du mich mit Gewalt davon abhalten müssen!" „Hn!" Zorro nahm einen tiefen Atemzug, als Yoru nur eine Handbreit vor seiner Nase die Streitaxt abwehrte. Er war nicht gewohnt, nichts zu tun, gleichzeitig wusste er, dass er genau das tun musste. Seine reine Anwesenheit bedeutete für Dulacre gerade einen Nachteil. Dann sah er Dulacres Blick und für einen Moment vergaß er beinahe die Frau mit der Streitaxt. Dann war der Wimpernschlag vorbei und Dulacre drängte die Streitaxt zurück. „Genug!" Und dieses Mal versuchte er erst gar nicht seine Wut zu verbergen. „Deine Spiele amüsieren mich nicht, Manata. Ich werde nicht gegen dich kämpfen, nur weil du es wagst, mir in meinem eigenen Territorium zu drohen." Nicht im Mindesten eingeschüchtert, neigte sie leicht den Kopf zur Seite. „Und wie willst du mich dann aufhalten, junger Wolf?" Sie lehnte sich vor. „Du warst ja schon als Welpe dreist, aber mittlerweile ist deine Arroganz echt nervig. Hör auf, so stur zu sein und kämpfe endlich gegen mich." „Nein, was du begehrst, wirst du hier nicht finden", widersprach Dulacre. „Der Welpe ist tabu, verstanden? Und wenn du kämpfen willst, dann suche dir Gleichgesinnte, aber meine Antwort von vor zwanzig Jahren ist immer noch dieselbe: kein Interesse!" „Du kleiner, dreister…" „Ich werde gegen dich kämpfen." „Was?" Mit einstimmiger Verwirrung sahen die beiden anderen ihn an, dann verfinsterte sich Dulacres Miene, während die Fremde dröhnend auflachte. „Oh, du süßer Welpe. Aber du bist viel zu schwach. Ich würde dich wie ein rohes Ei zerpratschen." „Mag sein, heute bin ich noch zu schwach. Aber du willst doch gegen ihn kämpfen, weil er der beste Schwertkämpfer ist, oder? Weil er stark ist?" Sie nickte sachte. „Nun, ich bin auch Schwertkämpfer", sprach Zorro weiter und legte eine Hand an seine Waffen, „und ich will ihn besiegen, das bedeutet, ich muss stärker als er werden. Wäre ich dann nicht ein viel interessanterer Gegner für dich als der ehemalige beste Schwertkämpfer der Welt? Und mir ist es egal, wie und womit mein Gegner kämpft, solange der Kampf nur spannend ist." Aus dem Augenwinkel konnte er ein leichtes Augenrollen Dulacres sehen, aber das war ihm gerade ziemlich egal. Er meinte absolut ernst, was er sagte. „Außerdem weist er dich doch schon seit über zwanzig Jahren ab, oder? Was machen da zwei Jahre mehr oder weniger? Warte noch, bis ich ihn besiegt habe, und dann werde ich mit Freuden gegen dich kämpfen." Er war es gewohnt, von Dulacre eindringlich gemustert zu werden, war an dessen scharfe Augen gewöhnt und dennoch, ihr Blick war alles andere als unbeeindruckend. „Sag, Falkenauge, ist dieser Welpe lebensmüde oder einfach nur dumm?", fragte sie kühl. „Er ist noch recht jung und ungestüm. Und wie du weißt, haben Streuner für gewöhnlich schlechte Manieren", entgegnete dieser aalglatt, „aber selbst der ungestümste Welpe wird irgendwann erwachsen und ich beabsichtige zu verhindern, dass er vorher durch seine leichtfertige Art stirbt." Sie brummte zustimmend, dann warf sie sich wieder ihre Axt über die Schulter. „Nun denn, meinetwegen, abgemacht, kleiner Welpe. Du besiegst Falkenauge und dann kämpfen wir, und wehe du versuchst, dich zu drücken." „Warum sollte ich?" Zorro grinste. „Ich mag starke Gegner und ich liebe den Kampf." Mit einem Mal grinste sie auch. „Altes Blut", flüsterte sie, „das gute alte Blut." Dann wandte sie sich um. „Gut, dann suche ich mir jetzt jemanden, um die Zeit totzuschlagen. Bis dann, Falkenauge, Welpe." Und im nächsten Moment sprang sie einfach von Bord, mit so einer Kraft, dass der kleine Bug des Sargbootes etwas Wasser schöpfte. Zorro sah ihr nach, wie sie auf dem Schiff landete, welches nicht mehr weit entfernt war, und lautes Gebrüll wehte zu ihnen herüber, als ihre Leute sie wohl begrüßten. „Was zur…? Wer zur Hölle war das?", murmelte Zorro, rieb sich den Schweiß von der Stirn und sah dem Schiff nach, welches nun einen neuen Kurs einzuschlagen schien. „Manata, die Bärin", kam es kühl vom Samurai, der gerade sein Schwert wieder verstaute und sich dann mit verschränkten Armen neben Zorro stellte, während das Sargboot weiter Kurs auf Kuraigana nahm. „Der Krieg hat wirklich ein neues Zeitalter angerissen, wenn er selbst sie aus ihrem Winterschlaf wecken konnte. Hätte nicht gedacht, ihr nochmal auf offener See zu begegnen." Dann schüttelte er den Kopf und wandte sich mit einem Seufzen um. „Wie dem auch sei. Hatte ich dir nicht gesagt, du sollest dich zurückhalten? Dein Einmischen war töricht und unnötig und Manata vergisst nicht." Mit seiner üblichen, nervigen Eleganz ließ er sich auf seinem Thron nieder. „Du hast gesagt, ich soll mich nicht bewegen; hab ich nicht", korrigierte Zorro ihn mit einem Grinsen. „Und ich hoffe, dass sie nicht vergisst, schließlich wirkt sie wirklich stark." Dulacre schenkte ihm ein Augenrollen und zog seine Zeitung wieder hervor. „Sie ist stark", bestätigte er dann. „Sie stammt aus der gleichen Generation wie Whitebeard, aber fristet ihr Dasein eher zurückgezogen in den hohen Bergen des North Blues. Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn sie der Red Line nahekommt. Uns stehen wohl noch unruhigere Zeiten bevor, als ich erwartet habe." Mit einem Grunzen ließ Zorro sich auf den Boden fallen. „Warum hast du nicht einfach gegen sie gekämpft? Dann hätte ich mich gar nicht einmischen brauchen. Dachte, du magst starke Gegner und sie wirkte so, als würde sie problemlos mit dir mithalten können." „Oh, das kann sie vielleicht auch", bestätigte der Samurai überraschenderweise, da er andere für gewöhnlich doch nie anerkannte, „aber sie ist keine Schwertkämpferin und ihr grobschlächtiger Kampfstil ist eine Zumutung, mit der ich nicht meine Zeit vergeuden werde." Ah, da war die Herablassung, die Zorro schon fast vermisst hatte. „Es war wirklich töricht von dir, Lorenor. Ihre Kämpfe können schon mal gut und gerne Tage bis Wochen dauern." „Hört sich gut an", entgegnete Zorro mit einem unverhohlenen Gähnen. „Und was hätte ich auch anderes machen sollen? Du wolltest nicht gegen sie kämpfen und sie wollte mich dazu nutzen, dich zu erpressen." „Oh, du nimmst dich zu wichtig, kleiner Welpe. Du warst gewiss nicht ihr erstes Druckmittel und dennoch konnte sie mich nie dazu bringen, gegen sie zu kämpfen. Sie ist nicht gut im Verhandeln und verliert schnell die Geduld, daher kann man ihre Forderungen gut aussitzen. Aber nun ja, über Vergangenes zu lamentieren bringt bekanntlich wenig. Ich bin sie los und du wirst dich in Zukunft mit ihr herumschlagen dürfen. So hat der Tag doch etwas Gutes, zumindest für mich." Zorro rollte darüber nur die Augen, aber entgegnete nichts. So schwiegen sie. Dulacre las seine Zeitung und Zorro betrachtete seine Finger; sie hatten nicht mal gezuckt, als die Bärin ihn angegriffen hatte. Er hatte weder gesehen, wie Dulacre sein Schwert gezogen hatte, noch konnte er auch nur ansatzweise erfassen, wie viel Kraft ihre Angriffe ausgestrahlt hatten. Er hatte wirklich noch einen langen Weg vor sich, um auf diesem Niveau mitspielen zu können. „Ich konnte kaum ihre Bewegungen sehen", murmelte er, mehr zu sich selbst als irgendwem anders, „hab die Axt noch nicht mal gesehen, bis du sie aufgefangen hast." Dann fiel ihm etwas auf. „Warum hast du die Axt eigentlich zurückgeworfen und nicht einfach ins Meer fallen lassen." Dulacre machte einen abfälligen Laut. „Wer weiß, wann dieses Frauenzimmer das letzte Mal gebadet hat, und selbst im trockenen Zustand stank sie schon bestialisch." Manchmal konnte Zorro der Logik seines Lehrmeisters absolut nicht folgen. Weder verstand er, warum Dulacre den Kampf gegen sie so ablehnte, noch warum er die Konfrontation dennoch suchte. Er und seine Strategiespielchen waren echt anstrengend und Zorro verstand sie nie wirklich. Weder, wenn es um diese Manata ging, noch wenn es Lady Loreen betraf. „Sag mal", bemerkte er dann. „Sie hat mich gesehen und du hast doch gesagt, ich solle möglichst lange geheim halten, dass ich überlebt habe. Wird das jetzt nicht ein Problem?" Er sah auf, als Dulacre laut lachte und ihm dann ein selten ehrliches Lächeln schenkte. „Da brauchst du dir keine Sorgen machen, Lorenor. Die Geschehnisse der Welt interessieren sie nur insoweit, wie sie mögliche Gegner ausmachen kann, und vermutlich hat sie weder deinen Namen je gehört noch dein Gesicht je gesehen. Und selbst wenn, solange du nicht zu den Stärksten gehörst, hast du für sie die Relevanz einer Ameise." Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Zeitung. „Aber sobald du zu den Stärksten gehörst, wird sie dich immer wieder aufsuchen, bis du gegen sie kämpfst. Äußerst penetrant und so nervig. Wenn sie wenigstens ihre Gegner töten würde, aber nein, spielt mit ihnen wie mit einer Maus in der Falle. Und irgendwie schafft niemand es, sie endlich zu beseitigen. Gerüchten zufolge wurde ihr der Hals einst halb durchschlagen und selbst das hat sie nicht zu Fall gebracht. Wirklich ein anstrengendes Frauenzimmer." „Hört sich fast wie eine Duke an", murmelte Zorro nachdenklich. „Auf der anderen Seite denk ich das vielleicht auch nur wegen der Axt." „Duke?", fragte Dulacre überrascht nach. „Ja, du weißt schon, Exus Duke, legendärer Schwertkämpfer aus dem North Blue, wurde aus seiner Zunft geworfen, weil er seine Feinde wohl immer grausam verstümmelt hat, ohne ihnen den Gnadenstoß zu geben. Sie zerbrachen seine Schwerter und er nahm sich daraufhin die Axt eines Holzfällers und schlachtete alle aus der Zunft ab und keiner konnte ihn töten. Reiste danach umher, aber kämpfte nie wieder mit einem Schwert, nur noch mit einer Axt. Muss schon so 200 Jahre her sein, aber du musst doch von ihm gehört haben." „Natürlich ist mir der Name Exus Duke ein Begriff", bemerkte Dulacre, immer noch mit dieser Überraschung in der Stimme. „Und ganz Recht, er war tatsächlich Manatas Urgroßvater. Aber ich bin überrascht, dass dir dieser Name was sagt. Deine Bildung ist doch alles andere als ausgefeilt." Zorro war sich nicht sicher, ob der andere ihn beleidigen wollte - er klang nicht mal danach, während er Zorros Ausbildung verurteilte - also zuckte er nur mit den Schultern und lehnte sich gähnend gegen die niedrige Balustrade. „Natürlich sagt mir sein Name was“, meinte er dann. „Ich kenne die Namen aller großen Schwertkämpfer." „Ach, ist das so?" Nun klang Dulacre offensichtlich neugierig. „Das hätte ich nicht erwartet." „Was? Ich will der Beste werden, da sollte ich doch wissen, wer die Besten waren und wie sie kämpften." „Durchaus, ein tatsächlich recht kluger Ansatz." Na, das klang irgendwie auch fast wie eine Beleidigung. Doch dann rutschte Dulacre von seinem Thron zu Zorro hinab und sah ihn mit großen Augen an. Zorro kannte diese Geste und mochte sie absolut nicht. Meistens folgte darauf ein intensives Gespräch oder eine eindringliche Frage. „Dann zeige mir dein Wissen, Lorenor? Wer fällt dir ein, wenn ich den großen Metallen Krieg von vor 80 Jahren erwähne." Seine Frage überraschte Zorro und er merkte, wie seine Wangen warm wurden. „Das dritte Zeitalter der Schwertkämpfer", flüsterte er, wusste nicht, warum der andere ausgerechnet diesen Krieg aufgriff, und was das Ganze überhaupt sollte. Es war der letzte Krieg gewesen, in dem eine beeindruckende Anzahl an verschiedensten Schwertkämpfern gekämpft hatten und gestorben waren. Jeder Lehrmeister nutzte diese Anekdote als Lehrstunde und Warnung, dass die Schüler sich ihre Gegner mit Bedacht auswählen sollten. „Und? Wer war deiner Meinung nach der Beste in jener Zeit?" Zorro lachte auf. Damit hatte er nicht gerechnet, sondern mit einer weiteren Belehrung. „Du willst, dass ich mich auf einen festlegen? Das ist unmöglich!" „Es stimmt, viele beeindruckende Krieger stehen zu Wahl.“ Der andere nickte verständnisvoll.  „Wir könnten die verschiedenen Schwertkämpfer durchgehen und bewerten. Mich würde deine Meinung brennend interessieren und die Überfahrt dauert noch ein paar Stunden." Zorro sah ihn immer noch leicht verwirrt an. Seit seiner Zeit im Dojo war er noch nie einer Person gewesen, die ihn mit einer solchen Begeisterung angesehen hatte, nur weil sie über Schwertkämpfer sprachen. Und selbst damals hatten die meisten sich eher für die berühmten Namen interessiert, eher für ihre Taten, weniger für ihre Kampfstile. Langsam nickte er: „Okay, lass es uns machen. Ich wähle den ersten Namen. Siegma, die Eisenklaue."   Kapitel 7: Erste Version Part 3 Kapitel 36 - Loyalität ------------------------------------------------------ Herausgenommene Szene - Gespräch Eizen   Alternative Version von Kapitel 36 - Loyalität des 3. Teils, Gespräch zwischen Eizen und Zorro, während Rihaku die Unterlagen holt.   Zorro hatte Eizen gerade gefragt, warum dieser Mihawk diesen Brief geschrieben hat, obwohl er Zorro doch ein Alibi geben wollte.       „Ist das nicht offensichtlich?“ Klackende Schritte hallten von den Wänden. „Ganz gleich was die Strohhüte tun sollten, sie stellen keine Bedrohung dar. Aber Mihawk, er war diese eine Komponente, die ich nicht ganz einschätzen konnte. Er ist wie ein wildes Biest, wenn es um Sie geht, und ich war mir nicht sicher, ob er die Reverie gemütlich abwarten würde. Niemand weiß, wie stark er wahrhaftig ist, weil er für Jahre nicht wirklich gekämpft hat, aber er ist ja nicht umsonst der beste Schwertkämpfer der Welt, und dieses Risiko wollte ich einfach nicht eingehen.“ Für einen Moment hörte man nichts außer Eizens Schritten. „Und darum haben Sie mich verraten?“ „Ach, hören Sie doch auf. Ich habe Sie nicht verraten. Sie selbst haben ihn belogen und betrogen und für Ihre Crew verlassen. Ihnen muss doch bewusst gewesen sein, dass er es irgendwann herausfinden würde. Dies sollte Sie doch wirklich nicht so erschüttern. Also geben Sie nicht mir die Schuld. Wenn Sie Jemanden als Mittel zum Zweck einsetzen, müssen Sie halt damit rechnen, dass dieser dabei auch zu Schaden kommt. Nicht, dass Sie sonst ein Problem damit hätten, andere…“ Die Schritte des anderen verstummten. „Oh, kann es sein…? Sagen Sie bloß. Deswegen haben Sie es ihm nicht gesagt, Sie haben sich in ihn verliebt?“ Mit einem Mal klang Eizen so, als hätte er bereits die Weltregierung gestürzt und würde gerade die Krone überreicht bekommen. „Was für eine unerwartete Entwicklung! Der Tiefpunkt des zweiten Aktes, eine Tragödie! Ich dachte, Sie hätten ihn all die Jahre nur für Ihre Zwecke missbraucht. Wer könnte ein arrogantes, abstoßendes, ausgestoßenes Biest wie Mihawk schon ausstehen?“ Er klang beinahe ekstatisch. „Was für eine dramatische Wendung und oh, was für ein süßer Schmerz. Mihawk Dulacre, Abschaum der Gesellschaft, verhasst von seinem eigenen Vater, verlassen von seiner eigenen Crew, und dann verliebt dieses Monster sich in die kleine, unschuldige Loreen und plötzlich entdeckt er seine Menschlichkeit wieder. Es könnte beinahe ein Happy End sein. Aber dann… dann beschleichen ihn Zweifel - woher kam diese unbekannte Schönheit? – und er begab sich auf die Suche nach der Wahrheit. Hätte er es doch nur nicht getan, denn so musste er erkennen, dass seine alles geliebte und verehrte Lady Loreen niemand anderes ist als ein dreckiger Pirat, die er mehr hasst als alles andere, sogar mehr als die Marine, und dann… oh, sagen Sie mir, was hat er getan, als er es herausgefunden hat? Was hat er gesagt?“ Zorro war schlecht; alleine Eizen so reden zu hören erfüllte ihn mit so viel Abscheu, dass es ihm schwerfiel, es über sich ergehen zu lassen. Er hasste diese Charade, dieses Spiel, nicht zu sagen, was er dachte, nicht einfach aufzustehen und zu gehen. Wie gerne würde er diesem Mistkerl eine reinhauen. „Nun sagen Sie schon, Liebes!“ „Er…“ Ungewollt brach seine Stimme. Er musste sich zusammenreißen und so lügen, wie er es am besten konnte. Nur so konnte er sichergehen, diese Welt so schnell wie möglich hinter sich lassen zu können. „Er hat meine Crew angegriffen“, gestand er die Wahrheit, „aber… aber letzten Endes konnte er es nicht. Er konnte sie nicht…, mich nicht…“ „Und dann? Und dann?“ Langsam sah Zorro auf, sah wie dieser alte Mann ihn mit großen Augen und wahnwitzig breitem Grinsen anstarrte. „Er ging.“ „Ah“, lachte Eizen auf. „Ahahaha!“ Er schlug in die Hände, drückte sich eine Faust an den Mund, hüpfte leicht, als hätte Zorro ihm ein Wunder der Welt gezeigt. „Großartig! Großartig! Betrogen und verraten von dem einen Menschen, dem er je getraut hat, den er je geliebt hat, geht er gebrochen fort, ohne sich noch ein einziges Mal umzudrehen, und lässt den einen Menschen zurück, der ein Monster wie ihn je lieben könnte. Großartig! Besser hätte ich es nicht schreiben können. Was ein Meisterwerk.“ „Sie Mistkerl“, knurrte Zorro. „Oh nein“, entgegnete Eizen kopfschüttelnd. „Geben Sie nicht mir die Schuld, Liebes. Dies ist alles Ihr Verdienst. Sie haben ihn benutzt, Sie haben Mihawks Gefühle für Sie ausgenutzt, Sie haben ihn gebrochen und der Preis dafür war Ihr eigenes, kleines Herz. Was für eine romantische Geschichte, die Liebe zweier Monster, von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Es konnte nur so enden, es war Ihr Schicksal und das wussten Sie, als Sie entschieden, zu Ihrer Crew zurückzukehren und Lorenor Zorro nicht sterben zu lassen.“ Zorro entgegnete nichts, es fiel ihm schwer zu atmen, während Eizen wieder auf ihn zukam. „Aber verzagen Sie nicht, Liebes. Wie gesagt, dies war Tiefpunkt des zweiten Aktes. Ein jedes gutes Stück braucht einen solchen. Und nun, da die Fesseln Mihawks von Ihnen abgefallen sind, können Sie diese Welt für immer hinter sich lassen und mit mir zusammen die Herrscher einer neuen Welt werden.“ Er reichte Zorro eine Hand und Zorro wusste genau, was er zu sagen hatte; er musste mitspielen. „Werden Sie ihn verraten?“, flüsterte er. „An die fünf Weisen? Dass er seinen Befehl missachtet hat.“ „Oh, Sie machen sich also immer noch Sorgen um ihn?“ Zorro nickte. Sein Gegenüber schwieg für einen langgezogenen Atemzug. „Sie haben ihn also nicht hinter sich gelassen, obwohl er Sie zurückgelassen hat? Obwohl er sogar versucht hat, Ihre alles geliebten Freunde anzugreifen?“ Er entgegnete nichts, als Eizen ihn beinahe manisch betrachtete. „Wissen Sie was? Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Folgen Sie meinen Anweisungen und ich werde Ihnen zu Ihrem Happy End verhelfen.“ Überrascht sah Zorro auf. „Ich werde ihn nicht verraten, Ihnen zuliebe. So gebrochen, wie er ist, stellt er nun so oder so keine Gefahr mehr da und ich habe bereits erfahren, dass er zurück auf Kuraigana angekommen ist, soll er dort seine Wunden lecken. Dafür möchte ich jedoch, dass Sie mir hier und jetzt Ihrer Crew abschwören. Sagen Sie Ihrem alten Leben Lebwohl und schwören Sie mir Loyalität. Wenn Sie dies tun und bereitwillig an meiner Seite Ihre Rolle spielen, dann werde ich dafür sorgen, dass Sie eine zweite Chance bei Ihrem geliebten Mihawk erhalten. Ich werde ihm erzählen was er hören will, um Ihnen zu vergeben.“ Eizen griff seine Hand. „Stellen Sie es sich nur mal vor, Liebes. Die Welt wird Ihnen gehören, Sie könnten Mihawk Ihre wahren Gefühle gestehen und glücklich bis an Ihr Lebensende sein, wie in einem wahrgewordenen Märchen. Ist es nicht das, was Sie wollen? Ist es nicht das, was Sie sich wünschen, seit Mihawk Sie zurückgelassen hat?“ Zorro zog seine Hand weg. „Ich soll meine Crew verraten?“ Seine Stimme zitterte, selbst als Lüge würde er dies nicht tun können. Selbst als Lüge würde es sich wie ein echter Verrat anfühlen. „Ich weiß, mein Vorschlag hört sich brutal an. Sie haben so viel für Ihre Freunde getan und waren bereit, noch so viel mehr zu opfern, und nun haben Sie sie nach zwei langen Jahren endlich wiedergesehen. Es muss unglaublich schön gewesen sein.“ Der Politiker nickte verständnisvoll. „Aber es muss auch schwer gewesen sein. Alle werden sich so verändert haben und irgendwie werden Sie sich nicht mehr ganz zugehörig gefühlt haben, nicht wahr? Sie sind nicht mehr der Mensch, der Sie damals waren und Ihre eigenen Freunde würden Sie nicht erkennen, wenn Sie Ihnen in Ihrer jetzigen Gestalt gegenüberstehen würden.“ Zorro presste die Zähne zusammen als der andere ihm gefühlt in die Seele sah. „Es muss schmerzlich sein, es sich einzugestehen, aber würden Ihre Freunde das Gleiche für Sie tun, wie das, was Sie für sie getan haben? Sie haben Ihr Leben für diese Crew riskiert und was war ihr Dank? Ihre eigenen Freunde haben Sie vergessen, Sie sterbend zurückgelassen und nun reist Ihr Kapitän Vinsmoke Sanji hinterher, anstatt sich um Sie zu sorgen. Auf der anderen Seite gibt es dort Mihawk, der Berge für Sie versetzen würde, sobald er versteht, dass das alles nur ein großes Missverständnis war. Aber natürlich können Sie nicht so einfach gehen, Ihre Freunde im Stich lassen, nicht wahr?“ Eizen hielt ihm erneut seine Hand hin. Dafür, dass es nur eine Charade war, machten ihn diese Worte ziemlich wütend. „Aber lassen Sie sie überhaupt im Stich? Ist es nicht viel mehr Ihre Crew, die Sie wieder und wieder im Stich gelassen hat? Ich würde dies nie tun, da haben Sie mein Wort drauf. Sie sind der scheinende Engel eines Neuanfangs und ich werde Sie auch so behandeln und Mihawk wird Sie so behandeln. Bei Ihrer Crew werden Sie nie viel mehr sein, als derjenige, der sich ins Kreuzfeuer stellen wird, der die Crew beschützen muss, aber an meiner Seite – an Mihawks Seite – werden Sie sich nie opfern müssen. Wir können Sie beschützen. Ich werde Sie nicht zwingen, aber nachdem Sie schon so viel in Ihrem jungen Leben haben durchmachen müssen, wollen Sie dann auch noch den Rest Ihres Lebens ein Bauernopfer bleiben?“ Zorro starrte ihn an. Eizen war gut, das musste er ihm lassen. Er fand die richtigen Worte. „Insbesondere wenn Sie die Königin sein könnten?“ Ganz langsam, beinahe zögerlich ergriff Zorro die Hand des alten Mannes. Die richtigen Worte, um ihn so richtig anzupissen. „Ist das ein Ja?“, fragte Eizen. „Sind Sie wirklich bereit Ihre Crew und das Monster, was Sie einst waren, hinter sich zu lassen?“ Er schluckte schwer, die Wut hinunter. „Ja“, flüsterte er, aus Angst, sich sonst zu verraten. „Ich war lang genug ein Bauernopfer.“ „Sehr gut. Dann lassen Sie uns ein neues Zeitalter einläuten.“ Zorro nickte. „Aber nur unter einer Bedingung.“ Eizen zog eine Augenbraue hoch. „Ich will keine Schachfigur sein. Wenn ich Ihnen Loyalität schwöre, Eizen, dann will ich mein eigenes Spielfeld.“ Für eine Sekunde sah ihn der Politiker nur mit großen Augen an, doch dann lachte er schallend auf. „Natürlich, natürlich, Liebes. Uns wird die Welt gehören, genug Raum für uns beide, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Also, lassen Sie Ihr altes Leben zurück und schwören Sie mir die Treue?“ Noch eine Sekunde sah Zorro ihn an, dann beugte er seine Knie zu einem tiefen Knicks, wie Kanan ihn damals gelehrt hatte, und neigte sein Haupt. „Rishou Ei… Nein, Eizen D. Rishou, ich, Lady Loreen, schwören Ihnen die Treue und meine absolute Loyalität.“ „Hervorragend.“ Eizen ergriff Zorros Hand und gab ihm einen Handkuss. „Von nun an sind wir wahrlich Partner.“ Zorro richtete sich wieder auf. „Ich habe es Ihnen damals doch gesagt, nicht wahr, Liebes. Ich wusste, dass Sie irgendwann die Vorzüge unserer Verbindung zu schätzen wissen würden. Auf gute Zusammenarbeit.“ „Auf gute Zusammenarbeit.“   Kapitel 8: Extrakapitel 7 - Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt ----------------------------------------------------------------------- Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt   Irgendwann nach dem letzten Kapitel   -Mihawk- „Wo gehen wir hin?“, murrte Lorenor, als er neben Dulacre hertrottete und die Arme verschränkte. Er unterdrückte ein Gähnen, konnte jedoch nicht die vielen Schrammen und Verbände verbergen, doch schlimmere Verletzungen schien er von der letzten Katastrophe, die seine Crew heraufbeschworen hatte, nicht davongetragen zu haben. „Ich dachte an ein Restaurant auf Groove 43. Es ist nicht weit entfernt und sie haben eine hervorragende Karte an Wein und auch Sake“, erläuterte er, eher verwundert, dass Lorenor überhaupt nachfragte. „Also ist das… eine Art Date?“ Der Jüngere klang so, als hätte Dulacre ihm vorgeschlagen, mit dem Smutje Freundschaftsbänder auszutauschen. „Wenn du es so nennen möchtest“, entgegnete er mit hochgezogener Augenbraue und leicht angefressenem Tonfall. „Wir wollten uns hier für ein paar Stunden treffen, ehe ihr weiterreisen werdet, so etwas nennt man für gewöhnlich eine Verabredung.“ „Schon gut, schon gut“, murrte Lorenor und hob abwehrend eine Hand. „Bin nur überrascht, dass du so einen kitschigen Kram magst.“ Dulacre seufzte. Bildete er es sich ein oder war sein Sozius etwas gereizt? Dabei gab es doch gar keinen Grund dafür, Lorenor hatte erst vor kurzem Kämpfen können, das Wetter war schön und Dulacre hatte sich noch nicht mit dessen Crew angelegt. Aber nun gut, Dulacre wusste aus jahrelanger Erfahrung auch mit einem schlechtgelaunten Lorenor umzugehen, auch wenn dieser versöhnliche Ton ihn immer etwas anstrengte. „Lorenor, ich verbringe gerne meine Zeit in deiner Anwesenheit und ich genieße gerne guten Wein, wenn das für dich bereits kitschig ist, dann kann ich es nicht ändern. Wenn es für dich zu furchtbar ist, können wir auch etwas anderes machen.“ „Hab ja nichts gesagt“, murmelte Lorenor mit einem leichten Kopfschütteln, ehe er ebenfalls seufzte und zu Dulacre aufsah. „Wein und Sake hören sich gut an, also lass uns zu diesem Restaurant gehen.“ Er nickte und gemeinsam setzten sie ihren Weg fort. „Gibt es einen Grund für deine schlechte Laune?“, fragte er nach. „Ich bin einfach nur müde“, blockte Lorenor direkt ab. Mit einem Schulterzucken gab Dulacre sich geschlagen und entschied, weniger problematische Themen anzusprechen: „Wie lange hast du Zeit? Ihr wolltet am Abend aufbrechen, nicht wahr?“ „Wenn bis dahin die Beschichtung fertig ist“, stimmte Lorenor ihm unter einem erneuten Gähnen zu. „Ihr solltet vorsichtiger sein“, mahnte Dulacre, wobei er es nicht zu ernst nahm, „wäre ich nicht rechtzeitig angekommen, hätten euch die Handwerker wohl übers Ohr gehauen.“ „Nami hatte alles im Griff“, meinte der andere nur, ehe er ihn misstrauisch beäugte. „Ich wusste nicht, dass dir sogar die Werften hier gehören.“ „Sie gehören mir nicht, Lorenor. Ich halte nur 30% der Anteile an ihnen und bin somit Hauptinvestor.“ „Und wie viele Prozente halte ich?“, kam es von Lorenor und obwohl er es mit seiner üblichen gelangweilten Tonlage ansprach, bemerkte Dulacre sowohl den Witz als auch die Warnung. „Fünf Prozent derzeit, und sobald sich dein Kapital erholt hat, wird vermutlich noch mehr investiert. Durch den Freundschaftsvertrag mit der Fischmenscheninsel sind die Werften als Beschichter der Touristenschiffe vollends ausgelastet und…“ Er blieb stehen, als er bemerkte, dass Lorenor ihm nicht mehr folgte. Langsam wandte er sich um, konnte die zuckende Augenbraue des anderen sehen. „Reg dich nicht erneut auf, bitte. Wir haben nur ein paar Stunden und ich würde begrüßen, wenn wir diese nicht streitend verbringen würden.“ Lorenor seufzte, gab sich jedoch nickend geschlagen. „Ich mag es einfach nicht, wenn du sowas hinter meinem Rücken machst“, erklärte er und wandte den Blick ab. „Du sollst nicht solche Dinge für mich entscheiden, Geld für mich anlegen oder was auch immer, und dann auch noch, ohne vorher mit mir darüber zu reden. Du weißt genau, dass ich das nicht leiden kann.“ „Ich wollte dich damit nicht verärgern, Lorenor. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen in deinem Sinne…“ „Ich weiß, Dulacre“, stöhnte Lorenor dann auf und sah ihn an. „Ich weiß, du bist ein stinkreicher Schnösel und kriegst wahrscheinlich Panik bei dem Gedanken, dass ich keinerlei Rücklagen für die Zukunft habe, aber…“ „Du hast noch nicht mal Rücklagen für die Gegenwart, Lorenor“, erinnerte er ihn. „Aber nein, mir ist nicht unwohl bei dem Gedanken, dass du nicht für deine Zukunft vorsorgst, schließlich tue ich das.“ Erneut stöhnte Lorenor auf und rieb sich den Nasenrücken, wie ein Vater, der sich nicht über die liebevoll in den Marmor eingravierte Strichzeichnung des geliebten Kleinkindes aufregen wollte. „Okay“, murrte er, wobei es Dulacre immer noch schwerfiel seine Laune zu verstehen. Er hatte nichts getan, wofür er sich rechtfertigen müsste. Es war nichts Falsches, dass er für Lorenor vorsorgte, eben weil dieser solche Dinge nicht tat, und Lorenor war durch diese Taten weder belastet noch zu irgendetwas verpflichtet. Dennoch war Lorenor über Dulacres Taten verstimmt, doch offensichtlich beabsichtigte er nicht, zu streiten. Denn er ächzte erneut leise und rieb sich dann durchs Haar, als wäre diese Situation für ihn eine umständliche Aufgabe. „In Ordnung, lass uns in dieses Restaurant gehen, etwas trinken und nicht mehr drüber reden, okay?“ Damit schritt er los, doch Dulacre folgte ihm nicht. „Lorenor.“ Er zögerte. „Ich… ich verstehe nicht, warum du so verstimmt bist, aber ich… ich beabsichtige nicht…“ „Uuuugh!“ Laut stöhnend blieb Lorenor stehen. Seine Schultern hoben sich, so tief atmete er ein, während er sich Stirn und Augen rieb und langsam zu Dulacre umdrehte. Selten hatte der andere ihn so entnervt angesehen, als würde Dulacre sich recht dumm anstellen, wobei diese Rolle zwischen ihnen beiden doch nie Dulacre oblag. Erneut holte Lorenor tief Luft, wirklich wie ein verzweifelter Patenonkel, der versuchte nicht wütend auf das unwissende Balg – Kind! – zu sein. Dann stakste er auf Dulacre zu und blieb so knapp vor ihm stehen, dass Dulacre den Drang verspürte, einen Schritt zurückzuweichen, was er natürlich nicht tat. Mit einem leisen Schnauben stieß Lorenor seinen tiefen Atemzug wieder aus. „Könntest du dir bitte nicht direkt ins Hemd machen, nur weil mich dein nerviges Gehabe nervt?“ Und wie sollte ihn diese Aussage auch nur im Mindesten beruhigen? Erneut schnaubte Lorenor auf und starrte ihn weiterhin nieder. „Okay, um das klarzustellen: Ich weiß, warum du so einen Mist tust und dass du es gut meinst, deswegen mache ich kein großes Ding draus. Aber ich werde nicht so tun, als ob es mich nicht nerven würde. Ich mag nicht, dass du meinst, Geld für mich anlegen zu müssen, aber ich verstehe es, also könntest du aufhören, eine Sinnkrise zu kriegen, damit wir endlich was trinken gehen können?“ Erneut wirbelte Lorenor herum und stampfte los, doch folgte Dulacre ihm immer noch nicht. Lorenors Worte machten offensichtlich, dass er Dulacres Unsicherheit nicht verstand. „Hnn? Wo bleibst du denn jetzt?“ Mit pulsierender Ader auf der Stirn wandte Lorenor sich ihm wieder über die Schulter zu, offensichtlich entnervt, vielleicht noch entnervter als zuvor. Er war wirklich schlecht gelaunt. Nun war es an Dulacre zu seufzen. Er wusste doch, dass Lorenor seine Gedankengänge nur schwerlich nachvollziehen konnte, solange er diese nicht klar und deutlich ausdrückte, so unangenehm es für ihn auch sein würde. „Was ist denn?“, hakte Lorenor nach und kam wieder zurück. Langsam wechselte sein Gesichtsausdruck von entnervt zu misstrauisch, was immer ein Zeichen für Gefahr war. „Es tut mir leid.“ Dulacre begutachtete den Jüngeren. „Aber ich kann das Thema leider nicht so einfach ruhen lassen.“ „Was? Wieso?“, knurrte Lorenor, direkt wieder gereizt. „Ich hab doch gesagt, dass ich…“ „Ich meinte nicht deine Abneigung gegenüber meinen Vorsorgeplänen für dich“, erklärte er ruhig, obwohl er verzweifelt nach den richtigen Worten suchte. Lorenor auf der anderen Seite neigte den Kopf. „Und was dann?“, murrte er mit unverhohlener Verwirrung, die deutlich machte, dass ihm nicht bewusst war, dass sie in diesem Gespräch ein viel grundsätzlicheres Problem angekratzt hatten als eine Meinungsverschiedenheit über Kapitalanlagen. Dulacre schluckte, wusste, dass er es laut sagen musste, damit Lorenor es verstand, aber das machte es nicht unbedingt einfacher für ihn. Doch zu seiner Überraschung schien Lorenor sein Zögern wohl zu bemerken, denn er atmete leise aus und verschränkte die Arme, ehe er sich ein paar Meter entfernte und gegen eine der Mangroven lehnte. „Okay, was ist los, spuck‘s schon aus.“ Er klang ruhiger als zuvor, fast gesittet, erwachsen. „Du scheinst dir wieder mal über irgendeinen Mist den Kopf zu zerbrechen.“ Mit einem langsamen Nicken folgte Dulacre ihm in den Schatten des riesigen Baumes, noch einen Moment begutachtete er seinen Partner, der ihn kühl ansah, ein Blick, den Dulacre nicht zu deuten wusste. „Es tut mir leid“, wiederholte er, „aber deine Ablehnung verunsichert mich durchaus und ich kann es nicht einfach abtun, so wie du es von mir erwartest.“ „Hä?“, kam es recht ungalant von Lorenor. „Wovon redest du? Wann habe ich dich denn bitte schön…?“ Er unterbrach sich, als Dulacre beschwichtigend eine Hand hob.  „Mir ist bewusst, dass die Art, wie ich meine – ach, nennen wir es, wie es ist – Zuneigung zeige, nicht unbedingt deinen Vorstellungen entspricht, und natürlich ist es dein gutes Recht, dies auch zu äußern und wenn es für dich wirklich ein solch eindrückliche Unannehmlichkeit darstellt, werde ich mich bemühen, solche Vorhaben in Zukunft zu unterlassen. Aber…“ „Ich hab doch gesagt, alles okay, auch wenn es mich nervt“, warf Lorenor ein. „Aber es ist nicht einfach für mich, wenn du mich so ausdrücklich ablehnst, verstehst du das?“, beendete Dulacre seinen Gedankengang. Erneut neigte Lorenor den Kopf zur Seite. „Nein, kein Stück“, brummte er. „Ich kapiere noch nicht mal, wann ich dich abgelehnt haben soll. Alles, was ich sage, ist, dass es mich nervt, wenn du irgendwelche Sachen hinter meinem Rücken machst, auch, wenn es gut gemeint ist.“ „Aber das ist es ja“, erklärte Dulacre. „Für dich mag es nur eine Handlung sein, die du ablehnst, aber für mich fühlt es sich… manchmal so an, als würdest du meine Zuneigung als solche, ja mich als deinen Partner ablehnen.“ Lorenors vernarbtes Augenlid wanderte nach oben, während er Dulacre mit zusammengekniffenem Auge anstarrte, der Mund leicht geöffnet; er sah beinahe aus, als hätte er einen Krampf. Für mehrere Sekunden war es still zwischen ihnen, während Lorenor ihn mit diesem verkrampften Gesichtsausdruck anstarrte und Dulacre sich wieder mal vor ihm entblößen musste. „Okay…“, murmelte Lorenor dann langgezogen, als die Gedankenräder hinter seiner Stirn einrasteten, ehe er einen Moment sein Auge schloss und sich mit einer Hand durchs Haar fuhr. „Also, das ergibt für mich jetzt nicht wirklich viel Sinn, aber zusammengefasst, nur weil es mich anpisst, dass du irgendeinen Mist hinter meinem Rücken machst, denkst du direkt, dass ich dich abblitzen lassen würde?“ „Ich würde es nicht so ausdrücken, aber so in der Art ja“, gestand Dulacre ein. „Was ein Schwachsinn“, murrte Lorenor. „Wieso solltest du so etwas glauben? Du bist doch sonst nicht so ein Schisser, der direkt Panik schiebt, nur weil irgendetwas passiert oder irgendwer dich nicht abhaben kann. Ich hab dir doch schon so oft…“ „Ich glaube, dir ist nicht bewusst, wie ungewohnt diese Situation für mich ist“, unterbrach Dulacre ihn sanft und Lorenor ließ ihn. „Natürlich, ich bin selbstbewusst, stolz, eitel und diese ganzen Adjektive, die eine beeindruckende Persönlichkeit beschreiben.“ „Arrogant“, warf Lorenor direkt ein, „eingebildet.“ „Es gibt gewiss wenig, was mich verunsichern kann. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass die Dinge so verlaufen, wie ich es will, dass ich meinen Willen durchsetzen kann, ganz gleich was es ist.“ Erneut seufzte er leise und senkte den Blick. „Aber du, Lorenor, dich will und kann ich nie als Selbstverständlichkeit ansehen, denn dir kann und will ich meinen Willen nicht aufzwingen und das verunsichert mich zutiefst. Ich habe das Gefühl, mir nie deiner sicher sein zu können, und es ist ungewohnt für mich, so verletzlich sein zu können, dass das Handeln einer anderen Person meine Emotionen so sehr beeinflusst. Mir ist bewusst, dass meine Unsicherheit dir wohl unsinnig erscheinen mag, aber Tatsache ist nun mal auch, dass ich deine Ablehnung fürchte, wie kaum etwas anderes.“ Wieder war es lange Zeit ruhig zwischen ihnen und er fragte sich, was der andere wohl dachte, wie er diese Worte aufnahm und verarbeitete. Er konnte kein bisschen voraussagen, wie Lorenors Reaktion ausfallen würde, ein weiterer Grund seiner Unsicherheit, diese stete Unberechenbarkeit. „Und was machen wir dann jetzt?“, kam die unerwartete Frage Lorenors, der unzufrieden aufschnaubte. „Also ich hab keinen Bock, einen auf gut Wetter zu machen, nur weil du sonst direkt Panik schiebst. Ist mir echt zu anstrengend.“ „Du hast eine sehr direkte Art, deine Abneigung auszudrücken, Lorenor, das macht es nicht immer leicht für mich“, bemerkte er. „Ja, ich habe eine sehr direkte Art, Dinge anzusprechen, die mich nerven und ich hätte auch eine sehr direkte Art, meine Abneigung zu zeigen. Es ist nicht meine Schuld, wenn du immer zwischen den Zeilen nach etwas suchst, was nicht da ist.“ Leise seufzte Dulacre auf und fuhr sich etwas ratlos durchs Gesicht. „Das ist mir sehr wohl bewusst“, stimmte er zu. „Es ist meine Unsicherheit und ich beneide, dass du weder deine noch meine Gefühle in irgendeiner Form anzweifelst, sondern als gottgegeben akzeptiert hast, während mich schon ein langgezogener Seufzer deinerseits entmutigt. Es ist wahrlich unangenehm, wie wichtig mir deine Akzeptanz ist und wie leicht ich doch um sie bange.“ „Gottgegeben?“, murrte Lorenor mit einem Augenrollen, ehe er dann schließlich nickte. „Schön und gut, ich kapier was los ist, aber ich weiß nicht, was du jetzt von mir willst. Ich kann nichts dafür, wenn du direkt an mir zweifelst. Aber ganz ehrlich, wenn einer von uns Mist baut, hat der andere es immer angesprochen – und meistens nicht auf die feinfühlige Art - und wir sind immer noch hier. Also gibt es für dich doch keinen Grund Panik zu schieben, nur weil ich nichts schönrede.“ „Aber es ist schwierig“, widersprach Dulacre sachte. „Natürlich hast du Recht, falsche Rücksichtnahme deinerseits ist nichts, was wir beide wollen, außerdem schätze ich deine unverhohlene Ehrlichkeit, auch wenn ich die Wortwahl nicht immer begrüße. Ich möchte also gar nicht, dass du es unterlässt, nur…“ Er zögerte, als er versuchte, seine Emotionen zu erfassen, was ihm gewiss nicht leichtfiel. „Was willst du dann?“, hakte Lorenor direkt nach. „Ich denke… eine Art der Sicherheit“, vermutete er. „Etwas, was mir bestätigt, dass du mich nicht ablehnst, ganz gleich was kommt. Selbst dann, wenn du mein Handeln ablehnst, insbesondere, wenn dieses aus Zuneigung erfolgen.“ Erneut schien Lorenor über diese Worte nachzudenken. „Und wie soll so eine Sicherheit aussehen?“, fragte er und da lag das Problem. „Ich weiß es nicht“, gestand Dulacre leise ein. „Ich weiß, dass Gespräche wie dieses hier Sicherheit genug sein sollten. Aber die Wahrheit ist, in solchen Momenten reicht es mir nicht.“ Nachdenklich beobachtete er Lorenor, der seinem Blick ausdruckslos standhielt. „Ich habe das Gefühl, als müsste… ich deine… Gefühle für mich stets einfordern. Als würdest du sie mir nicht freiwillig zeigen wollen, und das verunsichert mich. Verstehst du das?“ Nun war es Lorenor, der ihn musterte, ehe er kaum merklich nickte. „Ich verstehe“, sagte er langsam. „Ich bin nicht gut in diesem Mist, aber eigentlich ist es wie im Schwertkampf, oder? Du willst, dass ich dich von mir aus zum Kampf auffordere und nicht immer erst darauf warte, dass du mich herausforderst.“ „Das hast du erstaunlich gut in Worte gefasst“, entkam es Dulacre wahrhaftig beeindruckt über diese Metapher, die für Lorenor doch unüblich war. „Gewiss, wenn ich der Einzige von uns beide bin, der den anderen stets herausfordert, beginne ich mich zu fragen, ob du diesen Kampf genauso ersehnst wie ich, oder ob du mein Verhalten nur über dich ergehen lässt. Und genauso ist es in dieser Beziehung. Ich weiß, dass Kitsch und Romantik dir nicht liegen – mir übrigens auch nicht – aber wenn du mir nie zeigst, dass du meine Gefühle erwiderst, dann verunsichert mich das sehr schnell, sobald ich Ablehnung erfahre.“ Dulacre erschauderte über seine eigenen Worte, über diese erbärmliche Abhängigkeit, die der andere in ihm auslöste und nun von ihm verlangte, offen zuzugeben. „Mhm“, machte Lorenor jedoch nur, eine Hand ans Kinn gelegt und nachdenklich den Blick auf Dulacres Stiefel gerichtet, ohne sie wohl wirklich zu sehen. „In der Theorie verstehe ich’s, aber was bedeutet das in der Praxis?“ Dulacre war immer noch überrascht darüber, dass Lorenor die Metapher über eine Herausforderung zum Kampf nicht nur so tadellos verstand, sondern sie sogar selbst erdacht hatte. Einen Moment dachte er über diese Frage nach. „Nun ja, ich denke, es gibt keine einheitliche Lösung, sondern eher individuelle Präferenzen“, mutmaßte er. „So wie manche sich verneigen und höflich bitten, aber andere sich breitbeinig einem in den Weg stellen und den Kampf dreist verlangen.“ „Heißt?“ Nun lag Lorenors Blick wieder auf ihm. „Das heißt, wir beide haben eine Art, wie wir bevorzugt den anderen herausfordern und eine Art, wie wir bevorzugt herausgefordert werden. Ich mag die höfliche Bitte, aber schätze Enthusiasmus. Du bist von direkterer Natur und auch, wenn die Wortwahl dir eher einerlei ist, lehnst du Manipulation deutlich ab.“ Er wartete, bis Lorenor nickte, ehe er weitersprach. „Und genauso ist es auch in einer Beziehung. Ein jeder von uns hat seine eigenen Zeichen, Gesten und Handlungen, um diese … Zuneigung auszudrücken, aber manchmal gelingt uns das nicht gut, wir missverstehen einander. Ein Beispiel dafür wäre, dass ich dein Kapital verwalte. Es ist gut gemeint, aber es verfehlt seinen Sinn, wenn es dir missfällt.“ Langsam nickte Lorenor, immer noch die Hand am Kinn, aber seine Wangen leicht gerötet, zu Dulacres Überraschung. „Okay, also ganz platt gesagt, ich soll mit Gesten und was auch immer zeigen, dass ich dich immer noch abkann, egal was passiert.“ Selbst jetzt sagte er es nicht ausdrücklich, nannte ihre Beziehung nicht beim Namen, als wäre es ihm peinlich, und doch… egal was passiert. „Genau“, bestätigte Dulacre geduldig, aber ebenfalls mit warmen Wangen, „und ich würde mir wünschen, dass diese Gesten und was auch immer eindeutig sind und sich von deinem Verhalten zu deinen Freunden unterscheiden - so wie deine Aufforderungen zum Kampf sich von deinen Querelen mit dem Smutje unterscheiden - aber bitte auch nicht zu ordinär. Denn so ungewohnt diese Beziehung für dich ist, so ist sie auch für mich und körperliche Zuneigung ist etwas, was ich ungerne in der Öffentlichkeit ausübe. Ganz anders als deine Crewmitglieder, die es teils ja zu lieben scheinen, sich an dich zu klammern.“ „Sonst noch Wünsche“, grummelte Lorenor direkt. „Sag bloß, du bist jetzt auch noch eifersüchtig.“ „Stets, aber nein, ich verstehe, dass dies häufig ein Zeichen ihrer Angst ist und sie sich gewohnheitsmäßig hinter stärkeren Crewmitgliedern verstecken.“ „Ach, halt doch die Klappe“, knurrte Lorenor und winkte mit einem Augenrollen ab, dann jedoch blieb sein Blick an seiner eigenen Hand hängen, ehe er zu Dulacre aufsah. Im nächsten Moment hielt er sie Dulacre hin. Er beobachtete die Geste und verstand sie nicht. „Und was soll das?“ „Meine Aufforderung zum Kampf. Es ist direkt, nichts, was ich normalerweise tun würde, und für dich auch nicht zu...“ Und da verstand Dulacre und er errötete augenblicklich noch mehr. „Doch schon zu… ordinär?“ Nun zeigte Lorenor sein hässliches Grinsen, welches Dulacre so an ihm mochte. „Tatsächlich ja. Ich glaube nicht, dass ich so etwas je getan habe“, entkam es ihm etwas atemlos, ehe er für einen Moment die Augen schloss und die Schultern straffte. „Allerdings ist mein Partner nun mal ein Pirat, ich sollte mich also etwas an ordinäre Umgangsformen gewöhnen.“ „Du bist ebenfalls Pirat“, murrte Lorenor nur, während Dulacre tief einatmete und dann die raue Hand ergriff. Sein Herz schlug ungewöhnlich schnell und ihm wurde ganz heiß im Gesicht, woraufhin Lorenor nur schelmisch grinste. „Oje, man könnte meinen, wir würden wer weiß was gerade anstellen, so wie du guckst.“ Im nächsten Moment stieß er sich vom Baum ab und ging los, zog Dulacre beinahe mit sich mit. Für einen Schritt stolperte er neben ihm her, dann fand er Lorenors Rhythmus und genügsam setzten sie endlich ihren Weg fort. „Ist das… ist das wirklich in Ordnung für dich?“, murmelte Dulacre leise. „Ich hätte nicht gedacht, dass du…“ „Es ist das Einzige, was mir auf die Schnelle eingefallen und was leicht umzusetzen ist.“ Lorenor zuckte mit den Schultern und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Ist jetzt nicht gerade mein Ding, aber schon okay. Wenn es das braucht, damit du nicht gleich Panik schiebst, wenn ich dich zur Sau mache, dann kann ich damit schon leben.“ „Ich bevorzuge dann doch lieber angebrachte Kritik.“ „Keine Sorge, die bekommst du auch.“ Für einige Sekunden schritten sie in Stille nebeneinanderher, Dulacre den warmen Kopf gesenkt, betrachtete immer wieder ihre Hände, konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal auf diese Art die Hand eines anderen gehalten hatte; vielleicht damals bei seiner Schwester, bevor er in die Schule gekommen war. Er meinte Blicke der Passanten auf sich zu spüren und natürlich bildete er sich ein, dass es daran liegen musste, obwohl es für ihn absolut nicht unüblich war, Blicke auf sich zu ziehen. „Vielleicht sollten wir uns langfristig etwas anderes überlegen“, schlug er recht kleinlaut vor und zog sich seinen Hut tiefer ins Gesicht. „Doch zu ordinär?“ Lorenor grinste schelmisch zu ihm herauf, als würde er Dulacre bewusst aufziehen, ehe er seufzte. „Mir egal, allerdings fällt mir nicht wirklich was ein, was all deine Voraussetzungen erfüllen würde; du bist echt anstrengend.“ „Du könntest mir schlicht sagen, dass du Gefühle für mich empfindest, die über Hinnehmen und Aushalten hinausgehen, sowie Paare normalerweise einander ihre Liebe bekunden. Mittlerweile bist du ja auch durchaus in der Lage, dich entsprechend der Etikette auszudrücken, wenn du es denn nur willst.“ „Kannst du vergessen“, murrte Lorenor mit einem entschiedenen Kopfschütteln. „Ich werde auf keinen Fall anfangen, irgendwelche Gedichte zu rezitieren.“ „Wir müssen da entlang“, bemerkte Dulacre, als Lorenor gewohnheitsgemäß die falsche Richtung einschlug. „Ich erwarte keine großen Gesten, keine eindrücklichen Reden – mir ist sehr wohl bewusst, dass dir so etwas nicht liegt – aber… ist bereits ein Wort der Zuneigung zu viel verlangt? Die simple Bestätigung, dass du mich tatsächlich immer noch liebst, ist das bereits zu viel verlangt?“ Lorenor schwieg für einige Schritte. „Ich werde nicht höflich um einen Kampf bitten, nur weil irgendeine Etikette das so vorschreibt“, murrte er dann nachdenklich. „Wenn ich dich herausfordere, dann will ich es auch ernst meinen. Aber wie soll ich es ernst meinen, wenn ich diese Etikette nicht ernst nehme? Das ergibt für mich keinen Sinn.“ „Möchtest du mir diesen Gedankengang näher erläutern?“ fragte Dulacre nach. Lorenor seufzte leise auf, wie so oft an diesem Tag. „Für dich sind Worte wichtig, bedeutungsvoll und was auch immer, aber für mich sind es nur Worte, nicht mehr. Die einzige Bedeutung, die sie für mich haben, ist, dass ich zu ihnen stehe und meine Taten an ihnen messe.“ Dann zuckte er mit den Schultern. „Und manche Worte sind für mich nur leere Hülsen. Für dich hat das Wort Liebe eine große Bedeutung, für mich nicht und wie soll ich dann dazu stehen können? Wieso sollte ich dir leere Worte sagen, die mir nichts bedeuten? Das ergibt für mich keinen Sinn; fast schon scheinheilig.“ Dulacre wollte erst etwas erwidern, wurde dann jedoch abgelenkt, als er plötzlich den Lockenkopf der Strohhüte in der Ferne erkennen konnte, der sie wohl ebenfalls bemerkte und ihnen winkte, während er auf sie zueilte. Wie ein Magnet schienen ihre Hände die dunklen Augen des Lockenkopfs auf sich zu ziehen und Dulacre merkte, wie seine Wangen wieder ganz heiß wurden. „Hey Zorro, da bist du ja!“, kam es vom Lockenkopf, der sich offensichtlich zwingen musste, seinem Crewmitglied ins Gesicht zu sehen. Dulacre auf der anderen Seite befürchtete bereits, dass die Crew jetzt schon aufbrechen wollte, bevor er und Lorenor auch nur einen Tropfen hatten genießen können und ihre gemeinsame Zeit mit solch lästigen Themen vergeudet hatten. „Was ist los?“, entgegnete Lorenor, recht entspannt, da auch der Lockenkopf weder panisch noch unsicher wirkte. „Wollte dir nur sagen, dass wir entschieden haben, über Nacht zu bleiben.“ „Warum?“, murrte Lorenor direkt. „Ruffy wollte doch aufbrechen, sobald die Beschichtung fertig ist.“ „Das Festival“, bemerkte Dulacre mit einem leisen Schmunzeln und nickte zum Riesenrad hinüber, welches teils über den Baumkronen der Mangroven hervorragte. „Was für ein Festival?“ „Genau“, bestätigte der Lockenkopf Dulacres Vermutungen. „Anscheinend ist morgen ein riesiges Festival und Ruffy will da unbedingt hin. Also werden wir wohl noch ein oder zwei Tage länger bleiben.“ „Okay“, kam es nun von Lorenor mit einem Schulterzucken. „Aber dafür hättest du mich nicht extra suchen müssen.“ „Oh, kein Problem“, lachte der Lockenkopf und rieb sich den Nacken. „War gerade eh unterwegs, naja und… du weißt schon…“ Etwas errötend gestikulierte er nun Richtung Dulacre und Lorenor. „Robin meinte, ihr würdet es wohl gerne wissen wollen. Außerdem wollen wir uns heute Abend alle bei Shakky treffen. Okay, ich mach mich dann mal auf, bis später!“ Und schon rannte er weg, als hätte er es plötzlich mit der Angst zu tun bekommen und befürchten, dass Dulacre ihm die Kehle ausreißen wollen würde. „Eigenartige Crewmitglieder hast du da“, murmelte Dulacre nur und sah ihm nach. „Was auch immer, heißt aber, wir haben mehr Zeit zum Trinken“, meinte Lorenor nur, „also komm.“ „Da lang, Lorenor.“ Er deutete mit seiner freien Hand in die entgegengesetzte Richtung als die, in die Lorenor ihn ziehen wollte. In Stille gingen sie weiter. Dulacre wusste nicht, ob er das Thema nochmal aufgreifen sollte. Lorenor war wie so oft recht deutlich in seinen Worten gewesen und eigentlich sollte Dulacre es doch reichen. Er wusste, wie Lorenor tickte, alleine, dass er diese Gespräche mit Dulacre führte, alleine, dass er seine Sorgen ernstnahm, alleine, dass er jetzt gerade hier war, all das sollte ihm doch genügen. Für Lorenor war all dies schon eine sehr deutliche Sprache, aber nun mal nicht so deutlich wie das gesprochene Wort für Dulacre. Auch Lorenor schwieg und so erreichten sie ohne ein weiteres Wort das von Dulacre ausgewählte Restaurant. „Ähm… das hier?“ Lorenor sah ihn mit zweifelndem Blick an. „Stell dich nicht so an, du warst doch schon öfters in ähnlichen Etablissements.“ Wobei Dulacre sehr wohl bewusst war, dass dies eher für Lady Loreen galt und Lorenor solche Restaurants sonst wohl meiden würde, allein schon aus Geldgründen, wobei man ihm mit seinem zerschlissenen Hemd und all den Kratzern und Bandagen wohl so oder so normalerweise den Eintritt verwehren würde. Als sie eintraten, verneigten sich die Angestellten, nahmen Dulacre Mantel und Hut ab und bemühten sich, Lorenor nicht zu sehr anzustarren, und führten sie in einen abgegrenzten Bereich mit Vorhängen für etwas Privatsphäre. „Ich habe mir die Freiheit erlaubt, dir bereits einen Sake auszuwählen. Aber du kannst natürlich selbst die Karte in Augenschein nehmen“, bemerkte Dulacre, stellte Yoru zur Seite und setzte sich hin. Lorenor beäugte die Bedienung noch einen Moment, während dieser tief verbeugend die Vorhänge zuzog, dann ließ er sich ebenfalls auf das Rundsofa fallen, Dulacre gegenüber. „Bist du dir sicher, dass es klug ist, wenn wir hier gemeinsam gesehen werden?“ „Es ist mir gleich, was andere denken, Lorenor, nun da du dich nicht mehr verstecken brauchst. Ich möchte Zeit mit dir verbringen und dieses Restaurant hier ist eines der wenigen, das meinen Ansprüchen genügt. Sollte es dir jedoch zu unangenehm sein, dann…“ „Mir ist ziemlich egal, wo ich trinke“, unterbrach Lorenor ihn achselzuckend. „Solange diese Lackaffen uns in Ruhe lassen und du nicht von mir erwartest, dass ich mir eine Krawatte umbinde.“ „Eine Fliege wäre wohl angemessener“, bemerkte Dulacre mit einem Schmunzeln. Kurz darauf kam der Ober mit den angefragten Getränken und endlich entspannte sich die Stimmung zwischen ihnen, während sie über Alkohol, Schwerter und vergangene Kämpfe sprachen. Lorenor schien unzufrieden mit dem Vergangenen zu sein – was zumindest seine schlechte Laune erklärte – und gemeinsam arbeiteten sie die begangenen Fehler auf. Lorenor lobte Dulacres Wahl an Getränken – als hätte er nicht bewusst etwas nach Lorenors Geschmack gewählt und als wäre dieser besonders wählerisch – und sie witzelten darüber, ob sie sich wirklich das Festival am kommenden Tag antun wollten, als wäre es schon beschlossene Sache, dass sie auch am Folgetag miteinander Zeit verbringen würde, was Dulacre keineswegs vorausgesetzt hatte. Bei dem Gedanken an die abendliche Feier in Shakuyaks Bar sank Dulacres Laune allerdings leicht, doch Lorenor ließ seine Ausreden, dass weder sie noch Lorenors Crew ihn leiden konnten, nicht gelten und ergeben beugte Dulacre sich seinem Schicksal, einen lauten Abend im Beisein der Strohhüte verbringen zu müssen. Vielleicht war es nur gerecht, schließlich bemühte Lorenor sich gerade das Gleiche für ihn umzusetzen, während er mit seinen Verbänden, seiner simplen Kleidung und seiner Sprache natürlich auffiel. Aber Lorenor störte so etwas nicht und Dulacre auch nicht, tatsächlich war er trotz allem recht glücklich. Es war ihm zwar unangenehm, sich jedes Mal so ungalant vor Lorenor entblößen zu müssen und seine Schwächen waren ihm peinlich, aber Lorenor war so etwas einerlei. Er nahm es hin, sagte seine Meinung, suchte eine simple Lösung und schloss dann mit dem Thema ab; wahrlich eine besondere Gabe. Als der Ober kam, kümmerte Dulacre sich um die finanzielle Obliegenheit, während Lorenor die letzten Tropfen Sake in seinen Masu kippte und dabei höchst konzentriert wirkte, als wäre es eine komplexe Aufgabe. „Ein gemeinsames Bad“, murmelte Lorenor dann plötzlich in seinen Sake, während die Vorhänge zufielen. „Wobei, das mache ich ja auch mit den anderen. Außerdem bade ich eigentlich nicht so gerne… aber wenn es ein guter Onsen ist und die dort Sake haben…“ „Wovon redest du da, Lorenor?“ Verwirrt starrte Dulacre ihn an, woraufhin Lorenor nur mit den Schultern zuckte und seinen Sake trank. „In dieser komischen Schnulze vom Koch wollte der eine Typ immer gemeinsam Baden gehen und… ach komm schon, wie hast du es je mit jemandem ins Bett geschafft?“ Mit heißen Wangen hatte Dulacre den Blick gesenkt. „Mach dich nur lustig über mich.“ „Also?“ Überrascht sah er auf. „Also was?“ Immer noch schenkte Lorenor ihm dieses gemeine Grinsen. „Ich mag Onsen, ich mag guten Sake und mir gefällt deine Gesichtsfarbe, wenn du nur drüber nachdenkst.“ Ergeben seufzte Dulacre: „Meinetwegen, heute habe ich unsere Aktivität gewählt, beim nächsten Mal überlasse ich dir die Wahl. Von mir aus können wir auch einen Onsen wählen, aber bitte einen mit privaten Bereichen.“ „So schüchtern?“ „Oh, ich muss mich gewiss nicht verstecken, Lorenor, aber ich bevorzuge nun mal vertraute Zweisamkeit gegenüber einem Familienbad, erst recht bei einem…“ „Einem Date?“ Lorenor klang nicht annähernd so genervt wie das letzte Mal, als er dieses Wort in den Mund genommen hatte. Erstaunlich was ein guter Sake und ein Gespräch über den Schwertkampf bewirken konnten. „Wobei mir Trainieren oder ein Übungskampf auch ganz recht wären.“ „Nun ja, wir führen eine Beziehung, dann sollten wir auch ab und an auf Verabredungen gehen, wie es für Paare nun mal üblich ist.“ Leise aufschnaubend trank Lorenor seinen Sake leer. „Wieder deine komische Etikette? So einen Mist haben wir auf Kuraigana auch nie abgezogen und das war deutlich einfacher.“ „Tja, die einfachen Tage sind leider vorbei“, bemerkte Dulacre und vermied, Lorenor darauf hinzuweisen, dass sie zu diesen Zeiten noch nicht eine Partnerschaft geführt hatten, „und wo wir schon dabei sind, auch wenn es mir davor graust, so denke ich doch, dass deine Crew so langsam auf dich wartet.“ Kurz darauf verließen sie das Restaurant und machten sich im Licht der untergehenden Sonne auf nach Grove 13. Dulacre stellte sich innerlich bereits darauf ein, dass all ihre künftigen Treffen so aussehen würden, und vor seinem inneren Auge sah er sich selbst und Lorenor einvernehmlich schweigend die heißen Quellen genießen, bevor plötzlich die Türe aufkrachen und der ungehobelte Pöbel der Strohhutbande hineinstürmen würde. Seufzend gestand er sich ein, dass er schon immer schlecht im Teilen gewesen war. Sein Blick lag auf Lorenor. Dieses Mal hielten sie nicht Händchen und Dulacre wusste noch nicht, ob er das gut fand oder nicht. Er war immer noch unsicher über das geführte Gespräch bezüglich ihrer Beziehung. Er wusste, dass er Lorenor nicht drängen wollte und er durfte nicht einfach bestimmte Dinge von ihm erwarten, aber Lorenor zeigte nun mal so gut wie nie seine Gefühle. Dennoch, vielleicht sollte Dulacre eher ein Wagnis eingehen, als von seinem Sozius eine Sicherheit zu erwarten, denn eines war ihm an diesem doch so seltsamen Tag wieder sehr bewusst. „Lorenor.“ „Hmm?“ Fragend sah der Jüngere zu ihm hinauf und blieb einen Schritt nach Dulacre ebenfalls stehen. „Ich liebe dich.“ Für einen Moment musterte Lorenor ihn, dann zuckte er mit den Achseln und nahm einen tiefen Atemzug. „Ich weiß“, sagte er fast schon in einem Seufzen. Einen Moment begutachtete er diese Reaktion, die ihn aus welchen Gründen auch immer nicht mal überraschte. „Magst du es nicht, wenn ich das sage?“, fragte er, ohne es Lorenor übel zu nehmen, der wohl eine Sekunde darüber nachdachte, ehe er sich den Hinterkopf rieb und den Kopf schüttelte. „Nein, das ist es nicht. Es ist eher… unnötig.“ „Du findest es unnötig, wenn ich dir meine Liebe gestehe?“, fragte Dulacre fast schon erheitert nach. Wahrlich ein eigenartiger Mann. Lorenor nickte. „Naja, ist ja nicht das erste Mal, oder? Ganz abgesehen davon, dass dieses Wort mir wie gesagt nicht wirklich was bedeutet. Ich weiß, dass du es wichtig findest und diese Aussage dementsprechend Bedeutung haben muss, aber ich weiß es doch schon, daher sind diese Wiederholungen unnötig. Du sagst mir ja auch nicht andauernd, dass du auf Kuraigana lebst.“ „Aber… aber das hier ist was anderes.“ „Ist es das? Wirklich?“ „Ja natürlich! Mit meinen Worten beteuere ich dir, dass meine Gefühle weiterhin bestehen und deshalb sind sie wichtig!“ „Nein, deshalb sind sie unnötig. Es ist ein Fakt, den brauchst du nicht andauernd wiederholen“, schnaubte Lorenor. „Du missverstehst“, widersprach Dulacre. „Es geht nicht um eine in Stein gemeißelte…“ Er verstummte, als Lorenor ihn kühl niederstarrte. Dann seufzte dieser tief und rollte mit seinem Auge. Im nächsten Moment trat Lorenor zwei Schritte zurück und verneigte sich so tief, wie Dulacre es noch nie gesehen hatte, drückte dabei eine Hand auf die Brust, die andere legte er auf den Rücken, als wäre er am Hofe eines Königs. „Mein werter Herr Mihawk, obwohl Sie mir schon so oft beschworen haben, gegen mich kämpfen zu wollen, frage ich Sie, ob Sie sich auch weiterhin darauf freuen, wenn ich Sie eines Tages erneut herausfordern werde?“ Fassungslos stand er einen Moment da, dann musste er sich eine Hand auf den zuckenden Mund pressend, den Blick abwenden, so peinlich war Lorenors Gebaren, ja beinahe zum Fremdschämen. Dulacre war daran gewöhnt, dass er sich als Lady Loreen an einem besseren Ausdruck versuchte, aber zu seiner wahren Gestalt wollte weder Wortwahl noch Tonlage oder Körpersprache passen und er wirkte eher wie ein talentloser Hofnarr. Immer noch in dieser tiefen Verbeugung sah Lorenor mit hochgezogenen Augenbrauen und herablassenden Grinsen zu ihm auf. „Lächerlich, nicht wahr?“ „In der Tat“, gluckste er auf. „Ich habe dich selten so etwas Peinliches sagen gehört. Du machst dich ja zum Narren.“ „Und so hört es sich für mich an.“ Lorenor richtete sich wieder auf und verschränkte die Arme. „Für mich ist es absolut unnötig, aber wenn du es sagen willst, dann mach nur. Ich hab kein Problem damit, wenn du dich zum Narren machst, das kannst du ja eh ganz gut.“ Dulacre seufzte und entschied, dass wenn Lorenor sich lächerlich machen konnte, dann konnte er das auch. „Ich wünschte, du würdest eines Tages die Bedeutung hinter diesen Worten sehen, aber bis dahin bin ich gerne bereit, mich für dich zum Narren zu machen.“ Dann hielt er Lorenor seine Hand hin. „Lass uns zu deinen Freunden gehen.“ Zu seiner Überraschung, ergriff Lorenor sie ohne auch nur das leiseste Zögern und gemeinsam setzten sie ihren Weg fort. Oh ja, wie sehr er diesen eigenartigen Mann doch liebte.   Wenig später wiederholte er diesen Gedanken wie ein Mantra, während er versuchte die laute und energiegeladene Crew nebst Freunden und Kumpanen in Shakuyaks kleiner Bar zu ignorieren.  Doch das war deutlich leichter gesagt als getan, während Silvers Rayleigh sich ihm immer wieder aufdrängte und der Smutje im Hintergrund jedem anwesenden weiblichen Wesen in aufdringlichster und bildmalerischster Weise seine Liebe gestand, was Dulacre immer wieder an das vergangene Gespräch mit Lorenor erinnerte, obwohl er darüber derzeit gar nicht nachdenken wollte, nicht an seine erbärmliche Unsicherheit erinnert werden wollte. Für ein paar angenehme Minuten hatte er sich mit Jinbei unterhalten – einer der wenigen Anwesenden, dessen Gegenwart für Dulacre keine Beleidigung war – doch dann war dieser von seinem Kapitän gerufen worden und nun versuchte Dulacre nur den dunklen König zurückzuweisen, der ihn leicht lallend erneut zu einem Kartenspiel herausfordern wollte. Aber Dulacre durchschaute ihn. Er sah dem alten Mann an, dass die Trunkenheit nur ein Spiel war, die Herausforderung nur ein Vorwand, aber er hatte kein Interesse daran, von Rayleigh an vergangene Gespräche erinnert zu werden. Ach, er sollte einfach gehen. Der Einzige, an dessen Anwesenheit er ein Interesse hatte, zeigte dem Lockenkopf der Crew gerade, wie man mit nichts weiter als einem Weinkorken und einer Gabel ein Bierfass öffnen konnte. Es gab Momente, da zweifelte Dulacre an seinem Verstand. „Ich habe mich in einen Tor verliebt“, gestand er sich leise ein und nippte an seinem Wein, der nicht ansatzweise mit seiner Wahl vom Nachmittag mithalten konnte. „Fällt dir das tatsächlich erst jetzt auf?“ Nico Robin hatte gerade ihre Tasse am Tresen abgestellt und nahm nun Jinbeis Platz ihm gegenüber ein, schenkte ihm dieses Lächeln, welches ihn wachsam werden ließ; abgesehen vom Strohhut und Lorenor war sie eindeutig das gefährlichste Mitglied dieser Crew, auch wenn sie das gut zu verbergen wusste. „Was kann ich für dich tun, Nico Robin?“, stellte er sofort die Fronten klar. „Wer sagt, dass du etwas für mich tun sollst?“, entgegnete sie spielerisch. „Vielleicht genieße ich einfach nur deine Gegenwart.“ „Oh bitte“, lachte er erheitert auf. „Ich hatte von dir doch etwas mehr Einfallsreichtum bei deinen Lügen erwartet.“ „Wer sagt, dass es eine Lüge ist?“ Dann beugte sie sich vor. „Aber ganz Recht. Ich brauche deine Hilfe.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete er, wie sie ein Blatt Papier entfaltete und es vor ihm auf dem Tisch ausbreitete. Es zeigte einen Artikel über eine kürzlich verstorbene Autorin. Nun deutete Nico Robin auf das Bild der Autorin, welche vor einer Wand mit ausgestellten Büchern posierte. „Hono Kaku“, erkannte Dulacre sie direkt. „Eine der wenigen herausragenden Gelehrten unserer Zeit.“ „Dir ist bewusst, dass ihre Werke nur aus Romanen bestanden?“ Doch Nico Robin lächelte nicht mehr, sie war absolut ernst, während sie ihre Fangfrage stellte. „Durchaus“, bemerkte Dulacre und sah sie herausfordernd an. „Aber nun ist sie tot, also was willst du von mir?“ Er konnte ihr ansehen, wie sie einen Moment zögerte, ihm offensichtlich nicht traute – zurecht – ehe ihre Gier nach Wissen siegte. „Siehst du dieses Buch im Hintergrund?“ Sie tippte auf das Bild. Er begutachtete das unscheinbare Buch, las den in recht kantigen Zeichen geschriebenen Titel: „Worte einer alten Frau – es scheint eine Autobiographie zu sein. Warum interessierst du dich für dieses Buch?“ „Es gibt kein Buch mit diesem Titel“, erklärte Nico Robin daraufhin ernst. „Ich habe sämtliche Bücherverzeichnisse – offizielle wie auch inoffizielle – durchforstet. Hono Kaku hat nie eine Autobiographie geschrieben, und es gibt auch kein anderes Werk mit diesem Titel.“ „Na und?“ Erneut sah er ihr Zögern und entschied ausnahmsweise, seine nicht vorhandene Gutmütigkeit an den Tag zu legen. „Wenn du meine Hilfe willst, wirst du mir zumindest die Wahrheit sagen müssen, Nico Robin. Ich mag es nicht, manipuliert zu werden. Also entweder sprichst du nun oder gesellst dich zu deinen Freunden.“ Langsam sah sie auf und der leiseste Hauch eines Lächelns umspielte ihre Lippen, doch was sie dachte, blieb wohl ihr Geheimnis. „Es ist beeindruckend, dass du von ihrem Gelehrtenstatus weißt, schließlich ist sie der Welt als fantasievolle Romanautorin bekannt, die sich aus allen politischen, ideologischen oder gesellschaftlichen Diskussionen herausgehalten hat und einfach nur leichte und dennoch fesselnde Unterhaltung bieten wollte.“ Ernst sah sie ihn an. „Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Hono Kaku war Enkelkind und Tochter Gelehrter von Ohara. Ihre Eltern zogen fort, lange bevor sie geboren wurde, fast 50 Jahre vor dem Buster Call, dessen Umsetzung sie bereits nicht mehr erlebt haben.“ Nun zog sie eine Lupe und mehrere Blätter Papier hervor. „Sie veranlasste, dass nach ihrem Tod dieser Nachruf mit diesem Bild veröffentlicht wurde, zwei Wochen nachdem eine von ihr gewählte Zusammenstellung ihrer Kollektion an Büchern zu einem wohltätigen Zweck versteigert wurde.“ „Und gehe ich recht in der Annahme, dass jenes Buch, über das wir sprechen, davon betroffen war.“ „Ganz recht und mir ist etwas aufgefallen an diesem Titel.“ Im nächsten Moment begann sie das Blatt zu falten, so dass Teile des Titels weggefaltet wurden. „Die antike Schrift der Porneglyphen“, murmelte Dulacre und beugte sich nun neugierig vor, während Nico Robin die Lupe auf das gefaltete Blatt legte. „Dort steht Die alte Wahrheit.“ Dann sah sie ihn absolut ernst an. „Kurz nach der Versteigerung konnte der Verbleib des Buches nicht mehr nachverfolgt werden. Ich gehe davon aus, dass es auf dem Schwarzmarkt für große Summen verkauft wurde.“ Langsam lehnte Dulacre sich zurück und verschränkte die Arme. „Ich verstehe nun dein Interesse an diesem Buch, Nico Robin, aber ich verstehe noch nicht, warum ich dir helfen sollte; wir sind keine Freunde, nicht mal Gleichgesinnte.“ Es schien, als hätte sie genau auf diese Aussage gewartet, denn mit einem Mal zeigte sie ein gefährliches Grinsen, wie ein Raubtier, dass seine Beute in die Enge getrieben hatte. Oh, er mochte vorsichtig werden, sonst würde er sie eines Tages tatsächlich leiden lernen. „Siehst du diese Verzierungen?“ Sie faltete das Blatt wieder auseinander und bewegte die Lupe zur Seite. Der Buchdeckel schien mit punziertem Leder gerahmt zu sein, eine höchst ungewöhnliche Wahl der Dekoration. Doch bei näherem Hinschauen durch die Lupe erkannte er, dass die Punzierung ungleichmäßig war, oder eher, unterschiedlich tief, weshalb das Leder teils minimal dunkler war, was man schlicht als Alterserscheinung abtun konnte. „Es sind ebenfalls auseinandergenommene Schriftzeichen. Ich habe sie in mühsamer Kleinarbeit wieder zusammengefügt.“ Sie drehte eines der Blätter um und es zeigte zwei Zeilen an Zeichen, die Dulacre nicht lesen konnte. „Was heißt es?“, fragte er milde interessiert nach. „Das weiß ich nicht.“ Überrascht sah er auf. „Ich erkenne die Schriftzeichen, aber sie ergeben keinen Sinn, obwohl ich mir absolut sicher bin, die Verschlüsselung korrekt gelöst zu haben.“ Sie lächelte sachte, während sein Puls anstieg. „Ganz recht und deshalb glaube ich, dass du bereit sein wirst, mir zu diesem Buch zu verhelfen.“ „Was sagt Lorenor dazu?“, fragte er. „Hat er sich geweigert, es dir zu übersetzen?“ „Oh nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist nur… recht schwierig, ihn zu überzeugen. Wie du weißt, bedarf subtile Manipulation bei ihm meist recht viel Geduld und daher…“ „Oh, was ein Anfängerfehler.“ Überrascht riss sie die Augen auf, doch Dulacre hatte sich bereits abgewandt und winkte seinem Sozius zu. „Lorenor, hättest du vielleicht gerade einen Moment“, rief er durch den Tumult, sicherte sich tatsächlich Lorenors Aufmerksamkeit, der gerade das vierte Bierfass leertrank, bei dessen Öffnen der Lockenkopf gescheitert war. Unter einem lauten Grunzen erhob er sich und kam herüber getrottet. „Was ist?“, murrte er, während Nico Robin Dulacre mit kaum verhohlener Überraschung und fast schon Panik ansah. Aber davon ließ er sich nicht einschüchtern. „Nico Robin hat mir vorgeschlagen, dieses Buch zu besorgen und ich glaube, es könnte recht interessant sein.“ „Und?“ Lorenor sah unbeeindruckt zwischen ihnen hin und her. „Auf dem Buchdeckel befinden sich verschlüsselte Zeichen Alciels.“ Er hielt Lorenors regungslosen Blick stand. „Und ich wollte dich bitten, sie uns zu übersetzen.“ Einen langen Moment schien kein Sauerstoff mehr im Raum zu sein, so eine Anspannung lag zwischen ihnen. Dann seufzte Lorenor und beugte sich über den Tisch, griff nach dem beschriebenen Blatt. „Da steht Sagen einer vergessenen Zeit und darunter steht… das ergibt keinen Sinn, da muss ein Fehler drin sein.“ Er neigte leicht den Kopf. „Ich denke, es soll wohl so etwas heißen wie An die Nachwelt oder An die Kinder oder so. Siehst du, dieses Zeichen hier heißt Ren, aber die Verknüpfung ist falsch, als…“ „Als wäre es von jemandem geschrieben worden, der nicht Muttersprachler ist?“, half Dulacre nach und Lorenor nickte nur. „Aber du bist dir sicher, dass wohl das gemeint ist.“ Lorenor legte das Blatt zurück auf den Tisch und nickte erneut. „Gut.“ Einen Moment genoss Dulacre die Verblüffung Nico Robins, ehe er sich wieder Lorenor zuwandte, der seinen Blick ernst begegnete. „Hast du irgendwelche Einwände dagegen, dass ich beabsichtige, dieses Buch zu besorgen?“ Einen Moment wurden sie abgelenkte, als der Smutje erneut der Navigatorin seine Liebe gestand und sie ihn daraufhin gegen die nächstbeste Wand klatschte. Dulacre teilte Lorenors etwas angewiderten Gesichtsausdruck. So langsam verstand er, warum Lorenor dem Begriff der Liebe keine Bedeutung zumessen konnte, wenn jemand wie der Smutje damit um sich warf wie Falschgeld. Sein Verhalten war beinahe beleidigend gegenüber Dulacres so ernsten Gefühlen für Lorenor. „Also?“, fragte er erneut und brachte das Gespräch wieder zum eigentlichen Thema. Noch einen Moment begutachtete Lorenor sein Crewmitglied, ehe er schließlich erst Nico Robin und dann Dulacre anguckte und sich dann durchs Gesicht rieb. „Macht, was ihr nicht lassen könnt“, murrte er. „Aber lasst mich damit bloß in Ruhe.“ „Würdest du uns denn dennoch helfen, sofern wir deiner sprachlichen Versiertheit bedürfen?“ Für einen Moment spannte Lorenors Kiefer sich an und Nico Robin hob bereits eine Hand, in einem verzweifelten Versuch der Beschwichtigung, da knurrte er bereits: „Meinetwegen!“ Spiel, Satz und Sieg! Dulacre wollte sich schon bereits für seine Überlegenheit feiern, da fiel ihm auf, dass Lorenor ihn weiterhin anstarrte, mit einer Art, die ihm so gar nicht gefiel. „Dulacre?", knurrte Lorenor dann immer noch so gefährlich, als hätte Dulacre etwas falsch gemacht. „Hmm?", reagierte er ganz unschuldig. „Ich hab nochmal über eben nachgedacht.“ Unsicher, was jetzt kommen würde, sah Dulacre den Jüngeren an, der ihn absolut kalt anstarrte, als hätte Dulacre ihn wütend gemacht. Na, vielleicht hatte er sich doch verrechnet. „Also“, brummte er so tief, dass sich Dulacres Nackenhaare aufstellten, „um das klarzustellen: Ich bin der Einzige, den du zum Kampf herausforderst, verstanden?“ Damit ging er einfach, platzte mit diesen Worten heraus und wandte sich dann unter Nico Robins leisen Kichern einfach um. Stakste zur Bar, um sich neuen Alkohol zu gönnen, ließ Dulacre mit dieser offensichtlichen Drohung zurück. „Das wird er ja wohl kaum ernst gemeint haben“, murrte er, obwohl er es besser wusste. „Oh, wer weiß“, kam es von Nico Robin auch direkt. „Wir beide wissen doch, wie ernst er den Schwertkampf nimmt.“ Sie genoss es sichtlich, dass Lorenor seinen Sieg so untergraben hatte und Dulacre rang um seine Fassung, immerhin verriet ihn seine Stimme nicht. „Du glaubst wirklich, dass er den Schwertkampf meinte?“ „Warum nicht?“ Sie neigte den Kopf. „Aber vielleicht nicht nur. Offenbar hat er Gefallen gefunden an der Mehrdeutigkeit von Worten.“ Vielleicht war es gut, dass Lorenor kein Mann des Wortes war, dachte Dulacre und errötete immer mehr. Er wüsste nicht, wie viele dieser Geständnisse sein armes Herz ertragen konnte. Insbesondere nicht in ihrer Gegenwart. Dann nahm sie ihre Papiere vom Tisch und hielt Dulacre den Zeitungsausschnitt hin. „Also?“, fragte sie. Nickend nahm er es entgegen. „Ich werde es besorgen.“ Nun grinste sie überraschend breit. „Dann habe ich hiermit gewonnen.“ „Mitnichten, Nico Robin. Offensichtlich habe ich gewonnen.“ Aus dem Nichts tauchte einer ihrer vielen Hände auf mit einem zweiten Weinglas und einer Weinflasche von besserer Qualität. Dann platzierte sie einen Ellenbogen auf dem Tisch und legte einen Zeigefinger an ihr Kinn, während ihre Hände ihnen eingossen. „Die Schwäche eines jeden hervorragenden Kriegers“, flüsterte sie verführerisch, „so erpicht darauf die eigene Schlacht zu gewinnen, dass ihr den Krieg aus den Augen verliert.“ Auch er lehnte sich vor und faltete seine Hände. „Dann lass uns doch ein für alle Mal klären, wer die besseren Kriege führt.“ Sie lächelte. „Also Schach? Oder spielen wir wie die Erwachsenen eine Runde Mahjong?“ Er erkannte ihre Finte und entschied, mitzuspielen. „Na, wenn wir schon Krieg führen, dann sollten wir Go spielen, nicht wahr?“ Sie neigte leicht den Kopf und es brauchte nur einen Wimpernschlag, bis ihre Hände mit den benötigten Utensilien herbeikamen. „Es wird mir eine Freude sein, dir eine vernichtende Niederlange beizubringen, Mihawk.“ „Die Freude wird die meine sein, Nico Robin.“ Sie erhob ihr Glas. „Na dann, lass uns Anstoßen, auf einen Kampf.“ „Meintest du nicht, auf einen fairen Kampf?“ Er hob ebenfalls sein Glas. „Oh, nein, ich habe nicht vor, fair zu spielen, schließlich ist im Krieg und in der Liebe alles erlaubt.“ Sie stießen an, während er noch einen Moment über ihre Worte nachdachte. Dann folgte er mit leisem Grauen ihrem Blick. Am anderen Ende der Bar saß Lorenor und starrte ihn über dessen zerbrochenes Bierfass hinweg regungslos an, sein Gesichtsausdruck undeutbar, wie so oft. Dann rief sein Kapitän ihn zu sich und er kippte sich das Bier in den Rachen, stand auf und folgte dem laut lachenden Strohhut ins Hinterzimmer der kleinen Kneipe, ohne sich auch nur noch ein einziges Mal nach Dulacre umzudrehen. „Oh, du bist wahrlich ein Teufel“, lachte er leise auf. „Ich weiß, warum meinst du, spiele ich so gerne mit Monstern.“ Kapitel 9: Alternative Version Part 3 Kapitel 25 - Geständnis ------------------------------------------------------------- Alternative Version von Teil 3 Kapitel 25, ab dem Moment, da die Erzählung aus Mihawks Sicht erfolgt. Zorro hat gerade erklärt, dass er sich nicht sicher ist, aber es sein könnte, dass er Mihawks Gefühle erwidert.   -Mihawk – Für einen Moment war es still zwischen ihnen, so ungewohnt still, nur das Rauschen des Meeres war zu hören. Nur das Rauschen des Meeres und Dulacres schnell schlagendes Herz. „Wie meinst du das?“ Lorenors Worte waren gefährlich. Sie gaben Dulacre eine Hoffnung, die er nicht haben durfte. „Es hat sich doch überhaupt nichts verändert.“ „Das sehe ich anders“, meinte Lorenor nur und zuckte mit den Schultern. „Für dich hat sich vielleicht nichts verändert, aber für mich schon.“ „Wovon redest du?“, fragte Dulacre, da er absolut nicht verstand. „Was soll sich bitte verändert haben? Du bist immer noch bei deiner Crew, bist immer noch bereit, sie um jeden Preis zu beschützen, immer noch nicht gewillt, ihnen zu vertrauen. Du willst mich immer noch besiegen und du bist immer noch nicht gewillt, die Wahrheit zu sagen, noch nicht mal mir. Was soll sich bitte geändert haben?“ Lange sah Lorenor ihn einfach nur an, dann senkte er den Blick. „Du wärest beinahe gestorben.“ … „Wie bitte?“ „Keine Ahnung, ich kann‘s nicht genau in Worte fassen, aber ich weiß, dass die Dinge nicht mehr sind, wie auf Kuraigana.“ Wieder war es so still, so still, dass Lorenor doch sein laut pochendes Herz hören musste, während Dulacre nicht verstand, was der andere versuchte ihm zu sagen. „Lorenor, wie meinst du das?“, fragte er, bemüht seine tobenden Gedanken zu beruhigen, doch er scheiterte kläglich. „Tja, wenn ich das nur wüsste.“ Der Jüngere schenkte ihm ein halbes Grinsen. „Ich sag ja, ich habe keine Ahnung, aber es ist halt einfach nicht mehr wie auf Kuraigana.“ Dann seufzte er laut auf und ging an Dulacre vorbei. „Aber wie dem auch sei, eigentlich ist das doch jetzt völlig egal. Ich sollte nicht darüber nachdenken, sondern darüber, wie…“ „Egal?“ Dulacre konnte nicht verhindern, dass seine Schläfe zu pulsieren begann. „Das sehe ich aber ganz anders.“ „Hör auf so ein…“ „Nein, hör du mir zu, Lorenor.“ Er machte einen Schritt auf den anderen zu, der abwehrend beide Hände erhob. „Du möchtest mir doch eh nicht über Eizen die Wahrheit sagen, dann können wir uns genauso gut über das hier unterhalten.“ „Aber ich hab dir doch schon gesagt, dass ich nicht weiß, was ich…“ „Dann denk nach.“ Er packte Lorenor am Oberarm und dieser begegnete überrascht seinem Blick. „Ich habe mich stets bemüht, Rücksicht zu üben, Lorenor, aber selbst ich habe meine Grenzen. Du kannst so etwas doch nicht sagen und dann einfach das Gespräch beenden. Nicht, nachdem ich dir gerade meine Gefühle gestanden habe. Dir muss doch bewusst gewesen sein, dass deine Worte mir wie eine Einladung vorkommen müssen.“ Lorenors Blick machte deutlich, dass es ihm nicht bewusst gewesen war. „Du sagst, deine Antwort von Kuraigana wäre nun nicht mehr deine Antwort? Du sagst, du hättest dich verändert, deine Gefühle hätten sich verändert? Und jetzt willst du mir nicht mal sagen zu was? Willst mich einfach mit diesen vagen Hoffnungen hinhalten? Selbst dir muss doch bewusst sein, wie grausam das ist.“ Nein, es war ihm offensichtlich nicht bewusst. Er schien immer noch nicht zu verstehen, wie sehr seine unbedachten Worte Dulacre beeinflussen konnten. „Ich… Das war nicht meine Absicht“, murmelte er und senkte den Blick. „Das ist mir bewusst, Lorenor, also bitte, lass uns dieses Gespräch fortführen. Bitte sag mir, was sich für dich verändert hat. Bitte sag mir doch einfach, was du für mich empfindest.“ Immer noch hatte Lorenor den Blick gesenkt, wortlos öffnete und schloss sich sein Mund. „Ist das deine Antwort? Schweigen? Nach allem, was ich gesagt habe, was du gesagt hast, bin ich dir noch nicht mal ein Wort der Ablehnung wert?“ „Jetzt hör auf mit diesem melodramatischen Scheiß, okay?“ Wütend starrte der andere ihn an. „Gib mir doch zumindest zwei Sekunden Zeit darüber nachzudenken, du Mistkerl!“ Dann riss er sich los und ging ein paar Schritte zurück. „Oh man, du machst alles immer so kompliziert; ich wollte das nicht, okay? Ich wollte nicht irgendwie was sagen, was für dich unangenehm ist, oder so, okay? Ich weiß doch auch nicht, was ich gerade denke, und eigentlich sollte ich mir darüber auch gerade gar keine Gedanken machen, weil…“ Lorenor brach ab und seufzte auf. „Deshalb hasse ich diese Gespräche, weil sie mich dazu bringen über Dinge nachzudenken, über die ich gar nicht nachdenken will. Ich wollte nicht, dass die Dinge sich zwischen uns verändern. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass wir Rivalen sind – Feinde sind! – und wir waren uns einig, dass irgendwelche Gefühle deinerseits daran nichts ändern sollten. Warum also sollten nun irgendwelche Gefühle meinerseits etwas daran ändern? Gefühle, die ich noch nicht mal verstehe.“ Kopfschüttelnd sah Lorenor ihn an. „Tut mir ja leid, wenn das dir gegenüber unfair oder was auch immer ist, aber ich weiß doch selbst kaum, was los ist. Als ich ging, waren die Dinge für mich glasklar; du bist mein Rivale, mein Lehrmeister und meinetwegen auch ein Freund. Das war für mich völlig in Ordnung.“ Seufzend fuhr er sich durchs Haar. „Aber dann musstest du ja so eine Scheiße abziehen und beinahe draufgehen und ich… ich habe keine Ahnung, was ich für dich empfinde und was nicht, und das verwirrt mich, weil ich mir über so etwas normalerweise nie Gedanken machen würde und natürlich musstest du dir den beschissensten Zeitpunkt überhaupt aussuchen, um mir deine Gefühle zu gestehen. Hier? Jetzt? Nachdem du gerade beinahe draufgegangen wärest und dich mit meiner Crew am laufenden Band anlegst? Nur Tage, bevor ich irgendwie mit Eizen fertig werden soll, von de Flamingo, Big Mom und Kaido mal ganz zu schweigen? Ernsthaft? Warum ist es dir so wichtig? Warum müssen wir jetzt darüber reden?“ Dulacre neigte leicht den Kopf. „Wie kann es dir nicht wichtig sein?“, entgegnete er, woraufhin Lorenor nur aufschnaubte. „Wie kann es für dich nicht wichtig sein, zu verstehen, was du fühlst? Möchtest du deine Gefühle nicht beim Namen nennen können?“ „Ja, das ist wohl das Problem mit dir und mir. Du machst dir viel zu viele Gedanken um alles, möchtest alles ergründen und allem einen Namen aufdrücken, selbst, wenn es noch so unnötig ist und alles nur komplizierter macht. Ich auf der anderen Seite mache mir anscheinend nicht genug Gedanken. Das ist ja auch der Grund, warum ich keine Ahnung habe, wie ich Eizen aufhalten soll. Das ist der Grund, warum ich nicht kapiert habe, warum ich jeden angegangen bin, der mich nur gefragt hat, wie es mir geht. Weil ich nicht genug nachdenke.“ Langsam begann Lorenor vor ihm auf und abzutigern, versuchte gar nicht mehr das Gespräch zu beenden, zu vertieft in seine eigenen Gedanken oder zu stoisch, um sich von ihnen abschrecken zu lassen. „Aber ich habe es versucht“, murmelte Lorenor, ohne in seinen Schritten innezuhalten. „Nachdem Chopper sagte, dass du durchkommen würdest verfolgt mich dieses Gefühl, dass was anders ist, und habe ich versucht herauszufinden, was es bedeutet. Weil ich wusste, dass du mir das raten würdest, aber du warst nun mal bewusstlos und ich konnte dich nicht fragen. Nicht, dass ich es gemacht hätte, schließlich…“ Er brach ab und lief schweigend weiter. Dulacre wusste nicht, was er sagen sollte. Er verstand Lorenor in diesem Moment überhaupt nicht und vielleicht war es ein Fehler gewesen, eine Antwort von ihm einzufordern. „Weißt du“, murmelte Lorenor dann endlich nach gefühlten Minuten, ohne ihn anzusehen oder auch nur stehen zu bleiben, „mir war immer bewusst, dass ich nicht gerade zur umgänglichen Sorte Mensch gehöre, und das war mir eigentlich auch immer ganz Recht so. Gespielte Freundlichkeit und falsche Höflichkeit sind einfach nervig. Ich habe nie verstanden, warum Leute nicht einfach sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Wenn ich jemanden nicht mag, werde ich nicht so tun, als wäre dem nicht so, und wenn jemand Mist baut oder Scheiße sagt, dann werde ich das nicht schönreden und wenn mich deswegen andere nicht leiden können, dann ist das halt so, nicht mein Problem.“ Kopfschüttelnd verschränkte er die Arme und blieb stehen, mit dem Rücken Richtung Dulacre, dem Krankenzimmer des Piratenschiffs zugewandt. „Mich hat nie wirklich gestört, wenn man mich nicht abhaben kann. Selbst mit den anderen, wenn sie mich nicht mögen, dann ist das halt so. Selbst, wenn sie mich nicht leiden können, mir nicht vertrauen können, es wird nichts an meinen Entscheidungen ändern. Egal, was sie denken, ich werde sie beschützen, sie alle, weil sie meine Crew sind, weil sie meine Freunde sind – auch wenn der beschissene Koch manchmal einem echt auf den Sack gehen kann – und mir ist egal, was ich dafür tun muss. Wenn ich Dinge tun muss, für die sie mich später hassen, wenn ich der Böse in ihrer Geschichte werden muss, um sie zu beschützen, dann ist das halt so, dann ist das der Preis, den ich bereit bin zu zahlen, um sie zu beschützen.“ Einen Moment zögerte er, doch dann sprach er schließlich weiter: „Mit dir sollte es das Gleiche sein. Du bist nicht der Erste, den ich beinahe verloren habe, ich kenne das Gefühl – verdammt nochmal, vor zwei Jahren war genau dieses Gefühl der Grund, warum ich mich wieder verwandeln konnte – warum ist es mit dir also anders? Warum ist es mit dir so kompliziert? Warum war ich nicht einfach nur erleichtert, nachdem Chopper sagte, dass du durchkommen würdest?“ Für einen Moment fragte Dulacre sich, ob es wirklich so kompliziert war, wie Lorenor es darstellte. War es nicht verständlich, dass mit der Erleichterung auch Unsicherheit einhergehen würde? Schließlich hatten sie sich vorher so arg gestritten wie nie zuvor. Warum also überraschte Lorenor, dass er mehr als nur ein Gefühl fühlen konnte? „Ich bin niemand, der Dinge beschönigt, auf Applenine mag ich mich im Ton vergriffen haben, aber ich lag nicht falsch mit dem, was ich gesagt habe. Warum also habe ich diese Worte so bereut? Warum habe ich mir gewünscht, ich hätte es nicht gesagt, obwohl es die Wahrheit war? Warum hatte ich so große Angst davor, was du von mir denken würdest? Warum habe ich mich so geschämt, dass ich dich nicht mal ansehen konnte?“ Dulacre seufzte, er hatte es ja erwartet. „Lorenor, daran ist doch nichts kompliziert. Es ist doch ganz normal, dass man von den Menschen, die einem wichtig sind, auch gemocht werden möchte. Diese Gedanken sind nicht…“ „Glaubst du, ich wüsste das nicht?“ Doch Lorenor klang nicht laut oder wütend. Fast schon hilflos zuckte er mit den Schultern. „Natürlich will ich nicht, dass die anderen mich hassen, dass Ruffy mich hasst – es ist ein beschissenes Gefühl zu wissen, dass der verdammte Koch mir nicht vertraut, obwohl ich doch nichts anderes versuche, als sie alle zu beschützen - aber wenn das nötig sein sollte... Wenn ich für sie sterben müsste, um sie zu beschützen, dann würde ich das tun, so wie ich es bereits getan habe. So wie ich es bis eben noch vorhatte zu tun.“ Nun rieb der andere sich wieder den Nacken und schüttelte leicht den Kopf. „Aber bei dir ist das anders. Ich will nicht, dass du mich hasst. Ganz gleich, was ich tun müsste, ich will nicht, dass du mich verachtest. Die Vorstellung, dass du über mich redest wie über Homura, über mich so denkst… das will ich nicht. Ich mag nicht, wie herablassend du über alles und jeden redest, weil ich dann immer denke, dass du so vielleicht auch über mich redest, wenn ich nicht da bin, und obwohl mir das eigentlich egal sein sollte, ist es das nicht. Ich will keine Enttäuschung sein, keine Zeitverschwendung.“ Er zögerte, als würden diese Gedanken ihm jetzt erst bewusst werden. „Und ich will nicht für dich sterben. Denn wenn ich das tue, dann war’s das. Dann werde ich nie wieder ein Schachspiel mit dir spielen, nie mehr mit dir am Feuer sitzen, mit dir streiten oder mit dir kämpfen.“ Ganz langsam drehte Lorenor sich zu ihm herum, zeigte deutlich, wie sehr er sich mit seinen Gedanken auseinandersetzte. „Aber wenn du mir doch so wichtig wärest wie meine Crew, sollte ich dann nicht auch für dich bereit sein alles zu tun, was in meiner Macht liegt, selbst wenn das bedeutet, dass du mich hassen würdest? Als du zusammenbrachst, hatte ich die gleiche Angst wie damals, als die anderen auf dem Sabaody Archipel waren, aber warum kann ich dann für dich nicht alles tun? Warum ist es anders? Warum ist es so kompliziert? Warum habe ich diese komplizierten Gedanken, dabei sollte es doch eigentlich ganz einfach sein?“ Er verstand immer noch nicht, warum diese Gedanken so kompliziert für Lorenor waren, und er fragte sich, ob Lorenor wohl überhaupt noch eine Antwort finden würde oder sich bereits zu sehr in seinen verworrenen Gedanken verstrickt hatte. „Die Wahrheit ist doch, dass ich mir über so etwas nie Gedanken mache, aber dann dachte ich, du würdest sterben und Chopper sagt so komische Sachen und Robin sagt so komische Sachen und ich… und ich… und ich verstehe mich selbst nicht mehr.“ Er rieb sich durchs Gesicht und begann wieder auf und abzutigern. „Aber ich bin kein Vollidiot, nachdem, was du mir auf Kuraigana gesagt hast, was Jiroushin gesagt hat, natürlich habe ich mich gefragt, ob dieses seltsame Gefühl vielleicht nicht auch Liebe ist. Es wäre eine Möglichkeit, oder? Aber dich konnte ich schlecht fragen, du warst ohnmächtig, wir hatten gestritten und ich… ich wollte dir keine falschen Hoffnungen machen.“ Dulacre neigte den Kopf zur Seite. „Wie meinst du das?“, hakte er nach. „Willst du mir etwa sagen, dass du dich vielleicht wirklich in mich verliebt hast?“ Lorenor zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, das versuche ich doch dir zu erklären. Ich hab von so einem Mist keine Ahnung und es interessiert mich eigentlich auch gar nicht. Aber ja, ich habe versucht dieses seltsame Gefühl zu verstehen, weil ich wusste, dass dir so etwas wichtig wäre, weil ich wusste, dass du irgendwann das Thema ansprechen würdest. Ich habe all diese beschissenen, nervigen Bücher vom Koch gelesen, so öde sie auch waren, aber ganz ehrlich, ich hatte keinen blassen Schimmer, von was für einem Mist diese Bücher redeten und irgendwie war ich… erleichtert, weil ich dachte, dass das Thema damit erledigt sein würde. Ich war erleichtert, weil Gefühle Dinge kompliziert machen und es ist so schon kompliziert genug, mit Eizen, meiner Crew, dir und deinem beschissenen Charakter.“ Dulacre wusste nichts zu sagen. Sein Herz schlug deutlich zu schnell und sein Magen tat weh. Es missfiel ihm, wie Lorenor sich mit seinen Worten und Gedanken zu quälen schien, aber noch mehr missfiel ihm, wie sehr er hoffte. „Aber dann sagst du so einen Mist und jetzt bin ich total verwirrt. Weil…, weil ich genau weiß, was du meinst.“ Für eine Sekunde hielt Dulacre die Luft an und er stieß sich von der Reling ab und stellte sich Lorenor in den Weg, sodass er aufhören musste, Gräben ins Holz zu laufen. „Was meinst du, Lorenor?“ Der andere zuckte mit den Schultern. Mehrmals setzte er zu sprechen an, doch er schien die Worte nicht zu finden. Dann seufzte er. „Naja, in diesen langweiligen Geschichten ging es immer nur um so kitschiges Zeug und damit konnte ich absolut nichts anfangen und um ehrlich zu sein, fand ich diese Bücher nur nervig.“ Endlich sah Lorenor ihn wieder an, ganz klar und unverhohlen. „Aber… ich kenne die Angst, die du beschrieben hast, den Zorn, die Hilflosigkeit. Denn ich hatte Angst, als du vor mir zusammengebrochen bist und ich zur Sunny gelaufen bin. Verdammt nochmal, während Chopper und die anderen dich operiert hatten… ich… ich hatte solche Angst, dass du sterben würdest, ohne jede Vorwarnung, ohne, dass ich je damit gerechnet hätte, ohne, dass ich irgendetwas hätte tun können. Ich bin wütend darüber, dass du einfach so deinen Titel riskierst, nur um mir nachzureisen, obwohl ich dir tausendmal gesagt habe, wie dämlich das ist. Ich bin wütend darüber, dass du dich wie ein Arsch benimmst und ich, so wie die anderen es tun, dich scheiße finden will, aber es nicht kann. Und ich habe mich so verdammt hilflos gefühlt an deinem Krankenbett zu sitzen, ohne irgendetwas tun zu können, außer zu warten. Aber ich fühle mich auch hilflos, weil ich nicht will, dass du und der Koch euch die ganze Zeit an die Gurgel geht und ich nicht weiß, wie ich das verhindern soll, und als du mich eben wegen Eizen angegangen bist, da hatte ich wirklich Angst, dass du aufhörst nachzuhaken, einfach aufgibst. Ich hatte wirklich Angst, dass ich es geschafft hätte, dass du nicht mehr nachfragen würdest, so wie ich alle in der Crew immer auf Abstand bringe, wenn sie mir zu nah kommen.“ Mittlerweile fiel es Dulacre schwer diesem klaren Blick standzuhalten. Er verstand nicht, warum Lorenor ihm all das sagte und dennoch behauptete, seine Gefühle nicht zu verstehen, aber es tat weh, es tat unglaublich weh, weil es das war, was er hören wollte, weil es beinahe das war, was er hören wollte, und er genau wusste, dass es das nicht sein konnte, und wie konnte es sein, dass die unbedachten Worte eines Jungen, kaum ein Mann, ihn so fühlen ließen, ihn so hoffen ließen. „Lorenor“, seufzte er auf, „es tut mir leid, aber was willst du mir sagen?“ „Ich versuche hier dir eine verdammte Antwort auf deine beschissene Frage zu geben, du Arsch, aber das ist nicht so einfach, wie du tust“, murrte Lorenor unverblümt wie eh und je. „Weißt du, du hast eben gesagt, dass es dir schwerfällt, offen und ehrlich mit mir zu reden, weil deine Gefühle dich beeinflussen und dass dich das nervt, und mich nervt das übrigens auch, weil ich vor dir kein Blatt vor den Mund nehmen werde und ich von dir verdammt nochmal erwarte, dass du das auch nicht tust. Wie kann es sein, dass du der Einzige bist, vor dem ich reden kann wie jetzt, aber du verstellst dich mir gegenüber? Das pisst mich an!“ Laut schnaubte der andere auf, ehe er weitersprach: „Aber ich… ich verstehe, wie schwierig es für dich ist, von deinen Gefühlen beeinflusst zu werden, denn ich hab doch das gleiche Problem. Es nervt mich, dass die Vorstellung, du könntest mich wie Homura behandeln, nur weil ich dir die verdammte Wahrheit ins Gesicht sage, mir eine solche Angst einjagt, dass ich dir nicht mal in die Augen sehen kann. Es nervt mich, dass du mich dazu bringst meine Entscheidungen anzuzweifeln. Ich…“ Lorenor wirbelte herum, als könnte er Dulacre nicht mehr ansehen. „Verdammt nochmal! Ich versuche es, ich bemühe mich und du machst alles so kompliziert. Wieso kannst du nicht einmal die Dinge einfacher machen? Du bist der Grund, warum ich über so einen Mist nachdenken muss, über den ich mir sonst nie Gedanken machen würde, weil du diesen beschissenen Wein getrunken und beinahe abgekratzt wärest und dich jetzt andauernd mit meiner Crew anlegst und dich wie ein absoluter Arsch aufführst. Und am liebsten wäre ich einfach nur wütend auf dich, weil das wirklich das Einzige ist, was du mir einfach machst, aber dann sagst du so Sachen – so seltsame Sachen – und ich… und ich…“ Ganz langsam fiel der Berry und auf einmal verstand Dulacre. Natürlich, Lorenor hatte es doch gesagt, die Dinge hatten sich verändert, es war nicht mehr wie auf Kuraigana, es war nicht wie bei seiner Crew, es war anders mit Dulacre und Lorenor verstand nicht warum. Und wie immer, wenn er etwas nicht verstand, kam er zu Dulacre, nachdem er selbst erfolglos gewesen war, erhoffte von ihm die Antwort, während er sich versuchte zu erklären, während er sich um Kopf und Kragen stammelte, in seinem verzweifelten Versuch seine Frage auszuführen, damit Dualcre nur endlich antworten würde. Er sprach immer weiter und weiter, nicht, weil er Dulacres Frage beantworten wollte, nein, er wusste die Antwort schlichtweg nicht. Lorenor sprach weiter und weiter, weil er darauf wartete, dass Dulacre das in Worte fassen würde, was er selbst nicht erklären konnte, so wie es schon oft zwischen ihnen vorgefallen war. Wieder einmal hatte er es vergessen; so erwachsen und reif Lorenor in vielen Bereichen war, so unsicher war er in diesem und deswegen benahm er sich so, nicht weil Dulacre es kompliziert machte, sondern weil es schlicht kompliziert für Lorenor war, weil er halt doch noch zwanzig Jahre jünger war. Seufzend entschied Dulacre dieses Mal auf sein Bauchgefühl zu vertrauen, entschied das Risiko bereitwillig in Kauf zu nehmen, versuchte seine eigenen Zweifel zu ignorieren und einen Schritt nach dem anderen zu gehen. „Lorenor“, erhob er die Stimme und legte dem anderen eine Hand auf die Schulter, „ist das deine Art mir zu…, versucht du mir gerade zu sagen, dass du meine Gefühle tatsächlich erwiderst?“ Der Jüngere erzitterte unter seinem Griff. „Ich versuche dir zu sagen, dass du ein verdammter Mistkerl bist“, knurrte er, aber seine Stimme war nicht annähernd so bedrohlich, wie er es wohl wollte. „Alles machst du kompliziert, immer suchst du Streit und machst nur Probleme. Du versuchst nicht mal mit meiner Crew auszukommen und was war die Scheiße mit dem Koch? Ganz ehrlich, du treibst mich in den Wahnsinn, das versuche ich dir zu sagen. Du bist ein Vollidiot, ein verdammter Vollidiot!“ Dulacre schwieg für einen Moment, versuchte abzuwägen, was er sagen sollte, fühlte sich beinahe lächerlich über dieses Gefühl in seinem Inneren die dieser Rotzbengel in ihm hervorrief. „Das war kein Nein, Lorenor“, bemerkte er also ruhig, entgegen seines rasenden Herzens, und blickte zu dem Jüngeren hinab, der stur geradeaus starrte. Dann legte Lorenor mit geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken und seufzte tief. „Nein, nein, das war es nicht.“ Und plötzlich setzte Dulacres Herz einen Schlag aus. Es war eigentlich beinahe ein Scherz gewesen aber jetzt gerade schien sich alles zu ändern. Jetzt verstand er, warum Lorenor davon gesprochen hatte, nicht mehr derselbe zu sein. Er holte tief Luft und entschied volles Risiko einzugehen. „Lorenor, liebst du mich?“ Der andere schwieg für eine gefühlte Ewigkeit, doch dann seufzte er erneut auf. „Ich weiß es nicht“, gestand er schließlich ein und zuckte mit den Achseln. „Das ist doch, was ich versuche dir zu erklären. Ich weiß doch noch nicht mal, was so ein Wort bedeutet, und du bist ein verdammter Mistkerl und so verdammt nervig, aber… Ach, was solls, keine Ahnung, kann schon sein.“ Kann schon sein… Was war das denn für eine Antwort? „Lorenor, ich weiß, diese Unterhaltung ist schwierig für dich, aber nachdem du all das jetzt gesagt hast, ist ein Kann schon sein zu wenig als Antwort für mich. Also, was ist das zwischen uns? Was empfindest du für mich?“ Entnervt stöhnte der andere auf, streifte seine Hand ab und wandte sich ihm zu, sein Blick war todernst, wie während ihrer Trainingseinheiten. Im nächsten Moment packte er einfach Dulacre an Hinterkopf und Kragen, riss ihn zu sich hinab und knallte seinen Mund gegen Dulacres, stierte ihn regelrecht nieder. Keine Sekunde später stieß er ihn wieder weg, als hätte er sich an Dulacre verbrannt. „War das klar genug?“, knurrte er und stemmte die Hände gegen die Hüfte, doch Dulacre war nur noch mehr verwirrt. Er konnte nicht einordnen, was Lorenor gerade getan hatte. „Aber krieg mir das nicht in den falschen Hals, kapiert? Du bist immer noch ein Mistkerl, ich will dich immer noch besiegen und wenn du noch einmal so einen Mist wie mit dem Koch abziehst, dann wirst du dein blaues Wunder erleben!“ Fast schon wütend starrte Lorenor ihn an, dann atmete er tief auf und nickte. „Schön, jetzt, da wir auch das geklärt hätten, können wir uns wieder den eigentlichen Problemen zuwenden. Also komm mit und entschuldige dich bei meiner Crew, du Mistkerl.“     Kapitel 10: Extrakapitel 8 - Auf einen fairen Tanz --------------------------------------------------  Auf einen fairen Tanz   -Sanji- „Ne, da mach ich nicht mit.“ „Zorro!“ „Ich hab’s gesagt. Bei einem Angriff bin ich dabei, aber auf so eine Schmierenkomödie hab ich keinen Bock.“ Unerbittlich verschränkte der Marimo die Arme und lehnte sich zurück gegen den Hauptmast, auf dessen Bank er saß. „Wenn ihr sowas abziehen wollt, dann bitte, aber ohne mich.“ „Ohne dich geht es nicht!“, widersprach Nami, halb bittend, halb belehrend, während sie mit ebenfalls verschränkten Armen neben ihm stand. „Wir haben keine andere Wahl.“ „Dann hättet ihr es vorher mit mir absprechen sollen, dann hätte ich euch gesagt, dass ich so einen Mist nicht mitmache.“ „Bitte Zorro, ich hab Panik geschoben“, rechtfertigte Lysop sich und kniete halb vor ihm. „Nur Leute mit Rang und Namen kommen rein und bevor ich wusste, was ich tat, ist mir der Name einfach rausgeflutscht und sie dachten wohl, ich wäre Falkenauges Dienstbote oder so, keine Ahnung. Auf jeden Fall waren alle total begeistert.“ „Und? Nicht mein Problem.“ „Eine kleine Unterwanderung würde deutlich weniger Aufmerksamkeit bedeuten, als wenn wir offen angreifen. Denkt daran, wir befinden uns in feindlichem Territorium und überall ist die Marine. Wenn wir entdeckt werden sollten, wird man die Gefangenen vermutlich sofort hinrichten.“ Robin zuckte mit den Schultern. „Alles, was wir wollen, sind die Schlüssel vom Kommandeur und dies wäre die perfekte Gelegenheit, um an sie zu gelangen, ohne einen Kampf zu riskieren.“ „Und das nur, weil diese leichtgläubigen Vollidioten auf jeden Mist reinfallen“, murmelte Sanji und steckte sich eine neue Zigarette an. Er war nicht gerade glücklich über die Situation, aber es war auch nicht so, als hätten sie groß eine Wahl. „Sollten auf jeden Fall gucken, dass wir die zwei zukünftig nicht mehr allein in irgendeine fremde Stadt laufen lassen. Ich könnte auf diese Aktion echt verzichten.“ Einstimmig seufzten sie alle. „Naja, was sollen wir machen?“, lachte Franky leichtfertig. „Können schlecht ohne Kapitän weitersegeln, oder?“ „Und Chopper macht sich mit Sicherheit schlimme Vorwürfe“, bemerkte Jinbei, „und wahrscheinlich auch große Sorgen.“ Niemand sagte mehr etwas. Sie alle konnten sehen, wie Frankys und Jinbeis Worte mit jeder Sekunde schwerer auf den Schultern ihres Schwertkämpfers lasteten und sein leises Aufstöhnen bezeugte, dass er eingeknickt war. „Ich hab’s ja kapiert“, knurrte Zorro und rieb sich entnervt durchs Gesicht. „Okay, wenn’s denn sein muss, ich bin dabei. Was ist der Plan?“ Nami und Lysop tauschten ein erleichtertes Grinsen aus. Aber Sanji hatte immer noch seine Zweifel, dass das funktionieren würde. „Ganz einfach, du gehst da rein, unterhältst dich mit ihm und in einem unauffälligen Moment leihst du dir seine Schlüssel aus.“ „Ich denke nicht, dass wir es uns so einfach machen sollten“, widersprach Nami ihrem Schiffszimmermann, nun deutlich ernster. „Wenn Zorro erwischt wird, haben wir gleich noch ein Problem. Ich denke, es ist besser, wenn nicht er den Diebstahl übernimmt, sondern… ich“, murmelte sie, verschränkte die Arme und war offensichtlich tief in Gedanken, ehe sie nickte. „Genauso machen wir es“, sagte sie leise und sah dann entschieden auf. „Ich habe einen Plan.“   „Ich bin echt nicht überzeugt davon, dass das so klappt“, murmelte Sanji, wohl wissend, dass er dem grandiosen Plan seiner geliebten Namimaus widersprach. „Alles baut auf dem schauspielerischen Talent des Marimos auf. Da können wir es eigentlich auch gleich sein lassen.“ „Naja, er hat die Welt – inklusive uns – für über zwei Jahre zum Narren gehalten. Ich denke, einen Abend bekommt er hin“, entgegnete Lysop und reichte ihm eine lichtundurchlässige Sonnenbrille, die groß genug war, seine Augenbrauen zu verbergen. „Du vergisst, dass er immer Leute wie Falkenauge und diesen Marinesoldaten hatte, die aufgepasst haben, dass er sich nicht danebenbenimmt.“ Sanji setzte die Sonnenbrille auf und wandte sich dem kleinen Spiegel zu. „Naja, deshalb gehst du ja auch mit. Zusammen mit Nami bekommt ihr das schon hin.“ Lysop klang ganz zuversichtlich, während Sanji seine Haare zurückgelte. Zu seinem Bedauern hatte er seinen Bart bereits abrasieren müssen, aber der würde schon nachwachsen. Es war wichtig, dass man ihn nicht so leicht erkennen konnte, auch wenn vermutlich niemand auf ihn achten würde. „Und sobald wir den Schlüssel haben, kümmern wir uns um den Rest.“ Tatsächlich missfiel das Sanji am meisten, dass der Marimo und er – die nicht umsonst zu den Stärkeren der Crew gehörten – nicht bei der Befreiung der anderen zwei dabei sein würden. Auf der anderen Seite hatte Nami auch Recht. Dieser Plan konnte nur mit Zorro und Sanji funktionieren und der Erfolg hing davon ab, wie gut sie zusammenarbeiten würden… also war er von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Und diese Unsicherheit half Sanji mal so gar nicht; er war nervös. Immer wieder musste er an jenes Gespräch in einer dunklen Zelle zurückdenken und er konnte schon nachvollziehen, warum Zorro diesen Plan alles andere als toll fand, da der Erfolg doch davon abhing, dass sie beide gut zusammenarbeiten würden. Das bedeutete, Sanji musste sich zusammenreißen und zeigen, dass er aus jenem Gespräch gelernt hatte, aber er wusste nicht wirklich wie. „Also, wie sehe ich aus?“, fragte er und wandte sich Lysop zu. „Erkennt man mich?“ Lysop streckte ihm einen Daumen hoch entgegen. „Du wirst zwischen diesen ganzen Wichtigtuern kein bisschen auffallen. Wobei du auf den zweiten Blick schon ein bisschen schmierig wirkst. Sorry.“ „Na immer noch besser, als von jemandem als Falkenauges Dienstbote abgestempelt zu werden.“ Lysop seufzte und folgte ihm nach draußen. „Sind wir nicht alle ein bisschen die Dienstboten des großen Falkenaugen“, murmelte er sarkastisch. „Bei seinem Ego“, stimmte Sanji ihm mit einem Nicken zu. „Müsst ihr nicht langsam los?“, meinte Lysop dann und nickte zum Horizont herüber, wo die Sonne bereits am Untergehen war. „Sonst kommt ihr noch zu spät.“ „Nah, der Star des Abends kommt immer zu spät. Das passt schon so“, meinte Sanji nur, wobei er sich schwer tat zu akzeptieren, dass der Marimo der Star des Abends sein sollte. Im nächsten Moment ging die Türe zur Frauenkajüte auf und Nami trat heraus, ein wahrhaft traumhafter Anblick. Sie trug ein recht simples, aber perfekt sitzendes, hochgeschlossenes schwarzes Kleid, die Haare offen, aber zurückgesteckt, die Schminke ebenso schlicht wie das Kleid. Die verführerischste Anstandsdame, die Sanji je gesehen hatte. „Komm schon, Zorro. Wir sind spät dran“, rief sie dann zurück hinein und zog sich ihren Mantel über. „Ich hasse Hacken“, kam eine gereizte Stimme von drinnen, was Lysop einen leisen Ton der Überraschung entlockte, „und ich hasse Abendkleider.“ „Ja“, entkam es von Nami nicht minder entnervt. „Das sagtest du schon, 31 Mal. Und jetzt komm, je schneller wir den Schlüssel haben, desto schneller kannst du wieder deine hässlichen Stiefel anziehen.“ Ein leises Kichern kam aus dem Tiefen der Kajüte. „Ja, du genießt das, nicht wahr, Robin“, knurrte der Marimo. „Ein bisschen“, bestätigte sie. „Ihr müsst wirklich langsam los“, meinte nun Lysop zaghaft. „Noch so’n beschissener Kommentar und du kannst dich selbst ins Kleid zwängen.“ Augenblicklich war Lysop fünf Schritte nach hinten gerutscht. Wieder einmal war Sanji überrascht, wie gefährlich diese sanfte Stimme doch klingen konnte. Doch im nächsten Moment war ihm das fast egal. Er wusste, dass es Zorro war, offensichtlich angepisster und schlechtgelaunter Zorro, aber das änderte nichts an dieser Offenbarung. Nami hatte sich wirklich selbst übertroffen. Weder die verzogene Miene noch der hakelige Gang konnten dieser Erscheinung etwas abtun. Ein elegantes, leicht ausgestelltes weißes Kleid mit silbernen Applikationen, die Schultern bedeckt mit weißer Spitze und das grüne Haar in wallenden Locken, eine Hommage an einen gewissen Marineball, wie Sanji sich zu gut an die Zeitungsartikel erinnerte. Er wusste, dass es Zorro war. Aber das änderte nichts daran, dass dieser Anblick… „Können wir dann?“ Tief holte Sanji Luft und erinnerte sich daran, dass dies hier eine Mission war, die sie erfolgreich abschließen mussten, um Kapitän und Crewmitglied zu befreien, und er konnte Zorro regelrecht ansehen, dass er genau diese Gedanken wie ein Gebet immer wieder innerlich runterbetete. Also gingen sie los. Der Weg war nicht lang und während Zorro immer wieder leise vor sich hingrummelte, erinnerte Nami sie an den Plan. Sie ging einige Schritte voraus, Zorro bildete das Schlusslicht. Sanji war in der Mitte und wusste immer noch nicht, was er aus dieser Situation machen sollte. „Okay, da vorne ist die Stadthalle“, kam es dann von Nami, die einmal tief Luft holte; offensichtlich war auch sie nervös. „Zorro, wir alle verlassen uns auf dich. Also…“ „Jaja, nicht mein erstes Mal, dass ich diese Rolle spiele“, knurrte er von hinten, „aber ich könnte echt drauf verzichten, es nochmal zu machen.“ „Ich weiß“, seufzte Nami und blieb stehen. „Auch das hast du oft genug gesagt.“ Sanji war ebenfalls stehengeblieben und beobachtete den Eingang des pompösen Gebäudes, die letzten Gäste schienen gerade hereinzugehen. Was das anging, lief es also schonmal ziemlich perfekt. Plötzlich packte jemand seine Armbeuge. Wie erstarrt sah Sanji hinab, wollte schon nach der fremden Hand greifen, als ihm bewusst wurde, dass es die – verdammt elegante – Hand Zorros war, der sich bei ihm untergehakt hatte und fast schon emotionslos die Stadthalle ansah. „Was zur Hölle soll das werden?“, flüsterte Sanji und starrte auf den Marimo hinab. Dieser rollte mit den Augen und sah zu ihm auf, ging fast unter in dem aufgedonnerten Mantel, den Nami ihm aufgezwungen hatte. Selbst jetzt hatte es nichts angenehmes, dass Sanji deutlich größer war als er. Nein, es machte es nur noch schwerer, sich daran zu erinnern, dass diese Schönheit in Wahrheit Lorenor Zorro war. „Hast du auch nur eine Sekunde zugehört? Wir müssen überzeugend wirken und ich den ganzen Abend auf diesen Hacken herumlaufen, also wage es nicht, dich zu beschweren“, knurrte er, so eindeutig er. „Stell dich nicht so an, so unbequem sind Absätze auch wieder nicht“, murmelte Sanji mit einem Schulterzucken, merkte erst dann, was er gesagt hatte. Noch einen Moment fand er sich Zorros vernichtendem Blick ausgesetzt, ehe dieser langsam den Kopf schüttelte: „Ich will es gar nicht wissen “, murrte er. „Hey, wo bleibt ihr denn?“, kam es von Nami, die weitergegangen war. Kurz darauf hatten sie den Eingang erreicht, und obwohl sie die Letzten waren, konnte Sanji das Getuschel hören, die verstohlenen und unverhohlenen Blicke spüren, von Personal als auch Gästen, die sie von den Fenstern oder von drinnen beobachteten. Es schien, als hätte die Neuigkeit, dass Lady Loreen diesen Ball besuchen würde, sehr schnell die Runde gemacht. Zorro an seiner Seite holte tief Luft und schnaubte leise auf, doch ansonsten zeigte nichts, was er wohl dachte. Sanji selbst war nervös. Dies war nicht ihr erster Coup, nicht ihre erste Scharade, aber normalerweise trug Zorro bei diesen nicht die tragende Rolle – außer im wortwörtlichen Sinne – und Sanji war es schon etwas unangenehm, wenn dieser ihm in dieser Gestalt gegenüberstand. Es war zu leicht, zu vergessen, wer der andere war und wie sie eigentlich miteinander umgingen, und ihre Aufgabe in diesem Plan machte das gewiss nicht leichter. Dann erreichten sie die Eingangstür und mit einem Mal veränderte sich Zorros ganze Haltung an Sanjis Seite. Während Nami die Türsteher über ihre Namen informierte – was absolut unnötig war, da jeder die Frau an Sanjis Arm kannte und sich niemand für Namis oder seinen Namen interessierte - zeigte Lady Loreen das schönste und dennoch zurückhaltende Lächeln, antwortete höflich auf gestellte Fragen, stellte Nami als Gesellschafterin und Sanji als Geschäftspartner vor. Aber niemand der Anwesenden schenkte Nami oder ihm auch nur einen Blick, während sich die Türsteher in ihren Vorbeugungen fast überschlugen. Nachdem den Damen ihre Mäntel abgenommen worden waren, tauschten sie einen letzten Blick aus, dann wurden bereits die Flügeltüren aufgestoßen und die Musik auf der anderen Seite erstarb, als jemand laut die Ankunft Lady Loreens verkündete. Sanji spürte den Händedruck Zorros, der ihm bedeutete, zu gehen, als er für einen Moment vergessen hatte, wie seine Beine funktionierte, und augenblicklich befand er sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Doch sie alle hatten nur Augen für Lady Loreen. Und Zorro spielte seine Rolle erschreckend gut. Lächelnd erwiderte er Begrüßungen mit freundlichen Floskeln, neigte leicht den Kopf, wenn sich jemand verbeugte oder einen Knicks machte und ließ sich von Fremden die Hand schütteln. Sanji selbst empfand das Lächeln als gezwungen, die Stimme monoton und die Bewegungen zögerlich, aber er war sich sicher, dass dies niemandem auffiel, der die Dame in weiß nicht kannte. Dafür würde der Mantel der Berühmtheit schon sorgen. Aus dem Augenwinkel stellte er sicher, dass Nami weiterhin hinter ihnen war, doch dann wurde seine Aufmerksamkeit vom Bürgermeister der Stadt eingefordert, der auf sie zueilte und ganz aufgeregt Zorros Hände schüttelte, sich dabei enthusiastisch bedankte, dass Lady Loreen sie alle mit ihrer Anwesenheit beehrte; danach begrüßte er Sanji und Nami eher desinteressiert. „Ich war ganz überrascht, als ich von Ihrer Anwesenheit erfuhr, Lady Loreen“, sprach er dann weiter, ergriff wieder Zorros Hand, der die andere direkt in Sanjis Armbeuge grub, als wolle er sie in Sicherheit bringen. „Seit jenem bedauerlichen Vorfall auf Mary Joa sind Ihre Auftritte in der Öffentlichkeit doch eher selten geworden.“ Sanji wurde kochendheiß und gleichzeitig glitt ihm eine Gänsehaut über die Unterarme. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so schnell in Bredouille geraten würden. Es stimmte, seit Eizens vereitelten Coup war Lady Loreen offiziell nirgendwo mehr aufgetreten. Im Gegenteil, Zorro hatte deutlich gemacht, dass er diese Scharade nicht mehr mitmachen würde, es wäre also keine große Überraschung, wenn die Welt bald die Wahrheit wissen würde. Je nachdem, was Zorro jetzt entgegnen würde, würden sie sofort auffliegen, doch als Sanji zu ihm hinabsah, begegnete ihm nur dieses perfekte Lächeln, welches er zu gut von Falkenauge kannte und von dem er nur zu gut wusste, wie gefährlich es war. „Da haben Sie Recht, Herr Bürgermeister“, entgegnete Lady Loreen – Zorro! – so freundlich und herzlich, dass die darunterliegenden Spitzen fast unbemerkt blieben. „Meine angegriffene Gesundheit und die privaten Strapazen, erst von meinem Mentor verraten und dann durch Gesetz von meinem Verlobten getrennt zu werden, haben mich recht eingefordert.“ „Oh, ich…“, entgegnete der alte Mann sofort bestürzt, als er wohl bemerkte, wie indiskret seine Bemerkung war. „Entschuldigen Sie, Herr Bürgermeister, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Sie haben ganz recht, solche Abende wie heute sind für mich doch eher seltenes Gut geworden, und wie Sie mit Sicherheit wissen, bin ich an manchen Stiftungen beteiligt, für die meine Öffentlichkeitsarbeit wichtig ist, daher bedaure ich es sehr, meinen gesellschaftlichen Pflichten nicht angemessen nachgekommen zu sein. Also lassen Sie uns für jetzt das Trübsal der vergangenen Wochen etwas vergessen und uns an den schönen Dingen des Lebens erfreuen. Ich habe gehört, Sie unterstützen die Kinderkrebsstiftung des Königreichs Melonia. Darüber würde ich mich nur zu gerne mit Ihnen unterhalten.“ „Natürlich, natürlich. Darf ich Ihnen einen Drink anbieten? Wein? Sekt?“ Sanji starrte Nami an, während Zorro mit dem Bürgermeister unwichtigen Kram austauschte. Wer zur Hölle war die Person an seiner Seite? Mit jedem Wort wurde er überzeugender, das Lächeln echter, die Bewegungen selbstverständlicher. Es war beängstigend. Robin hätte er ein solches Spiel zugetraut, Nami auch, selbst Falkenauge, aber nicht dem Marimo, doch vielleicht waren es auch gar nicht seine Worte, was nichts daran änderte, dass er sie wirklich glaubhaft rübergebracht hatte. Nami gab ihm nur einen eindeutigen Blick, dass er sich konzentrieren solle, richtete ihre Kette und zeigte dann wieder ein freundliches Lächeln, als ihr ebenfalls Wein angeboten wurde. Die große Frage war nun, wie sie den Kommandeur auf Zorro aufmerksam machen konnten. Aber diese Sorge war tatsächlich unnötig. Immer mehr Leute kamen auf sie zu, drängten Nami teilweise zurück, während sie auch Sanji nun ansprachen, hauptsächlich zu seiner Verbindung zu Lady Loreen befragten. Höflich antwortete er das, was Nami ihm aufgetragen hatte. Doch der großgewachsene Marinesoldat mit Sonnenbrille auf der Nase und Zigarre im Mund bahnte sich mit Leichtigkeit einen Weg durch die anderen Gäste. Vor ihnen angekommen, verneigte er sich tief, sodass sie die Aufschrift auf dessen Mantel lesen konnten. „Lady Loreen, eine Ehre Sie kennenzulernen.“ Zorro an Sanjis Arm neigte leicht den Kopf. „Vizeadmiral Cancer. Ich glaube, wir haben uns bereits kennengelernt. Bei der Einweihung des Marinehauptquartiers, wenn ich mich nicht irre. Sie haben die Begrüßungsrede gehalten und zwischen den einzelnen Vorträgen moderiert, nicht wahr?“ „Oh, ich bin ganz geschmeichelt, dass Sie sich an mich erinnern.“ Dann richtete er sich auf und musterte Sanji abschätzig. „Und dies ist?“ „Ein Bekannter, Herr Hanadji. Er ist Schirmherr mehrere Stiftungen, die ich unterstützte“, erklärte Zorro mit einem so freundlichen Lächeln, dass Sanji eine Gänsehaut bekam. „Sehr erfreut“, log Sanji aalglatt und neigte leicht den Kopf. „Gleichfalls“, murrte der Soldat kühl und Sanji wusste, warum er ihn so abfällig musterte. Er hatte ebenfalls zurückgegelte Haare, trug ebenfalls eine Sonnenbrille und unter seinem Marineumhang kam ebenfalls ein brauner Anzug mit blauem Hemd zum Vorschein. Bis auf die Zigarre wirkte es fast so, als hätten sie voneinander abgeguckt. Dann wandte er sich wieder Zorro zu und Sanji war das nur Recht, schließlich sollte der Soldat sich sein Gesicht nicht zu genau angucken. Während der Kommandeur und Zorro über irgendeine vergangene Versammlung sprachen, ließ Sanji den Blick über die Leute wandern, bemerkte die zwei Kellner, die seinen Blick erwiderten, und wie Nami sich nun mit dem Bürgermeister unterhielt, welcher wohl froh war, den peinlichen Moment mit Lady Loreen überspielen zu können, ehe er sich abwandte und andere Gäste begrüßte. Doch am wichtigsten waren die vielen Soldaten, die mal mehr mal weniger auffällig in den Schatten der Säulen standen. Die meisten von ihnen waren nicht in Uniform, trugen Kleider und Anzüge, aber ihre Körperhaltung verriet sie trotzdem; diese Feier war besser bewacht als manche Festung. Man konnte es fast vergessen, aber das hier war ein gefährliches Spiel. Nami hatte von Anfang an das Risiko deutlich gemacht – was ihnen natürlich allen bewusst war – dass es bedeutete auf eine Veranstaltung zu gehen, wo so viele Soldaten anwesend sein würden. Dies bedeutete natürlich, dass der Stützpunkt schlechter besetzt sein würde, aber die Soldaten kannten auch Sanjis und Namis Gesichter, insbesondere natürlich der Kommandeur, dessen Schlüssel sie ergaunern wollten. Daher mussten die zwei sich zurückhalten und unauffällig sein und Zorro musste sich die Aufmerksamkeit aller sichern. Und das tat er. Neben dem Kommandeur kamen andere Leute und kaum einer schenkte Nami oder Sanji auch mehr als einen Seitenblick, geschweige denn ein Wort, während Zorro an seinem Arm sich unter diesen Leuten benahm, als würde er dazugehören. Seine Wortwahl war nicht immer ganz ideal, aber niemanden schien das zu stören und Sanji ertappte sich selbst dabei, wie er zwischendurch ganz hingerissen lauschte und beinahe vergaß, wer diese kleine Persönlichkeit in Wirklichkeit war. Zwischendurch war Nami einen Moment verschwunden, aber das überraschte Sanji nicht wirklich und als der Bürgermeister dann den Tanz eröffnete, lagen eh alle Augen auf Zorro, der dem Bürgermeister die Ehre gab und Sanjis Arm losließ; er war ganz taub. Es war ein kurzer, steifer Tanz und Sanji zweifelte mehr und mehr daran, dass ihr Plan aufgehen würde, nachdem er für einen Moment zu hoffen gewagt hatte. Mochte sein, dass Zorro ein paar Worte heucheln konnte, aber tanzen konnte er offensichtlich nicht. Das bedeutete, dass Sanji sich wirklich anstrengen musste, und nur beten konnte, dass Zorro mitmachen würde. Seinen Sekt in der Hand hielt Sanji aus dem Augenwinkel den Kommandeur im Blick, der gefühlt Lady Loreen ununterbrochen beobachtete. Ob sie schon aufgeflogen waren? Dann tauchte Nami wieder neben ihm auf und reichte Sanji ihre Hand. Wie einige andere Gäste, schritten sie zur Tanzfläche, warteten jedoch noch darauf, dass der Eröffnungstanz vorbei sein würde. „Okay, es sind alle bereit“, murmelte Nami, die erwartungsgemäß die Gunst der Stunde genutzt hatte, um zu überprüfen, ob alle hinter den Kulissen in Stellung waren. Sie klang wie die Ruhe in Person, ganz anders jedoch Sanji. Sein Herz pochte so laut, dass es jemand hören musste, sobald die Musik aufhören würde. „In Ordnung“, flüsterte er, merkte, wie die Anspannung noch weiter anstieg. Doch er schluckte sie herunter und nickte Zorro zu. Dieser erwiderte seinen Blick, immer noch im Arm des Bürgermeisters, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Irgendwann endete das Lied und er verneigte sich vorm Bürgermeister. Mit den anderen Tanzwilligen betraten Sanji und Nami nun die Tanzfläche, aber jetzt kam der nächste Knackpunkt, doch wieder schien Sanjis Sorge unnötig. Ganz von alleine ging der Kommandeur auf Zorro zu und fragte ihn nach einem Tanz. Es schien, als wäre an diesem Abend das Glück auf ihrer Seite. Zorro ging in einen tiefen Knicks, während Cancer sich verneigte. Was danach passierte, konnte Sanji nicht sehen, als sich andere Paare zwischen sie drängelten. Endlich ertönten dann die ersten Töne und glücklicherweise war dieses Lied etwas flotter. Ganz leicht bewegten Sanji und Nami sich gegen den Strom, streiften immer wieder mal den Rücken anderer Tänzer, kamen diesem großen mit dem weißen Mantel immer näher. Tief atmete Sanji ein, zählte die Schritte und dann war es auch schon vorbei. Nami nickte ihm zu und ganz allmählich bewegten sie sich zum Rand der Tanzfläche, ließen einander los, verbeugten sich und im nächsten Moment war sie verschwunden. Wieder blieb Sanji nichts anderes übrig, als die anderen Anwesenden zu beobachten und wieder einmal fiel ihm auf, was für eine Ausstrahlung Lady Loreen hatte. Obwohl einfach nur ein Gast, obwohl umgeben von anderen Persönlichkeiten mit Rang und Namen, schien eine Aura um die Frau in Weiß zu schweben, wie sie mit dem Marinesoldaten im weißen Mantel über das Parket schritt, die anderen Gäste schienen fast schon automatisch einen respektvollen Abstand einzuhalten. Der Kommandeur tanzte mit etwas mehr Elan als der Bürgermeister, aber immer noch recht steif und abgehackt – wie man von einem Soldaten vielleicht auch erwartet hätte – und es wirkte ebenfalls eher wie eine gesellschaftliche Pflicht als ein Vergnügen. Zorros Gesicht auf der anderen Seite verriet nichts über seine wahren Gedanken, während er dem Kommandeur zulächelte und sie sich leise unterhielten, übertönt von der Musik. Sanji musste es ihm lassen, bisher hatte er einen beeindruckend guten Job gemacht. Es war fast schon schockierend, wie gut er diese Rolle spielte und jetzt verstand Sanji auch, warum er damals nicht eine Sekunde die Zeitungen hinterfragt hatte und warum es ihm damals so schwergefallen war, Zorros Geständnis Glauben zu schenken. Er benahm sich anders. Ja, selbst Zorro wusste, wie man eine kleine List umsetzte und dass sie manchmal notwendig war, aber seine Stimme, seine Körpersprache und vor allem sein Blick verrieten ihn schnell – dazu kam, dass er generell etwas Verdächtiges an sich hatte – einer der vielen Gründe, warum er solche Rollen eben normalerweise nicht übernahm. Aber hier und jetzt schien er manchmal zwar hölzern und flach, seine Wortwahl unbedacht und seine Mimik aufgesetzt, aber scheinbar fiel es niemand anderem auf, als wollten sie alle glauben, dass Lady Loreen genau das war, was die Zeitung über sie erzählte. Sanji hatte das Gefühl, Zorro könnte hier und jetzt einen Striptease hinlegen und eine Schlägerei anfangen – genau in der Reihenfolge – und dennoch würden alle Anwesenden Lady Loreen als die schüchterne Adelsdame ansehen, die Lorenor Zorro eindeutig nicht war. Leise seufzte er. Ganz gleich, was es war, sie sollten dankbar sein, denn nur so konnten sie irgendwie ihren Coup durchführen, hoffentlich erfolgreich. Also trank Sanji seinen Sekt und wartete ab. Es dauerte noch ein weiteres Lied, bis Nami wieder auftauchte, sie nickte Sanji nur kurz zu, während sie an den Rand der Tanzfläche schritt und wie abgemacht, endete Zorros Tanz mit dem Kommandeur rein zufällig genau zu ihren Füßen und zwei Sätze und eine Verbeugung später tanzte nun Nami mit dem Kommandeur, während Zorro sich zu Sanji gesellte. Es fiel ihm wirklich schwer, heute noch mehr als sonst. Und wie sollte es nicht, wenn diese Frau ihn so anlächelte? Aber die Augen, sie zeigten, dass da viel mehr vergraben lag, und dass Sanji vorsichtig sein sollte. Diese Frau war der Marimo und Sanji sollte das nicht vergessen. „Und?“ Zorro nahm das Glas entgegen, welches Sanji ihm reichte und nahm direkt einen recht deutlichen Schluck, ehe er das Gesicht verzog. „Zu süß“, murrte er leise. „Bisher läuft alles wie geplant“, entgegnete Sanji. Der Trick war einfach gewesen. Nami hatte sich den Schlüssel geschnappt, in die Küche gebracht, wo Lysop ein Duplikat hergestellt hatte, und nun brachte sie ihn zurück. Absolut unproblematisch. „Ich bin ganz überrascht, wie sehr sie dir alle auf den Leim gehen. Fast schon unheimlich.“ „Ist immer so, richtig nervig“, meinte Zorro mit einem schweren Seufzen. „Ich könnte vor ihnen jemanden enthaupten und vermutlich würde sie mich trotzdem katzbuckelnd um einen Tanz bitten. Niemand nimmt mich ernst in diesem Körper.“ Sanji schluckte und hoffte, dass niemand sie belauschte. „Ihr Fehler, oder nicht? Wer einen Kontrahenten unterschätzt, wird es bereuen.“ „Du hast mich damals unterschätzt.“ Er hatte es geahnt, er hatte geahnt, dass er vorsichtig sein musste. Wenn Zorro in dieser Form war, fiel es Sanji schwerer, die richtigen Worte zu finden, wie er sie sonst wählen würde, gleichzeitig schien Zorro deutlich empfindlicher. „Naja, ich…“ Er unterbrach sich. Das Lied hatte geendet und Nami verneigte sich tief vor dem Kommandeur, der nur noch wenig Interesse an ihr zu haben schien. Den Tanz offensichtlich nur mitgemacht hatte, weil Lady Loreen ihn drum gebeten hatte. Mit einem breiten Lächeln kam Nami auf sie zu, tauschte auf dem Weg zu ihnen noch zwei-drei Worte mit anderen Gästen aus, ehe sie dankbar das Glas entgegennahm, welches Sanji ihr reichte. „Und ihr zwei? Habt euch noch nicht in den Haaren?“ Sie schien immer ganz aufzugehen, in solchen Operationen, und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Glas. „Oh, ist der lecker.“ „Noch nicht“, murrte Zorro drohend und stellte sein leeres Glas weg. „Hat alles geklappt?“, entgegnete Sanji, worauf sie ihm nur ihre Handflächen zeigte, wohl um ihm zu bedeuten, dass sie den Schlüssel nicht mehr bei sich trug. „Heißt, wir müssen jetzt nur noch auf das Zeichen warten“, bemerkte Zorro, doch er klang, als wäre dies nicht ansatzweise so einfach, wie es sich anhörte. Als hätte er es beschrien, bemerkte Sanji einige Gäste, die sich wie hungrige Raubtiere ihnen näherten. „Wir haben mit Sicherheit noch fünf Minuten Zeit, bis die anderen soweit sind. Möchtest du die Zeit nutzen und dir schnell die Nase pudern?“, bot Nami Zorro fast schon freundlich an. „Ob du der Meute entgehen und zwei Minuten aus den Schuhen raus möchtest, habe ich dich gefragt“, erläuterte sie trocken auf Zorros offensichtlich verwirrten Blick. Diese Erklärung entlockte ihm das erste ehrliche Lächeln des Abends und zwei Worte später ließen sie Sanji zurück. Wie auf Kommando wandten sich die Gäste um, hatten kein Interesse daran, einen schmierigen Anzugträger mit Geltolle und Sonnenbrille näher kennenzulernen. Wieder mal blieb Sanji nicht viel übrig, als die Menschen zu beobachten und es kostete ihn viel Überwindung, die vereinzelten Schönheiten zu ignorieren, die selbst diese kleine Insel zu bieten hatte. Aber er musste sich konzentrieren und durfte Zorro nicht eine Sekunde daran zweifeln lassen, dass er ihm damals zugehört hatte. Sie mussten als Team zusammenarbeiten und darin waren sie noch nie gut gewesen, solange sie sich nicht dabei auch anschnauzen konnten. „Ein Wein der Herr?“ „Ja, bi… Oh.“ Es war Robin, die ihm das Tablett hinhielt, ein geheimnisvolles Lächeln auf den Lippen. „Lysop hat soeben das Funksignal unterbrochen“, erklärte sie leise, hatte ihre Augen und Ohren natürlich überall. „Die Eingangstüren und Hintereingänge habe ich soweit abgeschlossen, haltet euch bereit für das Ablenkungsmanöver.“ „Ich weiß nicht, ob das so einfach wird“, murmelte Sanji und nahm den Wein entgegen. „Cancer oder wie dieser Typ heißt, scheint sich nicht so sehr für Lady Loreen zu interessieren, wie wir gehofft haben. Was machen wir, wenn er einfach geht?“ „Mach dir keine Gedanken und halte dich einfach an den Plan, dann wird schon alles gutgehen.“ Sie zwinkerte ihm kurz zu. „Vertrau ihm, er weiß, was er tut.“ Dann ging sie in Richtung der Tanzfläche und der Musikanten, die nun wieder zu den langweiligen, schweren Liedern gewechselt waren, weshalb die Tanzfläche wie leergefegt war. Von der anderen Seite der Halle kamen nun Nami und Zorro zurück, zurechtgemacht wie eh und je, doch obwohl sie beide lächelten – Zorro so offensichtlich aufgesetzt - konnte Sanji ihre Anspannung sehen, die er teilte. Kurz tauschten sie einen Blick aus, dann gingen die zwei Damen ebenfalls zur Tanzfläche, begegneten wie zufällig der schwarzhaarigen Kellnerin, ohne dass auch nur eine von ihnen innehielt. Tief atmete Sanji ein. Vor diesem Moment hatte er sich fast gefürchtet, denn seine Zweifel waren groß, dass ihr Ablenkungsmanöver erfolgreich sein würde. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Die schwere Musik erstarb und die anhaltende Stille brachte die Leute zum Aufschauen. „Meine Damen und Herren.“ Der Bürgermeister stand gemeinsam mit Lady Loreen vor den Musikern auf der Bühne, beide ein Mikrofon in der Hand, und alleine die Anwesenheit der Dame in Weiß brachte die Gäste fast augenblicklich zum Schweigen. Es schien wirklich beinahe etwas Magisches zu sein. Dann bedankte der Bürgermeister sich bei Lady Loreen für ihre Anwesenheit und nach ein paar höflichen Floskeln bedankte Zorro sich für die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf die diversen Stiftungen zu richten, die Lady Loreen seit Jahren unterstützte. Sanji fragte sich, ob diese Worte wirklich Zorros waren oder ob Robin sie ihm vielleicht zurechtgelegt hatte. Wieder mal hatte er das Gefühl, dass Zorro wirklich kein talentierter Redner war, und dennoch hörten ihm alle zu, dennoch hörte Sanji ihm zu und vergaß einen Moment sein schnell schlagendes Herz. Als die kurze Ansprache endete und der Bürgermeister mit Zorro schon von der Bühne gehen wollte, ergriff Nami ihre Chance. „Wir wollen Sie nochmal tanzen sehen“, rief sie über die höflich applaudierende Menge hinweg. „Mylady, bitte tun Sie uns den Gefallen. Wir alle freuen uns, Sie heute hier zu haben und ich bin mir sicher, wir alle wollen Sie nochmal tanzen sehen. So wie damals, beim großen Marineball, nicht wahr?“ Einzelne Leute stimmten laut zu und ein leises Tuscheln entstand. Mit einem entschuldigenden Lächeln versuchte Lady Loreen abzulehnen, aber Nami brauchte ihre Rolle gar nicht mehr zu spielen, während nun auch andere Gäste Lady Loreen baten und jubelten. Nami nutzte den Moment und stimmte die Menge dazu an, Lady Loreen im Chor zu rufen, und fast sämtliche Anwesende folgten. Dies nahm der Bürgermeister zum Anlass, sich das Mikrofon erneut zu nehmen und die Gäste zu beruhigen, was ihm erst nach einigen Versuchen gelang. Dann wandte er sich Zorro zu und bat ihn ebenfalls mit einem Verweis auf die jubelnde Menge, was zu noch mehr Applaus führte. „Nun gut, aber bitte seien Sie gnädig mit mir“, erklärte Lady Loreen mit einem so lieblichen Lächeln, dass Sanji ihr – ihm! – fast alles vergeben würde, insbesondere als diese grünen Augen sich dann auf ihn richteten. „Herr Hanadji, wären Sie so freundlich?“ Augenblick richteten sich alle Augen auf Sanji, so viel Macht hatte dieses sanfte Stimmchen. Bis auf ein leises Tuscheln und Rascheln von Kleidern war nichts zu hören, als Hälse sich reckten. Aber er hatte gewusst, dass es so kommen würde, also zeigte er sein bestes Lächeln, verbeugte sich tief und sprach laut: „Es wäre mir eine Ehre.“ Dann schritt er zur leergefegten Tanzfläche und die Menge schien sich vor ihm zu teilen. Zorro ließ sich vom Bürgermeister die Bühne hinabhelfen und trat dann die zwei Schritte zu Sanji auf die Mitte der Tanzfläche. Erneut verbeugte Sanji sich tief und bot dem anderen seine Hand an, seine Sonnenbrille rutschte ein bisschen, während er nur den Fußboden anstarrte. Nach einem Moment ergriff diese feine Hand die seine und er richtete sich auf. Im Raum war es totenstill und Zorro sah ihn absolut ernst an, obwohl sein Mund lächelte. Wie sollte das hier nur funktionieren? Sie konnten miteinander kämpfen, einander ganz gut den Rücken decken, aber das hier… das konnte doch gar nicht klappen. Sanji schluckte und trat auf den anderen zu, legte eine Hand um seine Hüfte, während Zorro seine Schulter griff. „Sicher?“, dass das hier irgendwie funktionieren kann, fragte Sanji, als die ersten Töne der Musik begannen. Er war sich alles andere als sicher. Dieses ganze Ablenkungsmanöver baute darauf auf, dass sie einen fantastischen Tanz hinlegen würden, und Zorro konnte nicht tanzen! „Leg einfach los“, knurrte dieser so unpassend für dieses Lächeln. „Mit einem Schürzenjäger wie dir kann ich mit Leichtigkeit mithalten.“ … Okay, was auch immer er für eine Sorge gehabt hatte, Sanji warf sie über Bord. „Wie du meinst!“ Sollte dieser Mistkerl doch sehen, wo er blieb. Sanji konnte immerhin tanzen! Er packte fester zu, atmete tief ein und dann schritt er los. Was zur…?! Fassungslos starrte er zu Zorro hinab, der sich in seinen Arm lehnte und dennoch so leicht war, als würde Sanjis Hand ihn kaum berühren. Ein leises Grinsen glitt über diese weichen Züge und ließ ihn deutlich mehr nach Lorenor Zorro aussehen. „Was denn? Ist das schon alles, was du zu bieten hast? Führender?“ Oh, Sanji schien den anderen unterschätzt zu haben. „Okay Marimo, wenn du so spielen willst, kannst du haben. Lass uns diesen Leuten eine Show bieten!“ Und das taten sie, überraschenderweise. Es war, als könnte Sanji sich ganz frei bewegen. Zorro war leicht in seinem Arm, seine Körperhaltung so, als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes außer Tanzen gemacht, und bei jedem Schritt folgte er, war er da, machte er, was Sanji wollte, als wäre dieser Tanz perfekt choreografiert und stundenlang geprobt. Die Meute wich nach Luft schnappend zurück, als Sanji die Dame in Weiß durch einen ausladenden Halbkreis führte, ihn von sich wegstieß, zurückzog, um ihn drehen ließ, um sich selbst drehen ließ. Ganz gleich was Sanji tat, Zorro folgte ihm, tat, was Sanji wollte, als ob er seine Gedanken lesen würde. Die Musik wurde schneller und Sanji nahm den Rhythmus auf, Zorro folgte, ohne auch nur im Mindesten überrascht zu wirken, als wäre es das Leichteste auf der Welt, während er weiterhin in Sanjis Arm lag, den Rücken durchgedrückt, dieses gefährliche Lächeln auf den Lippen und diese durchdringenden Augen auf Sanji. Er wirkte fast, als ob er Spaß hätte. Sanji hatte Spaß. Das hier hatte er nicht erwartet! Er hatte die Bilder gesehen, die Zeitung gelesen, hatte gewusst, dass Lady Loreen wohl als gute Tänzerin galt, aber ab dem Zeitpunkt, als er gewusst hatte, dass es Zorro gewesen war, hatte er erwartet, dass diese Berichte eher geschönt gewesen waren, hatte vermutet, dass Falkenauge und Konsorten ihn unterstützt hatten. Ein guter Tänzer war in der Lage auch Anfänger durch einen Tanz zu führen und wenn man bedachte, was für ein Snob Falkenauge war, konnte er wahrscheinlich gar nicht schlecht tanzen. Aber man konnte nur jemanden durch einen Tanz führen, der auch bereit war zu folgen und… Zorro folgte nicht! Das hier ergab überhaupt keinen Sinn. Dieser verdammte Marimo war niemand, der anderen die Führung überließ. Nur Ruffy gegenüber war er loyaler Gefolgsmann – und selbst das fiel Sanji manchmal schwer zu verstehen. Wie ein Kerl wie Zorro zu dem Entschluss gekommen war, Ruffy zu folgen – aber ansonsten ließ er sich doch nichts sagen, preschte immer als erstes nach vorne und war derjenige, der den Ton angab. Wieso also konnte er… wieso konnte Sanji ihn führen? Es war viel zu leicht. Menschen wie Zorro folgten nicht und wenn, dann nur widerstrebend. Sanji hatte erwartet, dass er den anderen zu jedem kleinen Schritt würde zwingen müssen, hatte erwartet, dass Zorro ihm tausendmal auf die Füße treten würde – sowohl extra als auch weil er es einfach nicht besser konnte – und dass dieser Tanz ein ähnlich steifes Fiasko werden würde, wie der Tanz des Bürgermeisters. Aber dem war nicht so. Dem war überhaupt nicht so. Nicht nur, dass Zorro ihm folgte, als hätte er nie was anderes gemacht, er tanzte auch gut, richtig, richtig, scheiße gut! Mit jedem Schritt, jeder Figur, jedem Takt traute Sanji sich, mehr auszuprobieren und jedes Mal hielt Zorro mit, führte die Formen jedes Mal bis zum Ende durch, die Finger elegant, die Füße gestreckt, nahm sich Zeit jede Haltung kurz zu halten, ehe er zur nächsten Schrittfolge überging, immer dieses süffisante Lächeln auf den Lippen, immer sein Blick auf Sanji, als wüsste er mehr als Sanji selbst. Die Menge schnappte nach Luft und stieß Laute der Überraschung aus, wenn Sanji die Dame in Weiß in die Luft warf, aber Zorro selbst bewegte sich so, als hätten sie schon tausendmal miteinander getanzt, als würde er Sanjis Bewegungen und Vorlieben in- und auswendig kennen. Es erinnerte ihn ein bisschen daran, wie wenn sie Rücken an Rücken kämpften. Auch da musste er nie auf Zorro Rücksicht nehmen, konnte kämpfen, wie es ihm passte und wusste, dass Zorro seinen Angriffen ausweichen konnte und seine blinden Flecken deckte, so wie es andersherum genauso war. Gleichzeitig erinnerte es ihn auch daran, wie sie miteinander kämpften, wenn man es denn wirklich so nennen wollte, denn wenn er ehrlich war – auch wenn er es laut nie sagen würde – so richtig kämpften sie ja nicht miteinander, es war eher ein freundschaftlicher Schlagabtausch, ein stetiges Kräftemessen, etwas leichte Bewegung, wann immer es auf dem Schiff zu eng war. Da zeigte Zorro zwar selten ein Grinsen und sie beide fluchten einander ganz herrlich an, aber auch da wussten sie genau, wie der jeweils andere sich bewegen würde, welche Angriffe der andere bevorzugt, und natürlich auch, wenn jemand vielleicht etwas schwächelte oder noch nicht wieder ganz fit war. Und dennoch war es auch ganz anders, schließlich war das hier kein Kampf, schließlich war ein Tanz ein Miteinander, Zusammenarbeit, und vielleicht hatte er deshalb diese Gänsehaut; er war es nicht gewohnt, dass die Zusammenarbeit mit Zorro so einfach war. „Ich bin echt überrascht, dass du so gut tanzen kannst“, murmelte er, als er Zorro wieder auffing. „Hättest das ja mal vorher sagen können, dann hätte ich mir nicht so viele Gedanken machen müssen.“ „Klar kann ich tanzen“, murrte der andere, „die Hälfte meiner Ausbildung hat Dulacre mich zum Tanzen gezwungen.“ „Ja sicher“, schnaufte Sanji auf, drehte ihn kurz aus und zog ihn wieder heran. „Echt so“, kam die Antwort. „Tanz und Schwertkampf haben viel gemeinsam.“ „Na, wenn du meinst.“ Plötzlich konnte er aus dem Augenwinkel sehen, wie Cancer sich von der Tanzfläche abwandte. „Verdammt! Unser Ablenkungsmanöver scheint nicht zu funktionieren.“ „Keine Sorge, passt schon.“ Überrascht sah er zu seinem Tanzpartner hinab, der immer noch wie die geborene Tänzerin in seinem Arm lag und die Ruhe in Person war. „Weißt du, was der größte Unterschied zwischen Tanz und Schwertkampf ist?“ „Hä?“ Wo kam das denn jetzt her? „Beim Tanzen gibt es einen Führenden und einen Folgenden. Der Tanz kann nur erfolgreich sein, wenn beide zusammenarbeiten. Beim Kämpfen hingegen wollen beide Beteiligten die Führung übernehmen.“ „Okay?“ Konnte ja sein, aber Sanji wusste nicht, warum Zorro ausgerechnet jetzt mit dieser Theoriestunde um die Ecke kommen musste, wo sie in Begriff waren, zu versagen. „Im Tanzen folgt der Partner dem Führenden, doch das funktioniert nur, solange die Regeln klar sind. Wenn der Führende schwächelt, muss der Partner übernehmen, um den Tanz zu retten.“ „Willst du mir sagen, dass ich schwächel?“, murrte er, sein Blick wieder auf Cancer, der nun an einem Tisch saß und auf seine Armbanduhr sah. Was auch immer der Marimo ihm gerade erklären wollte, das musste wohl warten, denn noch war es viel zu früh, wenn der Soldat jetzt aufbrechen wollen würde, hatten sie ein Problem. „Nein, du führst sogar ziemlich gut.“ Alarm! „Dir ist nur ein Fehler unterlaufen. Du dachtest, weil du führst, sei das hier ein Tanz, aber Koch, ich bin Schwertkämpfer. Ich folge nicht.“ Einen Moment starrte er noch zu Zorro hinab, der absolut böse zu ihm hoch grinste. „Was?“ „Du magst den Tanz führen, aber ich kontrolliere den Kampf.“ „Uah!“ Sanji stolperte, krachte gegen zwei Tische, fiel zu Boden, hörte Leute aufschreien, während seine Augen der Sonnenbrille folgten, die über den Boden schlitterte und vor weißen Halbschuhen liegen blieb, ganz unschuldig zwischen weißen Perlen und Steinchen. Dann glitt sein Blick diese Schuhe hoch, das Kleid entlang, zu Zorro hoch, der auf ihn hinabschaute, sein Kleid halb zerrissen, eine Brust entblößt, als hätte jemand an dessen Träger gezerrt. „Du hast mich unterschätzt“, flüsterte Zorro beinahe tonlos. „Und jetzt lauf!“ Sanji starrte ihn an. Was zur Hölle ging hier vor?! Plötzlich warf Nami sich dazwischen, den pompösen Mantel einfach über Zorro, ehe sie mit ausgestrecktem Arm auf Sanji zeigte. „Ein Schwerenöter!“, brüllte sie. „Das ist ein Betrüger. Jemand muss ihn festnehmen!“ Dann zwinkerte sie ihm fast schon entschuldigend zu und da verstand er. Die Wahrheit war ganz simpel, Sanji hatte nie den ganzen Plan gekannt. Das Ablenkungsmanöver war nie der Tanz gewesen, das wahre Ablenkungsmanöver begann gerade; er war das Ablenkungsmanöver. Sämtliche Soldaten – in Uniform oder Zivil – bewegten sich auf ihn zu, während Nami dem im Mantel verpackten Marimo umklammerte und laut klagte, dass sie Hilfe bräuchten. Im nächsten Moment wurde ihm bewusst, dass er keine Zeit hatte, zu beobachten. Er sprang auf die Beine, die ersten Finger zeigten auf ihn, flüsterten und schrien seinen Namen, als er erkannt wurde. Hatte Nami deswegen Zorro zur Toilette geködert? Um das Kleid zu präparieren? Was auch immer es war, Sanji sprang auf und dann rannte er.   „Was zur Hölle sollte das?“, fluchte er. „Drei Stunden hab ich mich versteckt! Konnte ja schlecht zum Schiff zurück!“ Lysop rieb sich verlegen den Nacken. „Naja, wir mussten halt irgendwie die Soldaten beschäftigen, damit sie nicht zur Basis zurückkehren würden. Daher mussten wir einen Vorfall inszenieren.“ „Und mich als Schürzenjäger darstellen?! Auf einem Ball?!“ Die anderen tauschten einen Blick aus. „Ach, kommt schon! So schlimm bin ich auch nicht!“ Wieder tauschten die anderen einen Blick aus, doch keiner sagte etwas. „Naja, immerhin habe wir Chopper und unseren Kapitän zurück“, meinte Jinbei dann versöhnlich. „Jetzt müssen wir nur noch auf Nami und Zorro warten und dann war es ein voller Erfolg.“ Laut schnaubte Sanji auf. „Ihr hättet mich wenigstens einweihen können“, murmelte er schmollend. „Wir wollten nicht die Gefahr eingehen, dass du den Plan vermasselst?“ Lysop wurde mit jedem Wort etwas leiser. „Ich?! Ihr hattet Sorge, dass ich den Plan vermasseln würde, aber nicht der Marimo?!“ Wieder einvernehmliches Schweigen. „Ihr seid gemein.“       ~ Zwei Tage später ~   Es war ein schöner Morgen. Sanji hatte gerade das Frühstück vorbereitet und stand draußen am Bug, um sich die zweite Zigarette des Tages anzuzünden. Oben im Krähennest brannte Licht, der Marimo trainierte noch, weshalb er wohl wie so oft das Frühstück verschlafen würde. Sanji sollte ihm vielleicht etwas zur Seite legen, schließlich war es nicht ganz einfach dafür zu sorgen, dass die Moosbirne regelmäßig aß. Aber von diesen Sorgen wollte er sich nicht den wundervollen Sonnenaufgang verderben lassen, als die Zeitungsmöwe kam und er sie bezahlte. Er nahm noch einen Zug seiner Zigarette und schlug dann die Zeitung auf. Es war wirklich ein… Er verschluckte sich am Zigarettenqualm, starrte fassungslos die Titelseite an. „Oh Gott, ich bin tot.“   Kapitel 11: Extrakapitel 9 - Ein schöner Busen kann auch entzücken ------------------------------------------------------------------ Ein schöner Busen kann auch entzücken   -Zorro- Mit einem leisen Stöhnen ließ er die Gewichte los und richtete sich auf. Überrascht stellte er fest, dass die Sonne schon am Aufgehen war. Dabei hätte er schwören können, kaum mehr als ein bis zwei Stündchen trainiert zu haben. Er rieb sich den Nacken und sah aufs Schiff hinab. Draußen am Steuerrad stand der Koch und nahm gerade die Zeitung entgegen. Es musste schon deutlich später sein, als Zorro erwartet hatte, wenn sogar die Zeitung schon da war. Noch einen Moment begutachtete er den Koch, dann wandte er sich kopfschüttelnd um. Er sollte sich nicht so viele Gedanken machen, das sollte er denen überlassen, die daran Spaß hatten. Aber ganz abschalten konnte er seinen Kopf nicht, während er entschied, weiter zu trainieren. Er mochte nicht, was vor ein paar Tagen passiert war, auch wenn er einsah, dass es notwendig gewesen war, um Ruffy und Chopper unbemerkt zu befreien. Es war seltsam, Zorro war zwar nie ein großer Fan seines anderen Körpers gewesen, aber die meiste Zeit hatte er nicht wirklich viel darüber nachgedacht – es sei denn, irgendwer meinte, ihn in irgendwelchen Kleidchen auf irgendwelche Veranstaltungen schleppen zu müssen oder wenn er seine Tage bekam, beides echt lästig – auf Kuraigana hatte er oft sogar vergessen, in welchem Körper er gerade war, viel zu oft, wenn er so darüber nachdachte. Ja, dieser andere Körper war nervig, aber er hatte eigentlich nie wirklich viel damit gehadert, da er es eh nicht hätte ändern können. Gestört hatte dieser Körper ihn eigentlich nur, wenn man ihn so seltsam behandelt hatte, so anders behandelt hatte. Aber da Dulacre immer furchtbar nervig sein konnte, ganz gleich, in welchem Körper Zorro war, hatte er es bei ihm wohl nie bemerkt. Und selbst Kanan, Jiroushin oder Perona hatten sich nach ein bisschen Zeit daran gewöhnt, wobei Jiroushin sich schon recht schwergetan hatte. Warum also störte ihn dieser Körper jetzt so? Er wusste die Antwort, überraschenderweise. Allerdings musste man auch kein Genie sein, um den Zusammenhang zu sehen. Es hatte mit den anderen zu tun. Denn je länger Zorro darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass er diese extreme Abneigung gegenüber jenem Körper erst entwickelt hatte, seit er wieder bei den anderen war. Die Angst, die Unsicherheit, die Scham, wenn sie herausfinden würden, dass er Lady Loreen war. Er hielt in seinen Liegestützen inne, die Arme gebeugt, starrte den Fußboden an, als wäre dieser ein Spiegel. Aber warum war dieses Gefühl dann nicht verflogen, als er ihnen die Wahrheit gesagt hatte? Warum störte es ihn immer noch, wenn sie ihn in dieser Gestalt sahen? Auf Kuraigana hatte es ihn nie gestört, wenn jemand ihn als Loreen gesehen hatte – auch, wenn er natürlich seinen Körper bevorzugte – und es hatte ihn auch nie wirklich gestört, wenn Dulacre anwesend war, während er sich verwandelte. Aber mit der Crew war es anders und er wusste nicht, warum. Damals hatte es ihn viel zu viel Überwindung gekostet, sich zu verwandeln, nicht so sehr vor Chopper, aber damals, um den Koch und sich selbst aus dieser Zelle zu befreien. Auch an dieses Gespräch dachte er nicht gerne zurück. Diese Verzweiflung und dieser Unglaube im Blick des Kochs, als Zorro ihm die Wahrheit gestanden hatte. Er hatte ausgesehen, wie ein getretener Welpe. Zorro mochte es nicht, wenn der Koch so wehleidig wirkte, schwach wirkte, außer, wenn er sich dabei lächerlich machte. Aber bei dieser Flucht hatte, wenn überhaupt, nur Zorro sich lächerlich gemacht. Er hatte eigentlich nie ein Problem damit, wenn ihn jemand anpackte, aber vom Koch getragen zu werden – in diesem Körper von ihm getragen zu werden – war unangenehm gewesen. Sich nicht zurückverwandeln zu können, war unangenehm gewesen. Rücksichtsvoll, wie der verdammte Kartoffelschäler nun mal war, hatte er jene Flucht nicht einmal mehr erwähnt – zumindest nicht Zorro gegenüber – und Zorro hatte entschieden, es zu vergessen. Aber mittlerweile war es ihm auffällig bewusst. Obwohl die anderen die Wahrheit wussten, obwohl Zorro sich immer noch verwandeln musste, er ging ihnen aus dem Weg in jenem Körper, mit Chopper als erzwungene Ausnahme. Er hatte nie wirklich darüber nachgedacht, aber nach dieser letzten Aktion war es ihm bewusst geworden. Lysops Blick, Namis Bemerkungen, Frankys rote Wangen, sie alle hatten es ihm gezeigt. Anscheinend hatte er sich nie vor ihnen in dieser Gestalt gezeigt. Das war auch eigentlich nicht überraschend. Er kannte seine Grenzen gut, bis er sich verwandeln musste – acht bis zehn Tage in der Regel, ehe es wirklich unangenehm wurde – und da er auf Nummer sicher ging, verwandelte er sich zum Training jeden zweiten oder dritten Abend, während er die Nachtwache übernahm. Natürlich wäre es da ungewöhnlich, wenn er dabei jemandem der anderen über den Weg laufen würde. Daher hatte er es nie wirklich bemerkt. Es war einfach Teil seiner Routine geworden, damit er auch in diesem Körper stärker wurde. Aber natürlich trainierte er auch tagsüber und während er dies auf Kuraigana auch in seinem anderen Körper getan hatte, teils hauptsächlich in seinem anderen Körper getan hatte, so tat er dies hier doch nie. Er lief nie tagsüber in jenem Körper rum. Als wäre es ihm unangenehm, in jenem Körper zu… Nein, als wäre es ihm unangenehm, wenn die anderen ihn in jenem Körper sehen würden. Denn auf Kuraigana war es kein Problem für ihn gewesen, von Perona, Jiroushin oder sonst wem in jenem anderen Körper gesehen zu werden, also musste es an den anderen liegen, oder? „Urgh!“ Er ließ seinen Kopf zwischen seinen aufgestellten Händen auf den Boden knallen, Stirn voran. Er wollte über diesen Mist nicht nachdenken. Es war doch egal! Er tat niemandem weh damit. Die anderen wussten die Wahrheit, Zorro verheimlichte nichts, er vernachlässigte sein Training nicht und alle waren glücklich. Warum also zermarterte er sich jetzt den Kopf über so etwas Unsinniges? Auch diese Antwort wusste er – verdammt, sein Kopf war ja heute richtig schnell und es war richtig nervig – denn sie lag auf der Hand. Der Ball. Zorro hasste Bälle. Das hatte er jetzt ein für alle Mal entschieden. Aus diesen Veranstaltungen konnte nichts Gutes herauskommen, außer Kopfschmerzen, kaputte Kleidung und seltsame Emotionen, die er nicht zuordnen konnte. Er ärgerte sich immer noch über sich selbst, dass es für ihn so ein Problem gewesen war, auf Namis Plan einzugehen, aber mehr noch ärgerte er sich über diesen Plan selbst. Allerdings musste er gestehen, dass… es war okay gewesen, mit Nami und Robin. Er hatte nur blöd im Raum rumstehen müssen, und sie machen lassen – er hatte sogar geschlafen, während Nami ihm die Schminke ins Gesicht geklatscht hatte – und nicht einmal hatten sie ihn gefragt, welche Farbe er lieber mochte, welches Kleid er hübscher fand. Nami hatte ihm einfach irgendwelche Klamotten hingehalten und er hatte sie angezogen, wie sonst auch und gut - wobei sie ihm die Sachen normalerweise einfach hinwarf und er beim Anziehen auch keine Hilfe brauchte. Natürlich war es nervig gewesen, das hatte dieses Verkleiden nun mal so an sich, aber irgendwie war es wie mit Chopper, wie mit Dulacre. Für alle aus der Crew stimmte das allerdings nicht. Jinbei und Brook waren nicht das Problem, Ruffy war es nie gewesen, aber Franky und Lysop und natürlich der Koch. Und Zorro. Er selbst war das Problem, das wusste er. Aber vielleicht wusste er auch die Antwort darauf. Die Antwort war der Moment auf dem Ball gewesen, als der Koch auf dem Boden gekniet hatte, Zorro vor ihm gestanden hatte, sein Kleid halb zerrissen, wie von Nami geplant, sein Oberkörper halbnackt. Die Art, wie Sanji ihn angestarrt hatte, als er verstanden hatte, was vor sich ging, von Verwirrung, zu Überraschung, zu Panik und dann offener Entrüstung und auch echter Wut. Sich die Nase reibend entschied Zorro, weiterzumachen. Dennoch, dieser Moment hatte nicht dafür entschädigt, dass er den ganzen Abend in Hacken hatte herumlaufen müssen. Nicht dafür, dass der Bürgermeister sich tausendmal bei ihm entschuldigt hatte oder dafür, dass unzählige Fremde gemeint hatten, sich einmischen zu müssen. Erst recht nicht für das danach, als er neben Nami zurück zum Schiff gehuscht war – ohne Schuhe versteht sich – und Franky ihn einfach geschnappt und wie ein Kind an Bord getragen hatte, entgegen seiner Proteste, wo die anderen den erfolgreichen Plan gefeiert hatten. Franky hatte sich entschuldigt danach und es war ja nicht so, als hätte der Cyborg so etwas noch nie gemacht, aber Zorro war halt einfach schlecht gelaunt gewesen. Daran hatte selbst die Rückkehr von Ruffy und Chopper wenig ändern können, schließlich waren sie an der ganzen Aktion überhaupt Schuld gewesen. Aber da Nami und Lysop das Anzicken schon übernommen hatten, war Zorro am Ende sogar derjenige gewesen, der die Belehrungen mit einem entnervten Kommentar beendet hatte, ehe er sich endlich in der Kajüte hatte verwandeln und umziehen können. Noch während er sich angezogen hatte, war Ruffy hereingekommen und Zorro war es egal gewesen – natürlich war es ihm egal gewesen – aber er fragte sich mittlerweile, ob es für ihn auch so unbedenklich gewesen wäre, wenn jemand anderes nur drei Minuten früher hereingeschneit wäre. Vor ein paar Tagen hätte er dies wohl noch schulterzuckend bejaht, aber jetzt wusste er, dass es ihm zumindest unterbewusst wohl unangenehm gewesen wäre. Warum genau, wusste er allerdings immer noch nicht, aber mit einem Schnauben entschied er, dass das auch egal war. Er hatte keine Lust mehr auf Grübeln, außerdem war er bereits zu einem Ergebnis gekommen. Er wusste, dass seine Abneigung gegenüber diesem Körper seit seiner Rückkehr zur Crew gestiegen war, obwohl diese sich nicht wirklich anders verhielten, vielleicht ein bisschen. Also lag es an ihm und das bedeutete, er konnte diese Gedanken einfach ad acta legen und das würde er auch tun, irgendwie. Mit neuem Enthusiasmus drückte er sich tiefer hinab und wieder hoch, zufrieden mit seiner Leistung, sowohl denktechnisch als auch das Training der vergangenen Nacht. Vielleicht sollte er die kommende wieder in seinem anderen Körper trainieren, nur um sicherzugehen, dass der Abstand nicht noch größer wurde. „Hey, Zorro. Frühstück ist fertig.“ Überrascht schaute er auf. Franky stand am Eingang, er hatte ihn gar nicht bemerkt, hatte gar nicht bemerkt, dass er schon so lange trainiert hatte. Normalerweise legte er sich vor dem Frühstück immer noch etwas hin, aber nun gut, das konnte er auch danach. Er nickte Franky kurz zu und folgte ihm dann. „Übrigens", murmelte Franky und blieb an Deck stehen, rieb sich offensichtlich verlegen den Hinterkopf, „wollte mich nochmal für vorgestern entschuldigen. Weiß, dass das nicht so dolle war, aber ich war einfach noch so voller Adrenalin gewesen…" Oh, Zorro kannte diese Handschrift, wieder mal schien Robin am Werk zu sein, und anscheinend machte nicht nur er sich Gedanken, so viele unnötige Gedanken. „Keine Ahnung, was du willst", murrte Zorro und zuckte nur mit den Schultern, ehe er weiterging. „Du hattest dich doch bereits entschuldigt. Also, alles gut." „Si… sicher?", fragte Franky zweifelnd nach, doch Zorro nickte nur. Sie wollten alle, dass es klappte, dass alles wieder normal wurde – so normal, wie es halt in dieser Crew zugehen konnte - also würde es das auch, mit etwas Zeit. „Okay", lachte Franky dann auf und schlug Zorro kräftig auf den Rücken, als sie die Treppe hochstapften. „Aber dennoch, wenn mal was sein sollte, was nicht okay ist, dann sag es, ja? Schnauz mich ruhig an, wenn ich mich blöd anstelle und ich sag dir dafür auch, wenn du unnötig rumkeifst. Deal?“ Ja, noch machten sie sich alle unnötig viele Gedanken, aber genau deshalb würde es bald besser werden. Zorro nickte. „Deal.“ Vielleicht musste er gar nicht herausfinden, was es war, warum es ihm so schwerfiel, denn vielleicht würde es ihm bald einfach nicht mehr schwerfallen. „Super“, schmunzelte Franky und nacheinander betraten sie die Kombüse, wo das Frühstück schon im Gange war. Mit einem leisen Grunzen ließ Zorro sich zwischen Lysop und Brook nieder und vergaß das Grübeln der letzten Stunden schnell, als sein Magen sich über ein gutes Frühstück freute. Konnte es sein, dass er das Abendessen vergessen hatte? Kurz fiel sein Blick auf den Koch, der im Küchenteil werkelte, eine Zigarette im Mundwinkel, aber Zorro ignorierte das, ging ihn nichts an. Was ihn wohl anging, war die Zeitung, die nirgendwo zu sehen war, doch bevor er fragen konnte, meldete sich die Teleschnecke am Sofa. Die Gespräche erstarben und sie alle sahen einander aufmerksam an. Es war selten ein gutes Zeichen, wenn sie klingelte. Nami, die am nächsten zur Schnecke saß, erhob sich und nahm ab. „Ja, Hallo?“, fragte sie offensichtlich misstrauisch. „Einen schönen guten Morgen, Frau Navigatorin.“ „Ha… hallo Mihawk“, kam es von Nami perplex, ehe sie zu Zorro herüberschaute, aber er hatte auch keine Ahnung, was das sollte. Er selbst hatte das letzte Mal vor ein paar Tagen mit Dulacre telefoniert. „Möchtest… möchtest du Zorro sprechen?“ „Nein, du bist schon der richtige Ansprechpartner – Lorenor wäre mir diesbezüglich keine große Hilfe – ich hörte, dass ihr die Insel Mirabella hinter euch gelassen habt? Dürfte ich fragen, in welche Richtung ihr unterwegs seid?“ Nun tauschten sie alle skeptische Blicke aus, ehe Nami kurz ihren Log Port begutachtete und dann antwortete: „Wir folgen der Nadel, die nach Nord-Westen zeigt, aber warum möchtest du das…?“ Doch Zorro blieb misstrauisch, er konnte es nicht genau sagen, aber der andere klang freundlich, und das konnte nichts Gutes bedeuten. „Vielen Dank für diese Information, und wärest du bitte so freundlich, dem Smutje auszurichten, dass er seine letzten Tage genießen soll. Ich werde circa zwei Wochen benötigen und beabsichtige, ihn unumwunden nach meiner Ankunft hinzurichten.“ Ah, er hatte es ja bereits erwartet. „Was?!“, entkam es Nami neben einigen anderen fassungslos. „Dulacre!“, stöhnte Zorro entnervt auf, während der Koch ein weinerliches Fiepsen von sich gab, wie das eine Mal, als Robin ihm gesagt hatte, dass sein Outfit lächerlich aussehen würde. „Wir hatten darüber gesprochen, kein Töten von Crewmitgliedern.“ „Warum war das überhaupt ein Thema?“, kam es von Lysop, der Zorro panisch anstarrte. „Über so etwas sollte man sich gar nicht erst absprechen müssen!“ „Ich erinnere mich sehr wohl, Lorenor“, kam es von der Teleschnecke, „aber seit den jüngsten Ereignissen sehe ich keine andere Möglichkeit, auch, wenn es deinen Zorn heraufbeschwören mag. Ich werde dem Smutje nicht verzeihen, deine Ehre beschmutzt zu haben. Es war einmal zu…“ „Ich konnte nichts dafür!“, klagte der Koch laut aus seiner Küchennische, richtig weinerlich. „Es ist nicht meine Schuld!“ „Das ist mir gleich. Was auch immer du für Ausreden hast, spar sie dir für deinen Gott auf. Vielleicht ist er dir gnädiger, aber ich werde es ganz gewiss nicht sein.“ Ganz großartig, er war mal wieder in seiner theatralischen Laune, dann war er immer am nervigsten. Noch schlimmer war allerdings, dass der Koch in seiner Ecke wimmerte, wie Lysop früher, wann immer sie eine unbekannte Insel erreicht hatten. Normalerweise legte er sich doch nur zu gerne mit Dulacre an. „Nun ja, bevor du zu solch drastischen Maßnahmen greifst, dürften wir zumindest erfahren, worum es geht?“, fragte Robin mit ihrem üblichen Lächeln, was Zorro nur zu deutlich machte, dass sie es wahrscheinlich eh wusste. „Sagt bloß, ihr habt die Zeitung noch nicht gelesen?“, kam es fast schon überrascht. „Wobei diese Blamage eigentlich auch verdient, ungesehen verbrannt zu werden.“ „Nein“, kam es von Nami und Zorro gleichzeitig und sie beide sahen zum Koch, der wie ein Häufchen Elend in seiner Ecke hockte und auf seinem Zigarettenstummel rumkaute. „Das ist alles eure Schuld!“, meinte er und zog dann zögerlich die Zeitung unter seinem Schneidebrett hervor, reichte sie offensichtlich geknickt Nami, „nur wegen eurem blöden Plan“, schniefte er. „Oh“, kam es von Nami. „Was steht denn drauf?“, murrte Franky und beugte sich zur Seite, um einen Blick erhaschen zu können. Seine Augen wurden immer größer und seine Mimik verkrampfte immer mehr. „Frank…y?“, murmelte Lysop. „Ein Desaster, nicht wahr?“, kam es von der Teleschnecke. „Dafür kann es keine andere Strafe geben.“ „Oje“, flüsterte Nami, während der Koch im Hintergrund kläglich wimmerte. „Was denn jetzt?“ Genervt erhob Zorro sich und wollte über den Tisch hinweg nach der Zeitung greifen, als Franky plötzlich beide Hände auf den Tisch knallte und sich dann schallend lachend zurückwarf. „Buhahaha! Was ne Story! Hahaha, da haben sie dich ja ganz schön drangekriegt, Sanji. Gott, hahaha, tust mir fast schon ein bisschen Leid.“ „Das war wirklich nicht so geplant“, murmelte Nami, „hätte nicht gedacht, dass wir es in die Zeitung schaffen.“ „Der Smutje tut dir leid?! Cutty Fram, derjenige, dessen Würde besudelt wurde – von niemand geringerem als dem Smutje – war schließlich Lorenor, also…“ „Kann ich jetzt endlich mal die Zeitung haben?“, knurrte Zorro. „Wenn meine Würde schon auf dem Spiel steht, sollte ich doch zumindest wissen, worum es geht.“ Wobei er eine dunkle Vorahnung hatte. Nami begegnete kurz Zorros hartem Blick, während die Teleschnecke aufschnaubte und der Koch noch tiefer hinterm Tresen versank, dann legte sie die Zeitung offen auf den Tisch. „Oh.“ „Wow!“ „Uff! Harte Worte!“ „Da waren Journalisten?“ „Z… Zorro?“ Er ignorierte die anderen und starrte das Titelblatt an. Erster Auftritt in der Öffentlichkeit ein Desaster – Lady Loreen von Piraten gedemütigt Triebtäter zerreißt Kleid auf Gala! – Lady Loreen, schutzlos ohne Falkenauge?! Er sah zur Bildunterschrift hinab. Strohhutpirat Vinsmoke Sanji entblößt Lady Loreen bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach der Auflösung ihrer Verlobung mit dem ehemaligen Samurai der Meere Mihawk Falkenauge. „Man sollte meinen, dass die Zeitung die reißerischen Mutmaßungen den Klatschzeitschriften überlassen würde“, bemerkte Jinbei. Er hörte, wie die anderen miteinander sprachen, doch sein Blick lag auf dem riesigen Bild, welches mehr als die Hälfte der Titelseite ausmachte. Die rechte Hälfte des Bildes zeigte ihn, sein alter Ego, den Rücken der Kamera zugewandt, das zerrissene Kleid hing hinab, zeigte offensichtlich, dass sein Oberkörper halbnackt war, auch wenn der Winkel der Kamera natürlich nichts zeigte, nur gerade genug. Rechts in der Ecke war ein unscharfer Schemen, der wohl Nami war, die mit dem Mantel angestürmt gekommen war, aber Zorro betrachtete die linke Hälfte des Fotos. Dort, auf dem Boden, zwischen glitzernden Steinchen, zerbrochenem Glas und einem zusammengeklappten Tisch hockte der Koch, starrte mit weit aufgerissenen Augen und offenstehendem Mund zu Zorro hoch. Ja, er konnte sehen, wie dieser Gesichtsausdruck für Außenstehende wirken musste, wie er für Leute wirken musste, die nur dieses Bild sahen. Es sah aus, als würde der Koch ganz fasziniert Lady Loreens nackten Oberkörper angaffen. Aber Zorro kannte den Koch. Er wusste, wie der Koch Frauen angaffte, wie er Zorro angaffte, wenn er in diesem Körper war – selbst, wenn er sich bemühte, es zu unterdrücken – aber dieser Blick war kein Gaffen. Der Koch starrte ihn an, Überraschung, Verwirrung, Entrüstung, vielleicht auch so etwas wie aufkeimende Erkenntnis und damit verbundener Ärger, in seinem Blick. So wie damals auf Alabasta, als Sanji sich über Zorros Wunden aufgeregt hatte. So wie damals gegen die Foxy-Piraten, als sie unfreiwillig als Team zusammengearbeitet hatten. So wie damals auf Water Seven, als Zorro sie alle daran hatte daran erinnern müssen, was Respekt gegenüber dem Kapitän bedeutete. So wie damals auf der G6, wann immer Zorro sich mit den Soldaten angelegt hatte. „Jetzt sag doch mal was?“, kam es zögerlich von Lysop. „Du machst mir langsam Angst.“ Und als Zorro aufsah, musste er feststellen, dass die meisten dem wohl mehr oder weniger zustimmen würden, allen voran der Koch, der ihn anstarrte, als würde es darum gehen, ob er aus der Crew geschmissen werden würde. Schmunzelnd senkte er seinen Blick wieder auf die Zeitung. „Ich mag das Bild“, erklärte er dann schließlich. „Schade, dass sie mich nur von hinten zeigen.“ „Lorenor?“, kam es ungläubig von Dulacre. „Wovon redest du? Dieses Bild ist…“ „Genauso wie es geplant war“, sagte er hart, doch sein Blick lag auf dem Koch. „Das alles war so gewollt, Dulacre. Der Koch sollte das Kleid zerreißen, also gibt es keinen Grund, dich so aufzuregen. Es war alles unser Plan, zur Ablenkung, und er hat funktioniert.“ „Aber mit diesem Bild wirst du...“ „Hast du ein Problem damit, dass jemand meinen nackten Oberkörper gesehen hat?“ Lysop quiekte leise auf, aber Zorro ließ sich nicht beirren. „Hast du etwa ein Problem damit, dass jemand diesen nackten Oberkörper gesehen hat?“ Eine Sekunde war es mucksmäuschenstill, selbst Ruffy hatte im Essen innegehalten und sah nun mit hochgezogenen Augenbrauen zu Zorro auf, dann seufzte die Teleschnecke gezwungen. „Vergib mir, Lorenor. Ich vergesse immer wieder, dass du solch ordinäre Handlungen nicht als beschämend erachtest“, reagierte er mit diplomatischem Kalkül, wie Zorro sehr wohl merkte und es war ihm recht. „Dennoch, der Smutje hat mit seiner Tat deine Ehre verletzt und dies…“ „Sehe ich nicht so“, unterbrach Zorro ihn sachlich. „Denn du vergisst ebenfalls, wer und was ich bin. Die Ehre eines Piraten verlangt doch regelrecht danach, auf so einer Veranstaltung etwas Unruhe zu stiften.“ Dann fiel sein Blick wieder auf den Koch und endlich sah er nicht mehr ganz so gegängelt aus. Zorro hatte einen guten Tag, also entschied er, ausnahmsweise eine gute Tat zu begehen. „Endlich hat die Welt mal einen Moment lang Lady Loreens wahres Ich gesehen, dafür müsste ich dem Koch eigentlich fast schon dankbar sein.“ „Ich verstehe“, antwortete die Teleschnecke trocken nach zwei Atemzügen. „Nun denn, so schwer es mir fällt, aber es wäre wohl unangebracht, jemanden umzubringen, dem du zu Dank verpflichtet bist.“ „Es wäre generell unangebracht, jemanden aus meiner Crew umzubringen“, murrte Zorro kühl. „Gut, dann entschuldigt die Störung. Einen schönen…“ „Dulacre!“, knurrte Zorro. „Wenn du in zwei Wochen kommst, bring Sake mit, den guten, verstanden?“ „Lorenor, ich hatte nur aufgrund… nun gut. Es könnte sein, dass ich ein bis zwei Tage länger brauchen werde, aber ich werde da sein.“ Klick Noch einen Moment herrschte eine betretene Anspannung vor, alleine unterbrochen von klapperndem Geschirr, als Ruffy unbehelligt einfach weiter aß, dann setzte Zorro sich wieder hin, riss die Zeitung vom Tisch und setzte ebenfalls sein Frühstück fort. „Uff, also, nicht böse gemeint Zorro, aber der Kerl ist schon leicht… wahnsinnig“, murmelte Franky mit einem breiten Grinsen. „Leicht?“, kam es von Lysop. „Der Typ hat sie doch nicht mehr… aber mal ganz ehrlich, warum direkt so extrem? Wenn er wütend ist, okay? Aber dann direkt jemanden umbringen?“ „Er galt nicht umsonst als der grausamste der Samurai“, bemerkte Robin mit einem sachten Lächeln, ehe sie an ihrem Kaffee nippte. "Denn nichts ist so grausam, wie ein rationaler Verstand, der den Tod eines Menschen als kleineres Übel erachtet.“ „Du brauchst ihn nicht durchzuanalysieren“, murrte Zorro. „Er ist einfach gerne dramatisch.“ Die anderen unterhielten sich weiter über das eben Geschehene, aber Zorro konzentrierte sich wieder auf sein Essen, deutlich besser gelaunt als am frühen Morgen. So gut gelaunt, sogar, dass er großzügig die Blicke des Kochs ignorierte, der immer noch in seiner Kochnische hockte, aber sich nun laut darüber beschwerte, wie sehr die Zeitung ihn in ein schlechtes Licht rückte und wie gemein sie alle gewesen waren, dass sie den Koch als lüsternes Ablenkungsmanöver missbraucht hatten. Nami versuchte etwas die Wogen zu glätten, doch Franky und Brook waren dabei keine große Hilfe, bis sie sich dann mit einer auffordernden Geste Zorro zuwandte, doch er ließ sie auflaufen, so großzügig war er dann doch nicht. Gut gelaunt, verließ er die Küche. So gut gelaunt, dass er sich gar nicht aufs Ohr legen wollte, sondern entschied, noch etwas zu trainieren. So verging der Tag und als er sich am späten Nachmittag nach einem verdienten Nickerchen mit einem verdienten Sake bei den Orangenbäumen auf der Hauptterrasse niederließ, überlegte er einen Moment, die kleine, weiße Teleschnecke in seiner Hosentasche herauszuholen, entschied sich jedoch dagegen. Stattdessen zog er die Zeitung vom Morgen hervor und legte sie neben sich auf den Boden. Er wusste, dass Dulacre ihn dazu drängen würde, die Artikel zu lesen, aber auch, wenn Zorro mittlerweile die Wichtigkeit dahinter verstand, so hatte er die Bilder, die Zeichnungen und Grafiken schon immer deutlich interessanter gefunden. Also saß er da, und begutachtete dieses Bild, ignorierte diese ganzen Worte, die so vieles sagten, was ihn nicht interessierte, während dieses Foto so vieles sagte, was für ihn von Bedeutung war. „Hier steckst du. Mann, fast, als hättest du dich versteckt.“ Zorro war nicht überrascht, er hatte den anderen mit jedem Schritt gehört. „Was machst du hier über…? Oh, deshalb.“ „Keine Ahnung, was du meinst. Ich wollte nur in Ruhe was Sake trinken. Ich muss mich nicht verstecken, um die Zeitung zu lesen.“ Zorro sah kurz auf, begegnete dem Blick des Kochs, der immer noch blass war – selbst für seine Verhältnisse – und sich nun mit verschränkten Armen an die Reling lehnte. „Dein Sozius ist ganz schön wahnsinnig“, jammerte der Koch dann mit einem leichten Schmollen. „Ernsthaft. Weißt du, wie beschissen diese Artikel für mich sind und dann kommt dieser Arsch auch noch darauf, mich umbringen zu wollen?! Wie kannst du überhaupt mit so jemandem…?!“ „Er hatte nicht vor, dich umzubringen", unterbrach Zorro ihn schroff und zuckte mit den Schultern. „Was?! Hast du ihn nicht gehört?“ „Dulacre hat meine Vivre Card. Wenn er wollte, könnte er uns überall auf der Welt aufsuchen, und warum sollte er uns vorwarnen, obwohl er doch weiß, wie ich über diesen Mist denke? Wenn er ernsthaft vorgehabt hätte, dich zu töten, wäre er heimlich gekommen und hätte es getan, bevor irgendwer von uns ihn hätte aufhalten können.“ Langsam ließ der Koch die Arme sinken. „Jetzt, wo du’s sagst…“, murmelte er fast schon nachdenklich. „Aber warum hat er dann angerufen.“ „Weil er das Drama liebt“, seufzte Zorro genervt. „Er war wütend über die Zeitung, das Bild und musste das an jemandem auslassen und du hattest ja von Anfang an bei ihm verkackt.“ Der Koch betrachtete die Zeitung neben Zorro und ließ sich dann langsam auf den Boden sinken. „Du scheinst ihn echt gut zu durchschauen“, meinte er dann schließlich. „Tze“, schnaubte Zorro. „Wahrscheinlich hat er noch fünf Ecken weitergedacht, was ich mir noch nicht mal vorstellen kann. Hat sich viel zu schnell beruhigt und kleinbeigegeben. Würde er nie machen, wenn er glaubt, Recht zu haben. Mann, wie sehr mich das ankotzt, dass dieser Mistkerl mir immer einen Schritt voraus ist.“ Dieser letzte Satz stimmte nicht so ganz. Ja, es war nervig, aber es hatte auch etwas Beruhigendes, nur nicht an Tagen wie diesen, da war es nur nervig. Dann war es ruhig zwischen ihnen. „Trotzdem Danke“, murmelte der Koch schließlich. „Du hast mich verteidigt, obwohl du wusstest, dass er gar nicht ernstmachen wollte. Wäre nicht nötig gewesen.“ „Ich hab dich nicht verteidigt“, widersprach Zorro schlicht. „Ich hab nur die Wahrheit gesagt. Ich war nicht glücklich mit dem Plan, weder mich verstellen zu müssen und das arme, kleine Opfer zu spielen, noch, dir die Täterrolle aufzudrücken. Aber – auch, wenn ich es echt nicht gerne zugebe – Nami hatte recht, dass dieser Plan der erfolgversprechendste war.“ „Trotzdem echt beschissen“, knurrte der Koch. „Triebtäter und das war noch der freundlichste Begriff. Ja, ich weiß, dass ich mich nicht immer ideal verhalte, aber ganze Zeitungsartikel, die mich zu etwas machen wollen, was ich nicht bin, mich verurteilen und in der Öffentlichkeit brandmarken ist… keine Ahnung… es ist fies, gemein. Sie zerreißen mich regelrecht und wahrscheinlich nur, um die Leser anzulocken.“ Zorro nickte. Er verstand sehr gut, wovon der andere sprach. „Sei nicht zu sauer auf die anderen“, meinte er sachte, „habe auch keinen Reporter bemerkt, du? Ich denke nicht, dass irgendwer wollte, dass dieses Ablenkungsmanöver in den Zeitungen endet.“ Er konnte sehen, wie der Koch ihn mit großen Augen anstarrte. „Ich denke, sie alle hatten ihren Spaß daran, uns beide mit dem Plan etwas zu foppen, dich vielleicht noch etwas mehr als mich, aber es sollte keine Nachwirkungen haben.“ „Wow, seit wann bist du denn so verständnisvoll?“, kam es verwundert vom anderen. Zorro zuckte nur mit den Schultern. „Und du bist auch mir gegenüber unglaublich verständnisvoll.“ Nun klang er misstrauisch. „Du hast mich nicht nur vor Falkenauge verteidigt, du hast dich sogar fast bedankt. Irgendetwas ist doch faul.“ „Ach, leck mich doch“, murrte Zorro, meinte es jedoch nicht ernst und der Koch verstand das auch, denn er erwiderte Zorros Grinsen. „Ich hab halt was Mitleid mit dir“, gestand er ein. „Weiß genau, wie beschissen es ist, wenn die Zeitung dich als jemand darstellt, der du nicht bist, und du kannst nichts dagegen machen.“ „Oh“, machte der andere, ehe er leise aufschnaubte. „Naja, ist aber schon was anderes, immerhin ist der Mist über dich durchweg positiv und liebevoll, ich werde zerrissen.“ „Als schwächliches Gör dargestellt zu werden, welches dem Wohlwollen und der Gnade anderer ausgesetzt ist und ohne Falkenauge sich nicht zu helfen weiß, nennst du positiv? Ich wünschte, jemand würde mal so einen Artikel über Lady Loreen verfassen“, widersprach er und pochte mit den Fingerknöcheln auf die Zeitung. „Ich wünschte, die Welt würde mich in diesem Körper nur einmal als Monster, als Verbrecher, als irgendetwas anderes wahrnehmen als eine wehrlose Heilige mit einem hübschen Gesicht. Aber darauf kann ich noch lange warten, es sei denn, die Welt findet endlich die verdammte Wahrheit heraus.“ Dann seufzte er. „Gib den Artikeln zwei bis drei Wochen, danach werden die Leute diesen Mist vergessen haben, solange du die Medien nicht mit was Neuem fütterst. Glaub mir, ich spreche aus eigener, leidiger Erfahrung“, fügte er resigniert hintendran und nahm einen deutlichen Schluck seines Sakes. Wieder saßen sie ruhig da, während Ruffys und Brooks Lachen übers Schiff hallte. Irgendwo aus den Tiefen der Sunny kam ein rhythmisches Hämmern. Es war selten friedlich auf ihrem Schiff. Der Koch seufzte auf. „Irgendwie hab ich das vermisst." Fragend begegnete Zorro seinem Blick. "“Na, Momente wie jetzt. Versteh mich nicht falsch, du bist mit Abstand das anstrengendste Crewmitglied von allen und gehst mir die meiste Zeit gehörig auf die Nerven. Aber…", setzte er dann ruhiger hinterher, „... solche Gespräche wie jetzt haben mir immer gezeigt, dass wir doch miteinander können, egal wie sehr wir einander sonst anschnauzen. Daher…" Er zuckte nur mit den Schultern und sprach erst nach einem Moment weiter: „Seit der Sache mit Lady Loreen… Ich kapiere immer noch nicht wirklich, was du mir vorwirfst, aber es… Ich verstehe nicht, wie ich mich anders verhalten soll." Ja, sie alle schienen sich wirklich Gedanken zu machen, unnötig viele Gedanken. Seufzend betrachtete Zorro seinen Becher. Der Koch hatte nicht Unrecht. Auch wenn es ihm nie so wichtig gewesen war, ob er von allen Crewmitgliedern wirklich gemocht wurde, so hatte auch er diese Abende manchmal bewusst gesucht, diese Nächte oder frühen Morgenstunden, oder zumindest nicht bewusst vermieden. Er mochte es, sich mit dem Koch zu streiten, ihm auf die Nerven zu gehen und auch mal einfach etwas Unbedachtes raushauen zu können, ohne dass der andere es direkt persönlich nahm. Aber auch er hatte nie daran gezweifelt, dass diese Art zwischen ihnen sich je ändern würde, bis es sich dann geändert hatte. Bis er diesen Blick gesehen hatte und sich dann doch so vieles verändert hatte. „Ich mag dieses Bild", wiederholte er dann seine Worte vom Frühstück. „Weil ich auf dem Boden hocke, wie ein Vollidiot?", murrte der Koch sofort angefressen. „Das auch", stimmte Zorro zu, „und weil du dich in jenem Moment so verhalten hast, wie ich dich kenne. Das ist der Unterschied, Koch. Kein Gaffen, keine Herzchen, einfach nur der nervige Koch." „Hmm?“, machte der Koch erst fragend und beugte sich dann mehr über das Bild. „Wie meinst du das?“ Zorro zuckte nur mit den Schultern, er konnte es nicht wirklich besser in Worte fassen. „Oh", kam es schließlich nachdenklich vom anderen, ohne dass Zorro überhaupt was gesagt hatte, „ich verstehe…, glaube ich." „Na, wie dem auch sei. Ich geh noch was trainieren. Schick niemanden hoch, werde das Abendessen wohl verpassen." „In Ordnung. Aber ich mach dir ein Bento parat, denk an unsere Abmachung." „Jaja, ich werd's mir später holen", murrte er nur und wandte sich mit erhobener Hand zum Gehen. „Hey Zorro", rief Sanji ihm nach. „Nur mal so ein Gedanke, aber wie soll die Welt je die Wahrheit herausfinden, wenn du sichergehst, dass dich nie jemand als Loreen sieht?" Kurz erstarrte er, dann schnaubte er auf und ging weiter. „Das lass mal meine Sorge sein", murrte er nur und zeigte dem anderen den Mittelfinger, froh, dass dieser sein Grinsen nicht sehen konnte. Er konnte es einfach nicht leiden, wenn der Koch recht hatte.     Kapitel 12: Extrakapitel 10 - Das erste Mal - Mihawk ---------------------------------------------------- Das erste Mal   -Mihawk- Tief atmete er aus. Eine innere Ruhe erfüllte ihn, die so widersprüchlich zu all den Gedanken in seinem Kopf war, die so widersprüchlich zu all der Energie in seinem Körper war. So lange hatte er auf diesen Moment gewartet, konnte spüren, wie unaufhaltsam die Gier in ihm war. Sobald er ihr nachgeben würde, würde er sie nicht mehr kontrollieren können, das wusste er. Die stille Hoffnung, dass sein leidvolles Training mit dem roten Shanks ihm wirklich seine absolute Kontrolle zurückgebracht hatte, wollte er nicht zu groß werden lassen. Er hatte es oft überprüft und dennoch würde erst die nahe Zukunft zeigen, ob Dulacre wirklich das hatte zurückerlangen können, was er vor über 30 Jahren verloren hatte. Aber all das war einerlei. Ganz gleich, ob er sich kontrollieren können würde oder nicht, heute würde er seiner Gier zum ersten Mal in so vielen Jahren nachgeben, und er freute sich darauf, bei Gott, was freute er sich darauf! Es kostete so viel Energie und Anspannung, dieser Vorfreude, dieser Lust nicht nachzugeben, aber noch konnte er es nicht. Er musste sich zusammenreißen! Denn wenn er das nicht tun würde, dann… er schloss seine Augen einen Moment, fuhr mit seiner Zunge seine Zähne entlang, doch der süße Schmerz, wenn die Zahnkronen ins Fleisch schnitten, reichte dieses Mal nicht aus. Es war vergebens, ganz gleich, was Dulacre befürchtete, er wusste, dass er sich nicht würde zurückhalten können; er wollte sich nicht zurückhalten. Als Schwertkämpfer und schlicht als er selbst, wollte er den kommenden Kampf mit all seiner Kraft, all seiner Grausamkeit, all seinem Sein führen, ganz gleich des Preises, ganz gleich, was es kosten würde. Zu lange hatte er warten müssen, zu lange hatte er sich gedulden müssen, auf diesen Kampf warten müssen. Zu oft hatte er seine Gier die vergangenen Jahre herunterschlucken müssen, sich die Freude des Kampfes verwehren müssen. Dulacre war am Ende seiner Geduld angekommen und heute, wenn er endlich die Möglichkeit bekommen würde, so zu kämpfen, wie er es Jahrzehnte nicht – vielleicht noch nie – hatte tun können, dann würde er sich nicht zurückhalten können, zurückhalten wollen. Heute würde endlich seine Maske fallen, nein, nicht fallen, ungewollt am Boden zerbersten. Er würde sie abnehmen, zu Boden werfen, zertreten. Heute, nach so langer Zeit, durfte Dulacre endlich zeigen, wer er war, was er war, denn endlich gab es jemand, der ihn herausforderte und der hoffentlich auch eine Herausforderung darstellen würde. Er sah auf. Bedachtsamen Schrittes kam Lorenor auf ihn zu. Sein ganzer Körper pulsierte unter einer Energie, die Dulacre eine Gänsehaut über den Rücken jagte, und dennoch war sein Blick absolut ruhig. „Da bist du ja endlich, Lorenor“, grüßte er seinen Herausforderer, der ihn noch einen Moment so unglaublich ruhig ansah, ehe er Dulacre endlich dieses gemeine Grinsen schenkte, welches er am Jüngeren doch so mochte. „Habe ich dich etwa lange warten lassen?“, fragte er mit einer Dreistigkeit, während er seinen Kopf von einer Seite zur anderen dehnte, bis Knochen knackten. Alles an ihm strahlte Stärke und Selbstbewusstsein aus, dennoch wirkte er alles andere als überheblich. Alles an ihm wirkte… perfekt, er war der perfekte Herausforderer. „Viel zu lange“, entgegnete Dulacre leise, spürte wie schwer es ihm fiel, sich zurückzuhalten, er wollte endlich kämpfen, „über 20 Jahre habe ich auf diesen Tag hier gewartet.“ Nun lachte Lorenor beinahe auf: „Na, so lange hab ich jetzt aber auch nicht gebraucht, um mich fertig zu machen.“ Einen Moment sahen sie einander nur ruhig an, dann stieß Dulacre sich von seinem Stein ab und neigte leicht den Kopf. Die Gier in ihm war so groß, sie mussten den Kampf bald beginnen, er konnte nicht noch länger warten. „Ich würde es bevorzugen, wenn wir direkt zur Tat schreiten und das spielerische Geplänkel einfach überspringen“, sprach er aus, doch so sehr er sich auf diesen Kampf auch freute, ihn ersehnte, wie kaum etwas Anderes, so sehr fürchtete er auch, was er mit sich bringen würde. „Du sprichst mir aus der Seele, lass uns direkt ernst machen!“ Lorenor klang beinahe wie ein kleiner Junge, der seinen allerersten Kampf bestreiten würde. Nun ja, in gewisser Art und Weise stimmte das ja auch. Es würde das erste Mal sein, dass Lorenor einen solchen Kampf bestreiten würde und… vielleicht galt das ja auch für Dulacre. Während Lorenor einfach seinen hässlichen grünen Mantel hinunterriss und zu Boden warf, nahm Dulacre sich Zeit, seine Sachen geordnet hinter sich auf den Stein zu legen. Es war ein seltsames Gefühl, auf der einen Seite erwartete er diesen Kampf, wie nichts zuvor, doch auf der anderen Seite fürchtete er auch, was er für Folgen haben würde. Er fürchtete sich davor, was geschehen würde, wenn Lorenor ihn wirklich wahrhaftig sehen würde. Natürlich hatte Jiroushin Recht, Lorenor war stark, er war mutig, und wenn einer Dulacre sehen konnte, ohne ihn zu fürchten, dann war es wohl Lorenor. Aber was war, wenn selbst er sich vor Dulacre fürchten würde? Die Antwort darauf war denkbar einfach. In einem solchen Fall würde er damit leben lernen müssen, dass sein Sozius ihn fürchten und vielleicht sogar verlassen würde. Vielleicht hatte er Glück und Lorenor würde zumindest den erneuten Kampf mit ihm suchen – wenn er denn diesen Kampf überleben würde – doch selbst wenn nicht, alles, was Dulacre je von Lorenor erwartet hatte, war Ehrlichkeit; Ehrlichkeit und dieser eine Kampf, zu dem Lorenor ihn schon vor Jahren herausgefordert hatte, als er noch nicht mehr gewesen war als ein schwacher Junge aus dem East Blue. Es stimmte, Dulacre hatte große Angst davor, dass Lorenor ihn fürchten lernen würde, wenn dieser sein wahres Ich sehen würde, gleichzeitig wusste er, dass diese Angst ihn nicht aufhalten konnte. Er war nun mal ein Schwertkämpfer, es floss durch sein Blut, formte seinen Körper, erfüllte seine Seele. Ganz gleich, wie sehr er Lorenor liebte und wie wenig er ihn verlieren konnte, diese Angst würde ihn nicht lähmen, konnte ihn nicht mal beeinflussen, geschweige denn aufhalten. Denn auch das forderte seine Liebe und seinen Respekt für Lorenor als Partner und als Schwertkämpfer. Aber das forderte er auch von sich selbst für sich selbst. Wenn Dulacre sich zurückhalten würde, diesen Kampf nicht ernstnehmen würde, sein wahres Ich nicht zeigen würde, was für ein Schwertkämpfer wäre er dann? Er wollte gegen Lorenor kämpfen, er wollte ihn besiegen, ganz gleich, was das für Folgen haben würde, selbst wenn es Lorenors Tod bedeuten sollte, und er wusste, dass Lorenor diese Gefühle verstand, schließlich waren sie beide Schwertkämpfer. Und dennoch… er fürchtete das Leben danach, nach diesem Kampf, nach diesem Moment, wenn Lorenor sein wahres Ich sehen würde. Aber vielleicht ersehnte er es auch ein bisschen, während er seinen Hut auf das Hemd legte und seine Gier ihn anflehte, doch endlich die Ketten zu sprengen. Ganz gleich, was nach diesem Kampf geschehen würde, nach so vielen Jahren durfte er endlich noch einmal richtig kämpfen.  „Dulacre?“ Lorenor klang ernst, doch er hatte auch etwas Warnendes in der Stimme, als ob er Dulacres inneren Kampf wahrnehmen konnte. „Ja?“ Er konzentrierte sich auf seinen Hut, den er immer noch auf das Hemd drückte, doch aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie das Haki um seinen ehemaligen Schüler herum nur so vibrierte vor Energie; er war bereit. „Du weißt, was du mir versprochen hast?“, erinnerte Lorenor ihn mit einem Knurren, während er sich mit höchster Präzision sein Tuch um den Kopf band. „Kein Zurückhalten, kein Verstellen, keine Maske.“ Einen Moment erstarrte Dulacre. Jetzt würde es also beginnen. Wieder einmal forderte Lorenor ihn heraus, zu mehr als nur einem Kampf. So oft schon hatte er Dulacre aufgefordert, sich nicht zu verstellen, ehrlich zu sein, sich nicht zurückzuhalten, und endlich, endlich, konnte Dulacre diesem Verlangen Folge leisten. Er hoffte nur, dass Lorenor dieser Herausforderung auch gewachsen war, dieses Verlangen auch genießen konnte, diese Forderung nicht bereuen würde. „Wie du wünschst.“ Dulacre schloss seine Augen und erlaubte den Ketten zu bersten. Es war, als würde ein jahrtausendealtes Gewicht von seinen Schultern fallen und endlich konnte er wieder frei atmen, seinen Körper richtig bewegen. Als wäre er aus den Tiefen des Ozeanes aufgetaucht, konnte er die Welt wieder so deutlich hören, wie er es für Jahre nicht gekannt hatte, als er sich endlich erlaubte, seine Kraft voll zu entfalten. Und dann sah er Lorenor an. Er wusste nicht, was er erwartet hatte – auch wenn er genau wusste, was er befürchtete – aber wieder einmal konnte er Lorenors durchdringenden Blick nicht deuten, der sich so anfühlte, als ob der andere ihm direkt in die Seele stierte. Aber dann war da eine Spannung, die durch Lorenors Körper fuhr, als er es wohl bemerkte, als er Dulacres wahres Sein wohl endlich sah. „Gefällt dir, was du siehst?“, fragte er ihn und es war wirklich eine Frage, die er sich stellte. Lorenor hatte es immer gewollt, immer von ihm gefordert, hatte immer hinter Dulacres Maske sehen wollen. Und manches Mal war es ihm gelungen, für Momente, wenn Dulacre unachtsam gewesen war oder wenn er Lorenor unterschätzt hatte. Aber nun versteckte er sich nicht länger und oh, was für eine Anspannung. War es das, was Lorenor erwartet hatte? Was es mehr? War er mehr? War es zu viel? War er zu viel? Wie viel konnte Lorenor aushalten? Wie viel konnte er ertragen? Wie viel von Dulacre wollte er? Sein Herausforderer zog seine Schwerter und ging in Position. Es war schon beeindruckend. Für den unwissenden Zuschauer mochte es wirken, als ob Lorenor genau dieselbe Position einnahm wie damals, als er Dulacre das erste Mal herausgefordert hatte. Aber Dulacre hatte seine Schwächen ausgebessert, all diese Feinheiten in jene Haltung eingearbeitet und mittlerweile hatte Lorenor sie perfektioniert; es gab schlicht keine Lücke mehr in seiner Defensive. Dulacre tat es ihm gleich, erlaubte seiner Kraft, frei zu fließen, während er Yoru zog und zu Boden richtete. So stand er da und hieß Lorenor willkommen, in der Welt der Schwertkämpfer. Doch dieser starrte ihn nur an, als hätte es ihm die Sprache verschlagen. Hatte er etwa doch Angst bekommen? Nun denn, dann sollte es wohl so sein. Dulacre hoffte nur, dass er ihm zumindest einen interessanten Kampf bieten würde, und er hoffte, dass er seinen geliebten kleinen Wildfang am Leben lassen konnte. Es war schon in Ordnung, zumindest konnte er endlich seine Fesseln abstreifen, zumindest für diesen Moment, schon jetzt hatte Lorneor ihm mehr gegeben, als er je zu hoffen gewagt hatte. Wenn er denn nur den Kampf endlich eröffnen würde. „Was ist denn, Lorenor? Willst du mich nicht angreifen? Oder wartest du wirklich darauf, dass ich den ersten Schritt mache?“ Vielleicht musste es so sein, vielleicht musste es so zwischen ihnen sein, dass Dulacre immer als Erster das Wort ergriff, wenn Lorenor erstarrte. Das war in Ordnung, es war schon in Ordnung, zumindest würde er jetzt endlich kämpfen können. „Dulacre.“ „Ja?“ Würde er nun vom Kampf zurücktreten? Nein, selbst, wenn er sich fürchten wollte, war dies hier Lorenors großer Traum, er würde nicht zurückweichen, selbst, wenn er es mit der Angst zutun bekommen hatte. Aber vielleicht konnte er nicht mehr bieten, ihm nicht mehr bieten als diesen Kampf. Dieser Kampf auf den Dulacre sich mehr als alles freute. Ganz gleich was passieren würde, Dulacre war glücklich, selbst, wenn es nur dieses eine Mal sein sollte. Für diesen Kampf war er bereit, alles, selbst Lorenor, zu verlieren. „Ich liebe dich.“ … Oh. Es musste ein Missver… Nein, Lorenor meinte es ernst. Er sah Dulacre einfach nur an, so wie er ihn immer ansah, während die Energien um sie herum pulsierten. Ausgerechnet jetzt sagte er solche Worte, die für ihn doch keinerlei… ach so, er… er verstand nun die Bedeutung. Die Bedeutung dieser drei so simplen Worte. Dulacre schloss seine Augen und senkte den Kopf. Er hatte befürchtet, fast schon erwartet, dass selbst Lorenor vor ihm zurückweichen würde – ihn schlussendlich doch fürchten würde – wenn er Dulacres wahres Wesen sehen würde. Und ausgerechnet jetzt, ausgerechnet jetzt… Fast schon zitternd holte er Luft, dann sah er Lorenor wieder an, seinen Lorenor, seinen Verfolger, seinen ehemaligen Schüler, seinen Rivalen, seinen Freund, seinen Herausforderer, seinen Sozius, seinen Gegner. Wie Feuer brannte das Blut in seinen Adern, als hätten Lorenors Worte – drei doch so simple Worte – die Mauern des Schlosshofes bersten lassen und endlich, endlich war Dulacre wirklich frei. Ganz langsam nickte er. Und Lorenor griff an.       Kapitel 13: Extrakapitel 10 - Das erste Mal - Zorro --------------------------------------------------- Das erste Mal   -Zorro- Tief atmete er aus und öffnete dann sein Auge. Noch einen Moment blieb er in seiner Meditationshaltung, genoss den Atem, der durch seinen Körper glitt, genoss die Ruhe in Geist und Gliedern. Dann erhob er sich, immer noch bewusst mit diesem gleichmäßigen Atem. Er war ruhig, entspannt, völlig im Gleichgewicht mit sich und der Welt, so wie immer und dennoch war er auch angespannt, aufgeregt, erwartungsvoll. Es war eine seltsame Mischung an Gefühlen, die ihm nicht unbekannt war, aber so hatte er es wohl noch nie gefühlt. In fast schon langsamen Bewegungen zog er sich an, nahm seine Schwerter, immer noch diese unglaubliche Ruhe in sich, immer noch diese unglaubliche Erregung in sich. Dann verließ er den Ausguck. Unten warteten die anderen, sie alle starrten ihn mit unterschiedlichsten Gesichtsausdrücken an, doch wirklich wahrnehmen tat er es nicht, diese unglaubliche Ruhe, diese unglaubliche Konzentration und diese unglaubliche Spannung schienen alles andere zu überdecken. Keiner von ihnen sagte etwas, aber das war auch nicht notwendig, Worte bedeutetem ihm nicht viel und er war sich nicht mal sicher, ob es überhaupt richtige Worte für diesen Moment gab. Neben der Strickleiter stand Ruffy, er lachte nicht, grinste noch nicht mal, sah ihn einfach nur mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an. Kurz nickte Zorro ihm zu, trat neben ihn und packte die Reling. „Zorro.“ Er erbebte, als sein Name mit der Kapitänsstimme ausgesprochen wurde und Ruffy seine Schulter griff. Einen Moment betrachtete er die Hand auf seiner Schulter, dann sah er seinen Kapitän an. „Hab Spaß, hörst du?“ Dann grinste er so breit, wie Zorro es vertraut war und seine Augen funkelten im Licht der strahlenden Sonne. „Und gewinne!“ Vielleicht gab es ja doch die richtigen Worte. „Aye, Käpt’n.“ Zorro grinste nicht, sein Körper fühlte sich irgendwie seltsam an, beinahe wie in Trance. Alles war weit weg und beinahe taub, dennoch konnte er jede einzelne Körperzelle fühlen, die Wimpern an Ruffys Lidern zählen. Unten angekommen merkte er zum ersten Mal, wie laut sein Herz schlug, endlich war es soweit. Er schritt auf Dulacre zu, der gegen einen großen Stein gelehnt ihn erwartete, sein Gesicht so ausdruckslos, wie Zorro es selten gesehen hatte. Wenn er drüber nachdenken würde, wäre er vielleicht überrascht, aber Zorro dachte nicht darüber nach, wahrscheinlich dachte er gerade gar nicht nach, er wusste es nicht. „Da bist du ja endlich, Lorenor.“ Er klang ruhig, aber so ruhig, dass sich Zorros Nackenhaare aufstellten. „Hab ich dich etwa lange warten lassen?“, entgegnete er mit einem bösen Grinsen und ließ seinen Kopf von links nach rechts rollen, bis die Knochen knackten. Im Hintergrund konnte er die Wellen des Meeres hören, wusste, dass die Sunny sich auf einen sicheren Abstand hin entfernte. „Viel zu lange“, antwortete Dulacre in einem atemlosen Flüstern, „über 20 Jahre habe ich auf diesen Tag hier gewartet.“ „Na, so lange hab ich jetzt aber auch nicht gebraucht, um mich fertig zu machen.“ Einen Moment sahen sie einander nur ruhig an, dann stieß Dulacre sich von seinem Stein ab und neigte leicht den Kopf. „Ich würde es bevorzugen, wenn wir direkt zur Tat schreiten und das spielerische Geplänkel einfach überspringen“, sprach er aus, nun allerdings so aalglatt, als wäre das hier nichts weiter als eine ihrer üblichen Trainingseinheiten. „Du sprichst mir aus der Seele, lass uns direkt ernst machen!“ Ihm war das gleich, zu sehr freute er sich auf das, was kommen würde. Und auch, wenn Dulacre mit der Gelassenheit eines alten Geschäftsmannes sprach, sein Blick verriet sofort, dass der andere alles andere als gelassen war. Zorro riss seinen Mantel herunter und warf ihn achtlos zu Boden. Dulacre auf der anderen Seite nahm sich die Zeit, Mantel, Hemd und Hut ordentlich gefaltet auf den Stein zu legen, als würde er davon ausgehen, dass dieser am Ende des Tages noch stehen würde. „Dulacre?“ „Ja?“ „Du weißt, was du mir versprochen hast?“, erinnerte Zorro ihn, während er sich sein Tuch um den Kopf band, nahm die Bewegung jedes einzelnen Fingers wahr. „Kein Zurückhalten, kein Verstellen, keine Maske.“ „Wie du wünschst.“ Wie auf Kommando glitt ein Beben durch Zorros Körper und augenblicklich lag eine Elektrizität in der Luft, die er fast schon sehnlich erwartet hatte. Tief atmete Zorro ein und schritt auf den anderen zu, der immer noch seine Sachen ordnete. Mit nur wenigen Metern zwischen ihnen blieb Zorro stehen, begutachtete den besten Schwertkämpfer der Welt, sah wie sich jeder Muskel unter der bleichen, unbefleckten Haut bewegte, mit einer Eleganz und einer Stärke, die Zorro nicht mal versuchte, in Worte zu fassen. Und dann sah Dulacre ihn an. Der Unterschied war unübersehbar. Das hier war nicht der Dulacre, dem er damals im East Blue begegnet war, nicht derjenige, der als Abschiedsgeschenk auf Kuraigana gegen ihn gekämpft hatte, noch nicht mal der, den Zorro auf Mary Joa versucht hatte aufzuhalten. Etwas an ihm war anders oder nein, anders beschrieb es nicht mal ansatzweise. Dulacre sah ihn an, seine grellen, gelben Augen leuchteten im Licht der Sonne, seine blasse Haut blendete beinahe, wie ein weißes Blatt Papier und doch konnte Zorro nicht anders, als ihn anzustarren. Die Energie, die er ausstrahlte, war eine ganz andere, sie war nicht so schwer wie sonst, so einengend und kontrolliert. Alles an ihm wirkte stark und mächtig, doch gleichzeitig ging eine Freiheit und Vorfreude von ihm aus, die ansteckend war. Die Gier in Zorro wuchs. Aber es war eine Form der Gier, die er bisher nicht kannte. Denn alles, was er gerade spürte, war Freude, war Glück, Spaß und Zorro wollte am liebsten laut auflachen. „Gefällt dir, was du siehst?“, fragte sein Gegner fast schon zurückhaltend. Und wie könnte er es leugnen? Diese unbeugsame Kraft, dieser unbeugsame Wille, noch nie zuvor war Zorros Gier so groß gewesen und noch nie zuvor hatte er so eine Freude in sich gespürt, eine Art der Freude, die nur der Schwertkampf in ihm wecken konnte. Zorro zog seine Schwerter und ging in Position. Dulacre tat es ihm gleich und obwohl Zorro sie kannte, obwohl er schon so oft gesehen hatte, wie Dulacre eine Ferse hinter die andere stellte, beide Arme weit öffnete, Yoru zu Boden richtete, ohne es den Boden berühren zu lassen, so erkannte er es nun zum allerersten Mal. Früher hatte Zorro diese Ausgangsposition nicht verstanden. Sie hatte tatsächlich immer absolut überlegen auf ihn gewirkt, nein eher arrogant. Als würde Dulacre seinem Herausforderer zeigen, dass er nicht mal auf seine Defensive achten brauchte, dass er so viel Angriffsfläche bieten konnte, wie er wollte und dennoch nicht verlieren würde. Aber jetzt, jetzt verstand Zorro. Es war keine Arroganz, kein Vernachlässigen der eigenen Defensive, kein bewusstes Darbieten von Angriffsfläche; es gab schlicht keine Angriffsfläche! Dulacre stand vor ihm, in absoluter Perfektion. Nichts an seiner Haltung offenbarte auch nur die leiseste Schwäche, es gab keine einzige Lücke, obwohl er sein Schwert zu Boden gerichtet und seinen Oberkörper völlig ungedeckt ließ. Es war, als würde Zorro das erste Mal in seinem Leben einen Schwertkämpfer sehen, einen echten Schwertkämpfer. Dieser neigte nun leicht den Kopf und schenkte ihm ein so breites Grinsen, das beinahe Ruffy Konkurrenz machen konnte, wäre es da nicht für diese Gier im Blick. Nein, es war nicht so, als ob Zorro zum ersten Mal in seinem Leben einen echten Schwertkämpfer sehen würde. Das, was er sah, was er zum allerersten Mal in seinem Leben sah, war Dulacre. Vor ihm stand Dulacre, der Dulacre, den Zorro immer schon erahnt, aber nie wirklich gesehen hatte. Endlich sah er ihn, endlich erlaubte Dulacre ihm, ihn wirklich zu sehen, sein ganzes Sein, ohne irgendeine Maske. Endlich! „Was ist denn, Lorenor? Willst du mich nicht angreifen? Oder wartest du wirklich darauf, dass ich den ersten Schritt mache?“ Selbst seine Stimme klang anders, offener, wärmer, befreiter. Zorro sah ihn einfach nur an und versuchte, all das, was er gerade wahrnahm, zu begreifen, und dann verstand er, was Dulacre ihm damals gesagt hatte. „Dulacre.“ „Ja?“, lachte dieser beinahe mit hochgezogener Augenbraue auf. „Ich liebe dich.“ … Das breite Grinsen schwand, wich einem Gesichtsausdruck, den Zorro nicht einordnen konnte, als Dulacre einen Moment die Augen schloss und die Lippen aufeinanderpresste. Doch dann sah er Zorro wieder an, zeigte dieses noch unbekannte, aber dennoch so vertraute Grinsen, aber seine Augen schimmerten auf eine Art, wie Zorro es noch nie gesehen hatte. Noch einen Moment begegnete Dulacre ihm mit diesem Blick, der Zorro eine Gänsehaut bescherte und er merkte, dass er noch so viel öfter so von Dulacre angesehen werden wollte, diesen Blick noch so viel öfters provozieren wollte, diesen Dulacre noch so viel öfters sehen, erleben wollte. Alles von diesem Dulacre sehen wollte. Im nächsten Atemzug nickte sein Gegner ganz sachte. Und Zorro griff an.   Kapitel 14: Extrakapitel 11 - Das Ende einer Ära ------------------------------------------------ Das Ende einer Ära   - Zorro – „Argh…“ Er packte seinen linken Unterarm, als Haut und Muskeln aufrissen, Blut und Fleisch spritzte zu Boden, drückte den Ellenbogen gegen die schmerzende Seite. Scheiße noch eins, was tat sein Körper weh. Grinsend rieb er sich mit dem Handrücken über den Mund, versuchte vergeblich das Blut abzuwischen, verrieb es jedoch nur. Dann verstärkte er seinen Griff um Wado-Ichi-Monji. Was für ein Kampf! Hinter sich konnte er ein schwerfälliges Grunzen hören. Verdammt, hatte es also immer noch nicht gereicht? Hatte dieser Mistkerl immer noch nicht genug? Das war Zorros bester Angriff gewesen. Mehr Kraft hatte er nicht, seine Hakireserven waren erschöpft, ihm war nur noch ein Schwert geblieben, die anderen lagen irgendwo hinter ihm. Er hatte alles, was noch in ihm gewesen war, in diesen letzten Angriff gesteckt und dennoch war es nicht genug? Immer noch nicht genug? Warum also grinste er so? Warum machte es ihm so Spaß, obwohl dies bedeutete, dass er immer noch nicht soweit war? Dass er trotz allem noch nicht genug war? Dabei war er sich so sicher gewesen, dass er… Schwer atmend spuckte Zorro Blut zu Boden und neigte leicht den Kopf. Einen Angriff würde er noch aushalten können, vielleicht zwei, hoffte er. Es war nun mal ein Glücksspiel und im Vorhinein hatte keiner wissen können, wie es ausgehen würde. Außerdem war der Kampf noch nicht vorbei, noch stand Zorro, noch hatte er eine Waffe und wenn er sich konzentrierte, wenn er klug agierte, wenn er schnell genug war und sein verbleibendes Haki richtig nutzte, dann würde er die kommende Attacke gegen seinen Gegner zurückrichten können. Tja, wenn das Wörtchen Wenn nicht wäre, aber aufhalten würde ihn das nicht. Aufgehalten hatte es ihn noch nie, denn ganz egal, was passieren würde, er konnte nicht aufhören zu grinsen. Es tat weh, den Kopf zu heben, seine Schultern waren verkrampft, aber hielten die richtige Position. Langsam wandte er sich um. Sieben oder acht Schritte entfernt stand Dulacre, die bleiche Haut seines makellosen Rückens blendete Zorro beinahe im grellen Licht der Mittagssonne. Auch zu seinen Füßen war Blut und auch seine Schultern hoben und senkten sich unter Anstrengung. Doch immer noch stand er, immer noch hielt er Yoru. Wenn Zorro könnte, würde er diesen Moment nutzen, aber seine Beine versagten ihm den Dienst, seine Füße kämpften bereits um Balance. Er schloss die Augen für einen Atemzug, beruhigte seinen Herzschlag, schärfte seine Sinne. Er musste gewappnet sein für den nächsten Angriff. Auch sein Gegner war erschöpft, musste nahe an seinen Grenzen sein und daher würde vermutlich seine nächste Attacke… Anmaßend elegant wandte Dulacre sich um, das Kinn etwas erhoben, Schweiß und Blut glitt seine Schläfe hinab und sein scharfer Blick lag auf Zorro. Er atmete schwer und jede Bewegung schien wohlüberlegt, dennoch zeigte er ein dämonisches Grinsen, welches Zorro vor diesem Kampf noch nie gesehen hatte und er wollte es noch so oft wiedersehen. Er wollte noch so oft, dass Dulacre ihn ansah, wie gerade in diesem Moment. Aber mehr noch wollte Zorro ihn endlich besiegen, auch wenn dies wirklich ein Ding der Unmöglichkeit zu sein schien. Verdammter Bastard! Besagter Bastard begutachtete ihn. Genau wie Zorro es bei ihm getan hatte, schien er abzuschätzen, wie viel Zorro noch aushalten konnte, und die Wahrheit war, nicht viel. Aber das musste Zorro seinem Gegner ja nicht zeigen, so wie Dulacre ihm keine Schwäche zeigen wollte, immer noch kaum Schwäche zeigte. Langsam hob er Yoru vor die blutüberströmte Brust und Zorro wappnete sich. Wie konnte dieser Mistkerl nach diesem Angriff überhaupt noch stehen? Zorro spannte seine Muskeln an, ging etwas in die Knie, als Dulacre einen Schritt auf ihn zu machte, und fast schon überrascht hielten sie beide inne. Yoru klapperte zu Boden, war Dulacre einfach aus den Händen geglitten. Noch eine Sekunde sahen sie einander an und dann fiel auch Dulacre, kippte nach hinten um, und selbst das noch mit einer Eleganz, dass Zorro das Kotzen kam. War es eine Finte? Hatte er selbst jetzt noch die Energie, Zorro reinzulegen? Er konnte das Blut in seinen Ohren pulsieren hören, während er unter Aufbietung seiner letzten Kräfte sich ein paar Schritte nach vorne kämpfte. Bei Yoru angekommen, überlegte er, es wegzutreten, aber seine Beine machten ihm ganz schnell klar, dass dies eine schlechte Idee sein würde. Endlich stand er neben dem besten Schwertkämpfer der Welt, der schwer atmend da lag, die vor Anstrengung zu Schlitzen verengten Augen hielten ihm im Visier. Zorro konnte ihm ansehen, wie er versuchte seine Muskeln anzuspannen, um sich wieder aufzurichten, aber er schaffte es nicht, und dann wurde Dulacres Atem ruhiger, ein sanftes Lächeln umspielte seine aufgeplatzten Lippen. Zorro stand über ihm und hob sein Schwert, sein ganzer Körper angespannt, verkrampft, wartete nur darauf, dass der andere ihn angreifen würde. Doch das tat er nicht. Auch nicht, als Zorros Waffe niederging, er bewegte sich kein Stück, zuckte nicht mal zurück, und dann grub Wado-Ichi-Monji sich in die blutige Erde, zur Rechten Dulacres, und eine Sekunde später fielen diese durchdringenden Augen zu. Er wartete, wartete auf den Moment, auf den versteckten Angriff, die geheime Taktik, doch nichts geschah. Dulacre lag dort auf der Erde, die Augen geschlossen, ruhig am Atmen, und bewegte sich nicht, und ganz langsam dämmerte es Zorro. Es war nicht wie damals gewesen, als Dulacre ihm mit einem Streich besiegt hatte, keine großen Worte, keine bedeutenden Gesten, kein beeindruckendes Schauspiel. Es war ein schlichter Kampf gewesen, in seiner ursprünglichsten Form, so simple und selbstverständlich, wie Zorro noch nie in seinem Leben gekämpft hatte. Und nun war dieser Kampf vorbei. Er zitterte. Sein ganzer Körper bebte und seine Knie wollten nachgeben. Tief atmete er ein, sah auf das ruhige Gesicht seines Gegners hinab und dann riss er den Arm in die Höhe. Plötzlich waren da laute Stimmen, Jubel, Gebrüll und es war, als würde er aus der tiefen See emporsteigen. Langsam sah er auf, sah zum Schiff hinüber, wo sie alle waren, und dann sah er ihn, sah sein Grinsen und für einen Moment schien die Welt stehen zu bleiben. Dann gaben seine Beine nach. Sein ganzer Körper zitterte, bebend kniete er neben dem… neben Dulacre. Warum zitterte er so? War es die Erschöpfung? Oder war es…? „Gut gemacht… Lorenor.“ Überrascht sah er zu Dulacre hinab, der ihn aus halb geöffneten Augen ansah, ein sanftes Lächeln auf den Lippen, während Blut in seinen Bart tropfte. „Ich wusste doch…, dass du es wert warst.“ Seine Augen fielen zu, er hatte offensichtlich das Bewusstsein verloren. Zorro wusste nicht, für wie lange er da hockte. Er sollte wohl aufstehen, stolz die Brust strecken, die Arme gen Himmel recken, doch dafür fehlte ihm schlicht die Kraft und die Idee. Plötzlich waren da Hände, er konnte Stimmen hören, viele, doch die Erschöpfung holte ihn ein und er verstand sie nicht. Manche von ihnen waren laut und drängend, doch alles, was er sah, war dieses Grinsen. „Shishihi, lass gut sein, Chopper. Er muss sich nur etwas ausruhen, nicht wahr?“ Sein Körper hörte auf zu zittern, als er gegen die starken Arme sank und seine Augen schloss. "Aye, Käpt’n, lass mich nur etwas schlafen.“ Ihm war warm und die Schmerzen weit fort, als er zu dem beruhigenden, starken Herzschlag an seinem Ohr einschlief.   Als er aufwachte, merkte er die Schmerzen dann doch. In der Dunkelheit lag er da, sah zur Holzdecke hinauf, ohne sie zu sehen. Vor seinem inneren Auge sah er immer wieder Dulacre, wie er auf dem Boden gelegen hatte, dieser Blick, den Zorro zuvor noch nie gesehen hatte und er merkte, wie seine geschundenen Muskeln zu zucken begannen. „Na, aufgewacht?“ Langsam sah er zur Seite. Das Mondlicht durch die Luke brach sich in der Dunkelheit auf altvertrautem Stroh, ließ es beinahe silbern wirken. Die Augen unter der Hutkrempe funkelten und ein breites Grinsen grüßte ihn. „Wie lange habe ich geschlafen?“, murmelte Zorro. „Nicht lange, hast gerade mal das Abendessen verpasst“, erläuterte sein Kapitän hilfsbereit. Schmunzelnd wollte Zorro sich aufsetzen, doch es tat weh. Leise grunzte er auf. Dann spürte er starke Hände und ließ zu, dass Ruffy ihm half, sich gegen das harte Holz in seinem Rücken zu lehnen. Lange sahen sie einander einfach nur an, Ruffy breit am Grinsen, während Zorro nicht mal wusste, was er fühlte. Er war dankbar, dass er in Lysops Werkstatt war, denn das bedeutete, dass Dulacre im Krankenzimmer lag. Chopper hatte natürlich auch Lysops Werkstatt so weit hergerichtet, dass es seinen professionellen Ansprüchen genügen würde, aber wenn Zorro hier untergebracht war, dann bedeutete dies, dass sein ehemaliger… „Danke, Ruffy“, flüsterte er, wusste, dass der Kapitän diese Entscheidung getroffen hatte, vermutlich sogar zum Unmut mancher Crewmitglieder. „Shishishi, kein Problem“, lachte er leise. „Wo sind meine Schwerter?“, fragte er dann, als er merkte, dass sie nicht bei ihm waren. „Kajüte“, antwortete Ruffy und begegnete seinem Blick mit einem Schulterzucken. „Brook meinte, es wäre wichtig, sich gut um sie zu kümmern, und da ihr zwei ohnmächtig wart…“ „Wer hat sie gereinigt?“ Zorro war etwas überrascht, mehr noch besorgt. Nicht jedes seiner Schwerter durfte in die Hände von Anfängern gelangen und Yoru war nochmal ein ganz anderes Kaliber. Er wusste, dass Lysop damals seine Schwerter gereinigt hatte, nachdem Zorro sie nach der G6 zurückgelassen hatte, und natürlich hatte Brook auch Recht, aber dennoch behagte es Zorro nicht wirklich. „Lysop. Er meinte, er wüsste genau, wie du immer deine Schwerter pflegst und sie würden ihm schon nichts tun“, meinte Ruffy nur leichtfertig und selbst Zorro wusste nicht, wie ernst er diese Worte meinte, aber das war auch nicht wichtig. „Dulacre wird darüber nicht glücklich sein“, murrte Zorro leise, doch das war nicht wirklich, was er sagen wollte, und sein Unbehagen hatte nicht wirklich damit etwas zu tun, dass Lysop sich um seine Schwerter gekümmert hatte; er vertraute Lysop und wusste, dass dieser es gut gemacht haben würde. „Zorro?“ Er sah auf und begegnete Ruffys Blick. „Bist du bereit für eine Feier?“ Warum fragte Ruffy ihn das? Doch im nächsten Moment, wusste er warum. „Nein, noch nicht“, antwortete er leise. „Vorher muss ich noch was überprüfen.“ Noch immer grinste Ruffy ihn an, dann nickte er und stand auf. „Okay, in Ordnung. Ich geh jetzt mal hoch, der Tag war lang. Gute Nacht, Zorro.“ „Nacht, Ruffy.“ Ohne sich umzudrehen, ging er, ließ Zorro in der Dunkelheit zurück. Für einige Minuten sah er auf seine bandagierten Finger hinab, dann hatte er genug Kraft gesammelt und schließlich warf er die Bettdecke weg und stellte sich auf seine wackeligen Beine. Noch war nicht alles in Ordnung, noch war seine Brust viel zu eng und um das zu ändern, musste er vorher etwas wissen. Also erklomm er die Leiter und schritt über das klamme Gras Richtung Krankenzimmer. Kapitel 15: Extrakapitel 12 - Der Anfang einer Ära -------------------------------------------------- Nach dem ersten Kampf   -Mihawk- „Zorro, was tust du hier? Du bist schwer verletzt und solltest dich…“ „Wie geht es ihm, Chopper?“ „… Den Umständen entsprechend. Er schläft momentan. Nein, du darfst da jetzt nicht… sei wenigstens leise, okay?“ Beinahe lautlos ging die Türe zum Krankenzimmer auf und im Dunkeln des Zimmers trat der andere herein, schloss die Türe bedächtig hinter sich. „Welch eine Ehre“, flüsterte Dulacre müde, „der beste Schwertkämpfer der Welt.“ Die Gestalt in den Schatten erstarrte einen Moment. „Du bist wach“, murmelte Lorenor dann nur, ehe er zum Schreibtisch hinüberging und die kleine Tischlampe anschaltete anstelle des grellen Deckenlichts. Nun konnte Dulacre die sanfte Röte auf den ansonsten bleichen Wangen des Jüngeren sehen. „Wie geht es dir?“ „Gespalten“, entgegnete er mit einem leisen Schmunzeln. „Soll das etwa ein Wortwitz sein?“, murrte Lorenor und ließ sich mit einem schwerfälligen Grunzen auf den Bürostuhl fallen. „Mann, ich werde mich wohl nie daran gewöhnen, dich hier liegen zu sehen.“ „Sagte er, nachdem er mich eigenhändig beinahe zweigeteilt hat.“ „Hör auf damit.“ Der andere trat leicht gegen den Bettkasten, doch obwohl er die Arme verschränkte, konnte er das Zucken der Mundwinkel nicht verstecken. „Ist ja nicht so, als ob du nicht auch ordentlich ausgeteilt hättest. Als du mir beide Schwerter aus den Händen gerissen hast, war ich schon bereit, abzudanken.“ „Ja, da warst du unaufmerksam. So etwas sollte dir nicht nochmal passieren. Das nächste Mal könnte dich ein solcher Fehler den Sieg kosten, zumindest, wenn du gegen mich kämpfst.“ Er zögerte kurz. „Jedenfalls hoffe ich, dass du noch einmal gegen mich kämpfen wirst?“ „Noch einmal?“, wiederholte Lorenor schroff. „Willst du mich verarschen? Das war gerade mal unser erster richtiger Kampf und ich beabsichtige, dich noch 999 weitere Male zu…“ Er erstarrte und senkte den Blick, versteckte unbewusst sein Gesicht in den Schatten, nicht dass es Dulacre störte; er konnte seine Mimik auch so gut genug erkennen. Er konnte sehen, wie es in Lorenor arbeitete, als er wohl verstand, was geschehen war. Doch nach Sekunden schwieg er immer noch und Dulacre entschied, dass er das Grübeln des anderen unterbrechen musste. „Nun Lorenor, warum bist du hergekommen? Doktor Chopper hat Recht, wir beide brauchen Ruhe, es war ein harter Kampf, und normalerweise würdest du mit solchen Verletzungen tagelang durchschlafen. Es scheint also sehr wichtig zu sein, oder?“ Lorenor nickte, betrachtete immer noch seine bandagierten Hände, überhaupt nicht in der Stimmung, die Dulacre erwartet hatte. Er hatte einen überglücklichen, vielleicht sogar einen übermütigen Lorenor erwartet, geprägt von Stolz und vielleicht sogar etwas hart erarbeiteter Überheblichkeit, aber was ihm begegnete, waren Demut und Zurückhaltung. Es war doch immer wieder besonders, wie dieser junge Mann seine Erwartungen Lügen strafen konnte. „Bist du glücklich?“ Überrascht sah er den anderen an. Was für eine naive, ja fast schon törichte Frage. Er wollte auflachen, besah sich jedoch eines Besseren, wusste, dass Lorenor dies falsch verstehen würde, als ein Auslachen verstehen würde, und gerade schien er viel zu ernst für jegliche Neckerei. „Lorenor, diese Frage sollte wohl eher ich dir stellen, schließlich hast du…“ „Ja, ich habe dich besiegt“, sprach er, nicht mit Stolz in der Stimme, sondern mit einer Anspannung, als ob der wahre Kampf noch bevorstehen würde, „und es ist alles, was ich… Aber ich kann nicht - noch nicht - vorher… Was ist denn jetzt mit dir? Dir sind Titel doch so viel wichtiger als mir und du…“ „Lorenor“, unterbrach er den anderen und versuchte sich aufzurichten, aber sein Körper wollte ihm nicht gehorchen und er grunzte schmerzerfüllt auf. „Hey, hey, beweg dich nicht“, kam es von Lorenor selten alarmiert, lehnte sich nach vorne, nah genug, dass Dulacre seinen Unterarm greifen konnte, während Lorenor ihn an der Schulter sanft ins Bett drückte. „Hör mir zu“, sagte er, merkte die unangenehmen Schmerzen in seinem ganzen Oberkörper, und zog den anderen mehr zu sich, da er wirklich nicht in der Lage war, sich aufzurichten, „hör mir zu, Lorenor, bitte.“ Der Jüngere nickte und umschloss nun ebenfalls Dulacres Unterarm. „Lass es mich dir ganz deutlich sagen, damit du mich auf keinen Fall missverstehst: Deine Frage ist blanker Unsinn, denn wie könnte ich gerade nicht glücklich sein?“ Die misstrauischen Furchen auf Lorenors Stirn vertieften sich, aber ansonsten blickte er stoisch drein, wie so oft, wenn er seine Emotionen unter Kontrolle hielt. Dulacre wunderte sich, was wohl in diesem Kopf vorging. „Ja, ich habe verloren“, sprach er weiter, „diesen Kampf und meinen Titel, aber glaube mir, dass es das wert gewesen ist. Zu sehen, was für ein Schwertmeister du geworden bist. Übertroffen von meinem Schüler, besiegt von meinem Sozius, ich bin unglaublich glücklich, Lorenor. Und zwar nicht nur, weil ich dabei war, wie du deinen Traum verwirklichen konntest, sondern auch, weil der meine Wirklichkeit geworden ist.“ „Zu verlieren?“, fragte Lorenor mit ungläubiger Heiserkeit. „Ach, komm schon, das soll ich dir abkaufen?“ „Mach dich nicht lächerlich, verlieren wollte ich natürlich nicht, aber dieser Kampf…, er war mir das Risiko wert, zu verlieren.“ Er konnte nicht verhindern zu lächeln, obwohl Lorenor ihn zweifelnd ansah und dabei den Kopf schüttelte. Wie sollte er auch wissen, was Dulacre gerade fühlte, schließlich hatte er es nie erleben müssen. Vermutlich glaubte er, dass Dulacre sich seinetwegen zurücknahm. Was für ein kindlicher, naiver Gedanke, und oh, so falsch. „Mein kleiner, naiver Wildfang, du musst verstehen, wie lange ich auf diesen Tag hier gewartet habe, auf den Tag, an dem ich endlich einem Schwertkämpfer gegenüberstehe, der es mir erlaubt, so zu kämpfen, wie ich es mir immer erträumt habe. Bis heute war diese Art des Kampfes nicht mehr als ein Wunsch, den jeder andere als realitätsfern und absurd abgetan hat, den selbst meine Schwester nie mehr als erahnen aber nie erleben konnte.“ Er griff den anderen fester, um ihm die Bedeutung so klar wie möglich zu machen, die Dringlichkeit so deutlich wie möglich zu zeigen. „Lorenor, ich wurde nur aus einem einzigen Grund Schwertkämpfer. Nicht wegen meiner Familie, nicht mal wegen meiner Schwester, sondern nur wegen dieser Vorstellung eines Kampfes, die nicht mehr war als reine Fantasie. Ich wurde nur Schwertkämpfer, weil ich diese Art des Kampfes – und zwar nur diese Art des Kampfes! - die bis heute nicht mal existiert hat, immer schon geliebt habe. Endlich konnte ich das tun, was ich liebe, so kämpfen, wie ich es liebe. Du bist der Beweis und der Grund dafür, dass der Weg meines Lebens, den ich eingeschlagen habe, meine Entscheidung ein Schwertkämpfer zu werden, keine Zeitverschwendung war. Ja, ich habe verloren, und ich hasse es zu verlieren, aber für diesen Kampf heute… ich habe die letzten dreißig Jahre nur überlebt, um heute gegen dich kämpfen zu können.“ Lorenor schüttelte den Kopf, senkte den Blick, verbarg sein Gesicht in den Schatten, dennoch konnte Dulacre problemlos sehen, wie er um seinen stoischen Ausdruck kämpfte. Doch diesen Kampf würde er früher oder später wohl verlieren. „Okay, heute bist du also glücklich, weil du kämpfen konntest wie noch nie zuvor“, entgegnete er, fast schon kühl, fast schon ablehnend, als ob Dulacres Worte eher bedrohlich als besänftigend wirkten. „Aber was ist mit morgen? Ich kenne dich doch, heute mag es dir den Preis wert gewesen sein, aber was ist, sobald die Euphorie nachlässt, das Adrenalin? Wirst du morgen noch glücklich darüber sein, verloren zu haben, deinen Titel verloren zu haben? Du hasst es zu verlieren, du liebst deine Titel und ich… Jemand, der es so sehr hasst zu verlieren wie du… wirst du es mir nicht ewig übelnehmen?“ Für einen Moment wusste er nicht, was er sagen sollte, und er verfluchte seinen Körper, dass er ihm nicht gehorchen wollte. Es war beinahe lächerlich, dass Lorenor ihn trotz all seiner deutlichen Worte immer noch nicht verstand. Oh nein, es war nicht, dass er nicht verstand, er glaubte Dulacre schlicht nicht, zweifelte seine Worte an, begegnete ihm mit Misstrauen. Und dennoch hatten Lorenors Worte auch etwas Rührendes, der sich in genau diesem Moment, wo er doch einfach nur Glück und Freude empfinden sollte, solche Gedanken machte, wieder einmal hatte Dulacre ihn unterschätzt. „Lorenor“, sprach er sanft aus und rieb mit seinem Daumen über den Unterarm des anderen in Ermangelung anderer Gesten der Zuneigung, die sein Körper ihm derzeit versagte, „sag, liebst du mich noch?“ „Ja“, antwortete der andere, ohne jedwedes Zögern, ohne jedwede Zweifel, aber mit einer Absolution, die Dulacre fast schon verunsicherte. „Dann brauchst du dir keine Gedanken zu machen, weder vor morgen noch vor jeden darauffolgenden Tag. Es stimmt, vielleicht werde ich mich darüber ärgern, nicht mehr den Respekt, den ich zweifelsohne verdiene, als bester Schwertkämpfer der Welt zu erhalten. Vielleicht werde ich ein schlechter Verlierer sein, wenn deine Crew oder Rothaar dumme Scherze machen, das möchte ich alles nicht abstreiten. Mit Sicherheit wird meine Eitelkeit es meinem Kampfeswillen an manchen Tagen übelnehmen, dass ich mir meinen eigenen Untergang kultiviert habe.“ „Musst du es so dramatisch ausdrücken?“, entgegnete der andere schroff. „Aber trotz allem möchte ich, dass du dir einer Sache ganz gewiss sein kannst.“ Vorsichtig tastete er den bandagierten Arm des anderen hinauf und hielt Lorenors Schulter, ein simpler Akt, aber zu mehr war er bei seinen derzeitigen Kräften nicht im Stande. „Ganz gleich, was die Zukunft bringt, sei dir gewiss, dass solange du mich liebst, solange ist mir egal, was ich verliere, was ich hergeben muss, meine Titel, meinen Namen, mein Vermögen, es ist mir einerlei. Solange du mich liebst, könnte ich durch die Hölle gehen und mich immer noch glücklich schätzen. Ich bin lieber ein Niemand an deiner Seite, als der Mann, der ich war, bevor ich dich kennengelernt habe.“ Er konnte sehen, dass Lorenor nicht wusste, wie er mit diesen Worten umzugehen hatte, doch noch seltsamer war, dass er es nicht schaffte, Dulacres Blick standzuhalten, sondern den Kopf senkte. Ob er Dulacres Worten wirklich keinen Glauben schenken konnte? Verwunderlich wäre es wohl nicht, schließlich hatte Dulacre ihn ja schon so oft manipuliert, aber vielleicht irrte er auch. Wie so oft, viel es ihm schwer, Lorenor zu lesen. Dulacre wusste schlicht nicht, was der andere dachte, aber mittlerweile wusste er, dass er selbst in diesen Momenten klare Worte finden musste. „Ich hasse es zu verlieren, aber was sagt das über meine Gefühle für denjenigen aus, gegen den ich verloren habe, fragst du? Ich liebe ihn, vielleicht noch mehr als zuvor, und wäre mein Körper dazu in der Lage, würde ich mich nun vor ihm verneigen und ihm den Respekt zollen, den er verdient. Ich mag die Niederlage hassen, aber oh, wie sehr liebe ich den Gewinner. Ich könnte dir nie übelnehmen, dass du das wurdest, was ich schon immer in dir gesehen habe. Und solange du mich liebst, werde ich jede Niederlage, die noch kommen mag, überwinden.“ Lorenor sah auf, sah ihn viel zu ernsthaft an, für die Sanftheit in Dulacres Worten, dann griff er Dulacres Hand auf seiner Schulter, beugte sich weiter vor, hielt sich mit einer Hand seine zweifellos schmerzende Seite, und sah ihn einfach nur an. „Ich hab’s dir doch gesagt, ich liebe dich“, flüsterte er beinahe schon drohend, „also wehe, du vergisst das.“ Dulacre betrachtete sein Handgelenk, das der andere im Rhythmus zu seinen Worten feste drückte. Mit einem Mal fiel es ihm überraschend schwer, die Contenance zu wahren. Einst hatte er sich diese Worte ersehnt, hatte aber nie geglaubt, sie je zu hören. Einst war es ein hoffnungsloser Wunsch gewesen, doch selbst danach hatte er darin nicht mehr als einen kindischen Tagtraum gesehen. War zufrieden gewesen mit dem, was er gehabt hatte, war es doch so viel mehr gewesen, als er sich je hatte erhoffen können. Doch nun sagte Lorenor diese Worte, nun erfüllte Lorenor ihm diese zwei nie erhofften Sehnsüchte an nur einem Tag. Es war fast zu schön, um wahr zu sein und genau dies ließ Dualcre zweifeln. Wenn er ehrlich war, waren die vergangenen Stunden nicht nur für ihn emotional gewesen, schließlich hatte Lorenor sein ganzes Leben auf jenen Tag hingearbietet und die Euphorie der vergangenen Stunden trübte möglicherweise seine Wahrnehmung. „Nun ja, das musstest du ja jetzt auch sagen“, entgegnete Dulacre also zurückhaltend, „nachdem ich dich so in die Pflicht ge…“ „Halt die Klappe!“ Wütend starrte Lorenor ihn an, die Unsicherheit von vorher in Luft aufgelöst. „Dreh mir meine Worte nicht im Mund herum, nur weil du nicht mit ihnen umgehen kannst, verstanden?“ „Vergib mir“, gab er nach, entschied, nicht die Diskussion zu suchen, dass Lorenor zuvor genau dasselbe getan hatte. „Aber jetzt, da wir meine Gefühle zu genüge erörtert und unnötige Zweifel zerstreut haben, lass uns über dich reden. Lorenor, sag mir, was fühlst du?“ Die Augen des anderen wurden groß, als ob ihm erst jetzt wieder bewusstwurde, warum sie dieses Gespräch führten. Vermutlich war es genau das und dieser Blick der Überraschung brachte Dulacre zum Schmunzeln. „Sag mir, bist du glücklich, oh bester Schwertkämpfer der Welt?“ Ein Beben schien durch Lorenors Körper zu gehen und einen Moment glitt sein Blick hinab auf Dulacres zerschundene Brust und dann auf seine eigene freie Hand, während er mit der anderen Dulacres immer noch festdrückte, vielleicht sogar noch fester als zuvor. Es schien, als würde er doch jetzt erst begreifen, was geschehen war. Dulacre konnte ihm regelrecht ansehen, wie der Kampf, der erst vor wenigen Stunden geendet hatte, vor seinem inneren Augen Revue passierte. „Ja“, flüsterte er, aber seine Stimme war kraftvoll und selbstsicher, so wie Dulacre es erwartet hatte, „ja, ich denke… ich denke, ich bin glücklich, wirklich glücklich.“ Und dann brachen die Dämme, die er bisher noch so stoisch gehalten hatte, als er Dulacre dieses seltene breite Lächeln schenkte und Tränen seine Wangen hinunterliefen. „Ich… ich habe es geschafft!“, lachte er so verwundert auf, als ob er selbst es gerade erst erfahren hätte, als ob Dulacre es nicht längst wüsste, als ob nicht jeder an Bord dieses kleinen Schiffes es wüsste. „Ich habe dich endlich besiegt! Ich bin… ich bin…“ Er fuhr sich durchs Haar und presste dann seine freie Hand auf den Mund, als ihm die Stimme versagte und die Tränen weiter ungehindert liefen. „Sprich es ruhig aus.“ Für einen Moment sah Lorenor ihn einfach nur an, dann straffe er seine Schulter und rieb die Tränen aus seinem Gesicht. „Ich bin Lorenor Zorro“, sprach er so klar, dass sich Dulacres Nackenhaare aufstellten, „bester Schwertkämpfer… der Welt.“ Eine einzelne Träne stahl sich aus Dulacres Auge, als er die Wärme in seiner Brust nicht mehr einsperren konnte. Immer noch hielt Lorenor Dulacres Hand an Ort und Stelle, und so konnte er diesen beständigen, starken Puls spüren, den seine noch stumpfen Sinne sonst überhört hätten. Sie sahen einander einfach nur an, Worte unnötig, während Lorenor seine Hand hielt und er nicht mal mehr versuchte, seine Mimik zu kontrollieren, Augen und Wangen gerötet und Dulacre wusste, dass er selbst kaum besser aussehen konnte, blass und geschwächt von ihrem Kampf. In Stille waren sie da, wer weiß für wie lange, und erlaubten einander Einlass, erlaubten einander wahrzunehmen, in Stille wahrzunehmen. „Du solltest dich etwas ausruhen“, murmelte Dulacre nach einer Weile, als er bemerkte, wie Lorenor sich leicht verkrampfte, „geh schlafen. Wir können morgen über heute reden, aber wir sind beide verletzt und auch, wenn du nun der Stärkere bist, so solltest du es nicht übertreiben, in Ordnung?“ Der andere lachte leise auf. „Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wie ich es eben überhaupt bis nach hier geschafft habe“, gestand er mit einem schiefen Grinsen ein. „Ich bin so kaputt, ich kann mich kaum auf diesem Stuhl hier halten. Keine Ahnung, wie ich es in meine Koje oder zurück in Lysops Werkstatt schaffen soll.“ „So töricht“, seufzte Dulacre und rollte mit den Augen. „Ich würde dir ja anbieten, mein Bett mit dir zu teilen, aber selbst für mich alleine ist es kaum ausreichend und ich kann mich nicht wirklich rühren. Ich glaube nicht, dass ich es schaffe, mich groß zu bewegen.“ Er beobachtete, wie Lorenor ihn musterte. „Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, dich so zu sehen“, wiederholte dieser seine Worte vom Beginn ihres Gespräches. „Solltest du aber, mein lieber Lorenor, schließlich bin auch ich nur ein Mensch, und sollten wir noch öfters die Klingen kreuzen, werde ich auch noch öfters in diesem bedauernswerten Zustand sein, so sehr es uns beiden missfallen mag.“ Er zögerte für einen Moment, ehe er entschied, eine weitere Unsicherheit zu äußern. „Außerdem bin ich deutlich älter als du und sollte ich nicht im Kampf fallen, so wird irgendwann der Tag kommen, dass du mich öfters so – und vielleicht sogar in noch viel erbärmlicheren Situationen – erleben wirst. Außer natürlich, wenn du…“ „Dann werde ich mich dran gewöhnen“, unterbrach Lorenor ihn und er packte Dulacres Hand noch fester, zog sie scheinbar unbewusst auf seine Brust. „Denn ich will noch ganz oft gegen dich kämpfen, aber ob Kampf oder kein Kampf, so schnell wirst du mich nicht mehr los, ganz gleich wie erbärmlich dein Zustand.“ Lorenor schloss seine Augen und senkte seinen Kopf, streifte dabei Dulacres Finger. Ob ihm bewusst war, wie innig diese Geste war? Vermutlich nicht. So wie er vermutlich nicht mal ahnte, wie sprachlos diese Worte Dulacre machten, wie fassungslos, wie wehrlos. „Du sagtest mir einst, dass du dir manchmal wünschen würdest, dass ich egoistischer wäre, weil es deine Gefühle für mich erträglicher machen würde“, sprach Lorenor dann weiter, aber nun nicht mehr so hart und unumstößlich, sondern eher nachdenklich und ruhig. „Aber, Lorenor, was ich damals meinte, war…“ „Darf ich dich um eine sehr egoistische Sache bitten?“ Lorenors Augen funkelten im Licht der Tischlampe, als er Dulacres Hand leicht sinken ließ. „Kannst du für mich den Weg eines ehrenwerten Schwertkämpfers verlassen?“ Ernst sahen sie einander an. „Kannst du für mich, wenn der Tag gekommen ist, dem Kampf auf Leben und Tod abdanken und zurücktreten? Ich weiß, ich verlange viel, wenn ich dir das würdevolle Ende eines Schwertkämpfers verwehre, aber ich…“ „Ja“, antwortete er, als dem anderen die Worte begannen schwerzufallen, „ich kann.“ Ungläubig starrte Lorenor ihn an, da dieser Weg für ihn selbst unvorstellbar war, so wie diese Vorstellung vor zwanzig Jahren für Dulacre noch unvorstellbar gewesen wäre. „Aber…“ „Lorenor.“ Er drückte die Hand, die seine so fest hielt, „ich werde nichts tun, was mir Zeit mit dir nehmen könnte, und wenn du es ertragen kannst, dass ich irgendwann alt und schwach werde, wenn du mich selbst dann noch lieben kannst, wenn ich kein Schwert mehr halten können sollte, dann…“ „Werde ich“, flüsterte Lorenor mit einer Kraft, die Dulacre nicht begreifen konnte. Schmunzelnd zuckte er mit den Schultern. „Dann brauche ich keine Ehre, Lorenor, dann brauche ich keine Würde, dann werde ich wohl irgendwann zufrieden und an Altersschwäche sterben. Ist das in Ordnung für dich?“ Lorenor nickte, obwohl es doch eigentlich eine rhetorische Frage gewesen war. „Gut, dennoch solltest du jetzt wirklich etwas schlafen, du siehst…“ Er unterbrach sich, als es an der Türe zum Deck hin klopfte. Obwohl es schon späte Nacht war, steckte plötzlich der Kapitän der Strohhüte den Kopf hinein, ein selten moderates Lächeln auf den Lippen. „Ruffy, was machst du noch hier?“, flüsterte Lorenor ganz überrascht. „Du wolltest doch schlafen gehen.“ Nun grinste der Strohhut breit. „Nah, schon gut, ich hatte Nachtwache.“ „Du hattest…? Du hast nie Nachtwache“, entgegnete Lorenor misstrauisch. Der Strohhut zuckte daraufhin nur mit den Schultern. „Sanji ist gerade aufgestanden und wenn Chopper erfährt, dass ihr die ganze Nacht durch geredet habt…“ Er grinste nun noch breiter. „Daher hab ich mir gedacht, ich hol dich ab, Zorro.“ Einen Moment musterte Dulacre den Strohhut, der dann seinem Blick begegnete, ohne dass sich an seiner Mimik irgendetwas veränderte. „Du solltest tun, was dein Kapitän sagt, Lorenor“, entschied er, ehe Lorenor reagieren konnte. „Wir können später reden.“ Für einen Moment sah Lorenor zwischen ihm und seinem Kapitän hin und her, dann schien er sich geschlagen zu geben, denn er nickte mit einem leisen Seufzen. „Meinetwegen“, murmelte er, ehe er Dulacres Hand noch einmal drückte und sie dann vorsichtig zurück aufs Bett legte. „Dann reden wir später weiter.“ „Mhm, und Lorenor, wie wäre es mit einem Kuss für den Verlierer?“ Er zwinkerte dem Jüngeren zu, der überrascht den Mund öffnete. „Du bist so komisch“, murrte er dann, erhob sich schwerfällig unter einem Grunzen, ehe er sich auf den Bettkasten abstützte und zu Dulacre hinabbeugte. Für einen feinen Moment verweilten diese rauen Lippen auf den seinen und er genoss die Wärme des anderen, genoss die Nähe des anderen. Als er die Augen öffnete, konnte er sehen, wie Lorenor ihn beobachtete, noch einen Moment, ehe er den Kontakt unterbrach. „Versprich mir, dass mein Sieg nichts ändern wird.“ „Natürlich wird er einiges verändern, Lorenor“, entgegnete er schmunzelnd und hob erschöpft beide Hände an, um das Gesicht des anderen einzurahmen, was Lorenor geschehen ließ, „und das ist gut so. Du bist jetzt der beste Schwertkämpfer der Welt, es wäre traurig, wenn sich nichts dadurch ändern würde.“ Lorenor wandte den Blick ab. „Aber diese Veränderung solltest du nicht fürchten, schließlich hast du so hart auf diesen Traum hingearbeitet. Dieser Sieg wird dich nichts kosten, weder deinen Kapitän noch deine Crew und auch nicht mich. Die Dinge mögen sich jetzt etwas verändern, aber vertrau mir, darauf solltest du dich freuen.“ Vorsichtig zog er Lorenor zu sich hinab und gab ihn einen Kuss auf die Stirn. „Und jetzt geh schlafen, mein kleiner Wildfang, ehe Doktor Chopper noch einen Herzinfarkt erleidet.“ Der andere gehorchte, doch als er sich erhob, gaben seine Beine unter ihm nach. Im nächsten Moment stand der Strohhut neben ihm, einen Arm über seine Schulter gezogen, und hielt Lorenor fest im Griff, sein breites Grinsen auf den Lippen. „Nacht Falki“, lachte er leise. „Gute Nacht, Strohhut.“ Einen Moment noch begegnete er dem Blick seines Sozius, dann knipste der Strohhut die Nachttischlampe aus und nahm Lorenor mit sich. Als sie durch die Tür gingen, konnte Dulacre noch deutlich die Worte des Strohhutes hören. „Und?“ „Ja“, kam es von Lorenor ruhig. „Jetzt bin ich bereit.“ „Shishishi, sehr schön“, lachte der Strohhut beim Türe zuziehen. „Dann feiern wir heute Abend. Wir müssen doch anstoßen! Nicht wahr, bester Schwertkämpfer der Welt?“ „Aye, zukünftiger König der Piraten.“   Kapitel 16: Extrakapitel 13 - Ein Wein für alle Fälle ----------------------------------------------------- Ein Wein für alle Fälle   -Mihawk- „Auf Zorro!“, wiederholten sie alle, laut jubelnd, rissen ihre Gläser und Krüge in die Höhe, während Bier zu Boden spritzte, und er zwischen ihnen, Doktor Chopper auf seiner Schulter, der Arm des Kapitäns um die andere, Cutty Fram wuschelte ihm durchs Haar, ohne, dass er sich wehrte, ehe er seinen Krug gegen den des Kanoniers stieß, ein breites Lächeln auf den Lippen, lachte, übertönt nur vom Strohhut. Gerade in diesem Moment wirkte er unglaublich jung, unglaublich glücklich und am absolut richtigen Platz in der Welt. Die Navigatorin boxte ihm spielerisch gegen den Oberarm, während er ihren Blick mit einem schelmischen Schmunzeln begegnete. Im nächsten Moment klopfte Jinbei ihm so kräftig auf den Rücken, dass Doktor Chopper zu Boden fiel. Dann verneigte der Musikant sich kurz vor ihm, doch er schlang nur einen Arm um diese knochigen Schultern und zwang ihn, dessen Bier in einem Zug zu leeren, einen derben Spruch auf den Lippen, die Haare noch wild in alle Seiten abstehen, angefeuert von den Crewmitgliedern. Er schien wirklich unbeschwert, wie er Nico Robins klugen Kommentar mit einem Augenzwinkern begegnete und nach einem neuen Bier rief, welches der Smutje ihm mit einer scherzhaften Beleidigung reichte. Wieder lachte er, nicht dieses böse Lachen, wenn er sich einen gemeinen Scherz erlaubte, nicht dieses überraschte Lachen, wenn er eigentlich nicht lachen wollte, nicht dieses ruhige Lachen, wie er es in den letzten Jahren so oft gezeigt hatte. Er lachte, als wäre er der glücklichste Mensch der Welt, hier unter diesen Leuten, in diesem Moment. Er lachte, als hätte er in seinem Leben noch nie etwas Schlechtes erlebt, befreit von aller Last, die er je getragen hatte. Es war ein ganz wunderbarer Klang. Und dann sah er ihn an, nur für einen Moment, ehe er vom Kanonier abgelenkt wurde, aber dieser eine Moment, für den Bruchteil einer Sekunde, hatte dieses Lächeln ihm gegolten, nur ihm. „Was sitzt du hier denn so abseits, Falkenauge? Die Party ist da vorne.“ Der Smutje hatte sich zu ihm gesellt, lehnte sich gegen die Reling und zog eine Zigarette heraus. „Oder schmollst du etwa? Wäre ziemlich egoistisch, wenn du dich hier nur in deinem Selbstmitleid suhlst und dich nicht mal für ihn freuen kannst, weißt du das?“ „Dir sollte bewusst sein, dass ich ziemlich egoistisch bin“, entgegnete er ruhig, während der andere sich dessen Zigarette anzündete. „Also schmollst du wirklich oder warum verkriechst du dich hier hinten, während alle anderen da vorne feiern?“ „Und warum bist du dann hier? Gönnst du es ihm etwa nicht?“ Er konnte den Blick des Smutjes auf sich fühlen, aber er selbst hielt Lorenor im Blick. Dann schnaubte der andere. „Ich will nicht, dass du ihm die Stimmung versaust, wenn du hier alleine vor dich hinleidest, während er sich so freut. Deswegen stelle ich mich hierhin und tue so, als würde ich mich gesittet mit dir unterhalten.“ „Gewagt von dir zu glauben, dass es ihn in irgendeiner Form entspannen würde. Das letzte Mal, als wir so miteinander sprachen, war ich versucht, dir den Kopf abzuschlagen.“ Leise stöhnte der andere auf. „Ja, mag sein, aber damals waren wir einander eher feindlich gesinnt, diese Zeiten sind mittlerweile ja vorbei.“ „Sprich nur für dich.“ „Arschloch.“ In Stille waren sie da, der Smutje gegen die Reling gelehnt, seine Zigarette am Rauchen, Dulacre auf seinem Stuhl, die Arme vor der bandagierten Brust verschränkt, und beide beobachteten sie die Crew und ihn in ihrer Mitte, mit diesem Lächeln, das für ihn so unüblich war. „Fast schon wie ein anderer Mensch, oder? Erkenne ihn kaum wieder“, kam es nach einigen Sekunden vom Smutje. „Lysop hat mal erzählt, dass er früher viel gelacht hat, seine Witze sollen zwar echt fies gewesen sein, aber… ich hab ihn eigentlich nie lachen gesehen, so richtig meine ich. Lysop meinte, es hätte aufgehört nachdem…“ „Ich ihn besiegt hatte.“ Der Smutje nickte. „In Jiroushins Anwesenheit hat er manchmal gelacht, selten, nie so wie jetzt. Einer der Gründe, warum ich diese Crew so wenig leiden kann, denn ich kann diese Seite an ihm nicht hervorbringen.“ Er konnte den Blick des anderen auf sich fühlen. War es so ungewöhnlich für ihn, seine Schwäche mit unliebsamen Fremden zu teilen? Nun ja, zumindest heute sollte ihm doch etwas Melancholie erlaubt sein. „Was redest du da?“, murrte der andere. „Bist du echt so blind?“ „Meine Augen sind von exzellenter Qualität“, bemerkte er mit hochgezogener Augenbraue. „Dann bist du wohl doch ziemlich dumm. Dir ist schon bewusst, dass du der Grund dafür bist?“, meinte der Smutje und nickte zum Pulk der Feiernden. „Aber naja, du siehst das wohl anders. Ist vielleicht auch verständlich, mit Sicherheit kein schöner Tag für dich.“ Er entgegnete nichts und dieses Mal hielt der Smutje wirklich den Mund. Aber leider Gottes blieb er. Also beobachteten sie die anderen, und er in ihrer Mitte, dieses ehrliche Lächeln auf den Lippen, dieses fröhliche Lachen in der Luft und manchmal, immer wieder kurz zwischendurch, fiel sein Blick auf Dulacre. „Komm schon? Ist es wirklich so schlimm für dich, dass du ihm nicht mal ein Lächeln schenken kannst? Sei kein Arsch.“ Dulacre seufzte. „Das einzige Schlimme an diesem Abend ist deine Anwesenheit, Smutje. Auch, wenn du es dir nicht vorstellen kannst, so schmolle ich doch keineswegs.“ „Ach nein? Und warum sitzt du dann hier?“ „Weil ich keine Feiern mag. Laute Musik, schlechter Alkohol und anstrengende Menschen. Daran ist nichts erbaulich. Ich bin nur hier, weil ich ihm damals versprach, bei dieser Feier anwesend zu sein.“ Der Smutje schwieg für einen Moment. „Also, hört sich alles irgendwie für mich wie eine Ausrede an.“ Erneut seufzte Dulacre, welch nervige Gesellschaft er doch hatte. „Sag mir, Smutje, du würdest dich doch als einen recht passablen Koch bezeichnen.“ „Brich dir ja keinen Zacken aus der Krone“, lachte der andere leise auf. „Ich bin ein verdammt guter Koch, ja, da hast du Recht.“ „Mhm, und du hast mit Sicherheit auch hohe Ansprüche an dich und die von dir zubereiteten Speisen.“ „Natürlich. Jeder Koch sollte das.“ Erneut nickte er. „Gewiss, und nun stelle dir vor, dass niemand auf der Welt so gute Speisen kreieren kann wie du. Sie alle versuchen es, aber im Vergleich zu deinen Speisen ist es alles… uninspiriert, langweilig, gewöhnlich.“ Er konnte den Blick des anderen auf sich spüren, während er die Piratencrew weiterhin im Auge hielt. „Ich kann mir nichts Traurigeres für einen Koch vorstellen.“ Endlich schwieg der Smutje, und als er seine Zigarette zu Ende geraucht hatte, ging er, ließ Dulacre seine Ruhe, so viel Ruhe, wie man in Anwesenheit dieser Crew haben konnte. Aber zu Dulacres Unglück kam der Blondschopf zügig wieder zurück. „Ich wollte dich eigentlich ein bisschen foppen, damit du nicht mehr so schlecht gelaunt bist“, erklärte er, als wären sie irgendetwas, was einer freundlichen Gesinnung gleichkäme. „Aber anscheinend brauchst du gar keine Aufmunterung. Im Gegenteil, wir sollten wohl eher feiern.“ „Was glaubst du, was deine Crew gerade macht? Ich hoffe, dieser Trubel entspricht nicht einem üblichen Abendessen an Bord dieses Schiffes.“ Der Smutje neigte den Kopf leicht, als könnte er dies nicht ganz verneinen, doch er lächelte. „Naja, sie feiern. Aber da vorne geht es um den Marimo. Dabei hast auch du etwas zu feiern, oder nicht? Und ich denke, ich habe da etwas Angemessenes.“ Er zog eine Flasche hervor, die er bis zu diesem Moment offensichtlich hinter seinem Rücken versteckt hatte. „Es ist schon traurig, dass du so verzweifelt nach jemandem suchst, der deinen Genuss an einem guten Wein teilt, dass du dich sogar an mich wendest“, entgegnete Dulacre kühl. „Du könntest auch einfach mal Danke sagen und nur für einen Moment nicht ganz so ein Arsch sein“, widersprach der Smutje angefressen. „Und was ist so furchtbar daran, wenn wir miteinander anstoßen, mit einem vernünftigen Wein?“ Einen Moment sahen sie einander an. „Meinetwegen“, seufzte Dulacre und erhob sich. „Aber nicht mit diesem Fusel da.“ „Fusel?!  Das ist ein Tignanello!“ „Ich weiß, und es mag ein angemessener Wein für deine Abendveranstaltung sein. Aber du hast Recht, ich habe etwas zu feiern, und dafür ist ein Tignanello absolut nicht ausreichend.“ Somit ließ er den anderen stehen, ging zu seinem Boot und holte, was er als angemessen erachtete. Die Stimmen der Strohhutbande begleiteten ihn den ganzen Weg. Unter ihnen auch dieses warme Lachen, welches er noch nie so oft an einem Abend gehört hatte. Als er zurückkam, stand der Smutje da, die Flasche fort, sein Blick gefangen zwischen Entrüstung aus Überzeugung und Neugierde aus Prinzip. Vielleicht, nur vielleicht, wäre es nicht so schlecht, in dem Smutje jemanden zu finden, der Dulacres Sammlung ein bisschen anders wertschätzen konnte, als Lorenor es tat. Er reichte dem Blondschopf die Flasche und dieser hielt sie so feste, dass er bis in die Oberarme zitterte. „Ein… ein…“ „Vega Sicilia, korrekt.“ Nun starrte der Smutje ihn an. „Aber das hier ist ein Unico. Davon gibt es nur alle paar Jahre ein paar Flaschen. Die günstigsten fangen bei 500.000 Berry an.“ „Ich weiß, man beachte das Etikett.“ Oh, ja es bereitete ihm Freude, das wollte er eingestehen. „1503“, murmelte der andere, ehe er einen lauten Ton der Überraschung von sich gab. „Der untergegangene Jahrgang. Eigentlich ist dieser Verschnitt aus dem Jahr 1502, aber aufgrund eines Versehens wurde er falsch als Jahrgang 1503 deklariert, weshalb er in den Listungen nicht auffindbar ist. Eine solche Flasche kostet ein Vermögen.“ „Ich weiß.“ Der Blondschopf starrte ihn an und man konnte ihm regelrecht ansehen, wie tausende Gedanken durch seinen Kopf jagten. „Er ist beileibe nicht der wertvollste Wein meiner Sammlung“, erklärte Dulacre daher weiter. „Aber tatsächlich gehört er zu meinen absoluten Favoriten. Seine Dichte, seine schlichte Vollmundigkeit und wie sich nach und nach die feinsten Nuancen zeigen, die auf dem ersten Blick kaum wahrgenommen werden. Nun denn, serviere ihn.“ Der Smutje kam dieser Aufforderung nur zu gerne nach. Eilte mit der Flasche davon und kam kurz danach mit einem Tablett und Gläsern wieder. Dulacre nahm eines entgegen und genoss für den Moment einfach den Anblick dieses dunklen Weines, ließ ihn noch etwas atmen. Währenddessen fiel sein Blick wieder auf Lorenor, der seinem Kapitän nachspurtete, weil dieser ihm irgendetwas geklaut hatte. „Das Bouquet ist wirklich außerordentlich", bemerkte der Smutje andächtig, „und die tiefe Farbe. Trotz des Lichts wirkt er komplett schwarz." Dem konnte Dulacre nicht ganz zustimmen, dennoch mochte auch er den dunklen Ton des Weines. „Vielleicht hat es ja auch was Gutes, dass du der verdammte Sozius unserer Marimos bist." „Du trinkst gerade einen Unico, du solltest etwas dankbarer sein, Smutje." Lorenor schien zurückerobert zu haben, was auch immer es war, denn triumphierend hatte er die Faust in den Himmel gestreckt, während der Strohhut versuchte, danach zu greifen und dabei kindliche Beleidigungen jammerte. „Danke." Überrascht sah er den Smutje an, der mit einem verlegenen Lächeln zurücksah. „Du müsstest ihn nicht mit mir teilen, also danke." „Ach, ein guter Wein sollte nicht allein getrunken werden." Einen Moment sahen sie einander fast fassungslos an. „Echt gruselig, wenn du mal nett bist. Ist der Wein vergiftet?“ „Um dich zu töten, würde ich mir nicht die Mühe machen, eine unwegsame Taktik zu verfassen. Und es wäre schade um den guten Wein.“ „Ah, da ist er wieder, hatte mir schon Sorgen gemacht.“ Nun schwiegen sie wieder und begutachteten jeweils ihr Weinglas. „Oh, wir haben ganz vergessen anzustoßen", murmelte der Smutje dann und hielt ihm sein Glas hin. „Guck nicht so. Du hast doch selbst gesagt, dass es ein Grund zu feiern ist." Seufzend gab Dulacre nach und erhob sein Glas. „Auf inspirierende, aufregende und außergewöhnliche Kämpfe", sprach der Smutje ruhig, „und auf das Lachen des besten Schwertkämpfers der Welt." Er merkte, wie seine Wangen warm wurden, aber er nickte. „Auf Lorenor." „Ich hab meinen Namen gehört." Mit einem leisen Grunzen ließ Lorenor sich neben Dulacres Stuhl auf den Boden fallen, öffnete seine Hand und offenbarte einen seiner Ohrringe, den der Strohhut ihm wohl geklaubt hatte. „Ihr beide seid euch noch nicht an die Kehle gegangen.“ „Überraschenderweise nein“, antwortete Dulacre, worauf der Smutje mit den Augen rollte. „Wir haben gerade angestoßen, auf unseren Kampf und deinen Sieg.“ Er konnte sehen, wie es hinter diesem scharfen Blick ratterte, als Lorenor erst sein Glas, dann den Smutje und dann ihn ansah, während er mit der Schulter gegen Dulacres Bein lehnte und sich den Ohrring wieder ansteckte. Es schien, als würde er ihre gesamte Unterhaltung Revue passieren lassen, ohne den Inhalt überhaupt zu kennen. „Möchtest du den Wein probieren?“, bot Dulacre an, worauf Lorenor langsam nickte und nach der Flasche griff. „So einen Wein trinkt man nicht aus der Flasche, Marimo“, belehrte der Smutje ihn sofort. „Hey, es ist meine Feier, also trinke ich den Wein, so wie es mir passt.“ „Wärest du trotzdem so gut, ausnahmsweise ein Glas zu nehmen? Mir zuliebe?“ Er hielt dem Jüngeren sein Glas hin und nach einem Atemzug gab Lorenor nach und packte Dulacres Glas. „Was für eine Verschwendung eines…“ Dulacre unterbrach den Smutje mit einem deutlichen Blick. Lorenor begutachtete währenddessen das Glas und nippte dann einmal dran, als ob er dem Braten nicht trauen würde. „Oh, der schmeckt fast wie der, den du damals für Jiroushin rausgesucht hast“, erkannte er zutreffenderweise. „Es ist dasselbe Weingut, aber unterschiedliche Jahrgänge“, erläuterte Dulacre mit einem leisen Schmunzeln in Richtung des Smutjes. „Welcher schmeckt dir besser?“ Lorenor nahm noch einen – diesmal deutlich großzügigeren – Schluck und leerte das Glas. „Eindeutig der hier“, meinte er mit einem Schulterzucken. „Ist gut, sollten wir öfters trinken.“ Dem Smutje entkam ein fassungsloser Laut, während Lorenor das Glas zu Dulacres Füßen abstellte und fluchend dem Scharfschützen nachjagte, der vor wenigen Sekunden zu seinem seltsamen Singsang angesetzt hatte, was wohl die Ballade über Lorenors Sieg darstellen sollte. „Sollten wir öfters trinken? Hat der Kerl sie noch alle? Das ist ein…“ „Es war sein höchstes Lob, Smutje. Auch wenn er es selbst nicht mal weiß, so hat Lorenor tatsächlich gar keinen schlechten Gaumen.“ Leise seufzte er. „Was seine Freude an Mengen billigen Fusels nur noch unverständlicher macht.“ „Was redest du da?“ Er lächelte nur sachte, goss sich neu ein und beobachtete Lorenor dabei, wie er den Scharfschützen vom Tisch zog und offensichtlich angefressen auf ihn einredete, worauf der Lockenkopf sich entschuldigend, aber nicht im Mindesten eingeschüchtert, den Nacken rieb. „Das kannst du selbst gerne herausfinden. Probiere an ihm doch mal verschiedene Weine aus und du wirst feststellen, dass er sie zwar alle trinken wird, da er nun mal Alkohol rein aus Prinzip trinkt, aber unterschiedlich reagiert. Einen Wein, den er nicht leiden kann, trinkt er, beschwert sich vielleicht auch noch darüber, dass es wiedermal nur Wein gibt, aber ansonsten wortlos. Weine, wie dieser hier, sagen ihm zu. Auch er bevorzugt vollmundiges herbes Aroma gegenüber leichten oder lieblichen Nuancen. Allerdings gilt auch beim Wein für ihn, je mehr Alkohol, desto besser, leider Gottes.“ Der Smutje schnaubte leise, wurde jedoch vom Strohhut abgelenkt, der quengelnd nach ihm rief. „Ich habe nicht die Zeit, mich durch den Geschmack eines Alkoholikers durchzutesten, manche von uns haben einen richtigen Job.“ Damit ging er. „Aber danke für den Wein. Nächstes Mal werde ich dir einen besseren anbieten können.“ Oh, da hatte er wohl den Stolz eines Kochs angekratzt. „Herausforderung angenommen.“ Vorsichtig stellte er die Flasche ab, beobachtete die Crew nachdenklich und bemerkte Lorenors Blick, der offensichtlich genug geschimpft hatte, kurz noch dem Smutje nachsah, der neues Fleisch für den Strohhut auf den Grill warf, und dann wieder zu Dulacre hinüberkam. Anscheinend hatte er ihr Gespräch noch nicht unterbrechen wollen. „Was sitzt du hier eigentlich so im Abseits? Und dann auch noch mit dem Koch?“, murrte er mit einem leisen Grinsen und kam wieder zu Dulacre hinüber. „Ich wollte nur meine Ruhe. Es ist nicht mein Vergehen, wenn der Smutje daraus den falschen Schluss zog, mich aufmuntern zu wollen. Er ist wirklich ein unverbesserlicher Gutmensch.“ „Du willst deine Ruhe auf einer Feier? Dich soll mal einer verstehen“, kommentierte Lorenor trocken, ließ sich wieder neben Dulacre nieder und griff nach der Weinflasche. „Außerdem wäre es schon nachvollziehbar, wenn du… nicht glücklich wärest, oder nicht?“ „Wäre es das?“, entgegnete Dulacre und sah zu Lorenor hinab. „Ich bin glücklich, trotz meiner Niederlage, trotz der lautstarken Anwesenheit deiner Crewmitglieder. Ist das nicht auch nachvollziehbar?“ Lorenor schnaubte leise auf. „Du bist schon wieder so seltsam drauf. Aber falls du mit dieser Frage meinst, ob mir der Kampf auch gefallen hat, dann weißt du meine Antwort.“ In einvernehmlichem Schweigen begutachteten sie die Crew Lorenors. Es war eine angenehme Nacht, warm war die Luft, begleitet von einem frischen Wind, der nach Meer roch. „Ich hab übrigens nachgedacht“, bemerkte Lorenor und nahm einen kleinen Schluck aus der Flasche. „Der ist wirklich lecker. Dein Lieblingswein, oder?“ „Du meine Güte, muss ich mir Sorgen machen?“, entgegnete Dulacre und setzt sein Glas endlich an die Lippen. „Ich denke, ich will mit dir schlafen.“ Er verschluckte sich am Wein. „Wie bitte?“ Hustend wandte er sich vor, hatte gewusst, dass es ein Fehler sein würde, am Wein zu nippen. Fragend sah er zu Lorenor hinab, wusste nicht, warum er dieses Thema ausgerechnet jetzt anschnitt. „Etwa… etwa jetzt? Sofort?“ „Nein, nicht jetzt. Du bist noch nicht fit und Chopper würde wohl durchdrehen“, sprach Lorenor ruhig. „Ach, jetzt auf einmal hörst du auf euren Doktor?“ Dulacre merkte, wie seine Wangen warm wurden. Glücklicherweise schien die Crew nichts von ihrem leisen Gespräch mitzubekommen. „Nun gut, dann also nicht heute Abend. Aber hast du auch bereits über ein Wann nachgedacht? Ich muss gestehen, gerade nicht mit diesem Thema gerechnet zu haben und daher würde es mir doch ein bisschen helfen, wenn ich wüsste, ob wir hier über diesen Monat, dieses Jahr oder in zehn Jahren sprechen.“ Er nutzte die vielen Worte, um über seine Nervosität hinwegzutäuschen, seine Unsicherheit, obwohl es doch Lorenor war, der nervös sein sollte, vielleicht sogar unsicher, aber wie so oft war er es nicht, während er wohl über Dulacres viele Worten nachdachte. „Bevor du abreist“, entschied er dann, bevor er etwas zurückhaltender nachsetzte: „natürlich nur, wenn du auch willst.“ Nun war es an Dulacre zu lachen. „Es ist wahrlich niedlich, dass du dies in Frage stellst.“ Er sah zu Lorenor hinab und dieses Mal war es doch endlich mal der Jüngere, der errötete. „Einverstanden, bevor ich abreise.“ Dann nippte er endlich an seinem Wein und konnte ihn genießen. „Du verwöhnst mich ja regelrecht. Der Kampf, deine Worte und nun dies hier.“ Lorenor errötete noch mehr, nahm einen deutlichen Schluck aus der Flasche und wandte den Blick ab. „Ich mag nicht, wenn du so einen Mist sagst“, nuschelte er. „Und dennoch liebst du mich“, bemerkte Dulacre, halb im Spaß, aber nicht ganz. „Ja“, knurrte Lorenor, erhob sich und sah zu ihm hinab, „also vergiss das nicht.“ Mit diesen Worten ging er zurück zu seinen Freunden und Dulacre sah ihm zu, ein Lächeln auf den Lippen und den Wein in seiner Hand.           Kapitel 17: Extrakapitel 14 - Die Szene --------------------------------------- Die Szene   -Mihawk- Tief atmete er ein, so nervös war er schon lange nicht mehr gewesen – und dabei hatte er erst vor wenigen Tagen den Kampf geführt, auf den er über 20 Jahre gewartet hatte – und er stellte fest, dass er bevorzugte, wenn sich manche Dinge von alleine entwickelten, anstatt sie vorher zu planen. Aber da konnte er mit Lorenor lange warten. Auf ihn musste er jedoch nicht lange warten, denn gerade kam Lorenor die kleine Leiter hinabgeklettert, die in den Bauch des Sargbootes führte, nachdem er von unten die Luke zugezogen hatte. „Welch eine Ehre, der beste Schwertkämpfer der Welt“, überspielte Dulacre seine Nervosität. Lorenor schnaubte leise auf: „Wirst du das jetzt jedes Mal sagen?“ „Missfällt es dir denn wirklich?“ Darauf erhielt er keine Antwort und er wusste, dass Lorenor lügen müsste, um ihm zu widersprechen. Der Jüngere war nun unten angekommen und wandte sich ihm zu. Auf den ersten Blick wirkte er ernst wie immer, aber Dulacre konnte es ihm ansehen, und als Lorenor seine Musterung bemerkte, wurden seine Wangen rot, ein seltenes Bild. „Was schaust du denn so?“, murmelte er fast schon missmutig und verschränkte die Arme. „Bist du dir wirklich sicher?“, entgegnete Dulacre dann jedoch kühl. „Wir müssen nichts…“ „Fang nicht schon wieder damit an.“ Lorenor trat auf ihn zu. „Ich habe es dir doch bereits gesagt, wenn das hier zu einer Beziehung gehört, dann will ich es auch richtig machen. Außerdem...“ „Unsere Beziehung ist nicht davon abhängig, ob wir miteinander sexuell aktiv werden oder nicht, Lorenor.“ Er überbrückte den letzten Schritt. „Aber, wenn du es dennoch möchtest…“ „Ich will!“ „Na dann. Wir sollten dennoch vorab ein paar Dinge klären. Gibt es gewisse…?“ „Mach daraus jetzt keine Verhandlung. Ich will mit dir schlafen, nicht über eine Theoriestunde einschlafen.“ Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn die Dinge nur ein einziges Mal einfach wären. Leise seufzte er und rieb seinen Nasenrücken. „Ungestüm wie so oft. Ich werde deinem Wunsch nachkommen, aber vorher möchte ich wissen, ob es irgendetwas gibt, was du ausdrücklich nicht möchtest?“ Lorenor sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Wovon zur Hölle redest du?“ Warum klang er so, als ob Dulacre ihm Breitengrade erklären würde? „Nun ja, weißt du, ob dir irgendetwas missfällt?“, übte er sich in Geduld. „Ich zum Beispiel kann es überhaupt nicht gut leiden, gekitzelt zu werden, oder wenn man meint, mich loben zu müssen. Ich bin doch kein dahergelaufener Hund, der ein Kunststück vollführt und dafür den Bauch gekrault bekommen will.“ „Unangenehm präzise“, murmelte Lorenor, ehe er mit den Schultern zuckte. „Keine Ahnung. Steck mir nicht deine Zunge in den Hals, das hatten wir ja schon geklärt, aber anso…“ Er unterbrach sich selbst, während Dulacre an jenen peinlichen Moment zurückdenken musste, als er sich einen Moment selbst vergessen hatte. „Ich weiß etwas.“ Fragend sah er zum Jüngeren hinab, froh, nicht länger an diese Peinlichkeit zurückdenken zu müssen. „Mach hieraus keine große Sache. Denk ja nicht, du müsstest dich zurückhalten, nur weil du dir unnötige Gedanken machst.“ „Aber… aber Lorenor, ich…“ „Ja, ich habe weniger Erfahrung, aber ich kann auf mich selbst aufpassen und ich bin freiwillig hier. Also sieh in mir nicht einen unerfahrenen Anfänger, sondern einfach deinen Partner, genauso, wie bei allen anderen, mit denen du geschlafen hast. Lass uns einfach… Was soll dieser Blick?“ Wieder mal war es Lorenor, der trotz seiner mangelnden Erfahrung viel ruhiger wirkte, als Dulacre selbst es war. Einen Moment suchte er die richtigen Worte. „Du missverstehst mein Zögern. Es hat weniger mit deiner Unerfahrenheit zu tun, sondern viel mehr mit… meiner eigenen Nervosität. Denn für mich ist das hier eine große Sache.“ Er konnte sehen, wie Lorenors Genervtheit leichter Überraschung wich. „Bitte verstehe, du… du bist nicht wie die bisherigen, und weder will noch kann ich dich so behandeln. Ich hatte noch nie… ich habe noch nie mit einer Person geschlafen, die ich… die ich liebe. Ich hätte nie gedacht, dass wir diesen Schritt gehen würden. Die Wahrheit ist, ich bin schlicht nervös und gewiss suche ich Sicherheit in Worten.“ Lorenor neigte leicht den Kopf, als würde er ernsthaft über Dulacres Worte nachdenken, dann nickte er, hatte offensichtlich eine Entscheidung getroffen. „Verstehe, aber wie du weißt, war ich schon immer eher ein Mann der Tat.“ Etwas an seiner Körperhaltung hatte sich verändert, wollte er etwa die Initiative übernehmen? „Was hast du also vor?“, fragte Dulacre und spürte diese Spannung im Raum, die sonst nur da war, wenn sie übers Kämpfen sprachen. Ob Lorenor sie auch spüren konnte? „Wir ändern die Spielregeln“, murrte Lorenor unbeeindruckt. „Wenn der Führende nicht führt, dann muss der Partner übernehmen.“ Diese Aussage war auf mehreren Ebenen äußerst interessant, aber bevor Dulacre dies näher erörtern konnte, hatte Lorenor ihn im Nacken gepackt und zu sich runtergezogen. Wie so oft, hatte sein Versuch eines Kusses wenig Zärtlichkeit an sich, dennoch war er auch nicht so hart, wie sonst. Einen Moment noch begegnete Dulacre diesem ruhigen Blick, dann schloss er seine Augen und ließ sich drauf ein. Dies hier würde gewiss nicht so wie seine bisherigen Erfahrungen, aber er war mehr als bereit, etwas Neues mit Lorenor zu erleben. Fast schon vorsichtig legte er die Arme um den anderen und es war beinahe schockierend, dass Lorenor dies zuließ, und dann legte er auch noch seine freie Hand auf Dulacres Schulter. Vielleicht war Dulacre doch noch nicht bereit. Hoffentlich würde sein armes, kaltes Herz dies überstehen. „Setzt dich hin“, befahl Lorenor, seine Worte nur ein rauer Hauch, der auf Dulacres Wange kitzelte. Er folgte dieser Anweisung und ließ sich auf dem Bettkasten nieder, hielt Lorenor an der Hüfte fest, zog ihn zu sich. Dieser küsste ihn weiterhin, ehe er sich aufrichtete, eine Hand immer noch an Dulacres Nacken, die andere auf seiner Schulter. Es war ungewohnt, zu ihm aufzusehen und dennoch mochte er die Art, mit der Lorenor ihn betrachtete. „Und was jetzt?“, fragte Dulacre geduldig, merkte dieses ungewohnte Lächeln auf seinen Lippen, in seinen Wangenmuskeln, merkte, wie ihm warm wurde. Das bis jetzt war nur unnötiges Geplänkel gewesen, aber er war ganz gespannt darauf, was Lorenor nun tun würde. Dieser trat einen Schritt zurück und riss sich einfach die Klamotten vom Leib, sämtliche Klamotten, in einem Zug. Es war schon beeindruckend, aber nicht gerade sinnlich, überhaupt nicht sinnlich, so gar nicht sinnlich, und das musste Dulacres Gesicht auch sagen. „Was denn? Ach, komm schon, sag bloß, ich hab irgendetwas falsch gemacht? So schwer kann das doch nicht sein oder… bevorzugst du doch mit Klamotten?“ „Da habe ich tatsächlich keine Präferenzen“, lachte er leise, während Lorenor komplett entblößt vor ihm stand, wahrlich ein Anblick, „aber die Art war doch etwas… ungewöhnlich.“ „Du bist etwas ungewöhnlich“, murrte Lorenor und errötete, offensichtlich peinlich berührt. „Dann mach es doch besser.“ „Nur zu gerne.“ Mit einem gemeinen Schmunzeln erhob Dulacre sich und bot Lorenor das Bett an, woraufhin dieser sich niederließ, die Arme verschränkt. „Dann sieh zu und lerne.“ Langsam knöpfte er sein Hemd auf, ließ Lorenor nicht einen Moment aus den Augen, zog es aus, gemächlich, grazil, elegant, ehe er nach seiner Hose griff und sich Zeit ließ, den Reißverschluss runterzuziehen. Seine Hände glitten über seinen Körper, straffe Haut und frische Wundränder, ehe er nun auch die Hose nach unten zog und heraustrat. Lorenor beobachtete ihn, immer noch dieser rosa Schimmer auf den Wangen, zeigte er nun doch etwas Emotionen. „Gefällt dir, was du siehst?“, fragte Dulacre und bot seinen Körper der Beurteilung seines Partners dar, genoss diesen Blick, der alles zu verschlingen schien. „Immer noch keine Ahnung, was dein Problem ist“, murrte Lorenor, versuchte wohl, seine rosa Wangen zu überspielen. „Du hast deutlich länger gebraucht als ich und bist immer noch halb angezogen.“ Er hätte es wissen müssen, für Sinnlichkeit war in der Welt des anderen kein Platz, aber vielleicht konnte Dulacre das ändern; er hatte Herausforderungen schon immer gemocht. „Ach, Lorenor, du bist wirklich ein Unikat.“ Er beugte sich vor und fasste seinen Wildfang am Kinn. „Darf ich wieder die Führung übernehmen?“ Eine Sekunde sah Lorenor ihn unleserlich an. „Du fragst doch sonst auch nie um Erlaubnis, also fang jetzt nicht damit an.“ „Wie du wünschst.“ Er stieß ihn zurück, drückte ihn aufs Bett, kniete mit einem Bein neben ihm und beugte sich zu ihm hinab, küsste ihn, seinen Mund, seine Wange nahe dem Kiefer, seinen Hals unterhalb des Ohres, ließ seine Hände über Lorenors Körper gleiten, sanft, aber bestimmt, wusste, dass Lorenor den festen Griff bevorzugte. „Sag, sollte dir etwas nicht gefallen“, hauchte er gegen den Hals des anderen, seine Lippen tasteten über die Haut. „Bin ja nicht blöd“, knurrte der andere, sein Ton ähnlich konzentriert wie in manch einer Theorieeinheit, was so gar nicht zu ihrer Situation passen wollte. Fragend hob Dulacre den Kopf, doch Lorenor starrte ihn an, so intensiv wie eh und je, seine Wangen gerötet, und dann zeigte er ein kleines Lächeln. „Das war’s schon?“ Schon wieder, er schaffte es doch immer wieder, Dulacre herauszufordern und zu necken. „Mach dich nicht lächerlich, wir haben noch nicht mal angefangen.“ Doch so leicht konnte er Lorenor nicht aus der Fassung bringen. Sein Grinsen wuchs, wie so oft in solchen Situationen, wenn Dulacre ihn zu unterschätzen drohte. „Na dann zeig mal, was du kannst.“ Er stützte sich etwas auf, doch Dulacre drückte ihn zurück, würde zumindest dieses eine Mal die Führung behalten. Lorenor ließ ihn, was auch immer durch seinen Kopf ging. Vielleicht war er doch etwas nervös nach der anfänglichen Initiative. Vielleicht hätte Dulacre seinen Striptease nicht so beurteilen sollen, aber er wusste sehr wohl, dass solche Kleinigkeiten nicht genug waren, um Lorenors Selbstbewusstsein zu gefährden. Er küsste ihn wieder, dieses Mal tiefer, seine Zähne kratzen über Haut und da konnte Dulacre spüren, wie eine leise Spannung durch Lorenors Körper glitt. Schmunzelnd fuhr er fort, seine Hände an Lorenors Hüfte, seine Lippen an Lorenors Schlüsselbein. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Lorenors Hände sich am Bettkasten festhielten, überlegte noch in einem Nebengedanken, wofür dies wohl sprechen konnte, aber seine Aufmerksamkeit schenkte er Lorenors Oberkörper. Die Reaktionen seines Partners waren subtil, ein tiefes Atmen, ein leichtes Zittern, ein sachtes Anspannen, aber eindeutig genug, spornten Dulacre an, noch mehr aus ihm herauszuholen. Seine Hände glitten weiter nach unten, griffen die Oberschenkel, massierte leicht mit den Daumen die innenliegende Schenkelpartie, während er mit dem Mund über die Brust zum Bauch hinunterwanderte. Im nächsten Moment packte Lorenor seinen Kopf, riss ihm sachte am Haar, Mission erfolgreich. Kurz sah er auf, ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen. Lorenor hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt, selbst sein unversehrtes Auge geschlossen. Er schien sich wirklich drauf einzulassen, und vielleicht gefiel es ihm sogar. Was nicht so überraschend sein sollte, schließlich wusste Dulacre, was er tat. Dann sollte er jetzt allmählich zum nächsten Schritt übergehen. In einer fließenden Bewegung nahm er sein Knie vom Bett und glitt hinab, kniete sich vor Lorenor hin, eine Hand am Oberschenkel, mit der anderen glitt er die Leistengegend hinab, lehnte sich vor. „Warte.“ Sofort hielt er inne, wollte absolut nichts falsch machen und wusste, dass Lorenor diesen Schritt noch nie gegangen war. Er sah auf. Lorenor hatte sich aufgesetzt und sah zu ihm hinab. „Nicht so“, flüsterte er, seine Stimme ungewöhnlich rau, während die Hand in Dulacres Haar zu seinem Kiefer glitt, fast schon zärtlich. Sein Herz schlug schneller, ob sein armes, kaltes Herz diesen Abend aushalten konnte? So hatte er Lorenor tatsächlich noch nie gesehen, offensichtlich erregt, diese Hitze im Gesicht und dennoch hatte sein Blick etwas Vereinnahmendes, was Dulacre schon immer fasziniert hatte. Er sollte sich nicht irren. Er mochte der Führende sein, aber tatsächlich schien Lorenor nicht eine Sekunde die Kontrolle zu verlieren, nicht mal hier, nicht mal jetzt. Wirklich ein eigenartiger Mann. „Bevorzugst du nur Hände?“, fragte er nach, doch Lorenor schüttelte den Kopf, griff Dulacres Hinterkopf und zog ihn zu sich hoch, drückte seine Stirn gegen Dulacres. „Wir haben uns auf Sex geeinigt, nicht, dass du vor mir auf dem Boden kniest.“ Leicht neigte Dulacre den Kopf, entschied die Diskussion, was denn genau als Sex klassifiziert werden könnte, nicht in diesem Moment einzugehen, sondern herauszufiltern, was Lorenor ihm mit dieser Aussage mitteilen wollte. Beunruhigen tat sie ihn nicht. Seit Lorenor ihn vorgewarnt hatte, war er tausende Szenarien im Kopf durchgegangen, wie dieser Abend verlaufen würde, und natürlich hatte er einen Plan, zu gewöhnt an diese Unberechenbarkeit, die mit Lorenor in sein Leben getreten war. „In Ordnung. Dann komm mit mir aufs Bett.“ Er erhob sich und ging ums Bett herum. Lorenor betrachtete ihn noch einen Moment, ehe er die Hände nach hinten stützte und weiter aufs Bett robbte, nicht annähernd so elegant, wie Dulacre sich gerade bewegte. So saß er dann da, mitten auf diesem großen Bett, aufrecht ans Kopfende gelehnt, nackt, erregt, errötend und alles, was Dulacre je begehrt hatte. Er gesellte sich zu ihm aufs Bett, strich ihm einen Moment über die Wange, was Lorenor nicht mal mit einer Reaktion würdigte, dann schwang er ein Bein über den anderen, seine Knie zur Linken und zur Rechten von Lorenors Beinen, hockte so vor ihm, konnte die leichte Überraschung sehen. „Dulacre, was hast du…?“ „Du missverstehst meine Absichten, Lorenor. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, ich werde schon auf meine Kosten kommen, aber heute Abend liegt mein Fokus nur auf dir, und daher habe ich mich auf alles vorbereitet.“ Er lehnte sich vor, küsste den anderen, blieb ihm nahe. „Ich weiß, dass du nicht willst, dass ich mich zurücknehme, und bei einem nächsten Mal können wir gerne alles ausprobieren, was du dir vorstellst und weit darüber hinaus, aber heute, folge heute meiner Führung und vertraue darauf, dass ich weiß, was ich tue.“ Lorenor sah ihn an, als würde er über die Worte nachdenken oder Dulacres Falten zählen, dann grinste er gefährlich. „Meinetwegen, ich folge deiner Führung, dieses Mal.“ „Nun denn, wärest du so lieb, mir mit meiner…“ Er hatte den Satz nicht mal zu Ende gesprochen, da hatte Lorenor ihn seiner Unterhose entledigt, zerrissen klatschte sie gegen die Wand. Missbilligend zog Dulacre eine Augenbraue hoch und schnalzte leise mit der Zunge. „Was du mit deiner Kleidung machst, ist deine Sache, aber bitte sehe davon ab, meine kaputtzumachen.“ „Dann hör auf zu reden und handle. Wenn du zu lange überlegst, wird mir noch langweilig.“ „So dreist.“ Schmunzelnd lehnte er sich zur Seite und zog die Schublade vom Nachttisch auf, fischte nach zwei kleinen Tütchen. „Wofür brauchen wir denn…?“ „Dies ist mein Bett, und auch, wenn du vielleicht danach zurück in deine ungemütliche Koje gehen solltest, so werde ich nicht in einem dreckigen und verschwitzten Bett schlafen. Wozu glaubst du, ist das zusätzliche Laken da?“, bemerkte er nur herablassend, während er das erste Tütchen aufriss. „Wusste gar nicht, dass du einen Sauberkeitsfimmel hast“, grinste Lorenor böse und griff das andere. „Und ich wusste nicht, dass du weißt, was man mit einem Kondom macht“, urteilte Dulacre hart, doch anscheinend wusste Lorenor das, und schockierender Weise sah dies deutlich erotischer aus als sein vermeintlicher Striptease. Ja, an diesen Anblick könnte er sich gewöhnen. „Und jetzt?“, fragte Lorenor, sein Auge glitt über Dulacres Brust, blieb an den gut verheilenden Wunden hängen, weiter hinab bis zu Dulacres Lendengegend, und Dulacre genoss alles an diesem Blick, der nur ihm galt. Er beugte sich vor, küsste Lorenor, strich ihm durchs Haar und hielt ihn fest. Mit der freien Hand griff er nach der kleinen Tube, öffnete sie. „Jetzt lehnst du dich zurück und genießt einfach nur die Show.“ Er richtete sich vor Lorenor auf, konnte sehen, wie der andere unter seinem Griff erzitterte, ohne auch nur den leisesten Laut, Dulacre die ganze Zeit im Blick, sein Gesicht absolut unleserlich. Bis zu dem Moment, als Dulacre sich langsam hinabsinken ließ. Scharf holte Lorenor Luft, erbebte, packte Dulacres Hüfte mit einer Hand, seine Finger gruben sich ins Fleisch, ließ ihn gegen den Drang ankämpfen, seine Gesäßmuskeln anzuspannen. Nun saß er auf ihm, hielt seine Körpermitte entspannt, und betrachtete Lorenor, der mit roten Wangen zurückstarrte. War es Nervosität in seinem Auge oder nur Überraschung? Vielleicht sollte er ihm noch mehr Zeit geben? Schließlich war dies hier sein erstes Mal und bei all seiner Kraft, all seinem Selbstbewusstsein, so war er doch immer noch recht jung und unerfahren. „Bist du bereit?“, fragte Dulacre mit einem leisen Schmunzeln. Doch wieder mal sollte er Lorenor unterschätzen. Mit leicht angefressenem Unterton, wie so oft, wenn er sich von Dulacre bevormundet vorkam, murrte er: „Das sollte wohl eher ich dich fragen“, lehnte sich dabei ruckartig nach vorne, bemerkte zu spät, dass er sich so in Dulacre bewegte, entlockte ihm einen wortlosen Laut. Mitten in der Bewegung erstarrte Lorenor. „Oh, ich…“ „Es ist alles in Ordnung, mein ungestümer Wildfang“, lachte er leise auf und überbrückte die letzten paar Zentimeter zwischen ihren Gesichtern, legte seine freie Hand auf Lorenors an seinem Gesäß. „Du hast nichts falsch gemacht.“ „Nichts tun fühlt sich aber falsch an“, entgegnete Lorenor, alles andere als beeindruckt und viel zu mürrisch dreinblickend, wenn man bedachte, in welcher Position sie sich gerade befanden. „Ich will mich nicht nur zurücklehnen und zuschauen. Das hier ist eine Zweimannshow.“ Fast schon überrascht sah Dulacre ihn an, hatte er doch keine Sekunde das Gefühl gehabt, Lorenor wäre nur Zuschauer, wo er doch die ganze Zeit die Initiative ergriff, wann immer Dulacre zögerte, und auf jede von Dulacres Berührungen reagierte. „Du machst alles richtig. Das hier sind keine Übungen, es soll sich gut anfühlen, das ist alles. Fühlt es sich für dich gut an?“ Lorenor nickte. „Na dann. Lass uns genauso weitermachen. Ich werde mich jetzt bewegen und wenn du möchtest, pass dich meinem Rhythmus an. Und sollten meine Beine nachgeben…“ Er lehnte sich vor und hauchte Lorenor ins Ohr. „… mach weiter.“ Dann begann er und fast augenblicklich hob Lorenor unter einem leisen Stöhnen seine Hüfte an, drückte seinen Rücken durch, wahrlich ein Anblick für die Götter. Nun wurde auch Dulacres Atmung schneller, doch er wusste, dass Lorenor nicht lange überstehen würde, also versuchte er einen ruhigen Rhythmus beizubehalten. „Hier.“ Er packte Lorenors freie Hand und führte sie seine Leiste hinab, und Lorenor schien zu verstehen. Leise seufzte Dulacre auf, als Lorenor ihn ergriff, ohne jegliches Zögern, und bestimmt seinem Rhythmus folgte. Lorenor flüsterte etwas – vielleicht war es sein Name – während Anspannung durch seinen Körper glitt und er erbebte. Noch tiefer krallte sich seine freie Hand in Dulacres Fleisch, während sein Griff fester wurde, eher er in der Bewegung verharrte, und dann aufstöhnte, am ganzen Körper erzitterte. Dulacre hielt inne, erlaubte Lorenor, diesen Moment in seiner Vollumfänglichkeit zu fühlen, dann legte er seine Hand auf Lorenors, erhöhte den Druck und führte die Bewegung noch für wenige Sekunden durch, dann kam auch er. So hockte er da, versuchte seinen Atem zu beruhigen, während Lorenor ihn beobachtete, ähnlich schwer am Atmen, wieder zurückgelehnt. Keiner von ihnen sagte etwas, sahen einander einfach nur an, gefühlt für Minuten. Dies schien einer der seltenen Momente zu sein, in dem selbst Dulacre keine Worte brauchte, um Lorenor zu verstehen, wie er da zu seinen Knien lag, ihn einfach nur beobachtete, als wollte er sich Dulacres Anblick in die Netzhaut einbrennen. So waren sie da, für eine kurze Ewigkeit, dann erhob Dulacre sich. „Wo willst du hin?“ Lorenor stützte sich mit einer Hand ab und setzte sich auf. Seine Wangen waren immer noch gerötet und Dulacre konnte sich an diese Aussicht wahrlich gewöhnen, Lorenor nackt in seinem Bett, noch gezeichnet von ihrem Kampf, aber sein Körper pulsierend von ihrer Energie. „Du magst zwei Mal Duschen im Monat für akzeptabel halten, aber ich werde so nicht schlafen gehen“, urteilte er harsch, ehe er Lorenor anlächelte und ihm zuwinkte. „Na komm, auch dir würde etwas Sauberkeit nicht schaden und vielleicht kann ich dir ja noch ein paar andere Dinge zeigen.“ „Ich weiß, wie man sich duscht“, murrte Lorenor, trollte sich jedoch schwerfällig vom Bett und folgte ihm. Das Bad an Bord war nicht annähernd so ausladend wie das auf der Thousand Sunny, aber für zwei Personen war es geradeso ausreichend. Als Lorenor in die Dusche schlurfen wollte, hielt Dulacre ihn zurück, eine Hand an Ohr und Kiefer, strich mit dem Daumen über Lorenos Wange. Er fragte nicht, sagte nichts, konnte es in Lorenors Blick sehen, deutlich wie selten zuvor. „Und?“, fragte dann jedoch Lorenor, und ein verschmitztes Grinsen zerbrach diese leise Spannung in der Luft. „Wie war dein erstes Mal? Mit jemandem, den du liebst?“ Sprachlos starrte Dulacre ihn an, woraufhin Lorenor nur auflachte, seine Hand abstreifte und in die Dusche schritt. Ohne etwas zu entgegnen, folgte Dulacre, betrachtete diesen breiten Rücken, folgte vereinzelten Wassertropfen hinab. Er war sich nicht sicher, ob Lorenor sich über ihn lustig machte oder diese Frage ernst gemeint hatte. „Ich glaube, ich…“, begann er dennoch leise, während das Wasser zwischen ihnen niederprasselte und keiner drunter stand, ehe er abbrach und Lorenor nur ein entschuldigendes Lächeln schenkte. „Es mag dich überraschen, aber tatsächlich fällt es mir gerade doch schwer, die richtigen Worte zu finden. Reicht es dir, wenn ich dir sage, dass ich glücklich bin? Sehr glücklich.“ Lorenor sah ihn an, zwischen ihnen das Wasser, dann neigte er den Kopf und trat diesen einen Schritt nach vorne. Es schien, als wollte er etwas sagen, aber er tat es nicht. Im nächsten Moment machte er noch einen Schritt auf Dulacre zu und küsste ihn, und dieser Kuss war sanft, fast schon bedächtig und wenn Dulacre die Augen öffnen würde, dann wusste er, würde er Lorenors Blick begegnen.   Gemächlich sank er ins weiche Bett, das verschwitzte Laken irgendwo auf dem Fußboden, ließ seinen Blick über den Raum und das Bett gleiten, ehe er sich hinlegte, doch schlafen konnte er noch nicht. „Lorenor, sag, warum ausgerechnet heute? Warum bist du ausgerechnet heute zu mir gekommen?“ Stille, nur die Wellen waren zu hören, wie sie sachte gegen das Heck schlugen; ein beruhigendes Geräusch. Er beobachtete Lorenor im Licht der Nachttischlampe, welche harte Schatten über sein Gesicht warf, während dieser sich ebenfalls aufs Bett fallen ließ und dann zur Decke aufsah. „Du wirst es lächerlich finden“, murrte er schließlich. „Hmm. Jetzt hast du meine Neugierde aber erst recht entfacht“, schmunzelte Dulacre nur, drehte sich auf die Seite und bettete seinen Kopf auf eine Hand, um Lorenor besser begutachten zu können. „Ich verspreche, nicht zu lachen.“ „Tze“, schnalzte der andere nur und neigte den Kopf zur anderen Seite, weg von Dulacre. Er seufzte schwer. „Du wirst morgen abreisen.“ „Ja, das werde ich“, entgegnete Dulacre, nicht ganz sicher, ob es eine Feststellung gewesen war. „Mhm“, stimmte Lorenor ihm dann leise zu, „und… und es wird wahrscheinlich lange dauern, bis wir uns das nächste Mal wiedersehen. Du wirst zurück nach Sasaki reisen und wir… dahin, wo der Logport uns hinführt.“ Dieses Mal blieb Dulacre stumm, während Lorenor so ruhig sprach, seine tiefe Stimme so angenehm nachdenklich. „Und ich dachte… ich wollte… dich sehen… alles von dir sehen.“ Er wandte sich Dulacre zu. „Ich kann es nicht so beschreiben, wie du es kannst, aber ich hab das Gefühl, als würde ich… dich seit unserem Kampf das erste Mal so richtig zu sehen und ich… ich mag nicht der Erste sein, aber… Es ist mir egal, wer was von dir schon gesehen hat, aber ich will das auch sehen! Ich will, dass du mir alles zeigst, jetzt, wo ich dich endlich sehe.“ Er verstummte und sah wieder zur Decke hinauf, leckte sich über die Lippen, als hätten diese Worte seinen Mund ausgetrocknet, während sie Dulacre sprachlos machten. Er wusste gar nicht, was er darauf entgegnen sollte, während alte Erinnerungen in ihm aufwachten. „Klingt irgendwie kindisch, oder?“ Lorenor klang unzufrieden, wohingegen Dulacre an jene Zeit denken musste, als Jiroushin sich erlaubt hatte, ihn zu belehren. Einen langen Moment dachte er nach, unsicher, was er gerade fühlte, daher entschied er, sich erstmal an diesem Gespräch zu beteiligen. „Es hört sich tatsächlich ein bisschen kindisch und unvernünftig an.“ Lorenor schnaubte auf und verschränkte die Arme. „Das macht mich sehr glücklich.“ Er konnte den Blick aus dem Augenwinkel des anderen sehen, ohne, dass Lorenor seine Position veränderte. „Ein besitzergreifender Lorenor Zorro, der mich sehen wollte, wie niemand sonst, berühren wollte, wie niemand sonst. Ich hätte nie gedacht, mal eine deiner Begierden zu sein.“ „Du sagst schon wieder so einen Mist“, grummelte Lorenor und wandte den Blick ab. Aber Dulacre legte seine freie Hand auf Lorenors Wange und brachte ihn dazu, sich zu ihm umzudrehen. Er strich ihm über die Wange, während Lorenor ihn einfach nur ansah, einen sanften rosa Schimmer auf Nasenrücken und Wangen. „Ich liebe dich, Lorenor, und ich sage dir, so wie du, so hat mich noch niemand gesehen, und du wirst der Einzige sein, der mich je so sehen wird… sofern du es nochmal wiederholen möchtest, versteht sich“, fügte er fast schon verlegen hinterher. „Darüber werde ich nachdenken müssen“, sagte Lorenor nach einigen sanften Sekunden der Stille. „Natürlich. Du wirst einige Wochen, wenn nicht Monate, dafür Zeit haben.“ „Mhm“, brummte Lorenor nur, ohne ihren Augenkontakt zu unterbrechen, als würde er Dulacre bis ins kleinste Detail erfassen. Gesehen werden. Und da verstand Dulacre dieses Gefühl in seinem Inneren. Er verstand, warum er an Jiroushin und dessen Belehrung denken musste und sich selbst belächelnd nahm er seine Hand zurück und rieb sich den Nacken, während er verlegend den Blick senkte. „Tja, es ist schon ganz grausig, wie glücklich ich gerade bin.“ „Hm?“, machte Lorenor fragend. „Warum hast du denn nicht gesagt, dass dir Sex so wichtig ist? Hätte ich es vorher gewusst, hätten wir nicht…“ „Ach Unsinn“, lachte Dulacre über dieses Missverständnis auf und sah Lorenor an, konnte dieses Lächeln nicht vermeiden. „Nein, ich rede nicht davon – auch, wenn es mich sehr wohl glücklich stimmt, versteh das nicht falsch – aber ich… deine Worte machen mich wirklich glücklich.“ „Meine Worte?“, hinterfragte Lorenor misstrauisch und Dulacre nickte. „Ja, weißt du, nach Mary Joa hatte Jiroushin es für nötig erachtet, mich für mein Fehlverhalten dir gegenüber belehren zu müssen.“ Lorenors vernarbte Augenbraue wanderte wohl in Zustimmung nach oben, aber ansonsten schwieg er. „Und auch, wenn ich ihm in einigem nicht zustimme, so hatte er doch mit einer Sache recht. Ich… ich bin es gewohnt, dass Menschen sich vor mir fürchten, selbst solche, die ich als mir wichtig erachte. Sie alle fangen irgendwann an, mich zu fürchten, je mehr sie mein wahres Ich zu sehen bekommen.“ Er schwieg einen Moment, nachdenklich, betrachtete das Bett zwischen ihnen. „Und Jiroushin hatte zurecht festgestellt, dass es meine größte Angst war, dass auch du mich eines Tages fürchten würdest - weshalb ich seiner Meinung nach unsere Beziehung manipulieren würde, was ich jedoch entschieden abstreite und der Erfolg jenes Unterfangen gibt mir recht – aber die Wahrheit ist, ich hatte große Angst, dass du mich fürchten würdest, wenn ich meine Fesseln abstreifen und dir dieses Monster zeigen würde, das ich nun mal bin. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich unseren Kampf ersehnt habe… aber ich habe ihn auch gefürchtet, gefürchtet, dass du deinen Blick abwenden würdest, wie sie alle es doch irgendwann tun. Dich nun all dies sagen zu hören, ich bin selbst etwas schockiert darüber, wie sehr es mein ach so kaltes Herz glücklich macht.“ Wieder lachte er leise über sich selbst, rieb sich erneut den Nacken. „Und jetzt sag mir, wer von uns beiden sich kindisch anhört.“ Lange war es still zwischen ihnen. Diese angenehme Stille, die Dulacre so schätzte, vielleicht hatte Lorenor ihm gar nicht zugehört, vielleicht war er währenddessen einfach eingeschlafen, das war in Ordnung. Dulacre war glücklich, hier und jetzt, in diesem Bett, mit seinem Sozius, der entschieden hatte, ihn sehen zu wollen, während die Wellen um sie herum leise flüsterten. „Auf Sasaki konnte ich dich echt nicht leiden.“ Überrascht schaute er auf. Lorenor lag neben ihm, die Arme unterm Hinterkopf verschränkt und betrachtete die Holzdecke, offensichtlich nicht eingeschlafen. „Ich weiß nicht, ob ich es im East Blue nur nicht wahrgenommen hatte oder von deinem Titel und deiner Kraft so geblendet war, aber… als ich dich auf Sasaki wiedertraf, da war ich fast schon… enttäuscht.“ Aufmerksam hörte er zu, denn er war sich sicher, dass Lorenor gerade in diesem Moment nicht beabsichtigte, ihn zu beleidigen. „Aber nicht wegen deiner seltsamen Art – ich meine, du bist echt versnobt und so, aber das ist halt nur nervig – sondern weil du… Ich kann es nicht genau beschreiben. Es war wie bei Nami, bei Robin. Geheimnisse anderer sind mir egal, aber wenn ich das Gefühl habe, dass jemand mich bescheißen will oder mir etwas vorspielt, dann bin ich halt misstrauisch und frage mich, was diese Person zu verbergen hat und warum sie nicht will, dass ich es weiß. Und bei dir war das so und ich habe es nicht kapiert. Ich habe nicht kapiert, warum jemand, der so stark ist wie du, so stolz und arrogant, so absolut überlegen in einfach allem, warum jemand wie du meinte, sich verstellen zu müssen. Das hat mich ziemlich angepisst und ich konnte dich echt nicht ausstehen.“ Der andere schwieg, als müsste er über seine eigenen Worte erstmal nachdenken. „Nun ja, aber jetzt kannst du mich ja doch ein bisschen leiden. Also, was hat sich geändert?“, fragte Dulacre nach, weil er dieses Gespräch auf keinen Fall damit enden lassen wollte, dass Lorenor ihn einst nicht hatte ausstehen können, nicht an diesem Abend. „Du“, kam die überraschend klare Antwort. „Du hast dich geändert.“ Lorenor zuckte mit den Schultern, weiterhin ohne Dulacre anzusehen. „Du hast zwar gesagt, dass du mich dazu zwingen musstest, mich dir zu öffnen, aber wenn wir ehrlich sind, klappte das nur, weil es nicht einseitig war. Du hast mir so viel Mist über dich verraten und irgendwann… habe ich es kapiert. Ich habe kapiert, dass du dich andauernd verstellt hast, weil da ein Teil in dir war, den du nur schwer kontrollieren konntest, und du mich aus Versehen hättest töten können, wäre er nur ein einziges Mal ans Tageslicht kommen.“ Einen Moment schwieg Lorenor, zog seine Hand hervor und kratzte sich nonchalant am Kinn. „Aber das Ding ist, auch, wenn du die meiste Zeit eigentlich einfach nur anstrengend und nervig warst, es gab immer wieder Momente, in denen ich dich echt gut leiden konnte. Und wenn ich so drüber nachdenke, waren das dann meistens die Momente, wo du wohl am wenigsten darüber nachgedacht hast, dich zu verstellen. Doch sobald du das gemerkt hast, war da sofort wieder diese Maske, als würdest du mir echt nichts zutrauen und Mann, was hat es mich genervt, so richtig angepisst.“ Lorenor wandte sich ihm zu, sein Blick ernst, aber da war auch dieses leise Feuer, welches Dulacre immer gemocht hatte. „Ich weiß, dass du Angst davor hattest, diese beschissene Maske runterzunehmen, aber ich konnte es kaum erwarten; ich habe so sehr darauf gewartet, dich endlich zu sehen. Es ist mir egal, ob du dich für ein Monster oder den Durchschnittspiraten Nummer Drei hältst, alles was ich wollte, war, dass du verdammt nochmal aufhörst, dich zu verstellen.“ Einen Moment begutachtete Lorenor ihn unleserlich, dann zuckte er mit den Schultern. „Und ich verstehe echt nicht, warum ich vor dir Angst haben sollte, ich… ich sehe nichts, was mir Angst macht. Ich sehe nur dich und ich will noch mehr sehen, ich will alles von dem sehen, was du meinst, verbergen zu müssen.“ Wieder war es still zwischen ihnen. „Du meine Güte, Lorenor. Ich bin wirklich etwas sprachlos. Das war ungewohnt kitschig von dir.“ „Ach, leck mich doch“, knurrte Lorenor und errötete, während Dulacre über ihn grinsen musste. „Wenn du das unbedingt möchtest, kann ich mich drauf einlassen. Aber damit sollten wir bis zum nächsten Mal warten, schließlich werde ich früh aufbrechen, wir sollten also langsam schlafen.“ Er lachte über Lorenors laute Flüche nur auf, als dieser nach einem Moment der Verwirrtheit Dulacres Aussage verstand, drehte sich um und streckte sich nach der Nachttischlampe. „Dulacre.“ Er hielt inne und wandte sich fragend Lorenor zu, der ihn ansah, als müsste er noch etwas zu Ende denken, die kleine Neckerei vergessen. Es war wieder einer dieser Momente, in denen Dulacre nicht wirklich wusste, was er wohl denken musste, so wie er Dulacre gerade musterte, also zuckte er nur sachte mit den Schultern und wartete diese Sekunden ab. „Stört es dich, das Licht brennen zu lassen?“ fragte Lorenor dann. „Angst im Dunkeln?“, zog er ihn auf, obwohl er verstand, obwohl er es so deutlich in Lorenors Blick sehen konnte. Also legte er sich wieder hin, Lorenor zugewandt, eine Hand unterm Kopf. „Bleib nicht mehr zu lange auf, mein kleiner Wildfang.“     Kapitel 18: Extrakapitel 15- Babysitter --------------------------------------- Extrakapitel 15 - Babysitter   Während des zweiten Teils - in der Unterbrechung des ultimativen Trainings   -Zorro-   „Was soll das werden?“ Kalt hallte Dulacres Stimme durch den Eingangsbereich. „Pack es ein und bring es wieder weg. Ich will so etwas nicht in meinem Haus haben.“ Augenrollend streckte Zorro sich und ging Richtung Eingangstür. Er kannte diese Tonlage zu gut und wusste, dass Dulacre wieder nervig werden würde. Darauf hatte er heute mal so überhaupt keinen Bock. Seine Knochen knacksten noch vom vergangenen Kampf und er hatte eigentlich erhofft, dass der Samurai nach ihrem letzten Gespräch etwas besser gelaunt sein würde. „Mann, was für eine Begrüßung und nein, Hawky, mache ich nicht“, antwortete Jiroushin auf der anderen Seite der großen Doppeltüre somit leicht beleidigt, wenig überraschend, „und ich bitte dich, nicht so von meinem Kind – deinem Patenkind – zu reden. Lirin ist krank, ich musste Ray mitbringen.“ „Ihr habt eine Armada an Kindermädchen und dies hier ist kein Ort für ein… Baby, Jiroushin. Was machst du überhaupt hier? Deine Anwesenheit ist unnötig; du bist so oder so zu nichts zu gebrauchen, wenn du… Kinderkram machst.“ Zorro beäugte den Samurai mit hochgezogener Augenbraue. Er kannte ja dessen Ablehnung Kindern – und generell Menschen – gegenüber, aber bei Jiroushin machte er normalerweise doch schon mal gerne eine Ausnahme. Gleichzeitig war Zorro selbst auch etwas genervt. Nach Shanks Besuch brannte er darauf, endlich mit seinem ultimativen Training fortfahren zu können, aber er hatte eine Ahnung, dass Jiroushins Anwesenheit nichts Gutes bedeuten konnte. „Ich wollte dich vorwarnen und hatte eh vor, dich aufzusuchen, um ein paar Punkte wegen der Jahreshauptversammlung mit dir zu besprechen“, erklärte Jiroushin durch zusammengebissene Zähne, „und dir wird es vielleicht ganz guttun, etwas Zeit mit deinem Patenkind zu verbringen.“ „Oh, bring es nicht in meine Nähe“, lehnte Dulacre vehement ab und ignorierte den relevanten Teil komplett. „Ich gebe diesem Kind meinetwegen alles an Schutz, Einfluss und Wohlstand, was es bedarf, deinetwegen, aber wir hatten die Grenzen klar dargelegt. Bleib mir mit so einem rührseligen Unsinn vom Leib.“ „Hallo Jiroushin, vor was wolltest du warnen?“, brachte Zorro genervt ein und zog die Tür etwas weiter auf, um den Vizeadmiral reinzulassen, was der Samurai anscheinend nicht vorhatte. „Ach“, winkte ebendieser unwirsch ab, „er redet von Rothaar. Aber du kommst zu spät, Jiroushin, er war bereits hier und ist bereits wieder fort. Außerdem habe ich kein Interesse, an der Versammlung der fünf Inseln teilzunehmen. Du und dein Abkömmling könnt also genauso gut wieder gehen.“ Er war wirklich schlecht gelaunt, noch schlechter als sonst, was bei seiner dauerhaft schlechten Laune eigentlich unmöglich sein sollte. Zorro hoffte nur, dass dies sich nicht auf sein Training auswirken würde. In der vergangenen Nacht war Dulacre noch bereit gewesen, heute mit Zorro weiterzumachen, auch wenn er von seinem Kampf gegen Shanks noch nicht ganz fit war, aber oft war er bei sinkender Laune weniger risikobereit und Zorro hatte keine Lust nach den vergangenen Tagen wieder abwarten zu müssen. „Und wie immer ist deine Laune hundsmiserabel, wenn Shanks da war“, bemerkte Jiroushin trocken, während er sich am Herrn des Schlosses vorbei nach drinnen drängte, ein kleines, dick eingepacktes Baby im Arm, „alleine daran hätte ich es bemerken müssen.“ Dann nickte er Zorro zu und für eine Sekunde flackerte sein altbekanntes Lächeln übers Gesicht, ehe er Dulacre wieder ernst ansah. „Ich bin sofort gekommen, als ich hörte, dass er in diesen Breitengraden unterwegs ist; dachte, ich würde dich vor ihm erreichen oder er wäre zumindest noch hier. Wie du weißt, sind meine Vorgesetzten nie glücklich, wenn sich einer der vier Kaiser unangemeldet mit einem der sieben Samurai trifft. Was wollte er?“ Der Samurai jedoch ignorierte Jiroushins Frage und starrte das Baby an, welches tief und fest schlief. „Ich meinte das ernst, Jiroushin, es gibt nichts zu bereden und mein Heim ist keine Kindertagesstätte, bring es fort. Lorenor und ich werden heute sein Training fortsetzen und für diesen Zweck, wäre es sinnvoller, wenn du wieder abreist.“ Dem stimmte Zorro stumm zu, erleichtert, dass Dulacre trotz seiner Laune wohl beabsichtigte, sein Wort zu halten. Zorro mochte Jiroushin, aber er wusste auch, dass der Soldat sich mit manchen Wegen, die sowohl Zorro als auch Mihawk eingeschlagen hatten,… schwer tat. Daher wäre es Zorro wirklich lieber, wenn er sich jetzt nicht einmischen würde, damit sie sein ultimatives Training fortsetzen konnten. „Die Antwort lautet nein und es gibt Dinge, die wir bereden müssen. Hast du dir die Punkte der Versammlung überhaupt angesehen, ehe du Koumyous Einladung abgelehnt hast? Ich hab erst bei der Organisation vor ein paar Tagen verfahren, dass du nicht kommen wirst“, widersprach Jiroushin jedoch unbeeindruckt. Der Samurai schnaubte auf diese Frage nur, was Antwort genug war. „Dulacre, es geht um den Friedhof.“ An dieser Aussage schien irgendetwas besonders zu sein, denn während Zorro nur augenrollend und mit verschränkten Armen danebenstand, bemerkte er, wie sich der Gesichtsausdruck des Samurais schlagartig änderte, seine Augen weiteten sich eine Spur, seine Sorgenfalten wurden noch tiefer, seine Wangen noch blasser. Dann presste er kurz die Lippen aufeinander, verschränkte die Arme und atmete tief aus, ehe er Zorro ansah. „Es tut mir leid, Lorenor, aber dies verlangt durchaus meine Aufmerksamkeit. Dein Training wird wohl noch für ein paar Tage ausfallen müssen.“ „Was?“, knurrte Zorro. „Wovon redest du? Vor einer Minute hast du noch…“ „Ich weiß sehr wohl, was ich gesagt habe. Aber die Umstände haben sich geändert. Ich werde zur Versammlung der fünf Inseln reisen und erst danach werden wir dein Training wiederaufnehmen. Mir ist bewusst, dass es dir ungelegen kommt, aber es ist, was es ist. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn du dich ausnahmsweise mal richtig erholen kannst, du bist offensichtlich immer noch beeinträchtigt vom Kampf.“ Wütend stapfte er auf den Samurai zu. „Nein, hör mal, gestern Nacht haben wir…“ Er verstummte. Selten, eigentlich nie, ließ er sich vom anderen beeindrucken, aber gerade merkte er, dass etwas anders war. „Es wird keine Diskussion geben, Lorenor. Ohne mich kannst du dein Training nicht fortführen und ich habe dir bereits meine Entscheidung mitgeteilt. Akzeptiere es oder eben nicht, aber vergeude meine Zeit nicht mit sinnloser Streiterei.“ Mihawk wandte sich um. „Komm Jiroushin, wir sollten in die Bibliothek gehen. Stelle jedoch sicher, dass dein Balg ruhig bleibt.“ Zorro fühlte die Wut in sich, wie immer, wenn der andere ihn wie ein nerviges Gör behandelte, aber er wusste auch, dass jeglicher Widerspruch jetzt nichts bringen würde, nicht, wenn er so drauf war. Also stand er da, mit geballten Fäusten, während Jiroushin sich leicht verneigte und mit seiner freien Hand eine entschuldigende Geste machte, ihm kurz zuzwinkerte und dann eiligen Schrittes dem Herrn des Hauses folgte, seine Miene wieder ungewohnt ernst. Tief atmete Zorro ein. Dann kam er den Weg, den er gerade gekommen war und ging zur Küche. „Morgen“, murrte er, als er eintrat, „ist noch was vom Frühstück übrig?“ Überrascht blieb er im Türrahmen stehen, Perona eilte quer durch die blitzblanke Küche und zog sich dabei die Schürze aus. Normalerweise war sie um diese Uhrzeit mitten in ihrem Koch- oder Backwahn. „Im Kühlschrank sind noch Reisbällchen von gestern. Da vorne unter der Haube ist noch Rührei von heute Morgen. Aber Mihawk war früh auf, daher ist es vermutlich schon kalt, musst es dir wahrscheinlich warm machen“, antwortete sie, ohne innezuhalten. „Kaffee ist keiner mehr da, aber in der Kanne da vorne ist noch heißes Wasser, falls du dir einen Tee machen willst.“ „Und was ist mit dir? Was wuselst du hier so rum?“, murmelte Zorro und griff nach dem Rührei. „Ich muss mich beeilen, das Versorgungsschiff kommt gleich“, erklärte sie, während er das kalte Ei in sich reinschaufelte. „Und?“ Er hatte keine Ahnung, wann die Versorgungsschiffe kamen. Er wusste, dass sie regelmäßig zwischen dem Sabaody Archipel und den fünf Inseln verkehrten und immer auf Bestellung nach Kuraigana kamen, aber um den Rest hatte er sich nie geschert. Sie schnaubte auf. „Hab ich doch schon letzte Woche erzählt. Ich möchte neuen Stoff zum Nähen kaufen und das kann ich nur vor Ort, also fahre ich zum Archipel.“ Dann blieb sie stehen. „Sag mal, das war eben Jiroushin, oder? Mit Kind?“ Zorro nickte: „Ja, keine Ahnung, warum der so einen Mist macht. Er weiß doch, wie beschissen Dulacre immer auf irgendwelche Gören reagiert.“ Es war nicht so, als ob Zorro selbst ein Fan von schreienden Bälgern war, aber es waren nun mal Kinder, was wollte man da machen. Ihn nervten Dulacres Dramaeinlagen da fast noch mehr, ein Baby wusste es wenigstens nicht besser. „Vermutlich machen sie ihm Angst“, murmelte Perona abwesend, während sie irgendeine Liste überflog. „Na, hoffentlich lässt Jiroushins Marinedampfer das Versorgungschiff überhaupt anlegen.“ „Was?“, lachte Zorro noch über die ersten Worte entrüstet auf. „Du weißt aber schon, von wem du sprichst? Er ist ein verdammter Samurai.“ Kurz sah sie zu ihm herüber und rollte dann mit den Augen. „Nicht auf die Art, du Idiot“, murrte sie und steckte die Liste dann ein. „Ja, Mihawk ist verdammt stark und er ist auch verdammt leicht reizbar. Und Kinder sind schwach, besonders Babys, vermutlich hat er Angst, ihnen aus Versehen wehzutun.“ Sie zuckte mit den Schultern, während Zorro über diesen Unsinn aufschnaubte. „Naja, ich muss dann mal los. Hab noch nicht fertig gepackt. Setzt die Küche nicht in Brand, während ich weg bin.“ Zorro winkte nur ab. Peronas Pläne interessierten ihn nicht sonderlich. Normalerweise würde das Schloss während ihrer Abwesenheit ruhiger werden, aber dieses Mal wohl nicht. Ein Gutes hatte Jiroushins Anwesenheit allerdings, vermutlich würde Zorro nicht am Herd stehen müssen. Noch einen Moment dachte er über Peronas Worte nach, wollte sie eigentlich als Schwachsinn abtun. Du weißt, ich könnte dich mit einem Fingerschnipsen töten. Ich bin nicht gerade der Typ Mensch, den man um sein Kind herumhaben möchte. Es tut mir leid, ich habe dich verletzt. Alles ist gut verlaufen, Jiroushin ist Vater. Ein gesundes Kind, stark. Wieder einmal habe ich mich von meinen Emotionen überrumpeln lassen und dich in Gefahr gebracht. Jemandem wie mir sollte so etwas nicht passieren. Kopfschüttelnd aß er sein Frühstück und ignorierte diese Gedanken. Egal, ob Perona Recht hatte oder nicht, es ging ihn nichts an. Als er danach sich umziehen gehen wollte, kam sie ihm entgegen und verabschiedete sich noch kurz. Vielleicht war es gut, dass sie die kommenden Tage nicht da war. Eine solche dumme Bemerkung würde den Samurai vermutlich richtig austicken lassen, und so etwas war immer richtig nervig. Zorro hatte entschieden, die kommenden Tage nicht zu verschwenden. Mochte sein, dass er ohne Mihawk nicht mit dem ultimativen Training fortfahren konnte, aber dennoch konnte Zorro trainieren, besser als schmollen. Daher hatte er den Plan gefasst, die Tage zu nutzen, um seinen derzeitigen Schwachpunkt anzugehen: Lady Loreen. Die letzten Wochen hatten ihm eines gezeigt. Das ultimative Training war… nicht in Worte zu fassen – zumindest fielen ihm nicht wirklich welche ein – aber in seinem anderen Körper war es schlicht unmöglich. Er wusste nicht, ob er in nur ein paar Tagen eine Lösung finden würde, aber er musste es zumindest versuchen. Sonst wusste er nicht, wie er die kommenden Monate überstehen sollte, ohne dass Dulacre ihn alle paar Wochen bewusstlos ins Schloss tragen musste. Nachdem er sich verwandelt hatte, legte er los. Begann wie immer mit seinen Runden zum Warmwerden, während er in der Ferne das Marineschiff sah, welches am kleinen Anlegehafen Kuraiganas treu auf die Rückkehr seines Kommandanten wartete. Ein bisschen taten die Soldaten Zorro leid, wie sie da abgestellt waren, während Vizeadmiral und Samurai es sich gut gehen ließen, dann konzentrierte er sich wieder auf seine eigene Aufgabe und hoffte, dass ihm bald ein Geistesblitz kommen würde.   Doch das tat er nicht. Die Sonne war schon von den Baumwipfeln des Waldes verschluckt, als Zorro das Training beendete. Es war gut gewesen, aber eine Lösung hatte er nicht gefunden. Aber aufhalten würde ihn das nicht. Als er nach Dusche und Verwandlung ins Kaminzimmer kam, saßen die beiden älteren Männer schon dort am langen Tisch und unterhielten sich eindringlich. „Da bist du ja“, grüßte Dulacre ihn knapp und deutete dann auf das kleine Wägelchen an der Wand. „Du solltest etwas essen, noch ist es warm.“ Zorro war eher überrascht, dass es trotz Peronas Abwesenheit tatsächlich etwas Warmes zum Essen gab, aber er nickte nur und als er die Hauben hochhob, meldete sich auch sein Magen, dass er wirklich etwas essen sollte. Währenddessen unterhielten sich die anderen beide weiter. Zorro zog sich die Zeitung heran und blendete ihr Gerede weitgehend aus. Mochte sein, dass er sich über die vergangenen Monate mehr und mehr mit politischem Kram hatte auseinandersetzen müssen und immer mehr davon verstand, aber das bedeutete nicht, dass er sich damit freiwillig herumschlug, wenn er es vermeiden konnte. Sein Blick fiel kurz auf das Babybett, das nur eine Armlänge entfernt von Jiroushin stand, und er fragte sich beiläufig, wo es herkam, der Soldat schien nicht mit viel Gepäck gereist zu sein, wie so oft, wenn er nach Kuraigana kam. Aber auch das war ihm nicht wirklich wichtig. Als er fertig war, zog er sich aufs Sofa zurück und pflegte seine Schwerter, während die anderen beiden unablässig miteinander diskutierten, ohne dass er zuhörte. Tatsächlich hatte die Situation etwas Vertrautes. Auf der Sunny hatten die anderen sich oft unterhalten und er war einfach nur dabei gewesen. Es war angenehm gewesen, einfach. Auf Kuraigana lag die Aufmerksamkeit des Samurais meist auf Zorros Training. Er war dankbar dafür und er mochte auch die Unterhaltungen mit dem anderen. Aber er hatte vergessen, wie angenehm dieses Hintergrundgeräusch fremder Unterhaltungen war, auf die er sich nicht konzentrieren brauchte. Es hatte etwas Familiäres, etwas Friedliches. Irgendwann meldete sich Ray dann doch und Jiroushin verabschiedete sich zu Bett, was Zorro doch etwas überraschte. Normalerweise ließ der Soldat sich von seinem Schiff nur auf der Insel absetzen, wenn er über Nacht blieb, dieses Mal mussten sie anscheinend jedoch länger warten. Aber auch das war nicht sein Problem, also zuckte Zorro nur mit den Schultern und wünschte ihm eine ruhige Nacht. Schwer seufzend schritt der Samurai zum Wägelchen mit den verschiedenen Karaffen herüber und goss sich goldene Flüssigkeit ein. „Wie lange hat Jiroushin vor zu bleiben?“, murrte Zorro abwesend und begutachtete die Klinge in seiner Hand eingehend. „Hab das Schiff gesehen. Er lässt seine Soldaten warten?“ „Ja, ich kann es auch absolut nicht leiden, ein solches Schiff vor meiner Insel zu sehen“, stimmte Dulacre etwas zu, was Zorro nicht gesagt hatte. „Aber es ist nur bis morgen. Es gibt leider viel zu besprechen.“ Dann kam er herüber und ließ sich Zorro gegenüber in seinen Sessel sinken. „Ich werde übermorgen nach Sasaki aufbrechen. Die Sitzung ist am darauffolgenden Tag, und ich werde noch nachts zurückreisen. Es werden also nur wenige Tage sein, die du einbüßt.“ Warum bemühte er sich denn gerade so sehr, einen freundlichen Ton anzuschlagen? Versuchte er etwa, eine Waffenruhe auszuhandeln? „Wobei du diese Zeit ja zu nutzen scheinst, nicht wahr? Wie war dein Tag?“ Überrascht sah Zorro von seinen Schwertern auf. Wieso wusste dieser Typ eigentlich immer alles? „Du warst trainieren? In deiner anderen Gestalt?“ Zorro nickte und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. „Ganz normaler Tag halt, nichts Besonderes.“ Er konnte sehen, wie der andere die Augen leicht zusammenkniff und ihn schärfer begutachtete, dann seufzte er erneut. „Sollte ich dich erzürnt haben, so entschuldige ich mich dafür. Mir ist bewusst, wie wichtig dein Training ist, und es liegt ebenfalls nicht in meinem Interesse, unnötig Zeit zu verschwenden, aber…“ „Schon gut“, murrte Zorro und winkte ab. Dann nickte er zum Tisch hinüber, an dem der Samurai bis eben noch diskutiert hatte. „Scheint was Wichtiges zu sein, oder?“ Kurz weiteten sich die Augen des anderen, dann nickte er sachte und senkte den Blick. „Ja, das ist es wohl. Ich möchte dich mit den Einzelheiten nicht belasten, aber es erfordert mein politisches Eingreifen als Herr der fünf Inseln.“ „Hab’s kapiert. Aber nächstes Mal speis mich nicht einfach ab, verstanden? Ich kann es nicht leiden, wenn du mich wie ein dummes Gör behandelst.“ Dann seufzte er und räumte sein Pflegematerial weg. „Und sorry, dass ich dich so angegangen bin… Nach gestern war ich… es mögen nur wenige Tage sein, aber trotzdem nervt es mich.“ Der andere begegnete seinem Blick mit einem sachten Schmunzeln. „Das verstehe ich sehr gut. Es lag nicht in meiner Absicht, dich warten zu lassen, ich weiß, wie unruhig du wirst, wenn du dein Ziel nicht effizient verfolgen kannst. Und auch ich hatte nach gestern Nacht etwas anderes geplant. Meine Aufmerksamkeit wird leider eingefordert, aber lass es mich gutmachen und erzähle mir von deinem Training. Vielleicht gibt es Wege, wie ich dir zumindest in der Theorie helfen kann, wenn ich dir schon nicht meine Zeit gebe.“ Nach seiner schlechten Laune am Morgen war dieser versöhnliche Ton fast schon unheimlich. Vielleicht hatte er einfach nur ein schlechtes Gewissen oder aber Jiroushin hatte ihm ins Gewissen geredet, aber eigentlich war es Zorro egal. Er schüttelte den Kopf. „Da ist nicht viel zu erzählen. Ich hab nur…“ Er hielt inne. Ihm war kein Geistesblitz gekommen, aber der Samurai vor ihm war nun mal um ein Vielfaches schlauer als er. „Es gibt tatsächlich etwas. Ich habe mir gedacht, wenn ich die nächsten Tage schon nicht mit dir weitertrainieren kann, dann will ich die Zeit wenigstens nutzen, aber ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll.“ „Wie du was anstellen sollst?“ Ernst sah er Dulacre an. „Gibt es einen Weg innerhalb dieser kurzen Zeit, dass Lady Loreen nicht mehr meine Achillesverse ist?“   Schwerfällig öffnete Zorro sein Auge. Es war wieder mal eine lange Nacht gewesen. Für Stunden hatte er noch mit Dulacre gesprochen. Schnell war klar gewesen, dass es keine Abkürzung gab, dass der Kräfteunterschied zwischen seinen beiden Körpern wohl immer bestehen würde, aber der Samurai hatte ihm zugestimmt, dass er nicht nur in seinem Körper die Grenzen des Menschenmöglichen sprengen sollte, wenn er nicht wollte, dass die Kluft zwischen seinen beiden Körpern unüberbrückbar wurde. Aber Dulacres Herangehensweise war für ihn verwirrend und so ganz hatte er sie noch nicht verstanden. Aber auch das war ja nicht unbedingt was Neues bei seinem Training. „Morgen“, grummelte er, als er ins Kaminzimmer kam und sich streckte. Dann blieb er stehen. „Wo ist denn Jiroushin?“ Der Samurai saß alleine am Ende des langen Tisches, die Zeitung in der Hand, ein riesiger Teller Rührei vor ihm, unzählige Blätter Papier dahinter ausgebreitet. Fast am anderen Ende des Raumes jedoch schaukelte ganz leicht das kleine Kinderbett. „Guten Morgen, Lorenor“, grüßte ihn der andere, ohne aufzusehen. „Es geht ihm nicht gut – scheint sich bei Lirin angesteckt zu haben – deswegen wollte er sich doch noch etwas hinlegen. Da vorne liegt die Uhr, die ich dir rausgesucht habe. Denke daran, sie zu ummanteln, damit sie während des Trainings nicht bricht.“ „Mhm“, machte Zorro nur, bediente sich ebenfalls am Rührei, beäugte aber das Kinderbett. „Ist da was drin?“ „Ein Kind, wenn ich nicht irre“, antwortete der andere offensichtlich ablehnend. „Jiroushin hatte Angst, es aufzuwecken, deshalb bat er mich, auf es aufzupassen, ehe er sich wieder hinlegen ging, obwohl ich ihm zugesichert habe, dass ich mich nicht der Kinderbetreuung widmen werde. Solange es schläft, ist es mir gleich, aber ansonsten…“ Er beendete den Satz nicht. Schulterzuckend setzte Zorro sich hin und aß, während er zwischen den Bissen sich die Uhr anlegte. „Bist du dir sicher, dass das wirklich was bringen wird?“, murmelte er und hob kurz sein Handgelenk mit der Uhr hoch. Der Samurai schnalzte leicht mit der Zunge und sah von der Zeitung auf. „Wir müssen eine Brücke schlagen zwischen deinen beiden Körpern und ich denke, dass dies ein Versuch wert ist. Wenn es dir… du verstehst nicht, was ich damit meine?“ War es ihm so offensichtlich ins Gesicht geschrieben? „Also gut. Ich versuche, es dir in einem Bild zu erklären, aber nächstes Mal sag es mir direkt und warte nicht bis zum nächsten Morgen, das verschwendet nur Zeit.“ Okay, er war nicht besser gelaunt als am vergangenen Tag. „Stelle dir vor, dein Training ist wie Wasser, was du auf dem Herd erhitzen willst. Ich gebe dir einen Topf, du füllst ihn mit Wasser und stellst ihn auf den Herd. Das Wasser wird immer wärmer. Dann gebe ich dir einen anderen Topf und sage, dass du auch darin Wasser erhitzen sollst. Du füllst also diesen Topf ebenfalls, nimmst den ersten Topf von der Herdplatte und stellst den zweiten drauf. Das Wasser wird immer wärmer, aber das Wasser im ersten Topf kühlt langsam aus. Also nimmst du den zweiten Topf wieder runter und stellst den ersten drauf. So machst du immer weiter, am Ende schaffst du es auch wirklich, das Wasser zum Kochen zu bringen, aber nie in beiden Töpfen gleichzeitig. Verstehst du?“ Es kostete ihn einen langen Moment, aber dann nickte er. „Was wäre also deine Lösung, wenn du das Wasser in beiden Töpfen gleichzeitig kochen lassen möchtest?“ Zorro verstand noch nicht, worauf der andere hinauswollte. „Uhm… keine Ahnung, das Wasser von beiden Töpfen in einen kippen?“ Daraufhin nickte der andere: „Gar keine schlechte Idee. Allerdings ist das eine Suppe und das andere ein – vermutlich ungenießbarer – Tee. Du möchtest sie also nicht vermischen.“ „Das hast du vorher nicht gesagt“, grummelte Zorro, unzufrieden, weil er nicht wusste, was dieses Gleichnis ihm bringen sollte. „Keine Ahnung, worauf du hinaus willst. Ich verstehe, dass die beiden Töpfe meine Körper darstellen sollen und… der Inhalt das verschiedene Training. Aber…“ Langsam ging ihm ein Licht auf. „Du willst, dass ich beides gleichzeitig koche… beides gleichzeitig… trainiere…?“ Er sah den anderen an. „Wie?“ Der Samurai zeigte sein spielerisches Grinsen, wie so oft, wenn er zufrieden war. „Durch eine Verbindung, Lorenor. Du kannst weder die Töpfe noch den Inhalt ändern, was also ist die Lösung?“ Zorro zuckte mit den Schultern, wusste es schlicht nicht. „Hör mir mit diesem Vergleich auf, sondern sag mir, was ich tun soll. Du weißt, ich kann nicht kochen, ich verstehe diesen Mist nicht.“ „Dabei ist die Antwort doch so simpel“, seufzte der andere herablassend auf. „Du musst so trainieren, dass beide deiner Körper davon profitieren.“ Zorro schnaubte auf. „Was glaubst du eigentlich, was ich die vergangenen Monate…?“ „Nein“ widersprach der Samurai direkt. „Ich habe es dir bereits gestern erklärt. Die vergangenen Monate hast du – haben wir – für beide deiner Körper jeweils ein ideales Konzept erstellt, um den jeweiligen Körper bestmöglich zu trainieren. Unterschiedliche Trainingsmethoden, unterschiedliche Anforderungen, welche wir immer wieder angepasst haben, wann immer du dich verwandelt hast. Du konntest also nie ein Konzept am Stück durchführen, musstest immer wieder unterbrechen und neu ansetzen, und genau das musst du jetzt ändern. Es ist an der Zeit, ein einheitliches Konzept zu entwickeln, welches du Schritt für Schritt verfolgst, ganz gleich, in welchem Körper du bist. Nur so wirst du in der Lage sein, das ultimative Training langfristig zu bestehen, verstehst du? Du musste eine Verbindung zwischen beiden Konzepten herstellen, um dich in beiden Körpern zu verbessern, selbst, wenn du im jeweils anderen Körper trainierst.“ Er dachte über diese Worte nach. Was das mit den Kochtöpfen zutun hatte, konnte er nicht wirklich nachvollziehen, aber diese Worte verstand er langsam. „Wenn wir einen guten Weg finden, wäre das Ziel, dass selbst dein Kampfstil sich so vereinheitlicht zwischen deinen beiden Gestalten, dass der Wechsel zwischen beiden Körpern, der Wechsel vom Ein bis zum Drei-Schwert-Stil ohne den leisesten Bruch erfolgt. Das ist jedoch noch ein sehr langer Weg“, bemerkte der andere, während er seine Zeitung faltete und seinen leeren Teller wegbrachte. „Ich denke, dass ein paar Tage dafür kaum ausreichen dürften, aber es ist ein Anfang.“ Zorro ignorierte das Klappern von Geschirr, sondern aß auf. „Deshalb also die Uhr. Du sagtest, ich müsste öfters zwischen beiden Körpern wechseln.“ „Genau, außerdem täte es dir gut zu wissen, wie viel Zeit vergeht, bis du dich wieder in deinen Körper verwandelt kannst. Dafür die Uhr, zum Zeitstoppen, während du in deinem weiblichen Körper bist, und zur Begrenzung deiner Zeit in diesem Körper. Je öfters du es tust, desto flüssiger werden die Übergänge. Denke daran, deine Kleidung dementsprechend anzupassen, wie wir gestern besprochen haben.“ Zorro zweifelte immer noch daran, dass es wirklich etwas bringen sollte, aber wenigstens gab es ihm etwas zu tun, die nächsten Tage. „Übrigens, wärest du so freundlich, das hier Jiroushin zu bringen? Er sollte etwas essen und Medikamente nehmen. Perona ist nicht da, sonst würde ich es ihr auftragen.“ Er stellte ein Tablett auf den Tisch. „Ich werde mich derweil in die Bibliothek zurückziehen, um dieser unliebsamen Obliegenheit Herr zu werden.“ „Meinetwegen“, stöhnte Zorro entnervt auf, „aber Dulacre?“ „Ja?“ Der Samurai war schon halb auf dem Weg aus der Türe und sah Zorro misstrauisch an, zurecht. „Einer muss beim Kind bleiben.“ Grinsend erhob Zorro sich und nutzte den entrüsteten Moment des anderen, um sich samt Tablett an ihm vorbeizudrängeln. Aber er verschwendete an dessen Miene keinen Gedanken, zu angespannt war er vor dieser neuen Aufgabe. Dulacre behauptete, dass dieser Schritt ihm helfen würde, das ultimative Training besser zu überstehen, aber Zorro hatte keine Ahnung, wie genau das funktionieren sollte. Vielleicht könnte Jiroushin ihm die komplizierten Worte des Samurais nochmal etwas vereinfachen. Zorro verstand schon grob, was er zu tun hatte. Aber er sah nicht, wie es hilfreich sein konnte, seine gut zugeschnittenen Abläufe nun zu verallgemeinern, nur damit er das Gleiche in beiden Körpern machen konnte. Dabei hatte er das am Anfang seines Trainings auf Kuraigana eben nicht machen sollen. Würde es nicht einfach zur Folge haben, dass er sich seinem schwachen Körper anpassen musste und dann auch in seinem echten Körper weniger Fortschritte machen würde? Zorro verstand es einfach nicht. Aber als er die Tür gegenüber von Dulacres Schlafzimmer öffnete, wusste er, dass er auf Jiroushins Hilfe nicht zählen konnte. „Du solltest mal lüften“, murrte er, stellte das Tablett auf irgendeinem Tisch ab und schritt zu den riesigen Fenstern. Die Luft im Raum war schwer und stickig, gab einem das Gefühl, nur vom Einatmen direkt krank zu werden. Knarzend gaben die Rahmen nach. Ein undefinierbares Stöhnen entkam dem Deckenhaufen vom Bett, gefolgt von einem röchelnden Husten. Augenrollend ging Zorro hinüber. „Dulacre hat gesagt, du sollst was… Du siehst aber beschissen aus… und alt.“ Ein kränklicher Greis mit zugequollenen Augen und angeschwollener, roter Rotznase blinzelte ihn an. „Ich gehe davon aus, dass du heute im Bett bleibst?“ „Mhm“, kam eine wehleidige Bestätigung. „Okay, ich sag Dulacre Bescheid, wird mit Sicherheit angepisst sein.“ „Wa…warte noch, Zorro.“ Er hatte das Gefühl, als würde ihn ein Halbtoter rufen, aber er blieb stehen, unsicher, was nun kommen würde.   Wenige Minuten später eilte Zorro unzufrieden wieder durchs Schloss. Diese ganzen Botengänge stahlen ihm Zeit, die er zum Trainieren brauchte. „Hey“, murrte er und platzte ins Kaminzimmer herein, knallte die heiße Teekanne auf den Tisch und warf den Rucksack daneben. „Jiroushin ist ausgeschaltet und bleibt im Bett, sieht fast schon aus, als würde er verrecken. Denke nicht, dass der heute nochmal mit dir Papierkram macht.“ Der Samurai seufzte laut, sah jedoch nicht auf. „Ich hatte es schon befürchtet. Seine Krankheitsverläufe sind immer kurz, aber dafür… dramatisch.“ „Na, wenn du das sagst. Ich geh jetzt auf jeden Fall raus, trainieren.“ „Tu das“, entgegnete der andere, immer noch eher abwesend. „Und ich soll dir von Jiroushin seinen Dank ausrichten. Hier ist heißes Wasser und im Rucksack Pulvermilch mit Anleitung.“ „W… wie bitte?“ Zorro war schon wieder bei der Türe. „Na, du musst dich um Ray kümmern. Jiroushin ist krank, Perona nicht da und irgendwer muss es tun.“ Dulacre sah ihn an, als hätte Zorro von ihm verlangt, auf ein Kleinkind aufzupassen. „Nein. Lorenor, ich fasse dieses Kind nicht an. Soll Jiroushin es holen kommen oder du musst…“ „Ich gehe jetzt trainieren“, unterbrach Zorro ihn eiskalt, „und Jiroushin macht gar nichts. Du bist der Patenonkel, also stell dich nicht so an. Außerdem ist es nicht gerade kompliziert. Baby schreit, Flasche rein. Baby schreit weiter, Windel wechseln, und ansonsten einfach anwesend sein. Du wirst schon überleben.“ Er hörte noch, wie der andere nach ihm rief, aber Zorro sah absolut nicht ein, drauf zu hören. Sollte Dulacre sich doch mit dem Sprössling seines besten Freundes herumschlagen, während er seine blöden Papiere durcharbeitete. Zorro hatte bereits genug eingesteckt und musste jetzt erstmal gucken, wie er sein Training sinnvoll umsetzen konnte. Denn er war immer noch nicht überzeugt, dass eine blöde Uhr ihm irgendwie helfen sollte, dass Lady Loreen ihn nicht mehr so sehr behindern würde. Schnaubend zog er seine Stiefel aus und lief die Treppenstufen hinab. Da er sein Training für die Verwandlungen nicht unterbrechen sollte, musste seine Kleidung in beiden Körpern passen, also würde er barfuß trainieren. Unten angekommen stellte er die Uhr ein. Eine halbe Stunde schien für den Anfang keine schlechte Idee. Dann rannte er los.   Doch sein Training sollte nicht lange gehen. Schon nach wenigen Stunden musste er unterbrechen. Unzufrieden starrte er die kleine Uhr in seiner Hand an, der verdammte Samurai hatte ihn ja vorgewarnt, aber Zorro war unaufmerksam gewesen, nun war sie zerbrochen. Er konnte schon die belehrende Stimme seines Lehrmeisters hören, es versprach eine nervige Unterhaltung zu werden. Aber Zorro war auch immer noch nicht von diesem neuen Vorgehen überzeugt und vielleicht würde ein erneutes Gespräch Klarheit bringen. Denn bisher war es nur nervig gewesen. Er mochte das Gefühl des Verwandelns nicht und das ganze hin und her zehrte nicht nur an seinen Kräften und seiner Geduld, sondern hatte ihn mit der Zeit auch leicht schwummrig werden lassen. Also trat er den Rückweg an, unzufrieden und schlecht gelaunt, wegen dieser ganzen unnötigen Zeitver… und jetzt klang er schon genauso versnobt wie dieser verdammte Samurai! Leise vor sich hingrummelnd stapfte er der Stufen hoch. Seine Balance hatte sehr gelitten, genau wie seine Krafteinteilung, und seine Knie hatten nach der vierten oder fünften Verwandlung immer wieder nachgegeben. Wahrscheinlich war es genau das, was er trainieren sollte, aber da er nicht genau wusste, was das Ziel war – oder der Weg – blieb er schlechtgelaunt, vielleicht auch ein bisschen aus Prinzip. Kaum, dass er das Tor aufgestoßen hatte, konnte er schon Schritte hören. „Komm mir jetzt nicht so“, fing er an, als die Türe, die Richtung Bibliothek und Kaminzimmer führte, aufgerissen wurde. „Ich weiß, du hast es mir vorher gesagt, und dennoch habe ich…“ Mit großen Augen starrte der Samurai ihn an, seine sonst so ordentliche Frisur zerzaust. Etwas stimmte nicht. „Lorenor! Komm mit!“ Ohne ein weiteres Wort schnellte er herum und jagte zurück und Zorro folgte, ohne Fragen zu stellen. Aber je näher sie dem Kaminzimmer kamen, desto mehr verging seine Anspannung und desto genervter wurde er, als ihnen lautes Geplärre entgegenkam. „Es hört nicht auf!“, erklärte Dulacre, dessen Geduldsfaden offensichtlich gerissen war, und führ sich durch die Haare. „Ich habe getan, was du sagtest, aber es will nicht trinken und schreit die ganze Zeit. Mach, dass es aufhört!“ Es war ein seltsames Gefühl. Er wusste nicht, ob der andere ihn verarschte oder ob er es wirklich ernst meinte. Beides pisste Zorro an. „Du weißt schon, dass Ray kein Es ist?“, murrte er trocken über das Plärren hinweg. „Das ist mir gleich! Sorge dafür, dass dieses Kind aufhört zu schreien, bevor ich mich vergesse.“ „Mann, bist du nervig.“ Zorro schritt Richtung Wiege, die vor Gebrüll nur so wackelte. „Hast du die Milch gemacht?“ „Natürlich, nach Anleitung. Aber es trinkt nicht. Ich weiß nicht, was es will. Einer, der furchtbaren Eigenschaften von Kleinkindern, dass sie ihre Ansprüche nicht verbalisieren.“ Kurz sah Zorro den anderen kopfschüttelnd an, dann beugt er sich mit einem Seufzen über das Bettchen. Die kleinen Babybäckchen waren schon rot und aufgeplustert, das Stimmchen vom vielen Schreien heiser. Die Flasche Milch lag unbeachtet neben den wütenden Fäustchen, die um sich schlugen. Aber Zorro wusste, was los war. „Bist du ein Vollidiot, oder was? Bei dem Gestank ist doch klar, was los ist. Die Windel ist voll, hätte auch keine Lust in meiner eigenen Scheiße liegend zu trinken.“ Er richtete sich auf und sah den anderen an, der fassungslos zurückstarrte. „Warte, du willst mir echt erklären, dass du nicht auf die Idee gekommen bist, die Windeln zu wechseln?“ Er betrachtete diesen erwachsenen Mann, der als einer der stärksten und furchtlosesten Menschen der Welt galt, überlegener Stratege und kluger Kopf, aber ihn gerade ansah, als würde Zorro sich erdreisten, von ihm zu erwarten, dass er einem Baby die Windeln wechselte. „Tze, was bist du nur für ein Patenonkel.“ „Lorenor, und was tust du da?“, kam die misstrauische Reaktion, als er sich wieder über das Bettchen beugte. „Wonach sieht’s denn aus? Perona ist nicht da, Jiroushin erstickt an seiner eigenen Rotze und du bist anscheinend nicht in der Lage, irgendetwas zu tun, und ich krieg langsam Kopfschmerzen von diesem Rumgebrülle, also werde ich jetzt die Windeln wechseln.“ Mit dem schreienden und um sich schlagenden Balg im Arm richtete er sich auf und ging zum Tisch herüber, wo der Rucksack stand, hoffte einfach mal, dass da alles drin sein würde, was er brauchte. „Weißt du überhaupt, wie das geht?“, meinte der andere skeptisch. „Nicht wirklich, aber was ist die Alternative? Und so schwer kann das ja nicht sein. Aber eigentlich solltest du das machen, schließlich bist du hier der Patenonkel.“ „Auf keinen Fall“, lehnte der Samurai herablassend ab. „Ich habe Jiroushin von Anfang an gesagt, dass ich die formellen Anforderungen erfüllen werde, aber…“ „Es ist ein Baby, du Snob, da gibt es keine formellen Anforderungen. Wenn es schreit, muss man sich drum kümmern. Ich brauche irgendeine Unterlage oder willst du, dass ich das ich es auf dem blanken Tisch mache?“ Der Samurai schnalzte missbilligend mit der Zunge, kam aber immerhin herüber und öffnete den Rucksack. „Ich meine, ich habe hier eben Tücher gesehen.“ Immer wieder warf er einen abschätzigen, fast schon argwöhnischen Blick auf das brüllende Bündel in Zorros Arm. Zorro wusste nicht, warum ihm gerade jetzt Peronas Worte in den Sinn kamen, aber der Samurai sah schon wirklich misstrauisch drein, obwohl die Situation einfach nur nervig und frustrierend war, vermutlich für das Baby unter ihnen – wortwörtlich, nicht Dulacre, auch wenn er sich wie eines anstellte - am meisten, so hilflos und der Gnade anderer ausgesetzt. Da wäre Zorro auch zum Heulen zumute. „Ist da auch ne Windel drin? Und… irgendwas zum sauber machen?“, fragte er, als der Samurai ein Tuch vor ihm ausbreitete. „Ja, ich denke, dies hier könnte eine Windel darstellen. Hier sind auch Tücher und das verbliebene Wasser, was du eben brachtest, müsste noch warm sein.“ Irgendwie kam Zorro sich vor, als würde er einen auf Chopper machen. Nur dass er keine Ahnung hatte, was Chopper machte, oder wie man Windeln wechselte. „Na komm“, brummte er dem schreienden Knäuel zu, als er es auf dem Tisch ablegte und Dulacre die anderen Sachen parat stellte, „wird nicht besser, wenn du dich wehrst.“ Der Samurai seufzte: „Ich muss dich enttäuschen, Lorenor, aber es wird dich nicht verstehen.“ Trocken sah Zorro den anderen an. „Das hatte ich auch nicht erwartet.“ Kopfschüttelnd begann er, das kleine Ding auszupacken. „Mal ehrlich, wie konntest du diesen Geruch so lange… Du warst in der Bibliothek?“ Der Blick des anderen war Antwort genug. „Du meine Güte, lass das bloß nicht Jiroushin hören.“ „Es hat geschlafen. Und als es anfing, zu schreien, bin ich gucken gekommen.“ „Ja, sicher“, murrte Zorro nur, während der andere sich aufstöhnend abwandte, als Zorro die Windel öffnete und es nun wirklich ziemlich beschissen roch. Ohne die Miene zu verziehen, zog er das volle Ding weg und rollte es irgendwie zusammen, damit es nicht mehr ganz so schlimm stank. Dann zog er sich das Tuch heran, welches der Samurai in Wasser getränkt hatte, und versuchte, irgendwie alles halbwegs sauber zu machen, während er mit der anderen Hand das Kind bändigen musste, was natürlich immer noch rumschrie; ein Wunder, dass Jiroushin davon noch nicht aufgewacht war. „Ich brauch noch ein Tuch“, grummelte er und warf das dreckige zur dreckigen Windel. Der Samurai tat, wie ihm geheißen, noch blasser als sonst. „Woher kannst du das nur?“ Er klang fast beeindruckt. „Woher kann ich was?“, entgegnete Zorro eher genervt, dass dieser Mistkerl sich so anstellte. „Was dreckig ist, macht man sauber, so wie bei sich selbst, so kompliziert ist das jetzt auch nicht.“ Dann nahm er ein trockenes Tuch und fuhr nochmal überall nach, was bei den tretenden Beinchen gar nicht so einfach war. „Wenn du die Beine brechen würdest, wäre es wohl einfacher, da es sich nicht mehr so sträuben könnte“, warf der andere wenig hilfreich ein, und Zorro war sich nicht sicher, ob es Ironie war oder vielleicht auch nicht. „Allerdings würde es dann vermutlich gar nicht mehr aufhören, zu schreien.“ „Reich mir mal eine der Windeln“, murmelte Zorro und entschied, diesen Kommentar nicht mal mit einer Reaktion zu würdigen, nur für den Fall, dass es doch ernstgemeint gewesen war. Auch das machte der andere widerstandslos, wobei er sich natürlich weiter beschwerte: „Es ist doch jetzt sauber, warum hört es nicht auf?“ Augenrollend bemühte Zorro sich, die Windel anzuziehen, aber bei all den Knöpfen und Laschen war er doch etwas überfordert. Er empfand den Samurai als deutlich anstrengender. „Keine Ahnung, vielleicht Hunger?“, murrte er nur unzufrieden, als schon wieder ein Knopf nicht gehorchen wollte. „Muss das so rum?“ Mehrmals platzte ihm die Stoffwindel auf, da er sie anscheinend noch nicht richtig anzog. Auch der Samurai war ihm dabei keine Hilfe, der immer wieder einen neunmalklugen Kommentar fallen ließ, aber eigentlich nur nervig war. „Noch ein Wort und du kannst es selbst machen“, knurrte er den anderen an, der nur abwehrend die Hände hob, aber endlich hatte Zorro es geschafft. „Na, das sieht doch ganz gut aus.“ Ray weinte immer noch, schien aber mittlerweile schon müde genug, dass Zorro die kleinen Ärmchen und Beinchen ohne viel Gegenwehr in die Babyklamotten stopfen konnte. „Warum hört es denn nicht auf?“ „Mann, hast du nicht zugehört? Und seit wann sparst du am Einsatz deiner grauen Zellen? Du hast genug davon, also nutze sie“, murrte Zorro und hob den kleinen Quälgeist hoch. „Lorenor, du bist… Oh…“ Zorro war zum Kinderbett hinübergegangen und hatte das Fläschchen geholt. Es hatte nur einen Moment gedauert und nun nuckelte Ray ganz eilig, obwohl immer noch der ein oder andere wütende Hickser rauskam. Erleichtert atmete Zorro auf, endlich war es bis auf ein leises Moppern still; seine Ohren taten schon weh. „Du hast es zum Schweigen gebracht.“ „Sag so einen Mist nicht. Das klingt fast so, als hätte ich das Kind deines besten Freundes umgebracht.“ Kopfschüttelnd warf er einen Blick auf den anderen, ehe er sich wieder auf das Kind in seinem Arm konzentrierte. „Aber was ist denn mit dir los, dass du dich so anstellst, sobald ein Kind anwesend ist? Wir hätten all das hier verhindern können, wenn du einfach von Anfang an hiergeblieben wärst und rechtzeitig die Windel gewechselt hättest.“ „Diese Option bestand nicht“, lehnte der andere direkt ab, ohne sich zu erklären. Dann begann er aufzuräumen und brachte die schmutzigen Leinen weg, wohin auch immer, Zorro war es egal. Als die Flasche leer war, stellte er sie weg und trotz kleinerer Quengelei war es offensichtlich, dass der Schlaf nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Seufzend schritt Zorro durch den Raum, gab einen ruhigen Rhythmus mit seinen Armen vor und hoffte, dass Ray bald nachgeben würde. Zorro war genervt. Erst hatte Dulacre ihn für Tage nicht trainieren lassen, dann hatte er ihr Training einfach um weitere Tage verschoben – gerade nachdem er gegen Shanks gekämpft hatte und endlich wusste, was das Ziel war – und nun musste Zorro auch noch Babysitter spielen, nur weil der Samurai selbst sich zu fein dafür war. Gleichzeitig konnte er schlecht wütend auf das Kind in seinem Arm sein – nein, er gab die ganze Schuld dem verdammten Samurai! – und als die kleinen Äuglein endlich zufielen, merkte er, dass es ihm schwerfiel, sauer zu bleiben, auch wenn er sich echt bemühte. Irgendwie hatte dieser leise, ruhige Atem eine besänftigende Wirkung. „Wieder mal überraschst du mich, Lorenor. Du scheinst gut mit Kindern umgehen zu können, dabei hattest du doch noch gesagt, dass du dich nicht zum Vater eignen würdest.“ Er sah nicht mal auf, sondern schritt weiter gleichmäßig durch den Raum, traute dem Frieden noch nicht. „Nur weil ich ein Kind sich nicht heiser schreien lasse, heißt das noch lange nicht, dass ich einen guten Vater abgegeben würde“, murrte er, nun wieder schlechter gelaunt. „Jeder kann ein paar Stunden auf ein Kind aufpassen – fast jeder, du offensichtlich nicht! – aber das heißt noch lange nicht, dass man selbst Kinder haben sollte.“ „Und dennoch hast du nicht mal gezögert.“ „Weil du dich wie ein Vollidiot aufgeführt hast.“ Nun sah er doch auf und funkelte den anderen wütend an. Doch Dulacre zeigte ein fast schon neugieriges Lächeln und er begutachtete Zorro, als wäre er eine seltsame Spezies. „Tze, was auch immer.“ Zorro wirbelte herum und ging weiter in seinem langsamen Rhythmus, während seine Wangen warm wurden. „Vielen Dank, Lorenor. Ohne dich wäre es noch ein sehr anstrengender Abend geworden.“ „Nein, ohne mich hättest du es einfach nur selbst machen müssen. So schwer ist das wirklich nicht und du…“ Er hielt inne und drehte sich langsam zum anderen herum. „Kann es sein, dass du noch nie ein Kind gehalten hast?“ Nun neigte der Samurai leicht den Kopf, als wäre Zorros Verhalten das ungewöhnliche unter ihnen. „Natürlich nicht, was für eine Frage. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen Gesprächspartner hatte, dessen Alter noch nicht das Dutzend voll hatte.“ Es sollte Zorro nicht wirklich überraschen, schließlich mochte Dulacre im generellen keine Menschen und Kinder hatten mit Sicherheit richtig Schiss vor ihm, aber irgendwie erklärte es einiges. Es war nicht so, als ob Zorro selbst wirklich viel Ahnung von Kindern hatte, aber sowohl im Dojo als auch auf seinen Reisen war er immer mal Jüngeren begegnet, Kindern begegnet, sogar Babys. Er hatte sich nie wirklich Gedanken darum gemacht, Kinder waren nervig, aber sie waren nun mal da und sie waren nun mal auf Hilfe angewiesen. Wieder fielen ihm Peronas Worte ein. „Willst du Ray mal halten?“, fragte er nach. „Schließlich bist du doch der Patenonkel.“ „Oh nein, kein Bedarf“, winkte der andere ab mit einem leisen Schnauben und ging zu seinem Sessel hinüber, „für sowas hat man Kindermädchen. Ich sehe keine Notwendigkeit, dieses Kind in den Händen zu halten.“ Zorro fällt eine Entscheidung. „Es gibt hier aber keine Kindermädchen“, murrte er kühl. „Es gibt nur dich, mich und Jiroushin unten im Bett. Aber so, wie ich ihn kenne, wird er spätestens auf der Taufe ein Foto von dir und Ray machen wollen. Wäre natürlich mega peinlich, wenn du dann nicht mal wüsstest, wie man ein Baby festhält. Vor der ganzen Cho-Familie. Sie werden dir alle zeigen wollen, wie es richtig geht und es wird wahrscheinlich das Thema beim Essen sein. Der große Mihawk Dulacre, der Angst davor hat, ein Baby zu halten.“ Er grinste breit, doch der Samurai starrte ihn genervt an. „Ich erkenne, was du vorhast, Lorenor“, bemerkte er aus zusammengekniffenen Augen. „Und? Funktioniert es?“, entgegnete Zorro nur und hielt diesem Blick viel zu einfach stand. Mehrere Atemzüge dauerte es, bis der Stolz des anderen siegte und erneut schnaubte er auf, ehe er sich erhob. „Nun gut. So schwer kann es ja nicht sein, wenn selbst du es hinbekommst.“ „Noch so nen Kommentar und ich petzt Jiroushin, dass du sein Kind unbeaufsichtigt gelassen hast, während er krank im Bett lag.“ „Das ist eine leere Drohung, Lorenor. Zum einen wissen wir beide, dass du von solchen Aktionen nicht viel hältst, und es ist ganz offensichtlich, dass ich nicht mal versuchen werde, es vor Jiroushin zu verbergen. Ich habe es ihm gesagt, ich eigne mich nicht als Babysitter.“ Kurz sahen sie einander an, dann gab Zorro nach und rollte nur mit dem Auge. Doch es war der Samurai, der nervös mitten im Raum stand, als Zorro auf ihn zuschritt. „Genau, einfach so halten“, murmelte Zorro und bettete Ray in Dulacres Arme, der wie erstarrt dastand. „Guck, dass der Kopf gegen den Arm lehnt und nicht nach hinten umknickt und viel mehr kann eigentlich nicht passieren.“ Er sah zum Samurai auf, der mit einem unleserlichen Gesichtsausdruck das Kind in seinen Armen ansah. Ob er je ein Baby aus der Nähe gesehen hatte? „Und…was jetzt?“, fragte er argwöhnisch. „Nichts jetzt. Ray schläft, du kannst dich einfach hinsetzen, was rumlaufen oder was auch immer. Ich gehe mir auf jeden Fall jetzt mal die Hände waschen.“ „Warte, Lorenor, du kannst doch nicht einfach…“ „Du hast ein Kind im Arm, keine Bombe. Es wird nichts passieren, solange du ruhig bleibst.“ „Eine Bombe wäre mir deutlich lieber.“   Als Zorro wenige Minuten zurückkam, ging der Samurai mit Ray im Arm so im Raum herum, wie Zorro es eben noch gemacht hatte. Er schien sogar Zorros Rhythmus zu kopieren, obwohl dieser keinen tieferen Sinn gehabt hatte. Aber immer noch war die Nacht ruhig und das Schloss noch nicht niedergebrannt, Zorro wertete dies als Erfolg. „Ich habe nachgedacht, Lorenor“, sprach der Samurai und sah kurz zu ihm auf, ehe er seinen Blick wieder senkte, als wäre das Halten eines Babys eine Aufgabe, die höchste Konzentration forderte, „und ich möchte dich etwas bitten. Mir wohl bewusst, dass du derzeit wahrscheinlich alles andere als gut auf mich zu sprechen sein musst. Man kann deiner Aura regelrecht ansehen, wie unzufrieden du bist.“ „Überrascht dich das?“, murrte Zorro. „Erst lässt du mich tagelang Däumchen drehen, dann vertagst du unser Training um weitere Tage und jetzt muss ich auch noch als Kindermädchen herhalten, weil du damit überfordert bist, ein Kind zu halten.“ Mit verschränkten Armen lehnt er sich gegen den Essenstisch. „Also? Was willst du von mir?“ Dulacre seufzte. „Sollte es Jiroushin morgen noch nicht besser gehen, könntest du dir vorstellen, ihn zu begleiten? Ich würde es selbst tun, allerdings fehlt mir die Zeit auf einem behäbigen Marinefrachter Stunden zu vergeuden. Ich muss morgen früh mit dem Sargboot aufbrechen, um rechtzeitig auf Sasaki anzukommen. Ich werde nun weitere Termine wahrnehmen müssen, da ich auf Jiroushins Unterstützung auf der Versammlung wohl nicht zählen kann. Aber ich könnte dich nach deiner Ankunft bei Jiroushin abholen.“  Zorro wollte den anderen schon anmaulen, was dieser Mist denn jetzt sollte, doch dann hielt er inne und dachte nach. „Warum willst du, dass ich das mache? Traust du den Soldaten etwa zu, ihren eigenen Vorgesetzten in einem Moment der Schwäche zu hintergehen? Oder glaubst du, dass keiner der Väter und Mütter an Bord einen besseren Babysitter abgeben könnte als ich?“ Nun schaute der andere ihn wieder so herablassend an, wie Zorro es von ihm kannte. „Dein Sarkasmus ist unerwünscht. Aber selbst, wenn dies Gefahren nicht bestünden“ – „Sie bestehen nicht, du Vollidiot.“ – „so kann doch nicht außer Acht gelassen werden, dass Jiroushin in seiner derzeitigen Verfassung nicht kampffähig ist, und ich muss dich mit Sicherheit nicht über die Kampfkraft von gewöhnlichen Marinesoldaten aufklären.“ Zorro schwieg, während der andere weiter seine Runden ging, versuchte die Beweggründe des anderen zu verstehen. „In Ordnung“, entschied er unter dem überraschten Blick des anderen, der mit Sicherheit mit mehr Widerstand gerechnet hatte. „Aber nur unter einer Voraussetzung.“ „Und die wäre?“, fragte Dulacre misstrauisch nach. Zorro hob die zerbrochene Uhr hoch. „Ich verstehe, was du von mir willst, aber ich verstehe weder, wie ich es genau umsetzen, noch was es mir bringen soll. Und ich will, dass du es mir so lange erklärst, bis ich es auch wirklich kapiere.“ Der Samurai neigte leicht den Kopf und begutachtete die Uhr. „Dabei ist es doch wirklich nicht so schwer zu verstehen. Aber nun gut, meinetwegen, sofern du mir endlich dieses Balg ab… Oh.“ Er hatte seinen Blick wieder auf das Baby in seinem Arm gesenkt und war stehen geblieben. „Was ist los?“, murmelte Zorro, während der andere unleserlich Ray anstarrte. „Es ist seltsam“, murmelte Dulacre dann ruhig, „aber gerade… was für eine grausame Waffe.“ „Hä?“ Jetzt wurde Zorro langsam misstrauisch. „Wovon redest du? Was für eine Waffe?“ „Na, dieses Kind. Es… es lächelt wie Jiroushin.“ Kapitel 19: Extrakapitel 16 - Stellvertreter -------------------------------------------- Extrakapitel 16 - Stellvertreter   -Zorro- Zu sagen, er wäre schlecht gelaunt, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Die letzten Tage waren nervig gewesen, so nervig! Zunächst war alles gut gewesen. Dulacre hatte zwar Zorros ultimatives Training unnötigerweise unterbrochen – es waren doch hauptsächlich innere Blutungen gewesen, also nichts zum drüber aufregen – aber dafür hatte Zorro dann plötzlich die Gelegenheit gehabt, gegen den roten Shanks höchstpersönlich zu kämpfen und das war… echt cool gewesen. Aber, obwohl der Samurai Zorro versprochen hatte, dass sie am Tag darauf weitertrainieren würden, war daraus nichts geworden, weil Jiroushin plötzlich aufgetaucht war, irgendetwas wegen irgendeiner Versammlung gequatscht hatte, Ray im Arm, nur um am Tag darauf wie ein Sterbenskranker im Bett zu bleiben. Zorro wusste, dass noch ein paar Tage Schonfrist für seinen Körper vielleicht gar nicht schlecht waren, aber ihm fehlte die Ruhe dafür, und selbst das komplizierte Übergangstraining, was Dulacre sich für Zorro überlegt hatte, damit er seinen weiblichen Körper besser trainieren konnte, hatte im Endeffekt ausfallen müssen, weil Zorro Ray und Jiroushin auf deren Heimatinsel begleitet hatte – natürlich als Loreen, sonst wäre es wohl an Bord des Marinetankers etwas schwierig geworden – und auch, wenn Lirin eine freundliche Gastgeberin war, so war Zorro doch wirklich entnervt und froh gewesen, als der Tag endlich zum Ende gekommen war und er sich hatte zum Hafen aufmachen können, wo der Samurai ihn aufsammeln sollte. Und genau das war der Grund, warum er wirklich angepisst war. Die Sonne war schon lange untergegangen, es war dunkel, der Horizont nicht mehr als eine blutrote Linie, die das nachtschwarze Meer vom ebenso dunklen Himmel trennte. Und Dulacre war nicht da! Zorro war wirklich alles andere als gut gelaunt. Er starrte das Meer an, auf dem Steg, wo er stand, die Arme verschränkt, versucht, sich zu verwandeln und einfach los zuschwimmen, aber brav wartete er, während der Samurai sich seine Zeit ließ. Freiwillig – mehr oder weniger – hatte Zorro den vor sich hinleidenden Vizeadmiral und dessen Kleinkind begleitet, er hätte es nicht gemusst, es war ein Gefallen gewesen. Daher konnte er das schlecht jemand anderem zur Last legen. Aber es nervte ihn, wie viel Zeit er verlor, wieder mal, mitten in einem Training, was sie nur unterbrochen hatten, weil Zorros anderer Körper zu schwach gewesen war. Er war unzufrieden, er war wütend und sein inneres Monster machte es nicht besser. Die Ungeduld in seiner Magengegend war kaum auszuhalten. Er musste weiterkommen, stärker werden. Er durfte nicht noch mehr Zeit verschwenden, er musste trainieren, er musste… Da sah er es, endlich sah er das kleine Sargboot, was zügig auf den Hafen zusteuerte und ohne drüber nachzudenken, rannte Zorro los und sprang mit all seiner Kraft in diesem schwächlichen Körper vom Steg ab. Doch er hatte sich verschätzt, die Wut hatte ihm unnötige Kraft gegeben und er hatte die Entfernung nicht richtig wahrgenommen. Beinahe flog er über das kleine Schiff hinweg. „Uah!“ Aber wie zu erwarten, packte eine starke Hand seinen Oberarm und so baumelte Zorro über dem Wasser, in das er nur nicht gefallen war, weil der Samurai rechtzeitig aufgesprungen war. „Was soll das denn werden?“, fragte ebendieser mit einem herablassenden Schnauben. „Du bist spät dran!“, knurrte Zorro, als der andere ihn auf Deck zog. „Du wolltest vor Sonnenuntergang hier sein! Du hast gesagt, wir würden heute…“ Laut stöhnte Dulacre auf und ließ sich auf seinen Thron fallen. „Könntest du nur ein einziges Mal damit aufhören?“, herrschte er nun Zorro an mit ausufernden Armbewegungen. „Ich weiß! Ich weiß! Jede Sekunde, die du nicht trainieren kannst, ist eine Zumutung für dich. Und alles in deinem Leben dreht sich um deine Crew und deinen Traum, alles andere muss sich dem unterordnen. Aber tut mir ja leid, doch wir Erwachsenen haben diesen Luxus nicht! Es gibt auch andere Dinge, die manchmal einen Plan zerwerfen, und um die wir uns kümmern müssen, egal wie sehr uns das missfallen mag.“ Zorro war absolut nicht bereit, dieses Mal klein beizugeben. „Aber du hast…“ „Es tut mir leid, dass ich zu spät bin!“, fuhr der andere ihn an, während sich das Sargboot wieder in Bewegung setzte. „Es tut mir leid, dass du warten musstest und ich unsere Abmachung nicht eingehalten habe. Aber das ist alles, was ich bereit bin, heute einzugestehen, Lorenor. Ich verstehe deine schlechte Laune, aber damit kann ich mich heute nicht auch noch herumschlagen. Also hör auf, dich wie ein unerzogenes Gör zu beschweren und akzeptiere die Fakten. Morgen ist die Sitzung und bis dahin sind deine Probleme ausnahmsweise mal nicht der Dreh- und Angelpunkt meines Denkens. Ob es dir passt oder nicht, wenn du von mir unterrichtet werden willst, dann musst du dies jetzt einfach aushalten.“ Dulacre lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme, schloss die Augen. Viel mehr seiner Mimik konnte Zorro im flackernden Licht der Sargkerzen kaum ausmachen. Zorro war wütend und sah absolut nicht ein, sich wieder mal zurückzunehmen, nur weil der andere einen schlechten Tag hatte – schließlich war er nicht derjenige gewesen, der Babysitter für ein furchtbar wehleidiges und jammerndes Baby hatte spielen müssen, und Ray war ja auch noch dabei gewesen – aber gerade, als Zorro den Mund öffnete, hob der andere eine Hand. „Sei so wütend wie du willst, aber es wird heute keine Diskussion geben. Ich bin müde, also sei so gut und strafe mich mit Schweigen.“ Seine Fäuste zitterten, er war drauf und dran dem anderen eine reinzuschlagen und er wusste, dass Dulacre das wusste, spüren konnte. Wollte er Zorro provozieren? Wollte er, dass Zorro dieser Wut nachgab? War das hier wieder mal ein Spiel mit doppeltem Boden und gezinkten Karten? Oder war es einfach nur ein Streit? Oder waren sie beide einfach nur von der derzeitigen Situation angepisst und konnten nichts dran ändern, sodass sie es am jeweils anderen ausließen? Aufschnaubend ließ Zorro sich zwischen den Kerzen auf die niedrige Balustrade fallen, brachte das Boot zum Wanken. Er wusste es nicht und es war ihm auch egal. Dann eben so, bekam dieser Mistkerl halt sein Schweigen, ihm doch egal. Selbst Yorus beständiges Summen konnte ihn nicht besänftigen. Er wollte nicht auf das Schwert hören. Natürlich ergriff es Partei für den Mistkerl, der es Blut schmecken ließ, und Zorro wollte davon nichts hören. Vor einer Woche hätte die derzeitige Situation ihn vielleicht nicht so sehr aufgeregt, aber nach dem Kampf gegen Shanks… es war frustrierend, so unglaublich frustrierend. Er rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht, durch die Haare, hielt sich den steifen Nacken, sah zum Himmel mit unzähligen Sternen hinauf. Wie konnte es dem Samurai egal sein? Er hatte es doch auch gesehen! Was Zorro in diesem Moment gespürt hatte! Was er getan hatte! Im Kampf gegen Shanks, dank Yoru! Warum also? Warum also brannte er nicht genauso wie Zorro darauf, dass sie endlich weitertrainieren würden? Oh. Verdammt! „Urgh!“ Wenn Zorro so darüber nachdachte, dann war er benahm er sich gerade wie ein richtiger Mistkerl. Wobei, nein, der Samurai war der Mistkerl, aber Zorro war der Vollidiot, der nicht zwischen den Zeilen lesen konnte, und sich daher kein Stück besser verhielt. „Sorry“, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen also hervor, weigerte sich jedoch, den anderen anzusehen, sondern starrte mit verschränkten Armen aufs Meer hinauf, „war nicht so gemeint.“ Doch er bekam noch nicht mal eine Antwort! „Arroganter…!“ Er war eingeschlafen. Dulacre saß mit verschränkten Armen auf seinem Thron, der Kopf zur Seite gelehnt, die Augen geschlossen, der Mund leicht geöffnet, gleichmäßig am Atmen. Langsam hockte Zorro sich wieder hin und in Stille setzte das kleine Sargboot seinen Weg fort.   Als das Sargboot dem kleinen Anlegehafen von Sasaki nahekam, stand der Samurai auf, als wäre nichts gewesen, verließ das Boot und vertäute es, ehe Zorro sich ebenfalls erhob und von Bord ging. Er wunderte sich kurz, warum sie nicht den etwas längeren Umweg ums Dorf herumgingen – was er bevorzugte, weil um diese Uhrzeit noch recht viele Leute unterwegs waren, die ihn in seiner derzeitigen Gestalt natürlich alle grüßten, worauf er überhaupt keinen Bock hatte – aber er hielt den Mund. Die Situation war immer noch beschissen, aber er wollte nicht erneut einen Konflikt heraufbeschwören; er hatte nicht das Gefühl, dass es derzeit irgendetwas bringen würde. Mit einem hatte der Samurai zumindest Recht, egal was war, vor dem Ende der Versammlung würde Zorro diese Insel hier nicht verlassen können, also brachte es nichts, sich drüber aufzuregen. Mittlerweile hatten sie das kleine Städtchen hinter sich gelassen und gingen durch den dunklen Wald, gemächlichen Tempos. Doch kaum hatten sie den Wald verlassen und konnten in der Dunkelheit die einzelnen Lichtpunkte ausmachen, welche die Nähe des alten Herrenhauses verkündeten, da eilte bereits eine dunkle Gestalt auf sie zu. „Junger Herr!“ Es war die Haushälterin der Familie Mihawk, die fast schon panisch ihnen entgegenkam. „Da seid Ihr ja, ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht!“ „Kanan, bitte, senken Sie Ihre Stimme, Sie sind zu laut.“ „Ihr hättet doch nicht mehr auslaufen müssen, junger Herr. Ich hätte eines meiner Kinder schicken können.“ Nun stand sie vor ihnen, zerknüllte die Schürze zwischen ihren Händen. „In Eurem derzeitigen Zustand sich allein auf hohe See zu begeben, ist äußerst gefährlich.“ „Hören Sie auf so einen Unsinn zu…“ „Zustand?“, hakte Zorro nach und sah misstrauisch zwischen den beiden anderen hin und her. „Was ist hier los?“ „Nichts ist los“, knurrte der Samurai mit einer verwerfenden Handbewegung. „Kanan übertreibt mit ihrer unnötigen und absolut unangebrachten Sorge. Es ist wirklich…“ „Junger Herr, vergebt mir, aber ich muss widersprechen. Ein Blinder könnte sehen, wie schlecht es Euch geht, und wenn Cho Jiroushin erkrankt ist, dann…“ „Lassen Sie dieses Ammenmärchen“, murrte der andere und schritt an der Haushälterin vorbei. „Nur weil Jiroushin und ich einmal in frühester Kindheit gleichzeitig erkrankt waren – wie die halbe Insel überdies – müssen Sie nicht jedes Mal eine solche Szene machen, wenn dessen Immunsystem wieder mal versagt.“ Den ganzen restlichen Weg zum Herrenhaus stritten die beiden über irgendwelche Kinderkrankheiten, die Dulacre gehabt oder eben nicht gehabt hatte. Zorro begutachtete währenddessen den Samurai, als sie in den hell erleuchteten Flur traten. Doch er konnte nichts sehen, was laut Kanan selbst für einen Blinden offensichtlich war. Dulacre sah aus wie immer, blasse, harte Gesichtszüge, unterstrichen von seinem gestutzten Bart und seinen perfekt angelegten Haaren, stechende Augen, die auf Kanan herabsahen, ein weißes Hemd, mit viel zu vielen Rüschen. Nichts an ihm sah in irgendeiner Form so aus, als wäre der Samurai krank oder auch nur angeschlagen, insbesondere nicht im Vergleich zu Jiroushin, dem ein Soldat hatte Hühnerbrühe füttern müssen, nachdem Zorro sich entschieden geweigert hatte. „Wie dem auch sei“, unterbrach der Samurai nun wieder Kanan, „ich muss noch einiges für morgen vorbereiten. Das Abendessen kann ohne mich stattfinden, ich möchte einfach nur meine Ruhe haben.“ Dann wandte er sich Zorro zu: „Mir ist gleich, in welcher Gestalt du dich hier aufhalten möchtest, aber vergiss bitte nicht, dass wir nicht auf Kuraigana sind. Sei achtsam, verstanden?“ Zorro hob nur eine Augenbraue an, entgegnete aber nichts. War ja nicht so, als hätte der Samurai ihn mit dessen besten Freund mitgeschickt, nur für den Fall, dass etwas passieren würde, wohl wissend, dass Zorro sich dann im Zweifel hätte verwandeln müssen. Da ihm nicht wirklich etwas anderes übrigblieb, folgte er Kanan in die Küche und half ihr beim Kochen – also er saß dabei und sie redete unablässig darüber, wie schlecht der Samurai aussah und dass er ins Bett gehörte – ehe sie zu Abend aßen und Zorro dann eigentlich nur noch schlafen wollte. Der Tag war nervig gewesen und er hoffte, dass der kommende besser werden würde. Er hatte sich schon verwandelt und umgezogen und stand nun im Bad des Gästezimmers und konnte sehen, wie sein Spiegelbild über ihn urteilte. Die ganze Situation nervte ihn, dass ihm wieder Tage verloren gingen und er hier auf Sasaki abwarten musste, bis der Samurai seinen Mist geregelt hatte, nervte ihn. Dass er nicht trainieren konnte, nervte ihn. Aber es war nicht das erste Mal, dass solche Dinge passierten, gerade wenn Eizen ihn einforderte, waren es immer mehrere Tage, die wegen irgendetwas Unwichtigem draufgingen, und hier schien es zumindest etwas Wichtiges zu sein. Aufstöhnend gab er nach, blieb kurz vor der Türe stehen, aber er hatte sich bereits entschieden. Also klopfte er an und trat ins Arbeitszimmer des Samurais. Dieser war soeben aufgestanden und schien eine Vielzahl von Unterlagen zu ordnen. „Lorenor, was kann ich für dich tun?“, fragte er, offensichtlich überrascht, und ließ die Papiere in seinen Händen sinken. „Ich hoffe doch, du möchtest mich jetzt nicht noch zu einer Trainingseinheit überreden. Wenn dies deine Absicht sein sollte, dann…“ „Komm mal runter“, murrte Zorro und winkte ab. „Ich bin nicht hier zum Streiten, okay?“ „Und warum dann?“ Dulacre fuhr mit seiner Tätigkeit fort. „Wenn Kanan dich geschickt hat, dann Nein, danke, ich bin nicht hungrig und…“ „Niemand hat mich geschickt, ich will auch nicht diskutieren, ich will nur…“ Zorro zögerte, als er langsam die Türe hinter sich zuzog, dann seufzte er erneut auf. „Sorry, wegen der letzten Tage. Weiß gar nicht, was los ist, warum ich so gereizt bin, aber ich hab mich im Ton vergriffen, hätte ich nicht tun sollen.“ Mit großen Augen sah der Samurai ihn an, ehe er schließlich lächelnd den Kopf schüttelte und weiter Papiere sortierte und wegräumte. „Wieder einmal verblüffst du mich, Lorenor, dabei verstehe ich deine Anspannung sehr wohl.“ „Ach?“ Nun war Zorro der Überraschte. „Natürlich. Es würde nicht für dich sprechen, wenn du nach deinem Kampf gegen den roten Shanks diese verschwendeten Tage geduldig abwarten würdest. Nein, ich verstehe dich sehr gut, glaube mir, und ich wünschte, ich müsste nicht wertvolle Zeit mit Verwaltungstätigkeiten vergeuden.“ Zorro zuckte mit den Schultern, eher stutzig von dem gemäßigten Ton des anderen. „Schon okay, scheint ja was Wichtiges zu sein, oder? Kanan hat gesagt, es geht um irgendeine Gruft oder so? Sie sagte, du könntest das nicht einfach so entscheiden, sondern musst die anderen Stimmberechtigten überzeugen. Warum? Bist du nicht der Herr der Inseln, ich dachte, dein Wort ist hier Gesetz?“ „Ich wünschte, es wäre so“, seufzte Dulacre auf und räumte mehrere Ordner weg. „Aber leider geht es in diesem Fall um uralte Entscheidungen, die meine Vorfahren gefällt haben und die ich nicht einfach ignorieren kann. Ich muss einen sehr schmalen Grat gehen, um meinen Willen durchzusetzen, ohne dabei meine Autorität als Mihawk selbst zu untergraben. Am sinnvollsten kann ich dies erreichen, wenn ich schlicht die einfache Mehrheit erziele. Ach, Demokratie kann so unnötig sein.“ All diese Worte ergaben für Zorro wenig Sinn. Aber er hatte ja schon öfters festgestellt, dass politische Strategien nicht unbedingt logisch waren. „Und worum genau geht’s?“, fragte er stattdessen. „Ach, um nichts Interessantes. Die Familie Mihawk ruht seit jeher in einer Gruft auf dem Friedhof der Insel Suzuno. Dabei werden normalerweise die sterblichen Überreste aufgebahrt, damit die Überlebenden ihnen die Ehre erweisen können.“ Der Samurai schwieg für einen Moment und wandte sich dann den dunklen Fenstern zu. „Aber weder meine Mutter noch meine Schwester konnten geborgen werden. Es gibt für sie einen Gedenkstein auf dieser Insel hier, damals von der Bosatsu-Familie errichtet, aber kein Grab in der Gruft. Dies möchte der Vorstand des Friedhofes und die Vertreter der Gläubigen nun ändern, aber ich halte nichts davon, nur aus einer Farce heraus leere Särge in einer Gruft aufzubahren und dafür den Gedenkstein zu entfernen. Darüber hinaus ist man sehr erbost, dass ich nicht beabsichtige, selbst dort in dieser Gruft aufgebahrt zu werden. Als wohl letzter der Mihawks sei es gewissermaßen meine Pflicht, als Schutzpatron dieser Inseln; fast schon ein bisschen scheinheilig, nicht wahr?“ „Bisschen morbid über das eigene Grab zu diskutieren“, murmelte Zorro nur nachdenklich. „Pragmatisch, aber deshalb nicht weniger nervtötend. Diese Gruft ist ein Zeichen der Vergangenheit und die Vorstellung, dass mein Körper dort einbalsamiert zwischen anderen Toten liegt, widert mich regelrecht an. Selbst mein Vater beabsichtigt, auf dem Friedhof der Marinesoldaten beerdigt zu werden und auch, wenn ich es nicht gerne sage, so stimme ich ihm zu: Es ist an der Zeit, diese Gruft zu schließen. Aber ich kann nicht so einfach Mihawk Yakumos Wort widersprechen, welches fast schon gottgleich gilt. Es ist äußerst frustrierend.“ Zorro stimmte nur wortlos zu. Er verstand nicht wirklich viel von diesen Dingen, verstand nicht, warum es überhaupt eine Diskussion gab und warum Dulacre diese überhaupt führen musste, aber eines verstand er. „Du willst, dass das Grab deiner Mutter und deiner Schwester hier auf dieser Insel verbleibt und ihre Totenruhe nicht gestört wird, oder?“ „Kannst du dir etwas Ehrloseres vorstellen, als in einer Schlacht zu fallen, nur damit irgendwelche Robenträger eine Puppe von dir anfertigen lassen und diese in eine Gruft neben vertrockneten Leichnamen aufstellen? Es ist entwürdigend. Und dann noch nicht mal auf ihrer Heimatinsel, was für eine respektlose Farce.“ Laut schnaubte er auf. „Jiroushin hat Recht, dass hier politische Finesse gefragt ist, aber es erzürnt mich durchaus, dass sie sich überhaupt wagen, einen solchen Vorschlag auf die Agenda zu schreiben. Fast schon so dreist, wie die verdeckte Forderung an mich, den Inseln einen Erben zu bescheren.“ Dann wandte er sich um. „Aber dies soll nicht deine Sorge sein. Ich werde morgen am frühen Mittag aufbrechen, es wird vermutlich spät werden. Nutze die Zeit, wie du magst, und dann werden wir hoffentlich dein Training bald wieder aufnehmen können.“ Er stellte sich wieder an seinen Schreibtisch und ordnete einen kleinen Stapel an Blättern, den Zorro als Notizen einer Rede erkannte. „Mir gefällt dein Ansatz, Lady Loreen mehr in den Fokus zu nehmen und diesen Nachteil so klein wie möglich zu halten. Ich werde mir dazu noch weitere Gedanken machen, wie wir dies entsprechend in deinem ultimativen Training umsetzen können.“ „Mhm“, machte Zorro nur und streckte die Hand nach den Notizen aus, die der Samurai ihm mit fragendem Blick reichte. „Willst du mir mal vortragen?“ „Wie bitte?“, fragte der andere mit einem leichten Lachen nach. „Was soll das denn? Weder hast du Interesse an diesem Thema, noch muss ich meine Reden üben. Im Gegensatz zu dir bin ich ein Naturtalent und kann äußerst überzeugend sein.“ Zorro rollte mit dem Auge. „Und das wird genau der Grund sein, warum es schief geht. Du sagst es selbst, du bist wütend und siehst es überhaupt nicht ein, jemanden erst überzeugen zu müssen. Außerdem bist du einfach ein arroganter Arsch und wenn deine Rede auch nur halb so herablassend ist, wie du sonst redest, dann wird die Hälfte der Leute rein aus Prinzip gegen dich stimmen. Das hier scheint wichtig zu sein, also solltest du sichergehen, dass du es nicht mit deinem Riesen-Ego kaputt machst.“ Er begegnete diesem Blick, genoss fast schon, dass der Samurai nicht wusste, ob er fassungslos oder wütend reagieren sollte. Dann schnaubte er auf. „Du würdest die Hälfte der Worte doch nicht mal verstehen.“ „Genau wie die andere Hälfte der Leute, die abstimmen werden.“ „Warum solltest du das überhaupt tun? Es bringt dir nichts.“ „Es bringt mir noch weniger, wenn du durchdrehst, weil du deinen Willen nicht bekommen hast.“ Aufstöhnend packte Dulacre seine Notizen, die Zorro noch hielt. „Na meinetwegen, aber beschwer dich später nicht, und wehe du schläfst ein.“ Zorro wusste selbst nicht genau, warum er es tat, aber er saß da, während Dulacre seine Rede hielt, tatsächlich ein geborener Redner, ganz anders als Zorro selbst. Und Zorro hörte zu, bemühte sich, zu verstehen, zu begreifen, das zu tun, was Dulacre, Eizen und Rihaku ihm versucht hatten, beizubringen. Er hörte die Rede insgesamt vier Mal, nur wenige Worte anders, nur wenige Korrekturen, die er anzumerken hatte und noch weniger, die der Samurai akzeptierte, aber Zorro selbst musste gestehen, dass er beeindruckt war, obwohl es um etwas ging, was ihn absolut nicht interessierte. „Nun gut, ich denke, wir sollten es für heute gut sein lassen. Ich danke dir, Lorenor. So werde ich hoffentlich etwas bescheidener wirken.“ „Bescheiden? Nein, nie. Du klingst nicht mehr ganz so sehr wie ein selbsternannter Gott, aber das war es auch schon.“ Er streckte sich und betrachtete gähnend seinen eigenen Steckbrief, der immer noch dort an der Wand hing. „Sag mal, hat Kanan Recht?“ „Womit?“, bemerkte der andere abwesend, raschelte hinter Zorro mit seinen Blättern. „Sie sagte, du wärest krank.“ „Ach, Unsinn!“, schnaubte der andere laut auf. „Sie dramatisiert unnötig. Du brauchst diesem Gerede keine Beachtung zu schenken.“ Mit den Händen hinterm Hinterkopf verschränkt, wandte Zorro sich zu ihm um. „Mal ehrlich, ja, auf mich wirkst du wie immer, aber eben bist du während der Fahrt eingepennt, ohne Vorwarnung. Und du hast die vergangenen Tage wenig geschlafen und mit Jiroushin - der am Tag drauf aussah wie ne Leiche - für Stunden in der Bibliothek gehockt. Also?“ Er hielt diesem berechnenden Blick unbeeindruckt stand. „Ich bin nicht krank“, antwortete Dulacre schließlich, „aber ich gebe zu, dass ich erschöpft bin und etwas Schlaf benötige. Daher, wenn du keine Einwände mehr hast, würde ich mich nun auch gerne zu Bett begeben.“ Zorro zuckte nur mit den Schultern und folgte dem anderen nach draußen. Auch er wollte endlich schlafen gehen.   Am nächsten Morgen starrte er die Zimmerdecke mit den weißen Verzierungen an und überlegte, ob er überhaupt aufstehen sollte. Aber dann dachte er an den Trainingsraum und erhob sich doch mühselig. Gähnend verließ er schließlich das Gästezimmer und lief beinahe in Kanan hinein, die gerade den Flur entlang eilte. „Ach, Guten Morgen, Schätzchen“, flüsterte sie. „Kanan, was ist denn los?“ Kurz blieb sie stehen und Zorro konnte ihr ansehen, dass sie besorgt war. „Der junge Herr ist noch nicht aufgestanden“, erklärte sie nach einem Seufzen. „Auch, wenn er es nicht wahrhaben möchte, es geht ihm nicht gut, und er sollte in diesem Zustand weder eine Reise noch eine Ratssitzung auf sich nehmen. Aber natürlich wird er nicht auf mich hören.“ Jetzt, da sie es sagte… es war wirklich ungewöhnlich. Auf Kuraigana mochte der Samurai gerne bis in den Nachmittag hineinschlafen, aber auf Sasaki stand er normalerweise immer früh – verdammt früh! – auf, warum auch immer. Jetzt war es sogar schon später als seine gewohnte Zeit auf Kuraigana, wenn Zorro von seinen Laufrunden zurückkam. Zorro brauchte nur eine sehr lange Sekunde, um eins und eins zusammenzuzählen, und fällte zähneknirschend eine Entscheidung. „Kanan“, meinte er und sah die Haushälterin an, „können Sie veranlassen, dass mich irgendwer zur Ratsitzung heute bringt?“ Ihre Augen wurden groß. „Aber… aber, Kindchen…? Das wird der junge Herr niemals zulassen.“ „Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Wenn er nicht reisen kann, werde ich es an seiner Stelle tun, aber dafür brauche ich Ihre Hilfe.“ Er erstarrte fast, als sie ihm unvermittelt die Wange streichelte, ein mütterliches Lächeln auf den Lippen. Er hatte es nie leiden können, wenn sie ihm so begegnete, aber er wusste auch nicht, wie er sich dem entziehen konnte. „Du bist wirklich lieb.“ „Schwachsinn“, murrte er und schritt dann den Gang hinunter. Einmal klopfte er an, dann trat er ein. Dulacre saß in seinem Bett, einen Arm auf dem aufgestellten Bein abgelegt, und rieb sich durchs Gesicht. Nichts an ihm wirkte wirklich anders als sonst, er wirkte nicht krank, wenn überhaupt erschöpft, was durch die Augenringe noch unterstrichen wurde. „Lorenor, was ist denn?“, fragte er und sah ihn an. „Du weißt, dass ich heute keine Zeit für dich habe.“ „Mhm“, machte Zorro nur und zog die Türe hinter sich zu. Er hatte das Gefühl, dass diese stechenden Augen doch etwas glasiger wirkten, und irgendwie vertraute er Kanans Aussage mehr als der des Samurais. Vielleicht weil er selbst ebenfalls jemand war, der aus Prinzip nicht krank wurde und wegen so einem Unsinn geschont werden wollte, aber vielleicht auch, weil er wusste, was für ein verdammt stolzer Lügner der andere war. „Ich hab dir was zu sagen und du wirst es nicht mögen.“ „Ach, ist das so?“, kam es vom anderen misstrauisch, der noch nicht mal Anstalten machte, aufzustehen. „Ich werde für dich heute zu dieser Ratssitzung reisen.“ „Wie bitte?“ Zorro verschränkte die Arme. „Ja, bin da auch nicht glücklich drüber, aber…“ „Was für einen Unsinn denkst du dir gerade zusammen, Lorenor? Hör auf, meine Zeit zu verschwenden und…“ „Du bist krank“, unterbrach Zorro ihn. „Vor mir magst du es verbergen können, aber Kanan hat Recht. Du bist auf dem Sargboot eingeschlafen, du hast heute verschlafen. Und du sagst mir immer, dass man sich schonen soll, wenn man nicht fit ist, also wirst du heute genau das tun und ich…“ „Du unverschämtes Gör!“ Nun riss der andere doch seine Decke zur Seite und stand auf. „Was erlaubst du dir eigentlich? Einfach so irgendwelche Behauptungen…“ „Hey!“ Zorro machte schon einen Schritt nach vorne, die Hände ausgestreckt. Für einen ganz kurzen Moment wankte der Samurai, dann packte er die Lehne seines Lesestuhls und schloss kurz die Augen, atmete tief ein. „Behauptungen also?“, hakte Zorro mit hochgezogener Augenbraue nach. „Mach dich nicht lächerlich. Mir geht es…“ „Du bist derjenige, der sich lächerlich macht.“ Zorro stellte sich vor den anderen. „Sei nicht so ein Sturkopf, du Mistkerl, dir geht es nicht gut, egal wie gut du es verbergen kannst.“ Dulacre stierte ihn nieder. „Selbst wenn du Recht hättest, ich habe keine Wahl. Ich muss heute dorthin, habe ich das nicht gestern deutlich genug gemacht?“ „Nein, der Grabstein muss bestehen bleiben, aber das heißt nicht, dass du derjenige sein musst, der die Stimmberechtigen überzeugt.“ Er konnte sehen, wie der andere ihn eher fassungslos anstarrte. „Seien wir doch mal ehrlich, du bist kein Sympathieträger, aber die Leute mögen Lady Loreen. Ja, ich mag mit deinen Redekünsten nicht mithalten können, aber ich weiß, worum es geht, und ich kenne deine Argumente, ich kenne deine Rede. Ich weiß, wie man das echte Ziel nicht aus den Augen verliert über das politische Verhandeln hinweg. Wahrscheinlich liegen meine Chancen, die anderen zu überzeugen, besser als deine.“ Einen Atemzug war es absolut still zwischen ihnen. „Warum bietest du das überhaupt an?“, kam es dann vom anderen. „Du hasst solche Auftritte, warum also solltest du das tun?“ „Ist das nicht offensichtlich?“, murrte Zorro. „Wenn du wirklich nicht gut dran bist und es einfach weiter verschleppst, dann bist du morgen wahrscheinlich richtig krank und dann müssen wir das Training um noch mehr Tage nach hinten verschieben. Ich kann heute eh nicht wirklich viel Sinnvolles tun, aber wenn ich das mache, kannst du dich ausruhen und wir können morgen weitertrainieren. Außerdem musste ich wegen Eizen diesen ganzen Mist doch sowieso lernen, dann kann ich dieses Wissen doch auch mal für was Wichtiges einsetzen, dann hat es sich wenigstens gelohnt.“ Zorro war nicht ansatzweise so überzeugt davon, wie er sich gab. Aber seine Entscheidung war gefallen. „Ich werde es hinbekommen. Kanan kann mir eine Mitfahrgelegenheit besorgen und mir ein passendes Kleid raussuchen. Deine Argumente sind logisch und die Leute mögen Lady Loreen, und ich komme in Diskussionen nicht wie ein arroganter Arsch daher, deshalb werden die Leute lieber mit mir diskutieren als mit dir.“ Er wusste noch nicht mal, warum er den Samurai dazu überreden wollte, sich selbst diesen Mist aufladen musste, aber es stimmte schon. Er wollte trainieren, so schnell wie möglich, und dafür musste Dulacre fit sein. Und auch, wenn er es nicht laut sagen würde, so wäre dies eine Möglichkeit für ihn, sich für die Hilfe des anderen zu revanchieren. Aus scharfen Augen begutachtete der andere ihn, schwieg, zeigte, dass er zumindest ernsthaft über Zorros Worte nachdachte. „Jiroushin wird dich nicht begleiten können. Herr Koumyou steht in dieser Debatte auf neutraler Position und gehört zu denen, die überzeugt werden müssen. Seine Frau mag zur Debatte zugelassen werden, aber sie hat kein Stimmrecht und darf somit nicht aktiv teilnehmen. Du wirst also niemanden haben, der ein Fehlverhalten deinerseits decken könnte. Niemand wird da sein, solltest du…“ „Das ist mir klar. Ich weiß, dass wenn ich das mache, dann wird niemand mir helfen können, und ich weiß, dass ich erfolgreich sein muss.“ Er grinste. „Aber vergiss nicht, dass ich Pirat bin, diese Friss-oder-Stirb-Momente sind genau mein Ding.“ Erneut schwieg der andere für mehrere Sekunden. „Du erwartest ernsthaft, dass ich so ein Vertrauen in dich setze, trotz deiner lückenhaften Bildung und deines nicht vorhandenen Redetalents? Solltest du scheitern, würde ich dir das nie verzeihen; wobei es natürlich mein Fehler wäre, deinem Vorschlag überhaupt zuzuhören.“ Ja, als wäre das Zorro nicht bewusst und er war wirklich nicht so überzeugt von seiner Idee, aber er hatte nun mal entschieden, es durchzuziehen, jetzt konnte er auch keinen Rückzieher mehr machen. „Es wäre nicht das erste Mal, dass du mich unterschätzen würdest.“ Noch einen langen Moment sah der andere ihn an, dann atmete er tief durch und schritt einfach an Zorro vorbei. „Hey!“ „Kanan!“, rief er den Gang hinunter. „Junger Herr!“ Fast augenblicklich tauchte sie am Treppenabsatz auf und kam hergeeilt. „Ignorier mich nicht ein…“ „Haben Sie Lorenors Mitfahrgelegenheit bereits geregelt?“ „Natürlich, Herr.“ Der Samurai seufzte. „Nun gut, Sie werden ihn begleiten.“ „Aber, Herr, ich…“ „Ich vertraue darauf, dass Sie sicherstellen, dass Lorenor sicher von dieser Reise zurückkehrt, ohne sich zu verraten – oder zu verlaufen.“ Auf ihr stummes Nicken hin, deutete er den Gang entlang Richtung Arbeitszimmer. „In meiner Schreibtischschublade liegt eine Vollmacht, welche Lady Loreen bestätigt, in meinem Namen handeln zu dürfen. Sorgen Sie dafür, dass diese neben allen weiteren notwendigen Unterlagen vorliegt.“ „Natürlich!“ Sie wandte sich um und eilte von dannen. Zorro sah den anderen an, welcher erneut tief einatmete, ehe er zu Zorro hinabsah, harte Gesichtszüge, nichts an ihm wirkte gerade in irgendeiner Art nicht absolut überlegen. Aber Kanan musste Recht haben, sonst hätte der Samurai nie im Leben zugestimmt. „Zieh dich um und mach dich abreisebereit. Danach komm her, ich habe nur eine knappe Stunde, um dich vorzubereiten, beeile dich also.“ „Du weißt schon, dass der Sinn ist, dass du dich ausruhen sollst?“ Wortlos winkte Dulacre ab und ging zurück in sein Zimmer. In was für eine Scheiße hatte Zorro sich nun wieder reingeritten?   Spät kamen sie zurück, sehr spät, bis weit nach Mitternacht hatte die Sitzung gedauert und im Verhältnis zu all den Verhandlungen, auf die Zorro Eizen hatte begleiten müssen, war diese hier… es war der reinste Kindergarten gewesen, ganz ehrlich. Zorro hatte sogar etwas gelernt, und zwar, dass kommunale Politik scheiße war. Er hatte ja Sorge gehabt, dass es auffliegen würde, dass er absolut keine Ahnung hatte, aber sehr schnell hatte er kapiert, dass er tatsächlich mehr Ahnung hatte als mindestens die Hälfte der Anwesenden, und das war schon echt traurig gewesen, wenn man bedachte, dass er nur irgendein Kerl aus dem East Blue war. Als er Dulacre damals zur Jahreshauptversammlung der fünf Inseln begleitet hatte, war es ihm nicht wirklich aufgefallen – vermutlich, weil er kaum etwas verstanden hatte – aber die meisten dieser Möchtegernpolitiker wussten noch nicht mal, wovon sie sprachen, und hielten oft einfach aus Prinzip an ihrer Meinung fest. Es war wirklich anstrengend gewesen, so viele erwachsene Leute, die nicht in der Lage waren, einander aussprechen zu lassen, und immer lauter wurden, um einander zu übertönen. Dagegen waren selbst die Diskussion in seiner Crew gesittet und sie waren nie gesittet. Er hätte wirklich gerne jemandem eine reingehauen – gerade dieser Typ, dessen einziges Argument gewesen war, dass es halt immer so gemacht wurde, und er es deshalb besser fand - aber Zorro hatte sich zurückgehalten – worauf er echt stolz war – und nach einer langwierigen Diskussion mit viel falschen Lächeln und abertausenden Wiederholungen hatte er es dann gepackt. Allerdings hatte er vorher eben nicht darüber nachgedacht, dass auf diesen Sitzungen mehr als nur ein Thema besprochen wurden, von dem Rest hatte er natürlich noch weniger Ahnung gehabt, und so war es ein sehr langer Tag geworden. Aber dafür hatte er sich jetzt sein Training sowas von verdient! Kanan hatte ihn überredet, die Nacht noch zu bleiben, und nicht gleich aufzubrechen, aber am nächsten Tag würden sie dann endlich loslegen. Zufrieden schritt er durchs dunkle Herrenhaus, ganz überrascht, dass Dulacre nicht unten in seinem Sessel auf ihn gewartet hatte, wie er es doch sonst für gewöhnlich tun würde, gerade bei einem so wichtigen Thema. Also hielt er vorm Schlafzimmer des Samurais inne, ehe er schließlich leise anklopfte und die Türe öffnete. Im Licht des Mondes konnte er die Silhouette des anderen sehen, sein beständiges Atmen füllte die Stille, er war noch nicht mal aufgewacht. Kopfschüttelnd schloss Zorro die Türe wieder, er würde ganz gewiss nicht am Bett des anderen sitzen, bis dieser aufwachte, da konnte er doch viel besser selbst etwas pennen.   Am nächsten Morgen wachte Zorro spät auf und wieder mal war niemand da. Kanan sah er draußen beim Holzhacken und da Mantel und Hut fehlten, ging er davon aus, dass auch der Samurai das Haus verlassen hatte. Erst war es Zorro egal, aber irgendwann wurde er ungeduldig, also entschied er, ins Dorf zu gehen, wo er den anderen vermutlich finden würde. Aber er landete nicht beim Dorf, sondern irgendwann später tief im Wald bei den Klippen, wo er schon mal gewesen war, damals, als er für Kanan hatte einkaufen gehen sollen. Und dort saß Dulacre, an der Klippe, vor einem Grabstein. „Habe ich dir nicht gesagt, du sollst in dieser Gestalt vorsichtig sein?“, fragte er, als Zorro näher kam, ohne aufzusehen. „Upps, sorry, vergessen.“ Hinter dem anderen blieb er stehen, sah den Grabstein an, las die Inschriften. „Ich hab’s geschafft“, sagte er ruhig. „Natürlich. Ich hätte dich nicht gehen lassen, wenn ich auch nur den leisesten Zweifel daran gehabt hätte, dass du erfolgreich sein würdest.“ „Sicher.“ Er verschränkte die Arme und schwieg. Damals hatte er nicht darüber nachgedacht, warum hier an diesem Ort ein Grabstein stand. Er konnte sich nicht erinnern, dass der Samurai diesen Ort vorher je erwähnt hätte und gewiss gehörte er nicht zu den Menschen, die oft ein Grab besuchten. „Wie geht es dir?“ „Besser, auch, wenn ich immer noch recht erschöpft bin“, kam eine überraschend ehrliche Antwort. „Es tut mir leid, dass du so viel Zeit für dein Training verloren hast.“ „Schon okay, das hier war wichtig.“ So stand er da und starrte das weite Meer an. „Ja, das hier war wirklich wichtig“, antwortete Dulacre schließlich. „Danke, Lorenor.“ Zorro sah zu dem anderen hinab und verschränkte dann die Arme, ehe er den Blick wieder abwandte, seine Wangen unangenehm warm. „Gern geschehen.“     Kapitel 20: Extrakapitel 17 - Ein besonderer Abend -------------------------------------------------- Ein besonderer Abend   -Mihawk- Gähnend schlurfte er durch die Flure seines Schlosses. Perona hatte sich soeben erdreistet, ihn zu wecken, weil der angekündigte Besuch früher eingetroffen war, als erwartet. „Jiroushin“, murrte er, als er die Türe zum Kaminzimmer aufzog, „ich habe dir schon viel zu oft gesagt, dass du nicht zu so früher Stunde…“ Er erstarrte. „Nein, heute nicht.“ Kopfschüttelnd wandte er sich wieder um und ging. „Falkenauge, jetzt warte doch!“ „Nein!“ Er legte noch einen Schritt zu. „Es ist deutlich zu früh, um mich mit… lass mich los!“ Doch er konnte dem Arm nicht entrinnen, der sich mit dem erdrückenden Griff einer Riesenboa um ihn klammerte. „Ach, komm schon. Sei doch nicht so.“ Lachend zog Shanks ihn mit sich zurück ins Kaminzimmer und Dulacre fragte sich, womit er die Anwesenheit seines ehemaligen Kontrahenten verdient hatte, während er sich wehleidend mitziehen ließ. „Was tust du überhaupt hier?“, murrte er. „Ich sagte doch, dass du nicht mehr unangemeldet hier auftauchen sollst.“ „Ah, das muss mein Fehler gewesen sein“, bemerkte Beckman, der gesittet mit Jiroushin am reichlich gedeckten Frühstückstisch saß, und trank seinen schwarzen Tee. Er und Dulacre wechselten einen kurzen Blick; sie beide wussten, dass es kein unbeabsichtigter Fehler gewesen war. „Ich muss wohl vergessen haben, dir eine Möwe zu schicken.“ „Sicher“, knurrte er nur. Er hatte ja schon fast erwartet, dass Shanks über kurz oder lang nochmal auftauchen würde, aber warum ausgerechnet am heutigen Tag? Hätten sie nicht in einen Schneesturm kommen und sich mehrere Tage verspäten können? Hätte ihr Schiff nicht sinken können? „Jiroushin, ist das dein Werk?“, mahnte er, woraufhin sein bester Freund nur viel zu unschuldig grinste. Sie hatten sich alle gegen ihn verschworen. Aufstöhnend gab er nach und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Das ihr mir ja nichts heute anstellt. Ich erwarte einen ruhigen, gesitteten Abend.“ Selbst Beckman lachte über seine Worte, als hätte Dulacre sich einen Scherz erlaubt, dabei war er bitterernst. Er hatte sich auf Jiroushins Anwesenheit und Unterstützung gefreut, aber mit dem Auftauchen der Rothaarpiraten würde dieser Tag so oder so im Chaos enden; damit musste er sich bereits jetzt abfinden lernen. Er hatte ja gewusst, dass es ein Fehler gewesen war, sich damals an Shanks zu wenden. Aber er war nun mal der Einzige gewesen, an den Dulacre sich damals hatte wenden können. Es war eine anstrengende Zeit gewesen – hauptsächlich jedoch nervig und geduldfordernd – aber scheinbar ging Shanks nun fälschlicherweise davon aus, dass er und seine Crew hier auf dieser Insel willkommen waren. Im nächsten Moment kam Perona herein und Beckman tat gut daran, das Gesprächsthema auf langweiligen Small Talk umzulenken. Dulacre nahm sich noch den Moment, jeweils seinem ehemaligen Rivalen und seinem besten Freund einen drohenden Blick zuzuwerfen, doch während Jiroushin ihm ein entschuldigendes Lächeln schenkte, grinste Shanks ihn breit an, als würde er Dulacres Blick als irgendetwas positives missverstehen; bei diesem Idioten war wirklich Hopfen und Malz verloren, wobei er ja immer trank wie ein Fass ohne Boden. „Sag mal, Falkenauge?“ Er sah von seinem Rührei auf, konnte bereits am Tonfall erkennen, was Shanks von ihm wollte, also nickte er nur, ohne, dass der andere seine Frage überhaupt stellen brauchte. „Aber ich gebe dir nur Zeit bis Sonnenuntergang.“   Diese Zeit sollten sie auch brauchen. Und Dulacre musste gestehen, dass über die Stunden seine Laune tatsächlich etwas gestiegen war. Es stimmte zwar wirklich, dass Shanks ihm nicht mehr genügen konnte, aber dafür hatte Dulacre tatsächlich gelernt, auch an einem unbedeutenden Scharmützel seinen Spaß zu haben. Nun wurde es langsam dunkel und Dulacre ungeduldig. „Sie verspäten sich“, stellte Shanks zutreffend fest, während er sich den Schweiß vom Körper rieb. „Vielleicht haben sie ja dein Schiff gesehen und darüber debattiert, ob sie überhaupt anlegen wollen“, murrte Dulacre und seine Laune sank zugleich, während Rothaar laut auflachte. „Weißt du, Falkenauge, mich mögen Leute, meine Anwesenheit ist für die meisten eher ein Grund zur Freude.“ „Das bezweifle ich.“ Mit diesen Worten schritt er am anderen vorbei, griff Hemd und Weste und begab sich Richtung Schloss. Er würde lieber am Strand – in Ruhe vor seinem ungebetenen Besuch – warten, aber er war verschwitzt und wollte seinen – erwarteten – Besuch angemessen empfangen. Im Schloss war es ruhig. Perona war direkt nach dem Frühstück in den Garten verschwunden und Jiroushin und Beckman verbrachten wohl ein gesittetes Gespräch im Kaminzimmer. Dulacre schüttelte Shanks ab und begab sich in seine Räumlichkeiten. Doch ausnahmsweise beeilte er sich mit der Dusche, denn seine angespannten Sinne vernahmen endlich, worauf er schon so lange gewartet hatte. Er konnte es nicht verhindern, konnte nicht verhindern, dass sein Herz schneller zu schlagen anfing und sich ein Lächeln immer wieder auf seine Lippen stahl. Es war ein überraschender Besuch. Erst vor wenigen Tagen hatte er die frohe Kunde vernommen, doch ihn hatte auch das Gefühl beschlichen, dass irgendjemand die Finger im Spiel gehabt haben könnte. Möglicherweise Nico Robin oder doch Jiroushin, oder beide gemeinsam. Aber die Dinge lagen nun mal so, wie sie lagen und Dulacre war gewillt gewesen, mitzuspielen. Der Preis war es wert. Nur auf Rothaar und dessen Crew hätte er verzichten können. Wenigstens erinnerte der Narr sich an Dulacres Warnung und hatte bis auf Beckman alle anderen an Bord gelassen. Wobei, vielleicht wäre es auch ein angemessenes Geschenk gewesen, dieses Schiff endlich auf den Meeresboden zu versenken. Als er aus seinem Zimmer kam, konnte er sie spüren, wie ihre Schritte über die Erde hüpften, gingen, marschierten und stampften. Er verließ seine Räumlichkeiten, doch dieses Mal ließ er sich Zeit, hörte wie über ihm das Tor aufknallte und laute Stimmen ihn begrüßten, obwohl er noch nicht mal anwesend war. Doch irgendwann war er oben angekommen und trat in den Eingangsbereich, zum genau richtig gewählten Zeitpunkt. Das Tor stand noch offen, aber die Tür in Richtung des Kaminzimmers fiel gerade zu, dämpfte etwas den Wirrwarr der vielen Stimmen. „Da bist du ja.“ Vor ihm stand Lorenor, als Einziger in der Vorhalle verblieben und schloss gerade das Tor hinter sich. „War schon fast skeptisch, als ich das Schiff gesehen habe und du nicht am Strand gewartet hast?“ „Hast du etwa befürchtet, Rothaar könnte mir tatsächlich etwas antun?“, fragte er und ging auf Lorenor zu, der mit verschränkten Armen auf ihn wartete. „Nein“, meinte er und neigte leicht den Kopf. „Wollte nur nicht den ganzen Spaß verpassen.“ Sein Blick lag eiskalt auf Dulacre und seine Mundwinkel sanken hinab; er hatte es also bemerkt. „Doch anscheinend habe ich das“, murrte Lorenor dann und überbrückte die letzte Distanz zwischen ihnen, „du riechst nach einem Kampf, Spielverderber!“ Er wusste ganz genau, dass Lorenors schlechte Laune kein Grund zur Besorgnis war, nur die seltene Eifersucht, die Dulacre mittlerweile von ihm kannte und schätzte, wann immer er gegen jemand anderen von Qualität kämpfte – was gewiss nicht oft vorkam. Lorenor hatte grundsätzlich keine Einwände dagegen, dass Dulacre gegen andere kämpfte, aber dennoch reagierte er manchmal so, wenn sein eigener Kampf gegen Dulacre zu lange zurücklag. Und Dulacre genoss es. Er genoss, dass Lorenor so gerne gegen ihn kämpfte, dass er eifersüchtig wurde, wenn Dulacre seine Gier auf andere Wege zu stillen versuchte. „Vergib mir, ich wurde zu ungeduldig und erlag meiner Schwäche, als Rothaar mich so lockte. Aber sei unbesorgt, dieses Scharmützel konnte mir nicht annähernd genügen. Ich giere immer noch nach einem Kampf mit dir.“ Noch einen Moment sah Lorenor ihn verurteilend an. „Dann ist ja gut“, murrte er und wandte sich um. „Aber heute Abend wird das nichts mehr. Kein Kampf bis nach dem Frühstück, musste ich Nami versprechen.“ Und natürlich war Lorenor auf diesen Vorwand hereingefallen, während Dulacre die wahren Gründe sofort durchschaute. Schmunzelnd folgte er dem anderen. „Meinetwegen, bis morgen werde ich mich wohl noch zu beherrschen wissen.“ Zu seiner Verwunderung entgegnete Lorenor nichts, fragend begutachtete Dulacre ihn von der Seite, was er wohl zu bemerken schien, denn als er am Kaminzimmer ankam, sah er Dulacre ernst an. „Aber vielleicht kann ich es nicht.“ Mit diesen Worten ließ er Dulacre zurück und trat in den Lärm hinein. Doch Dulacre nahm dies für einen Moment gar nicht wahr. Eine Gänsehaut hielt ihn gefangen. Wie konnte Lorenor nur solche Dinge immer wieder sagen? War ihm nicht bewusst, welche Wirkung sie auf Dulacre hatten? Oder war es ihm schlicht einerlei? Bevor er überhaupt wusste, was er tat, hatte er Lorenor bereits am Handgelenk gepackt und aufgehalten. Viel zu unbeeindruckt sah Lorenor ihn an, dann zeigte er ein dreckiges Grinsen. „Ach, doch nicht so beherrscht?“ Oh ja, er mochte es, mit Dulacre zu spielen. Vielleicht hatte nicht nur Dulacre sich auf diesen Abend gefreut. Noch einen Atemzug existierten nur sie beide, dieses etwas zwischen ihnen, was Dulacre immer genoss und dennoch auch etwas fürchtete, weil diese Gefühle so mächtig waren. Dann schlang sich ein Arm um seine Schulter. „Na, ihr zwei, worüber unterhaltet ihr euch denn?“ „Lass mich los!", knurrte Dulacre, merkte wie er schon im Erahnen der nun kommenden Thematik errötete. „Und merkst du nicht, dass du störst?" „Ach, wobei sollte ich euch zwei Schwertnarren schon… oh! OH!“ Mit großen Augen sah Shanks zwischen Lorenor und Dulacre hin und her, sprach viel zu laut. „Ihr habt es also getan?“ „Natürlich“, murrte Lorenor recht unbeeindruckt. „Stand doch in allen Zeitungen, dass ich ihn besiegt habe.“ Shanks lachte laut auf. „Das meinte er nicht“, seufzte Dulacre und schüttelte seinen ehemaligen Rivalen ab, wusste nicht, ob Lorenors tunnelblickartige Naivität Fluch oder Segen war. „Er meinte wohl unsere Beziehung.“ Lorenor erwiderte seinen Blick etwas verwirrt, als würde er nicht verstehen, warum dies Rothaar mehr interessieren könnte als ihr Kampf; Dulacre konnte diesen Gedankengang gewissermaßen nachvollziehen. „Ach so“, zuckte Lorenor dann mit den Schultern, wandte sich ab und ging einfach, ließ Dulacre in diesem bedauernswerten Gespräch zurück, um sich dem Alkohol und Doktor Chopper zuzuwenden. „Nicht nur Ach so!“, kam es von Rothaar, der Lorenors Bewegung imitierte und Dulacre vorwurfsvoll anstarrte. „Wie kann es sein, dass ich davon noch nichts weiß?!“ „Es war doch offensichtlich“, kam es von Beckman, der nun auch noch meinte, sich einmischen zu müssen. „Es muss noch vor Kaido geschehen sein, sonst wäre er nie gewillt gewesen, gegen dich zu kämpfen.“ „Ach?“ Shanks Augen wurden noch eine Spur größer, als er erst seinen Vizen und dann Dulacre anstarrte. „Stimmt das?“ Entnervt rieb Dulacre sich den Nasenrücken. „Hattest du nicht versprochen, Beckman nicht einzuweihen?“, murrte er, anstatt zu antworten. „Oh, mich musste niemand einweihen“, entgegnete Beckman und blies blauen Dunst in Dulacres Richtung, ehe er ihm zuzwinkerte mit diesem Grinsen, welches er Dulacre immer schenkte, wenn er meinte, ein Duell der Gedanken gegen Dulacre zu gewinnen. „Dein Blick während Zorros Kampf gegen Shanks damals war mehr als eindeutig.“ Natürlich hatte Dulacre es erwartet. Neben seiner selbst und Nico Robin war Beckman wohl der Klügste im Raum, dabei konnte jedoch auch seine soziale Intelligenz nicht nur mit Shanks sondern auch mit Jiroushin Schritt halten, was ihn äußerst gefährlich machte. „Vielleicht sollten wir heute endlich unser Schachspiel beginnen, Beckman.“ „Gerne, ich warte nur darauf, dass du den ersten Zug machst.“ Auch heute würden sie nicht weiterkommen. Gerade wollte sich Shanks einmischen und das Gespräch wohl wieder in eine unangenehme Richtung lenken, da trat der Smutje gefolgt von Perona herein und augenblicklich füllte sich das Kaminzimmer mit dem angenehmen Duft erstklassiger Gerichte. Noch bevor der Tisch überhaupt gedeckt war, rief der Strohhut zum Essen, als wäre er der Gastgeber, und warf sich bereits auf den nächstbesten Stuhl, während die anderen Anwesenden seiner Aufforderung folgten. Mit einem entnervten Seufzen ließ Dulacre sich auf seinen Platz am Tischende neben Jiroushin nieder. „Ich hoffe, dir ist bewusst, dass ich dir die Schuld an diesem Fiasko gebe“, stellte er direkt fest, woraufhin sein bester Freund nur leise lachte. Aber vielleicht sollte Dulacre nicht zu hart mit ihm ins Gericht gehen, schließlich lag das letzte Abendessen, bei dem er sich in Ruhe mit Lorenor unterhalten… Rothaar drückte sich zwischen Jinbei und Doktor Chopper vorbei und warf sich auf den freien Platz zu Dulacres Linken. „Dieser Platz ist besetzt." Kalt sah er seinen ehemaligen Rivalen an. Doch dieser grinste nur zurück. „Deine Beobachtungsgabe ist wirklich überragend, Falkenauge." Shanks Augen funkelten spielerisch. Was auch immer er mit diesem Vorgehen bezweckte. „Es war eine höfliche Bemerkung, um dir zu bedeuten, dass du hier nicht willkommen bist“, murrte Dulacre nun deutlicher. Doch es war bereits vergebens, denn Lorenor folgte Doktor Chopper und ließ sich zwischen diesem und dem Strohhut am anderen Ende des Tisches nieder. So viel zu Dulacres Hoffnung auf ein angenehmes Abendessen. „Höflich?", hakte Beckman nach, der sich neben seinen Kapitän gesetzt hatte und gerade noch mit Jinbei einen viel zu vielsagenden Blick austauschte. „Das wäre mir neu." Tief atmete Dulacre aus und rieb sich die Schläfen. „Womit habe ich eure Anwesenheit nur verdient?", murmelte er resigniert, während der Strohhut die mahnenden Worte der Navigatorin ignorierte und das Mahl eröffnete. Aber tatsächlich war das Dulacre nur Recht, zumindest das Essen würde den Mund seines ehemaligen Rivalen wenigstens vorübergehend stopfen. Sein einziger Trost war das außerordentlich gute Essen, welches er vom Smutje gewohnt war und erwartet hatte. Als er nach dem Weinglas griff, konnte er den bemüht unauffälligen Blick des Smutjes sehen, und Dulacres Laune stieg kaum merklich an. Er ignorierte Shanks und Jiroushins unbedeutendes Geschwätz und konzentrierte sich auf die angenehme Duftnote des Weines. Zumindest einer der Anwesenden schien in seinem Interesse zu handeln und das war ausgerechnet der Smutje. Dulacre würdigte diese kleine Aufmerksamkeit mit einem Nicken. Doch bevor er auch nur einen Schluck nehmen konnte, schlug Shanks dessen Gabel so heftig gegen den Bierkrug, dass dieser Risse bekam. Fast schon panisch beobachtete Dulacre, wie der andere sich laut räuspernd erhob und die verschiedenen Gespräche erstarben; selbst der Strohhut schlürfte leiser. „Was wird das?“, zischte Dulacre durch zusammengebissene Zähne, obwohl er sehr wohl eine grausige Ahnung hatte. „Setzt dich wieder hin, Rothaar!“ Doch das tat er nicht. Erneut räusperte er sich und hob dann seinen lädierten Krug an, einzelne Tropfen bahnten sich ihre Wege durch die Risse. „Ich denke, es ist and der Zeit für einen Toast auf den Protagonisten dieses Abends.“ Warm lächelnd begegneter Shanks Dulacres versteinerter Miene. Es besänftigte ihn nicht im Mindesten, dass Rothaar sich an einer adäquaten Wortwahl versuchte und ihm den Vortritt ließ. „Und als künftiger Trauzeuge, ist es meine Pflicht, ein paar Worte zu sprechen und…“ „Wie bitte?!“ Jiroushin war aufgesprungen. „Was?“ Verwirrt tauschten einige Strohhüte verwirrte Blicke aus. „Trauzeuge?“, kam es vom Smutje hustend, der sich prompt an seinem Wein verschluckt hatte. „Ihr heiratet?! Glückwunsch Kumpel!“, brüllte Cutty Fram und schlug über Doktor Chopper hinweg Lorenors Schulter kräftig, der nur verwirrt von seinen Reisbällchen aufsah und Cutty Fram anstarrte, als wollte dieser ihm alkoholfreies Bier anbieten. Shanks räusperte sich erneut, offensichtlich bemüht, eine erhabene Stimmung beizubehalten – oder zumindest seine Vorstellung einer erhabenen Stimmung. „Nun gut, also was ich…“ „Was denkst du eigentlich, wer du bist?!“ Wäre Dulacre über die Gesamtsituation nicht so peinlich berührt, würde er es unterhaltsam finden, wie Jiroushin nun über den Tisch hinweg Shanks Bierkrug packte und ihn mit Zornesbleiche niederstarrte, als hätte Rothaar gerade dessen Kind beleidigt. „Ähm, ich…“ „Ich bin Hawkys bester Freund!“, knurrte Jiroushin mit einem Nachdruck, der Dulacre beinahe beeindruckte, wenn es nicht um so ein lächerliches Thema gehen würde. „Wenn hier einer Hawkys künftiger Trauzeuge ist, dann bin ich das!“ Beschwichtigend hob Shanks seine Hand, während Jiroushin dessen Bier noch hielt. „Aber, aber Jiroushin“, lachte er ganz unbeschwert, während der Lockenkopf im Hintergrund nachfragte, ob Lorenor denn nun wirklich beabsichtigte, Dulacre zu heiraten, was dieser mit einem abfälligen Schnauben quittierte und Dulacre nur noch mehr erröten ließ. „Du magst Falkenauge zwar deutlich länger kennen als ich, aber…“ „Nichts aber! Ich kenne ihn länger und besser als du – er kann dich nicht mal leiden! -  und ich wüsste genau, was er von einer Hochzeit erwartet und wie man so etwas plant. Daher wäre selbstverständlich ich sein Trauzeuge.“ Seine feuerroten Wangen verbergend, senkte Dulacre seinen Kopf und rieb sich mit beiden Händen über Augen und Stirn. „Ich beabsichtige nicht, zu heiraten“, murmelte er seinem Filet zu, da niemand sonst ihm zuzuhören schien, „daher benötige ich keinen Trauzeugen.“ „Mag ja alles sein, aber, mein lieber Vizefalke“, sprach Shanks einfach weiter und bestätigte Dulacres Vermutung, „du musst einfach einsehen, dass du dich nicht zum Trauzeugen eignest." Dulacre wusste, dass es wohl kaum etwas gab, was Shanks das Fürchten lehren konnte, aber gerade bewies er, wie dumm er doch war. „Wie bitte?“, fragte Jiroushin gefährlich ruhig. „Natürlich. Jeder weiß doch, dass der Trauzeuge die wichtigste Aufgabe von allen hat: den Junggesellenabschied planen! Und jeder, der dich kennt, weiß, dass du deinen Pflichten zwar gewissenhaft nachgehst, aber das bedeutet für einem Junggesellenabschied nun mal, dass dieser wohl eher… naja, lahm werden würde.“ Diese Argumentation war aus der Sicht des Piraten wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Jiroushin hatte eine ähnlich gute Erziehung genossen wie Dulacre selbst, und achtete dabei noch gesellschaftliche Moral und Werte in einer beinahe ermüdenden Genauigkeit. Natürlich wichen seine Vorstellung von Unterhaltung meilenweit von den Feiern ab, die Shanks initiierte. „Wie bitte?!“ Nun drohte der Krug in Jiroushins Hand zu platzen. „Und du maßt dir an, zu wissen, was Dulacre sich für einen Junggesellenabschied wünschen würde?!“ Weiterhin zwischen ihnen sitzend, sprach Dulacre erneut seinem Filet zu: „Ich bin auch kein Junggeselle mehr, also brauche ich erst recht keinen Junggesellenabschied.“ Doch wiedermal wurde er ignoriert. „Natürlich!“, lachte Shanks laut auf. „Jeder will das gleiche von einer solchen Feier: Unmengen an Alkohol, nackte Haut und einen richtig guten Filmriss!“ Und wiedermal bewies der Pirat, dass er ungerne über den eigenen Tellerrand hinaussah. Nichts davon klang erbaulich in Dulacres Ohren, gleichsam konnte er einen leisen Laut der Überraschung seines Sozius vernehmen; natürlich erregte der Vorschlag von grenzenlosem, billigen Fusel seine Aufmerksamkeit. Nun entbrannten wieder mehrere Diskussionen. Während Jiroushin und Rothaar darüber stritten, wer von ihnen sich besser als Trauzeuge einer hypothetischen Hochzeit eignen würde, schienen die Strohhüte ihre verschiedenen Meinungen darüber abzugeben, wie ein Junggesellenabschied zu gestalten sei. Lorenor saß dabei zwischen ihnen und bemerkte recht deutlich, dass es ihn nicht sonderlich interessiere, solange genug Alkohol da wäre. Lorenor gegenüber diskutierten nun der Smutje mit der Navigatorin über die Vor- und Nachteile einer etwaigen Hochzeit, während Nico Robin, Jinbei und Beckman sich eher zurückhielten und schmunzelnd Blicke austauschten, die so mehr sagten, als Worte hätten ausdrücken können. Seufzend entschied Dulacre, sich wieder seinem Mahl zuzuwenden. Er hatte sich auf einen ruhigen Abend gefreut, nach der Botschaft über den Besuch der Strohhüte auf einen nicht ganz so ruhigen, aber dafür angenehmen Abend. Aber mit Eintreffen Rothaars hatte er sich mit einem Fiasko abgefunden und war daher nicht mal überrascht. Allerdings empfand er es sowohl als unangenehm als auch unangebracht, dass der ganze Tisch sich über den Beziehungsstatus von Lorenor und Dulacre unterhielt, und er wusste, dass Lorenor so eine Aufmerksamkeit meist nicht leiden mochte - mal ganz abgesehen davon, dass diese Situation für Dulacre selbst ein Graus war. Doch zu seiner Überraschung schien Lorenor gerade sogar recht aufmerksam dem Smutje zu lauschen, der ihm die Vorzüge eines Junggesellenabschiedes erklärte. Augenrollend wandte Dulacre sich seinem Wein zu. Die Hintergedanken des Smutjes waren ihm mehr als ins Gesicht geschrieben, und dennoch schien Lorenor auf seine vorgeschobene Argumentation über legitimierte Alkoholexzesse hereinzufallen. Vielleicht, nur vielleicht war dieser Abend ja kein totales Desaster, wenn er von der peinlichen Thematik absah. Es hatte etwas erschreckend unterhaltsames Jiroushin und Shanks beim Streiten zuzusehen, während Nico Robin und Beckman immer wieder wohlüberlegte Bemerkungen einwarfen, um die Diskussion zu lenken und weiter anzuheizen. Dulacre war niemand, der lautes Stimmenwirrwarr mochte, aber er beobachtete gerne, wie selbstverständlich Lorenor sich unter seinen Crewmitgliedern bewegte, auch wenn er manchmal beneidete, wenn sie von ihm Reaktionen entlocken konnten, die Dulacre selbst nur selten bei ihm sah. Doch manchmal, genau in jenen Momenten, fiel Lorenors Blick dann auf Dulacre und einvernehmlich nippten sie an ihrem Getränk - wobei nippen wohl nicht die richtige Beschreibung für Lorenors Handlung war - ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Beinahe hätte er angefangen, dieser lauten Gesellschaft etwas abzugewinnen, doch gerade, als er sich zu einem kleinen Kommentar herablassen wollte, um Jiroushin noch ein bisschen mehr zu necken, da flog die Türe auf. Herein kamen die restlichen Rothaarpiraten und beschwerten sich lauthals darüber, dass ihr Kapitän sie auf dem Schiff zurückgelassen hatte, um mit Fremden zu feiern. Während der Strohhut ganz ausgelassen die Neuankömmlinge begrüßte, gab Dulacre sich seiner schlechten Laune hin und überlegte, ob es nicht doch sinnvoll war, das Schiff seines ehemaligen Rivalen zu versenken. Allerdings verwarf er diesen schönen Tagtraum, der zur Folge hätte, dass diese chaotische Crew vermutlich noch länger auf Kuraigana bleiben würde, als er so oder so aushalten wollte. Zum späten Abend hin gelang es Dulacre endlich, sich der feiernden Meute zu entziehen, und so fand er sich mit der halbgeleerten Flasche exquisiten Weines und seinem etwas zu gut gefüllten Glas auf dem Geländer des ausladenden Balkons. Hier hatte er sich früher nur gelegentlich aufgehalten, aber nun, da das Schloss so belebt war wie selten, genoss er die kalte Ruhe des tiefen Sees unter sich. Es war kein schlechter Abend, wollte er sich einreden. Alleine schon Lorenors und Jiroushins Anwesenheit war etwas, was ihn glücklich machte, und sowohl Nico Robins als auch Jinbeis Anwesenheit konnte er sehr wohl schätzen – Beckman theoretisch gesehen auch, aber den gab es nun mal immer nur als leidiges Doppelpacket mit dessen Kapitän – und während ihm selbst solche Festivitäten eher unwichtig waren, so hatte es doch etwas kitschig Herzerwärmendes, dass es anderen Menschen wichtig war. Seufzend trank er einen Schluck und sah über den See hinweg auf sein Reich, welches im Mondlicht silbern schimmerte, während das warme Licht vom Schloss hinter ihm seinen eigenen Schatten fast schon golden einrahmte. „Ach, hier bist du. Hab mich schon gewundert.“ Überrascht sah er auf, als die Türe aufging und sofort laute Stimmen und Musik zu ihm herausschwappten, obwohl das Kaminzimmer recht weit entfernt lag. Dann jedoch schloss Lorenor die Türe wieder hinter sich und Licht und Lautstärke wurden wieder weggesperrt. Gähnend und sich streckend kam der Jüngere zu ihm herüber und lehnte sich neben ihn an die Balustrade. Schweigend waren sie da, in der Kühle der Nacht. Wie früher genoss Dulacre die Ruhe, die Lorenor ausstrahlte. Er hatte es immer schon angenehm gefunden mit Lorenor zu schweigen und das war eigentlich etwas höchst Ungewöhnliches für Dulacre. Aber hier und jetzt empfand er Worte als seltsam unnötig. „Ich wusste nicht, dass Shanks kommen würde“, unterbrach Lorenor dann überraschenderweise diese angenehme Stille und es klang beinahe wie eine Entschuldigung. „Ich weiß, dass du es nicht wusstest“, nahm er ihn direkt aus der Verantwortung und trank einen Schluck, „und ich nehme es Nico Robin nicht übel. Sie hat einen recht eigenwilligen Humor, dennoch weiß ich, dass ich es ihr zu verdanken habe, dass du heute Abend hier bist.“ Lorenor schien über diese Worte nachzudenken. „Mir war nicht bewusst, dass dir so etwas wichtig ist“, sprach er dann, erneut mit diesem fast schon entschuldigenden Ton. „Ist es mir auch nicht. Ich kann mir wahrlich Schöneres vorstellen, als ein Fest zu feiern, welches mich daran erinnern soll, dass ich stetig älter werde, und ich kann darauf verzichten, nutzlosen Unrat geschenkt zu bekommen; was ich besitzen will, nehme ich mir schon.“ Nun schnaubte Lorenor mit einem leisen Schmunzeln auf. „Ich hab noch nie kapiert, was dein Problem mit dem Alter ist“, murmelte er. „Es ist doch nur irgendeine Zahl.“ „Du würdest anders denken, wenn dein Partner 20 Jahre jünger wäre als du.“ Der andere sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Ist es wirklich so schwierig für dich?“ „Manchmal“, gestand er ein. „Ich fürchte gewiss den Tag, wenn ich dir nicht mehr das Gegenüber sein kann, welches ich dir heute bin.“ „Mhm“, machte Lorenor nur, verschränkte die Arme und sah geradeaus, auf die Mauern des Schlosses. Ab und an fragte Dulacre sich, ob Lorenor diese Art des Gespräches wirklich so schätzte. Zwar forderte er Dulacres Direktheit immer ein und dennoch war es ihm schnell unangenehm, wenn Dulacre seine Unsicherheiten zeigte, seine Emotionen so deutlich zeigte. „Wie alt ist Rayleigh, weißt du das?“, fragte Lorenor aus welchem Grund auch immer. „Er müsste so 35 Jahre älter als ich sein“, antwortete Dulacre, nicht sicher, warum Lorenor das wissen wollte. „Mhm“, machte er erneut und zuckte leicht mit den Schultern. „Dann brauchst du dir zumindest die nächsten 35 Jahre keine Gedanken zu machen.“ Sprachlos sah er Lorenor an, der weiterhin das Schloss betrachtete. Wieder einmal nahm er sich Dulacres Ängsten auf eine äußerst schlichte Weise an. „Ich danke dir“, flüsterte er und senkte den Blick. „Hmm? Wofür?“ Es schien, als würde er noch nicht mal bemerken, wie wertvoll seine Worte waren. Kopfschüttelnd hielt Dulacre ihm die Weinflasche hin. „Ich liebe dich.“ Mit hochgezogener Augenbraue nahm Lorenor die Flasche entgegen. „Ich weiß.“ Dann nahm er einen Schluck und betrachtete überrascht das Etikett. „Oh, der ist gut.“ „Ein Geschenk des Smutjes“, erklärte Dulacre und nippte ebenfalls an seinem Glas. „Eine Flasche dieses Weines kostet regelmäßig um die 200.000 Berry.“ „Wa… was?“, kam es von Lorenor überrascht. „Wer gibt bitte so viel Geld für Alkohol aus.“ „Jemand, der ihn zu schätzen weiß“, entgegnete Dulacre, nahm Lorenor die Flasche ab und füllte sich nach, ehe er sie zurückgab, „und dabei ist es noch nicht mal einer der wirklich hochwertigen Weine. Ich trinke für gewöhnlich nie Wein, der nicht mindestens 100.000 Berry kostet.“ „Ich weiß, wie versnobt du bist. Du musst es nicht noch extra betonen.“ Lorenor nahm noch einen Schluck. „Also, ich würde mit Sicherheit nicht so viel Geld dafür hinblättern, aber er schmeckt“, urteilte er. „Als hättest du so viel Geld.“ „Ach, ich dachte mir gehört eine halbe Insel“, entgegnete Lorenor mit gefährlichem Unterton. „Aber sag mal, ich dachte, du magst keine Geschenke. Ist das hier nicht ein Geschenk?“ „Ich sagte, ich mag keinen nutzlosen Unrat. Dieser Wein hier ist weder nutzlos noch Unrat.“ Leise lachte Lorenor auf. „Ich hab doch gesagt, dass du und der Koch miteinander klarkommen würdet, sobald ihr euren dämlichen Schwanzvergleich hinter euch gebracht habt.“ „Oh, bitte versteh mich nicht falsch, ich kann ihn gewiss nicht leiden. Aber ich bin gewillt, einzugestehen, dass ich seinen Geschmack akzeptabel finde und ich diesen Wein begrüße. Mir ist bewusst, dass er für einen Vinsmoke vermutlich nicht günstig ist.“ Der andere schüttelte nur den Kopf. „Und mein Geschmack?“, fragte er grinsend. „Ist er für dich auch akzeptabel?“ Dulacre entgegnete nichts, sondern nippte an seinem Wein. Er hatte vergessen, wie gerne er sich mit Lorenor unterhielt. Natürlich telefonierten sie regelmäßig, aber es war etwas anderes, ihn hier neben sich zu sehen, seine Mimik, seine Gestik, die Art, wie er Luft holte, um etwas zu sagen, aber dann doch schwieg. Sein Geruch in der Luft und sein Blick immer dann auf Dulacre, wenn er es am wenigsten erwartete. „Aber sag, Lorenor, Alter ist für dich nur eine Zahl, gesellschaftliche Gepflogenheiten unnötiger Nonsens und an Festivitäten schätzt du nur den Alkohol.“ „Und das Essen.“ „Und das Essen“, korrigierte er sich. „Versteh mich nicht falsch. Ich bin überaus dankbar für deine Anwesenheit – nicht so dankbar für die Anwesenheit manch anderer – aber du hättest doch nicht für so etwas Lächerliches kommen brauchen wie meinem Geburtstag.“ Nun schwieg Lorenor und trank Dulacres Wein. „Bekomme ich keine Antwort?“ „Du wirst die Antwort nicht mögen.“ Fast schon schalkhaft lag Lorenors Blick auf ihm und Dulacre brauchte nicht mal raten. „Es war die Idee deines Kapitäns.“ „Es war zumindest seine Entscheidung. Wer die ursprüngliche Idee hatte, weiß ich gar nicht mehr.“ Schmunzelnd nippte Dulacre an seinem Wein. „Das hört sich ja fast so an, als wäre ich Gesprächsthema deiner Crew gewesen.“ „Warst du ja auch.“ „Wie bitte?“ Er sah Lorenor an, der nur mit den Schultern zuckte. „Schau doch nicht so. Wir sind eine Crew, wir reden nun mal über Dinge.“ „Jetzt bin ich auch noch ein Ding?“ Leise stöhnte Lorenor auf, doch es klang nur gespielt entnervt; Dulacre erkannte mittlerweile den Unterschied, zumindest meistens, hoffte er. Dann beobachtete er, wie Lorenor wieder die Flasche begutachtete, mit seiner freien Hand spielte er mit seiner Kette. Dulacre hatte nie wirklich verstanden, warum Lorenor entschieden hatte, sie weiterhin zu tragen. Natürlich hatte er sie ihm geschenkt, aber es war Lorenors Entscheidung gewesen, sie selbst dann noch zu tragen, als er es nicht mehr musste, um seine Tarnung aufrechtzuerhalten. Es passte nicht wirklich zu ihm, da er weder materialistisch noch sentimental war, und dennoch trug er diese filigrane Kette mit diesem elegant geformten Kreuz immer noch, die so fehl am Platz an seinem breiten Hals wirkte und Dulacre dennoch beinahe rührselig werden ließ. Dann schien Lorenor seinen Blick zu bemerken und erst da fiel ihm wohl auf, was er tat. „Die Kette ist gerissen, im Kampf“, murmelte er ruhig. „Lysop hat mir eine Neue mit Kettengliedern aus irgendsoeinem Wapo-Gold oder was auch immer gemacht, behauptet, das sei unkaputtbar.“ „Es erscheint mir nicht klug, eine unzerstörbare Kette um den Hals zu tragen.“ „Es erscheint mir nerviger, ein ganzes, beschissenes Schlachtfeld nach einem winzigen Kreuz abzusuchen.“ Dulacre zögerte. „Ist sie dir so wichtig?“ „Du hast sie mir geschenkt.“ Sie sahen einander an. „Ich wusste nicht, dass du dir so viel aus Geschenken machst. Du hast doch eigentlich recht wenig Interesse an materiellen Dingen.“ Nun senkte Lorenor den Blick, ein sanftes Rosa auf den Wangen. Es war ihm offensichtlich unangenehm, was doch so selten war. „Verzeih, ich wollte dich nicht bloßstellen.“ „Nein, nein… das ist es nicht“, murmelte er. „Aber… ich glaube… Ich glaube, es hat nichts mit materiell oder so zu tun.“ „Nein, das hat es wohl nicht“, stimmte Dulacre ihm zu und beobachtete, wie Lorenor über seine Schwerter strich. „Auf jeden Fall macht es mich glücklich, dass diese Kette dir so wichtig ist, dass du sie nicht verlieren möchtest. Selbst wenn ich mir etwas Sorge um deinen Hals mache.“ Lorenor nickte nur sachte. „Und so kam euer Gespräch auf mich? Über diese Kette?“ Wieder nickte Lorenor, ehe er mit den Schultern zuckte: „Ja, wobei du um ehrlich zu sein öfters Thema bist. Ich meine, wir telefonieren, das kriegen die anderen natürlich mit, aber ja, wir sprachen dann halt über…“ Lorenor sprach nicht weiter und Dulacre konnte ihm ansehen, dass er über etwas nachzudenken schien, und wenn er so konzentriert nachdachte, war das meist ein Zeichen von Gefahr. Plötzlich stieß Lorenor sich von der Balustrade ab, stellte die Weinflasche auf den Boden und positionierte sich direkt vor Dulacre. „Ich… ich bin nicht gut in so etwas, und… und es ist keine 200.000 Berry teure Weinflasche, die deinen Geschmack trifft.“ Er kratzte sich an der Schläfe. „Aber es ist nicht nutzlos und es ist auch kein Unrat. Daher… alles Gute zum Geburtstag.“ Etwas unbeholfen zog er ein kleines Holzschächtelchen hervor und hielt es Dulacre hin. Er starrte das Kistchen an, welches Lorenor ihm darbot. Damit hatte er nicht gerechnet, wieder mal überraschte Lorenor ihn. „Du… du hast ein Geschenk für mich?“, fragte er. „Naja, es ist dein Geburtstag, oder nicht?“, entkam es von Lorenor und seine Wangen wurden noch etwas röter. „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen“, entgegnete er immer noch leicht überrascht. „Doch, war es“, widersprach Lorenor dumpf. Dulacre versuchte den Gedankengang Lorenors zu verfolgen. Die Kette war gerissen und der Scharfschütze hatte ihm eine neue für den Anhänger gegeben. Daraufhin hatte die Crew sich über ihn unterhalten, Rücksprache mit Jiroushin gehalten und offensichtlich entschieden, ihn an seinem Geburtstag – der noch nicht mal ein runder Geburtstag war oder sonst irgendwie besonders – zu besuchen, um mit ihm zu feiern, obwohl er nie seinen Geburtstag feierte und obwohl Lorenor ihm noch nie irgendetwas… Ach so, da verstand er es. Sachte nahm er das Schächtelchen. Es war schlichtes Holz, vermutlich von Cutty Fram gebastelt, eine passende Verpackung für jemanden wie Lorenor – zumindest hoffte er, dass die Schachtel selbst nicht das Geschenk war, aber eigentlich wusste er nicht, ob und was er erwartete. Vorsichtig nahm er den Deckel ab. „Ist nur eine Kleinigkeit“, murmelte Lorenor, scheinbar peinlich berührt, „ist auch Wapo-Gold; hitzebeständig und hält echt einiges aus. Ich hab’s selbst ausprobiert, man kann es beim Kämpfen tragen, stört nicht und fällt nicht ab. Weiß ja, dass du deine Zeit nicht damit verschwenden willst, irgendetwas auf dem Boden zu suchen.“ Er drückte den schwarzen Samt etwas nach unten und nahm einen schlichten goldenen Armreif heraus. „Ich weiß, dass du dein anderes Armband immer getragen hast, aber jetzt halt nicht mehr und da du ja nicht magst, wenn Dinge sich ändern, dachte ich… Lysop hat es gemacht, frag mich nicht genau, wie es funktioniert, aber man kann es Aufladen – mit Haki – und dann…“ „…wird es eine Uhr“, beendete Dulacre fasziniert Lorenors Satz. Das goldene Metall in seiner Hand war nun schwarz und auf der Oberfläche zeigte sich ein goldenes Ziffernblatt, welches leicht im Mondlicht schimmerte. Im nächsten Moment unterbrach er die Hakizufuhr und fast im gleichen Atemzug war es wieder ein simples Armband. „Faszinierend.“ Er begutachtete das kleine Schmuckstück. Es war ein schlichter offener Armreif, in etwa so breit, wie sein kleiner Finger und ohne jegliche Verzierungen. Ohne Haki war noch nicht mal das Ziffernblatt sichtbar. Kühl lag es in seiner Hand, perfekt ausbalanciert. Es passte wahrlich zu Lorenor, etwas so simples, aber vollendet in seiner Schlichtheit mit einer überraschend intelligenten Note. Behutsam legte er es sich an, merkte wie sich das Metall beinahe leicht an seine Haut anschmiegte, als würde es schon immer dorthin gehören. Dann sah er auf, begegnete Lorenors Blick, der ihn skeptisch aber immer noch mit roten Wangen beobachtete. „Du musst es nicht tragen, wenn du nicht willst“, murmelte er zurückhaltend und brachte Dulacre damit zum Schmunzeln. „Oh, ich würde es auch nicht tragen, wenn ich nicht wollen würde“, entgegnete er und begutachtete das simple Schmuckstück weiterhin. Es war nicht ganz sein Geschmack, er bevorzugte Eleganz und Finesse, mit einem Auge fürs Detail, und dennoch hatte er das Gefühl, nie etwas von vergleichbarem Wert besessen zu haben; was natürlich Unsinn war. „Ich danke dir, Lorenor“, sagte er schließlich und senkte seinen Blick wieder auf das kleine Ding an seinem Arm. „Ich werde es in Ehren halten.“ „Sag doch nicht so etwas“, murrte Lorenor nun und rieb sich peinlich berührt den Nacken. „Eigentlich ist es ja nicht mal von mir. Lysop hat es gemacht und Franky die Schachtel, außerdem…“ „Darum geht es doch nicht“, unterbrach er die Bagatellisierung des anderen, erhob sich und legte Lorenor eine Hand auf die Schulter. „Ich danke dir, dass du dir diese Gedanken gemacht hast, auch wenn du die Bedeutung dieses Armreifs für mich wohl noch nicht mal erfassen kannst.“ Immer noch hatte Lorenor den Blick verlegen auf den See gerichtet. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte Dulacre noch entschieden, dass er nichts von Lorenor erwarten durfte, sondern selbst die Risiken eingehen musste, und nun machte sein Sozius so etwas. „Tja, vielleicht mag ich es doch, Geburtstag zu feiern“, bemerkte er mit einem leisen Schmunzeln. „Insbesondere, wenn wir morgen dein Geschenk ausprobieren.“ Wie erwartet brachte das Lorenor dazu, aufzusehen und er zeigte ihm sein altvertrautes Grinsen. „Natürlich, das ist Teil des Geschenks.“ „Du verwöhnst mich ja geradezu.“ Nun rollte Lorenor leicht mit dem Auge und strich dann Dulacres Hand ab. „Sieh es als Wiedergutmachung für das da“, meinte er und nickte zum Schloss. „Oh, dann wirst du aber mehr als einmal mit mir kämpfen müssen.“ Lorenor beugte sich nach der Weinflasche und trank sie leer, als hätte die begangene Tat viel Überwindung gekostet. Dann sah er Dulacre an. „Ich denke noch 997 Mal müssten reichen, nicht wahr?“ Er nickte Richtung Balkontür und Dulacre gab sich geschlagen. „Vielleicht“, scherzte er und folgte Lorenor zurück zum Schloss, obwohl er wahrlich kein Interesse an der Feier im Inneren hatte. „Lorenor.“ „Hmm?“ Der andere sah ihn über dessen Schulter hinweg an. „Ich liebe dich.“ Leicht schüttelte Lorenor den Kopf. „Zwei Mal an einem Tag, du musst mich echt für vergesslich halten.“ Dann seufzte er, zuckte mit den Schultern und sah kurz zum Himmel empor, ehe er Dulacre mit diesem ernsten Blick ansah. „Ich liebe dich auch.“ Wiedermal sagte er es auf diese Art, die Dulacre eine Gänsehaut bescherte. Sein Tonfall veränderte sich nicht, als würde er eine sachliche Diskussion mit ihm führen und das war das Besondere. Für Lorenor war dies kein emotionales Bekenntnis, es war ein Fakt, der nicht mal mehr der Erklärung bedurfte und den er nur Dulacre zuliebe wiederholte. „Na komm. Der Wein ist leer und du kannst nicht die ganze Feier verpassen, schließlich ist es dein Geburtstag.“ Tief seufzte Dulacre aus. „Ich könnte schon, schließlich ist es nicht nur mein Geburtstag. Ich bedarf keiner Feier, deine Anwesenheit ist mir genug.“ „Aber ich mag Feiern“, entgegnete Lorenor gnadenlos, „und ich finde es lustig, wenn du so tust, als könntest du Shanks nicht leiden.“ „Er ist nervig und laut“, erhob Dulacre Einspruch. „Ich weiß.“ Damit war die Entscheidung gefallen – an der Dulacre offensichtlich kein Mitspracherecht gehabt hatte – doch an der Türe angekommen, hielt er Lorenor kurz zurück. „Sag mir, wessen Idee war es?“, fragte er, woraufhin Lorenor ihn nur fragend ansah. „Das Armband, mit der versteckten Zeitanzeige. Euer Scharfschütze hat es geformt, Cutty Fram es verpackt, der Strohhut entschied, hierher zu kommen. Aber wer hatte die Idee für das Armband als Geschenk?“ Kurz neigte Lorenor den Kopf, ehe er mit den Schultern zuckte. „Es war meine Idee. Ich dachte, es passt zu dir.“ Was auch immer er danach sagen wollte – wenn er denn noch etwas sagen wollte – wurde durch Perona unterbrochen, die hektisch herbeigeschwebt kam und Lorenor um Hilfe bat, weil dessen Kapitän wohl irgendetwas am Anstellen war. Dulacre sah ihm nach, strich sich beinahe intuitiv über dieses schlichte Armband. Ja, vielleicht passte dieser schlichte Schmuck mit dieser unsichtbaren Finesse zu ihm. Er konnte sich vorstellen, daran Gefallen zu finden. „Nah, jetzt bist du mir nicht mehr so böse, oder?“ Zu seiner Linken tauchte Jiroushin auf, offensichtlich angetrunken. „War eine gute Idee von mir, das hier in die Wege zu leiten, was?“ Dulacre gab sich geschlagen. „Vielleicht gefällt es mir wirklich, alle 35 Jahre mal meinen Geburtstag zu feiern.“ Im nächsten Moment hörte er nur ein lautes Krachen und konnte vor seinem inneren Auge regelrecht sehen, wie der Kronleuchter in der Eingangshalle zu Boden krachte. „Shanks!“     Kapitel 21: Extrakapitel 18 - And the winner is... -------------------------------------------------- Extrakapitel 18 - And the winner is…   -Mihawk- „Es ist an der Zeit! Es kann nur einen geben und aus diesem Grund fordere ich euch heraus! Wer von euch glaubt, gegen mich bestehen zu können, der möge vortreten.“ „Ist das wirklich notwendig? Der Abend war lang genug, könnt ihr nicht einfach alle ver…“ „Falkenauge! Du zerstörst die Spannung!“ Shanks wirbelte zu ihm herum, offensichtlich wütend. „Es geht um die Ehre von uns Piraten und ich brauche würdige Gegner. Also…“ „Ich mach mit“, bemerkte Lorenor und schenkte Rothaar sein gefährlichstes Grinsen, „und ich werde nicht verlieren.“ Leise stöhnte Dulacre auf und rieb sich den Nasenrücken. Natürlich würde Lorenor dieser Herausforderung nicht widerstehen können. „Oh, ich denke, ich geselle mich auch dazu. Das letzte Mal ist schon lange her, nicht wahr, Zorro?“ Es überraschte ihn doch etwas, als ausgerechnet die Navigatorin neben Lorenor trat, doch dieser nickte ihr nur kurz anerkennend zu. „Okay, sonst noch wer? Nein? Zwei von den Strohhüten gegen mich, fehlt noch zumindest einer von den…“ „Ich bin schon lange kein Pirat mehr“, unterbrach Jiroushin Shanks etwas zu schnell. „Als Soldat sollte ich mich aus Piratenquerelen heraushalten.“ „Angsthase“, verurteilte die Navigatorin ihn sofort, während Shanks sich breit grinsend Dulacre zuwandte. „Aber du bist noch Pirat und mangels Crew hast du niemanden, der dich vertreten kann. Also musst du…“ „Ich denke gar nicht daran, bei diesem…“ „Aber es geht um die Ehre der…“ „Das ist mir so etwas von…“ „Herr Mihawk darf auf keinen Fall teilnehmen“, brachte sich nun Doktor Chopper ein. „Es wäre viel zu gefährlich und außerdem haben Sie heute schon genug Wein getrunken. Als Ihr Arzt rate ich Ihnen dringend davon ab.“ „Da hörst du es, Rothaar. Doktor Chopper hält es nicht für ratsam.“ „Spielverderber“, grummelte dieser nur, während Lorenor ihn mit hochgezogener Augenbraue begutachtete, aber was auch immer er dachte, blieb wohl sein Geheimnis. „Und nur, um es gesagt zu haben. Ich halte es für niemanden gut, so etwas zu machen. Es kann ganz…“ „Mach dir nicht ins Hemd, Chopper. Nicht jeder von uns ist so ein Sensibelchen wie Dulacre“, murrte nun Lorenor und schenkte ihm dieses fiese Grinsen, welches Dulacre so gerne an ihm mochte. „Ich habe schon zu oft mit beiden Hufen in deinem Abdomen gesteckt, als dass mich das beruhigen könnte“, bemerkte Doktor Chopper trocken. „Aber nie wegen Alkohol.“ „Nein“, gestand er mit einem entnervten Stöhnen ein. „Nie, wegen Alkohol. Und mir wäre wirklich lieber, wenn das auch so bleiben würde.“ „Okay, dann steht es fest!“, lachte Shanks laut auf und schob Chopper zur Seite, ließ seinen Enthusiasmus nicht bremsen. „Wir drei. Lou, bist du auch dabei?“ „Heute nicht, Käpt’n, hab noch nicht fertig gegessen.“ „Du bist schon seit fünf Stunden ununterbrochen am Essen“, murrte Dulacre und schüttelte den Kopf. „Macht, was ihr nicht lassen könnt.“ Dann ließ er sich auf seinen ausladenden Sessel nieder und zog die Zeitung hervor, ignorierte den nervigen Strohhut, der zusammen mit dessen Crewmitgliedern und weiteren Rothaarpiraten laut irgendwelche Lieder sang, und ignorierte den nervigen Rothaar, der nun den Speisetisch leer räumte, während Lorenor Bierfässer herbeiholte. Seufzend senkte er seinen Blick auf die Zeilen. Dies waren diese seltenen Momente, in denen er die Einsamkeit Kuraiganas vermisste. „Zeitunglesen? Auf deiner eigenen Geburtstagsfeier?“, fragte Jiroushin entrüstet nach und ließ sich ihm gegenüber auf Lorenors Sofa fallen. „Du bist ein schlechter Gastgeber.“ „Ich habe auch niemanden eingeladen, wie du sehr wohl weißt“, entgegnete er kalt, ohne auch nur aufzusehen. „Außerdem, wenn dies hier eine Feier zu meinen Ehren ist, dann sollte ich sie auch verbringen können, wie es mir gefällt. Nicht, dass diese Schluckspechte da drüben sich noch für irgendetwas anderes interessieren würden.“ Jiroushin seufzte auf. „Tja, sie sind noch so jung, da macht man schonmal Dummheiten.“ „Ich bitte dich, Rothaar ist fast so alt wie ich.“ Nicht nur Jiroushin, sondern auch Beckman und Nico Robin unterdrückten ein leises Auflachen, als sie sich zu ihnen gesellten. „Er ist vier Jahre jünger als du“, bemerkte Beckman, „wie du weißt, weil er ebenfalls heute Geburtstag hat.“ "Genau wie unser Schiffszimmermann. Er müsste der Jüngste von euch Dreien sein, nicht wahr?", kommentierte Nico Robin unnötigerweise. „Ach, lasst mich doch alle in Ruhe.“ Aus Prinzip konzentrierte er sich wieder auf seine Zeitung, aber ganz ausblenden konnte er die umliegenden Konversationen nicht. Auch nicht das Wetttrinken am Tisch, wobei es bereits offensichtlich war, wer siegen würde. Shanks war es nicht. Während Lorenor sich über das leere Bierfass beschwerte und die Navigatorin ganz aufmerksam Lucky Lou beäugte, war Rothaar über seinem Bierkrug zusammengesackt und murmelte unverständliche Dinge vor sich hin. „Ne, Bier ist super alle“, bemerkte Cutty Fram auf Nachfrage Lorenors. „Ihr habt alles leergetrunken.“ Beckman zu Dulacres Linken seufzte kaum merklich auf. „Dann ist das Wettrinken wohl vorbei.“ „Was? Nur weil das Bier leer ist? Wozu hat dieses Schloss hier einen Weinkeller, wenn wir ihn nicht nutzen?“, murrte Lorenor und erhob sich bereits. „Auf keinen Fall“, entgegnete Dulacre und legte die Zeitung beiseite. „Wenn ihr euch wie Barbaren aufführen wollt, bitte sehr, aber meine Vorräte bekommt ihr dafür nicht.“ Lorenor beäugte ihn kühl. „Und ich dachte, du liebst mich.“ „Emotionale Manipulation, ich bin ja fast beeindruckt“, entgegnete er, während seine Wangen heiß wurden. „Aber in diesem Fall unterstütze ich Doktor Chopper. Ich kann darauf verzichten, dich an eine gerissene Speiseröhre zu verlieren; ist wirklich nicht zu empfehlen.“ Über die Geräuschkulisse der Anwesenden hinweg sahen sie einander an und zumindest dieses eine Mal, war Lorenor für ihn lesbar wie ein offenes Buch. „Meinetwegen“, gab er sich geschlagen und fiel zurück auf seinen Stuhl. Die Navigatorin hingegen begutachtete immer noch Lucky Lou, der ihr nur zuprostete, und es war offensichtlich, dass ein neuer Rivale entdeckt worden war. „Na komm, Käpt’n, ab ins Bett mit dir“, brummte Beckman nun und warf sich Rothaar über den Rücken. „Aber ich bin noch überhaupt nicht müde“, nuschelte dieser fast unverständlich und ohne auch nur die leisesten Anstalten zu machen, sich zu wehren. Lorenor erhob sich ebenfalls. „Du willst auch schon schlafen gehen?“, fragte der Lockenkopf ihn, woraufhin dieser nur mit den Schultern zuckte und gähnte. Nur einen Moment lag sein Blick auf Dulacre und seine Mundwinkel zuckten zu einem Lächeln, ehe er ging. Seine Schritte einen Tick weicher als sonst. Dulacre wollte diesen Moment zur Gelegenheit nehmen, diese Feier zu beenden, aber dies war ihm nicht vergönnt, als sich Jinbei ihm gegenüber niederließ und ihn in ein Gespräch verwickeln wollte. Leider Gottes war er damit auch sehr erfolgreich und irgendwann stellte Dulacre fest, dass das Kaminzimmer bis auf vereinzelte Personen und Schnapsleichen auffallend ruhig geworden war, während die Fenster nicht mehr ganz so dunkel schienen. „Du meine Güte“, lachte Jinbei auf. „Ich denke, wir sollten uns auch eine Runde hinlegen. Wer weiß, wann wir sonst nochmal die Chance bekommen werden.“ So verabschiedeten sie sich, denn Jinbei war einer der wenigen Crewmitglieder des Strohhuts, die es bevorzugten an Bord ihres Schiffes zu schlafen, während die meisten von ihnen den Luxus des Schlosses bevorzugten; für die Rothaarpiraten bestand diese Wahl ausdrücklich nicht! Nicht so müde wie er sein sollte, ging Dulacre die Flure seines Schlosses entlang, seine Finger glitten immer wieder über das kühle Armband. Wieder mal eine Facette an Lorenor, die er noch nicht gekannt hatte. Mit einem leisen Lächeln und einer warmen Brust blieb er kurz vor Lorenors Zimmer stehen, ehe er weiterging. Die Zeiten, an denen er an Lorenors Bettkante gesessen hatte, waren vorbei, wie er mit einem leisen Seufzen einsah. Also ging er zu seinem Zimmer, sah zur gegenüberliegenden Tür, wo Jiroushin sich wie üblich eingenistet hatte. Diese Wärme war wirklich ungewohnt. Darüber schmunzelnd ging er in sein Zimmer und blieb im Türrahmen stehen. Selbst in der Dunkelheit konnte er problemlos den Schatten zwischen seinen Laken sehen. Mehrere Sekunden starrte er ihn irritiert an, dann schüttelte er den Kopf und schloss leise die Türe. Noch einen Moment haderte er, was die klügste Herangehensweise war, dann siegte doch seine Müdigkeit, also zog er seine Stiefel aus, wusch sich kurz und stand dann schließlich vor seinem eigenen Bett. Seufzend ließ er sich auf der Bettkante nieder. „Was wird’n das, wenn’s fertig is?“, murrte die Gestalt ins Kopfkissen rein. „Will schlafen, geh in dein Zimmer.“ Dulacre seufzte erneut. „Du liegst in meinem Bett, Lorenor.“ „Hm?“ Fast schon überrascht hob er kurz den Kopf und sah Dulacre aus einem halb geöffneten Auge an. „Oh.“ Dann ließ er den Kopf wieder fallen, offensichtlich nicht mit der Absicht aufzustehen, sondern an Ort und Stelle weiterzuschlafen. „Ich hoffe, du hast keine Einwände, wenn ich beabsichtige, in meinem eigenen Bett zu schlafen“, bemerkte Dulacre, nicht sicher, was er aus dieser Situation machen sollte. Er war leicht genervt, aber… „Mach nur“, murrte Lorenor erneut, ohne sich zu bewegen. Also stieg Dulacre in sein eigenes Bett, zupfte seine Decke unter dem schweren Körper seines Partners hervor und sank in sein weiches Kopfkissen, das tiefe Atmen des anderen direkt neben ihm, sein Herzschlag langsam und beruhigend. Selbst sein Geruch vermischt mit Schweiß und kaltem Alkohol hatte etwas angenehmes, schockierender Weise. „Lorenor?“, murmelte er und drehte sich auf die Seite, das Gesicht Lorenor zugewandt. „Ich liebe dich.“ „Hm?“, machte der andere und nuschelte dann etwas, was vielleicht eine Erwiderung gewesen sein könnte – oder eine Beleidigung – ehe er sich noch etwas tiefer in die Laken grub und seine Füße Dulacres Unterschenkel streiften. Einen Moment noch betrachtete er diesen Mann, dann schloss er seine Augen und hieß den Schlaf willkommen. Doch dieser würde lange nicht kommen, abgeschreckt von dem Holzfäller, der sich in Dulacres Bett verirrt hatte.   -Zorro- Es war wohl Zeit aufzustehen. Nicht, dass er wirklich wollte, aber selbst durch sein geschlossenes Lid konnte er die warmen Sonnenstrahlen spüren. Außerdem würde er heute nochmal gegen Dulacre kämpfen und daher wäre jetzt der perfekte Moment, sich vorm Frühstück schon mal etwas aufzuwärmen. Es gab nur ein Problem. „Meinst du das jetzt ernst?“, knurrte er, ließ den Kopf zur Seite fallen und öffnete sein schweres Lid. Dulacre lag neben ihm. Das überraschte ihn nicht sonderlich, schließlich hatte er sich anscheinend in dessen Bett gelegt. Der andere lag ihm zugewandt auf der Seite, die Augen geschlossen, atmete ganz ruhig, tief und fest am Schlafen… und zwar auf Zorros Arm. Einen Moment begutachtete Zorro dieses Bild, fand jedoch keine Lösung, wie er seinen Arm befreien könnte, ohne den anderen aufzuwecken. Ganz gleich, wie schnell er sein würde, Dulacre würde es wohl merken. Sein Atem kitzelte etwas in Zorros Armbeuge. Wäre dies eine von diesen kitschigen Romanen des Kochs, würde er Dulacre wohl jetzt beobachten und irgendetwas darüber philosophieren, wie jung er im Schlaf wirkte, wie sanft und unschuldig oder was auch immer. Aber das wäre halt der größte Quatsch. Er sah immer noch genauso aus, wie Dulacre nun mal aussah, genauso alt, der Bart genauso getrimmt wie sonst auch, die Haare vielleicht etwas unordentlicher, wie man es nach dem Schlafen erwarten konnte. Er wirkte weder ungewöhnlich sanft noch unschuldig. Er war immer noch er, nur halt am Schlafen. Und da lag das Problem, denn Zorro würde schon recht gerne ein paar Runden durch den Wald laufen und die Schwere der vergangenen Nacht abschütteln. Außerdem war es nicht seine Schuld, wenn der andere meinte, auf seinem Arm einschlafen zu müssen. Er hätte sich auch ein richtiges Kissen aussuchen können oder gleich ein anderes Bett – schließlich bot dieses Schloss mehr als genug – und daher sollte es Zorro egal sein, wenn er den anderen aufwecken würde. Nein, mehr noch, er könnte ihn einfach wegschubsen, so wie er es mit jedem – na gut, fast jedem – aus der Crew machen würde. Dem anderen täte es auch nicht schlecht, sich mal ein bisschen zu bewegen und es war nicht Zorros Schuld, dass er meinte bis in die frühen Stunden aufbleiben zu müssen. Ja, er sollte einfach seinen Arm rausziehen. Zorro blieb liegen. „Du bist so ein nerviger, alter Mann“, knurrte er leise, ehe er schließlich seufzte. Es erinnerte ihn an jenen Morgen, nach dem Marineball, als er Dulacre verkatert in dessen Zimmer auf Sasaki angetroffen hatte. Dieser Mistkerl hatte irgendetwas vor sich hingenuschelt, war dann gegen ihn gestolpert und hatte sie beide zu Fall gebracht – Mann, was war Zorro schwach gewesen in jenem anderen Körper – und dann war er einfach eingeschlafen. Zorro hatte dort gelegen, eingeklemmt zwischen Bett und Kommode, während sein Lehrmeister ihn unter sich begraben und als Matratze benutzt hatte, um seinen Rausch auszuschlafen. An dieses Gesicht in seinem Schoß konnte Zorro sich noch genau erinnern und tatsächlich konnte er Unterschiede ausmachen. Die Sorgenfalten waren nicht ganz so tief, keine Augenringe, der Mund entspannt und leicht geöffnet. Dulacre hatte ihm erzählt, dass er sich wohl an jenen Abend unwissentlich in Zorro verliebt hatte. War dies der Grund gewesen, warum er sich im Anschluss die Kante gegeben hatte? Um diese unerwünschten Gefühle zu ertränken? Zorro wusste es nicht, aber eines wusste er. Er bevorzugte diesen schlafenden Dulacre. „So ein nerviger, alter Mann.“ Er konnte auch noch später laufen gehen. Mit einem Seufzen schloss Zorro sein Auge. Er hatte sich geirrt. Es war eindeutig Zeit noch etwas zu schlafen. Kapitel 22: Extrakapitel 19 - Der Beste --------------------------------------- Der Beste   -Mihawk- Er riss die Augen auf, sprang auf und rannte los, knallte die Türe auf und stürzte aufs Deck. „Jiroushin, warte!“ „Wa..was?“ Im letzten Moment stoppte die Spitze des Degens, nur wenige Haarbreit vom Hals des Fremden entfernt, der auf der Gallionsfigur hockte, ein Bein locker herabhängend. „Aber… aber Kapitän?“, kam es von den wenigen Crewmitgliedern, die um diese Uhrzeit schon auf Deck waren und alle in Angriffshaltung dem Fremden gegenüber standen. Dieser starrte Dulacre an und es schien, als würde sich dieser Blick direkt in seine Seele fressen. Bevor er wusste, was überhaupt geschah, merkte er, wie sein ureigenes Monster erwachte, aber nicht langsam und schläfrig, wie er es gewohnt war, nein, alles in ihm war in Alarmbereitschaft und sein Monster lechzte nach Kontrolle über seinen Körper, über seinen Geist. Plötzlich brach diese Gier, als der Fremde den Blick abwandte und über die anderen Anwesenden gleiten ließ, an Jiroushin hängen blieb. „Wer bist du?“, fauchte Dulacres Vize, der auf der Reling direkt zur Rechten des Fremden stand. „Und wo kommst du so plötzlich her? Was ist dein Begehr auf unserem Schiff?“ Eine Gänsehaut glitt über Dulacres Körper. Es war ganz offensichtlich, dass niemand aus der Crew mit einem Angriff gerechnet hatte, obwohl natürlich immer jemand Wache hielt. „Ganz schön viele Fragen auf einmal“, brummte der Fremde, ohne Jiroushins Waffe auch nur eines Blickes zu würdigen, und schirmte sein unversehrtes Auge mit einer Hand vor der aufgehenden Sonne, als er zum Segel hinaufsah. Auf den ersten Blick wirkte der Fremde unscheinbar, doch auffällig waren die vier Schwerter, die er an seiner Hüfte trug, drei auf der rechten Seite, eines auf der linken. Dulacres Augen blieben auf der vereinzelten Schwertscheide hängen. Im nächsten Moment lag dieser unnachgiebige Blick jedoch wieder auf ihm und er wusste, dass er handeln musste. „Jiroushin, senke deine Waffe“, befahl er kalt, ohne diesem Blick auszuweichen, obwohl sein Herz immer schneller schlug. Er musste sich beruhigen. „Kapitän, was soll das?“, flüsterte Eros und sah ihn kurz ungläubig an, aber Jiroushin gehorchte, natürlich. Jedoch entfernte er sich kein Stück von dem Fremden. Würde Dulacre ihn rechtzeitig erreichen können? Er wusste die Antwort. „Ich biete meine Kapitänskajüte dar“, sprach er kalt und klar aus, stieß die Türe, durch die er gerade gekommen war, weit auf und deutete mit einer ausholenden Armbewegung hinein. „Dieses Gespräch sollte wohl besser in Vertraulichkeit stattfinden.“ Sein Blick fiel kurz auf Jiroushin, der unmerklich nickte, offensichtlich verstand, aber seine Aufmerksamkeit blieb beim Fremden. „Meinetwegen“, kam die schroffe Antwort, ehe der Fremde von der Gallionsfigur rutschte und seine Stiefel dumpf auf dem Deck aufschlugen. Nichts verriet, was er wirklich wollte, aber er kam auf Dulacre zu, als würde ihm das Schiff gehören, schien die argwöhnischen Blicke der Besatzung nicht mal zu bemerken. Als der Fremde die Stufen zu ihm hochstapfte, schritt Dulacre zur Seite und gab den Weg in seine Räumlichkeiten frei. Absolut selbstverständlich trat der Fremde ein und ohne mit der Wimper zu zucken, folgte Dulacre, schlug die Türe hinter sich zu. „Mit so viel Gastfreundschaft hätte ich nicht gerechnet“, kam es dann vom Fremden, der die Arme verschränkt hatte und scheinbar neugierig Dulacres Vorzimmer begutachtete. „Ich halte auch nichts von Gastfreundschaft“, widersprach Dulacre kühl, „aber es ziemt sich nicht, Verhandlungen an Deck auszutragen.“ Damit deutete er zum Verhandlungstisch, doch sein Gegenüber wandte sich ihm zu. Er war kleiner als Dulacre, aber er beging nicht den Fehler, dieser Nichtigkeit irgendwelche Bedeutung zuzurechnen. „Natürlich“, stimmte er mit einem leisen Grinsen zu, als hätte er diese Aussage fast erwartet, „aber warum glaubst du, dass es Verhandlungen geben wird?“ Dulacres Augenbraue zuckte ungewollt. Nicht nur, dass dieser Landstreicher sich so benahm, als würde von Dulacre nicht die leiseste Gefahr ausgehen, nein, jetzt erlaubte er sich auch noch, so vertraut mit ihm zu sprechen! Er mochte deutlich älter als Dulacre sein, aber er konnte sich nicht erinnern, wann das letzte Mal jemand ihn ungefragt geduzt hatte und mit dem Leben davongekommen war. „Ah, habe ich etwa einen Nerv getroffen?“, meinte dann der Fremde und Dulacre verfluchte sich selbst. Seine mangelnde Gesichtskontrolle hatte ihn verraten. Solche leichtfertigen Fehler durften ihm nicht passieren. „Warum sonst solltest du mich aufgesucht haben?“, entgegnete er ebenso respektlos. „Wenn du einen Kampf gesucht hättest, würde dieses Schiff nicht mehr sein, und was außer einem Kampf oder Verhandlungen könnte einen schon verleiten, ein Schiff von Piraten zu betreten?“ „Mhm, das ist eine gute Frage“, brummte der Fremde, der nun wieder Dulacres Räumlichkeiten begutachtete und so klang, als würde er ebenfalls über diese Frage nachdenken, würdigte ihn nicht mal eines Blickes. Aber natürlich hatte auch Dulacre nicht ganz ohne Hintergedanken gehandelt. Jiroushin würde nun alles vorbereiten und im Falle des Falles den Crewmitgliedern die Flucht ermöglichen. Ob diese etwas bringen würde, war ein anderes Thema und hing einzig und alleine davon ab, was dieser Fremde begehrte. Sofern er nur hinter Dulacre her war, mochte diese Taktik erfolgversprechend sein, ansonsten war es so oder so vergebens. „Aber bevor wir uns der Verhandlung zuwenden, dürfte ich um die Beantwortung einer Frage bitten?“ „Hmm?“, machte der Fremde nur, immer noch ohne Dulacre seine Aufmerksamkeit zu schenken. Sein Nacken verspannte sich, solch ein Verhalten war unerhört. „Aus welcher Zeit kommst du?“, fragte er, bemüht gelassen. Der Fremde wandte sich ihm mit hochgezogener Augenbraue zu. „Was für eine seltsame Frage“, entgegnete er. „Es ist die Einzige, die Sinn ergibt“, widersprach Dulacre und begegnete diesem neugierigen Blick bewusst abwertend. Er mochte die Fähigkeiten des anderen erfassen, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er ihn respektierte. „Es gibt derzeit nur eine Handvoll Menschen auf der Welt, die mir überlegen sind, wäre auch nur einer von ihnen ein Schwertkämpfer, wüsste ich davon, aber weder dein Gesicht noch deine Aura sind mir bekannt. Darüber hinaus trägst du ein Schwert an deiner Seite, welches ich mein Eigen nenne. Aber ich bin mir absolut sicher, dass es nicht das meine ist, weil es…“ „Ach so“, kam es vom Fremden sachte und er glitt beinahe schon liebevoll mit einer Hand über den Griff seiner Waffe. „Weil es spricht, nicht wahr?“ Dieser Kerl war wahrlich gefährlich, so wie er Josei berührte und wie es dessen Nähe nicht nur akzeptierte, sondern auch forderte, so anders klang, als Dulacre es je gehört hatte. Es ergab keinen Sinn, diese Waffe ließ sich bereitwillig neben anderen – niederen! – Waffen tragen? „Ganz recht“, stimmte er jedoch kühl zu. „Das meine ist schon vor langer Zeit verstummt. Also lässt dies nur einen Schluss zu, du kommst aus der Vergangenheit, lange bevor dieses Schwert in den Besitz meiner Familie fiel. Vielleicht bist du sogar der ursprüngliche Meister dieses…“ „Falsch“, grinste der andere ihn an, dann lachte er leise auf und wandte sich wieder um. „Echt eine schlechte Angewohnheit, bei so viel Grips immer so vorschnell zu irgendwelchen Schlüssen zu springen, was?“ Dulacre ließ sich von diesem seltsamen Kommentar nicht aus der Fassung bringen. Er hatte bewusst eine falsche Vermutung in den Raum gestellt. Hätte es je einen solchen Schwertkämpfer gegeben, dann hätte er von ihm gehört. „Aus welcher Zeit also kommst du?“, fragte er unbewegt, nachdem der andere ihn nun hoffentlich unterschätzte. „Welches Jahr schreiben wir?“, entgegnete der Fremde und dann lag sein Blick wieder auf Dulacre und ihm wurde heiß und kalt zugleich, so eindringlich musterte der andere ihn. „1502", antwortete er, nicht wirklich sicher, was er von dem Fremden halten sollte. Er war ohne Frage sehr gefährlich, aber er schien nicht aggressiv, nicht mal misstrauisch. Was nur waren seine Absichten? Dulacre konnte sie nicht im Mindesten erfassen und das war ihm noch nie passiert. Es fiel ihm schwer, diesen Mann zu lesen, dabei wirkte er nicht besonders verschlagen. Vielleicht war er auch einfach nur so gut darin, sich zu verstellen, dass es ihm gelang, selbst Dulacre zu täuschen. „Aha", machte der andere und schien kurz etwas anhand seiner Finger zu überschlagen. Er wirkte dabei nicht besonders intelligent. „Das heißt, du bist was? 20?" Was ging ihn Dulacres Alter an? Aber er entschied, mitzuspielen. Der Fremde machte nicht den Anschein, als ob er leicht zu verärgern wäre, aber Dulacre trug die Verantwortung für zu viele Leben, als das er es leichtfertig riskieren sollte. Gleichsam war er es wirklich nicht gewohnt, sich mit seiner Meinung zurückhalten zu müssen. „21", antwortete er also kurz angebunden. „Aha", kam es erneut langgezogen vom anderen, der nun einen Schritt auf ihn zumachte. „Bin schon etwas überrascht, wirkst irgendwie deutlich jünger.“ „Ich denke nicht, dass mein Aussehen für dieses Gespräch von Relevanz ist", sagte er mit angespanntem Kiefer. „Aber es wäre ein Gebot der Höflichkeit, wenn du nun auch auf meine Frage antworten würdest. Aus welcher Zeit kommst du?" Oh, er sollte vorsichtig sein. Dieser harte Ton war nicht beabsichtigt gewesen, doch die Bemerkung des anderen fasste ihn sehr wohl an. „Ein Gebot der Höflichkeit also", meinte der andere, aber es war Dulacre unmöglich zu sagen, was durch seinen Kopf ging, ob es ihn belustigte oder erzürnte. Dann seufzte der andere auf. „Ich komme aus dem Jahr 1531." Also fast 30 Jahre aus der Zukunft. Nur 30 Jahre aus der Zukunft. Hieß dieser Mann lebte bereits in Dulacres Zeit, aber er hatte noch von keinem aufstrebenden Talent im Schwertkampf gehört. Vielleicht kam er aus einem Land, welches sich von der Welt abgeschottet hatte, vielleicht war er als Kind oder Jugendlicher noch unscheinbar und würde erst später von sich Reden machen. So oder so, in weniger als 30 Jahren sollte es jemanden gelingen, Josei zu erwecken und es so klingen zu lassen? Er musste Ruhe bewahren, eine Frage nach der anderen, Informationen beschaffen. „Und um Waffengleichheit herzustellen, dürfte ich dich auch um die Angabe deines Alters bitten?" Der andere schwieg, doch sein Blick hatte sich verändert, das unversehrte Auge zusammengekniffen, ehe er schließlich mit den Schultern zuckte. „Keine Ahnung, was du mit der Info anfangen willst, aber ich bin 28." Langsam nervte ihn dieser Fremde, aber auch wenn es Dulacre nur schwerlich zugeben konnte, er war wahrscheinlich nicht in der Lage, den Fremden zu besiegen, und auch, wenn dies ihm noch schwerer fiel, so musste er doch einen Kampf vermeiden. Hier auf offener See würde dies den Tod seiner Untergebenen bedeuten und der Verlust dieses Schiffes. Unnötige Einbußen, doch der Preis war hoch. Gleichzeitig war er überrascht. Der Mann vor ihm sollte ihm nur wenige Jahre voraus haben? In seiner Zeit noch nicht mal geboren sein? Dabei wirkte er deutlich älter und erfahrener. Nun ja, das Alter spielte nicht jedem gerecht mit. Vielleicht war es aber auch nur eine Lüge, deren Grund Dulacre noch nicht erfassen konnte, also musste er noch weitere Informationen erhalten. „Na dann, erkläre mir doch bitte den Grund deiner Anwesenheit. Was willst du von mir? Warum bist du in die Vergangenheit gereist, nur um mich zu treffen?" Ihm war nicht mal bewusst, dass so etwas überhaupt möglich war, aber es war die logischste Erklärung, so unmöglich es auch scheinen mochte. Doch der Fremde grinste breit. „Wer sagt, dass ich einen Grund habe?" „Was?" Nun rieb der andere sich etwas verlegen den Nacken. „Naja, die Wahrheit ist, ich habe keine Ahnung, wie ich hier gelandet bin. Ich habe bis gerade eben noch auf Deck gepennt und ehe ich mich versehe, falle ich vom Himmel, und bis auf Wasser gab es nur dieses Schiff hier, also habe ich mich für das Schiff entschieden." Der andere zuckte mit den Schultern. „Frag mich nicht, wie das sein kann, vermutlich eine Teufelskraft - wobei ich noch von keiner gehört habe, die einen in die Vergangenheit reisen lässt - aber nein, ich habe keinen Grund. Bin weder für einen Kampf hier noch für Verhandlungen. Hatte einfach nur Pech." Etwas fassungslos starrte er den anderen an. Langsam beschlich ihn die Sicherheit, dass der Kerl vor ihm ein Dummkopf war. „Warum solltest du ausgerechnet jetzt genau hier landen?", hinterfragte er misstrauisch. „Keine Ahnung. Wo ist denn überhaupt hier? Auf welchem Meer seid ihr unterwegs?" Hatte er wirklich absolut keine Ahnung, so dumm konnte er gar nicht sein. „Grand Line, neue Welt", entgegnete er kühl. „Oh, wir waren gerade im North Blue…Hmm…" der Fremde begutachtete ihn wieder, ehe er langsam nickte, ohne etwas zu sagen. Was auch immer in dessen Kopf vorging. „Also bin ich nicht zufällig hier gelandet, was?“ Woher sollte er das wissen?! „Na ganz toll“, sprach der Fremde weiter. „Und was jetzt? Ich hab echt keinen Bock, den ganzen Mist nochmal mitzumachen. Hmm… Wenn… wie war das denn noch? Wenn ich es nach Wa No schaffen würde, könnte ich vielleicht… wenn sie denn noch leben…“ Plötzlich hielt der Fremde inne und sah Dulacre eindringlich an. „Oder kann es sein, dass ich nicht grundlos hier bin?“ „Du glaubst, dass ein Feind dich in die Vergangenheit geschickt hat, damit du ebendiese ändern kannst?“, entgegnete Dulacre zweifelnd, nicht sicher, womit er diese Situation verdient hatte. „Nein, das glaube ich nicht“, murmelte der Fremde und wandte sich wieder ab. Er klang so, als hätte er etwas anderes im Sinn. Aber Dulacre war das Gleich. Es war ihm einerlei, wer der andere war noch, was er vorhatte… Nein, das stimmte nicht. Er mochte es sich nicht eingestehen, aber er war hochgradig an dem Fremden interessiert. Nicht an dessen Lebensgeschichte oder was mit ihm passiert war, aber an seiner Schwertkunst und nicht zuletzt an seiner Waffe. „Nun denn, mich interessiert, wie du an mein Schwert gekommen bist“, hakte er kühl nach und unterbrach das Gemurmel des anderen, der seinem Blick begegnete. „Also was ist es? Hast du mein Schwert gestohlen oder es nach meinem Tod an dich genommen?“ Und da war es wieder, dieses Grinsen, weil der andere mehr wusste als Dulacre. „Wieder eine zu schnelle Schlussfolgerung“, sagte er und neigte leicht den Kopf. „Weder noch.“ „Was? Wie bist du dann an Josei gekommen?“ „Was für eine andere Möglichkeit besteht denn noch?“ Neckte der Fremde ihn etwa? Machte er sich über Dulacre lustig? Wie konnte er es wagen?! „Es gibt keine andere. Entweder hast du es gestohlen oder es an dich genommen, da es herrenlos war.“ Nun weitete sich das unversehrte Auge des anderen in Überraschung. „Und dass du es freiwillig herausgibst, wie mit Dansei und Homura ist keine…?“ „Wage es nicht, diesen Namen in meiner Gegenwart auszusprechen!“ Hart atmete er, die Spitze seines Schwertes direkt am Kinn des anderen. Bevor er überhaupt wusste, was er getan hatte. Aber Yoru mahnte ihn zur Vorsicht. Nicht, dass er dieser Mahnung bedurft hätte. „Oh?“, kam es vom Fremden mit noch größerer Überraschung, ohne jedoch im Geringsten beeindruckt zu sein, während er mit einem verschmitzten Lächeln beide Hände hob. „Sorry, wusste nicht, dass dieser Name so eine Reaktion auslösen würde. Kannst ihn ja noch weniger leiden, als ich dachte.“ „Woher kennst du diesen Straßenköter?“, fauchte Dulacre, ohne sein Schwert zu senken. „Sag bloß, ich habe ihn all die Zeit verschont?! Bist du ihm etwa wohlgesonnen?“ Der Fremde neigte leicht den Kopf, sein Lächeln war verschwunden und er wirkte deutlich ernster als noch zuvor. „Wohlgesonnen? Mann, du kennst Wörter… Aber ne, lass mal, der Typ kann mir den Buckel runterrutschen. Aber nochmal, du könntest dir also nicht vorstellen, ihm Dansei zu geben?“ „Wie bitte?“ Leise lachte Dulacre über diese Abstrusität auf, ehe er bitterernst wurde. „Was ist das denn für eine Frage? Ich soll diesem Köter eines der Drachenschwerter überlassen? Lächerlich! Sollte dieser Hund mir nochmal über den Weg laufen, werde ich ihn eigens köpfen. Er ist es nicht wert, am Leben zu sein.“ „Ah“, machte der andere nur und verschränkte die Arme, ignorierte das Schwert an seiner Kehle. „Dann wird es für dich vielleicht eine Überraschung sein, aber du hast mir Josei freiwillig gegeben.“ Langsam bröckelte das Lügengebilde des anderen. Dulacre hatte sich noch gefragt, woher der Fremde all dies wusste. Anscheinend hatte er in der Zukunft über Dulacre recherchiert, aber das hieß noch lange nicht, dass der Fremde Dulacre auch nur im Mindesten kannte. „Warum sollte ich so etwas tun?“, entgegnete Dulacre, schluckte seine Wut hinunter und spielte mit. Natürlich würde er Josei nie aus den Händen geben. Aber was sollte diese unnötige Finte mit Dansei? Wollte er Dulacre verwirren? Oder hatte er ihn bewusst provoziert? Was es auch war, er musste sich beruhigen und seine Emotionen unter Kontrolle bringen. „Du hast es mir geschenkt“, meinte der andere jedoch, „unter der Voraussetzung, dass ich es meistern würde.“ Dann riss er sich das Schwert vom Leib und hielt es Dulacre hin, ein siegessicheres Schmunzeln auf den dünnen Lippen. „Und das habe ich, wie du siehst.“ Langsam ließ Dulacre seine Waffe sinken und nach einem Atemzug ergriff er die Waffe seiner Schwester, die ihn mit so viel Wärme begrüßte, wie es unmöglich war. Er spürte, wie etwas in ihm erzitterte, als er diese vertraute und doch unbekannte Hitze fühlen konnte, die er für Jahre vermisst hatte. Er schloss seine Augen. Josei klang anders als er sich erinnerte. Nicht ganz so herrisch, aber noch fordernder, noch blutgieriger, gleichzeitig jedoch weniger unbeherrscht. Dann riss er seine Augen auf. Er musste vorsichtig sein. Was auch immer der Fremde für ein Spiel mit ihm spielte, er versuchte Dulacre über vergangene Emotionen zu manipulieren. Er hielt dem Fremden wieder das Schwert hin und dieser nahm es entgegen, immer noch dieses leise Schmunzeln an Ort und Stelle. „Das heißt, du hast mich getötet und auf meinem Sterbebett habe ich dir dieses Schwert anvertraut?“ „Was?“ Der andere verzog sein Gesicht. „Okay, zum letzten Mal, ich hab dich nicht getötet, verstanden?“ „… Was? Warum nicht? Hast du mich nicht besiegt?“ „Doch, doch, natürlich hab ich das, aber…“ „Willst du mich etwa zum Narren…?!“ „Könntest du mal damit aufhören, mir Yoru die ganze Zeit aufzudrücken, das nervt.“ Fast schon in einer beiläufigen Bewegung strich der andere sein Schwert zur Seite. Fassungslos starrte Dulacre ihn an. Wie stark war dieser Mann? Schwerfällig stöhnte ebendieser auf. „Mann, du bist noch dramatischer als sonst schon. Hör mal, wir beide wissen, dass du mir nicht gewachsen bist, also lass diesen Mist, ja? Wenn du Fragen hast, stell sie, aber tick nicht jedes Mal aus, wenn ich auch antworte.“ „Was erlaubst du dir eigentlich, so mit mir…“ „Ganz ehrlich, du bist echt anstrengend, kleiner Hawky.“ Er schluckte, wagte nicht, den Kopf zu senken. Nicht die Spitze irgendeines Schwertes ruhte gerade unter seinem Kinn. Der Fremde führte ihn vor, erniedrigte ihn. Im nächsten Moment schwang er Yoru durch die Luft und bot Dulacre den Griff dar. Seine Bewegungen waren zu schnell. Dulacre hatte nicht mal mitbekommen, wie der Fremde ihn seiner Waffe entledigt hatte. „Hätte echt nicht gedacht, dass das möglich wäre, aber du bist ja echt noch unausstehlicher als so schon. Scheinst nur diese Sprache zu verstehen, was? Also, Mini-Dulacre, lass mich das klarstellen. Ich werde nicht vor dir katzbuckeln und ich werde meine Wortwahl nicht deinem Ego anpassen, also gewöhn dich besser schnell dran, wenn du nicht nochmal dein eigenes Schwert gegen dich gerichtet haben willst.“ „Je länger du mir gegenüberstehst, desto weniger bin ich gewillt, deinen Worten Glauben zu schenken“, entgegnete Dulacre, nachdem er den ersten Moment des Schocks überstanden hatte. „Aber meinetwegen, erzähl deine Geschichte, und ich werde zuhören.“ Der andere schnaubte auf und rieb sich durchs Gesicht. „Und selbst jetzt klingst du noch so, als ob du der Chef wärst.“ „Naja, immerhin bin ich der Kapitän dieses Schiffes“, entgegnete er kühl, was sein Gegenüber wieder zum Grinsen brachte, warum auch immer. „Also, so wie ich dich verstanden habe, hast du mich besiegt, mir meinen Titel genommen, aber du hast mich nicht getötet? Das entzieht sich jeglicher Logik. Bist du ein Pazifist oder warum hast du mir das ehrenvolle Ende eines Schwertkämpfers verwehrt und mich mit der Schande meiner Niederlage am Leben gelassen?“ „Na gut, also zusammengefasst, du hast vorgelegt.“ „Wie bitte?“ Der Fremde zog seinen hässlichen Mantel zur Seite und offenbarte das Ende einer alten Narbe, die einst amateurhaft versorgt worden war. „Du willst mir sagen, ich hätte einen meiner Gegner verschont?“, fragte Dulacre ungläubig nach. „So viel unwahrscheinlicher, als dass du jemandem das Schwert deiner Schwester gibst?“, grinste der andere. So beiläufig diese Worte, riss diese alte Wunde auf, genauso beiläufig, wie er ihm eben sein eigenes Schwert entzogen hatte. Aber Dulacre war nicht umsonst, wer er war, was er war, verdrängte alle Emotionen und erlaubte nur seiner tödlichen Rationalität zu bleiben. „Nun ja, wenn ich ehrlich bin, nichts von dem, was du bisher gesagt hast, lässt mich glauben, dass wir einander wirklich kennen lernen.“ „Ja, du benimmst dich aber auch echt anders. Was ist in den 20 Jahren nur mit dir pas… ah. Naja, egal, Themenwechsel.“ Dulacre mochte gar nicht wie das klang, aber er entschied, dass diese Frage noch warten konnte. Was er aber davon mitnahm, war, dass er dem Fremden wohl erst in 20 Jahren gegenüberstehen würde. „Du hast mir immer noch nicht gesagt, wie du Josei erhalten hast. Es fällt mir schwer zu glauben, dass ich es dir geschenkt haben soll, erst recht ohne guten Grund.“ Der Fremde neigte leicht den Kopf zur Seite, ehe er mit den Schultern zuckte. „Naja, deine Begründung war damals, dass Josei durch meine Anwesenheit aufgewacht wäre und es die Aufgabe eines Schwertmeisters wäre, den Wünschen der Schwerter nachzukommen. Josei wollte mit mir kämpfen.“ Dann grinste der andere dreckig. „Wobei es wahrscheinlich nicht nur uneigennützige Gedanken waren.“ „Deine Anwesenheit?“, hakte Dulacre nach. „Ach ja. Sasaki, da hast du mich einen Monat trainiert, und danach zwei Jahre auf Kuraigana… was du noch gar nicht kennst, wenn ich mich richtig erinnere, Mann, ist das alles verwirrend.“ Leise schnaubte Dulacre auf und verschränkte die Arme. Dieser Kerl war seltsam. Nichts von dem, was er sagte, klang auch nur im Entferntesten nach Dulacre, und dennoch wusste dieser Mann so vieles über ihn und erwähnte es so beiläufig und zusammenhangslos. Gleichzeitig wirkte er nicht so gerissen, als dass er sich besonders gut verstellen könnte. „Mit jedem Wort, was du sagst, erscheint mir deine Geschichte abwegiger. Nichts von dem, was du sagst, klingt auch nur im Entferntesten nach mir. Einen Herausforderer am Leben lassen, einen Schüler unterrichten, eines meiner Schwerter aus der Hand geben, von meinem Feind verschont werden… es scheint wahrlich bergab mit mir zu gehen in der Zukunft…“ „Wenn du meinst“, murrte der andere unbeeindruckt. „Sag mal, ich hab mal ne Frage an dich mit deinem klugen Köpfchen.“ Dulacre entgegnete gar nichts. „Also, scheinbar hänge ich ja jetzt in dieser Zeit fest. Aber ich mag meine Zeit, soll ich einfach zurückkehren, wenn ich kann, oder sollte ich nicht die Chance nutzen, um einige schlimme Dinge zu verhindern, die meinen Freunden widerfahren würden? Auch wenn dies vielleicht bedeuten sollte, dass wir uns nie kennenlernen werden?“ Was? Was sollte das? Woher kam dieser plötzliche Themenwechsel? Dulacre war doch nicht der Therapeut dieses Wahnsinnigen. Dennoch lag dieser Blick unverwandt auf ihm und der Fremde wartete anscheinend tatsächlich auf eine Antwort. „Ich… nicht, dass es mich wirklich interessieren würde, aber wenn dir deine Zeit doch so gefällt, wie sie ist, und du zurückkehren kannst, dann mach es doch. Das Los eines anderen ist doch nicht dein Problem.“ „Nein, nein, nein“, winkte der andere unwirsch ab. „Der Dulacre aus meiner Zeit würde nicht so einen Schwachsinn sagen. Er würde so einen Mist sagen, wie Du weißt die Antwort doch schon längst. Ich kenne dich, Lorenor. Würdest du es dir je verzeihen, wenn du nicht handeln würdest, obwohl du so viel Leid vermeiden könntest? Wenn das Schicksal es euch vorherbestimmt hat, dann werde ihr euch auch wiedersehen. Also gehe deinen Weg, du warst doch immer ein Mann der Tat.“ Er schwieg, während der Fremde – Lorenor war wohl sein Name – mit weiten Gesten und affektierter Stimme jemanden nachahmte, der angeblich Dulacres zukünftiges Ich war. „Warum fragst du dann überhaupt?“, murrte er schlechtgelaunt. „Wenn du doch schon längst deine Antwort hast, dann tue dies und verlass endlich mein Schiff.“ Doch noch bevor er seinen Satz beendet hatte, wusste er, dass es ein Fehler gewesen war. „Nah“, machte der andere mit einem breiten Grinsen. „Ich glaube nicht.“ „Und wieso nicht?“, hakte er nach, obwohl er die Antwort bereits befürchtet hatte, seitdem der andere erwähnt hatte, dass er an Deck geschlafen hatte. „Weißt du, was ich dir noch nicht gesagt habe, ist, dass ich ein Pirat bin, genau wie ihr. Und, um das zu tun, was ich tun muss, werde ich Hilfe brauchen. Aber du bist niemand, der anderen freiwillig hilft, nicht wahr?“ „Worauf willst du hinaus?“, stellte Dulacre sich dumm und das hässliche Grinsen des anderen wuchs. „Na was wohl? Ich kapere dieses Schiff. Du hast fähige Leute an Bord – nur die Besten, wie du immer betont hast – und du kennst dich in dieser Zeit und den Gewässern aus. Mit dir und deiner Crew könnte es mir tatsächlich gelingen…“ Irgendwie brachte Dulacre das ebenfalls zum Grinsen. Er wollte wirklich gegen diesen anmaßenden Bastard kämpfen. Seine Gier flehte schon fast darum. „Und du denkst, dass ich mich kampflos ergeben würde? Meine Crew dir widerstandslos folgen würde?“ „Natürlich nicht“, meinte der andere leichtfertig. „Ich will gar nicht, dass sie mir folgen. Sie sind deine Crewmitglieder, nicht meine. Nein, aber du bist echt noch nicht so weit, dass du gegen mich bestehen könntest – und ganz ehrlich, so, wie du jetzt noch bist, wäre ein Kampf gegen dich echt witzlos – daher wirst du dich mir beugen müssen.“ Dann wurde sein Blick ernst und er schritt auf Dulacre zu. „Aber ich bin auch nicht ganz blöd. Mir ist klar, dass du und Jiroushin – und wer weiß noch auf diesem Schiff – um ein Vielfaches klüger seid als ich und ich hab echt keinen Bock, die ganze Zeit auf meinen Rücken aufpassen zu müssen. Daher mache ich dir ein Angebot, dass es sich auch für dich lohnt, mir zu helfen.“ Ganz gleich, was es war, Dulacre würde diesen Kerl töten, sobald er die Chance bekommen sollte, und wenn er ihn vergiften musste. „Was kannst du mir schon bieten? Das Schwert an deiner Hüfte? Warum sollte ich es haben wollen, wenn ich doch das meine habe?“ „Du bekommst Josei auch nicht!“, meinte der andere abwehrend und packte besagtes Schwert. „Es ist schließlich meins!“ Er machte noch einen Schritt auf Dulacre zu und seine Nähe wurde Dulacre unangenehm, dieser Blick war ihm unangenehm. „Nein, aber ich kann dir beibringen, deine perfekte Kontrolle wieder zu erlangen.“ „Was?“ Sein Körper erzitterte, ohne dass Dulacre es verhindern konnte. Der Fremde nickte, doch nun war er ernst. „In meiner Zeit haben du und ich schon sehr oft die Klingen gekreuzt. Ich fürchte dein Monster nicht, Dulacre, im Gegenteil, ich kann dir beibringen, dass auch du es nicht mehr fürchtest.“ Ein kleines, ja fast schon sanftes Lächeln zeigte sich nun auf diesem fremden Gesicht. „Und dann können du und ich so kämpfen, wie du es dir ersehnst, so wie es vorher noch nie jemand getan hat.“ Fassungslos starrte er zu diesem Mann hinab, der alles über ihn zu wissen schien, seine größte Schwäche, seine geheimste Angst, seinen verdrängten… Plötzlich klopfte es an der Tür. Dulacre wirbelte herum. Jiroushin steckte den Kopf herein, ein Tablett mit Tee in der Hand. „Entschuldigung, ich wollte nicht stören, aber… wo ist er hin?“ „Was?“ Wieder wandte Dulacre sich um. Der Fremde, der gerade noch vor ihm gestanden hatte, war verschwunden. „Kapi… Hawky, was ist passiert?“ Verwirrt sah er zu Jiroushin hinüber, der ihn aschfahl ansah. „Dein… dein Gesicht?“, meinte er nur. Dulacre hob eine Hand, legte sie auf seine Wange, fühlte die Spur einer einzelnen Träne. „Wer zur Hölle war das?“, fragte Jiroushin nach. „Lorenor“, murmelte Dulacre. „Sein Name lautete Lorenor und er…“ Er wusste nicht, was er sagen wollte. „Er wollte dieses Schiff kapern.“ „Was? Und wo ist er jetzt?“ „Ich weiß es nicht… vermutlich wieder… in seiner Zeit.“ Dulacre riss die Augen auf. Verwirrt starrte er die Decke an. Bis gerade hatte er noch in seiner Kajüte gestanden. Schwerfällig setzt er sich auf, sah sich um. Durch das Fenster an seinem Bett fiel warmes Licht, die Sonne musste schon vor längerem aufgegangen sein, er hatte verschlafen. Sein Kopf fühlte sich ungewohnt schwer an, während er sich den Nacken rieb, seine Finger durch Haar und Bart gleiten ließ. Was für ein eigenartiger Traum es doch gewesen war. Vermutlich, weil die Strohhüte gerade im North Blue unterwegs waren. Aber es kam nicht oft vor, dass Dulacre an seine Zeit als Kapitän einer Piratencrew zurückdachte. Obwohl sie damals viel erlebt hatten, waren seine Erinnerungen blass und eintönig, so wie sein Leben sich damals angefühlt hatte. Schwerfällig erhob er sich, machte sich im Bad bereit für den Tag, seine Gedanken weit in der Vergangenheit, als er diese Bilder nicht so leicht abschütteln konnte wie sonst. Doch dann wurde er durch ein leises Piepsen abgelenkt und wie von selbst griffen seine Hände nach der kleinen Teleschnecke. „Kannst du frei sprechen?“, fragte er wie üblich nach zwei Sekunden der Stille. „Kann ich“, kam wie üblich die Antwort. „Welch interessanter Zufall, dass du mich gerade anrufst“, murmelte Dulacre immer noch so langsam in seinen Gedanken, da die Schlaftrunkenheit ihn nicht gehen lassen wollte, „ich hatte einen wirklich seltsamen Traum.“ „Ach, ist das so?“, meinte der andere mit einem eigenartigen Unterton. „Das trifft sich ja gut, denn ich hatte eine echt seltsame Begegnung.“   Kapitel 23: Extrakapitel 20 - Hunger ------------------------------------ Hunger   -Mihawk- Als er ankam, waren die Strohhüte am Feiern, wie so oft. Es war reiner Zufall, dass sie hier einander begegneten. Nein wirklich, er hatte zwar seine Ahnung gehabt, in welchen Breitengraden sie unterwegs waren, aber tatsächlich war er aufgrund eines Treffens mit dem roten Shanks unterwegs gewesen, hatte aber bereits in der Ferne diese Schwingungen eines Kampfes wahrgenommen. Nico Robin bemerkte ihn als erstes und winkte ihm kurz zu, ein Glas Wein in der Hand, während Lorenor sich gerade den Lockenkopf vom Leib riss, der sich jammernd an ihn geklammert hatte. Zwischen den Strohhüten waren viele fremde und ein paar bekannte Gesichter, die Dulacre mit großen Augen anstarrten, manche von ihnen sprangen auf, nicht, dass er auch nur einen von ihnen als wahrlich interessant einstufen würde. „Falki!“, grüßte ihn dann der Strohhut viel zu laut und sprang ebenfalls auf, sein kompletter Oberkörper einbandagiert, aber wie immer viel zu freudig gestimmt, was zumindest die Anspannung seiner Mitstreiter etwas brach. „Strohhut“, grüßte Dulacre ihn und trat einen Schritt zur Seite, als der junge Pirat sich auf ihn stürzen wollte, dieser knallte gegen einen Baum zu Dulacres Linken. „Wie ich sehe, wart ihr wieder fleißig und habt viel Unheil angerichtet.“ „Wir hatten einfach nur Pech und waren zur falschen Zeit am falschen Ort“, entgegnete Lorenor und erhob sich. „Nicht unsere Schuld, wenn jeder Vollidiot meint, uns angreifen zu müssen.“ Anders als sein Kapitän zeigte er keine Verletzungen, zumindest keine offensichtlichen, dennoch schien er äußerst unzufrieden, als er auf Dulacre zustapfte und vor ihm stehen blieb. „Ich hab dir doch gesagt, du brauchst nicht kommen“, murrte er ablehnend. „Wie harsch du doch bist“, bemerkte Dulacre nur belächelnd und ließ sich von dieser schlechten Laune nicht beeindrucken, „dabei dachte ich, du wolltest mir von deinem Kampf erzählen.“ „Tze“, schnaubte der andere nur auf. „Oh ja! Es war richtig spannend!“ „Lass mich los, Ruffy!“ Der Strohhut hatte sich erholt und war auf Lorenors Rücken gesprungen, der versuchtem ihn abzuschütteln, aber nicht halb so viel Erfolg hatte, wie zuvor beim Lockenkopf. Ehe Dulacre es verhindern konnte, begann der Strohhut ihm von dessen Kampf zu erzählen – nicht, dass er danach gefragt hätte – und ignorierte dessen Crewmitglied, der versuchte sich aus den gummiartigen Fesseln zu befreien. „Ruffy, jetzt lass ihn doch erstmal ankommen“, kam es dann glücklicherweise und ausgerechnet vom Smutje, der Lorenor samt Kapitän zur Seite schob, um Dulacre ein Tablett mit verschiedenen Getränken anzubieten. „Hast du schon was gegessen, Falkenauge?“ Dann wandte er sich um. „Hast du überhaupt schon was gegessen, Marimo? Ich hab dich nur bei den Bierfässern gesehen!“ „Jetzt nerv nicht“, murrte ebendieser, als er es endlich schaffte, sich aus den Armen seines Kapitäns zu befreien, aber nur weil dieser ein neues Opfer entdeckt hatte und freudestrahlend zur Navigatorin hüpfte. „Bist du mein Kindermädchen, oder was?“ „Manchmal komme ich mir wirklich so vor“, entgegnete der andere nicht minder gereizt, während Dulacre sich für den frisch zubereiteten Tee entschied; er konnte die Knopfaugen Doktors Choppers auf sich fühlen und wollte unnötige Diskussionen vermeiden. Die beiden Streithähne tauschten noch ein-zwei Nettigkeiten aus, ehe der Smutje schließlich davonbrauste, um die weiteren Getränke zu verteilen. „Lebhaft wie eh und je“, kommentierte Dulacre und ertränkte dann sein Lächeln im Tee, als Lorenor ihn säuerlich niederstarrte. Er schien wirklich ganz furchtbar verstimmt zu sein. „Und bei dir? Wie war’s mit Shanks?“ „Ähnlich lebhaft wie hier, würde ich meinen. Glücklicherweise hatte Beckman andere Pläne, sonst hätten sie mich begleitet.“ Gemächlichen Schrittes gingen sie am Rand des Spektakels Richtung Sitzplätze und Buffet. Die meisten Augen waren mittlerweile wieder anderweitig beschäftigt und bereits jetzt missfiel Dulacre der ganze Trubel und das laute Stimmenwirrwarr. „Aber ich werde nur diesen Abend bleiben können. Nicht, dass dich das stören würde, nicht wahr?“ Lorenor erstarrte eine Sekunde, dann sah er misstrauisch zu Dulacre auf. „Wenn du was zu sagen hast, sag es. Du weißt, dass ich deine seltsamen Spielchen nicht verstehe.“ Dann wandte er sich dem Buffet zu und nahm sich viel zu viele Reisbällchen. „Lorenor, sieh mich an.“ Erst reagierte der andere nicht, dann schnaubte er leise auf, ließ den Teller sinken und sah zu Dulacre hinüber. „Was?“ „Das könnte ich dich fragen. Mir ist sehr wohl bewusst, dass du nicht der Typ für überschwängliche Begrüßungen bist – glücklicherweise – aber nachdem wir uns so lange nicht gesehen haben, empfinde ich deinen Empfang doch als etwas… unerwartet.“ Er konnte sehen, wie diese Worte den andere überraschten. Schnell senkte er den Blick und rieb sich mit der freien Hand den Nacken. „Tut mir leid“, murmelte er, „war nicht so gemeint. Ich bin nur müde und mies drauf, das ist alles.“ „Das zumindest ist mehr als offensichtlich“, seufzte Dulacre, wandte sich nun ebenfalls dem Buffet zu, obwohl er nicht wirklich hungrig war, „und umso überraschender. Hattet ihr nicht eine kämpferische Auseinandersetzung, müsstest du nicht mindestens so gut gelaunt sein wie dein Kapitän.“ „Ach, ich hab Mist gebaut“, winkte der andere ab, legte sich noch zwei Reisbällchen mehr auf seinen Berg und zapfte sich dann ein Bier. „Im Endeffekt habe ich nichts Sinnvolles beitragen können und musste von den anderen auch noch befreit werden.“ Oh, das erklärte natürlich so einiges. „Möchtest du drüber reden?“, bot Dulacre an und folgte Lorenor zu einem abgelegenen Tisch, wo sie etwas mehr unter sich waren. Meist mochte Lorenor es, mit ihm die Fehler vergangener Kämpfe aufzuarbeiten. „Nicht wirklich“, schüttelte Lorenor den Kopf und ließ sich mit einem leisen Grunzen auf einen Stuhl fallen. „Aber deshalb hab ich halt schlechte Laune und die brauchst du dir wirklich nicht antun.“ „Ach, da brauchst du dir keine Gedanken machen. Wie du dich vielleicht erinnerst, bin ich nicht nur gewillt, sondern auch sehr geübt darin, dich auch an schlechten Tagen auszuhalten.“ Mit einem Schmunzeln setzte er sich neben den Jüngeren. Zu seiner Überraschung errötete Lorenor, der den Blink senkte und ein kaum hörbares „Danke“ murmelte, ehe er begann seine Reisbällchen zu verschlingen. Äußerst kurios, aber nun, da Dulacre wusste, womit er es zu tun hatte, konnte er die Situation leicht händeln. „Nun gut, wenn du möchtest, unterhalten wir uns über irgendetwas, ich kann auch gerne von meinem äußert anstrengenden Treffen mit Rothaar erzählen oder wir beobachten deine Freunde in geeintem Schweigen.“ Leise schnaubte der andere. „Ich mag es echt nicht, wenn du so drauf bist“, murrte er. „Du warst schon immer ein schlechter Lügner.“ „Du hast einen Umweg von einem ganzen Tag auf dich genommen, um mit mir schweigend herumzusitzen?“ Er sah noch nicht mal von seinem Essen auf. Es schmeckte erwartungsgemäß sehr gut. „Ich habe einen Umweg von fast einem Tag auf mich genommen, um seit langem nochmal etwas Zeit mit dir zu verbringen. Was wir dabei machen oder nicht machen, ist nachrangig. Ich würde dir nur zu gerne einen Kampf anbieten, aber diese dichtbevölkerte Inselgruppe ist dafür wahrlich kein geeigneter Ort und meine Zeit ist zu knapp bemessen.“ „Tatsächlich habe ich heute noch nicht mal mehr Lust auf einen Kampf“, murrte Lorenor, schlechter Lügner, der er nun mal war. Also schwiegen sie und es war angenehm. Irgendwann gesellten sich Jinbei und Nico Robin zu ihnen und Lorenor schien daran nichts auszusetzen zu haben, somit saß er schweigend dabei und aß, während Dulacre sich mit ihnen unterhielt, wichtige Neuigkeiten und Informationen austauschte, wie es üblich zwischen ihnen war. Auch Cutty Fram kam herüber, doch las natürlich nicht zwischen den Zeilen und schlug Lorenor nur kräftig auf den Rücken, woraufhin dieser unwirsch dessen Hand wegschlug, was der Cyborg aber keineswegs übelnahm, sondern sich laut lachend zu ihnen setzte. Tatsächlich fiel Dulacre auf, dass die meisten Strohhüte große und kleine Schrammen, Pflaster und Verbände vorwiesen, nur Lorenor schien vollkommen unversehrt zu sein. Kein Wunder, dass er schlecht gelaunt war. Weniger wohl, weil ihm hatte geholfen werden müssen, sondern eher, weil er nicht hatte helfen können, Verletzungen nicht hatte verhindern können. Aber keiner der anderen schien es ihm übel zu nehmen. Vielleicht merkten sie nicht mal seine negative Stimmung, wobei, gerade die drei, die mit am Tisch saßen, schienen es zu bemerken. Nein, je länger Dulacre die Crew beobachtete, desto sicherer wurde er, dass sie es alle bemerkt hatten, aber sie hatten halt eine andere Art damit umzugehen als Dulacre. Anders als er, sprachen sie solche Dinge nicht direkt an, sondern handelten eher unbewusst intuitiv oder bewusst subtil. Doch bei Lorenor war dies natürlich vertane Liebesmüh. Dieser saß immer noch zwischen ihnen und verdrückte ein Reisbällchen nach dem anderen, er wirkte durchaus erschöpft, deutliche Augenringe zeichneten sich ab und er war auch etwas blass, als ob er die vergangenen Tage selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich wenig geschlafen hätte, aber offensichtlich wollte er anwesend sein, also wechselten die anderen am Tisch darüber vielsagende Blicke und sprachen über anderes. Und tatsächlich sollte es ein angenehmer Abend werden. Cutty Fram wurde zwar manchmal etwas laut und die Feierlaune der anderen war gewohnheitsmäßig nervtötend, aber irgendwie fand Dulacre mittlerweile seinen Gefallen an diesen Abenden – und das überraschte ihn wohl am meisten – und selbst, als der Smutje sich dazugesellte und Wein verteilte, nahm er dies hin. Lorenor hatte schon Recht, sie verband nicht wirklich etwas, aber sie beide schätzten und erkannten Qualität. Auch Doktor Chopper kam irgendwann herüber, hüpfte Lorenor auf den Schoß und erklärte diesem mit leisen Tränchen, von denen Dulacre nicht sicher wusste, ob sie echt waren, dass irgendwer ihn als Notration und Ersatzschnitzel bezeichnet hätte. Dulacre überlegte noch, ob der junge Arzt gerade seinen eigenen Kapitän anklagte, während Lorenor ihn auf den Stuhl neben sich schob und so selten sanft zu ihm sprach, wie er es nur bei dem jüngsten Crewmitglied tat. Allerdings endete er seine versöhnlichen Worte mit der Bemerkung, dass Doktor Choppers Fleisch viel zu zäh für ein gutes Schnitzel wäre, und lachte laut auf, während der junge Arzt sich fassungslos an Nico Robin wandte. Aber Dulacre entging es nicht, dieser kurze Blick, den auch die kluge Archäologin Lorenor zuwarf, dessen Lachen eine Spur zu hart, seine Worte eine Spur zu gemein, ehe er sich seinem Bier zuwandte. Dann lagen ihre Augen auf Dulacre. Wie sie sich anmaßte! Natürlich würde er dies nicht einfach ignorieren, dafür bedurfte er weder ihrer Aufforderung noch ihrer Anfrage. „Lorenor“, wandte er sich also seinem Partner zu, als dieser gerade sein Getränk leerte, „ich hätte noch etwas an Bord, was ich dir vor meiner Abreise gerne geben würde. Möchtest du mich für einen Moment zu meinem Schiff begleiten?“ Kurz sah Lorenor ihn an, dann stöhnte er leise auf: „Wenn’s denn sein muss.“ Schwerfällig erhob er sich. „Aber wehe, dass ist irgendeine blöde Masche, um mich ins Bett zu kriegen! Da hab ich heute echt sowas von keinen Bock drauf.“ Alle am Tisch starrten Dulacre an und er merkte, wie seine Wangen ganz heiß wurden. Nico Robin und der Smutje verbargen ein Schmunzeln hinter ihren Gläsern, während Cutty Fram ihn offen angrinste und einen Daumen hoch zeigte, als würde er ihn mental unterstützen wollen, und Jinbei sich offensichtlich so unwohl fühlte wie Dulacre in diesem Moment. „Ich bitte dich.“ Tief holte Dulacre Luft und wandte sich um. „Als würde ich solch unnötiger Spielchen bedürfen.“ „Dann ist ja gut.“ Also verließen sie den Tisch und die Feier. „Musstest du das vor allen sagen?“, murrte Dulacre, immer noch beschämt. „Hä? Was ist denn jetzt schon wieder dein Problem?“, schnaubte Lorenor und rollte sein Auge. „Man, bist du anstrengend.“ „Du weißt, dass ich gewisse Handlungen und Gesprächsthemen nach Möglichkeit dem Privaten vorbehalte“, entgegnete Dulacre und merkte, wie Lorenors schlechte Laune nun langsam doch seine eigene beeinflusste. Er hatte gehofft, dass der vergangene Abend den anderen etwas entspannen würde, aber da hatte er sich wohl getäuscht. „Dir mag es nichts ausmachen, aber Intimität in der Öffentlichkeit ist mir durchaus unangenehm.“ „Ich sag’s ja, du bist anstrengend“, grummelte Lorenor, während es um sie herum langsam ruhiger wurde. „Auf der einen Seite willst du deinen Titel, eindeutige Taten von mir, und dich in aller Öffentlichkeit küssen dürfen, wenn ich mich richtig erinnere“, fuhr er mit einer schlechten Imitation Dulacres fort. „Auf der anderen Seite kriegst du die Krise, wenn ich dann irgendetwas in die Richtung mache, und beschwerst dich entweder oder versinkst gefühlt im Boden. Ich hab keine Ahnung, was du von mir willst, aber du bist echt anstrengend und es nervt, verstanden?“ Dulacre blieb stehen. „Was denn jetzt schon wieder?“ Wütend wirbelte Lorenor zu ihm herum. Er starrte den Jüngeren an, merkte, wie es ihm unangenehm die Kehle zuschnürte. Aber er musste sachlich bleiben, dies nicht zu sehr an sich heranlassen. Also holte Dulacre tief Luft und dann schritt er geradewegs an dem anderen vorbei, konnte hören, wie dieser laut aufschnaubte. „Und was soll das jetzt?“ „Du bist heute besonders harsch in der Wahl deiner Worte und ich möchte es vermeiden, noch mehr Ablehnung zu provozieren“, erklärte Dulacre und schritt weiter. Glücklicherweise hatten sie die kleine Anlegestelle fast erreicht, je nach Lorenors Reaktion wusste er nicht, wie lange er an seinem Plan noch festhalten konnte. Der andere holte jedoch nur tief Luft, als wollte er etwas sagen, schwieg dann jedoch. Einen großen Schritt später war er an Bord seines Schiffes, konnte hören, dass Lorenor ihm folgte, während er seinen Thron nach hinten trat. Er hatte sich etwas in seiner Kraft verschätzt und kreischend knallte der Thron gegen die Scharniere. Leise atmete er ein, er musste sich beruhigen, aufgebrachte Emotionen würden ihm bei dem, was kommen würde, nur im Weg stehen. Lorenor hinter ihm setzte erneut zum Sprechen an, doch wiederum schieg er, was wohl besser für sie beide war. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stieg Dulacre hinab, schaltete unten das kleine Licht an und schritt zur Seite, als Lorenor ihm hinab folgte. Er musste sich etwas einfallen lassen, so angespannt, wie die Luft gerade war, konnte sein Plan gar nicht gelingen. „Es tut mir leid.“ Dulacre erstarrte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Lorenor das Wort ergreifen würde und erst recht nicht mit diesen Worten. „Ich habe mich im Ton vergriffen und Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen. Manchmal vergesse ich, wie wichtig dir Worte sind.“ Er hatte dem anderen den Rücken zugewandt. Warum auch immer machte es diese Entschuldigung ihm noch schwerer, nicht emotional zu werden. „Ich muss mich ebenfalls entschuldigen“, sprach er aus, ohne sich umzudrehen. „Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich kein einfacher Mensch bin, Lorenor. Ich versuche, deutlich und direkt mit dir zu kommunizieren, aber dennoch passiert es manchmal, dass ich gewisse Dinge für selbstverständlich halte, die dir unbekannt oder zumindest befremdlich sind. Ich bin mir darüber im Klaren, dass mein… nennen wir es komplexer Charakter in deiner schlichten Weltanschauung nicht immer Sinn ergibt und mein Verhalten dementsprechend für dich unerwartet und möglicherweise sogar recht anstrengend sein muss.“ Einen Moment war es still zwischen ihnen. „Tja, das sind recht viele Worte, um zu sagen, dass ich einfach zu schlicht bin, um deinen komplexen Charakter zu verstehen“, seufzte der andere selbstironisch. „Aber ganz ehrlich, es ist auch echt schwierig. Ich wünschte, du hättest eine verdammte Gebrauchsanleitung.“ Dies brachte Dulacre zum Schmunzeln. „Nicht, dass du sie freiwillig lesen würdest. Aber vielleicht würdest du dir die Bildchen angucken.“ Der andere schnaubte auf, die Stimmung war endlich wieder etwas entspannter. „Also, erklärst du es mir?“, fragte Lorenor dann. „Was dein Problem ist, wenn ich über unsere Beziehung spreche, obwohl du es doch auch andauernd machst?“ Eigentlich war dies nicht Teil seines Plans gewesen, aber nun gut, wenn sie schonmal dabei waren. Außerdem könnte dieses Gespräch gut als Überleitung oder aber Ablenkung dienen. Dulacre wandte sich zum anderen um, der mit verschränkten Armen dastand, seine Wangen leicht gerötet, was schon recht ungewöhnlich war. „Es gibt bestimmt Bereiche innerhalb unserer Beziehung, die für mich nicht in die Öffentlichkeit gehören“, erklärte er daher. „Dies umfasst insbesondere… gewisse Ausdrücke von… Zärtlichkeiten als auch anderweitige…“ Lorenor schüttelte den Kopf. „Du wirst es schon aussprechen müssen. Ich hab keine Ahnung, was du mit Ausdrücke von Zärtlichkeiten meinst.“ Dulacre seufzte und ihm wurde unangenehm warm. „Ich würde mich freuen, wenn du in der Anwesenheit von Fremden darauf verzichten könntest, über unser Sexleben zu sprechen, und entsprechend von physischem Kontakt wie Küssen und ähnlichem absehen könntest. Dies sind Dinge, die meiner Meinung nach zu intim sind, ist dies für dich einleuchtend?“ Lorenor sah ihn undurchdringlich an, ehe er schließlich nickte und gleichzeitig mit den Achseln zuckte. „Einleuchtend würde ich es nicht gerade nennen, aber meinetwegen, ich werde es versuchen.“ „Vielen Dank, ich schätze sehr, dass du auf meinen schwierigen Charakter Rücksicht nehmen möchtest.“ Dulacre trat an den anderen heran und legte wie beiläufig seine Hand auf dessen Schulter, fast schon wie ein Zeichen der Zärtlichkeit, die doch eher selten zwischen ihnen waren. Noch bevor er allerdings Lorenor überhaupt berührt hatte, schlug dieser seine Hand weg und zuckte zurück. „Was soll das denn jetzt?“, murrte Lorenor, direkt wieder so abwehrend. „Hast du gerade nicht noch gesagt, dass du so einen Kram eben nicht magst.“ „Nein, das habe ich nicht und das weißt du auch“, entgegnete Dulacre absolut entspannt und neigte leicht den Kopf; jetzt würden die Spiele beginnen. „Aber nun gut, es ist an der Zeit darüber zu sprechen, warum ich dich hierhin gelockt habe. Denn tatsächlich habe ich dich angelogen, ich habe nichts für dich, ich wollte einfach, dass wir beide für das kommende Gespräch nicht gestört werden.“ „Du hast was?!“, knurrte Lorenor und augenblicklich wurde er noch wütender, wie Dulacre erwartet hatte. „Was zur Hölle glaubst du eigentlich…?“ „Das frage ich dich, Lorenor. Was in Gottes Namen verbirgst du?!“ Der andere machte einen Schritt zurück, offensichtlich überrascht von Dulacres Nachdruck. „Glaubst du wirklich, ich würde es nicht bemerken? Bitte, selbst die stumpfsinnigsten deiner Crewmitglieder haben es bemerkt, aber du glaubst wieder mal, dass du subtil agieren würdest.“ „Wovon zur Hölle redest du?“, blockte Lorenor direkt ab. „Ach, es ist doch offensichtlich, was du machst. Ich kenne dich gut, Lorenor. Also, ich lasse dir die Wahl. Soll ich dir erst in allen Einzelheiten darlegen, woran ich – und nicht nur ich, sondern ebenfalls deine gesamte Crew – festmachen konnte, dass dich etwas belastet, oder können wir direkt zu dem Punkt springen, an dem du es mir sagst?“ Unbeeindruckt hielt er diesem fassungslosen Blick stand. „Wie wir beide wissen, wirst du es über kurz oder lang so oder so tun und auch, wenn du gerade noch verständlicherweise wütend auf mich bist, so wird es dir im Nachhinein besser gehen, also bitte, vergib mir mein eigensinniges Handeln und rede einfach mit mir.“ Es war eine neue Taktik, die er ausprobierte, nicht gerade mit geringem Risiko, aber vermutlich deutlich effizienter. Lorenor starrte ihn beinahe schon ausdruckslos an und dennoch konnte Dulacre ihm ansehen, wie sein Verstand ratterte. Natürlich war er wütend, Dulacre hatte ihn wieder mal manipuliert und angelogen, wollte ihn nun zu etwas drängen, was ihm unangenehm war, und darüber hinaus eine berechtigte Auseinandersetzung überspringen, es war fast schon unverschämt dreist von Dulacre; Lorenors bereits vorherrschende schlechte Stimmung tat ihr übriges. Für mehrere lange Sekunden, fast schon Minuten, herrschte diese Stille an, ehe der andere schließlich aufschnaubend den Blick abwandte, ein Zeichen seiner Kapitulation, auch wenn er dies wohl noch nicht wusste. „Du hast sie echt nicht mehr alle. Es gibt nichts, okay? Und selbst wenn, nach so einer Aktion…“ „Lorenor, sieh mich an.“ Der Jüngere rollte mit dem Auge, folgte seiner Aufforderung jedoch. Dulacre begegnete diesem beißenden Blick ganz ruhig, konnte sehen, wie viele Emotionen gerade hart kontrolliert wurden, so ungewöhnlich für seinen Partner. Wieder schnaubte Lorenor auf und wieder sah er weg, wieder schwieg er. Mit einem sanften Lächeln ließ Dulacre sich auf dem Bettkasten nieder. „Es macht nichts, wenn du noch etwas Zeit brauchst. Ich kann warten.“ „Wolltest du nicht heute noch los?“, murrte der andere unterkühlt und verschränkte die Arme. „Sinnvoller wäre es wohl, aber natürlich kann ich nicht abreisen, solange du dich in einem derartigen Zustand befindest. Dann müsste ich ja darauf vertrauen, dass deine Crew sich deiner Probleme annimmt und wie man sieht, sind ihre Vorgehensweisen wie immer zu subtil und zeitintensiv, was ein viel zu großes Risiko birgt, solltet ihr bald wieder angegriffen werden. Nein, nein, ich will mich nicht darauf verlassen müssen, dass sie sich rechtzeitig um deine Bedürfnisse kümmern.“ „Tze, du bist so nervig. Ich bin doch kein Hund, der noch Gassi geführt werden muss.“ „Nein, natürlich nicht, und dennoch fühle ich mich verantwortlich, wenn du dich vor Koliken windest. Also ist es mir lieber, vorher mit dir nochmal nach draußen zu gehen, selbst wenn es regnet.“ Dafür erhielt er einen wütenden Blick des anderen, dem er nur mit einem Lächeln begegnete. Lange hielt er diesem Blick stand, der sich langsam veränderte, ehe Lorenor nachgab und leicht den Kopf schüttelte. „Ich will nicht drüber reden“, gestand er schließlich ein. „Das ist mir sehr wohl bewusst“, entgegnete Dulacre erheitert, „und dennoch bist du immer noch hier und nicht wütend davon gestürmt.“ Er sprach nicht weiter, wartete ab, ließ die Stille die Überzeugungsarbeit leisten, während er Lorenor beobachtete. Dieser stand immer noch dort, an der Leiter, die Arme verschränkt, doch mit jeder Sekunde senkte sich dieser Blick etwas mehr, ehe Lorenor den Boden anstarrte, nein, nicht den Boden, sondern seine eigenen Hände, die er fast schon in seinen Armbeugen zu verstecken versuchte. Nur sein Atem war zu hören und der sanfte Gruß der Wellen, ansonsten war es furchtbar still, doch wieder mal zeigte sich Lorenors stoisches Wesen, denn er gab nicht nach. Bis Dulacre schon an dem Punkt angekommen war, einen neuen Weg einzuschlagen. „Ich habe Chopper getötet.“ Wie eine ominöse Weissagung waberte diese Worte zwischen ihnen und sie rührten Dulacres kaltes Herz. „Ich verstehe“, antwortete er sanft, „natürlich, solche Albträume müssen…“ „Es war kein Traum.“ Verwundert sah er auf, Lorenor hatte immer noch den Blick gesenkt. „Möchtest du mir das näher erklären? Bei der kleinen Festivität eben wirkte Doktor Chopper durchaus lebendig auf mich, daher…“ Er beendete den Satz nicht, sondern wartete ab. Mehrmals holte Lorenor Luft, ehe sich seine Arme aus der Verschränkung lösten, und er begann sich über Hände und Gelenke zu fahren, als wollte er die Muskeln dazu zwingen, sich zu entspannen. „Es war… keine Ahnung, irgendeine komische Teufelskraft – denke ich, oder so etwas in der Art – hat die Sinne… manipuliert oder so. Robin wurde nach mir auch erwischt, sie hat es wohl durchschaut und diesen Typen irgendwie ausgeschaltet, aber ich…“ Er schüttelte den Kopf. „Es war ein Trugbild?“, fragte Dulacre nach. „Nein, es war echt. Es fühlte sich so echt an. Selbst jetzt noch…“ Lorenor sah zu ihm herüber und Dulacre konnte das Grauen in diesem Auge sehen. „Es war nicht wie eine Illusion oder eine Einbildung. Ich… ich hab mit diesem Kerl gekämpft und es war wie immer, aber plötzlich… er war hinter ihm und ich… ich hab ihn nicht bemerkt und…“ Er machte nur eine schneidende Bewegung mit seiner flachen Hand. „Er war warm, sein Fell so… weich und er hat… gesagt… Ich konnte hören, wie sein… Herz aufhörte zu schlagen.“ Mit bebenden Lippen senkte Lorenor den Blick, verschränkte die Arme und Dulacre verstand. Kein Wunder, dass Lorenor sich so benahm. Er würde es wohl überstehen, sollte er Dulacre eines Tages töten, selbst eines seiner Crewmitglieder, wenn es jemand tun musste, vielleicht könnte Lorenor es mit der Zeit sogar verkraften, seinen eigenen Kapitän zu töten, aber den jungen Doktor Chopper… „Als Robin es auflöste“, sprach Lorenor weiter, seine Stimme hohl vor falscher Rationalität. „Es… es war nicht, wie wenn man plötzlich aufwacht, nicht wie, wenn die Kraft von Peronas Geistern nachlässt, es…“ „Es ist immer noch real“, mutmaßte Dulacre. „Vom Kopf her magst du wissen, dass es nicht passiert ist, dass es Doktor Chopper gutgeht, aber dennoch ist es passiert. Er ist gestorben und du…du versuchst zu funktionieren, obwohl du immer noch unter Schock stehst, obwohl du immer noch trauerst.“ Lorenor schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ich… ich weiß, dass es Chopper gutgeht und ich… das ist es nicht.“ Ach so, deshalb sein seltsames Verhalten. Nicht, weil er trauerte, nun ergab es Sinn. „Lorenor, sei so gut und komm zu mir.“ Misstrauisch starrte der andere ihn an, kam aber zu ihm. „Bitte lege deine Hände auf meine Schultern.“ „Warum? Was soll der Mist?“ „Tu mir den Gefallen.“ Er konnte den kleinen Kampf des anderen sehen, ehe er schließlich widerstrebend die Hände auf Dulacres Schultern ablegte, fast ablegte. „Es ist schon in Ordnung, Lorenor, ich kann die Last deiner Hände durchaus tragen.“ Aber die Anspannung blieb, also half Dulacre nach. Bevor Lorenor die Arme zurückziehen konnte, packte er fest beide Handgelenke des anderen und drückte Lorenors Hände auf seine Schultern. „Was tust du da?“, knurrte Lorenor und wehrte sich. „Lass den Scheiß!“ Dulacre ließ Lorenor sich noch etwas wehren, dann drückte er noch fester zu. „Und jetzt sage mir, was du wahrnimmst.“ „Was?! Dulacre, ernsthaft, was soll dieser ganze…?“ „Konzentriere dich und sag mir, was du wahrnimmst. Hörst du meinen Herzschlag, fühlst du deinen Blutfluss, spürst du die Anwesenheit deiner Crew da draußen, wie sie ungehemmt feiern?“ Lorenor starrte ihn an, während Dulacre nicht nachließ, so viel in diesem Gesicht lesen konnte, wie Lorenor eigentlich nie erlaubte. „Und jetzt“, sprach er ruhig, „sag mir, hast du all das auch in jenem Moment gefühlt? Den Herzschlag deines Gegners, deinen eigenen Blutfluss, Doktor Choppers Anwesenheit?“ Weiterhin sagte Lorenor nichts, aber das brauchte er auch gar nicht. „Du brauchst keine Angst vor deiner Kraft zu haben, Lorenor, es war kein Fehlverhalten deinerseits. Es war kein Kontrollverlust. Teufelskräfte mögen vieles vollbringen können, aber sie können nicht Lebensenergie vorgaukeln, wo keine ist. Der Grund, warum dein Angriff ihn getroffen hat, war weil die Teufelskraft dich glauben lassen sollte, dass du ihn triffst. Und der Grund, warum du ihn nicht rechtzeitig bemerkt hast, ist der ganz simple, dass er nicht da war und du ihn deshalb gar nicht bemerken konntest.“ Noch eine Sekunde starrte Lorenor ihn an, dann schloss er sein Auge und senkte den Blick, seine Hände kraftlos von Dulacre an Ort und Stelle gehalten. Fast schon zitternd holte er Luft und es schien, als hätte er die vergangenen Minuten überhaupt nicht geatmet. „Warum ist es mir nicht aufgefallen?“, fragte er leise. „Geh nicht zu streng mit dir ins Gericht. Es ist verständlich, dass du deinen anderen Sinnen vertraut hast, und nachdem du wusstest, dass es nicht die Realität war, hast du natürlich nicht mehr deine Wahrnehmung hinterfragt. Warum auch, es wäre doch vertane Liebesmüh gewesen.“ Und dann sanken die Hände des anderen endlich auf Dulacres Schultern und Lorenor schien sich regelrecht auf ihm abzustützen, während er weiter tief atmete. Dulacre ließ ihn los und beobachtete ihn einfach nur. „Manchmal komme ich mir echt dumm vor“, murrte der andere und ärgerte sich offensichtlich über sich selbst. „Es gibt viele Momente, in denen du nicht gerade mit Intelligenz glänzt, aber dieser gehört nicht dazu“, beruhigte er ihn. „Du bist echt mies in sowas“, kam die trockene Reaktion, ehe Lorenor seufzend die Hände zurückzog und sich dann neben Dulacre fallen ließ. „Woran hast du es bemerkt?“, fragte er dann ruhiger nach und knallte seinen Kopf regelrecht gegen Dulacres Schulter, blieb so an ihn sitzen. „Ist dir nicht bewusst, wie ungewöhnlich du dich verhalten hast?“, entgegnete Dulacre. „Würde ich sonst fragen?“ Lorenor klang müde, unzufrieden, wie er seine Schläfe erneut gegen Dulacres Schulter pochte, aber dennoch auch erleichtert. Einen Moment betrachtete Dulacre seine Hände, suchte nach den passenden Worten, um es Lorenor zu erklären. „Weißt du, was mir seit jeher in deiner Beziehung mit deinen Crewmitgliedern aufgefallen ist? Ich fand es schon immer recht bemerkenswert, wie viel Körperkontakt zwischen euch herrscht.“ „Wenn du mir jetzt wegen irgendeiner beschissenen Eifersucht ans Knie…“ „Es ist nur eine Beobachtung, Lorenor. Ich glaube, dass deine Crewmitglieder sich wohl bei dir fühlen und daher deine Nähe suchen, sei es in schönen Momenten aber auch, wenn ein Bedürfnis an Sicherheit besteht, selbst bei Anspannung oder schlechter Laune, und ich glaube, dass du dies stets geschehen lässt, ist ein Zeichen deiner Zuneigung ihnen gegenüber. Du kannst dich nicht so leicht anderen öffnen und zeigst Zuneigung eher subtil, forderst sie noch subtiler, wenn überhaupt. Viele deiner Crewmitglieder sind da anders, es fällt ihnen viel leichter, Zuneigung zu zeigen als auch einzufordern. Und aus diesem Grund funktioniert diese seltsame Symbiose, stimmst du mir da zu?“ Lorenor schnaubte leise auf: „Keine Ahnung, kann schon sein. Glaube, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.“ „Natürlich nicht, aber deshalb war offensichtlich, dass etwas nicht stimmt, denn heute war euer Verhalten anders. Du hast jeden Körperkontakt gescheut, ganz gleich von wem. Ich war mir nicht sicher, aber jetzt weiß ich, dass es nicht daran lag, dass du sie und mich zurückweisen wolltest, nein, du hast dich zurückgezogen, nicht in der Lage, die Zuneigung anderer zu ertragen, habe ich Recht? Vielleicht hattest du sogar Angst davor, jemanden aus Versehen zu verletzten, weil du dir nicht mehr selbst getraut hast, schließlich hattest du noch vor Augen, was du getan hast.“ Lorenor schwieg. „Aber dein Verhalten war kontraproduktiv. Je mehr du dich zurückgezogen hast, desto mehr haben sie sich nach deiner Körpernähe gestreckt, sei es dein Kapitän, Doktor Chopper oder selbst Cutty Fram. Aber du konntest damit nicht umgehen. Möglicherweise wolltest du sogar ihre Nähe, brauchtest du sie sogar, aber du konntest sie nicht erfragen, annehmen, musstest sie ablehnen, dich abgrenzen, weil du etwas erlebt hattest, was sie nicht nachvollziehen konnten und selbst, wenn du es ihnen gesagt hättest, so wissen sie nicht, wie es sich anfühlt. Du hättest es ihnen nicht sagen können, und deshalb musste ich dich nun wieder aufbrechen, anstatt dir Zeit zu geben, wie sie es anscheinend oft tun, weil ich wusste, dass du es mir würdest sagen können.“ Jetzt saß er da, Lorenor immer noch an ihn gelehnt, schweigend. Hatte er zu viel gesagt? Sich zu viel herausgenommen? War zu intim geworden in der Analyse von Lorenors Verhalten und Gefühlen gegenüber dessen Crew? Ganz gleich, weshalb Lorenor schwieg, Dulacre wusste, dass er Recht hatte. „Zusammengefasst, verhältst du dich immer noch genauso wie früher, wenn dich etwas belastet. Du gehst auf Abstand und versuchst, es mit dir selbst auszumachen. Dabei wäre es so viel einfacher, wenn du dich an jemanden wenden würdest.“ „Tja, dafür habe ich dann wohl dich“, kam es tonlos von Lorenor, ohne dass dieser sich rührte, ehe er lauft aufseufzte und wieder etwas schroffer klang. „Du machst dich echt um viele Dinge einen Kopf. Ich glaube nicht, dass ich so kompliziert gestrickt bin.“ Das brachte Dulacre zum Schmunzeln. „Na, wenn nicht, dann sag mir doch einfach, was ich tun kann, damit es dir besser geht?“ Stille. „Bleib einfach so“, kam dann die Antwort, die so vieles bedeuten konnte, „bleib einfach genauso hier sitzen.“ Lächelnd nahm Dulacre dies an. „Mit Vergnügen, wenn es nur das ist.“ Also saß er da und überschlug die Beine, schloss seine Augen und genoss das Gewicht an seiner Schulter. „Habe ich dich also doch noch ins Bett gekriegt“, schmunzelte er. „Penner“, murrte der andere, aber Dulacre konnte ihm das Grinsen anhören. „Musst du nicht aufbrechen?“ „Ach, du weißt doch, wie sehr ich es liebe, andere auf mich warten zu lassen. Ein eindrucksvoller Auftritt verlangt es nun mal, dass man zu spät kommt. Ich habe also keine Eile.“ Er erhielt keine Antwort, aber das überraschte ihn auch nicht. Er brauchte nicht mal einen Seitenblick, um zu wissen, dass Lorenor eingeschlafen war. Er hatte sich also nicht geirrt, sein armer, kleiner Wildfang war ganz ausgehungert gewesen, aber weder Kampf, Alkohol noch Nahrung hätten diesen Hunger stillen können. Doch jetzt, da er gesättigt war, konnte er endlich schlafen. „Du machst es dir manchmal auch nicht leicht, mein lieber Lorenor“, flüsterte er, ehe er seinen Kopf auf Lorenors sinken ließ und die Augen schloss. Auch er war hungrig gewesen, ohne es vorher gewusst zu haben. Tja, vielleicht sollte er die Nacht bleiben und seine Batterien noch einmal ganz auftanken.   Kapitel 24: Extrakapitel 21 - Der frühe Morgen ---------------------------------------------- Der frühe Morgen   Am Morgen nach dem letzten Epilog   -Mihawk- „Lorenor, was tust du denn hier? Und dann auch noch um diese Uhrzeit?“ Offensichtlich überrascht, wandte Lorenor sich ihm zu. „Was bist du schon auf?“, murmelte er. „Du bist doch erst vor ein paar Stunden ins Bett gegangen.“ Zweifelnd schloss Dulacre die Türe hinter sich. „Die Frage ist doch, bist du überhaupt ins Bett gegangen?“ Er mochte nicht, wie Lorenor sich anhörte, so nachdenklich, so in sich gekehrt. Nun zuckte der Jüngere mit den Schultern. „Ich bin noch nicht müde. Um diese Zeit bin ich normalerweise eh immer noch auf.“ „Du hast wirklich einen ungesunden Lebensstil auf hoher See gepflegt.“ Gemächlich schritt er zum anderen hinüber, der am Fenster stand und in die Dunkelheit hinausstarrte. „Es wird ungewohnt sein“, kam es nun schlussendlich doch noch über Lorenors Lippen. „Ich weiß, es ist an der Zeit - Ruffy selbst hat es gesagt – aber ich weiß nicht, ob ich schon bereit dafür bin.“ Es waren diese Momente, die ihn erinnern ließen, wie sehr Lorenor sich über die Jahre verändert hatte. Früher hätten sie in einer umständlichen Unterhaltung herausfiltern müssen, was ihn bedrückte. Nun wusste er es und nun sagte er es so ganz unverhohlen, wie er alles immer so direkt ausdrückte. „Willst du mit ihnen weiterreisen?“, fragte Dulacre also die Frage, die ihn schon beim Aussprechen schmerzte. „Wenn du noch nicht bereit bist, dich hier nieder…“ „Das ist es nicht.“ Lorenor seufzte und wandte sich ihm dann vollends zu, die Arme verschränkt. „Du weißt, dass ich hier sein will.“ Er hatte es vermutet – gehofft! – aber sicher gewusst nie. Trotz all der Zeit, trotz all dem, was geschehen war, nahm er Lorenor nie als Selbstverständlichkeit hin, wohingegen dieser ihre Gefühle scheinbar nie anzweifelte. Lange sahen sie einander an, als er versuchte zu verstehen, was in dem Jüngeren vorging. „Du vermisst sie jetzt schon“, stellte er schließlich fest, „obwohl sie noch da sind. Obwohl sie gerade alle friedlich in den Gästezimmern schlummern.“ „Ja“, gestand Lorenor schamlos ein. „Obwohl ich weiß, dass sie noch ein paar Tage bleiben und obwohl ich weiß, dass weder die Fischmenscheninsel noch der East Blue weit weg sind, so… Ich hätte nicht gedacht, dass ich mir je über so etwas Gedanken machen würde, oder dass es mir so schwerfallen würde.“ Dulacre stellte sich neben ihn ans Fenster und sah in die vertraute Dunkelheit hinaus. Am fernen Horizont zeugte ein schwaches Glimmen davon, dass irgendwann ein neuer Tag anbrechen würde. „Habt ihr darüber gesprochen?“, fragte er, erinnerte sich an seine Zeit, nachdem er seine Crew aufgelöst und seine Untergebenen fortgeschickt hatte. Allerdings waren die Gefühle wohl anders gewesen, der Schmerz nicht bittersüß, sondern schlicht kalt. „Oh ja“, schnaubte Lorenor verächtlich, „so viel. Die anderen reden so viel darüber, wie sie alle vermissen werden und was wir alles erlebt haben und dass wir in Kontakt bleiben und all der Kram.“ Lorenor bemühte sich offensichtlich, genervt zu klingen, aber er war schon immer ein schlechter Lügner gewesen. Also entgegnete Dulacre überhaupt nichts, sondern begutachtete den anderen einfach nur, der irgendwann den Blick abwandte. „Hast du ihnen gesagt, dass du sie vermissen wirst?“ „Das wissen sie doch“, entgegnete er kurzangebunden, „und als würde das irgendetwas ändern.“ „Aber hast du es ihnen gesagt? Hast du es je ausgesprochen?“ Nun sah Lorenor ihn an, die Überraschung ins Gesicht geschrieben. „Glaub mir, wenn mein Alter und meine Beziehung zu dir mich eines gelehrt haben, dann, dass es manchmal das Beste ist, Dinge einfach anzusprechen, als sie mit sich selbst auszumachen.“ Darauf hob Lorenor nur eine Augenbraue an. „Warum bist du wach?“, fragte er jedoch anstatt das zu sagen, was auch immer er dachte. Dulacre schenkte ihm ein schiefes Schmunzeln. „Ich schlafe nicht gut, wenn Fremde im Haus sind“, gestand er ein, „und deine Crew ist wirklich laut, selbst im Schlaf.“ Nun überraschte es ihn beinahe, als Lorenor ihn mit großem Auge anstarrte. „Das wusste ich gar nicht“, murmelte er. „Unterwegs hast du nie…“ Er machte einen Schritt nach vorne und legte eine Hand an Lorenors Halsbeuge, was dieser geschehen ließ. „Du warst immer eine Ausnahme, mein Wildfang, nicht nur, dass ich mit dir im Bett überhaupt schlafen kann, nein, mit dir bei mir stört es mich nicht mal, was um mich herum passiert. Mit dir an meiner Seite schlafe ich deutlich fester als alleine“, erklärte er unter einem warmen Lächeln, „außer natürlich, wenn du so laut schnarchst, als wolltest du die Erde erbeben lassen.“ Doch Lorenor lächelte nicht, sah ihn einfach nur an, als würde er etwas in Dulacres Blick suchen. „Warum hast du mir das all die Jahre nicht gesagt?“, fragte er nach ein paar Sekunden, nicht vorwurfsvoll, fast schon zögerlich. „Aus dem gleichen Grund, warum du ihnen jetzt nichts von deinen Gefühlen erzählen möchtest. Was hätte es geändert? Du hättest doch an der Situation nichts ändern können – nicht, dass ich gewollt hätte, dass du wegen so etwas Lächerlichem deinen Weg vernachlässigst – und dein schlechtes Gewissen hätte weder dir noch mir etwas gebracht.“ Nun legte er seine andere Hand auf die andere Halsbeuge des Jüngeren, strich mit den Daumen über die warme Haut. „Und es ist nicht so, als wäre es ein furchtbarer Zustand für mich gewesen. Die meisten Nächte schlafe ich gut und die Nächte in der zweifelhaften Gesellschaft deiner Crew, hatte ich dich meist an meiner Seite. Also gibt es nichts, worüber du dir Gedanken machen musst. Nur gerade, da habe ich dich vermisst, wobei ich davon ausgegangen war, dass du in deinem Zimmer schlafen würdest, aber nicht, dass du die ganze Nacht aufbleiben wolltest.“ Mit beiden Händen griff Lorenor seine Handgelenke, drückte sie einfach nur, nichts sonst; eine Geste, die Dulacre nicht wirklich einordnen konnte. „Ich bin froh, endlich wieder auf Kuraigana zu sein“, sagte er dann klar, „ich habe die Zeit hier sehr vermisst. Ich habe dieses Leben hier vermisst… und dich.“ Wie konnte er solche Worte sagen, ohne dass seine Stimme die Sachlichkeit verlor, ohne einen Hauch von Zärtlichkeit? Aber genau deshalb waren seine Worte so bedeutsam, weil sie die simple Wahrheit waren, nicht mehr, nicht weniger. „Aber jetzt, da ich endlich hier bin… wird es immer so sein? Kann ich nicht einfach beides haben? Warum muss ich mich denn immer entscheiden?“ Lorenor senkte den Blick. „Diese kindischen Gedanken gehen mir durch den Kopf, obwohl sie nichts ändern, obwohl ich es besser weiß. Bis auf Brook werden sie alle nicht weit weg sein – sofern er wirklich auf Dauer am Kap bleibt – und das Sargboot ist schnell, und Robin und Chopper bleiben hier, und so wie ich, so wollen sie doch alle jetzt Nachhause. Es ist richtig so, das weiß ich, und wir werden uns alle oft sehen, und irgendwann werden wir wieder die Segel setzen. Das weiß ich, aber dennoch…“ „Du vermisst sie.“ Er nickte. „Das verstehe ich.“ Er lehnte seine Stirn gegen Lorenors, begegnete diesem tiefen Blick „Es wird besser werden, das verspreche ich dir. Aber es ist in Ordnung, wenn es jetzt schmerzt.“ Plötzlich ging die Türe hinter ihnen auf und verwirrt schauten sie auf. Ebenso verwirrt starrte der Smutje sie an, der seine Hand nach der Zigarettenschachtel ausgestreckt hatte, die am anderen Ende des Esstisches lag. Augenblicklich lief er puterrot an, als hätte er einen intimen Moment unterbrochen, was absolut der Wahrheit entsprach. „Was seid ihr denn auf?“, murmelte er. „Solltest du dich nicht lieber entschuldigen?“, entgegnete Dulacre, ließ von Lorenor ab und nickte ihm bedeutungsvoll zu. Dieser starrte ihn an und schüttelte energisch den Kopf. „Nun denn, ich werde mich noch etwas hinlegen. Lorenor, du solltest die Gelegenheit nutzen.“ Er nickte noch dem Smutje zu, der ihn fragend anstarrte, dann ging er, wissend, dass er nicht schlafen würde.   -Zorro- „Was war das denn?“, murmelte der Koch, der nun hineinkam und nach seinen Zigaretten griff. „Hab ich da etwa einen kleinen Flirt unterbrochen.“ „Red doch nicht so einen Mist“, murrte er nur. „Ach stimmt, ich vergaß, als würdet ihr zwei miteinander flirten.“ Der andere schenkte ihm ein fieses Grinsen, während er sich eine Zigarette ansteckte. „Was seid ihr denn überhaupt schon auf? Seid doch eigentlich beide keine Frühaufsteher.“ „Wer nicht ins Bett geht, muss auch nicht früh aufstehen“, entgegnete Zorro, ehe er wieder mit verschränkten Armen zum Fenster hinaussah. „Wirst du nicht langsam zu alt dafür, dir die Nächte um die Ohren zu schlagen?“ Der Koch stellte sich neben ihn, es war offensichtlich, dass er zwischen den Zeilen gelesen hatte. „Na spuck‘s schon aus. Was für eine Gelegenheit sollst du nutzen? Mihawk lässt sowas doch mit Sicherheit nicht ohne Grund fallen.“ Zorro schwieg, zwischen ihnen nur der Qualm der Zigarette. „Willst nicht drüber reden? Na, mir soll’s recht sein. Dann rauch ich hier jetzt einfach meine Zigarette und leg danach mit dem Frühstück los.“ Wieder war es still zwischen ihnen. „Ach komm schon, Marimo! Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Was ist los?" „Nichts ist los", murrte Zorro abwehrend. „Es ist nur…" „Ja?" Eigentlich hatte Zorro überhaupt keine Lust mit dem Koch darüber zu reden und dennoch suchte er nach den richtigen Worten. „Kennst du dieses seltsame Gefühl?", murmelte er. „Als wären da zwei Welten und du irgendwie dazwischen, aber nie in beiden? Und dann stellst du dir vor, dass du nur die Tür zum Badezimmer öffnen brauchst und plötzlich ist da diese andere Welt auf der anderen Seite." Er schnaubte resigniert auf und rieb sich den Nacken. „Ach, was rede ich für einen Stuss. Es ergibt nicht wirklich Sinn und…" „Manchmal…", fing der Koch langsam an, „lasse ich absichtlich beim Kochen die Türe auf, weil ich diese Stille beim Arbeiten einfach nicht gewohnt bin, selbst jetzt noch nicht. Wenn wir in einer Stadt sind und ich viel Zeit habe, wander ich durch die Gassen mit den Hinterausgängen der Restaurants, nur um die Hitze und die hitzigen Gespräche nochmal zu hören. Und wusstest du, dass ich in meinem Notizbuch eine Liste mit Sprüchen habe, die der Alte mir mal gedrückt hat? An ganz schlimmen Abenden trinke ich manchmal ein Glas Wein und ahme ihn nach, wie er mich immer angeschnauzt hat." Zorro entgegnete nichts. Das alles hörte sich schon etwas seltsam an, auf der anderen Seite war wusste schon, wie er reagiert hätte, wenn er die kleine, weiße Teleschnecke nicht gehabt hätte. „Ich weiß genau, was du mit dieser Tür meinst, und manchmal habe ich mich wirklich nach ihr gesehnt", meinte Sanji dann fast schon versöhnlich, „und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mir bald eine Tür wünschen werde, die zurück in die Kombüse der Thousand Sunny führt. Wenn ich ganz ehrlich bin, so sehr ich mich auf das, was kommt, auch freue, ich… ich vermisse das Leben an Bord jetzt schon; inklusive dir, Moosbirne." Wieder schwieg Zorro, wusste immer noch nicht, was dieses Gespräch bringen sollte. Langsam sah er zur Seite, begegnete dem Blick des anderen. „Hast du je darüber nachgedacht, nicht zu gehen und an Ruffys Seite zu bleiben?" Er konnte sehen, dass diese Frage Sanji überraschte, ehe er mit dem Schatten eines Lächelns den Blick senkte. „Ganz ehrlich?" Zorro nickte. „Bis Ruffy die Entscheidung fällte, hätte ich mir nicht eine Sekunde vorstellen können, von Bord zu gehen. Aber seitdem… es fühlt sich richtig an. Ich bin bereit und… es wird nicht für immer sein. Ja, ich werde es echt vermissen - ich hab jetzt schon Heimweh, ganz ehrlich - und vielleicht gab es zwischendurch mal diesen flüchtigen Gedanken, aber nein, ernsthaft habe ich nie drüber nachgedacht. " Zorro sah in die Dunkelheit der Nacht vor ihnen, während die ersten dunkelblauen Baumwipfel den neuen Tag ankündigten. „Aber du schon, oder?", fragte der Koch nach. „Wenn wir schonmal ehrlich sind… es fällt mir sehr schwer, mir vorzustellen, dass ihr getrennte Wege geht. Wir anderen kennen Ruffy ohne dich doch gar nicht. Hätte nie gedacht, dass… Wenn es nicht für Mihawk wäre, hätte diese Möglichkeit wohl nie im Raum gestanden, oder?" Zorro entgegnete nichts. Der Koch hatte Recht. Wenn er dieses Leben hier nie kennengelernt hätte, nie dieses Zuhause kennengelernt hätte, dann hätte es nie zur Diskussion gestanden. „Hat Ruffy dich gefragt? Hat er dich gefragt, ob du bleiben wirst?" Diese Frage überraschte ihn. Dass Sanji überhaupt auf die Idee kam, überraschte ihn. Aber nach einer Sekunde wusste er warum. Das war vielleicht dieser Unterschied, den der Koch schon das ein oder andere Mal erwähnt hatte, abends oder spät nachts, bei zu viel Alkohol, etwas bedauernd, etwas neidisch, meistens genervt. Zorro wusste, dass Ruffy ihn das nie fragen würde. Ruffy hätte nie auch nur darüber nachgedacht, ihn zu bitten, an seiner Seite zu bleiben. „Nein", antwortete er schließlich, merkte diese leise Spannung in sich, „und wenn, dann würde ich es nicht tun. Dann würde ich gehen und nicht zurückblicken." „Was?" Der andere klang fast erschrocken. „Das war aber jetzt unnötig harsch von dir." Er verstand es also wirklich nicht. Zorro neigte leicht den Kopf und verschränkte die Arme, überlegte, wie er dem Koch verständlich machen konnte, dass es nicht unnötig harsch gemeint war. „Wenn Ruffy mir befehlen würde, ihm zu folgen, würde ich mich von ihm abwenden", erklärte er kalt. „Wenn Dulacre mich manipulieren würde, zu bleiben, dann würde ich gehen. Aber weder Ruffy noch Dulacre würden je auf die Idee kommen, das zu tun. Also bleibt es meine Entscheidung." Der Koch sah ihn an, als hätte er Kopfschmerzen, entgegnete jedoch nichts. Nach einigen Sekunden nickte er langsam. „Ja, das sind die Momente, wenn du einfach keinen Sinn machst", seufzte er, ehe er stockte. „Ach so", murmelte er und senkte den Blick. „Egal ob Kapitän oder Partner, du lässt dir von niemandem eine Entscheidung aufzwingen, und wenn sie es versuchen sollten, dann…" Zorro nickte: „Dann gäbe es für mich keinen Grund mehr zu bleiben." Erneut seufzte der Koch: „So hart. Damit machst du es dir doch nur noch schwerer." Ja, damit hatte er Recht. Es gab keine magische Tür, welche die Welten verband, nichts weiter als ein kindlicher Wunsch. Und diese Welten waren zu verschieden, als dass man sie einfach verbinden könnte. Ruffy, der das Abenteuer liebte, jeder Tag aufregend, neu, voller Überraschungen, fremde Menschen, Freunde und Weggefährten. Dulacre, der die Beständigkeit bevorzugte, feste Tagesabläufe, routiniert mit schönen Momenten des Alltags, enge Vertraute, ab und an ein paar alte Feinde und neue Herausforderer. Es war unmöglich diese Welten zu verbinden, es gab nichts, was sie einte. Fast nichts. „Als ich auf Sasaki war, habe ich oft an euch gedacht", gestand Zorro dann ruhig, „und als wir dann zusammen in See stachen, hätte ich Dulacre am liebsten sofort angerufen. Du hast Recht, manchmal ist es schwierig, manchmal tut es auch weh. Aber das macht mir nichts aus. Ich war immer schon bereit, den schwierigen Weg zu nehmen und Schmerzen machen mir keine Angst. Am Ende ist es das trotzdem wert." „Man, klingst du gruselig gerade", murrte der Koch. „Hab es noch nie gemacht, wenn du dich plötzlich gebildet anhörst." „Ach, leck mich doch." „Und auf die Gefahr hin, dass du gleich noch mehr wie eine schlechte Kopie von Mihawk klingst, was meinst du damit? Was ist das alles wert?" Fast schon überrascht sah er den Koch an. „Tage wie heute", antwortete er schlicht, „wenn ich es schaffe, beide Welten für einen kurzen Moment zu vereinen. Ich entscheide mich, nicht zu wählen. Nicht, weil ich mich nicht entscheiden kann, sondern weil ich es nicht will. Ich will alles haben und dafür nehme ich das bisschen Schmerz in Kauf." Er wandte sich wieder der Dunkelheit zu, dunkles Rot glitt langsam über die Baumwipfel. Der Tag war nahe. Leise lachte der andere auf. „Das ist also deine Lösung? Stoisch beide Türen festhalten und eine Flurparty veranstalten?“ Zorro schmunzelte. „Wir waren schon immer gut im Partyschmeißen, nicht?“ „Aye.“ Der Koch seufzte. „Wenn ich ehrlich bin, beneide ich dich ein bisschen.“ Mit hochgezogener Augenbraue sah Zorro zu ihm hinüber, doch nun hielt der andere den kommenden Morgen im Blick. „Mag sein, dass es nicht immer leicht ist, aber irgendwie hast du doch vieles richtig gemacht, oder? Ich weiß zwar nicht wirklich, wie das überhaupt klappt, aber du scheinst glücklich zu sein, mit ihm, und jetzt noch Roshan, sie himmelt dich regelrecht an – von Ray mal ganz zu schweigen – könntest es echt schlechter getroffen haben, was?“ Leichtfertig nickte Zorro. „Tja, vielleicht hatte ich einfach nur viel Glück.“ „Und wenn dir das alles noch nicht reicht, hast du noch eine Crew, die nur auf den Anruf wartet, und Ruffy.“ „Und Ruffy“, stimmte Zorro zu. Kurz sah er auf, Richtung Steinwand, als hätte ihm jemand geantwortet. „Echt seltsam, dass ausgerechnet der Vollidiot unseres Käpt’ns es ruhiger angehen lassen will. Ich wette, spätestens nächsten Monat steht er vor der Tür, in einem Fass angespült.“ Der Koch lachte leise: „Das Schlimme ist, ich weiß gar nicht, ob du es befürchtest, oder vielleicht sogar drauf hoffst.“ Ja, darauf hatte auch Zorro keine Antwort. „Ich für meinen Teil muss gestehen, dass ich mich darauf freue, wenn alles etwas ruhiger wird“, meinte der andere und streckte sich. „Ich glaube, langsam bin ich zu alt für jeden Tag ein neues Abenteuer.“ Auch da hatte Zorro keine Antwort drauf. Ja, er freute sich auf die Beständigkeit Kuraiganas, aber nein, er fühlte sich nicht zu alt für Abenteuer, nicht, an der Seite seines Kapitäns. „Ich werde es vermissen“, murmelte er nachdenklich. „Alles, die Abenteuer, die fremden Orte, die Tage auf See, selbst diese dämlichen Gespräche mit dir, Kringelbraue.“ Er seufzte leise. „Ich freue mich auf mein Leben hier, aber ich werde das alles vermissen, euch alle.“ Die ersten Sonnenstrahlen brachen über die Baumwipfel herein. „Ich weiß“, antwortete der Koch warm. „Wir alle wissen das.“ Zorro nickte nur, dann klopfte der andere ihm kräftig auf die Schulter. „Aber es tut gut, dich das sagen zu hören.“ Überrascht sah er den anderen an, der ihn breit angrinste. „Was? Manchmal vergisst du, dass wir anderen dir nicht in den Kopf gucken können. Du und Ruffy, ihr versteht euch blind, taub, stumm, was auch immer. Vermutlich kriegt der eine von euch Nasenbluten, weil der andere sich auf der anderen Seite der Welt in einer Bar prügelt. Aber mit dem Rest von uns musst du halt reden, ob du willst oder nicht, wenn du sichergehen willst, dass wir wissen, was in dir vorgeht.“ Nun schnaubte Zorro auf und winkte ab. „Ach komm schon, was machen wir hier denn gerade?“ „Hat ja auch nur eine halbe Ewigkeit gebraucht.“ Der Koch wandte sich um. „Naja, ich muss mal langsam loslegen. Willst du mitkommen?“ Er blieb stehen und sah Zorro fragend an. „Ist doch dein Heim, oder? Hilfst du mir in der Küche?“ „Tze, du weißt genau, dass weder Dulacre noch Perona mich in die Küche lassen“, murrte er, folgte dem anderen jedoch. „Ach, keine Sorge, Marimo, ich pass schon auf, dass du den Herd nicht nochmal in die Luft jagst.“ Er entgegnete nichts. „Sag mal, Zorro, du hast doch ein Ohr auf ihn, oder?“ Kurz sah er auf, dann nickte er: „Immer.“ „Mhm“, machte der Koch dieses seltsame Geräusch, wie jedes Mal, wenn sie darüber sprachen. „Kannst du mir was versprechen? Kannst du mir Bescheid geben, wenn was passiert?“ „Nein. Ich mache keine Versprechen, die ich nicht beabsichtigte zu halten“, murrte er kühl, während der Koch bereits entrüstet den Mund öffnete: „Aber ich werde Robin und Dulacre sagen, dass sie dich informieren sollen, wenn ich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abhaue. Dulacre wird mit Sicherheit seinen Spaß daran finden, dich unnötig wie ein unliebsames Kindermädchen durch die Gegend zu jagen.“ Der andere schnaubte auf. „Du könntest ja auch Robin und Chopper einfach mitnehmen?“ „Seien wir realistisch, Koch. Sollte ich es machen? Wahrscheinlich. Werde ich es machen? Wahrscheinlich nicht.“ „Bist halt genauso ein Vollidiot wie unser Kapitän. Kannst es nur besser verbergen.“ „Aber nicht ganz so gut wie du.“ Sie sahen einander an. „Heute ist der Tag“, sagte der Koch dann, „heute ist der Tag, an dem die Crew sich auflösen wird.“ „Schwachsinn“, widersprach Zorro grob und trat in die Küche. „Ob du willst oder nicht, egal wo wir auf der Welt sind, wir sind so lange Mitglieder dieser Crew, bis der Kapitän es anders entscheidet. Also machen wir jetzt alle für ein paar Jahre unser eigenes Ding und dann geht es wieder gemeinsam auf hohe See.“ Ein tiefes Aufatmen ließ ihn innehalten. Er wandte sich um. Der Koch hatte die Augen geschlossen, zusammengekniffen, und dann zeigte er ein beinahe schmerzhaftes Lächeln. „Danke“, flüsterte er und nickte, Tränen in den Augen. „Danke, Zorro.“ Wieder war es einer dieser Momente, die er nicht ganz verstand, aber auch nicht verstehen musste. „Also? Was soll ich tun?“ „Reis kochen, kriegst du das hin?“ „Wir werden sehen.“   Kapitel 25: Extrakapitel 22 - Der Jungbrunnen --------------------------------------------- Der Jungbrunnen   -Zorro- „Und was machen wir jetzt damit?“ „Wir könnten es einfach im Meer versenken, oder?“ „Naja, die Einwohner sagten doch, es sei ein Geschenk mit einzigartigem Nutzen. Und nach ihren Bräuchen bringt es Unglück, ein Geschenk ungenutzt wegzuwerfen.“ „Ich will aber so ein hässliches Ding nicht auf Deck haben.“ Zorro rollte mit dem Auge, während er die Hälfte der Crew diskutieren hörte. Er wollte doch nur seinen verdienten Mittagsschlaf halten, aber das war unmöglich, während Nami sich über das Geschenk aufregte, welches die Inselbewohner ihnen als Dank dafür geschenkt hatten, dass sie die Dämonen verjagt hatten – Piraten, die sich in den Bergen eingenistet hatten. Wieso nannte man sich dann Pirat? – und deshalb sich der Sturm verzogen hätte – ja, mit Sicherheit hatte es daran gelegen, dass sie einen Haufen Landpiraten vermöbelt hatten. „Wie soll man das Ding überhaupt nutzen? Was ist das überhaupt?“ „Sieht ein bisschen aus wie ein eingedrückter Marterpfahl…“ „Oder wie ein Kelch, aus dem Gecko Moria trinken würde.“ „Urgh, an den hab ich ja Ewigkeiten nicht mehr gedacht.“ Am vergangenen Abend hatten sie lange gefeiert – natürlich – aber Zorro war froh, dass sie nun wieder auf hoher See waren. Dieses Mal waren sie lange an Land gewesen, fast so lange wie damals, in Alabasta, und Zorro hatte das Geräusch der Wellen vermisst. Doch nicht nur das. „Na, Falki hat gestern angerufen, oder?“ Ruffy ließ sich neben ihn fallen. Bis gerade hatte er noch mit den anderen unten auf der Wiese geredet, Zorro hatte sich aufs Hauptdeck zwischen die Orangenbäume zurückgezogen, ein guter Schlafplatz. „Mhm“, murrte er nur, noch nicht so ganz gewillt, aufzuwachen. „Kommt er uns nochmal besuchen? Hab das Gefühl, ihn Ewigkeiten nicht gesehen zu haben. Shishishi, irgendwie vermisse ich sein Genörgel.“ Zorro schnaubte auf: „Darauf könnte ich gut verzichten.“ Dann gähnte er, öffnete sein schweres Auge und lehnte sich vor. Ruffy saß ihm gegenüber und grinste breit. „Er ist tatsächlich in der Nähe. Manchmal habe ich das Gefühl, er verfolgt uns, wie ein übergriffiger Stalker.“ Ruffy lachte erneut und ignorierte Zorros Bemerkung: „Hast du ihm gesagt, er soll vorbeikommen?“ „Ruffy“, murrte er, „es ist ja nicht so, als…“ „Sag ihm, er soll vorbeikommen, wenn er schon mal in der Nähe ist!“ Überrascht sah Zorro seinen Kapitän an, eine so deutliche Aufforderung hatte er nicht erwartet, doch Ruffy grinste nur. Kopfschüttelnd packte Zorro den Strohhut und drückte ihn tiefer in Ruffys Gesicht, was diesen nur zum Auflachen brachte, während er auf seinen Hosenboden plumpste. „Komm schon, Zorro, gib es zu.“ Ruffy lugte ihn von unter der Krempe seines Hutes her an. „Du willst auch, dass er vorbeikommt.“ Zorro errötete und er senkte den Blick. „Ich weiß nicht, ob das geht. Du weißt doch, wie kompliziert Log Ports…“ „Schwachsinn, Falki kann das mit Nami ausmachen, die kriegt das schon hin.“ „Warum willst du überhaupt…?“ „Ruffy? Zorro? Wo steckt ihr denn? Kommt mal her. Wir müssen uns entscheiden, was wir mit diesem hässlichen Totenkopf machen.“   Zorro mochte dieses Gefühl in seiner Brust nicht. Dieses Gefühl, wenn es zu warm wurde, wenn er sich seiner Gefühle zu sehr bewusst wurde. Er mochte nicht darüber nachdenken, aber ignorieren konnte er es auch nicht. Dulacre hatte sich äußerst überrascht gezeigt, als Zorro ihn gefragt hatte, ob er nicht mit Nami absprechen wollte, falls ihre Kurse sich irgendwo schneiden würden, und Zorro hatte sofort hinterhergedrückt, dass es Ruffys Idee gewesen war. Es war nicht immer einfach für ihn, was dieses warme Gefühl in ihm auslöste, und er verstand selbst oft nicht, wie er reagierte. Aber wann immer Ruffy ihn angrinste, spürte er dieses seltsame Gefühl, und als seine Sinne diese eine Anwesenheit wahrnahmen, da wurde es ihm viel zu warm. Es war schon ein ekliges Gefühl, dachte er sich mit einem leisen Schmunzeln. Aber das war schon okay so, schließlich hatte seine Crew ihn schon gut an dieses eklige Gefühl gewöhnt. Ein leises Lachen ließ ihn aufschauen. Jinbei sah ihn wissend an, sagte jedoch nichts, brauchte nichts sagen. Also schnaubte Zorro nur leise auf und senkte seinen Blick auf das Segel in seinen Händen, während seine Wangen warm wurden. Im nächsten Moment knallte die Türe auf und Brook stand bibbernd im Eingang, trotz Regenjacke klatschnass. „Essen ist fertig“, klapperten seine Zähne. „Wie weit seid ihr mit dem Segel?“ „Uh, frag nicht“, murrte Zorro und rieb sich die müden Finger. „Da werden wir noch die nächste Woche dran hängen.“ „Na, dann kommt rüber. So wie ich Nami verstanden habe, wird es wohl die kommenden Tage eher ruhig vom Wind her bleiben. Ihr habt also noch genug Zeit weiterzumachen.“ Jinbei und Zorro tauschten einen Blick aus, ergaben sich in ihr Schicksal und erhoben sich ächzend, nach den Stunden, die sie über dem Segel gekauert hatten. „Geh schonmal vor, Jinbei, ich bring’s zurück ins Lager.“ „Denk dran, eine Jacke anzuziehen“, riet der andere ihm noch, ehe er Brook folgte. Zorro ließ sich Zeit, ins Lager unter der Männerkajüte zu klettern, verfluchte leise diese nervige, aber notwendige Aufgabe, die ihm so viel Zeit stahl, die er lieber zum Trainieren nutzen würde – oder zum Schlafen - doch irgendwann musste er den Weg in den Regen dennoch antreten. Es war kalt geworden, die letzten Tage, und sie waren in den ein oder anderen Sturm hineingeraten, aber erst heute hatte es angefangen, zu regnen, zu schütten, und hörte scheinbar gar nicht mehr auf. Mühsam zog Zorro sich den Regenmantel an und trat heraus. Tatsächlich mochte er das Wetter. Auch, wenn es bedeutete, dass die Crewmitglieder sich weniger gut aus dem Weg gehen konnten und gerade Ruffy schon mal gerne hibbelig wurde, so schien die Welt draußen doch etwas leiser, obwohl der Regen laut auf Holz und Meer niederprasselte. Kurz blieb er stehen, der seltsame Marterpfahl stand immer noch gegen den Mast gelehnt mitten auf Deck. Robin hatte sich durchgesetzt, dass sie ihn noch nicht ins Meer werfen würden, auch wenn weder Nami noch Lysop davon besonders begeistert waren. Zorro konnte mit dem seltsamen Gebilde nicht wirklich etwas anfangen. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein steinernes Kreuz, aber der senkrechte Balken bestand aus aufeinandergereihten Totenköpfen, die von oben nach unten immer größer wurden, und Lysop war überzeugt davon, dass es echte waren, auch wenn sie auf Zorro eher so wirkten, als wäre sie in den Stein gemeißelt. Der oberste, in etwa auf Zorros Augenhöhe, war fast so groß wie seine Faust, doch auf Höhe der Stirn war der Schädel abgeschnitten worden, als hätte jemand das Gehirn rausnehmen wollen. Nun schwappte das Regenwasser dort, wo eigentlich ein Hirn hingehörte, während die Schädel Zorro aus leeren Augen anstarrten. Diese Inselbewohner hatten schon einen eigenartigen Geschmack. Dann lenkte ihn ein leicht grünliches Glimmen aus dem Augenwinkel ab und er sah aufs Meer. Ungestört von den unruhigen Wellen kam das Sargboot zügig auf die Thousand Sunny zu, die Kerzen flackerten, als ob der Regen ihnen nichts anhaben konnte. Wieder war da dieses warme Gefühl, an das Zorro sich noch immer nicht so ganz gewöhnt hatte. Er verschränkte die Arme und wartete die wenigen Minuten im Regen. Als das Tau über die Reling klatschte, packte er es und leinte schnell das Sargboot an. „Was wartest du hier denn so unnötig im Regen.“ Dulacre war an Bord gesprungen, Wasser tropfte seine Hutkrempe hinab, doch seine Augen waren wie immer stechend scharf, selbst im Halbdunkeln des Unwetters. „Ich war nur zufällig gerade draußen“, entgegnete Zorro die schroffe Begrüßung und hielt diesem Blick wie gewohnt stand. „Du kommst genau pünktlich. Essen ist fertig.“ Dulacre entgegnete nichts, sondern musterte ihn, wie Zorro es gewohnt war, während der Regen auf sie niederprasselte. Dann machte Dulacre einen Schritt zur Seite und Zorro übernahm die Führung Richtung Kombüse. „Oh, was ist denn das?“, bemerkte Dulacre, als sie über die matschige Wiese schritten. „Ein Geschenk von unserem letzten Landgang“, erklärte Zorro trocken. „Ach, ich erinnere mich. Die Löweninsel, nicht wahr? Eine interessante Kultur, die auf dem Gedanken gründet, dass Wasser der Ursprung allen Lebens ist, wenn ich mich richtig erinnere.“ „Jaja, ganz toll“, murrte Zorro und stapfte einfach weiter, während der andere auf den Marterpfahl zuging und etwas davon murmelte, dass Robin mit Sicherheit eine aufregende Zeit gehabt habe, was auch stimmte. „Komm schon, sonst frisst Ruffy noch alles auf.“ Er hatte schon zwei Stufen nach oben genommen, da merkte er, dass Dulacre ihm nicht folgte. Augenrollend wandte er sich um. „Lass den Marterpfahl mal in… Dulacre?“ Die Wiese war leer, bis auf den Marterpfahl. „Was zur…?“ Nein, das stimmte nicht. Unter den leeren Augen der Totenschädel stapfte Zorro zurück auf die Wiese. Direkt neben dem seltsamen Geschenk lagen Dulacres Hut und Mantel. Fassungslos blieb er stehen. „Was zur Hölle…?“   -Sanji- „Wo habt ihr denn den Marimo gelassen?“, murrte er unzufrieden, da ebenjener schon das Frühstück verpasst hatte. „Er wollte nur kurz das Segel wegbringen und dann direkt nachkommen, ich schwöre“, kam es von Brook entschuldigend. „Ich gehe davon aus, dass er noch auf unseren Besucher wartet“, erklärte Jinbei mit einem lauten Lachen. Es war Sanji absolut unerklärlich, aber Jinbei… mochte Falkenauge, zumindest war es tiefer Respekt, den Sanji noch viel weniger verstehen konnte. „Ach, Falkenauge kommt heute schon?“, kam es dann von Franky, der sich Nami zuwandte, die daraufhin nur knapp nickte. „Deswegen war Zorro heute so zahm“, bemerkte er lachend. „Lass ihn das bloß nicht hören“, meinte Lysop trocken. „Du weißt doch, dass er... Uah!“ Mit einem leisen Schrei war Lysop aufgesprungen, als plötzlich die Tür aufknallte und niemand anderes als der Marimo höchstpersönlich im Türrahmen stand, Wind und Regen rissen an seinem Mantel, in seiner linken Armbeuge hielt er einen Haufen dunkler Wäsche. „Hey!“ Er klang ungewohnt laut und suchte offensichtlich nach den Worten, denn mit offenem Mund gestikulierte er mit seiner freien Hand nach draußen. „Ähm…Äh…“ „Wen hast du denn da, Zorro?“, fragte Robin und sie streckte ihren Hals, um besser zur Türe gucken zu können. Wen? Sanji starrte den Klamottenhaufen an und dann erkannte er das schwarze Haar, das im Bündel der dunklen Kleidung beinahe unterging. „Ähm… ich glaube… ich glaube, das ist Dulacre“, kam es vom Marimo, der dann etwas unbeholfen das Klamottenknäuel hochhob und ihnen hinhielt. „Was zur…?“, flüsterte Sanji, ließ beinahe seinen Schneebesen fallen. Die anderen reagierten ähnlich verwirrt und nun konnte Sanji die Sprachlosigkeit Zorros verstehen. Eingewickelt in die klatschnassen Klamotten lugte ein schwarzer Schopf hervor, und jetzt, da Zorro ihn so offen präsentierte, konnten sie es alle sehen, das schlafende Kind in der Mitte des Klamottenknäuels. „Wie… wie meinst du das?“, fragte Nami irritiert. „Wie soll das…? Was ist passiert?“ „Ich weiß nicht, er war hinter mir und hat über den Marterpfahl gelabert, und irgendwann… hat er aufgehört zu reden. Daher hab ich mich umgedreht und… nur noch das war da?“ Für einen Moment waren alle ruhig. „Und was machen wir jetzt?“, stellte Franky die Frage, die sie sich wohl alle stellten, alle bis auf Robin. „Vielleicht wäre es am sinnvollsten, ihn zu untersuchen, nur zur Sicherheit, und ihm vielleicht trockene Kleidung anzuziehen“, schlug sie vor und augenblicklich sprang Chopper auf. „Genau, das machen wir. Zorro bring ihn ins Krankenzimmer, ich untersuche ihn, und er kann Klamotten von mir haben. Die müssten passen.“ Der Marimo grummelte etwas in seinem nichtvorhandenen Bart, folgte Chopper aber widerstandslos. Die übrigen von ihnen tauschten unruhige Blicke aus, außer Ruffy natürlich, der ganz unbekümmert weiter aß, als hätte er nicht mal zugehört. „Okay, nur damit ich das richtig verstehe… dieses Kind gerade war… Falkenauge?“, murmelte Franky mit skeptischem Blick. „Anscheinend“, kam es von Lysop nicht weniger misstrauisch. „Na ganz toll“, murrte Sanji und wandte sich wieder seiner Aufgabe – die Vorbereitung des Nachtischs – zu. „Was meint ihr, wie nervig der erst ist, wenn er bemerkt, dass er sich in einen Drei-Käse-Hoch verwandelt hat?“ „Sanji“, schalt Nami ihn, doch er sah ihre zuckenden Mundwinkel, „das hier ist ernst. Wir müssen herausfinden, was passiert ist und ob es… dauerhaft ist.“ „Oh“, murmelten mehrere von ihnen, als ihnen in diesem Moment bewusst wurde, dass dies tatsächlich problematisch werden könnte. „Robin, du sagtest, dass du dich vertieft mit der Kultur der Löweninsel befasst hättest. Hast du… also, gab es da irgendwelche Hinweise auf so etwas?“, fragte Jinbei. Sie machte einen nachdenklichen Laut und legte einen Finger an ihr Kinn. „Eigentlich hatte ich den… oh.“ „Was ist?“, fragte Sanji nach. „Sie nannten die Figur Canaleta, was Regenfänger bedeutet, wenn ich mich nicht irre.“ „Na und?“, Lysop sah sie verwirrt an. „Nun ja, es regnet“, entgegnete sie und erhob sich langsam, als wäre sie immer noch in tiefen Gedanken, „und Wasser spielt in der Kultur der Leons eine elementare Rolle. Vielleicht hat der Regen etwas ausgelöst?“ „Du meinst, wenn man den Marterpfahl jetzt anfasst, wird man wieder zum Kind?“, fragte Brook neugierig nach. „Oh cool! Das will ich ausprobieren!” Ruffy war aufgesprungen, noch bevor irgendwer etwas sagen konnte. „Nein, Ruffy, warte!“ Nami griff schnell ihre Jacke und hetzte hinterher, gefolgt von Jinbei und Robin, die beiden letzteren in einem gemächlicheren Tempo. „Also, klingt so, als würden wir uns jetzt alle ein Stück Stein im Regen angucken“, erklärte Franky mit einem Schulterzucken und erhob sich ebenfalls. „Ihr wollt da jetzt alle rausgehen?“, meinte Lysop noch skeptischer als zuvor. „Warum?“ „Warum nicht? Hört sich doch interessant an.“ Lysop und Sanji tauschten einen zweifelnden Blick aus, während alle anderen gingen. Gerade, als die Türe hinter Brook zu fiel, kam Zorro vom Krankenzimmer rein, trug den Jungen, der wohl Falkenauge war, zum Sofa hinüber und legte ihn dort hin. „Wo sind denn alle?“ Er klang ungewohnt schroff. „Beim Marterpfahl“, antwortete Lysop hilfsbereit. „Oje, irgendwer muss Ruffy aufhalten, nicht dass wir hier gleich einen ganzen Kindergarten haben“, murrte der Marimo direkt mit einem leisen Stöhnen und folgte dem Rest der Crew, winkte nur ab, als Lysop ihm erklärte, dass die anderen schon aufpassen würden. Wieder schenkte Lysop Sanji diesen Blick, der mehr sagte als so manches Wort, doch Sanji rollte nur mit den Augen und fuhr mit seiner Tätigkeit fort, Sahne zu schlagen. Er konnte auf ein erneutes Drama der beiden Schwertkämpfer nur zu gut verzichten. „Ziemlich viel Pech oder“, meinte Lysop aber völlig unbeirrt. „Das Ding steht da schon seit Tagen herum und gefühlt jeder von uns hat es schon mal angetatscht – oder was sonst dafür verantwortlich war – und ausgerechnet Falkenauge ist dann derjenige…“ „Jaja“, murrte Sanji nur und warf einen Seitenblick aus dem Fenster, doch der Regen machte es fast unmöglich, irgendetwas zu sehen, dabei war die Sonne eigentlich noch nicht untergegangen. Er hatte wirklich keine Lust auf das, was kommen würde, sobald der feine Herr Pinkel aufwachen und bemerken würde, dass er auf die Hälfte seiner Körpergröße geschrumpft war. „Aber hätte das alles nicht bis später warten können? Immerhin sind wir mitten beim…“ Er erstarrte. „Keine Bewegung oder ich bringe ihn um.“ Lysop starrte ihn an, blanke Panik in seinen Augen. Das Messer, welches eben noch im Brotleib gesteckt hatte, an seiner Kehle. Hinter ihm blitzte ein gelbes Auge aus den Schatten, die Gesichtshälfte, die Sanji sehen konnte, todernst, viel zu ernst für ein Kind, aber eindeutig so, wie er Falkenauge kannte. Und da kapierte Sanji es und Lysops tonloser Laut verriet ihm, dass auch Lysop eins und eins zusammengezählt hatte. Er erinnert sich nicht! Nicht Falkenauge hielt gerade Lysop ein Messer an die Kehle, sondern Mihawk Junior, irgendein Bengel aus reichem Haus oder was auch immer Falkenauge gewesen war, bevor er zu dem Mann geworden war, mit dessen Geschichten die meisten von ihnen aufgewachsen waren. „Okay, mach ich nicht“, antwortete Sanji und hob beide Hände. Er musste jetzt schnell die Situation deeskalieren, denn spätestens, wenn die anderen zurückkommen würden, könnte es sonst richtig lustig werden. „Aber denkst du wirklich, dass das zielführend ist? Selbst, wenn du ihn umbringst, denkst du, du könntest gegen mich und die übrige Besatzung bestehen?“ Lysop sah ihn nun mit noch mehr Panik an, aber Sanji wusste, was er tat. Er kannte Mihawk Junior nicht, aber er kannte Falkenauge gut genug, um zu wissen, dass er wohl keine sinnlosen Verzweiflungstaten durchziehen würde; er hoffte nur, dass das für die junge Version ebenfalls galt. „Ihn umzubringen macht nur Sinn, wenn du so oder so draufgehen würdest und du deshalb so viele von uns mitnehmen möchtest, wie nur irgendwie möglich. Aber keiner von uns hat vor, dich zu töten, also wäre es echt nett, wenn du diese Geste erwidern würdest.“ Misstrauisch starrte ihn dieses eine Auge an, während Mini-Mihawk noch halb hinter Lysop stand, der weiterhin am Tisch saß und sich nicht bewegte. Der Bengel schien lange über seine Worte nachzudenken. „Ergibt“, murmelte er schließlich. „Was?“ „Es heißt, es ergibt Sinn, du ungebildeter Pirat.“ Er war also immer schon ein nerviger Besserwisser gewesen. „Und ihr scheint wirklich dumm zu sein, wenn ihr mich nicht mal gefesselt habt.“ Sanjis Augenbraue zuckte. „Jetzt hör mal, du frecher…“ „Aber als hätte das etwas gebracht“, unterbrach Lysop Sanji mit warnendem Blick. „Als würden ein paar simple Fesseln den großen Mihawk Junior aufhalten. Nein, so dumm sind wir auch nicht, und wie Sanji schon gesagt hat, keiner von uns hat vor, dir irgendetwas zu tun, warum also hätten wir dich fesseln sollen?“ Es schien, als würde diese Speichelleckerei Früchte tragen, denn die Klinge lag nicht mehr ganz so eng an Lysops Hals. „Warum bin ich dann hier? Habt ihr mich nicht entführt?“ „Was? Aber nein!“, sprach Lysop weiter, doch obwohl er die Wahrheit sagte, hatte selbst Sanji das Gefühl, er würde lügen. „Wir haben… dich gefunden.“ „Wo?“, fragte der andere misstrauisch nach. „Na, auf einem Boot. Ist draußen angeleint, kannst es dir angucken gehen. Trieb auf dem Meer herum. Keine Ahnung, wo du herkommst.“ „Du bist ein wirklich schlechter Lügner“, urteile Klein-Falkenauge harsch und direkt übte die Klinge wieder Druck aus. „Ich sage die Wahrheit“, klagte Lysop und log tatsächlich nicht mal. Klein-Falkenauge wollte etwas erwidern, doch da ging die Türe zum Deck auf und blitzschnell riss der Bengel Lysop samt Stuhl herum, um ihn zwischen sich und den Neuankömmling zu bringen; natürlich war es ausgerechnet der Marimo. Ebendieser blieb im Türrahmen stehen, während Wind und Regen hereinjagten, die Stimmen von außen kaum verständlich, und starrte die Szene mit einer Miene an, als hätte Nami ihm wieder ein Kleid ausgelegt. „Was zur Hölle tust du da?“, knurrte er so tief, dass Lysop leise erzitterte und sich die Haare auf Sanjis Armen aufstellten. „Hältst du es wirklich für angebracht, meine Crewmitglieder zu bedrohen?“ „Ähm, Zorro, es ist…“ „Bist du der Kapitän dieses Schiffes?“ „… Was?“ Okay, höchste Zeit einzugreifen. „Nein, ist er nicht – zum Glück, denn er ist nicht gerade der Klügste – aber er ist unser Schwertkämpfer und er hat dich auf diesem seltsamen Boot gefunden“, sprang nun Sanji ein und trat aus der Kombüse hervor, immer noch beide Arme erhoben. „Daher wissen wir auch, wer du bist. Unser Algenkopf hier erkannte sofort, dass du ein Mihawk sein musst, eine Familie von hervorragenden Generationen an Schwertkämpfern, nicht wahr, Marimo?“ Mit einem falschen Lächeln boxte er seinem Crewmitglied mit dem Ellenbogen in die Seite, doch Zorro starrte ihn nur an, als würde er an Sanjis Geisteszustand zweifeln. „Was zur…?“ Und da glitt so etwas wie Erkenntnis über Zorros Gesicht, nur für den Bruchteil einer Sekunde, ehe es steinhart wurde, was nie ein gutes Zeichen war. Doch er zog nur die Türe hinter sich zu und sein Blick glitt wieder auf den Drei-Käse-Hoch-Schwertkämpfer. „Und mir egal, aus welcher Familie du stammst, pack den Zahnstocher weg, oder ich erledige das.“ „Zorro!“, kam es von Lysop, da die vergangenen Bemühungen der Deeskalation sich automatisch in Luft auflösten. „Du wirst es nicht wagen“, entgegnete Falkenauge1/3, „wenn du weißt, wer ich bin, dann kennst du meinen Vater, Vizeadmiral Mihawk, und natürlich meine Schwester, die Königin des Schwertkampfes. Solltet ihr Lumpenpack es auch nur wagen, mir ein Haar zu krümmen, dann werdet ihr es… Uah!“ „Meine Güte, du redest ganz schön viel, Mini-Mihawk“, knurrte Zorro, erhob sich und mit einer eleganten Bewegung steckte er das Brotmesser wieder zurück in den Brotlaib. „Hab es dir doch gesagt, steck es weg oder ich mach’s.“ „Das wirst du bereuen!“ Sprang der Bengel auf. „Meine Schwester wird dich…“ „Komm mal runter.“ Sanji und Lysop tauschten einen Blick aus, während Zorro seinen klatschnassen Mantel auszog und aufs Sofa warf, ehe er sich neben Lysop auf einen Stuhl fallen ließ. „Du hast doch schon bemerkt, dass wir Piraten sind. Mit höflichen Gepflogenheiten haben wir es nicht so, also komm damit besser schnell klar, denn hier wird keiner vor dir katzbuckeln, nur weil du auf irgendein Adelssöhnchen machst. Und was den Rest angeht…“ Plötzlich zeigte er ein so gefährliches Grinsen, wie Sanji es nur aus richtig heftigen Kämpfen kannte. „Ich hätte nichts dagegen, mal gegen deine Schwester zu kämpfen. Wer würde sich eine solche Chance entgehen lassen?“ Wieder tauschten Sanji und Lysop einen Blick aus. Es war das erste Mal, dass er davon hörte, dass Falkenauge eine Schwester hatte und es dauerte nur einen Atemzug, bis er kapierte, warum er davon vorher noch nie etwas gehört hatte. „Deshalb hast du mich also entführt? Um meine Schwester zu einem Kampf zu erpressen!“ „Sicher“, murrte Zorro sarkastisch und zuckte salopp mit den Schultern, während er sich eine Scheibe Brot abschnitt, als wäre nichts an der derzeitigen Situation irgendwie… seltsam. „So einen Mist mache ich nicht. Wenn ich gegen jemanden kämpfen will, dann fordere ich die Person direkt heraus. Ein Schwertkämpfer braucht keinen billigen Grund, um einen Kampf mit einem anderen Schwertkämpfer zu suchen.“ „Warum hast du sie dann nicht einfach herausgefordert? So jemanden wie dich habe ich noch nie bei uns Zuhause gesehen?“ Kurz verharrte Zorro in seiner Position, dann fuhr er damit fort, sein Brot zu belegen. „Du bist ganz schön neugierig“, urteilte er. „Der Mihawk Sitz ist auf der anderen Seite der Red Line, und wir sind in der neuen Welt, da können wir nicht einfach mal umkehren, nur weil ich Lust auf ein Tänzchen habe. Aber für Genaueres musst du unsere Navigarotin fragen, ich kenne mich mit diesem Kram nicht aus.“ „Neue… neue Welt?“, kam es vom Küken offensichtlich überrascht. Wie aufs Stichwort ging die Türe erneut auf und Nami kam herein. Nun würde das Spiel also von vorne beginnen. „Du bist aufgewacht“, sagte sie und zeigte dann ein freundliches Lächeln, während sie ihre Jacke auszog und neben Zorros warf. „Das ist gut, wir haben uns schon Sorgen gemacht. Was macht denn ein Kind wie du ganz alleine auf hoher See? Und dann auch noch in so einem kleinen Boot? Zorro sagte, du seist ein Mihawk, stimmt das? Warst du mit deinen Eltern unterwegs?“ Okay, okay, das Spiel begann also nicht von vorne. Für eine Sekunde war Sanji verwirrt, dann wurde ihm bewusst, dass Robin vermutlich Mäuschen gespielt hatte und sie daher wussten, was los war. Doch anders als der Marimo eben noch, spielte Nami perfekt mit und ihre Worte schienen den geschrumpften Falkenauge zu verunsichern, auch wenn er wohl versuchte, es zu verbergen. „Ich stelle hier die Fragen“, murrte er abwehrend und es fiel Sanji echt schwer, darüber nicht laut loszulachen, bemerkte, wie Lysop ebenfalls kämpfte, und mit zuckenden Mundwinkeln wandten sie schnell die Blicke voneinander ab. Der erwachsene Mihawk mochte alleine mit seinem Blick einschüchtern können, aber davon war dieser Bengel noch mindestens zehn Jahre entfernt, echt putzig. „Du stellst hier gar nichts.“ Es war etwas überraschend, wie hart Zorro mit ihm umging. Oder war es sein normaler Umgang und Sanji war nur überrascht, weil er in einer solchen Situation nicht so sein hart sein würde? „Du bist auf unserem Schiff, trägst die Klamotten von unserem Crewmitglied und bist ohne uns komplett aufgeschmissen. Also hör auf, dich so aufzuspielen. Außerdem hast du doch mit Sicherheit Hunger. Setzt dich hin und iss was, eh unser Käpt’n kommt und nichts übrig bleibt.“ Sanji wollte nicht, dass Lysop ihn anguckte, sonst würde er wieder Lachen müssen, so wie Klein-Falkenauge gerade Zorro anstarrte, der ungeniert in sein Brot biss und sich dann nach der Wasserkaraffe streckte. Offensichtlich war das Adelssöhnchen nicht an einen solchen Umgang gewohnt, und wahrscheinlich wusste Zorro das, und deshalb ging er so mit ihm um. Vielleicht. „Wo bleiben eigentlich die anderen?“, fragte er Nami und ignorierte den entrüsteten Gesichtsausdruck in seinem Rücken. „Oh, sie kommen gleich“, entgegnete sie und setzte sich hin, um ebenfalls weiterzuessen, spielte Zorros Ignorierspiel mit. „Robin wollte noch schnell in die Bibliothek und die anderen waren alle klatschnass, deshalb habe ich sie sich umziehen geschickt.“ In diesem Moment knallte die Türe auf und der Rest der Strohhüte kam herein, unterhielten sich, wie sonst auch, und keiner schenkte dem Drei-Käse-Hoch am Sofa auch nur irgendeine Beachtung, während sie sich am Tisch wieder niederließen und ihre Gespräche nicht mal unterbrachen. Auch Chopper war bei ihnen, vielleicht hatte er vom Krankenzimmer mitbekommen, was passiert war, und die anderen vorgewarnt. Aus den Augenwinkeln beobachtete Sanji Klein-Falkenauge, während er sich wieder seiner Aufgabe zuwandte. Ebendieser stand fassungslos da und konnte wohl kaum glauben, dass man ihm keine Beachtung schenkte. „Wie könnt ihr es wagen, elendes Piratenpack? Ich verlange, dass ihr mich sofort zur Red Line zurückbringt!“ Er zitterte fast schon, war es Angst oder Zorn? „Ich bin ein Mihawk! Ihr solltet mich mit Respekt behandeln! Mein Vater ist…!“ „Du bist aber weder dein Vater noch deine Schwester noch sonst irgendwer anders“, unterbrach Zorro ihn, ohne sich auch nur umzudrehen. „Und das heißt, du bist nicht in der Position, hier irgendetwas zu verlangen.“ Ruffy lachte leise auf. „Und was ist so lustig?“, knurrte Klein-Falkenauge und er wirkte fast so, als wäre er kurz vorm Heulen. Sanji hatte ein bisschen Mitleid mit ihm, konnte nachvollziehen, wie es sich für diesen Bengel anfühlen musste, plötzlich auf einem Piratenschiff, fernab der Heimat aufzuwachen; insbesondere, wenn man nun mal ein verwöhntes Adelssöhnchen war. „Shishishi, ich mag dich nicht“, meinte Ruffy breit grinsend und sah von seiner Keule auf. „Vorsicht!“ Nein, Sanji bildete es sich nicht nein, Zorro war ungewöhnlich hart, egal ob einem Kind oder Falkenauge gegenüber. Gerade lag die Spitze seiner Klinge unterm Kinn des verwunschenen Schwertkämpfer, der wohl irgendetwas hatte tun wollen. „Du sprichst jetzt mit dem Kapitän.“ „Zorro!“, kam es von Nami entsetzt. „Lass das! Nimm das Schwert runter. Nicht beim Abendessen.“ „Tze.“ Er schnaubte nur auf und steckte es wieder weg. Klein-Falkenauge jedoch stand geschockt da, starrte immer noch Zorro an, leichenblass. „Okay, das reicht jetzt!“ Nami stand auf. „Zorro, Ruffy, benehmt euch und hört auf, ihm Angst zu machen.“ „Dann soll er sich benehmen“, knurrte Zorro unbeeindruckt. „Schließlich hat er angefangen.“ „Wer von euch beiden ist der Erwachsene, huh?“ Dann sah sie das verschreckte Küken an. Was für eine seltsame Situation. „Also, er mag der Ältere sein, aber du bist ja scheinbar der Klügere, wäre also schön, wenn du dich dementsprechend benehmen würdest.“ „Hey“, murrte Zorro, während Ruffy nur laut lachte. Klein-Falkenauge schwieg noch einen Moment, dann faltete er die Arme. „Meinetwegen, ich kooperiere. Was willst du wissen?“ Innerlich atmete Sanji auf, die Dinge schienen sich etwas zu entspannen. Er hatte keine Ahnung, was genau mit Falkenauge passiert war, aber wenn die anderen dieses Spiel mitspielten, schien es ein Problem zu sein, welches sich nicht in den nächsten Minuten in Luft auflösen würde. Nami lächelte und setzte sich wieder hin. „Erstmal, wie bist du auf dem Boot gelandet? Was ist das letzte, woran du dich erinnerst?“ Was sollte diese Frage? Doch da wurde ihm bewusst, dass es vielleicht einen Grund haben könnte, warum Falkenauge geschrumpft worden war und seine Erinnerungen verloren hatte. Ebendieser sah Nami mit großen Augen an. „Ich… ich weiß es nicht“, antwortete er und zum ersten Mal klang er nicht ganz so arrogant. „Ich weiß nicht, von welchem Boot ihr redet. Ich bin auf keines gegangen. Welchen Tag… wessen Klamotten trage ich? Was ist mit meinen passiert?“ „Oh, das sind meine“, kam es von Chopper hilfsbereit. „Deine waren ganz zerschlissen und klatschnass. Daher habe ich dir welche von meinen gegeben, nachdem ich dich untersucht habe.“ Nun sah Falkenauge ihn mit großen Augen an. „Du bist ein… Rentier?“ „Nein! Ich bin ein… uhm, genau, ein Rentier, richtig.“ „Chopper ist unser Schiffarzt“, erklärte Ruffy breit grinsend. „Ihr seid eine seltsame Bande“, murmelte Klein-Falkenauge und begutachtete sie alle eingehend. „Starke Worte, von einem Drei-Käse-Hoch, der in einem Schuhkarton auf dem offenen Meer herumtreibt“, entgegnete Franky und zog den Stuhl neben sich zurecht. „Na komm, Bengel, setzt dich hin und iss was. Kann ja keiner mitansehen, wie du da herumstehst.“ „Mihawk.“ „Was?“ „Mein Name lautet Mihawk.“ Sie alle tauschten einen Blick aus – mit Ausnahme von Ruffy und Zorro natürlich – doch niemand hinterfragte es. „Okay, Mihawk“, sagte Nami dann. „Also, du erinnerst dich nicht, was passiert ist?“ „Nein.“ „Gut, ist halt so. Dann sollten wir uns einen Weg überlegen, wie du wieder nach Hause kommst. Zorro sagte, du wohnst auf der anderen Seite der Red Line? Das liegt genau in der entgegengesetzten Richtung unseres derzeitigen Kurses. Wir können dich also nicht zurückbringen.“ „Das wird auch nicht notwendig sein“, antwortete er, nun wieder mit dieser blasierten Stimme, die ein Bengel nicht haben sollte, und setzte sich neben Franky, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Hatte anscheinend entschieden, dass nur Nami eine angemessene Gesprächspartnerin darstellte. „Es gibt auf der ganzen Welt Inseln, die unter dem Einfluss meiner Familie stehen. Ihr könnt mich bei einer ebensolchen vorbeibringen, von dort aus, werde ich nach Hause kommen. Wie ist der derzeitige Kurs?“ Nami antwortete ihm, doch Sanji sah Zorro an. Dieser aß, als wäre nichts. Als wäre dies wirklich nur irgendein Kind, welches sie zufällig aufgesammelt hatten. Dann bemerkte er Robins Blick, sie zeigte ein wissendes Lächeln und er hoffte nur, dass sie einen Plan hatte, und vielleicht eine Erklärung, was denn genau passiert war. Irgendwann wurden Nami und Klein-Falkenauge unterbrochen, als Franky es nicht mehr länger mitansehen konnte und dem Gast Essen auf den Teller lud. Das Küken sah alles andere als begeistert auf, doch sein Magen grummelte laut und auf Ruffys noch lauteres Lachen, begann er dann schließlich zu essen, wirkte für diesen Moment tatsächlich wie ein normales Kind. Auch, wenn er sie alle immer noch misstrauisch beäugte. Doch Sanji wusste auch, wie man das Spiel spielte und diese grellen Falkenaugen glänzten plötzlich wie die Augen eines jeden Kindes, als Sanji die Kreation des Nachtischs auf den Tisch trug, die er ein bisschen von seinem eigentlichen Plan abgewandelt hatte. Wieder lachte Ruffy über das Gesicht von Mini-Falkenauge und wieder errötete dieser, wollte offensichtlich misstrauisch bleiben, ernst bleiben, einen auf erwachsen und seriös machen, aber das war in dieser Crew nun mal schwer möglich, und ganz gleich, wie hart und verschlossen dieser Junge sein wollte, Ruffy konnte nun mal jede Schale knacken. Noch bevor der Nachtisch ganz verputzt war, zeigte dieser harte Bengel ein ungewolltes Grinsen, während Jinbei Zorro neckte, der es nur grummelnd über sich ergehen ließ. Offensichtlich war die Schale des jungen Mihawks noch deutlich weicher als die des erwachsenen und Sanji wunderte sich, wie aus diesem arroganten, aber doch irgendwie auch noch unschuldigen Kind ein Mann wie Falkenauge werden konnte. Genau in diesem Moment lachte er laut auf über die Grimasse von Ruffy, unterbrach sich dann und setzte sich wieder richtig an den Tisch, als hätte ihn jemand belehrt. Darüber mussten dann Jinbei und Franky lachen und Lysop erklärte Klein-Falkenauge, dass es bei Piraten keine Tischmanieren gab, dem Nami mit einem Seufzen zustimmte. Irgendwie… hatte dieses Abendessen eine überraschend gute Stimmung.   „Also, was ist passiert?“, murrte Sanji beim Aufräumen. Nami hatte Klein-Falkenauge mit Zorro, Chopper und Ruffy ins Bad geschickt, damit sie die Möglichkeit hatten, offen zu reden. „Es scheint, wir alle haben uns geirrt“, erklärte Robin mit ihrem geheimnisvollen Lächeln, während sie abräumte. „Es ist nicht nur ein simples Geschenk, was wir da erhalten haben, es ist ein Kelch.“ „Ein Kelch?“, fragte Lysop nach. „Genau, Zorro und Brook konnten sich erinnern, dass der oberste Totenkopf heute Nachmittag noch vom Regen zum Überlaufen gefüllt war. Aber als wir draußen waren, war er leer, und füllte sich auch nicht, obwohl es weiterhin regnete. Ich denke, die Kräfte des Artefakts wurden durch den Regen aktiviert und als Mihawk es berührte, hat er sie ausgelöst.“ „Was für Kräfte?“ Sanji mochte gar nicht, wie sich das anhörte. „Die Kraft des Jungbrunnens.“ „Was?“ „Und wird er jetzt für immer so bleiben?“, murmelte Lysop, der schon weiterdachte als Sanji. „Vermutlich nicht. Ich denke nicht, dass die Leons uns einer solchen Gefahr aussetzen würden – zumindest nicht ohne Vorwarnung – vermutlich ist es eine Art Ritual, welches auf der Löweninsel ausgeübt wird, um nochmal mit dem eigenen Kind in Kontakt zu treten. Es wird vermutlich nur wenige Tage dauern.“ „Nur?“ Nami schnaubte leise. „Das wird wirklich anstrengend. Was machen wir, wenn wir Feinden begegnen? Oder er die Zeitung sieht? Oder sich irgendwer verplappert?“ „Mal ne andere Frage. Aber jetzt funktioniert das Teil nicht mehr, oder? Also nicht, dass morgen noch jemand von uns zum Kind wird.“ „Ruffy ist nichts passiert und er hat das Ding regelrecht umarmt“, meinte Nami trocken. „Okay, also, um es kurz zu machen. Wir dürfen jetzt eine Woche babysitten, aber nicht irgendwen, sondern Falkenauge höchst persönlich? Na, das wird ja noch lustig.“   Kapitel 26: Extrakapitel 23 - Der Jungbrunnen - Teil 2 ------------------------------------------------------ Der Jungbrunnen – Teil 2   -Zorro- Mit verschränkten Armen betrachtete er den Himmel. Es hatte aufgehört zu regnen, kaum dass sie das Bad verlassen hatten, aber die Nacht war immer noch dunkel, die schweren Wolken ließen kaum Licht hindurch. Der Tag war seltsam verlaufen. Er wollte sich darüber nicht wirklich den Kopf zerbrechen, aber so ganz ignorieren konnte er auch nicht, was passiert war. Er hoffte, dass Robin Recht hatte, dass Dulacres… Zustand nur vorübergehend war, ansonsten würde es wohl noch echt nervig werden. Sie war der Meinung gewesen, dass es besser wäre, das Spiel mitzuspielen und Dulacre nicht unnötig damit zu verwirren, dass die Welt schon über dreißig Jahre weiter war als er, und obwohl Zorro es nicht gerade toll fand, folgte er ihren Vermutungen und hoffte darauf, dass es das Richtige war. Aber Robin war sich ziemlich sicher und Zorro vertraute auf ihre Einschätzung. Der seltsame Marterpfahl war ihm nicht geheuer, er hätte schwören können, dass der hohle, aufgeschnittene Schädel mit Regenwasser gefüllt gewesen war, aber als sie nach Dulacres Verwandlung gemeinsam nochmal gucken gegangen waren, war der Regen einfach aus den leeren Augenhöhlen des Schädels wieder hinausgelaufen, sodass sich nichts ansammeln konnte. Auch darüber wollte Zorro nicht zu viel nachdenken, aber er war echt kein Fan von körperlichen Verwandlungen, die durch übernatürliche Umstände herbei… „Und wo soll’s hingehen?“ Die Spitze Kitetsus ruhte unterhalb des Kinns Dulacres. Dieser stand nun im Türrahmen des Krankenzimmers. „Bist du ein Wachhund, oder warum hockst du hier auf Deck?“, entgegnete er herablassend. „Man wird doch wohl noch auf Toilette gehen dürfen.“ Zorro sah noch nicht mal zu ihm auf. „Ganz recht, ich halte Wache“, erklärte er und beobachtete das Meer in der Dunkelheit. „Und anders als manche Crewmitglieder werde ich nicht leichtsinnig, nur weil der Fremde an Bord ein Kind ist.“ Er war sich noch nicht sicher. Er wusste, dass Dulacre als Kind anders gewesen sein musste, nicht ganz so hart und verbittert wie als Erwachsener, aber er war mit Sicherheit genauso manipulativ, herablassend und gerissen gewesen. Zorro wusste nicht, ob dessen Aufblühen während des Abendessens echt oder nur gespielt gewesen war. Aber ganz gleich ob erwachsen oder noch ein Kind, Zorro würde nicht zulassen, dass Dulacre etwas Dummes anstellen würde, wie zum Beispiel seine Crewmitglieder angreifen. „Du bist nicht gerade der Hellste, was?“, urteilte der andere harsch, doch Zorro konnte seiner Stimme anhören, dass er von der Klinge an seinem Hals nicht ganz so unbeeindruckt war, wie er gerade tat. „Es ist offensichtlich, dass ich auf eure Mithilfe angewiesen bin, und die meisten von euch sind mir kräftetechnisch überlegen. Es wäre dumm, das Misstrauen mancher von euch durch unbedachte Handlungen zu bestätigen und dabei meine Sicherheit zu gefährden.“ Zorro entging es nicht, dafür kannte er Dulacre mittlerweile zu gut. Er sagte kräftetechnisch, er wusste, dass einige an Bord stärker waren als er, aber er sagte eindeutig nicht, dass er generell unterlegen wäre. Wie der Erwachsene wusste auch der Bengel gut über seine eigenen Stärken und Schwächen Bescheid. Vielleicht sollte Zorro also direkt mal die Fronten klären. „Du bist ziemlich überzeugt von dir, was?“ Er sah zu Dulacre auf, der seine Gefühle nicht so gut verbergen konnte, wie er wohl wollte. „Du solltest uns nicht unterschätzen, Mini-Mihawk. Nicht alle Piraten sind strohdumme Raufbolde und du bist weder dein Vater noch deine Schwester. Also lass dein doppeltes Spiel mit dreifachem Boden am besten direkt bleiben, sonst machst du es dir nur schwerer.“ Dulacre schluckte, doch dann grinste er, nicht ganz so, wie Zorro es kannte, aber besser als dieses gespielte Selbstvertrauen. „Aber du bist einer dieser strohdummen Raufbolde, oder?“ Zorro erwiderte sein Grinsen. „Ich bin auch nicht derjenige, vor dem du dich in Acht nehmen solltest. Ich zeige mein Misstrauen ganz offen und sage dir ins Gesicht, was ich von dir halte und über dich weiß. Die Klügeren sagen weniger, wissen aber mehr. Also wenn ich dich hier jetzt aufhalte, beschütze ich eigentlich dich vor ihnen und nicht umgekehrt.“ Für einen Moment sah der andere ihn noch an und dann lachte er auf, mit dieser kindlichen Stimme, offensichtlich verblüfft. „Und warum solltest du mir helfen wollen? Du sagst doch selbst, dass du mir misstraust.“ „Nah, vielleicht habe ich einfach nur ein weiches Herz für unerzogene Gören, die alleine auf offener See unterwegs sind“, entgegnete er und steckte sein Schwert weg. „Du bist ein Mihawk, deshalb weiß ich, zu was du fähig sein kannst, aber du bist halt auch ein behüteter Bengel, der plötzlich auf einem Piratenschiff gestrandet ist. Warst wahrscheinlich noch nie so weit weg von Zuhause und willst so schnell wie möglich zurück.“ Doch zu seiner Überraschung erhielt er darauf keine Antwort und als er aufsah, wandte Dulacre den Blick ab, starrte gezielt aufs Meer, wich ihm aus. „Oder etwa nicht?“, hakte Zorro nach. „Keine Ahnung“, murrte der Junge dann und verschränkte die Arme, ging offensichtlich in die Defensive. „Ich denke nicht, dass mich irgendwer vermisst. Sonst hätten sie längst bemerkt, dass ich verschwunden bin, und wären mir hinterher.“ „Das Meer ist groß, woher sollten sie wissen, wo sie zu suchen haben?“ Doch Zorro erkannte diese Tonlage sofort. Er mochte nun ein Kind sein mit der Stimme eines Kindes, mit dem Gesicht eines Kindes, aber dieser Tonfall hatte sich kein bisschen geändert. „Ich denke nicht, dass mein Vater nach mir sucht.“ Es war keine Vermutung, sondern resignierte Akzeptanz. „Er kann mich nicht leiden.“ „Kein Wunder, bei dem Charakter.“ Ups, das war wohl etwas harsch gewesen, als Kind war er noch deutlich weicher, als Zorro es gewohnt war. „Aber du hast doch nicht nur deinen Vater. Was ist mit deiner Mutter? Und ich hab gehört, deine Schwester sei ganz vernarrt in dich. Außerdem hast du doch mit Sicherheit… vielleicht Freunde, oder?“ Nun sah der andere ihn wieder kühl an. „Du bist nicht besonders gut darin, jemanden aufzumuntern, weißt du das, Pirat?“ „Ich heiße Zorro.“ „Sicher? Der Koch eurer Crew nennt dich etwas ganz anderes.“ „Ja, und dafür darf er sich regelmäßig ein paar Schläge einfangen. Ich bin mir nicht sicher, ob du das auch riskieren solltest.“ „Naja, so fest können sie nicht sein, wenn der Koch sich davon nicht aufhalten lässt.“ „Du kannst es gerne mal ausprobieren.“ Die Mundwinkel es anderen zuckten. „Du bist ziemlich schlagfertig, für einen Piraten.“ Zorro grinste, als Junge mochte Dulacre bereits ähnlich gerissen sein, aber er sprach deutlich schneller aus, was er dachte, war längst nicht so misstrauisch, wie Zorro ihn kannte. „Naja, was bleibt einem anderes übrig? Ich bin nicht so schlau wie du oder andere aus meiner Crew, da muss ich mir mit anderen Mitteln zu helfen wissen.“ „Du denkst, ich sei schlauer als du?“ Ach, das hatte ihm mit Sicherheit gefallen. „Ich bin doch noch ein Kind.“ „Na und? Was hat das Alter denn damit zu tun? Chopper ist auch deutlich jünger als ich und viel klüger – er ist ein verdammter Arzt, ich kann die Worte noch nicht mal aussprechen und er weiß sogar, was sie bedeuten – und du bist nun mal ein Bengel aus gutem Haus. Dass die Mihawks alle kluge Köpfchen sind, ist jedem Schwertkämpfer bekannt und du hast in deinem Leben mit Sicherheit mehr Bücher gelesen als ich, dafür werden deine Eltern schon gesorgt haben.“ „Du weißt ganz schön viel über meine Familie.“ „Ich bin ein Schwertkämpfer, überrascht dich das?“, entgegnete er schlicht, legte eine Hand an seine Schwerter. Josei trug er bewusst nicht bei sich, wollte diese Verwirrung vermeiden. „Warum habe ich dann noch nie von dir gehört?“ entgegnete Dulacre. „Du scheinst stark zu sein. Warum hat mein Vater dich noch nicht eingeladen, um gegen meine Schwester zu kämpfen.“ „Ach je, er lädt Leute ein?“ Das hatte Zorro nicht gewusst. „Wieso das denn? Ist ja schräg.“ Nun zeigte der Bengel ein angeberisches Grinsen. „Na, weil meine Schwester so gut ist“, erklärte er mit stolzer Brust. „Mittlerweile traut sich kaum noch irgendwer, sie herauszufordern, und deshalb lädt mein Vater die Besten ein, damit meine Schwester trainieren kann. Aber keiner kann ihr das Wasser reichen! Sie ist die Beste!“ Zorro sah wieder zum Meer hinauf. „Ich würde wirklich gerne mal gegen sie kämpfen“, gestand er sich leise ein. „Je mehr ich über sie höre, desto neugieriger werde ich. Aber ich bin mir sicher, ich würde sie besiegen.“ „Nie im Leben!“, brüllte Dulacre fast schon, grinste noch breiter. „Ich habe noch nie von dir gehört und du glaubst, meine Schwester besiegen zu können?“ „Ich komme aus dem East Blue“, bemerkte Zorro, „vielleicht kennst du mich deshalb nicht.“ „Oh, aus dem schwächsten Meer.“ Neugierig begutachteten ihn diese stechenden Augen, ein fast schon vertrautes Gefühl. „Und du glaubst wirklich, dass du mit meiner Schwester mithalten kannst?“ „Willst du dich selbst überzeugen?“, grinste Zorro. „Ich?“ „Na, du bist doch auch Schwertkämpfer, oder nicht?“ Der andere wandte erneut den Blick ab. „Ich bin noch ein Kind.“ „Na und? Das eine schließt das andere doch nicht aus.“ „Warum würdest du das überhaupt wollen? Ich kann bei weitem nicht mit meiner Schwester mithalten und wenn du denkst, dass du sie besiegen kannst, wäre ich doch nur eine Zeitverschwendung für dich.“ „Und was stört es dich, womit ich meine Zeit verschwende?“ Mit einem Mal starrten ihn diese Augen an, doch Zorro genoss diese Überraschung. „Ich hab keine bestimmten Vorlieben, was meine Gegner angeht. Mir ist nur wichtig, dass sie es ernst meinen. Aber ich bin neugierig, was ein Mihawk in deinem Alter kann. Also, warum nicht?“ „Du willst… du willst gegen mich kämpfen?“ „Ja.“ „Aber… ich bin nicht meine Schwester, ich bin nur ein Kind.“ „Offensichtlich.“ Zorro beugte sich vor und legte seinen Arm auf dem aufgerichteten Knie ab, um besser zu Dulacre aufsehen zu können. „Aber bist du nicht auch neugierig, Mini-Mihawk? Zu sehen, wie stark du wirklich bist? Zu sehen, wie man im echten Leben kämpft? Wenn es um mehr geht? Ist doch viel spannender als diese langweiligen Trainingskämpfe oder diese öden Trockenübungen.“ Immer noch sah der andere ihn mit so großen Augen an, sie leuchteten fast in der Dunkelheit der Nacht. Dann wurden sie von Schritten abgelenkt. Robin kam daher, zeigte ein subtiles Lächeln. „Na, ihr zwei. Was macht ihr denn hier draußen um diese Uhrzeit? Es ist mitten in der Nacht.“ „Ach, ich hab nur Wache gehalten.“ Schwerfällig erhob Zorro sich und klopfte seine Hose ab. „Und unser Gast hier wollte nur schnell auf Toilette, nicht wahr?“ Kurz sah er auf Dulacre hinab, der ihn immer noch mit diesen kindlichen, riesigen Augen ansah und dann nickte. „Oh, dann will ich gar nicht weiter stören. Ich wollte nur die Wache ablösen.“ Zorro begegnete ihrem Blick, verstand. „Gut, dann geh ich mal pennen. Gute Nacht.“ Er winkte kurz und entschied dann, seiner Koje tatsächlich einen Besuch abzustatten. Er wusste nicht genau, was Robin vorhatte, aber es wäre schon sehr lustig zu sehen, wie sich der kleine Dulacre an ihr die Zähne ausbeißen würde.   -Sanji- Er wusste nicht genau, was passiert war, aber irgendetwas musste die Nacht über vorgefallen sein, denn der Junge, der gerade beim Frühstück saß, hatte wenig mit dem gemein, was Sanji gestern gesehen hatte. Er wirkte gar nicht so, wie der Falkenauge, den sie alle kannten. Gerade kicherte er verstohlen mit Ruffy, Lysop und Chopper auf. Sie hatten – nicht gerade unauffällig - Salz in Zorros Kaffee gemischt und dieser schien es noch nicht mal zu bemerken. In diesem Moment wirkte Falkenauge eigentlich wie ein ganz gewöhnlicher, verwöhnter Bengel und jetzt, ohne diesen hochnäsigen Blick oder sein herablassendes Getue, schien er beinahe schon… wie ein liebes Kind. Gar nicht so, wie sein Klon damals gewirkt hatte. Gar nicht so, wie er als Erwachsener immer dreinschaute. Dieses Lachen war echt, das Verhalten nicht gespielt. Während der Marimo sich seinen Kaffee in den Rachen kippte, ermahnte Jinbei die anderen, keine Streiche zu spielen, doch er lachte dabei, ohne sich selbst ernst zu nehmen. „Okay“, murrte Zorro dann und erhob sich schwerfällig, „wie sieht’s aus, Mini-Mihawk? Bist du bereit?“ „Was?“, starrte dieser ihn mit großen Augen an. „Du… du meintest das ernst?“ Zorro grinste, dieses hässliche Grinsen, wann immer er einen interessanten Gegner ausgemacht hatte. „Na klar, hab’s doch gesagt. Außerdem würde ich jetzt eh trainieren gehen.“ „Aber ich hab doch noch nicht mal ein Schwert?“ Was? Sanji war verwirrt und nicht nur er. „Worum geht es?“, fragte Nami ebenso misstrauisch nach. Auf Robins Anraten hin, hatten sie entschieden, die Schmierenkomödie erstmal weiterzuspielen mit der Hoffnung, dass Falkenauge sich in ein paar Tagen einfach wieder zurückverwandeln würde. Aber gerade bei ihren beiden Hohlbirnen – namentlich Zorro und Ruffy – bestand immer die Gefahr, dass sie sich verplappern würden. „Kein Problem, du kannst eins von meinen haben“, entgegnete der Marimo nur und ignorierte Namis Frage komplett. „Zorro“, zischte sie dann auch zugleich. „Du kannst doch nicht…“ „Mach dir nicht ins Hemd, ja? Es ist nur ein kleiner Übungskampf.“ „Nein, Zorro! Er ist noch ein…“ „Er ist ein Mihawk, Nami, ein Schwertkämpfer, und Schwertkämpfer kämpfen nun mal. Aber keine Sorge, ich weiß schon, was ich tue.“ Damit wandte er sich einfach um und schritt zur Türe. „Aber sie hat Recht, Mini-Mihawk. Du bist noch ein Kind und es wäre keine Schande, wenn du nicht gegen mich kämpfen möchtest.“ „Natürlich will ich das!“ Falkenauge1/3 war aufgesprungen, klang so drängend und energiegeladen, wie Sanji ihn erst recht nicht kannte. „Warte! Ich komme mit!“ Beim Vorbeilaufen neigte er noch schnell den Kopf in Sanjis Richtung: „Danke für das Essen!“, dann eilte er durch die Türe, die Zorro ihm aufhielt, ehe dieser ebenfalls hindurchging und sie hinter sich zuzog. „Was macht er nur?“, knurrte Nami verzweifelt auf und raufte sich die Haare. „Mann, der Typ macht mich echt noch fertig. Was denkt er sich dabei?“ „Oh, ich denke, das dürfte offensichtlich sein“, bemerkte Robin mit einem leisen Schmunzeln. „Er sieht einen Schwertkämpfer, gegen den er noch nicht gekämpft hat, und möchte gegen ihn kämpfen, so einfach ist das.“ „Ja“, murmelte Sanji nachdenklich und brachte neuen Kaffee zum Tisch, „vermutlich denkt dieser Schwertheini wirklich nicht viel weiter als bis zu seinem nächsten Kampf.“ „Aber er hat gegen den Erwachsenen schon besiegt, was will er jetzt mit dem Dreikäsehoch? Ist doch klar, dass der ihn nicht besiegen kann?“, bemerkte Franky. „Ich glaube nicht, dass es ihm um einen echten Kampf geht", warf Lysop nachdenklich ein. „Er ist wohl einfach neugierig, wie stark Fallenauge wohl bereits als Kind ist." „Unverbesserlich", grummelte Nami kopfschüttelnd und griff nach der Kaffeekanne. „Er ist und bleibt ein Schwertfreak." „Aber genau damit scheint er Zugang bei unserem jungen Mihawk zu haben", warf Jinbei lachend ein. „Hatte mir schon Sorgen gemacht, wie wir die nächsten Tage überstehen wollen, wenn wir immer mit einem Messer im Rücken rechnen müssen, aber scheint, die Sorge war unnötig. Wer weiß, vielleicht wird es sogar ganz lustig."  „Jinbei hat sich gerade also freiwillig zum Babysitten gemeldet, ist notiert", kam es von Nami nur trocken. „Ich verlass mich also darauf, dass du aufpasst, dass diese zwei schwertschwingenden Kindsköpfe keinen Schaden anrichten." „Nun, also... ich…" „Vielen Dank, Jinbei." Ach, was ein wunderschönes Lächeln Nami doch hatte. Doch während Franky, Ruffy und Brook über das bedröppelte Gesicht ihres Steuermanns lachten, tauschte Sanji einen Blick mit Lysop aus, ehe er aus dem Bullauge lugte, doch nicht wirklich etwas sehen konnte. Er stimmte Nami zu. Die Situation war eher nervig als lustig, im besten Fall. Sanji bezweifelte, dass sie diese Charade mehrere Tage durchhalten würden. Schließlich war Falkenauge selbst als Dreikäsehoch klüger als die Hälfte der Crewmitglieder.   Aber vielleicht hatte er sich nur unnötige Sorgen gemacht. Die nächsten zwei Tage vergingen ziemlich ereignislos und Robins Vermutung schien sich zu bestätigen. Jeden Morgen leerte sie eine Gießkanne über dem Marterpfahl aus und jeden Tag ließ ein Totenkopf mehr das Wasser auslaufen. Daher war die Hoffnung groß, dass der Fluch sich lösen würde, sobald auch Wasser aus dem untersten Totenkopf fließen würde. Damit hatten sie noch drei Tage durchzuhalten. Drei Tage, in denen sie die Zeitung verstecken mussten, auf ihre Wortwahl achten mussten, Babysitten mussten. Wobei, zur Wahrheit gehörte auch, dass der Marimo sich diesem Part angenommen hatte, und Sanji wusste nicht, ob es daran lag, dass dieser Bengel niemand anderes als Falkenauge selbst war, doch irgendwie… konnte Zorro anscheinend ganz gut mit Kindern. Aber das war nicht das einzige Überraschende, das andere war, wie viel er redete. Selbst jetzt waberte seine Stimme übers Deck, ruhig aber bestimmt, und das hatte genau einen Grund. Sanji wusste nicht genau, wie es dazu gekommen war oder warum Zorro es tat, aber gerade unterrichtete er genau die Person, die einst ihn unterrichtet hatte. Dabei wusste er doch auch, dass Klein-Falkenauge in drei Tagen höchstwahrscheinlich wieder sein altes Ich sein würde. Warum also tat er das? Nur, um irgendwie die Zeit totzuschlagen? Um Mini-Falkenauge abzulenken? Sanji kapierte es nicht wirklich, aber was auch immer es war, es war gut so, schließlich beschäftigt er so den verwöhnten Bengel über den Tag hinweg. Und auch, wenn der Bengel sich oft beschwerte und viel jammerte, so machte er doch die ganze Zeit weiter und tat, was Zorro ihm erklärte. „Echt verrückt, oder?“ Er sah auf, genoss gerade seine Zigarette nach dem Abendessen, während er Franky und Lysop zum Abwaschen verdonnert hatte. Nami trat zu ihm an die Reling am Heck des Schiffes. „Wenn es nicht für das Sargboot wäre, könnte man glatt vergessen, dass…“ Sie sprach nicht weiter, schüttelte nur den Kopf. „Hätte nicht gedacht, dass die Tage so ruhig sein würden.“ Mit einem leisen Seufzen nickte Sanji und nahm noch einen Zug, betrachtete die Sonne, welche durch die Schleierwolken hindurchschien. Nach dem verhängnisvollen Sturm war es nun beinahe windstill, aber Nami vermutete, dass das nächste Unwetter nicht lange auf sich warten lassen würde, vielleicht ein paar Tage, und dann würde der Wind kommen. Die Sonne stand nahe nun über dem Horizont, und dennoch hatten diese zwei Wahnsinnigen den ganzen Tag trainiert. Von ihrem Marimo waren sie ja nichts anderes gewöhnt, aber Sanji hätte Falkenauge tatsächlich nicht so fleißig eingeschätzt. „Naja, egal welches Alter, sie sind und bleiben nun mal Schwertfreaks. Auch, wenn ich echt nicht kapiere, warum der Marimo meint, ihn trainieren zu müssen. Nicht so, als würde es ihm was bringen, oder? In drei Tagen ist der ganze Spuk doch so oder so vorbei.“ Nami zuckte mit den Schultern. „Wer weiß. Ich glaube, Robin hat Recht und dass er wirklich nicht groß darüber nachdenkt. Wahrscheinlich macht es ihm einfach Spaß. Am Anfang hatte ich echt Sorge, weil er einen so harten Ton angeschlagen hat, aber mittlerweile scheinen die zwei sich echt gut zu verstehen, und wenn sie nicht trainieren, fachsimpeln sie die ganze Zeit über irgendwelche Schwertkämpfer oder was auch immer.“ „Ich sag’s ja, Freaks“, meinte Sanji nur grob und sah aufs Meer hinaus. „Ich hab gestern Abend mit Zorro gesprochen“, meinte Nami dann. „Huh?“ Er sah zu ihr hinüber. „Willst du jetzt auch über verschiedene Schwerter fachsimpeln.“ „Ach, Schwachsinn!“ Sie schlug ihm leicht gegen die Schulter. „Nur eine kleine Kontrolle.“ „Huh?“, machte er erneut und sie rollte mit den Augen. „Mann, manchmal bist du genauso dämlich wie Ruffy und Zorro, weißt du das? Sanji, dieses ahnungslose Küken da drüben ist eigentlich Zorros Partner.“ – „Küken?“, fragte er belustigt nach, was sie mit einem Augenrollen quittierte – „Bleib mal ernst. So eine Situation würde jeden irgendwie belasten, selbst einen Holzkopf wie Zorro. Aber normalerweise spricht er, wenn überhaupt, nur mit Falkenauge über sowas und, naja, er hat ja gesagt, wenn wir etwas wissen sollen, sollen wir fragen.“ Überrascht sah er sie an. „Und was hat er geantwortet?“, fragte er nach einem Moment. Doch Nami antwortete nicht, sah aufs Meer. „Müssen wir uns Sorgen machen?“, fragte Sanji daher nach. „Noch nicht“, entgegnete sie. „Ich denke, solange Falkenauge sich am Ende zurückverwandelt, wird alles gut, aber… ich glaube, es belastet Zorro, ihn anlügen zu müssen. Vermutlich käme er besser mit der Situation klar, wenn er einfach ehrlich sein könnte.“ „Kann ich gut verstehen“, meinte Sanji mit einem sachten Seufzen, „aber mal ehrlich, würde er uns die Wahrheit überhaupt glauben? Wahrscheinlich würde es ihn eher fertig machen, und uns vertrauen würde er danach wohl auch nicht mehr. Ist zwar hart, aber wir müssen die Schmierenkomödie wohl noch ein bisschen durchhalten.“ „Mhm“, stimmte sie ihm wortlos zu. „Aber danke.“ Nun war sie es, die ihn überrascht ansah. „Naja, wenn ich ihn sowas gefragt hätte, wäre das nur wieder in einem Streit geendet oder er blockt alles ab. Ist gut zu wissen, dass er sich wenigstens dir anvertraut, wenn du ihm keine andere Wahl lässt.“ Er musste lächeln. „Außerdem war ich von der ganzen Sache so genervt, dass ich mir tatsächlich keine Gedanken darüber gemacht habe, wie sehr es ihn belasten muss.“ Jetzt lächelte auch Nami und sie schüttelte den Kopf. „Ich sag’s ja, du bist auch so ein Vollpfosten.“ Er konnte ihr nicht mal wiedersprechen. „Aber ist dir aufgefallen“, bemerkte sie dann. „Ich weiß nicht, ob es an unserem Küken liegt, aber Zorro redet, so unglaublich viel, und irgendwie, mag ich das.“ „Ach, ich weiß wirklich nicht, ob diese Crew noch eine Quasselstrippe ertragen an“, meinte er scherzhaft, ehe er leicht den Kopf schüttelte. „Ganz ehrlich, er wirkt zufrieden. Vielleicht hab ich mir deshalb keine Gedanken gemacht. Wer weiß, vielleicht gibt unser Mooskopf ja irgendwann einen richtig guten Lehrmeister ab. Wenn er schon mit einem so verwöhnten Bengel klarkommt…“ „Naja, er kommt ja auch mit der arschigen Erwachsenenversion klar.“ „Stimmt auch wieder.“ Kurz sahen sie einander an, dann lachten sie. Wer wusste, wofür diese ganze Sache gut war, schließlich war der Marterpfahl ja ein Geschenk gewesen.   -Zorro- „Okay, noch einmal und dann war’s das für heute.“ „Das hast du eben schon gesagt“, jammerte der andere. „Ja, aber da hast du deine Form verloren und dich nicht mehr richtig angestrengt. Mach es noch einmal richtig und dann sind wir durch.“ Es war seltsam, aber es machte auch irgendwie Spaß. Zorro hatte ja gewusst, dass Dulacre Wiederholungen und Trockenübungen einfach nur ätzend fand, daher hatte er nicht erwartet, dass sich die Dinge so entwickeln würden. Eigentlich war er nur neugierig gewesen, wie gut Dulacre als Bengel gewesen war. In diesem Alter hatte Zorro damals noch regelmäßig gegen Kuina verloren, Dulacre auf der anderen Seite brachte schon eine beachtliche Verhärtung zustande und seine Fähigkeiten waren in allen Bereichen etwa gleichgut entwickelt. Er war wirklich ein krasses Gegenteil von Zorro, der damals vor allem auf körperliche Kraft und solide Ausführung gesetzt und alles andere eher vernachlässigt hatte. Der Kampf hatte auch Spaß gemacht und Zorro war beeindruckt, wie weit Dulacre schon war, gerade weil er ja wusste, wie der andere als Kind trainiert – oder eben nicht trainiert – hatte, aber viel beeindruckender war dieser Blick. Er war es gewohnt, dass Dulacre viel beobachtete und noch mehr erfasste, doch als Erwachsener machte er das eher unauffällig. Aber wie diese kindlichen Augen jede seiner Bewegungen, seine Atemzüge, seine Blicke verfolgten, war schon fast gruselig. Aus einem Kampf war ein zweiter geworden, und ein dritter, und ein vierter. Irgendwann zwischendrin hatte Zorro angefangen, ihn zu korrigieren, so wie sie es eigentlich immer miteinander machten während Übungskämpfen – während echter Kämpfe musste das bis danach warten, außerdem wollte da jeder gewinnen – und genau wie als Erwachsener setzte dieser Dulacre jede Kritik innerhalb eines Wimpernschlages um. Es machte wirklich Spaß, innerhalb von wenigen Kämpfen war er schon deutlich besser geworden und Zorro hatte absolut nicht verstanden, was sein Vater damals gesagt hatte; es konnte wohl keinen einfacheren Schüler geben als Dulacre. Das hatte Zorro gedacht, bis er dann erklärt hatte, nochmal zum üblichen Training zurückkehren zu wollen und Dulacre überhaupt kein Interesse gezeigt hatte, mitzumachen. Eigentlich sollte es Zorro egal sein, eigentlich war es ihm egal, aber irgendwie hatten die Worte von Mihawk Senior im Hinterkopf seinen Ehrgeiz geweckt, als müsste er hier irgendjemandem etwas beweisen müssen. Dabei wusste Zorro doch ganz genau, dass er als Lehrer überhaupt keine Erfahrung hatte, dazu auch nicht wirklich taugte und Dulacre sich in ein paar Tagen wahrscheinlich eh wieder zurückverwandeln würde. Und dennoch, irgendwie wollte Zorro sich jenen Worten nicht beugen. Also hatte er entschieden, nur noch dann gegen den Bengel in seiner Obhut zu kämpfen, wenn dieser auch mittrainierte, und es war ein hartes Stück Arbeit und eine unglaublich anstrengende Diskussion gewesen, aber seit dem Abendessen machte Dulacre nun mehr oder weniger engagiert die Grundübungen, die jeder Schwertkämpfer verinnerlicht haben musste. Sie waren schon nahezu perfekt, aber nur, wenn Dulacre wollte, ansonsten wurden sie schnell schludrig, also zwang Zorro ihn dazu, sie gut machen zu wollen. Und innerlich stieg dieses Gefühl in ihm hoch. Wie gut wäre Dulacre wohl, wenn seine Schwester nicht gestorben wäre? Wenn er jemanden gehabt hätte, der seinen Ehrgeiz nach vorne gepeitscht hätte? Der seine Faulheit und seine Arroganz ausgehalten hätte? Wegen dieses Talents, wegen alledem, was darunter lag. Vielleicht war das ja auch gar nicht die Aufgabe eines Lehrmeisters, Zorro wusste das nicht, aber er wusste, dass Dulacre sehr viel mit Zorro ausgehalten hatte, dass Meister Koshiro viel mit Zorro ausgehalten hatte, und nur deshalb stand er jetzt hier und er fragte sich, ob nicht jeder Schüler das verdiente. „Urgh! Du bist ein richtiger Sklaventreiber!“, beschwerte Dulacre sich und ließ sich auf den Boden fallen. „Bring mir wenigstens Wasser.“ „Dann wäre ich wohl eher dein Sklave“, bemerkte Zorro trocken. „Außerdem hast du selbst entschieden, mitzumachen. Ich zwinge dich nicht, zu trainieren.“ „Du hast gesagt, du würdest nicht mehr gegen mich kämpfen, wenn ich nicht diesen Unsinn mitmache.“ „Dieser Unsinn, von dem du da sprichst, sind alte Weisheiten, die Generationen an Schwertkämpfern ausgebildet haben.“ „Na und? Sie sind gemacht, um den Durchschnitt etwas Glanz zu bringen. Ich benötige solch Schabernack nicht. Alles, was ich brauche, ist ein Kampf.“ Für einen Bengel sprach er verdammt noch mal wie ein alter Mann, aber Zorro kannte den erwachsenen Dulacre, dagegen war dieser Dickschädel fast schon butterweich. „Und dennoch hast du die Übung bis um Ende durchgeführt.“ Die grellen Falkenaugen starrten ihn an. „Ja! Aber nur weil du…“ „Ist egal“, unterbrach er den anderen direkt mit einer verwerfenden Handbewegung. „Ist egal, was dein Motiv ist, es war deine Entscheidung, diese Einheit mitzumachen, also steh auch dazu, wie ein echter Schwertkämpfer, und jammer nicht herum wie ein verwöhntes Gör.“ Dann grinste er böse. „Ach, mein Fehler, ich vergaß, du bist ein ja ein verwöhntes Gör.“ Er hielt dem Bengel eine Hand hin. „Na komm, steht auf, trink was und dann ab ins Bad mit…“ Huh, es war wirklich seltsam. Dulacre begutachtete seine Hand kurz mit herablassend hochgezogenen Augenbrauen, dann erhob er sich, ohne Zorro eines Blickes zu würdigen. „Du hast noch nie jemanden unterrichtet, oder?“ „Und woran machst du das nun wieder fest?“, fragte Zorro, ignorierte die übliche Arroganz und rollte mit dem Auge. „Na, woran schon - mal abgesehen von deinem begrenzten Vokabular - du bist viel zu gutmütig“, urteilte Dulacre mit blasiertem Unterton. „Lehrmeister sind hart, kompromisslos und unnachgiebig, ihr Wort ist Gesetz und der Schüler hat zu gehorchen. Du hingegen grinst die Hälfte der Zeit und hast mich wohlwollend zum Training überredet. Du bist einfach viel zu nett.“ Einen Moment beobachtete Zorro ihn, wie er seine Kleidung richtete, Klamotten, von Chopper geliehen. Wie auch als Erwachsener kam auch der Bengel nach etwas körperlicher Betätigung ins Plaudern, aber anders als die Erwachsenenversion wurde er auch etwas weniger misstrauisch, etwas ehrlicher in seinen Worten. „Also das hat mir wirklich noch niemand gesagt“, lachte Zorro leise auf, während sie Richtung Bad schritten. „Ich gelte allgemein eher als ernst und finster.“ „Aber so wirkst du nur auf den ersten Blick“, entgegnete der Bengel dreist, doch dann änderte sich seine Tonlage. „Bei meiner Mutter ist das auch so. Ich beneide das. Wenn man Leute nur mit einem Blick auf Abstand bringen kann.“ Die Ironie dieser Worte. „Na, das kannst du doch sicherlich auch“, bemerkte Zorro mit den Gedanken an die Gegenwart. „Von wegen!“, widersprach der Bengel ihm laut, als sie durch die Bibliothek schritten, nun war gar nichts mehr von seiner Vorsicht zu sehen. „Niemand hat Respekt vor einem Kind, geschweige denn Angst. Ich kann es kaum erwarten, erwachsen zu sein und nicht mehr auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, nicht dauern vorgeschrieben zu bekommen, was ich zu tun und zu lassen habe. Dann werde ich Admiral und habe meine eigene Flotte unter mir und…“ Er verstummte, hatte vermutlich nicht so viel plappern wollen. „Admiral also, hm?“, machte Zorro und griff die Leiter zum Badezimmer. „Dann wirst du Piraten wie mich jagen wollen, nicht wahr?“ „Natürlich!“, sprach der Bengel direkt drauf an. „Piraten verstoßen gegen das Gesetz und müssen bestraft werden. Sie sind alle böse! Sie plündern, morden und zerstören. Mein Vater sagt…“ Wieder verstummte er und als Zorro nach unten sah, begegnete ihm ein seltsamer Gesichtsausdruck, den er tatsächlich noch nicht kannte. „Sag mal, Zorro, seid ihr böse?“ „Hast du dir die Antwort gerade nicht selbst gegeben? Du hast gesagt, alle Piraten sind böse. Wir sind Piraten.“ „Ja, aber…!“ Zorro wandte sich um und stieg die Stufen hoch. „Nun komm, die anderen wollen später auch noch ins Bad. Wir sollten uns beeilen.“ „Zorro!“ Er mochte es wirklich nicht. „Antworte mir!“ „Wie du weißt, springe ich auf diesen Befehlston mal so gar nicht an. Wir sind Piraten. Ob wir deshalb die Bösen sind, ist mir egal, können andere entscheiden. Wir gehen einfach nur unseren Weg.“ Oben, im Vorraum des Badezimmers angekommen, begann er sich auszuziehen und seine Sachen in den Korb zu werfen. „Na komm schon, beeil dich mal langsam.“ Dumpf erklomm der andere die Leiter. „Ich verstehe deine Worte nicht“, sagte er nachdenklich. „Warum lässt du andere darüber entscheiden, ob du gut oder böse bist?“ Zorro lachte leise auf. „Die Leute denken eh über dich, was sie wollen. Aber ich sehe nicht ein, meinen Weg von der Meinung anderer abhängig zu machen. Ich tue das, was ich für richtig halte, und wenn andere mich dafür hassen sollten, dann ist das halt so.“ Schulterzuckend zog er sich weiter aus. Dulacre schwieg eine lange Zeit, ehe er schließlich ebenfalls begann, sich auszuziehen. Am ersten Abend war es sehr schwierig gewesen, er hatte sich ziemlich angestellt, sich mit anderen ein Bad zu teilen, mittlerweile hatte er es entweder akzeptiert oder war vom Thema abgelenkt. „Hast du schonmal jemanden getötet?“ „Ja.“ „Viele?“ „Ja.“ „Würdest du es wieder tun?“ „Ja.“ Der andere schwieg. Zorro warf sich ein Handtuch um die Hüften und ging ins Bad. Dulacre folgte nur kurze Zeit später und sah ihn nachdenklich an. „Meine Schwester sagt immer, dass sie jeden Kampf gewinnen will, aber dass sie nie jemanden töten will“, sagte er dann und wie so oft hatte Zorro keine Ahnung, in was für eine Richtung sich dieses Gespräch entwickeln würde. „Wenn ich ehrlich bin, für mich klingt das… naiv. Ich glaube nicht, dass man ein Leben lang Kämpfe auf Leben und Tod führen kann, ohne zu töten. Wir sind Schwertkämpfer, wir wollen mit dem Schwerte kämpfen, und unabhängig von der Bestimmung, jedes Schwert ist dazu geeignet, zu töten. Aber heißt das, dass, wenn ich kämpfen will, ich auch jemanden töten will? Macht mich das dann nicht böse? Mein Vater ist bei der Marine und hat schon Piraten getötet, ist er dann nicht auch böse? Sind dann nicht…?“ „Und das ist der Grund, warum ich mir über so einen Mist nicht den Kopf zerbreche“, murrte Zorro und schrubbte sich das Haar schaumig. „Keine Ahnung, wann man gut oder böse ist oder ob die Ansicht deiner Schwester naiv ist. Ich kämpfe, weil ich gerne kämpfe, und der Einsatz für einen jeden Kampf ist nun mal das Leben, das eigene oder das eines anderen.“ Dann wusch er sich das Haar aus und erst, als er sich erhob, bemerkte er, dass Dulacre ihn mit diesen riesigen, kindlichen Augen anstarrte. „Ist was?“ Nach einer weiteren Sekunde schüttelte der andere den Kopf und stellte dann schnell das Wasser an, vergaß ganz Seife und Shampoo. Schulterzuckend ging Zorro zum Bad hinüber und ließ sich ins heiße Wasser sinken. „Irgendwie… seid ihr ganz anders, als ich mir Piraten vorgestellt habe.“ „Ach?“ Zorro grinste und hörte, wie der andere ins Wasser stieg, hatte die Augen geschlossen, sich nach hinten gelehnt. „Ja, ich meine, dein Kapitän ist ein Vollidiot und niemand hier scheint ihn wirklich ernst zu nehmen und ihr seid alle…“ „Was sind wir alle?“ „Naja, nett.“ Zorro sah auf und begegnete diesem offenen, neugierigen Blick. „Klar, ihr streitet ziemlich viel und die meisten von euch sind eher schlicht und nicht besonders stark, aber…“ Er senkte den Blick. „Warum trainierst du mich? Warum gebt ihr mir Essen und Kleidung? Warum habt ihr mich an Bord geholt? Könnt ihr wirklich böse sein oder falle ich gerade auf euer Spiel herein und ihr benutzt mich, um meine Eltern zu erpressen?“ Zorro seufzte. „Ich denke, du denkst zu viel nach“, meinte er salopp. „Egal, was ich dir sage, niemand kann dir 100% versichern, dass es die Wahrheit ist. Also bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als auf dein Bauchgefühl zu vertrauen.“ „Mein Bauchgefühl?“, wiederholte der andere kritisch. „Das ist wirklich dumm.“ „Dann mach es nicht.“ Zorro zuckte mit den Schultern. „Dann halt dich halt an die Fakten oder was auch immer du nutzt, um eine Entscheidung zu fällen.“ Mit diesen Worten schwiegen sie und Zorro genoss das warme Wasser. „Sag mal, kann ich dich etwas fragen?“ Er hob eine Augenbraue an, ohne sein Auge zu öffnen. „Woher stammt diese Narbe.“ Nun sah er doch auf und setzt sich aufrechter hin. „Diese hier?“, meinte er und strich über sein linkes Schlüsselbein. Dulacre nickte. Zorro senkte den Blick auf seine Brust, begutachtete den Strich unebener Haut, wie dieser im Wasser versank. „Sie ist von meinem ersten Kampf gegen den ehemaligen besten Schwertkämpfer der Welt.“ „Wow!“ „Ja, beeindruckend nicht? Aber der Kampf war es nicht gerade. Ich war noch ziemlich naiv damals.“ „Dann musst du noch jung gewesen sein, oder? Also das war, bevor meine Schwester die beste wurde, oder?“ Zorro begegnete diesem Blick nicht. „Ja, ich war damals noch ziemlich jung.“ „Hat meine Schwester auch gegen ihn gekämpft? Hat sie ihn besiegt? Wie hieß er.“ Zorro sah ihn an. „Ich denke nicht, dass du ihn kennst, du bist noch zu jung. Aber ja, deine Schwester hat gegen ihn gekämpft und von seinen Erzählungen schließe ich darauf, dass sie ihn auch besiegt hat.“ Dulacre schluckte, aber die Neugierde stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Du… du sagtest, dein erster Kampf gegen ihn, und dass er dir von meiner Schwester erzählt hat. Habt ihr… öfters gekämpft.“ „Ein paar Mal“, meinte Zorro, musste über diese seltsame Gespräch grinen, und rieb sich den Nacken, „und nach dem Kämpfen kommt er immer schnell ins Plaudern.“ „Und… und hast du ihn je besiegt?“ „Ja.“ Er grinste. „Ein paar Mal, aber er hält immer noch gut mit und wenn ich nicht aufpasse, dann haut er mich richtig um. Kein Wunder, er ist ein genialer Stratege und er… er kennt meine Schwächen ziemlich gut.“ „Du kämpfst gerne gegen ihn, oder?“ Zorro hielt inne, war unaufmerksam gewesen, hatte sich angreifbar gemacht. „Warum denkst du das?“ „Na, weil du schon gegen ihn gekämpft hast und ihn nicht tötest, selbst, wenn du gewinnst. Das heißt doch, dass du noch öfters gegen ihn kämpfen willst, oder?“ Er betrachtete seine Hände und nickte, wusste nicht, wie er sich diesem Gespräch entziehen sollte… und ob er das überhaupt wollte. „Ja, wenn ich kann, dann will ich noch ganz oft gegen ihn kämpfen und ihn besiegen. Gegen ihn zu kämpfen… nichts kann damit mithalten.“ „Hm“, machte der andere und es klang fast wie ein Auflachen. „Das verstehe ich. Training finde ich langweilig, aber gegen meine Schwester zu kämpfen… das könnte ich den ganzen Tag machen.“ „Mhm“, stimmte Zorro leise zu. Es wäre ein leichtes, nun mit der Wahrheit herauszurücken, er sollte es tun. „Was ist denn jetzt mit dir los, Zorro?“ Überrascht sah er auf, Dulacre sah ihn fast schon besorgt an. „Du sagtest, wenn du kannst, und irgendwie… siehst du gar nicht so dämlich drein wie sonst. Ist er gestorben?“ Ah… „Nein, er lebt noch.“ „Dann, was…?“ „Er… er erinnert sich nicht an mich“, erklärte Zorro ruhig. „Oh, und wieso das?“, fragte Dulacre naiv nach. „Ich weiß es, um ehrlich zu sein, nicht wirklich.“ „Ist er etwa alt?“ Misstrauisch zuckte Zorro mit den Schultern. „Ja, ist er, aber warum…?“ „Meine Gouvernante sagt, dass alte Menschen manchmal anfangen, alles zu vergessen, wo sie ihre Brille hinlegen, welcher Tag ist, und manchmal… auch Namen und Gesichter, sogar sich selbst. Vielleicht… vielleicht ist es das bei ihm.“ Tief atmete Zorro ein. „Kann sein, zumindest… zumindest ist er nicht so, wie ich ihn kannte.“ „Das tut mir leid. Er scheint dir sehr wichtig zu sein.“ „Ja, das ist er“, seufzte Zorro, ehe er sich kopfschüttelnd erhob. „Aber sei es drum. Ob er sich erinnert oder nicht. Ich habe die Hoffnung, nochmal gegen ihn kämpfen zu können, irgendwann.“ Schwerfällig schritt er aus dem Wasser, mochte dieses Gespräch ganz und gar nicht. „Ich glaube, ich verstehe dich, Zorro.“ Ach, wirklich? „Wenn meine… Wenn Sharak mich vergessen würde... Sie wäre immer noch die beste Schwertkämpferin der Welt und das Kämpfen würde immer noch Spaß machen, aber… aber… sie ist nicht nur die beste Schwertkämpferin der Welt, sondern auch meine Schwester.“ Er konnte hören, wie der andere sich ebenfalls erhob. „Es muss weh tun, vergessen zu werden, oder? Es muss ganz schrecklich sein.“ Oh, er konnte also doch so sein, so naiv und kindlich, wie er gerade war, so fröhlich und empathisch, wie er gerade war, dennoch erfasste er zu gut. „Nein.“ Zorro lächelte den Jungen an. „Ganz gleich, ob er sich an mich und unsere Kämpfe erinnert oder nicht, das ändert nichts an meinen Erinnerungen. Ja, es tut weh, aber ich bin dankbar, dass er lebt, dass ich gegen ihn kämpfen durfte, ihn kennenlernen durfte, und diese Dankbarkeit überwiegt.“ Er hatte das Ende des Bads erreicht und blieb im Türrahmen stehen. „Wir sollten uns langsam beeilen. Die anderen werden auch ins Bad wollen.“ „Sag mal, kann ich dich noch etwas fragen?“ Dulacre war ihn ins angrenzende Zimmer gefolgt. Misstrauisch sah Zorro zu ihm hinab, während er sein Handtuch griff. Diese Fragerei war gefährlich. „Du sagtest, bei jedem Kampf muss man bereit sein, das Leben als Einsatz darzubieten, das eigene oder das des anderen, und diese Narbe wäre von eurem ersten Kampf, als du noch jung und naiv warst und der Kampf alles andere als gut war.“ Zorro nickte nur, wusste nicht, worauf Dulacre hinaus wollte. „Aber… Warum hat er dich dann damals, als du noch jung und naiv warst, verschont?“ Zorro öffnete den Mund, sagte jedoch nichts, sah einfach nur diese kindlichen Falkenaugen an. Dann neigte er leicht den Kopf und sah auf sein Handtuch. „Ich weiß es nicht. Ich… ich habe ihn nie gefragt.“ Kapitel 27: Extrakapitel 24 - Der Jungbrunnen - Teil 3 ------------------------------------------------------ Der Jungbrunnen – Teil 3   -Sanji- Sie hatten es fast geschafft! Bei Sonnenaufgang hatte Robin wie jeden Morgen ihre Gießkanne über den Marterpfahl entleert und bis auf den letzten Totenkopf floss nun aus allen Wasser hinaus. Nur noch wenige Stunden und dieser Fluch würde sich – hoffentlich – in Luft auflösen. Und Sanji war da sehr dankbar für. Die ersten Tage war es vielleicht auch noch irgendwie lustig gewesen, aber mittlerweile war es nur anstrengend. Es gab so viele Ding, die im Kopf dieses Kükens noch nicht passiert waren, und es war echt schwierig, das immer im eigenen Hinterkopf zu halten. Gerade, als der Dreikäsehoch festgestellt hatte, dass Robin auf Ohara gelebt hatte und ihr dann unbedingt von seinen Besuchen dorthin hatte erzählen müssen, war es schwierig gewesen, diese lockere Stimmung des Mittagessens aufrechtzuerhalten. Außerdem war Sanji noch eine Sache aufgefallen. Er wusste nicht wirklich, wie er es beschreiben sollte, aber er musste immer wieder an Namis mahnende Worte denken und er hatte das Gefühl, als würde ihr Schwertkämpfer das alles nicht ganz so problemlos mitmachen, wie er vorgab. „Hey“, murrte er und hielt Zorro das Geschirrtuch hin, „du hilfst.“ „Waa…?“ Zorro gähnte laut und mit aufgerissenem Maul. „Nein, das erlaube ich nicht“, widersprach Falkenauge1/3 und sah Sanji herablassend an. Wirklich erstaunlich, wie gut er diesen Blick drauf hatte und dass er diese Worte tatsächlich ernst meinte. „Zorro wird jetzt mit mir…“ „Wann kapierst du endlich, dass du hier gar nichts zu kamellen hast“, murrte Zorro und packte den Schopf des geschrumpften Schwertmeisters, drückte ihn leicht hinunter. „Ich kann nicht den ganzen Tag deinen Babysitter spielen. Als Crewmitglied muss ich auch Arbeiten erledigen.“ Sanji verkniff sich einen Kommentar, merkte aber, wie sämtliche Anwesende – namentlich Brook, Robin und Lysop – sich ganz schnell auf die Lippen bissen und wegsahen, als hätten sie alle das Gleiche gedacht. „Aber…“ „Nix aber. Ich hab dir schon gestern gesagt, dass du erstmal deine Rumpfhaltung verbessern musst, vorher machen wir gar nichts. Tausend Schwerthiebe mit Ausfallschritt, dann reden wir weiter.“ „Was?“ Fassungslos starrte der Dreikäsehoch ihn an. „Das ist doch totaler…“ „Brook, tust du mir den Gefallen und hältst ihn im Auge, für jeden durchschnittlich durchgeführten Schwerthieb macht er hundert Wiederholungen extra und für jede schlechte Ausführung, darf er tausendmal die Grundschritte wiederholen.“ „WAS?! Was bist du denn für ein Sklaventreiber?! Da werde ich ja Tage für brauchen.“ Im nächsten Moment beugte Zorro sich zum Bengel hinab, sein gefährliches Grinsen auf den Lippen. „Ich bin nicht dein Lehrmeister, Mini-Mihawk, du brauchst gar nichts tun.“ Dann richtete er sich wieder auf. „Aber wenn du gegen mich kämpfen willst, dann ziehst du es durch. Sollte für dich ja kein Problem sein, schließlich bist du doch so gut.“ „Dreckskerl!“ Stille „Oh“, kam es dann von Robin, „vorsichtig, junger Herr, sonst entwickelst du dich noch zum waschechten Piraten.“ Mit einem leisen Lachen ging sie hinaus, gefolgt von den anderen, während Brook versuchte, das Küken zu beruhigen. Endlich war es ruhig, während Zorro die Reste vom Tisch abräumte und danach anstandslos das Geschirrtuch nahm. Ungewöhnlich. „Also? Was ist los?“ „Was?“ Überrascht starrte er Zorro an. „Ach komm schon. Wir beide kennen diesen blöden Blick, den du immer drauf hast. Und du hast mich die letzten Tage nicht einmal angemotzt, dir zu helfen. Also lass es uns einfach hinter uns bringen. Ich traue Dulacre zu, dass er keine zehn Minuten braucht, um Brook loszuwerden.“ „Echt seltsam.“ „Hm?“ Zorro sah ihn fragend an. „Gerade erinnerst du mich ein bisschen an Falkenauge. Er erkennt auch immer sofort, was man will, und fasst es so salopp zusammen, als wäre es offensichtlich.“ Zorro sah ihn überrascht an, ehe er mit seiner Arbeit fortfuhr. „Na toll, jetzt färbt dieser Mistkerl also auch noch auf mich ab.“ „Naja, ein bisschen mehr Intelligenz kannst du dir ruhig abgucken“, neckte Sanji. „Arsch“, kam die recht schwache Retour. Für einen Moment war es ruhig zwischen ihnen. „Wie geht’s dir? Kommst du zurecht?“ Sanji war sich sehr bewusst, dass dies nicht ihr üblicher Umgang war – zumindest nicht tagsüber, spät abends vor der Nachtwache oder früh morgens vorm Frühstück, wenn niemand es mitbekommen würde, war es vielleicht anders, aber gerade war es nun mal nach dem Frühstück – doch dieses Mal wollte er keine Spielchen spielen. Zorro schwieg, ehe er leise seufzte: „Mann, ihr seid alle nervig. Solange heute Abend alles vorbei ist, müssen wir aus der Situation doch nicht ne größere Sache machen, als es ist.“ „Tja, du kennst uns“, versuchte Sanji es leicht hinzunehmen und hielt Zorro einen Teller hin. „Wir wissen nun mal zu gut, wie schnell aus Kleinigkeiten echt nervige Probleme werden können.“ „Wird es so oder so“, murrte Zorro trocken. „Was meinst du, wie anstrengend er sein wird, wenn all das hier vorbei ist.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er noch nervtötender werden kann, als er eh immer ist.“ „Du hast ja keine Ahnung.“ Wieder schwiegen sie. „Also hältst du durch?“ „Solange ich muss, kennst mich doch.“ „Mhm, okay, dann hau ab und spiel den Babysitter. Ich mach den Rest allein.“ Zorro sah ihn überrascht an. „Bist du krank?“ Sanji trat ihn von der Seite. „Jetzt geh schon, eh ich es mir anders überlege.“ „Okay, okay.“ Abwinkend trocknete Zorro sich die Hände ab und ging dann. „Hey, Koch.“ „Ja?“, mahnte er und sah zum anderen an der Tür. „Danke.“   Sanji war eindeutig zu gutmütig. Es kam schonmal vor, dass er den Abwasch alleine machte, aber er hatte vergessen, wie viel Arbeit es war. So hatte er sich ziemlich viel seiner begrenzten Freizeit selbst verbaut. Auf der anderen Seite war es das vielleicht wert gewesen, er war sich nicht sicher. Gerade genoss er seine verdiente Pausenzigarette und beobachtete den Marimo dabei, wie er Kreise um seinen ehemaligen Lehrmeister zog, während dieser immer und immer wieder die gleiche Bewegung ausführte und Zorro ihn unablässig korrigierte. Er schien ein unnachgiebiger Lehrer zu sein. Man brauchte nur wenige Minuten, um zu verstehen, dass Zorro tatsächlich immer wieder die gleichen Anweisungen gab, jedes Mal, wenn das Küken die gleichen Fehler machte. Aber Sanji musste auch eingestehen, dass er das meiste davon nicht wirklich verstand und er sah auch nicht wirklich, was Zorro kritisierte, nicht, dass er wirklich drauf achtete. Doch dann sah er den Unterschied. Zorro mahnte den Bengel zur Pause und machte die Bewegung dann so langsam vor, als wäre er von Foxys Slow Beam getroffen worden und da sah Sanji es tatsächlich. Es war nicht unbedingt, dass Falkenauge1/3 die Bewegungen unsauber oder falsch ausübte, es war eher, dass er dabei die Schwerpunkte falsch setzte. Als hätte er die Bewegung kopiert, ohne wirklich zu wissen, wie sie sich anfühlen sollte. Schwertkämpfer waren wirklich eine seltsame Spezies. Nun ja, was interessierte es Sanji. Kopfschüttelnd drückte er seine Zigarette aus und begab sich zurück in die Kombüse, um mit dem Mittagessen loszulegen. Er war noch gar nicht lange dabei, als die Türe in seinem Rücken aufging. „Einheit schon vorbei?“, fragte er kühl. „Wenn du dich drückst, wird der Marimo kein Erbarmen mit dir zeigen.“ „Er will, dass ich eine Pause mache und etwas trinke, tze“, schnalzte das Küken mit einem Hochmut, der fast schon beeindruckend war. „So langweilige Trainingsmethoden. Ich wette, ich komme heute wieder nicht zum Kämpfen.“ „Naja, aber sie scheinen notwendig zu sein. Wenn selbst einem Laien wie mir der Unterschied zwischen euren Bewegungen auffällt“, bemerkte Sanji und stellte dem anderen ein Glas Wasser hin, bemerkte die großen Augen des anderen. „Ich bin halt noch ein Kind. Ich wachse noch, meine Muskeln wachsen noch, da kann noch nicht alles perfekt sein“, reagierte der andere sofort beleidigt, brachte Sanji zum Grinsen. „Tja, und deshalb musst du trainieren, wenn du irgendwann unseren Marimo schlagen willst.“ „Ich könnte besser in einem Kampf trainieren.“ Sanji begutachtete den beleidigten Bengel. „Naja, nimm’s nicht persönlich, aber ich würde dann eher auf den Schwertmeister wetten als auf den Lehrling.“ Die angepisste Miene des anderen war das nervige Babysitten absolut wert. „Außerdem würde der Marimo das nie machen, wenn er es nicht für das Beste halten würde. Schließlich gibt es niemanden hier an Bord, der so gerne kämpft wie er, insbesondere gegen gute Schwertkämpfer.“ „Meinst du damit mich?“ „Nein, eigentlich meinte ich…“ Sanji verstummte, war über diese großen Kinderaugen unaufmerksam geworden. „Du meinst diesen anderen Schwertkämpfer.“ Und mit einem Mal war da eine verblüffende Ähnlichkeit mit Falkenauge. „Diesen Alten, der, der sich nicht mehr an Zorro erinnert.“ Sanji schluckte. „Der Marimo hat dir von ihm erzählt?“, fragte er bemüht gelassen, während der andere ziemlich ernst klang. Es überraschte ihm nicht wirklich, dass Zorro irgendwann mal geplaudert hatte, viel mehr war er überrascht, dass der Bengel anscheinend noch nicht wusste, von wem Zorro ihm erzählt hatte. „Hat er. Er sagte, dass er unbedingt nochmal gegen ihn kämpfen will und dass dieser Alte einst, vor meiner Zeit, der beste Schwertkämpfer der Welt gewesen sei.“ Dann sahen diese brennenden Augen ihn an und Sanji wurde heiß am Nacken, dieses Gespräch war heikel. „Er scheint ein toller Schwertkämpfer zu sein. Kennst du ihn?“ „Ein bisschen“, murmelte Sanji abwehrend und griff nach seiner Zigarettenschachtel. „Ziemlich arrogantes Arschloch, wenn du mich fragst, kann ihn wirklich nicht leiden, aber er ist auch ein verdammt guter Kämpfer, deutlich besser als du, Dreikäsehoch.“ Falkenauge1/3 streckte ihm die Zunge heraus, während Sanji sich eine Zigarette anzündete. Er würde dieses Gespräch wirklich gerne schnell abwiegeln, ehe es gefährlicher werden würde, aber wenn er zu auffällig handeln würde, könnte es dieser Besserwisser bemerken, während dieser wieder auf sein Glas starrte, ernst. „Zorro scheint… es scheint ihn zu belasten, dass der Alte sich nicht an ihn erinnert. Sind sie Freunde?“ Sanji zögerte, doch entschied, dass nahe bei der Wahrheit bleiben der beste Weg zu lügen war. Außerdem war Zorro das Folgende nun selbst schuld, hätte ja nichts ausplappern müssen. „Hat er es dir nicht erzählt?“ „Was?“ „Na, wer dieser Mistkerl ist?“ „Nein, er…“ „Er hat Zorro ausgebildet.“ „Was?“ Das Küken sah ihn mit großen Augen an. „Mhm, die Methoden, mit denen Zorro dich unterrichtet, sind die, mit denen der ehemalige beste Schwertkämpfer der Welt ihn damals unterrichtet hat, als unser Marimo noch ein blutiger Anfänger war.“ Er lächelte leicht, konnte sehen, wie der andere über diese Worte nachdachte, über die vergangenen Stunden und Tage. „Weißt du, dass der Marimo schon als kleines Kind davon geträumt hat, der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden? Es war für ihn ziemlich besonders, seinen einstigen Lehrmeister zu besiegen. Dieser Typ ist zwar ein absoluter Arsch, aber ohne ihn… Er ist der Grund, warum Zorro dich heute so gut unterrichten kann, also vielleicht solltest du dich nicht ganz so sehr wie ein verwöhntes Rotzbalg aufführen, wenn ihr trainiert.“ „Wow“, murmelte der Bengel, wusste nicht mal, dass Sanji ihm seine eigene Geschichte erzählte. „Zorro sagte, ich kann ihn nicht kennen, weil ich zu jung bin, aber wie heißt er denn? Ich kann mir nicht vorstellen, noch nie von seinem Namen gehört zu haben.“ Oh, Scheiße! „Ach, er hat viele Namen und Titel“, wich Sanji aus und nahm einen Zug seiner Zigarette. „Sagt dir Samurai oder Marinejäger was?“ „Marine… jäger?“ Einen Moment wirkte er fast ängstlich, während Sanji sich innerlich selbst für diese gute Ablenkung lobte. „Hört sich brutal an.“ „Oh, ist er auch“, murmelte Sanji und rollte mit den Augen bei den Gedanken an vergangene Ereignisse, „grausamer Mistkerl. Hat mir schon mehrmals mit dem Tode gedroht – und zwar ernsthaft – nur weil ich mit dem Marimo im Klinsch lag. Andere Menschen haben für ihn nicht besonders viel Wert, ein bisschen wie bei den Weltaristokraten. Er hasst es zwar, wenn man darauf hinweist, dass er ein Pirat ist, aber glaub mir, grausam genug ist er.“ Der Bengel verarbeitete Sanjis Worte – von denen er wusste, dass er sie bald bereuen würde, sollte der andere sich zurückverwandeln und weiterhin an alles erinnern – doch dann zuckte er zurück, als wäre er über seine Gedankengänge gestolpert und sah Sanji stutzig an. „Aber wenn ihm doch andere Menschen so egal sind, was kümmert es ihn dann, wenn du und Zorro streitet?“ „Ach.“ Verlegen rieb Sanji sich den Nacken, das hatte er sich selbst eingebrockt. „Naja, sie sind nicht nur Rivalen, musst du wissen.“ „Ja, das hat Zorro gesagt, sie sind Kampf- und Trainingspartner.“ Etwas nervös lachte Sanji auf. „Naja, sie sind auch abseits davon Partner“, murmelte er und hatte das ganz sichere Gefühl, dass er nicht derjenige sein sollte, der dieses Gespräch mit ihrem Küken führen sollte. „Was? Sorry, aber Zorro wirkt nicht gerade so helle, als dass er einen guten Geschäftspartner abgeben würde.“ „Nicht in diesem Sinne“, bemerkte Sanji verhalten und beobachtete, wie der Junge über seine Worte nachdachte und sie nach einigen Sekunden dann auch verstand, sein Gesicht vor Überforderung verzehrt. „Aber… aber… ich dachte, der Typ ist steinalt?“, sah er nun Sanji zweifelnd an. „Und er… er war doch Zorros… Lehrmeister und… sie sind… Männer! Nichts davon gehört sich so! Es gibt feste Regeln, nach denen man…“ „Ja, frag mich nicht, was da zwischen den beiden läuft. Ist schon arg schräg das Ganze.“ Sanji zuckte mit den Schultern und beugte sich dann über den Tresen zu dem Bengel hinüber. „Aber deine ach so schönen Regeln gelten hier auf hoher See nicht, kapiert? Ich hab’s dir nicht gesagt, damit du irgendwen hier verurteilen kannst. Der Marimo hat warum auch immer entschieden, dir beim Training helfen zu wollen, obwohl er gerade in einer echt beschissenen Situation steckt. Also benimm dich, hörst du. Denn der Marimo ist unser Crewmitglied und wir passen aufeinander auf.“ Hochkonzentriert glitten die Falkenaugen auf ihn und jegliche Scham über das vergangene Gespräch war aus diesem kindlichen Gesicht geglitten. „Vor ein paar Tagen warnte Zorro mich vor den klügeren Mitgliedern dieser Crew. Ich hätte nicht gedacht, dass er damit auch dich meint.“ „Hat er auch nicht“, bemerkte Sanji kühl und wandte sich wieder seiner Aufgabe zu. „Glaub mir, ich gehör nicht zu denen, vor denen du dich in Acht nehmen musst. Schließlich sage ich dir ganz offen, womit du es zu tun hast. Es gibt andere an Bord, die da weitaus gefährlicher sind als ich. Wenn du raus gehst, sag den anderen Bescheid, dass das Mittagessen so in einer Stunde fertig sein wird.“ Der andere schnaubte belustigt auf. „Was? Denkst du, dass niemand hier an Bord es mit dem ach so aufgeblasenen Mihawk Junior aufnehmen könnte?“ „Wer weiß“, entgegnete der Bengel. „Aber es ist schon lustig, Zorros Warnung vor ein paar Tagen war fast identisch mit deiner. Ihr seid beide echt Vollidioten.“ Sanji entgegnete nichts, während der andere ging, er würde seine süße Rache haben, sollte der andere sich zurückverwandeln und an alles erinnern. Oh, er würde es genießen, den aufgeblasenen Falkenauge mit seinem eigenen Entsetzen über seine Partnerschaft aufzuziehen, dafür war er sogar bereit, sich in Lebensgefahr zu begeben.   -Zorro- Es war spät. Die Sonne war schon untergegangen und bis auf das schwache Licht von der Bibliothek am Heck und der Laterne am Hauptmast war es dunkel. Er hatte gerade dem Koch noch zugenickt, der mit seinen Aufräumarbeiten fertig war und sich nun auch in seine Koje begeben würde. Zorro vermutete, dass Jinbei in der Bibliothek war, da Robin früh hatte schlafen gehen wollen, aber er wusste es nicht wirklich. Er selbst würde nicht schlafen gehen, aber er würde auch nicht trainieren, so wie sonst. Dafür war er zu unkonzentriert und es fehlte ihm schlicht die Muße. Er wollte, dass es vorbei war, aber das war es nicht, und das war beschissen. Er kam damit klar, dass Dulacre ein kleiner Bengel war, überraschend naiv und kindlich – er hatte immer gedacht, dieser Mistkerl wäre alt auf die Welt gekommen – schon recht stark, aber noch lange kein Gegner. Er kam damit klar, dass Dulacre sich nicht an ihn und das Vergangene erinnerte, er hatte seine Worte ernst gemeint, es war nicht gerade toll, aber es gab schlimmeres, er kam damit klar. Aber womit er nicht klarkam, war diese Netz aus Halbwahrheiten und Lügen, welches sie gesponnen hatten. Egal, ob es irgendwann zusammenfallen würde oder nicht, ob Dulacre sich zurückverwandeln und erinnern würde oder nicht, Zorro mochte es nicht, mochte es wirklich nicht. Er mochte es nicht, Dulacre anzulügen, selbst zu dessen eigenen Schutz. Also lehnte er hier an der Reling, in seinem Rücken das Sargboot und lauschte Yoru in den Tiefen des hölzernen Bauches. Seine eigenen Schwerter waren die vergangenen Tage verdächtig ruhig gewesen, selbst Josei – welches Zorro zur Sicherheit ebenfalls in den Bauch des Sargbootes gebracht hatte – aber gerade wäre es Zorro lieber, sie würden alle zetern und versuchen, Yoru zu überstimmen, aber so blieb er in dieser seltenen Ruhe auf diesem Schiff und beobachtete die Dunkelheit aus Meer und Nacht, nur Zorro, nur der Wind, die Wellen und Yoru. Fast. „Kein Wunder, dass du am Tag immer so viel pennst. Bist du ein Vampir oder warum bleibst du nachts immer auf?“ Zorro schenkte dem anderen ein Grinsen und konnte sehen, wie es den Bengel etwas einschüchterte. „Sollten Kinder um diese Uhrzeit nicht längst pennen?“ Dulacre begutachtete ihn herablassend, ohne etwas zu entgegnen, zeigte deutlich seine Arroganz, fast deutlicher als die vergangenen Tage. Ob er immer noch sauer war, dass Zorro heute nicht gegen ihn gekämpft hatte? Ja, war er, natürlich. „Wirst du morgen endlich nochmal gegen mich kämpfen?“, kam damit auch der Grund seiner Anwesenheit, während der Bengel an Zorro vorbeischritt und sich an der Treppe zum Bug niederließ. „Keine Ahnung“, entgegnete Zorro und begutachtete das Sargboot. „Wahrscheinlich nicht.“ Wütend schnaubte Dulacre auf. „Warum?! Ich habe alles gemacht, was du wolltest und…“ „Ich mache das nicht, um dich zu ärgern“, seufzte Zorro auf, gar nicht in der Stimmung für diese Diskussion, die er doch schon so oft geführt hatte, aber nie von dieser Seite aus. „Glaub mir, ich verstehe dich, ich kämpfe auch lieber und lerne dabei deutlich schneller; Theorie liegt mir nicht. Aber die Qualität deiner Bewegungen, sowohl offensiv als auch defensiv, hängt sehr stark von deiner Laune ab und das musst du abstellen, sonst wird jeder Feind leichtes Spiel mit dir haben. Und wenn du das schon bei Trockenübungen nicht hinbekommst, wirst du im Kampf gegen Gegner wie mich erst recht nicht bestehen.“ „Tze“, schnalzte der andere so vertraut auf. „Nervig, wenn ich Recht habe, nicht wahr?“, erinnerte Zorro sich an seine Ausbildung. „Eher schockierend, wenn du mal nicht ganz wie ein Dummkopf klingst“, entgegnete Dulacre mit seiner gewohnten Arroganz. „Und trotzdem willst du gegen diesen Dummkopf kämpfen“, meinte Zorro nur, nicht im Mindesten beleidigt. Mit einem wortlosen Laut stimmte der andere ihm zu und dann schwiegen sie. Er wusste nicht, was der andere noch von ihm wollte, der Bengel hatte seine Antwort bekommen, aber es war Zorro egal. Er hatte kein Interesse daran, ihn zu maßregeln, sollte er nicht ins Bett gehen wollen. Gleichzeitig fühlte Zorro sich auch nicht verpflichtet, mit ihm ein Gespräch zu führen. Er war nicht in der Stimmung dazu und genoss die Stille. Irgendwann wurde die Welt noch etwas dunkler, als in der Bibliothek das Licht ausging, was etwas ungewöhnlich war, weil Jinbei doch schon mal gerne bis zum Morgengrauen aufblieb, aber es war angenehm, nur die Lampe des Hauptmastes und die Dunkelheit der Nacht. „Sag mal, kann ich dich was fragen?“, zerbrach Dulacre die Stille und Zorro rollte innerlich sein Auge, war mittlerweile so sehr an diese Frage des anderen gewöhnt, dass er sich wunderte, was dieser Besserwisser denn bitte noch von ihm wissen können wollte. Gefühlt hatte er ihm alles erzählt, was Zorro überhaupt wusste. „Dieser alte Schwertkämpfer, der dich ausgebildet hat und sich nicht mehr an dich erinnern kann.“ „Was ist mit ihm?“ „Ich bin das, oder?“ Er sah den anderen an, der so ruhig zurücksah. „Ich bin der Samurai, gegen den du gekämpft hast und der sich nicht mehr an dich erinnern kann, oder?“ Zorro öffnete und schloss den Mund, schluckte, begegnete diesem klaren Blick. „Wie kommst du darauf? Du bist ein Kind.“ „Aber ich bin nicht dumm und ich mag es absolut nicht, wenn Erwachsene versuchen, mich anzulügen. Also sag mir die Wahrheit. Dieses Boot da, das ist meins, oder? Mit diesem Boot bin ich angekommen und deshalb haltet ihr daran fest. Und das Schwert da drinnen, welches die ganze Zeit schon nach mir ruft, ist auch meins, oder? Ich bin dieser beeindruckende Schwertkämpfer, der extra hierherkommt, nur um gegen dich zu kämpfen – schließlich bin ich bereits jetzt viel klüger und ein viel besserer Stratege als du - aber irgendetwas ist passiert und der Grund, warum Doktor Chopper mir Klamotten leiht, liegt daran, dass meine mir nicht mehr passen, oder? Weil ich jetzt ein Kind bin und mich an mein Erwachsenenleben nicht erinnern kann. Und der einzige Grund, warum du so nett zu mir bist, ist…“ „Nein“, unterbrach Zorro ihn und schüttelte leicht den Kopf, reckte ablehnend das Kinn, „bilde dir ja nichts ein. Ich bin zu dir nicht netter oder weniger nett als zu jedem anderen.“ Seufzend schloss er sein Auge und merkte, wie diese Enge in seiner Brust der letzten Tage sich langsam löste. „Aber du hast Recht.“ Er sah den anderen an, dessen Augen mit jedem Wort größer worden. „Die Wahrheit ist, du bist nicht Mini-Mihawk, nicht Mihawk Junior oder was auch immer. Die anderen nennen dich Falkenauge, ich… nenne dich Dulacre.“ Tief atmete Dulacre ein. „Das heißt… ich bin… ich bin der alte Schwertkämpfer?“, fragte er nach, obwohl er es doch eben noch so selbstsicher gesagt hatte. Zorro nickte. „Was ein Glück.“ Erleichtert atmete Dulacre auf, schloss die Augen und lehnte sich nach vorne. Zorro beobachtete ihn, etwas verwundert von dieser eher positiven Reaktion. „Irgendwie hatte ich mit etwas anderem gerechnet. Dachte du würdest total austicken.“ Das brachte den anderen zum Aufsehen. „Du wusstest, dass ich es herausfinden würde?“ Zorro seufzte, konnte aber ein Lächeln nicht verhindern. „Zumindest überrascht es mich nicht. Schließlich weiß ich, was für ein Besserwisser du bist. Allerdings kapier ich nicht, warum du dich so darüber freust.“ „Ist doch ganz klar“, meinte der andere und starrte seine Hände an. „Mein ganzes Leben konnte ich… alles, was ich will, ist, erwachsen werden und endlich mein eigenes Leben leben, meine eigenen Entscheidungen treffen, und jetzt sagst du mir, dass ich genau das getan habe? Das Boot sieht fast genauso aus, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Ich bin Schwertkämpfer, ich bin stark, ich habe mein eigenes Schwert und ich…!“ Er sprach nicht weiter und Zorro sagte nichts. „Du sagtest, der alte Schwertkämpfer wäre der ehemalige beste Schwertkämpfer der Welt, gleichzeitig hätte er nie gegen meine Schwester gewonnen." Zorro schwieg. „Das bedeutet, meine Schwester muss gestorben sein, bevor ich stark genug wurde, sie zu besiegen." Es war keine Frage. „Ja, ich glaube, du warst 12 oder so, als sie starb." Er wusste nicht, was jetzt passieren würde. Wusste nur, dass Dulacre aufgrund jenes Ereignisses damals seine Kontrolle verloren hatte. „Ist sie im Kampf gefallen?", kam die monotone Frage. „Ja." „Was ist mit dem Sieger?" „Mittlerweile vernichtend geschlagen." „War ich es? Habe ich Rache genommen?" „Nein, schließlich hattest du…" „... ihr versprochen, niemals Rache zu üben, sollte jemand sie töten", flüsterte der andere. Zorro schwieg und lange war es still. „Irgendwie… hab ich mir das Erwachsenenleben anders vorgestellt“, sprach Dulacre nun weiter, viel zu ruhig nach der Euphorie vor wenigen Minuten. Aber Zorro blieb misstrauisch, hatte er doch mit einem Nervenzusammenbruch oder irgendetwas in die Richtung gerechnet. „Es scheint eher ein Albtraum zu sein als die Erfüllung all meiner Träume.“ Er erhob sich und atmete tief ein, schüttelte den Kopf. „Meine Schwester soll tot sein, bevor sie erwachsen wurde, und das soll ich glauben? Anstatt eines Admirals soll ich ein verfolgter Pirat sein? Marinejäger soll man mich nennen? Und dann soll ich auch noch von einem Dummkopf besiegt worden sein, den ich mir selbst ausgebildet habe? Das ist doch alles ein schlechter Scherz“, motzte er nun los, wie es Zorro nur zu vertraut war. „Und als wäre das alles noch nicht schlimm genug, soll ich das bisschen Würde, was mir geblieben ist, über Bord geworfen und mich meinem Schüler hingegeben haben? Einem Piraten? Einem Mann? Einem Volltrottel? Ich weiß gar nicht, was davon das Schlimmste ist – doch, du bist wirklich nicht klug, weißt du das? – und wenn das Ganze nicht so abstrus lächerlich wäre, so absolut abwegig, wäre ich überzeugt, dass all das nur eine dumme Lüge ist, mit der ihr euch über mich lustig macht.“ Zorro verschränkte die Arme und schüttelte langsam den Kopf. Das klang doch schon viel eher nach Dulacre. „Aber ich würde wissen, wenn du lügst - anders als Sanji bist du furchtbar schlecht darin – und er ist ein viel besserer Lügner und würde sich nicht so etwas absolut Unglaubwürdiges ausdenken, also muss es die Wahrheit sein, oder?“ Laut atmete er aus, als hätte er das alles in einem Atemzug hinuntergespult, schnell genug gesprochen hatte er dafür. „Aber warum? Was soll das ganze? Vielleicht habe ich mich ja aus einem Grund zurück in ein Kind verwandelt, eine zweite Chance, um nicht so zu enden, wie diese erbärmliche Version von mir. Ja genau, das wird es sein. Das heißt, ich...“ „Bist du irgendwann mal fertig?“ Zorro sah den anderen an. „Du bist ein ziemlich arrogantes Arschloch, weißt du das?“ Der andere schnaubte auf. „Willst du mir etwa sagen, dass ich dieser bedauernswerten Zukunft fröhlich entgegensehen soll? Darüber glücklich sein soll? Nichts, von dem, was ihr über diesen alten Schwertkämpfer - über mich – erzählt habt, klang in irgendeiner Form erbaulich. Dieser traurige Abklatsch eines Lebens wäre eine Beleidung für einen jeden Mihawk.“ „Ich will dir sagen, dass du ein arrogantes Arschloch bist“, murrte Zorro unbeeindruckt. „Weißt du, es stimmt schon, dass du ein paar harte Zeiten hinter dir hast, und du bist nun mal ein Mistkerl und triffst manchmal echt dumme Entscheidungen. Aber…“ Er zeigte ein leises Grinsen über das frustrierte Gesicht des anderen. „Ich glaube schon, dass du derzeit ganz glücklich bist.“ „Etwa wegen dir?“, schnaubte der andere sarkastisch. „Wer von uns beiden ist jetzt arrogant, Pirat?" „Immer noch du", ließ Zorro sich nicht wirklich beeindrucken. „Ganz ehrlich, ich hab jetzt gar keinen Bock, deinen eigenen Lebenslauf vor dir zu rechtfertigen. Glaub mir oder glaub mir nicht, ändert ja eh nichts an der derzeitigen Situation." „Das stimmt", murmelte der andere trotzig. „Wie lange hält dieser Fluch an? Wann bin ich wieder mein erwachsenes erbärmliches Ich?“ „Ich weiß es nicht. Siehst du den Marterpfahl da drüben? Der hat es ausgelöst. Eigentlich dachte ich, dass es heute Abend vorbei wäre, aber du bist immer noch ein Kind. Daher keine Ahnung.“ „Und deshalb habt ihr diese bescheuerte Schmierenkomödie abgezogen?" Zorro nickte. „Weil ihr mich für so schwach haltet." "Nein", entgegnete er schlicht, „aber es ist nie einfach, von dem Tod eines geliebten Menschen zu erfahren, ganz gleich wie stark man ist." Da konnte er es das erste Mal sehen. Die goldenen Augen schimmerten im Licht der Lampe. Doch hart atmete Dulacre ein und unterbrach, was auch immer sich da angebahnt hatte. „Das bedeutet also, dass ich mich nicht zurückverwandle?" „Kann sein", zuckte Zorro mit den Schultern. „Vielleicht hat Robin sich geirrt und die Totenköpfe waren ein Zeitlimit, innerhalb dessen wir den Fluch hätten brechen müssen." „Und was dann?" Zorro seufzte und wandte sich dem Meer zu. „Dann liegt die Entscheidung bei dir, wie du deine zweite Chance leben möchtest. Nach Sasaki können wir dich nicht mal eben zurückbringen. Aber ich denke, wir könnten Jiroushin kontaktieren - er arbeitet bei der Marine - und vermutlich würden wir ein Treffen hinbekommen." Er warf einen Seitenblick auf den anderen. „Du könntest der Marine beitreten und Admiral werden, Ehre dem Namen Mihawk bringen." „Unsinn, wenn man meinen Namen kennt, kennt man meine Geschichte, selbst wenn ich mich nicht mehr daran erinnere, und ansonsten würde es schwierig, mir mein rechtmäßiges Erbe einzuverleiben." „Ach, da finden wir schon Mittel und Wege", bemerkte Zorro halbherzig. „Vielleicht hilft uns sogar dein Vater. Kann mir vorstellen, dass auch er sich über eine zweite Chance freuen würde." Für einen Moment schwieg der andere. „Warum schlägst du mir das vor?", fragte er dann äußerst misstrauisch. „Von allem, was ich weiß, bin ich dein… Partner und der Mensch, gegen den du mehr als alles andere kämpfen möchtest. Warum also solltest du zulassen, dass ich Soldat werde?“ Zorro hob eine Augenbraue an. „Weil es nicht meine Entscheidung ist? Du bist weder mein Partner noch der Schwertmeister, gegen den ich kämpfen will. Du bist das Kind, welches er einst war, und wenn du Recht hast, dass dies deine zweite Chance sein sollte, dann verdienst du, sie so zu nutzen, wie du es für richtig hältst.“ Dulacre starrte ihn mit großen Augen an. „Das klingt ziemlich selbstlos von dir“, murmelte er, woraufhin Zorro nur mit den Schultern zuckte. „Ist das wirklich in Ordnung für dich?“ „Es ist was es ist, und ich kann es nicht ändern. Aber weder meine Erinnerungen noch meine Gefühle sind von deinen abhängig. Es ist schon in Ordnung und wenn du einen Weg einschlägst, der dich glücklich macht, tja…“ Er konnte ein Lächeln nicht verhindern. „…Dann macht mich das auch glücklich.“ Die Augen des anderen weiteten sich noch mehr. „Und wer weiß, vielleicht wirst du in einigen Jahren dann so stark sein, dass du mich besiegen kannst. Wäre doch ein richtiger Spaß.“ Mit verschränkten Armen sah er aufs Meer hinaus. „Also, Mini-Mihawk, was möchtest du mit deiner zweiten Chance machen? Wo sollen wir dich hinbringen?“ Die Nacht war ruhig. Der Himmel war wolkenverhangen. Wie die letzten Tage schon. Zorro wusste nicht, ob sie wirklich die einzigen an Bord waren, die nicht schliefen, aber zumindest störte sie niemand. Morgen würde er Rechenschaft ablegen müssen, warum er diese blöde Schmierenkomödie nicht durchgehalten hatte. Aber morgen würden sie sich auch alle eingestehen müssen, dass sie nun ein neues Problem hatten, welches vielleicht aber auch gar keines war. Je nachdem, was Dulacre für eine Zukunft wollte. „Das wurde ich noch nie von einem Erwachsenen gefragt“, sagte der andere nach langen Atemzügen. „Ich wurde noch nie gefragt, was ich mit meinem Leben machen möchte. Mein Weg wurde mir mit meinem Namen in die Wiege gelegt.“ „Naja, es gibt für alles ein erstes Mal. Also?“ „Ich… ich weiß es nicht wirklich. Ich wollte immer… zur Marine, um… Nein, eigentlich wollte ich nur, dass mein Vater… Huh, wie seltsam, so habe ich das noch nie gesehen.“ Zorro hob nur eine Augenbraue an, während der andere für Minuten vor sich hin murmelte. „Ich habe eine Entscheidung getroffen.“ „Das ging schnell.“ „Sie ist ja auch ziemlich simpel.“ „Ach?“ Zorro sah zu Dulacre hinüber, der sachte nickte. „Natürlich. Alles, was ich wirklich will, ist kämpfen, mit dem Schwerte. Aber… du bist ein Dummkopf und hast absolut keine Erfahrung – und kein Talent – im Unterrichten. Und dennoch, ohne meine Schwester, nur mit meinem Vater, der zwar als bester Lehrmeister der Marine gilt, aber doch so… schwach ist.“ Es war ein seltsames Gefühl, als Mihawk Dulacre, Bengel aus elitärem Hause, sich vor ihm verneigte. „Ich hasse Piraten und ich will nie einer werden, aber du bist meine beste Chance, der Schwertkämpfer zu werden, der ich werden will. Daher, auch wenn ich nicht der Mann bin, den du kennst, der dich kennt, sei meine zweite Chance, unterrichte mich.“ Es war ruhig bis auf den Wind und die Wellen. „Bist du dir sicher? Wenn du mit Piraten wie uns unterwegs bist, wird man dich ebenfalls als Pirat abstempeln, ob du willst oder nicht. Und wir sind oft in Kämpfe verwickelt, es könnte also sein, dass du dem Tod schneller gegenüberstehst, als dir lieb ist.“ Zorro wandte sich dem anderen zu, der nun breit grinste, ein bisschen von dem Dulacre zeigte, den Zorro kannte. „Ich habe entschieden, dass ich der beste Schwertkämpfer werden will, komme, was wolle, ganz gleich der Preis. Ich will so gut werden, dass meine Schwester stolz auf mich sein kann, so gut, dass meine erbärmliche Version, die dich kannte, nicht mehr als eine blasse Erinnerung ist.“ Dann zeigte Dulacre ein fast schon kindliches Strahlen. „Wer weiß, vielleicht erreiche ich sogar Perfektion.“ Zorro musste schmunzeln, denn dieses eine Mal war es keine Arroganz, sondern wohl das, was Zorro einen Traum nennen würde. Dann sah er zum Himmel. Ein Tropfen war ihm auf die Wange gefallen. „Scheint, als hätte Nami wie immer Recht“, murmelte er, während es zu tröpfeln begann. „Wie sie vorhergesagt hat, beginnt endlich der Regen. Heißt morgen wird es wieder windiger.“ „Darüber freust du dich?“ Er begegnete dem Blick des Bengels, der sich selbst zu seinem Schüler ernannt hatte, ohne Zorro wirklich zu fragen. „Wind bedeutet Schnelligkeit und Abenteuer in der Luft, und was wäre das Piratenleben ohne Abenteuer?“ Er wandte sich um und winkte dem anderen zu, ihm zu folgen, aus dem Tröpfeln wurde langsam ein richtiger Regen. „Na komm, es ist mitten in der Nacht. Ab ins Bett mit dir, bevor du noch klatschnass wirst.“ Sobald er den anderen ins Bett gebracht hatte, sollte er etwas trainieren gehen. Das, was auch immer in seinen Muskeln war, rauslassen. „Was in Gottes Namen…?“ Zorro erstarrte. Zu seiner Linken vom Meer kam ein grünes Glimmen, als die Kerzen am Sargboot aufflammten. Innerhalb einer halben Sekunde begann sein Körper zu beben. So stand er da, hielt den Atem an und dann wandte er sich um. Vor ihm stand Dulacre, starrte ihn perplex an, Choppers Kleidung nicht gerissen, aber seltsam verzerrt, so wie wenn Chopper seine Gestalt änderte. „Was… was ist denn hier los, Lorenor?“ Seine Unterlippe zitterte, merkte kaum noch den Regen, als er auf den anderen zuging. Vor Dulacre blieb er stehen. „Was…?“ „Auf welcher Insel hast du mich zwei Jahre trainiert?“ „Was? Kuraigana. Lorenor, was soll dies…?“ Tief atmete er ein und Dulacre unterbrach sich, als Zorro noch einen Schritt nach vorne machte und dann seine Stirn gegen Dulacres Brust schlug. „Lorenor? Was…?“ „Ich werde dir gleich alles erklären“, murmelte er, ohne sich zu bewegen, „aber… gib mir einfach einen Moment. Die letzten Tage waren anstrengend.“ „In… in Ordnung“, kam es verwirrt von Dulacre. „Allerdings hast du wirklich eine Menge zu erklären. Angefangen mit dieser Kleidung.“ „Mhm“, machte Zorro nur, rührte sich nicht, wollte nicht nachdenken über das Warum, das Wie, das würde er alles Robin überlassen, und wer auch immer sonst darüber grübeln wollte. Er wollte einfach nur hier stehen. „Dulacre?“ „Ja?.“ „Ich liebe dich.“ Dulacre lachte beinahe überrascht auf. „Was ist denn los, Lorenor? Hast du nicht selbst gesagt, dass diese Worte… ach so… oh… ich verstehe.“ Zorro reagierte nicht, und dann merkte er, wie Dulacre die Arme um ihn legte, ihn an sich drückte, seinen Hinterkopf hielt. Er blieb stehen, rührte sich nicht, während Dulacre ihn fest an sich drückte. „Es tut mir leid“, flüsterte Dulacre und hielt ihn fest. Kapitel 28: Extrakapitel 25 - Bettgeschichten --------------------------------------------- Bettgeschichten   -Mihawk- Er öffnete die Augen und ließ seinen Blick zur Seite gleiten. Lorenor neben ihm drückte mit gequältem Gesicht seinen Kopf ins Kissen, seine Lider flatterten, seine Hände krallten sich in die Decke. Er hatte offensichtlich einen Albtraum. Schon wieder ein Albtraum. „Lorenor“, murmelte Dulacre und streckte eine Hand nach ihm aus, „wach auf.“ Bevor er Lorenor überhaupt berührt hatte, wurde er ins Kopfkissen gepresst, zwei Hände drückten seine Kehle zu, während der andere auf ihm kniete und wilde Augen ihn anstarrten. Dann ließ Lorenor ihn los, zuckte zurück und rieb seine linke Hand über Auge und Schläfe. „Schlecht geträumt?“, fragte Dulacre in die Dunkelheit hinein und beobachtete, wie Lorenor sich weiterhin die Schläfe rieb, nun sein vernarbtes Lid wieder geschlossen. „Tut mir leid“, murmelte er. „Nicht doch, nicht doch. Es gehört vielleicht nicht zu meinen Vorlieben, aber wenn du dich im Bett etwas ausprobieren möchtest, nur zu.“ Nun schenkte Lorenor ihm einen offensichtlich überraschten Blick und trotz der warmen Wangen musste Dulacre darüber schmunzeln. „Hast du gerade einen Witz gemacht? Und dann noch über Sex?“ „Sei doch nicht so überrascht. Ich kann lustig sein.“ Dies entlockte ihnen beiden ein Grinsen und es schien, als würde der Jüngere sich endlich etwas entspannen. Dulacre legte eine Hand an Lorenors Hals und strich mit dem Daumen über seine Wange, während der andere immer noch auf ihm hockte. „Gestern Nacht hattest du auch Albträume. Was beschäftigt dich?“ Lorenor quälte sich äußerst selten im Schlaf, eher schlief er ruhig wie ein Stein oder schnarchte so laut, dass Dulacre nicht einschlafen konnte. „Nichts Wichtiges“, entgegnete er und ließ sich wieder neben Dulacre ins Bett fallen. „Nur schlecht geschlafen.“ Er neigte seinen Kopf in Dulacres Richtung, gähnte unverhohlen und schloss dann auch sein unversehrtes Auge, ehe er die Decke wieder mehr über sie zog. „Es ist mitten in der Nacht, lass uns schlafen.“ „Nein, so schläfst du mir nicht wieder ein“, entgegnete er sanft, woraufhin Lorenor sein Auge wieder halb öffnete. „Wenn du nicht willst, dass ich nach eben…“ „Lorenor, glaub mir, ich bin schon zu deutlich schlimmeren Anblicken wach geworden als dir auf mir, deine Hände an meinen Hals, deutlich schlimmeres. Es hatte fast schon etwas Erotisches.“ Erwartungsgemäß rollte der andere darüber sein Auge. „Aber mir gefällt es gar nicht, dich so unruhig zu sehen mit dem Wissen, dass ihr morgen weiterreisen werdet.“ Erneut gähnte Lorenor unverhohlen, ehe er schließlich die Arme unterm Hinterkopf verschränkte und sich Dulacre zuwandte, die kleine Goldkette und die drei Ohrringe glitzerten im fahlen Mondlicht, welches durch das Bullauge am Kopfende fiel. „Es ist nichts, worüber du dir groß Gedanken machen müsstest“, murmelte er mit noch einem Gähnen. „Ich schlafe halt manchmal nachts schlecht. Ist doch nichts dabei, kann doch tagsüber noch genug pennen.“ Das erklärte zumindest etwas, schließlich schlief Lorenor nachts selten bis gar nicht, zumindest nicht an Bord seiner Crew, wo er meist erst in den frühen Morgenstunden zu Bett ging und den fehlenden Schlaf durch über den Tag verteilte Nickerchen nachholte. Dulacre legte sich auf die Seite, um Lorenor besser beobachten zu können, welcher nun wieder zur Decke hinauf sah. Doch aus dem Augenwinkel begegnete er immer wieder Dulacres Blick. „Es sind seine Erinnerungen“, sprach er nach einigen langen Sekunden schließlich leise und Dulacre wusste, von wem er sprach. „Manchmal vergesse ich, dass ich es wieder geträumt habe, manchmal nicht.“ „Und es sind schlimme Erinnerungen?“ „Es sind nicht meine, das ist schlimm genug“, entgegnete Lorenor mit einem sachten Schulterzucken. „Ich bin nicht unbedingt ein Fan davon, immer wieder seine Erinnerungen zu sehen, aber es ist eher wie ein nerviges Buch, welches ich nicht zuschlagen kann; es interessiert mich nicht besonders, aber es ist nichts Dramatisches, eher langweilig oder pathetisch.“ „Und heute?“ Nun sah Lorenor ihn einfach nur an, sagte nichts und das war auch nicht notwendig. Nachdenklich begutachtete Dulacre ihn, während Lorenor sich ebenfalls auf die Seite rollte, um ihn besser ansehen zu können. „Vielleicht will er dir sagen, dass es an der Zeit ist, sich deiner Vergangenheit zu stellen. Hast du mit deiner Crew über diese Erinnerungen gesprochen?“ Lorenor schüttelte den Kopf. „Nein, darum geht es…“ „Lorenor, du kannst nicht einfach ignorieren, was du…“ „Hör mir doch zu.“ Für einen Moment schwiegen sie beide, selbst im sanften Flüsterton der Nacht konnten sie einander ganz herrlich unterbrechen. „Das hier hat nichts mit Ornos zu tun, also müssen wir uns darum auch noch keine Gedanken machen.“ Das sah Dulacre eindeutig nicht so, allerdings war er gewillt, Ornos für einen Moment zu vernachlässigen, denn mit irgendetwas mussten diese Träume ja zu tun haben und wenn er dies näher ergründen wollte, war es am sinnvollsten, Lorenor nicht unnötig zu reizen, insbesondere, wenn er unausgeschlafen war. „Gut, meinetwegen, aber was ist mit deiner Crew? Was ist mit diesen Erinnerungen? Du kannst sie doch nicht einfach ignorieren.“ „Das mache ich auch nicht“, murmelte Lorenor abwehrend. „Keine Sorge, ich ignoriere sie nicht.“ „Dennoch wäre es vielleicht sinnvoll, zumindest deine Crew einzuweihen“, hakte er zweifelnd nach. „Nein, wäre es nicht“, widersprach Lorenor mit einer gelassenen Entschiedenheit, die Dulacre nur noch wachsamer werden ließ. „Du machst dir einen viel zu großen Kopf um diesen Kram. Ich weiß schon, was ich tue, und den anderen von diesen Träumen zu erzählen, würde niemandem was bringen.“ „Glaubst du nicht, dass die Vergangenheit euch irgendwann einholen wird?“ Leise stöhnte Lorenor auf, offensichtlich entnervt, dass Dulacre das Thema nicht einfach auf sich beruhen lassen wollte. „Ganz ehrlich? Nein. Irgendwann – wenn es an der Zeit ist - werden wir uns um Ornos und den ganzen Mist kümmern, wenn es sein muss. Aber ganz bestimmt nicht heute Nacht und auch nicht morgen, also hör auf, dir so viele Gedanken über ungelegte Eier zu machen und lass uns endlich pennen.“ Diese Antwort stellte Dulacre alles andere als zufrieden. „Lorenor, wie du weißt, mache ich mir um alles, was auch nur von Relevanz sein könnte, Gedanken. Und dass du von den Erinnerungen eines Fremden Nacht für Nacht gequält wirst, besorgt mich durchaus.“ Der andere wollte wohl etwas entgegnen, aber Dulacre sprach weiter: „Außerdem bist du jemand, der Probleme gerne ignoriert, bis du ihnen nicht mehr aus dem Weg gehen kannst. Daher ist meine Sorge vermutlich sogar berechtigt. Du sagst, es bestehe kein Handlungsbedarf und dass es unnötig wäre, deine Crewmitglieder einzuweihen. Aber damals dachtest du auch, du könntest Eizen ignorieren und du hattest lange Zeit beabsichtigt, deine Crew außen vor zulassen, selbst wenn es dein Leben kosten würde. Also bitte verstehe meine Beweggründe.“ Lange sah Lorenor ihn an, schien ernsthaft über seine Worte nachzudenken, dann seufzte er erneut. „Du bist echt nervig“, grummelte er leise, zeigte jedoch zum ersten Mal sein kleines Grinsen. „Ich bin doch nicht mehr der Vollidiot von damals. Wenn ich ein Problem habe, werde ich es ansprechen, keine Sorge, ich werde mit dir, Ruffy oder den anderen darüber sprechen, versprochen.“ Er klang so ehrlich, meinte er diese Worte wirklich ernst? Würde er wirklich so handeln? Dulacre entschied, seine Zweifel zu Lorenors Gunsten auszulegen und es für diese Nacht gut sein zu lassen, ihm einen Vertrauensvorschuss zu geben. „Nun gut, meinetwegen, ich gebe mich geschlagen. Wenn du sagst, dass ich mir keine Sorgen machen brauche und du dir Hilfe suchst, sobald du einem Problem gegenüber stehst, dann glaube ich dir. Ich vertraue deinem Urteil, Lorenor.“ Er erlaubte sich durch Lorenors Haar zu fahren und ihm über die Wange zu streichen, was dieser ausnahmsweise geschehen ließ. „Also gut, mein kleiner Wildfang, lass uns etwas schlafen.“ Er zog seine Hand zurück und schloss seine Augen, spürte wie Lorenor sich bewegte und dann war es ruhig, so angenehm ruhig, nur ihrer beider Atem, das angenehme Flüstern der Schwerter und das Gewisper der Wellen. „Sag mal?“ „Hmm?“ „Was weißt du eigentlich über die Vergangenheit?“ Er öffnete die Augen. Lorenor hatte die Arme wieder hinterm Kopf verschränkt und sah zur Decke hinauf, auf der sich das im Meer spiegelnde Mondlicht brach, offensichtlich noch nicht bereit einzuschlafen, was doch ungewöhnlich für ihn war. Was auch immer er geträumt hatte, in dieser Nacht war er ganz ungewöhnlich kopflastig. Ob es doch ein Zeichen für Sorge war? Augenblicklich bröckelte sein Vertrauensvorschuss. „Mehr als es mich eigentlich interessiert - denn das vergessene Jahrhundert fand ich von jeher eher langweilig – und dennoch wohl weniger als ich sollte, insbesondere in Anbetracht dessen, wer du bist.“ Nun fiel Lorenors Blick auf ihn, ohne dass der andere seine Haltung veränderte. „Wer ich bin?“, wiederholte er. „Oder wer wir sind?“ Einen langen Moment dachte Dulacre über diese Worte nach, nicht, weil er sie nicht verstand, sondern weil er wusste, dass es nun von seiner Wortwahl abhängen würde, ob Lorenor ihm zumindest ein kleines bisschen mehr verraten würde. „Dann bist du also doch mein Schicksal.“ „Ich glaube nicht an das Schicksal.“ „Und dennoch hast du mich in seinen Erinnerungen gesehen“, schlussfolgerte er aus den Worten des anderen. „Ich habe nur jemanden mit Falkenaugen gesehen, nicht dich. Ich habe gesehen, wie jemand mit Augen wie deinen den Wächter umgebracht hat, auf dessen Wunsch hin.“ „Ist das also, wie unsere gemeinsame Zeit enden wird? Du wirst mich irgendwann darum bitten, dich zu töten?“ Nun rollte Lorenor sein Auge. „Warum denkst du das?“, murrte er ablehnend. „Warum denkst du, wir müssten wiederholen, was sie getan haben?“ „Warum sonst strebte die Familie Mihawk danach, den perfekten Schwertkämpfer zu erzeugen? Warum sonst hätte mein Vater Nataku auf dich ansetzten sollen? Warum sonst hätte er mich davor warnen sollen, mich mit einem Lorenor einzulassen? Es ist uns vorherbestimmt, eines Tages werden wir…“ „East Blue.“ „Wie bitte?“ Lorenor sah wieder zum Himmel aus Holz hinauf. „Du hast mich verschont – etwas, was laut allen, die dich irgendwie kennen, echt untypisch für dich war – obwohl ich dich nicht mal drum gebeten habe, ja, für diesen Kampf sogar mein Leben dargeboten hatte. Die Handlungen der Vergangenheit binden nicht unsere Entscheidungen in der Gegenwart, hast du mir das nicht mal gesagt?“ Oh, diesen argumentativen Lorenor war er nicht wirklich gewöhnt, zumindest nicht, wenn er Dulacres eigene Worte gegen ihn einsetzen wollte. „Das war in einem komplett anderen Zusammenhang, mein lieber Sozius, und ich…“ „Dulacre.“ Der andere drehte sich zu ihm herum. „Töte mich!“ … Er vergaß für einen Moment zu atmen. Es war kein blöder Scherz, kein dreistes Spiel. Lorenor klang kühl und sachlich, es war keine Bitte, es war ein Befehl. Er befahl Dulacre gerade, ihn zu töten. Hier, in ihrem Bett. „Wa… Was soll das?!“ „Wenn ich es dir befehle, wenn ich dich drum bitte, wenn ich dich anflehe, wirst du mich dann töten?“ Er klang immer noch so sachlich, so absolut unerschrocken. „Wenn mein Monster mich überwältigen sollte, ich alles gefährden würde, was mir wichtig ist, wirst du mich aufhalten, wissend, dass ich lieber sterben würde, als nur einen von ihnen zu töten? Dulacre, sollte es je so sein, kann ich mich darauf verlassen, dass du mich tötest, wenn es sein muss? Dass du deine eigenen Emotionen hinter meinen zurückstellst? Auch wenn du dich dafür hassen solltest? Dass du mich aufhältst, selbst wenn es dich zerstört? Kannst du mich töten?“ Solche Situationen waren selten, denn Dulacre verschlag es die Sprache, während Lorenor keine Schwierigkeiten zu haben schien, die Worte zu finden. „Du kannst es nicht“, gab Lorenor ihm die Antwort. „Du konntest es nie. Schon damals im East Blue nicht, aber auch nicht, als du betrunken über mir hocktest und ich es dir anbot. Du konntest es nicht auf Mary Joa, als ich deine Blutgier weckte und du konntest es nicht mal, als wir richtig miteinander gekämpft haben und ich dich an deine Grenzen brachte. Du hast Angst davor, dass die Taten irgendwelcher Toten vor Jahrhunderten deine Entscheidungen in der Gegenwart bestimmen, dabei hattest du so oft die Gelegenheit und hast es nicht ein einziges Mal getan.“ Immer noch fand Dulacre die Worte nicht. Er hatte es noch nie leiden können, wenn jemand ihn analysierte, aber deutlich mehr missfiel ihm, wenn andere meinten, Dinge über ihn erkennen zu müssen, denen er sich selbst nicht bewusst war. Sein Sozius stellte diesbezüglich keine Ausnahme dar. „Deine Argumentation ist lückenhaft. Dir ist schon bewusst, dass ich dich umgebracht hätte, wenn Jiroushin nicht dagewesen wäre?“ Lorenor zuckte mit den Schultern. „Vielleicht oder vielleicht auch nicht. Über was wäre, wenn zu philosophieren ist doch unsinnig. Jiroushin hat dich aufgehalten und du hast mich nicht getötet, das sind die Fakten; Fakten, die dein dummes Schicksal widerlegen.“ „Glaubst du wirklich, ich hätte meine eigenen Fähigkeiten so schlecht eingeschätzt, dass ich…?“ „Ich glaube, es ist einfacher für dich, Angst vorm Kontrollverlust zu haben und jemanden ungewollt zu töten, als die Vorstellung, jemanden nicht töten zu können, selbst wenn du es willst, selbst wenn du dafür sogar die Kontrolle aufgeben würdest." Lorenor grinste nicht, sprach absolut ruhig und ernst, versuchte nicht Dulacre zu triezen oder aufzuziehen. Dennoch merkte Dulacre eine unterschwellige Wut, die er so eigentlich nur sehr selten spürte, wenn er mit Lorenor sprach. „Du bist ziemlich dreist. Du bist der Mann, der kaum seine eigenen Gedanken und Gefühle in Worte fassen kann, und nun willst du mir…“ „Ich will nicht streiten“, unterbrach er Dulacre direkt, ohne überhaupt hart zu werden. „Aber wenn du mir nicht zustimmst, dann beantworte mir doch einfach meine Frage. Gibt es auch nur eine einzige Situation, so unwahrscheinlich und unrealistisch sie auch sein mag, in der du gewillt wärest, mir den Gnadenstoß zu geben?“ Es war ruhig zwischen ihnen, während er Lorenor ansah, der so ruhig zurück sah. Bilder und Worte der vergangenen Jahre hallte in ihm wider, während er den Mann ansah, der mehr als sein Schüler, mehr als sein Nachfolger, mehr als sein Rivale geworden war. Auch wenn er nie gedacht hatte, solch kitschige Gedanken je denken zu müssen – und gewiss würde er sie nicht aussprechen – so gab Lorenor doch erst seinem Leben Sinn. Es mochte sein, dass Dulacre schon beinahe krankhaft besitzergreifend war und dennoch war er für Lorenor immer wieder bereit gewesen, selbstlos zu werden, uneigennützig, sogar gütig. Für Lorenor hatte Dulacre seine Menschlichkeit wiedergefunden, seinen Egoismus abgelegt. „Nein“, antwortete er ruhig. „Egal was passiert, und wenn es mich zerreißt, und wenn es dich zerreißt, und wenn es alles zerreißt, das dir lieb und teuer ist. Selbst, wenn es vergebens oder dir gnädiger wäre, selbst, wenn der Tod nur hinausgezögert und es dir nur Minuten voller Qualen bereiten würde, ich werde dich nicht töten, Lorenor; so selbstlos kann ich nicht werden. Ich bin der eine Mensch, für den du überleben würdest, und du bist der eine Mensch, den ich nicht töten würde. Aber nicht, weil ich es nicht könnte, sondern weil ich es nicht will. Ich bin viel zu egoistisch, als dass ich das tun würde.“ Nun glitt ein gefährliches Grinsen über Lorenors Züge. „Aber dir ist bewusst, dass du dann dein heiliges Schicksal hintergehen musst? Schließlich war es genau das, was in diesen Erinnerungen passiert ist.“ „Dann muss ich wohl mein eigenes Schicksal hintergehen.“ Er zog den anderen zu sich heran, hielt ihn nahe bei sich. „Aber sag mir, Lorenor, würdest du mich töten?“ „Ja“, antwortete er ohne Zögern. „Bevor du etwas wirst, was du nicht sein willst, bevor du etwas tust, was du nie tun wolltest, ich werde dich aufhalten, komme was wolle. Und weil ich dir versprochen habe, zu überleben, dich zu überleben, und weil du mich nicht töten wirst, werde ich dich töten, wenn es sein muss.“ Dulacre konnte ein Lächeln nicht verhindern. „Das ist wohl die schönste Liebeserklärung, die ich je erhalten habe“, flüsterte er, eine Hand immer noch an Lorenors Wange, der daraufhin aufschnaubte und ihm nun auch wieder ein Grinsen zeigte, überspielte seine Scham, wie so oft, wenn Dulacre ihre Gefühle in Worte fasste „Du meine Güte, was muss deine Messlatte niedrig sein“, feixte er leise, obwohl er im fahlen Mondlicht errötete. „Mach dich nur lustig, aber für mich ist die Gewissheit, ein erfülltes Leben zu haben und entweder an Altersschwäche oder deinem Schwert zu sterben tatsächlich sehr befreiend“, gestand er ehrlich ein. „Nach Sharak… ich könnte nicht in einer Welt leben, in der du gestorben bist, mein naiver, kleiner Wildfang. Vielleicht war diese Person aus der Vergangenheit stärker als ich, vielleicht bist du da so viel stärker als ich, aber ich…“ Er unterbrach sich, als Lorenor leicht den Kopf anhob. „Entschuldige, das war etwas sehr morbid und theatralisch, selbst für meine Verhältnisse, nicht wahr?“ Noch einen Moment sah Lorenor ihn einfach nur an, dann neigte er seinen Kopf zurück, mehr gegen Dulacres Hand, und schloss sein Auge. „Ich bin stark, Dulacre. Ich bin stark genug, dass du schwach sein kannst.“ Dann sah er Dulacre wieder drohend an. „Aber ich erwarte von dir eine Herausforderung. Mache es mir nicht zu leicht, dich zu überleben, verstanden? Ich will, dass es ist, wie wenn wir kämpfen, bis der Erste fällt, hätte jeder siegen können.“ Nun lachte Dulacre leise auf. „Wie du weißt, mag ich interessante Wettkämpfe, mein lieber Sozius. Also meinetwegen, lass uns eine Wette abschließen.“ Lorenors Auge wurde groß, aber dann wuchs sein Grinsen in Neugierde. „Was siegt, mein Schicksal oder deine Entscheidung, meine Bestimmung oder dein Glück? Solltest du dich irren, wirst du dein Versprechen brechen und ich werde dir das ewig vorhalten. Solltest du jedoch Recht behalten…“ Was auch immer er sagen wollte, unterbrach Lorenor, indem er ihm nahe kam und, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, seine Stirn gegen Dulacres drückte, eine Geste, die er nicht einordnen konnte, denn zärtlich war sie bestimmt nicht gemeint, vielleicht eher aufmüpfig, kampfeslustig. „Die Wette gilt“, flüsterte Lorenor mit einem spielerischen Unterton, „aber keine Sorge, ich gewinne immer.“ „Unterschätze mich nicht“, bemerkte Dulacre mit einem gespielten Augenrollen, „wie du weißt, hasse ich es zu verlieren.“ „Aber oh, wie sehr liebst du den Gewinner“, lachte Lorenor auf und ließ sich zurück auf sein Kissen fallen. „Mach dich nur über mich lustig.“ „Mache ich auch“, aber er klang nicht mehr so schalkhaft, während er fast schon nachdenklich zur Decke starrte, immer noch ein sanftes Lächeln auf den Lippen. „Eine Wette auf Leben und Tod also. Hätte damals nie gedacht, dass eine Beziehung so spannend sein würde.“ „Tze, du bist wirklich ein eigenartiger Mann, Lorenor. Glaub mir, dieses Gespräch ist vermutlich alles andere als die Norm.“ Nun sah Lorenor beinahe überrascht zu ihm hinüber. „Du vergisst, wer wir sind. Du bist schon ein bisschen wahnsinnig, mein Lieber, und ich war immer schon grausam gegenüber denjenigen, die mir wichtig sind. Ich denke nicht, dass du in den Schnulzen des Smutjes ein solches Gespräch finden würdest.“ „Mhm“, nickte Lorenor zustimmend, als hätte er dies tatsächlich in Betracht gezogen. Dann seufzte er laut auf. „Verdammt, obwohl ich echt müde bin, hab ich gerade richtig Lust zu kämpfen. Was sagst du? Lass uns bei Sonnenaufgang loslegen?“ „Ich begrüße deinen Enthusiasmus, aber das wird schwerlich möglich sein. Wir befinden uns auf offener See und in der Umgebung gibt es keine geeignete Insel.“ Erneut seufzte der andere auf und seine kindische Reaktion nach all diesen weisen und ernsten Themen entlockte Dulacre ein weiteres Schmunzeln. „Aber wir könnten etwas anderes sehr Intimes tun, um deine Gier zu befriedigen.“ Lorenor hob nur unbeeindruckt eine Augenbraue an. „Keine Lust“, murrte er eiskalt. „Du bist so grausam.“ „Nein, du bist grausam, ich bin ein bisschen wahnsinnig.“ Nun sah Lorenor aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber und sein Lächeln verblasste. Es waren Momente wie dieser, wenn Dulacre überhaupt nicht einschätzen konnte, was der andere dachte, und dennoch spannte sich seine Nackenmuskulatur ganz von alleine an. „Was ist denn, Lorenor? Du wirkst plötzlich so ernst.“ Einen deutlich zu langen Moment schwieg der Jüngere. „Du kannst dich also nicht erinnern?“, fragte er dann doch. „An die Erinnerungen eines anderen?“, hakte Dulacre nach und stützte sich auf seinen Unterarm ab, um sich etwas aufrichten zu können, und sah Lorenor an. „Nein, gewiss nicht.“ „Das ist gut.“ Er beobachtete, wie Lorenor sein Auge schloss, nun deutlich zufriedener als zuvor und diese unbekannte Anspannung schien sich zu lösen, allerdings nicht bei Dulacre. „Weshalb?“ „Mhmh“, schüttelte er nur den Kopf. „Lorenor“, murrte er, „du kannst nicht einfach diese Thematik wieder ansprechen und mir dann keine Antwort geben. Einmal mag ich mich geschlagen gegeben haben, aber ein zweites Mal werde ich es nicht auf sich beruhen lassen, und wie du weißt, kann ich sehr hartnäckig sein.“ Offensichtlich über sich selbst genervt, da er das Thema nochmal aufgegriffen hatte, stöhnte Lorenor mit einem leisen Knurren auf. Doch Dulacre hielt ihm im Blick, erlaubte Lorenor nicht, sich ihm erneut zu entziehen, und er konnte sehen, dass Lorenor seine Niederlage eingestand. „Diese Person in diesen Erinnerungen hat den Wächter getötet“, sprach er in die Stille. „sie wollte es nicht; ich konnte in den Augen sehen, wie sehr sie es nicht tun wollte. Hat gefleht, geweint, aber hat es getan und danach weitergelebt, bis zum eigenen Tod irgendwann weitergelebt.“ Lange war es ruhig zwischen ihnen. „Ich wünschte, ich könnte dir die Last dieser Erinnerungen nehmen, Lorenor. Manche sind es gewiss nicht wert, beachtet zu werden.“ „Soll ich dir die Wahrheit sagen?“ Lorenor bewegte sich nicht, immer noch lang er dort, die Augen geschlossen, während Dulacre ihn beobachtete. „Diese Erinnerung macht mir nichts, sie nervt – weil ich sie mittlerweile echt auswendig kann – aber ich bekomme keine Albträume von ihr.“ Dulacre entgegnete nichts, hörte einfach nur zu. „Aber manchmal… da ist es nicht diese Erinnerung. Es… es ist ein Traum, ich höre dich reden, diese Worte. Du stehst vor mir, wie dieser Wanderer damals vorm Wächter, und du siehst mich an, mit diesen Augen. Es ist dieser Blick, fast wie damals auf Mary Joa, nur…“ Er zögerte. „Und ich habe mir geschworen, dass ich diesen Traum nie Realität werden lasse. Ich werde nicht zulassen, dass du mich je so ansehen wirst, auch wenn das bedeutet, dass ich dich mit bloßen Händen erwürgen muss.“ Langsam ließ Dulacre sich zurück auf sein Kissen sinken und betrachtete die dunkle Holzdecke über ihnen. Er erinnerte sich an jenen Moment, als er zu Lorenor hinab gesehen hatte, seine Gier so viel stärker als seine Vernunft. Er erinnerte sich an diesen Schmerz, als seine Gier keinen anderen Weg gesehen hatte, als Lorenor zu töten, bevor Jiroushin ihn aufgehalten hatte. „Du hast diese Träume nicht, weil es Nacht ist“, schlussfolgerte er, „sondern, weil du nur, wenn ich da bin, nachts schläfst. Du hast diese Träume, wenn ich dir nahe bin.“ „Kann sein“, stimmte Lorenor ihm zu, ohne Vorwurf, ohne Scham. „Dann sollte ich besser heute als morgen abreisen“, stellte er nüchtern fest. „Vielleicht ist es ja ganz gut, dass ich so oder so heute Mittag abreisen wollte. Dann wirst du endlich wieder besser schlafen können.“ Für eine Weile war es still zwischen ihnen, als Dulacre bewusst wurde, dass Lorenor wieder einmal eine Last mit sich herumgetragen hatte, die sie hätten vermeiden können, wenn er es nur früher gesagt hätte. Gleichzeitig schmerzte es. Das Wissen, dass seine Anwesenheit seinem Wildfang solche Träume bescherte, schmerzte ihn. Das Wissen, dass die simple Lösung bedeutete, dass er den anderen noch seltener sehen würde, schmerzte ihn. „Bleib noch eine weitere Nacht.“ Diese Worte waren sanft, klar, ohne jegliche Bedenken. „Aber Lorenor…“ Er sah zum anderen hinüber, der erneut laut gähnte, völlig entspannt. „Ich bin mir sicher, dass ich morgen Abend gut schlafen kann, also begleite uns noch etwas.“ Zweifelnd sah Dulacre ihn an. „Bist du dir sicher?“ „Nein“, entgegnete Lorenor mit einem saloppen Schulterzucken. „Aber so oder so will ich, dass du noch eine Nacht bleibst. Du könntest mir morgen Abend nochmal zeigen, wie du Josei pflegst; hab das Gefühl, dass da etwas immer noch nicht ganz passt.“ Dann stützte er sich unter einem schwerfälligen Grunzen auf seinen Unterarm und ließ sich einfach auf Dulacres Brust plumpsen, in einem ungelenken Versuch der Zuneigung, den Dulacre über die Zeit liebgewonnen hatte. Einen Moment sah er Lorenor noch mit einem leisen Seufzen an, fragte sich, wie dieser einen weiteren Tag mit einer Aufgabe von wenigen Minuten rechtfertigen konnte, gedankenverloren glitten seine Finger beinahe automatisch durch Lorenors Haar, dies der einzige Ort und die einzige Zeit, wenn er es ihm erlaubte, und schloss dann schließlich mit einem sanften Lächeln die Augen. „Na gut, mein verwöhnter Wildfang. Ich werde noch eine weitere Nacht bleiben.“   Kapitel 29: Extrakapitel 26 - Fluch und Segen - Teil 1 ------------------------------------------------------ Fluch und Segen – Teil 1   -Mihawk- „Achte auf deine Atmung. Vergiss nicht, gleichmäßig, sonst verspannst du dich und dann werden deine Bewegungen nicht nur unsauber, es wird auch noch deutlich anstrengender.“ Gemächlichen Schrittes kam er näher. Er mochte es, Lorenor in diesem Ton reden zu hören. Schweigend stellte er sich neben ihn, legte eine Hand auf seine Schulter und beobachtete das junge Ding, welches Lorenor mitgebracht hatte. Wenn Dulacre ehrlich war, so sah er immer noch nicht, was Lorenor in ihr sah, aber er gestand ihr zu, dass sie ehrgeizig war und diszipliniert ihr Training verfolgte. Allerdings nicht wie Lorenor damals, bei ihm war es stets ein Hunger gewesen, mehr zu sein, besser zu werden. Bei ihr war es… verzweifelter, ein Kampf ums Überleben. Aber Dulacre war neugierig zu sehen, wie sie sich entwickeln würde, wenn es nicht mehr der Überlebenswille war, der sie antrieb. Ob sie dann überhaupt noch etwas hatte, was sie antrieb. Doch davon war sie noch weit entfernt, die mentalen Wunden noch zu frisch. Dulacre wusste nicht im Detail, was sie erlebt hatte – und es interessierte ihn auch nicht – aber sie würde noch Zeit brauchen, um es zu verarbeiten. Sie zeigte es nicht offen, was er begrüßte, da es anstrengend wäre, aber es war dennoch offensichtlich. Das Training schien ihr zu helfen, aber sie misstraute Dulacre – verständlicherweise – und der Abschied der lebhaften Strohhutcrew vor wenigen Tagen war für sie schwierig gewesen. So sehr sie Lorenor verehrte, so sehr sie Nico Robin und Doktor Chopper respektierte, niemand von ihnen brachte diese Leichtigkeit mit, die auf dem Schiff der Strohhüte vorgeherrscht hatte. Und während sie Dulacre misstraute, so hatte sie vor Perona doch schlicht Angst, konnte mit ihr nichts anfangen, sie nicht einordnen, mit ihrem lauten Auftreten, ihrer herrischen Art, ihren wie aus dem Nichts auftauchenden Geistern. „Führe deine Bewegungen bis ganz zum Ende durch. Die Spannung muss bis in die Fingerspitzen gehen, und vergiss die Zehen nicht.“ Er konnte ganz deutlich sehen, wie seine Stimme sie zusammenzucken ließ, wie jedes Mal, wenn er sie ansprach, aber natürlich folgte sie seinem Wort. Sie war wirklich noch eine Anfängerin und ihr fehlte es noch an allem, Körpergefühl, Ausdauer, Kraft, Selbstbewusstsein, Stärke, Ruhe, die Liste war endlos. Sie hatte eigentlich nichts, außer diesem beeindruckenden Drang, überleben zu wollen. Doch ob aus Selbsterhaltungstrieb oder nicht, ihr Wille war stark, sie erlaubte sich nicht, zu brechen. Die Frage war, was aus ihr herausbrechen würde, wenn sie nicht mehr um ihr Leben fürchten würde. „Ah, du hast dich verzählt“, bemerkte Lorenor mit einem leichten Schmunzeln, als sie aus dem Rhythmus kam. „Fang nochmal von vorne an, aber dieses Mal etwas langsamer als vorher.“ Er klopfte auf sein Bein und gab ihr für die ersten Sekunden das Tempo vor. Sie redete wenig in Einheiten – oder generell – aber nun holte sie tief Luft und sah fragend zu Lorenor hinüber. „Ja, langsamer heißt nicht, dass es einfacher wird“, antwortete er und sein Schmunzeln wuchs etwas. „Aber du schaffst das. Fünf Wiederholungen.“ Sie nickte kurz, während Dulacre eine Augenbraue hochzog. Lorenors Wortwahl mochte sanfter sein als seine, aber er war nicht weniger streng. Nein, er war sogar deutlich strenger, erwartete deutlich mehr, doch das war ihre einzige Stärke. Sie würde es schaffen, aus dem simplen Grund, dass Lorenor es von ihr verlangte. „Jiroushin hat angerufen“, erklärte er nun sein Erscheinen, da er eigentlich nicht vorgehabt hatte, dieser Einheit beizuwohnen, aber wenn er schon mal da war. „Er würde gerne vorbeikommen, nächste Woche, mit Ray, auf unbestimmte Zeit.“ „Huh?“ Lorenor sah zu ihm auf, während er selbst das Mädchen im Blick behielt und sie ermahnte, ihre Schultern nicht hochzuziehen. „Unbestimmte Zeit? Was ist passiert? Sie waren doch erst vor drei Wochen oder so hier.“ „Ray wurde wohl suspendiert. Anscheinend passiert das heutzutage, wenn man die eigene körperliche Überlegenheit demonstriert.“ „Du meinst, wenn man sich prügelt?“ Er zuckte nur mit den Schultern. „War nicht das erste Mal, oder?“, bemerkte Lorenor und sah auch wieder zu seiner Schülerin. „Schon die zweite Schule oder so.“ „Die Dritte, und das macht es nun recht kompliziert, denn mehr Schulen haben die fünf Inseln nicht anzubieten. Deshalb möchte Jiroushin, dass Ray hier bleibt, bis eine passende Schule gefunden wurde, möglicherweise das restliche Schuljahr. Er hat Nico Robin und mich gebeten, den Unterricht zu übernehmen; anscheinend ist das Lehren der eigenen Kinder sehr schwierig für Eltern.“ Lorenor schnaubte leise auf. „Aber er weiß schon, dass er damit genau das macht, was Ray die ganze Zeit erreichen wollte? Für dein Patenkind ist Kuraigana doch der reinste Abenteuerspielplatz.“ Dulacre seufzte schwer. „Ich denke, Jiroushin gehen so langsam die Optionen aus, nachdem ihm bereits vier private Tutoren innerhalb der letzten drei Wochen davongelaufen sind – Der linke Fuß, nicht der rechte, nochmal – aber deshalb möchte er mitkommen. Ihm ist sehr wohl bewusst, dass Ray es als kleinen Sieg feiern würde, daher möchte er den Aufpasser spielen.“ „Uff“, machte Lorenor nur und rieb sich den Nacken. „Was sagt Lirin denn dazu?“ Dulacre schmunzelte. „Sie lässt Jiroushin geradewegs in sein Verderben laufen. Aber er ist es nun mal selbst schuld. Er könnte ja einfach mal zuhören. Wie dem auch sei, für sie ist es vielleicht ganz hilfreich, zwei so fröhliche Gestalten im Schloss zu haben.“ Er nickte zu Lorenors Schülerin hinüber. Lorenor schwieg, doch nach der dritten Wiederholung sah er auf. „Und was sagst du? Bist du bereit, den Schullehrer für ein unerzogenes Gör zu mimen? Hört sich für mich ziemlich nach Zeitverschwendung für dich an.“ „Ach, er hatte leider sehr überzeugende Argumente.“ „Wa… oh, mich.“ Sie grinsten einander an. „Es ist ein fairer Preis. Außerdem beabsichtige ich so oder so, Nico Robin die meiste Arbeit erledigen zu lassen.“ „Natürlich.“ „Auf der anderen Seite habe ich bereits des Öfteren überlegt, dass es für dieses Kind von Vorteil wäre, wenn sie sich nicht nur im Schwertkampf bildet, und vielleicht würde Rays Anwesenheit ihnen beiden nützen. Eine gesunde Rivalität hat noch niemandem geschadet. Und vielleicht würde Ray dann endlich mal etwas strebsamer.“ „Wunschdenken.“ „Tze.“ In Stille beobachteten sie weiter, wie Lorenors Schülerin seine Vorgaben erfüllen wollte. Mittlerweile zitterten ihre dünnen Waden und sie hatte vor Anstrengung die Augen geschlossen, es würde noch Zeit brauchen, bis ihr Körper die Zeiten des Mangels überwinden würde. „Aber eigentlich passt das ganz gut“, murmelte Lorenor schließlich nachdenklich. „Vielleicht kann Jiroushin dann für ein paar Tage auf Roshan aufpassen.“ „Du hast vor, zu vereisen?“, fragte Dulacre direkt nach. Lorenor war doch noch nicht mal einen Monat zurück und nun wollte er bereits wieder fort? „Ja, ich würde gerne in den East Blue.“ Natürlich. Er vermisste sie, seine Freunde, seinen Kapitän. „Ich verstehe.“ Vermutlich würden Nico Robin und Doktor Chopper ihn begleiten. Da konnte Dulacre wirklich nur dankbar sein, dass Jiroushin zu Besuch kommen würde, sollte er sich diesem Mädchen annehmen. „Mhm, aber hätte ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn wir beide unterwegs wären und niemand hier wäre, um Roshan zu unterrichten. Sie ist noch nicht so weit, dass sie alleine trainieren könnte.“ Oh. „Und du möchtest sie nicht mitnehmen?“ „Nicht wirklich. Sie ist noch nicht mal hier angekommen, da kann ich sie ja schlecht direkt wieder rausreißen. Ich dachte, ich könnte noch etwas länger warten, aber ich merke, dass ich unruhig werde; es ist Zeit, in den East Blue zurückzukehren.“ Dulacre zögerte, wiedermal hatte er zu schnelle Schlüsse gezogen. „Aber du möchtest, dass ich dich begleite?“ Nun sah Lorenor zu ihm auf. „Natürlich, ich hab dir doch gesagt, dass ich dir Meister Koshiro vorstellen will. Außerdem ist das Sargboot viel schneller und ich krieg es immer noch nicht in die richtige Richtung gesteuert, kompliziertes Teil“, setzte er missmutig hinterher. Schmunzelnd verschränkte Dulacre die Arme und vermied, Lorenor hinzuweisen, dass etwaige Kursabweichungen nicht am Sargboot lagen. „Oder willst du etwa nicht mit?“ Diese Frage überraschte ihn und er neigte den Kopf. „Naja, jetzt, wenn Jiroushin kommt, vielleicht willst du ja lieber…“ „Ich würde dich sehr gerne begleiten, Lorenor. Ich möchte den Ort kennenlernen, an dem du aufgewachsen bist.“ Lorenor nickte nur und wandte sich dann wieder seiner Schülerin zu, doch Dulacre hatte das Gefühl, dass er nicht ganz so hart dreinblickte wie sonst.   „Ach, es ist zum Verzweifeln, so langsam weiß ich wirklich nicht mehr weiter.“ Dulacre ignorierte das Klagen seines besten Freundes, während er die Gläser füllte. „Wir haben schon die nächste Absage bekommen, eigentlich bleiben uns jetzt nur noch Internate übrig, alles andere ist zu weit weg. Es ist hoffnungslos“, jammerte Jiroushin und fläzte sich über Lorenors Sofa. „Ich bin wirklich dankbar, dass du und Robin so bereitwillig einspringt, ich weiß langsam echt nicht mehr weiter. Langsam bin ich mit meinen Nerven echt am Ende.“ „Wir beide wissen, dass ich nur zugesagt habe, weil du mich damals in Lorenors Ausbildung unterstützt hast“, bemerkte Dulacre trocken und stellte dem anderen sein Glas hin. „Was sagt Lirin denn zu der Sache?“ „Tze“, schnaubte Jiroushin auf und Dulacre war doch überrascht zu hören, wie dieser hingebungsvolle Familienvater und Ehemann von Frau und Kind sprach. „Sie nimmt das alles nicht so ernst und spielt diesen ganzen Unsinn auch noch mit. Sie sagt, ich sei das Problem und solle mich nicht so anstellen, aber…“ „Was für eine kluge Frau sie doch ist.“ „Du stimmst ihr zu?!“ Jiroushin sprang auf. „Habt ihr euch denn alle gegen mich verschworen? Wir reden hier von nichts geringerem als Rays Zukunft und…“ „Hör mit dieser Theatralik auf, Jiroushin, es ist anstrengend. Und nein, ich sage nicht, dass ich Lirin uneingeschränkt zustimme, aber ich weiß, dass die Jugend Dinge anders sieht und ich das nicht immer alles nachvollziehen muss, um es akzeptieren zu können. Daher…“ Er unterbrach sich, als Jiroushin höhnisch auflachte. „Ach du, der Menschenversteher?“, murrte er sarkastisch und Dulacres Geduld bröckelte augenblicklich. Kalt starrte er Jiroushin an, während er an seinem Getränk nippte. „Wie du dich erinnern magst, ist mein Partner zwanzig Jahre jünger als ich, daher habe ich durchaus das ein oder andere Mal lernen müssen, dass es Dinge gibt, die ich nicht verstehe und zum…“ „Hier geht es aber weder um Zorro noch um dich. Ihr beide habt euch entschieden, gefährliche Wege einzuschlagen, Verbrecher zu werden, Monster zu werden, aber hier geht es um mein Kind, Dulacre, mein Kind! Glaubst du wirklich, ich würde tatenlos zusehen wie Ray aufgrund irgendeiner beschissenen Phase…“ „Und du glaubst, dass dein Verhalten irgendetwas sinnvolles zu Rays Zukunft beitragen würde?“, unterbrach er den anderen, der ihn eine Sekunde wortlos anstarrte. „Ich muss dir doch nicht erklären, dass diese kindischen Aktionen der Gewalt und Rebellion ihren Ursprung in deinem Verhalten haben, oder?“ „Was? Willst du mir jetzt etwa erklären, wie ich mein eigenes…“ Dulacre unterbrach Jiroushin mit einer deutlichen Handgeste, als dieser auf ihn zustakste. „Bitte, wir beide wissen, dass es mir einerlei ist, was du mit deiner Brut anstellst. Aber wenn du mich um meine Meinung und meinen Rat fragst, dann höre zu und höre vor allem auf, dich so unbeherrscht zu benehmen.“ „Ich lass mich hier doch nicht von dir belehren“, knurrte Jiroushin, ließ sich jedoch wieder aufs Sofa fallen. „Du hast keine Ahnung von Kindererziehung.“ „Nein, das habe ich nicht“, stimmte Dulacre zu. „Aber ich weiß sehr wohl, wie es sich anfühlt, vom eigenen Vater missverstanden und abgelehnt zu werden, du etwa nicht?“ Und da wurden Jiroushins Augen groß, ihm war es tatsächlich nicht bewusst gewesen. „Was redest du da, Dulacre? Das ist doch Unsinn! Das hier ist nicht das gleiche, weder bei dir noch bei mir. Ich liebe mein Kind! Ich würde alles für Ray tun, warum glaubst du bin ich hier? Ich würde Ray nie aufgeben, wie mein oder dein Vater es getan haben. Dein Vater hat dich gefürchtet, mein Vater hat mich…“ Kopfschüttelnd seufzte Dulacre. „Jiroushin, erinnerst du dich an den Sommer 1490?“ Er wartete das verwirrte Nicken des anderen ab. „Dein Vater war sehr unzufrieden mit deinem Auftreten und wollte dich zum Internat Dureza schicken, erinnerst du dich? Du warst verzweifelt, ich überaus erbost, dass mein Einspruch nicht gehört wurde, nur weil ich noch ein Kind war.“ „Was soll diese alte Sache? Das hat nichts…“ „Wir verschanzten uns auf der alten Burg Sadaos, für vier Tage, wenn ich mich recht erinnere. Sharak hat uns gefunden. Deine Eltern waren in heller Aufregung, meine eher verstimmt. Du hattest eine solche Angst auf dieses Internat geschickt zu werden und ich habe dir versprochen, dass ich dich dort im Zweifel herausholen würde.“ „Dulacre, ja, ich weiß, ich erinnere mich, aber…“ „Letzten Endes konnte der Konflikt gelöst werden. Meine Mutter überzeugte deinen Vater, dass die Privatlehrer der Familie Mihawk auch für dich eine gute Schule darstellen würden, und dass unsere Freundschaft für dich auf gesellschaftlicher Ebene nur von Vorteil sein sollte, wenn auch nicht unbedingt auf emotionaler Ebene. Wusstest du überdies, dass meine Mutter dies nur getan hatte, weil meine Schwester ihr glaubhaft vermitteln konnte, dass es für meine soziale Entwicklung nicht förderlich sein würde, meinen einzigen Freund zu verlieren?“ Jiroushin schnaubte auf. „Nun ja, zumindest dieser Teil ist wenig überraschend, aber wofür kramst du diese alte Geschichte hervor. Das hier hat nichts mit Ray zu tun. Ich wollte zur Schule, nur nicht auf dieses Internat! Ray hingegen…“ „Ich habe hier nicht Rays und deine Situation verglichen, werter Freund, sondern dein Verhalten mit dem deines Vaters.“ Augenblicklich wurde Jiroushin leichenblass. „Ich bin nicht wie mein…!“ „Herrgott! Ich bin nicht gewillt, mir dieses Benehmen länger anzutun, also lass es mich ganz frei heraussagen. Natürlich bist du nicht dein Vater, du bist liebevoll, gutmütig und so weiter und so weiter. Dein Vater hat dich damals nicht verstanden, du hast gestottert, du warst unsicher, nicht geeignet, um die Familiengeschäfte eines Tages zu übernehmen, und anstatt auf deine Stärken zu setzen, wollte er deine Schwächen mit Gewalt austreiben, damit du so wirst, wie er es für sinnvoll erachtet. Ein Mann wirst, wie er es gutheißt. Und was hat dieses Verhalten dir gebracht? Vier Tage auf einer zugigen Burg mit anschließendem Schüttelfrost, durchweinte Nächte – die ich dir immer noch übelnehme – und wärest du nach Dureza gekommen, wärest du dort jämmerlich vor die Hunde gegangen.“ Er sprach direkt weiter, als Jiroushin ihn unterbrechen wollte. „Aber so kam es nicht, dein Vater hat seinen Willen, was angeblich das Beste für dich sei, nicht durchgesetzt, und wo stehst du jetzt? Vertreter der fünf Inseln und ebenbürtiger Geschäftspartner der Familie Mihawk, Würdenträger und hochdekorierter Marinesoldat. Darüber hinaus hast du die Zukunft der Familie Cho gesichert. Weißt du, dass dein Vater Lorenor damals auf Rays Taufe erzählt hat, wie stolz er auf dich sei? Und dass du dich deines familiären Erbes mehr als würdig gemacht habest? Nicht, dass er dazu irgendetwas beigetragen hätte, denn letztendlich waren es deine Stärken, dein Harmoniebedürfnis gepaart mit überlegenem Verstand, deine Hilfsbereitschaft gepaart mit emsiger Zielstrebigkeit, deine beeindruckende Willensstärke gepaart mit unvergleichlicher Güte, all das ist der Grund, warum du es so weit gebracht hast.“ Er trank seinen Wein, ließ Jiroushin seine Worte verdauen. Dieser hatte die Arme auf den Knien abgelegt, die Hände verschränkt und starrte den Boden an, ohne aber wirklich zu sehen. „Du willst mir also sagen, dass mein Weg Ray zum Scheitern verurteilen würde, und dass nur dieser… dieser Unsinn meinem Kind eine Zukunft bieten kann?“ „Nein, mit keiner Silbe.“ Mit einem Ruck sah der andere zu ihm auf und Dulacre seufzte. „Alles, was ich dir sagen möchte, ist, dass du Ray zuhören und diesen… kindlichen Unsinn nicht zu sehr verurteilen solltest. Vielleicht ist dein Weg der bessere, vielleicht hast du Recht darin, konservative, alte Werte hochzuhalten, denen Ray sich fügen sollte. Vielleicht ist all das nur eine Phase, die Ray irgendwann in Zukunft bereuen wird, das mag sein. Aber wenn du dein Kind nicht mal anhörst, nicht mal versuchst, zu verstehen, sondern mit Gewalt – sei physischer oder psychischer Natur – Ray in deine Bahnen zwingen willst, dann wird Ray über dich irgendwann genauso denken wie du über deinen Vater.“ Er seufzte. „Und in Anbetracht dessen, dass du ein viel besserer Vater bist, weiß ich nicht, ob es nicht Ray und dir gegenüber ungerecht wäre, wenn du versuchst, seinem Vorbild nachzueifern, wo du doch nie werden wolltest wie deine Eltern.“ Er erhob sich, um sein Glas zu füllen, Jiroushin hatte seins noch nicht angerührt. „Sagen wir, du hättest Recht“, kam es schließlich nach mehreren Sekunden hölzern vom anderen, „wie würde ich es umsetzen?“ „Fragst du mich das wirklich, oh friedvoller Krieger? Tze.“ Kopfschüttelnd ließ er sich wieder auf seinen Platz sinken. „Du weißt doch am besten, wie man zwischen Parteien vermittelt und du kennst das Spiel. Was ist dir wichtiger? In jedem kleinen Konflikt zu gewinnen oder das große Ganze. Dir ist wichtig, dass Ray eine gute Ausbildung genießt, konzentriere dich darauf. Was musst du tun, damit Ray sich in der Schule wieder benimmt? Höre zu und frage, auf Augenhöhe, nicht von oben herab. Was sind Dinge, über die du mit dir nicht verhandeln lassen kannst? Erkläre warum, bleib bei dir und biete dafür Eingeständnisse in anderen Bereichen.“ Er nahm einen tiefen Schluck und lehnte sich zurück. In Stille saßen sie für mehrere Atemzüge da. „Dass du mir mal Rat im Umgang mit Kindern geben würdest“, murmelte Jiroushin schließlich. „Ich bin genauso schockiert wie du“, seufzte Dulacre. „Eigentlich wiederhole ich nur – in leicht abgewandelter Form - den Unsinn, den du mir immer gepredigt hast, wann immer ich mich mit Lorenor gestritten habe. Ich halte das Meiste davon für absolut unnötig, aber ich gestehe zu, dass ich so manche Diskussion… verkürzen konnte. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass ich meist nicht die Geduld an den Tag lege, um wohlwollend zu verhandeln. Außerdem bevorzugt Lorenor ebenfalls den direkten Konflikt.“ Endlich nahm Jiroushin sein Glas und nippte am Wein, ehe er sich kopfschüttelnd durchs Gesicht rieb. „Ich habe keine Ahnung, wie ich Ray überzeugen soll. Die Fronten sind so verhärtet, wir haben nicht ein Wort auf der Fahrt hierhin gewechselt.“ Dann entkam ihm ein überraschter Laut. „Du hast Recht. Es ist wirklich wie mit Vater damals.“ „Natürlich habe ich Recht. Es ist der Fluch von Kindern, dass sie – bewusst oder unbewusst – Verhaltensmuster ihrer Eltern übernehmen.“ „Du meine Güte, was ist…? Jetzt weiß ich, was los ist. Nico Robin, oder?“ Unschuldig hob er nur eine Augenbraue hoch. „Du bist viel zu feinfühlig und… umsichtig der Gefühle deiner Mitmenschen gegenüber. Du hast mit ihr hierüber gesprochen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Es gibt immer irgendwelche Gesprächsthemen beim Abendessen und schließlich hast du uns beide gebeten, Ray zu unterrichten.“ Nun zeigte Jiroushin ein schwaches Lächeln. „Du könntest auch einfach ja sagen. Ich bin dir nicht böse.“ Seufzend nahm er noch einen Schluck. „Aber es ist Vergebens. Ray würde am liebsten den ganzen Tag hier sein, den Schwertkampf üben und Zorros und deine Geschichten hören. Keine Schule, keine Lehrer, kein Unterricht.“ „Was für eine schlechte Idee“, bemerkte Dulacre und weigerte sich, dieses halbherzige Herumhampeln als Schwertkampf anzusehen, „noch heute arbeite ich an Lorenors Defiziten, nein, eine vernünftige Bildung ist unverzichtbar, insbesondere in der gegenwärtigen Zeit. Reine Kampfkraft ist schon längst nicht mehr das beste Mittel, um den eigenen Willen zu bekommen. Auf der anderen Seite verstehe ich Rays Wunsch, die Schule war auch mir immer ein Graus. Du musst einsehen, dass sich Lirins Kampfeswille in deinem Kind durchgesetzt hat, nicht deiner.“ „Das würde zumindest diese Starrköpfigkeit erklären“, murrte der andere und leerte sein Glas. „Aber ich will nicht so sein. Ich bin gewillt, dass du mich als Einsatz in deiner Verhandlung darbietest.“ „Wie bitte?“ Dulacre rollte mit den Augen. „Es ist doch ganz einfach. Ich bin gewillt, Ray langfristig im Schwertkampf zu unterrichten.“ „Aber, Dulacre, das ist nicht…“ „Allerdings habe ich eine Bedingung, die Ray erfüllen muss, damit ich mich zu dazu herablassen werde. Schließlich hat Lorenor bereits eine Schülerin mitgebracht, die viel Aufmerksamkeit bedarf und eher in der Lage ist, meinen Ansprüchen zu genügen. Außerdem haben sowohl ich als auch Lorenor noch andere Verpflichtungen und ich sehe gar nicht ein, den Lehrmeister für irgendein dahergelaufenes Balg zu spielen, nur weil es dein Kind ist.“ „Und die Bedingung wäre?“, fragte Jiroushin misstrauisch nach. „Erstklassige Noten.“ Kalt sah er Jiroushin an, der nach einer Sekunde fassungslos lächelte. „Ich bin nicht gewillt, Dummköpfe oder Faulpelze zu unterrichten. Dein Kind kommt aus den besten gesellschaftlichen Kreisen und hat die besten Möglichkeiten, ganz anders als Lorenor oder dieses Mädchen. Aber diese beiden arbeiten hart, um ihre Defizite auszugleichen, wenn Ray nicht gewillt ist, ebenso hart zu arbeiten, gibt es in diesem Schloss keinen Platz. Ich unterrichte nur, wen ich für würdig erachte, und Privilegien gibt es bei mir nicht.“ „Das klingt ganz schön streng.“ „Natürlich, ich bin ein strenger Lehrer. Sofern Ray diese Bedingung ab nächstem Schuljahr erfüllt, steht mein Heim wochenends und in den Ferien offen. Sofern Lorenor oder ich in der Nähe der fünf Inseln sind, spricht auch nichts gegen etwas Nachmittagsunterricht.“ Er lehnte sich nach vorne und faltete die Hände. „Nun sag mir, Jiroushin, bin ich nicht gut? Druckmittel und Belohnung in einem.“ Das brachte den anderen zum Grinsen. „Du bist vor allem verschlagen und immer noch ein verdammt guter Lügner. Warum willst du das tun? Du beschwerst dich doch jetzt immer schon, wenn Ray wieder ausbüchst und du für drei Tage den Babysitter spielen musst, bis ich hier bin. Also, was davon ist gelogen?“ „Nichts. Versteh mich nicht falsch, ich tue das hier nur für dich. Es wäre eine Schande, wenn du nach allem, was geschehen ist, so kläglich an deinen Vaterpflichten scheitern würdest.“ „Autsch, das war gemein.“ „Aber um es deutlich zu sagen, ich mag dein Kind nicht. Ausruhen auf Privilegien, rumpöbeln in der Schule, Unsinn anstellen und Fantasien nacheifern, das alles kann man sich erlauben, wenn man am besten ist. Für Ray gilt dies allerdings nicht. Dein Kind ist schlicht verwöhnt, selbstbewusst und selbstgefällig, aufgrund deiner und Lirins Erfolge.“ Jiroushin holte tief Luft und lehnte sich zurück, das Gesicht verzogen. „Du warst als Kind auch nicht einfach“, murmelte er, obwohl er etwas anderes sagen wollte. „Natürlich nicht, ich war genauso, wenn nicht sogar deutlich schlimmer, und ich habe mir viel auf meinen Namen und die Errungenschaften meiner Vorfahren eingebildet. Aber ich war auch der Beste, Ray hingegen ist alles andere als herausragend und benimmt sich dennoch so, als bestünde ein Anrecht auf mein oder Lorenors Wissen, nur weil du mein Freund bist.“ „Bitte rede nicht so von Ray und bitte hör auf, solch gemeine Dinge zu sagen. Ich weiß, dass du mit Kindern nicht gut umgehen kannst und sie dir eher ein Dorn im Auge sind, aber ich will nicht glauben, dass du keinerlei Sympathie für dein eigenes Patenkind empfindest.“ Ernst sahen sie einander an, ehe Dulacre schließlich seufzte und bereitwillig seine Beweggründe erklärte: „Ray nimmt die Kunst des Schwertes nicht ernst, Jiroushin, es ist nicht mehr ein Mittel der Rebellion gegen dich und deine Verhaltensregeln. Ausbrechen, auf die Insel eines mächtigen Verbrechers reisen, dort gefährliche Waffen wie Spielzeuge umherschwingen und mit einem gesuchten Pirat Kämpfen spielen. Ich halte dieses Verhalten aus, weil es sich um dein Kind handelt, aber ganz gleich, was ich sonst empfinde mag, ich akzeptiere niemanden, der die Schwertkunst nicht respektiert, ganz gleich, um wen es sich handelt.“ „Ach so, jetzt verstehe ich“, bemerkte Jiroushin. „Ich war schon verwirrt – schließlich kann ich dir ganz genau ansehen, wie sehr du Ray magst, sonst hättest du nie freiwillig deine Hilfe angeboten – aber du kannst nicht verzeihen, wenn jemand deine geliebte Schwertkunst als Spiel und Ausrede ansieht.“ „Gewiss. Nur dir zuliebe bin ich gewillt, jemanden zu unterrichten, den ich nicht für würdig erachte, Jiroushin. Aber wer weiß, vielleicht werden diese zwei Kinder einander guttun. Ray hat eindeutig die Leichtigkeit, welche diesem Mädchen fehlt, und dieses Mädchen… sie wird Ray in nicht mal zwei Wochen übertroffen haben.“ „Wa… was? So schnell? Sie… sie ist doch noch so mager, sie kann kaum laufen. Ray ist viel stärker und hat schon viel mehr Stunden mit dem Schwertkampf verbracht.“ „Das, mein lieber Freund, ist der Unterschied, und vielleicht wird es Ray endlich mal die nötige Ernsthaftigkeit einbläuen, das würde mich sehr freuen. Schließlich waren die Einheiten bisher wahrlich frustrierend. Ich weiß, Lorenor hat mich damals sehr verwöhnt, hat seine eigenen Worte und Versprechungen stets übertroffen, aber Ray, tze.“ Leise schnalzte er mit der Zunge. „Große Worte und noch größere Versprechungen, größte Ambitionen, aber sobald es auch nur ein bisschen anstrengend wird… Dieses Mädchen schafft in einer Stunde, was Ray in 20 schafft, und das hat nichts mit Talent oder Stärke zu tun. Ray mag Jahre an halbherzigem Training voraushaben, aber ja, ich bin überzeugt, dass dieser Vorteil keine 14 Tage halten wird.“ Dann erhob er sich. „Aber du kannst mir ja dann berichten, ob ich Recht habe.“ „Du denkst, dass ihr ganze zwei Wochen unterwegs sein werdet?“ Dulacre zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, um ehrlich zu sein, vielleicht kürzer, vielleicht sogar länger. Lorenor freut sich auf den East Blue, vielleicht wird er auch seine Freunde besuchen wollen, wer weiß das schon. Gewiss wird er seinem ehemaligen Meister seine Fortschritte zeigen wollen.“ „Dein Urteil ist echt hart, zwei Wochen nur. Ist Ray wirklich so faul?“ Jiroushin stand ebenfalls auf und seufzte schwer. „Und was mit dir?“ Überrascht begegnete er dem Blick seines besten Freundes. „Was soll mit mir sein?“ „Na, die Reise? Du bist doch mit Sicherheit nervös?“ Verwirrt neigte Dulacre leicht den Kopf. „Über eine Reise in den Schwächsten der Blues? Warum sollte ich?“ Nun weiteten sich Jiroushins Augen. „Naja, weil er…, weil du Zorros ehemaligen Meister kennenlernen wirst. Macht dich das nicht nervös?“ Er rieb sich den Nacken. „Ich meine, du bist Zorros Partner, deutlich älter als er, ehemaliger bester Schwertkämpfer der Welt, ehemaliger Samurai – der grausamste noch dazu - und er ist… nun ja, soweit ich weiß, hatte Zorro neben seiner Mutter nie wirklich einen Vater. Nach ihrem Tod wird dieser Lehrmeister also seine einzige Bezugsperson als Kind gewesen sein… vielleicht ein Mentor oder eine Art… Vaterersatz.“ Oh. „Und ich weiß, dass solche Dinge Zorro wahrscheinlich nicht besonders wichtig sind, aber du hast nicht gerade einen… einfachen Charakter und wenn dieser Lehrmeister euch nicht seinen Segen geben sollte…“ Jiroushin sprach nicht weiter, doch das musste er auch gar nicht. Schluckend fuhr Dulacre sich durchs Haar und lehnte sich gegen die Rückenlehne seines Sessels. Natürlich, darüber hatte er noch überhaupt nicht nachgedacht. Lorenor hielt wenig von der Meinung anderer, aber er hatte es gar nicht gut aushalten können, als Dulacre sich mit dessen Crew angelegt hatte. Er sprach äußerst respektvoll von diesem Meister Koshiro und hatte mit einem gezwungenen Lächeln erzählt, dass jener Meister es wohl nicht gutgeheißen haben konnte, dass Lorenor zum Piraten geworden war. „War dir das… war dir das etwa nicht bewusst?“ Er starrte Jiroushin an. „Mir ist ja bewusst, dass ich äußerst hart über dein Kind urteile, Jiroushin, aber das war wirklich nicht nett von dir.“   Kapitel 30: Extrakapitel 27 - Fluch und Segen - Teil 2 ------------------------------------------------------ Fluch und Segen – Teil 2   -Mihawk- „Ach, hier bist du, wie ungewöhnlich.“ Er trat in die Bibliothek. Lorenor saß in seiner weiblichen Gestalt am runden Tisch und war eifrig am Schreiben. „Hast du schon gepackt? Wir wollen doch früh aufbrechen.“ „Mhm“, murrte der andere abwesend, „mach ich gleich, will das hier nur noch kurz fertig kriegen.“ Dulacre schloss die Türe hinter sich und trat an den Tisch heran. „Hast du etwas gegessen? Ihr wart den ganzen Tag draußen und…“ „Gleich, nerv nicht.“ „Lorenor, was tust du da?“ Er beugte sich über den Tisch hinweg und war erstaunt, als er die detaillierten Notizen sah, die der andere niederschrieb. Schmunzelnd legte er dem anderen eine Hand auf die Schulter. „Ist das wirklich nötig? Du kannst Jiroushin schon zumuten, dass er dieses Kind für ein paar Tage trainiert, ohne, dass sie…“ „Ich zweifle nicht daran, dass Jiroushin ein verdammt guter Lehrer ist – schließlich hab ich’s selbst erlebt – und wahrscheinlich ist er auch tausendmal besser als ich“, murrte Lorenor, ohne in seiner Tätigkeit innezuhalten. „Aber er geht nun mal auch strikt nach Lehrbuch vor und… Roshan ist noch… zerbrechlich.“ „Ja, das ist sie“, stimmte Dulacre zu und ließ sich mit einem leisen Seufzen neben Lorenor nieder. Dieser Bericht war unnötig, Jiroushin bedurfte keiner Dutzend Seiten, um dieses Kind zu erfassen, dafür hatte er bereits zu viele verschiedenste Charaktere in der Marine und abseits davon unterrichtet. Aber darum ging es hier nicht. Lorenor fühlte sich verantwortlich und wollte sich dieser Verantwortung nicht dadurch entziehen, dass er für mehrere Tage verreisen würde. „Ich würde gerne deine Meinung zu einer Idee hören“, begann er daher seinen nächsten Spielzug und ließ Lorenor seinen unnötigen Vermerk schreiben. „Ich habe überlegt, mich nur auf einen Schüler konzentrieren zu wollen. Daher möchte ich nach unserer Rückkehr, dass die beiden gegeneinander antreten, und der Verlierer…“ „Lass diesen Mist bloß bleiben“, murrte Lorenor, ohne auch nur aufzusehen. „Wie bitte?“ Missbilligend hob er eine Augenbraue hoch. Normalerweise ließ Lorenor ihn zumindest seinen Zug machen, ehe er seine Moral auspackte. Seufzend sah Zorro ihn kurz an, ehe er kopfschüttelnd weiterschrieb. „Das ist wieder eines deiner Spielchen, oder? Als Lektion, weil Ray den Schwertkampf nicht ernst genug nimmt und zwar von dir unterrichtet werden will, aber weder Ehrgeiz noch Disziplin an den Tag legt. Wir beide wissen, dass Roshan nicht mehr lange braucht, um Ray plattmachen zu können. Sie trainiert hart und wenn es zu einem Kampf kommt, würde sie ums Überleben kämpfen, Ray dagegen… wer sich noch nie im Leben anstrengend musste, kann nicht gegen jemanden gewinnen, der nur siegen oder sterben kennt.“ „Weißt du, wie attraktiv es ist, wenn du deine Intelligenz zur Schau stellst?“ Lorenor rollte nur mit den Augen, legte eine weitere Seite auf den kleinen Stapel. Wie viele Informationen konnte er in diesen wenigen Wochen über dieses Kind nur gesammelt haben? „Und weißt du, wie nervig es ist, wenn du sowas abziehst? Ist mir egal, ob Jiroushin da mitmacht, aber ich werde nicht zulassen, dass du Roshan mit so einer Ansage noch mehr verunsicherst. Ja, kann sein, dass es für Ray nicht schlecht wäre, mal zu verlieren und zu kapieren, dass man im Leben nicht alles geschenkt bekommt, nur weil man mit nem golden Löffel auf die Welt gekommen ist. Aber Roshan braucht diese Lektion nicht. Sie verdient etwas Sicherheit und ich will nicht, dass sie denkt, sie müsste sich andauernd beweisen. Anders als Ray muss sie lernen, dass man auch mal Fehler machen darf, ohne dass davon gleich die Welt untergeht, kapiert?“ „Aber sie würde gewinnen, daher…“ „Dulacre“, stöhnte der andere auf und legte seinen Stift nieder. „Schon gut, schon gut. Ich lasse mir etwas anderes einfallen. Aber du kannst sie nicht ewig mit Samthandschuhen anfassen, nur weil sie eine Sainik werden sollte. Sie will so kämpfen wie wir, also muss sie auch den Weg gehen.“ „Und wie viele Jahre hast du bei mir die Samthandschuhe getragen? Ich denke nicht, dass ein paar Wochen aus ihr ein verzogenes Gör machen.“ Dann sah Lorenor ihn überrascht an. „Woher weißt du…?“ „Ach bitte, das ist doch selbsterklärend. Ihr wart im Calm Belt unterwegs und natürlich konntet ihr die Unruhen am Parvat Archipel nicht ignorieren. Dann ihre steife und angespannte Körperhaltung, ihr unterwürfiges Verhalten mit fast schon anbiederndem Gehorsam. Das Fehlen beinahe jeglicher Entscheidungskraft und dass sie eigentlich für alles einen Befehl braucht. Wie für eine Sainik üblich wird zunächst der Geist gebrochen und dann geformt, aber erst wenn diese absoluten Regeln für sie unabdingbare Weltordnung sind, wird mit der Kampfausbilung begonnen. Eine Schande, dass sie diesen Teil des Trainings noch nicht erreicht hat, so hätte ihr umständliches Verhalten wenigstens etwas Gutes.“ Lorenor betrachtete nachdenklich seinen Papierstapel. „Als wir im Dorf ankamen… man hatte sie… belagert und aushungern lassen. Robin sagt, es ist üblich, dass sie bereits als Kinder eingesetzt werden, neben fertig ausgebildeten Sainiks, fast wie Lehrlinge, bis auf, dass von ihnen erwartet wird, jederzeit für die zu schützende Person zu sterben. Ich kam zufällig vorbei, als diese Belagerer das Dorf einnehmen wollte, aber im Dorf war schon so ziemlich jeder verhungert, keine Ahnung, warum diese Idioten überhaupt so lange gewartet haben. Roshan… sie hat einen Leichnam verteidigt. Was ein Wahnsinn. Sie wusste nicht mal, was sie tat, aber ihr war befohlen worden, dieses Kind zu beschützen, also hat sie genau das getan, obwohl sie kaum noch stehen konnte.“ Tja, das waren nun mal die Geschichten, Dulacre war weder überrascht noch irgendwie berührt. So etwas gab es in dieser Welt zuhauf, gleiche Geschichte, andere Namen. Kinder, die von klein auf als Sklaven gehalten und zu willenlosen Leibwächtern erzogen wurden, um ihr Leben für ihren Herrn zu geben. So abhängig und loyal wie ein abgerichteter Hund, manche der Sainiks konnten nicht mal sprechen. Sie brauchten es nicht, sie waren Werkzeuge, keine Menschen. „Und was hast du getan?“, fragte er milde interessiert, da er die Antwort natürlich kannte. „Ich hab sie beschützt, sie und diese Leiche“, murmelte Lorenor, „und dann hab ich alle Toten begraben, war ein langer Tag.“ „Und dann hast du sie mitgenommen“, beendete er diese klischeehafte Geschichte. „Nein.“ Lorenor erhob sich. „Sie hat mich gebissen, als ich das Kind hochheben wollte. Also hab ich erstmal die anderen begraben und irgendwann… hat sie mich nachgemacht. Am Ende haben wir dem Kind gemeinsam die letzte Ehre erwiesen und sie… sie hat mich gefragt, ob sie das Kind hätte beschützen können, wenn sie so stark gewesen wäre wie ich.“ „Ein schlechter Grund“, bemerkte Dulacre, hatte gewusst, dass Lorenor ihm irgendwann die Geschichte hatte erzählen wollen. Er hatte gehofft, noch ein paar Monate verschont zu bleiben. Jetzt würde man Rücksichtnahme von ihm erwarten, äußerst lästig. „Ich hab es verneint.“ „Oh?“ „Ich hab ihr erklärt, dass sie ihre Aufgabe erfüllt hat. Niemand hat das Kind angegriffen oder getötet, es ist schlicht verhungert.“ Lorenor begegnete seinem Blick. „Chopper hat sie versorgt und eigentlich wollten wir sie auf der Nachbarinsel bei anderen Flüchtlingen lassen. Sie schien… man hätte sich dort gut um sie gekümmert. Aber sie ist mir nachgelaufen, die ganze Zeit, die wir dort waren – wie ein Küken, ein kleines, schwaches Küken – und ich wusste nicht warum; sie hat nicht gesprochen. Und irgendwann hat sie mich gefragt, wie sie lernen könnte, wie ich zu kämpfen. Das erste Mal, dass sie wirklich irgendetwas an Gefühlen gezeigt hat, so drängend war sie gewesen.“ Interessant. Nachdenklich erhob Dulacre sich ebenfalls. „Eine Saikien mit eigenem Willen“, sprach er seinen Gedanken laut aus. „Ihr habt echt ein Händchen für seltsame Gestalten.“ „Sie ist keine Saikien“, entgegnete Lorenor kalt. „Robin sagt, Saikien werden so erzogen, dass sie keinen eigenen Willen mehr haben, nicht mal die Idee, etwas zu machen, solange es ihnen nicht befohlen wird. Niemand hat Roshan befohlen, die Leichen zu begraben. Niemand hat ihr befohlen, mich zu verfolgen und daher ist sie…“ „Ich weiß, Lorenor“, bemerkte er mit einem sanften Lächeln, als Lorenor dieses Kind wieder vor ihm verteidigte, wie immer, wenn er ihre Unzulänglichkeiten erwähnte, „und weißt du auch, woher?“ Lorenor sah ihn misstrauisch an und schüttelte den Kopf. „Das Erste, was Saikien genommen wird, ist ihre Identität. Man gibt ihnen eine Nummer oder nicht mal das.“ „Und?“ „Ach, Lorenor, ist es dir nicht aufgefallen? Sie hat einen Namen. Dieses Kind hat ihre Identität bewahren können, vermutlich war der erste Teil ihrer Ausbildung noch nicht abgeschlossen, als das Dorf angegriffen wurde, dennoch eine beachtliche Leistung, das gestehe ich zu. Wie gesagt, ich sehe, dass sie einen sehr starken Willen hat. Ich zweifle nur daran, ob das allein genug ist. Ihr Körper ist schwach, ihr Geist manipuliert. Ein hoffnungsloses Unterfangen.“ Er folgte Lorenor aus der Bibliothek heraus. „Und warum freust du dich über diese Worte? Sollte dich dieses vernichtende Urteil nicht eher erzürnen.“ „Nein, nicht wirklich.“ Lorenor grinste ihn breit an, faltete den kleinen Stapel Papier und steckte ihn in die Brusttasche seines Hemdes, viel zu groß an diesem zierlichen Körper. „Denn du wusstest das alles schon in der Sekunde, in der du sie das erste Mal gesehen hast, oder? Und dennoch beobachtest du sie, kommst immer wieder zum Training dazu. Sie ist ein hoffnungsloser Fall, zum Scheitern verurteilt, und genau deshalb hat sie dein Interesse geweckt. Endlich nochmal eine Herausforderung für den großen Mihawk Dulacre.“ „Ich gebe mich geschlagen“, räumte er ein, während sie ins Kaminzimmer schlenderten. „Auch wenn ich sie hauptsächlich daher begutachte, weil ich sehen möchte, was du in ihr siehst. Aber zumindest ist sie die spannendere Herausforderung im Vergleich zu einem verwöhnten Balg mit einem verzweifelten Vater.“ „Ihr redet wohl von mir“, grüßte Jiroushin sie zermürbt vom gedeckten Tisch aus, an dem er als Einziger saß, die Zeitung in der Hand, die anderen Teller unberührt. „Wo sind die Kinder?“, fragte Lorenor nach. „Wir sind doch zusammen zurückgekommen und ich hab ihnen gesagt, sie sollen sich schnell duschen und dann was Vernünftiges essen.“ „Sie waren ziemlich fertig nach der Einheit. Du brauchst es nicht immer zu übertreiben, weißt du? Würde mich nicht wundern, wenn Ray direkt ins Bett verschwinden würde.“ Lorenor und Dulacre tauschten einen Blick aus, sagten jedoch nichts dazu. „Perona und Chopper sind im Garten, irgendwelche Kräuter sammeln, und Robin…“ „… ist zu spät, Entschuldigung.“ Sie kam gerade hinter ihnen herein, ihr sachtes Lächeln an Ort und Stelle. „Ich war so in mein Buch vertieft, ich musste es noch zu Ende lesen.“ „Bei diesem Tempo wirst du die ganze Bibliothek bis Ende des Monats durchhaben“, bemerkte Lorenor mit einem leisen Schnauben, während er sich auf den erstbesten Stuhl fallen ließ. „Ich weiß“, entgegnete sie, als wäre genau dies ihre Absicht, ehe sie Dulacre zunickte. „Deine Sammlung ist wirklich beachtlich und so vielfältig. Es ist lange her, dass ich so viele Bücher an einem Ort vorfinden konnte, die ich alle noch nicht hatte lesen können.“ „Diese Bibliothek dient als Informationsquell, aber ich habe mich nie sonderlich für sie interessiert. Es würde mich freuen, wenn du dich ihrer Verwaltung annehmen würdest“, entgegnete Dulacre und ließ sich am Kopfende nieder. „Etwas frischer Einfluss würde gewiss nicht schaden.“ „Hier“, brummte Lorenor derweil und drückte Jiroushin den Papierhaufen entgegen. „Was ist…? Notizen?“ Überrascht ließ der ehemalige Ausbilder die Zeitung sinken und sah Lorenor an. „Dein Ernst? Du erinnerst dich aber schon daran, wer stundenlang das Führen eines Kampfes mit dir trainiert hat?“ „Jirou“, wandte Dulacre vermittelnd ein, „sie ist seine erste Schülerin.“ „Und was soll das jetzt heißen?“, murrte Lorenor errötend, während Jiroushin und Nico Robin wissend nickten. „Tze, will gar nicht wissen, was dein erster Schüler alles durchmachen musste.“ „Oh, viel, so viel“, seufzte Jiroushin auf, faltete die Zeitung und überflog Lorenors Notizen. „Er hat nie verstanden, dass nicht alle Menschen etwas nach nur einem Mal Zusehen direkt nachmachen können und dass Training manchmal Zeit braucht. Ohne Sharak hätte ich wahrscheinlich keine zwei Wochen durchgehalten.“ „Du übertreibst.“ „Nein! Du hast mich manchmal wie ein unbekanntes Wesen angeguckt, wenn ich nur etwas nachfragen wollte.“ Jiroushin lachte leise auf und legte dann die Notizen zu Seite, was Lorenor mit einem misstrauischen Blick quittierte. „Aber dein herablassender Ton war immer noch besser als Sharaks Erklärungen. Ich hab nie kapiert, was sie mir sagen wollte.“ „Wovon redest du? Sie war sehr gut im Erklären“, widersprach Dulacre missbilligend und füllte seinen Teller. Jiroushin sah ihn äußerst irritiert an und schüttelte den Kopf. „War sie nicht. Und dann machst du so Hah! Und wenn du dieses pffff fühlst, streckst du dich weiter, bis alles so Whooo macht. In meinem ganzen Leben hat mein Körper noch nie Whooo gemacht!“ „Geht es um die Ruheposition nach der ersten Angriffshaltung?“, fragte Lorenor nach. „Was?!“, kam es von Jiroushin, als Dulacre nur nickte. „Du verstehst das?!“ „Ja? War jetzt nicht besonders schwer.“ „Schwierig“, korrigierte Dulacre, während Jiroushin sich die Haare raufte und Nico Robin erklärte, dass sie alle Freaks wären und er sehr gelitten hätte. „Du bist schwierig“, murrte Lorenor nur, unterbrach allerdings sein Essen und sah Dulacre nachdenklich an. „Sag mal, wie wäre es noch mit einem Trainingskampf, ehe wir morgen für Tage auf dem Sargboot eingepfercht sein werden?“ „Freaks, sag ich ja“, kam es von Jiroushin. „Ich dachte schon, du fragst nie. Allerdings ohne Schwerter, schließlich musst du noch packen.“ „Spielverderber.“   -Zorro- Schnaufend saß er auf der Erde und konnte sich nicht mal den Schweiß aus den Augen reiben, so kaputt war er. Dulacre saß zwei Meter weiter auf einem umgekippten Baum und atmete ebenfalls angestrengt. Vor wenigen Sekunden war die Sonne über die Baumgipfel gekrochen und das war ihr Zeitlimit gewesen. Als sie am späten Abend den Kampf begonnen hatten, waren Jiroushin, Robin und die Kinder noch dabei gewesen, zum Zugucken, aber erst nachdem sie gegangen waren, hatten Dulacre und Zorro wirklich kämpfen können. Ohne Schwerter machte es zwar nicht ganz so viel Spaß, aber beschweren wollte Zorro sich nicht. Insbesondere weil er der Bessere war. Er konnte sich nicht so elegant und minuziös bewegen wie Dulacre, aber er war schlicht der Stärkere und ohne Schwerter gab ihn das einen entscheidenden Vorteil. Das war allerdings auch das, was ihn etwas wurmte. Obwohl er diesen entscheidenden Vorteil hatte, besiegte er Dulacre zu selten. Wie auch gerade, da das Zeitlimit ihren Kampf mit einem Unentschieden beendet hatte. „Du hast noch immer nicht gepackt, oder?“, kam es dann von Dulacre und er schenkte ihm dieses herablassende Grinsen, während er sich nach hinten lehnte und seine Muskeln streckte, dabei leicht stöhnte. „Was bist du denn heute so unglaublich nervig?“, grummelte Zorro, dachte nicht daran, sich zu bewegen. „Ist irgendetwas los oder warum versuchst du, mich die ganze Zeit zu bemuttern?“ „Ist dies nicht, wie unsere Beziehung seit jeher funktioniert?“, entgegnete der andere, der sich ächzend erhob und zu der Ecke herüberging, wo zuvor die anderen gesessen und ihnen zugeschaut hatten. „Kann sein“, meinte Zorro und fing die Flasche Wasser auf, die Dulacre ihm zuwarf, „aber normalerweise bist du nicht ganz so nervig dabei. Außerdem…“ Er unterbrach sich und nahm einen tiefen Schluck. „… hast du heute echt schlecht gekämpft.“ „Wie bitte? Ganz schön unverschämt.“ „Aber widersprechen tust du nicht.“ Er nahm einen weiteren Schluck und hielt Dulacre dann die Flasche hin. „Unmöglich, dass du es nicht selbst bemerkt hast. Deine Bewegungen waren… unsauber, du hast oft geblockt, anstatt auszuweichen. Solche Fehler passieren dir normalerweise nicht. Du machst keine Fehler, deswegen bist du so gut und deswegen kämpfe ich so gerne gegen dich, weil ich nur eine Chance habe, wenn ich selbst ebenfalls möglichst wenige Fehler mache.“ Dulacre nahm ihm die Flasche ab und rieb mit dem Unterarm über die Öffnung, ehe er ebenfalls einen Schluck nahm. „Und warum hast du mich dann nicht besiegt?“, legte er kalt den Finger in die Wunde. „Warum hast du meinen schlechten Tag nicht ausgenutzt?“ Zorro starrte seine Füße an, zerknirscht, dass Dulacre es aufgefallen war. „Weil du ebenfalls viele Fehler gemacht hast, nicht wahr? Du hast dich heute oft in deiner eigenen Kraft verschätzt und obwohl du mir überlegen bist, hockst du dort auf der Erde und bist dankbar, dass die Sonne diesen Kampf beendet hat, da du sonst verloren hättest. Du hast dich zu sehr verausgabt, weil du deine Kraft nicht richtig eingeteilt hast. Wieso diese mangelhafte Konzentration?“ Sie sahen einander an und dann mussten sie beide grinsen. „Ich glaube, das war unser schlechtester Kampf aller Zeiten“, urteilte Zorro hart und beugte sich vor, rieb seine verspannten Waden. Dulacre seufzte und lehnte sich neben ihn an einen Baum. „Zumindest war es meine schlechteste Leistung, von dir habe ich schon deutlich Schlimmeres gesehen.“ „Arschloch.“ Zorro nahm die Flasche erneut entgegen. „Ich glaube, ich bin doch etwas nervös. Ich kann es kaum erwarten, dass wir losfahren.“ „Ja, das erklärt es.“ „Und weshalb warst du so schlecht? Ist nichts Neues, dass ich Fehler mache, aber bei dir ist das echt ungewöhnlich.“ Dulacre schwieg, während die Sonne nun fast vollends über die Baumwipfel schwappte. „Also?“ Der andere seufzte erneut und schüttelte dann den Kopf. „Ich war etwas abgelenkt, aber du brauchst dir darüber keine Gedanken zu machen. Es wird nicht wieder vorkommen, dass ich unserem Kampf nicht meine volle Aufmerksamkeit widme.“ Er hielt Zorro seine Hand hin. „Nun komm, du musst schließlich noch packen und ich möchte aufbrechen, bevor der Nebel einfällt.“ Zorro ließ sich hochhelfen und ruhigen Schrittes gingen sie zurück zum Schloss. „Sorry mit dem Arm, das war nicht so geplant.“ „Ich weiß“, entgegnete Dulacre und rieb sich unbewusst über seinen linken Unterarm, der bereits jetzt einen faustgroßen blauen Fleck zeigte; ein Wunder, dass Zorro ihm nicht den Arm gebrochen hatte, er hatte seine Kraft wirklich falsch eingeschätzt. „Allerdings bin ich es selbst Schuld. Ich hätte ausweichen müssen, tze, wie dem auch sei. Du hast deine Muskeln zu sehr beansprucht, sie werden vermutlich übersäuern, du solltest…“ „Es reicht“, brummte Zorro und drückte dem anderen die halbleere Flasche in die Seite. „Also, was ist im Busch? Hat was mit mir zu tun, oder? Sonst würdest du mich nicht wie einen Frischling aus dem East Blue behandeln.“ Er merkte die scharfen Augen des anderen auf sich. „Es ist nichts von Relevanz.“ „Na gut, solange es nichts mit mir zu tun hat, soll es mir egal sein.“ Er leerte die Flasche, sah Dulacre dabei aber streng an, woraufhin dieser mit den Augen rollte und schließlich stehen blieb. “Es hat also doch was mit mir zu tun.” Dulacre nickte und stemmte die Arme in die Hüften. „Und worum geht’s?” Zorro blieb ebenfalls stehen und verschränkte die Arme. „So hartnäckig.” Der andere atmete tief ein und begutachtete ihn, während er sich den Nacken rieb. „Wie erkläre ich dir das denn am besten?” „Wie wär’s mit Worten?” Dafür erhielt er nur einen säuerlichen Blick, ehe Dulacre aufseufzte. „Nun gut, aber wie gesagt, es ist nichts, mit dem du dich belasten brauchst. Im Endeffekt ist es wirklich nur eine Kleinigkeit, die mich beschäftigt, nicht mehr.” „So klein kann es nicht sein, wenn du so schlecht kämpfst. Also, spuck’s schon aus.” Erneut erntete er einen verurteilenden Blick, dann nickte Dulacre zum Schloss hinüber und sie setzten ihren Weg fort. „Du freust dich darauf, deinen ehemaligen Meister wiederzusehen, nicht wahr? Er ist dir mit Sicherheit sehr wichtig.” Verwirrt über den harten Themenwechsel nickte Zorro. „Natürlich, aber was…?” „Mhm”, machte Dulacre zustimmend, „und du sagtest einst, dass er deinen Weg zur Piraterie vermutlich nicht gutgeheißen hat.” Zorro hatte keine Ahnung, worauf der andere hinauswollte. „Ja, und? Er ist halt ein sehr gutmütiger und rechtschaffender Mensch.” „Mhm, und nach dem Tod deiner Mutter, war er die einzige erwachsene Bezugsperson, die du als Kind hattest, nicht wahr? Fast schon eine Art… Vaterfigur.” „Kann schon… keine Ahnung. Was soll das? Was hat Meister Koshiro mit unserem Kampf eben zu tun?” Er kannte den Blick, den Dulacre ihm aus dem Augenwinkel zuwarf, Unsicherheit gepaart mit überlegener Intelligenz, äußert nervig. „Nun ja, vielleicht bin ich ja auch schlicht etwas nervös, ihm gegenüberzustehen.” „Was? Warum? Du bist eindeutig viel stärker als er.” „Wie bitte? Ach nein, darum geht es doch nicht.” „Worum dann?” Dulacre seufzte. „Lorenor, es war dir äußerst unangenehm, als deine Crewmitglieder und ich den Konflikt miteinander suchten. Dir ist es wichtig, dass wir miteinander auskommen - und ich hoffe, es ist dir aufgefallen, wie sehr ich mich die letzten Jahre bemüht habe, ihre Anwesenheit zu ertragen?” „Naja, du beschwerst dich doch eigentlich trotzdem unentwegt über sie.” „Ich habe gesagt, dass ich sie dir zuliebe ertrage, nicht, dass ich sie kommentarlos ertrage. Wie dem auch sei, ich erinnere mich, dass jene spannungsgeladene Zeit nicht leicht für dich war, und ich… ich befürchte, dass es für dich ähnlich schwierig wird, wenn ich auf deinen ehemaligen Lehrmeister treffe.” Zorro blieb stehen. „Warum? Was hast du vor?” „Ich habe gar nichts vor”, entgegnete Dulacre mit einem halben Lächeln und breitete unschuldig die Arme aus, blieb ebenfalls stehen. „Aber du kennst mich, Lorenor. Ich bin kein angenehmer Zeitgenosse und die meisten Menschen können mich schlicht nicht leiden - und ich sie noch weniger - und ich würde dir wünschen, dass dein Wiedersehen mit deinem ehemaligen Lehrmeister nicht von einer solchen Anspannung überschattet wird, die dich vielleicht in eine unliebsame Position drängt.” Ach so, jetzt verstand Zorro. Dulacre machte sich mal wieder grundlos einen Kopf über alle möglichen Dinge. „Naja, kann schon sein, aber du hast eine Sache vergessen.” „Und die wäre?” „Ich weiß, was du für einen beschissenen Charakter hast.” Er streckte sich kurz und schritt dann weiter. „Ich erwarte nicht, dass irgendwer dich leiden kann, aber ich will, dass du Meister Koshiro kennenlernst, daher ist es mir egal, wenn es zu Konflikten kommen sollte. Ist sein Problem und vielleicht auch deins, aber mit Sicherheit nicht meins.” „Du hast wie so oft eine sehr eigene Sicht auf die Dinge”, bemerkte Dulacre und schloss zu ihm auf. „Du machst dir also keine Gedanken, dass es uns belasten könnte, sollte er dir einen weiteren Umgang mit mir abraten?” „Nein”, entgegnete Zorro direkt und zuckte mit den Schultern. „Außerdem ist Meister Koshiro eben nicht wie du. Er ist freundlich und kann gut mit Menschen.“ Er sah zu dem anderen auf. „Und wegen sowas Unwichtigem zerbrichst du dir den Kopf? Ist doch egal, ob er dich leiden kann oder nicht, bei deiner Liste dürfte einer mehr oder weniger doch nicht wirklich was ausmachen.“ „Verstehst du es wirklich nicht oder willst du mich gerade zum Narren halten?“ Dulacre seufzte. „Lorenor, es ist mir absolut gleichgültig, ob irgendein drittklassiger Schwertmeister aus dem East Blue“ – „Hey!“ – „mich leiden kann oder eben nicht. Aber er ist ein Mensch, auf dessen Meinung du wert legst, und ich…“ „Ach so“, murmelte Zorro und er konnte Dulacres Blick auf sich fühlen. „Na und? Jiroushin war doch auch nicht besonders begeistert davon, als er herausfand, wer ich war, und er hat auch mit Sicherheit nicht den anderen Mist gutgeheißen. Aber das hat dich nicht aufgehalten, oder?“ Nun zeigte der andere ein kleines Lächeln. „Natürlich nicht. Lorenor, mir ist sehr wohl bewusst, dass…“ „Es stimmt, du bist manchmal echt anstrengend und wir ticken in vielen Dingen anders. Aber mir ist egal, ob Meister Koshiro dich leiden kann oder nicht. Du bist mein Partner und das geht nur mich und maximal noch dich was an. Was andere davon denken, könnte mich nicht weniger interessieren.“ Dulacre war stehen geblieben, also tat Zorro es ihm gleich. Solche nervigen Gespräche waren selten geworden, aber es gab sie noch. Immerhin wusste Zorro sie mittlerweile zu händeln, was sie allerdings nicht weniger nervig machte. „Hach, manchmal vergesse ich, wie du die Welt siehst. Aber ich bin erleichtert über deine Worte und muss gestehen, dass…“ „Zorro! Onkel Hawky! Habt ihr bis jetzt gekämpft?“ Dulacre hinter ihm stöhnte leise auf. „Nervige Bälger.“ Ray und Roshan kamen ihnen gerade entgegen, beide in Trainingsklamotten, Ray gähnend, aber weit ausholend am Winken, Roshan einen halben Schritt dahinter, zurückhaltend. „Was seid ihr denn schon auf?“, bemerkte Zorro. „Macht ihr schon die Morgenrunde? Sehr…“ „Nein“, winkte Ray ab, winkte es etwas zu schnell ab. „Roshan hier wollte…“ Ray schwieg und sah zu Roshan herüber, die den Kopf senkte. „Komm schon, ich bin extra wegen dir so früh aufgestanden, also…“ „Willst du mir was sagen, Roshan?“ … Ray biss sich auf die Unterlippe und sah etwas hilflos zwischen Roshan, Zorro und Dulacre hin und her, rieb sich den Hinterkopf, als Roshan immer noch nicht mit der Sprache herausrückte. Aber Zorro wusste, dass Dulacre ganz bestimmt nicht helfen würde, und er… würde es auch nicht. Etwas verlegen wedelte Ray mit den Armen umher. Schließlich seufzte Dulacre und legte Zorro eine Hand auf die Schulter. „Wir sollten uns nun langsam beeilen, Lorenor, schließlich hast du noch nicht gepackt. Wenn wir in der nächsten Stunde nicht aufbrechen, kommen wir in die Mittagströmung der Kreuzinseln.“ Dann sah er auf Roshan herab, die noch mehr in sich zusammenkroch. „Wenn es nicht so wichtig ist, kannst du es Lorenor auch bei unserer Rückkehr sagen. Aber wenn ihr schonmal auf seid, solltet ihr die Zeit nutzen. Jiroushin wird sich über euer Engagement freuen.“ „Ja klar!“, strahlte Ray enthusiastisch, aber Zorro zweifelte, dass dieser Enthusiasmus den ersten halben Kilometer überstehen würde, doch Dulacre ignorierte sein Patenkind und nickte Zorro nur zu und nach einem zweiten Blick auf Roshan, folgte Zorro seinem Partner. „Meister!“ Sie sprang herum und verbeugte sich. „Ich… ich werde auf Eure Rückkehr warten und bis dahin zu Eurer vollsten Zufriedenheit trainieren!“ Zorro blieb stehen und beobachtete sie, niemand sagte ein Wort, Ray noch angespannter als zuvor. So vergingen mehrere Sekunden. „Ich… ich meinte…“ Zögerlich lugte sie auf, ehe sie sich langsam aufrichtete, die Schultern hochgezogen. „Ich wünsche…d…d… dir und Meister Mihawk eine… gute Reise?“ Es erinnerte ihn an Chopper damals und wie damals füllte es ihn mit einer Wärme und einem Stolz, zu sehen, wie sie sich entwickelte. Sie erzitterte, als er nach vorne schritt, doch er ignorierte es und strubbelte durch ihr wildes Haar. „Vielen Dank, werden wir haben. Ich wünsch dir auch viel Spaß und lass dich ja nicht zu sehr von Ray herumkommandieren.“ Ray begegnete seinem Zwinkern mit einem Grinsen. „Trainiere fleißig, aber mach auch Pausen, verstanden?“ Roshan nickte, kaum merklich unter seiner Hand, wagte nicht, aufzusehen. „Gut, wenn was ist, Jiroushin weiß, wie man uns erreicht. Bis bald.“ „Bis… bald“, kam es leise. „Bis bald! Kommt gut zurück!“, kam es laut. Und dann gingen sie, ließen die beiden Kinder zurück, die hoffentlich ein paar Runden laufen gehen würde. Vor ihnen ragte das Schloss auf. „Ah, was für ein stolzer Lehrmeister“, neckte Dulacre ihn. „Ach, leck mich doch“, knurrte er, während sie die Treppe hinaufstiegen. Dann sah er Dulacre an. „Danke dir.“ „Was? Wofür?“ „Dass du bei ihr die Samthandschuhe anziehst.“ Dulacre erwiderte seinen Blick und zeigte dieses leise Lächeln. „Na komm, beeile dich jetzt und geh packen, damit wir bald aufbrechen können.“     Kapitel 31: Extrakapitel 28 - Fluch und Segen - Teil 3 ------------------------------------------------------ Fluch und Segen – Teil 3   -Mihawk- Es war eine ruhige Reise gewesen. Nicht, dass er etwas anderes erwartet hatte. Dank der Abkürzung durch den Calm Belt hatten sie nur wenige Tage gebraucht und der East Blue war von Natur aus eine sanfte See. Die Zeiten hatten sich etwas geändert, die jungen Leute verstanden oft nicht, warum der East Blue von den Älteren als schwächster der vier Blues betitelt wurde, kamen doch viele der großen Namen aus ebendiesem Meer. Aber das änderte nichts daran, dass die Strömungen und Gezeiten im East Blue im Vergleich zum Rest der Welt fast schon friedlich und sehr berechenbar waren. Nicht selten zogen Veteranen und in die Jahre gekommenen Krieger sich hierhin zurück, ein weiterer Grund für die Ruhe, denn das Alter allein bedeutete noch lange nicht, dass man weniger Vorsicht vor jenen Namen walten lassen sollte. Natürlich galt das nicht für sie beide. Niemand würde es wagen, ihren Weg zu kreuzen, und so kam es, dass sie keinem Schiff nähergekommen waren als dem Horizont. Es stimmte schon, dass die Enge des Sargbootes ihre Bewegungsmöglichkeit beschränkte, aber da sie beide auch hervorragend faulenzen konnten, hatte es fast schon etwas von einem kleinen Urlaub. Insbesondere bei diesem frischen Sommerwind. „Und? Was sagt Jiroushin?“, fragte er, ohne sich umzudrehen, beobachtete die aufgehende Sonne. „Ich hab nicht mit ihm telefoniert“, entgegnete Lorenor ausweichend, der gerade an Deck kam. „Das war der Koch. Er meinte, ein paar Gäste hätten wohl das Sargboot gesehen, und er wollte nur sichergehen, dass nichts passiert ist.“ „Ach so?“ Er sah Lorenor aus dem Augenwinkel an, der sich neben ihn stellte. „Dabei hätte ich schwören können…“ „Halt die Klappe!“, knurrte Lorenor und wandte errötend den Blick ab. „Du kannst Jiroushin schon etwas mehr vertrauen. Er passt gut auf deine Schülerin auf. Du wirst schon sehen, wenn wir zurückkehren, wird sie sich deutlich weiterentwickelt haben.“ „Ich finde…“, murmelte Lorenor nach einigen ruhigen Sekunden, „… dass sie sich schon deutlich weiterentwickelt hat. Weniger ihre Kampffertigkeiten, um ehrlich zu sein – tatsächlich dachte ich, dass sie da schneller sein würde, aber ihr Körper ist wirklich noch sehr schwach – aber… im Zwischenmenschlichen. Oder irre ich mich da?“ „Nein, tust du nicht“, bestätigte er Lorenors Wahrnehmung. „Rays Anwesenheit tut ihr gut. Ein Kind in ihrem Alter, laut und mit eigener Meinung, aber glücklicherweise auch von einem sehr freundlichen Gemüt und trotz allem auch recht rücksichtsvoll. Es wird noch dauern und ihre Vergangenheit wird sie natürlich stets begleiten, aber ich denke, sie kann es schaffen, einige dieser Verhaltensregeln, die ihr aufgezwungen wurden, zu durchbrechen.“ „Bist du dir sicher?“ Er konnte Lorenors Blick auf sich fühlen. Es war keine Unsicherheit, eher eine Nachfrage, ob Dulacre ihn nur beschwichtigen wollte oder ob dies tatsächlich sein Urteil war. „Das bin ich. Schließlich ist sie deutlich intelligenter als du“ – „Na vielen Dank auch.“ – „und sie ist noch jung, da fällt es leichter, falsche Gewohnheiten zu verlernen.“ Für einen Moment schwieg Lorenor, aber dann nickte er, zeigte dieses leise Lächeln. „Das ist gut.“ „Mhm… und was ist mit dem Smutje? Werden wir ihn oder die anderen deiner Crew nach Shimotsuki aufsuchen?“ „Er hat… uns eingeladen“, antwortete Lorenor nach einer weiteren Sekunde. „Aber ich hab noch nicht zugesagt. Ich… einen Schritt nach dem anderen. Ich will mir darüber noch keine Gedanken… da ist sie.“ Am Horizont zeigte sich der schwache Schemen von Festland im schimmernden Licht der Morgensonne. Dulacre nutzte den Moment, um Lorenor zu begutachten, und für einen Moment hatte er fast das Gefühl, als würde dessen 19-jähriges Ich wieder dort stehen, so jung schien er, so sehr leuchtete sein Blick, als sich seine Schultern strafften und er tief einatmete. Kuraigana mochte sein Zuhause geworden sein, seine Crew seine Familie, Mihawk sein Partner, aber auf dieser Insel hatte er nun mal seine Kindheit gebracht, und nun würde er endlich in die Heimat zurückkehren.   Kurze Zeit später schritten sie in einem gemächlichen Tempo einen langen Pfad an Wiesen und Feldern entlang bergauf. Lorenor zeigte einen recht ungewöhnlichen Gesichtsausdrück, wie er von links nach rechts schaute, als wollte er alles aufnehmen, mit leuchtendem Blick aber strengem Mund. Manchmal erwähnt er etwas, erklärte Dulacre eine Veränderung, aber die meiste Zeit schwiegen sie. Es war friedlich, obwohl auf den Feldern gearbeitet wurde, begegneten sie kaum jemandem. Das änderte sich, als sie das nächste Dorf erreichten. Hier herrschte der übliche Trubel eines geschäftigen Alltags, wie sie es auch unten am kleinen Hafen erlebt hatten. „Da vorne ist es“, bemerkte Lorenor und nickte zum Weg, der aus dem Dorf hinausführte, nicht weit dahinter, an dem Fuße eines kleinen Berges konnte man vereinzelte Dächer ausmachen. Es war wirklich nicht weit entfernt vom Wasser, eine kleine Insel, die fast so wirkte, als würden die Unruhen der Welt hier keine Einkehr finden. „Ach, daran erinnere ich mich“, bemerkte Lorenor und nickte zu einem kleinen Laden herüber. „Da haben wir früher, als wir schon was älter waren, immer… Tanjon?“ Gerade war ein jüngerer Mann mit Topfschnitt und schwarzen Haaren aus dem Laden getreten, hatte sich noch nach hinten umgewandt und mit jemandem gesprochen. Doch mitten in der Unterhaltung verstummte er und sah sie an, seine Augen weiteten sich. „Zo…rro? Zorro!“ Er stürmte auf sie zu. „Mann, bist du das wirklich? Ich kann es ja kaum…“ Dann sah er Dulacre und natürlich erstarrte er, so wie es sein sollte. „Tanjon“, entgegnete Zorro freudig und schritt auf den anderen zu, der immer noch Dulacre anstarrte, als wäre er kurz davor, schreiend wegzulaufen. Ach, er hatte nichts von seinem alten Charme verloren. „Du bist wieder hier? Wolltest du nicht auch die Welt bereisen?“ „Ahach“, lachte der Fremde auf und zwang seinen Blick von Dulacre weg auf Lorenor, rieb sich verlegen den Nacken, während seine Wangen warm wurden. „Das hab ich doch eigentlich immer nur gesagt, weil ich nicht hinter dir zurückstehen wollte. Aber kaum warst du aufgebrochen, wurde mir bewusst, dass ich hier eigentlich sehr glücklich bin. Außerdem hätte ich ja schlecht den Meister allein lassen können, nachdem du einfach abgehauen bist.“ „Hey“, lachte Lorenor auf, als der andere ihm spielerisch in die Seite boxte. „Aber das freut mich. Meister Koshiro konnte deine Hilfe mit Sicherheit gebrauchen. Und die anderen?“ „Hajime war tatsächlich für ein paar Jahre auf See, weißt du? Die Fischer von Katsudo hatten ihn als Leibwächter angeheuert und er…“ Er unterbrach sich, als zwei weitere Männer aus dem Laden traten. „Hey! Hajime, Kenta, guckt mal wer da ist?“ Sie alle schienen in etwa Lorenors Alter zu haben und waren zweifelsohne seine ehemaligen Kameraden. Die beiden Neuankömmlinge reagierten wie der Topfschnitt, erst Überraschung, dann große Freude und dann, sobald sie Dulacre bemerkten, eine Mischung aus Verwirrung und Angst. „Kenta, los! Lauf und sag dem Meister Bescheid“, meinte dann der Topfschnitt und nach einem weiteren Moment des Starrens, nickte der Glatzkopf kurz, sah noch einmal zu Lorenor, zeigte ein Grinsen und grüßte ihn knapp, ehe er sich umwandte und den Weg entlanglief. „Der Meister hat gewusst, dass du kommen würdest!“, sagte dann der Lockenkopf, deutlich zu laut. „Vor über einem Monat hat er es schonmal erwähnt, dass er sich sehr freuen würde, dich nochmal wieder zu sehen, und letzte Woche sagte er, dass du wohl bald kommen würdest.“ Dann glitt sein Blick zu Dulacre hinüber und Lorenor schien dies wohl zu bemerken, denn er grinste nur breit und deutete mit dem Daumen auf Dulacre. „Der gehört zu mir“, erklärte er salopp anstatt einer vernünftigen Vorstellung, aber Dulacre war dies recht, ihm war gleich, wer diese Männer waren. Aber er konnte sehen, dass Lorenors Erklärung die anderen eher noch mehr verwirrte als alles andere. „Dann kommt, wenn Meister Koshiro schon weiß, dass ich komme, möchte ich ihn nicht warten lassen.“ Dulacre folgte einen Schritt hinter ihnen, hörte ihnen zu, wie sie über dies und das sprachen, Fragen stellten, an vergangene Zeiten erinnerten. Es war deutlich, dass die Drei viele Jahre miteinander verbracht hatten und für einen Moment war Lorenor nicht mehr der beste Schwertkämpfer der Welt, nicht mehr gefürchteter und berüchtigter Pirat, einer der stärksten Krieger, sondern einfach nur ein Lehrling eines Dojos. Schnell war jedoch auch unverkennbar, dass Lorenor wohl schon damals deutlich ehrgeiziger und verbissener trainiert hatte als seine Mitstreiter. Der Lockenkopf zeigte stolz seine Narben von seiner Zeit auf hoher See und erzählte, wie er selbst erst vor wenigen Monaten zurückgekehrt war, unterbrach sich jedoch, als sie endlich das kleine Dojo erreichten. Sie alle hielten inne, als Lorenor stehen blieb, tief atmete er ein, leuchtender Blick, warmes Lächeln. Der Vorhof war klein, es war ein simples Dojo, gut gepflegt, der Name stand draußen in einfachen Zeichen. Mehrere Dutzend Schüler verschiedener Altersklassen trainierten im Vorhof die üblichen Grundschritte, unter Anleitung von ein paar weiteren Lehrlingen. Lorenor stieß einen leisen Laut, fast ein Auflachen, aus, als er sie sah. Dies war also der Ort, an dem Lorenor den Großteil seiner Kindheit verbracht hatte. Als erstes bemerkten sie mehrere Kinder, erstarrten regelrecht in ihren Übungen, manche zeigten sogar auf sie und innerhalb von weniger Sekunden brach das strukturierte Training in sich zusammen. „Nana, denkt daran, ihr seid mitten in einer Einheit. Keine Unterbrechungen“, korrigierte sie ein älterer Mann, der gerade auf die Terrasse des Haupthauses trat und zur Ordnung mahnend mehrmals mit den Händen klatschte. „Nur weil wir Besuch bekommen haben, solltet ihr euch nicht ablenken lassen. Ganz gleich, wie bekannt die Namen auch sein mögen.“ Die Schüler reagierten fast augenblicklich auf die sanften Worte des Lehrmeisters, auch wenn hier und da noch ein verstohlener Blick in ihre Richtung glitt, die Lehrlinge hingegen glotzen sie unverhohlen an. Doch der Lehrmeister ignorierte dies und schenkte ihnen ein freundliches Lächeln, trat einen Schritt zur Seite und deutete mit einer Geste in die Räumlichkeiten seiner Kendo-Schule. „Kommt doch bitte herein.“ An der Terrasse zum Trainingsraum blieben Lorenors Kameraden zurück und Lorenor ließ sich auf dem Boden nieder, während die Türe hinter ihnen geschlossen wurde, in angemessener Haltung, wie es in einem Dojo üblich war, sein ehemaliger Lehrmeister am Kopfende des Raumes, in der gleichen Haltung; Dulacre blieb an der Türe stehen. „Meister Koshiro.“ Tief verneigte Lorenor sich, stützte die Fäuste auf dem simplen Holzboden ab. „Ich bin zurückgekehrt.“ „Willkommen zurück.“ Für einen Moment schwiegen sie, dann erhob Shimotzuki Koshiro sich und schritt auf Lorenor zu. „Und nun, da wir die Formalien hinter uns gebracht haben, lass mich dich ansehen, Zorro.“ Mit weit geöffneten Armen hieß er Lorenor willkommen, der sich nochmal verneigte und dann aufrichtete, ein ehrliches Lächeln auf den Lippen, während sein ehemaliger Lehrmeister ihn mit warmem Blick begutachtete, ihm schließlich auf die Schultern klopfte und dann – offensichtlich zu Lorenors Überraschung – in eine Umarmung zog. „Me… Meister?“, kam es von ihm, ohne dass er sich wirklich bewegte. „Ich denke nicht, dass es angemessen für den besten Schwertkämpfer der Welt ist, mich noch Meister zu nennen“, entgegnete Shimotzuki mit einer Wärme in seiner Stimme, löste die Umarmung und hielt Lorenor an der Schulter fest. „Welche Freude, dich wiederzusehen.“ „Ganz gleich, was ich erreiche und welche Titel ich erlange, Sie werden immer mein Lehrmeister bleiben.“ Die schmalen Augen des alten Mannes wurden glasig. „Du warst immer schon ein sehr selbstloser, gütiger Mensch.“ Dann glitt sein Blick beinahe schon zufällig auf Dulacre. „Oh“, kam es von Lorenor und er machte einen halben Schritt in Dulacres Richtung, ohne sich von der Hand seines ehemaligen Lehrmeisters auf der Schulter zu lösen. „Darf ich vorstellen, Mihawk Dulacre. Er ist mein Partner.“ „Mhm“, machte der alte Mann nur. „Dulacre, Meister Koshiro.“ Dulacre schritt in den Raum hinein. „Eine Ehre, ich hätte nicht gedacht, Euch je kennenzulernen, Herr Mihawk“, bemerkte der alte Mann. Einen Schritt neben Lorenor blieb er stehen und begegnete diesem ehrlichen Blick. Dann neigte er seinen Kopf zu einer knappen Verbeugung. „Herr Shimotzuki, es ist mir eine Freude, Sie kennen zu lernen. Es scheint mir, als wäre ich Ihnen zu großen Dank verpflichtet.“ Er ignorierte Lorenors ungläubiges Gesicht im Augenwinkel. „Obwohl Ihre Fähigkeiten so beschränkt sind“ – „Hey!“ – „waren Sie Lorenor ein guter Lehrmeister und haben ihm Halt und Ausbildung geboten, wenn andere gescheitert wären. Ohne Ihr Zutun wäre er nicht der geworden, der er heute ist, und dafür schätze ich Sie sehr.“ „Oh, vielen Dank“, lachte Shimotzuki auf und rieb sich verlegen den Nacken. „Solch wohlwollenden Worte hätte ich mir von Euch nicht zu hoffen gewagt, Herr Mihawk, wo Ihr doch so bekannt seid für Eure scharfe Zunge.“ „Irren Sie sich nicht“, entgegnete Dulacre und begutachtete ihn kühl. „Es ist nichts Wohlwollendes an meinen Worten, aber auch, wenn Ihre Qualitäten als Schwertkämpfer… bedauerlich sind, so kann ich Ihre Qualitäten als Lehrmeister doch anerkennen.“ „Ernsthaft?!“, knurrte Lorenor von der Seite und sah ihn kopfschüttelnd an. „Beeindruckend.“ Shimotzuki sah ihn aufmerksam an. „Ein Blick und Ihr habt meine Fähigkeiten direkt erfasst. Aber eigentlich sollte es mich nicht überraschen, Euer Können muss ohnegleichen sein. Schließlich hat es noch niemand geschafft, den Titel so lange zu halten wie Ihr.“ „Das stimmt, allerdings hatte ich auch gar keine andere Wahl. Es hat lange gedauert, einen würdigen Nachfolger zu finden.“ Noch einen Moment musterten sie einander, dann sahen sie gleichsam zu Lorenor, der zwischen ihnen stand und unter ihren Blicken errötete. „Was auch immer“, bemerkte er und raufte sich die Haare, ehe er sich seinem ehemaligen Lehrmeister zuwandte. „Ich würde gerne zum Grab gehen und…“ Er verstummte, als Shimotzuki verständnisvoll nickte. „Mach nur, mach nur. Wir können später reden. Du solltest sie nicht zu lange warten lassen.“ Lorenor nickte mit einem sanften Lächeln. „Herr Mihawk, darf ich Euch zu einer Tasse Tee einladen? Ihr müsst eine lange Reise gehabt haben, ich möchte Euch angemessen empfangen.“ Er begegnete dem klugen Blick des alten Lehrmeisters. „Sehr gerne.“ Dann nickte er Lorenor zu, der nur kurz zu ihm herübersah, ebenfalls nickte und ohne jegliches Zögern ging. „Eine Frage hätte ich allerdings doch“, bemerkte Shimotzuki mit nachdenklichem Unterton, als Lorenor die Türe hinter sich zuzog. „Als Zorro Euch seinen Partner nannte, meinte er da…?“ „Nein“, widersprach Dulacre mit leiser Anspannung, „er meinte es im romantischen Sinne.“ „Oh, das überrascht mich dann jetzt doch etwas.“ Shimotzuki zeigte ein leichtes Lächeln. „Nun ja, er ist halt erwachsen geworden, nicht wahr? Wobei er seine kindliche Unschuld leider schon sehr früh hatte verlieren müssen.“ „Und dennoch ist dies der Ort, an dem er in Sicherheit Kind sein und erwachsen werden durfte.“ Der ältere Mann wandte sich zu ihm um, seine schmalen Augen weit geöffnet. „Ihr scheint ihn gut zu kennen.“ Dies bescherte Dulacre ein Lächeln. „Vermutlich besser als er selbst, aber das sollte keine Überraschung sein.“ „Nicht?“ Doch was auch immer Shimotzuki damit meinte, behielt er für sich, während er Dulacre ins angrenzende Teehaus führte. Dort warteten sie in Stille, während der Glatzkopf ihnen Tee servierte, ihn immer wieder misstrauisch beäugte. Dulacre hatte nicht viel übrig für diese alten Traditionen, aber er war sich bewusst, wie viel Respekt der Lehrer ihm gegenüber damit ausdrücken wollte, und das konnte er immerhin annehmen. Also drehte er die Schale ein-zwei Mal, wie es Brauch war, ehe er schließlich den milden Tee trank. Endlich hatte der Glatzkopf seine Aufgabe erledigt und verließ den Raum. „Nun?“, erhob Dulacre die Stimme. „Sie haben etwas zu sagen?“ Erneut weiteten sich die Augen des anderen. „Ihr seid wirklich sehr direkt“, meinte er ruhig. „Ich bin kein Freund der belanglosen Plauderei und wenn Sie schon das Gespräch mit mir suchen, dann bevorzuge ich, unumwunden zur Tat zu schreiten. Alles andere wäre sinnlose Zeitverschwendung.“ Shimotzuki schwieg. Offensichtlich dachte er über Dulacres Worte nach, während er ihm Tee nachgoss. Dann setzte er sich hin und begutachtete Dulacre nachdenklich. „Ihr scheint mir ein sehr unbeugsamer, ernsthafter Mensch zu sein. Ich habe schon viel von Euch gehört, rationaler Stratege, herzlos, gnadenlos, emotionslos, die Zeitungen haben nie einen Hehl darum gemacht, Euch als unmenschliches Monster darzustellen. Aber selbst in den Kreisen der Schwertkunst klangen die Töne ähnlich. Schlicht zusammengefasst hattet Ihr auf mich immer den Eindruck eines kaltherzigen, abweisenden Einzelgängers“, forderte er Dulacres Geduld heraus. „Die vergangenen Jahre waren die Gerüchte über Euch deutlich widersprüchlicher, sodass ich Zweifel an meiner Wahrnehmung hegte. Aber nun, da Ihr mir gegenübersitzt, sehe ich meine ursprüngliche Einschätzung bestätigt, oder würdet Ihr widersprechen?“ „Nein.“ „Mhm“, entgegnete Shimotzuki nur und senkte seinen Blick auf den Tee in seinen Händen. „Ihr sagtet, Ihr würdet Zorro sehr gut kennen. Dann wisst Ihr mit Sicherheit auch viel über seine Vergangenheit, seine Zeit hier auf dieser friedlichen Insel, in dieser kleinen, unscheinbaren Schule.“ „Natürlich.“ Nun neigte Shimotzuki leicht den Kopf. „Wieso begleitet Ihr Zorro dann an diesen Ort? Ihr seid sehr unverhohlen darin, Eure Ablehnung zu zeigen, daher denke ich nicht, dass Eure Wertschätzung mir gegenüber, die Ihr vor Zorro zum Ausdruck brachtet, gelogen war. Aber warum?“ „Unnötige Fragen, simple Antworten“, entgegnete er mit einem Augenrollen. „Ich kann wertschätzen, was Sie für Lorenor in der Vergangenheit getan haben, unabhängig von Ihren mangelnden Fertigkeiten als Schwertkämpfer und Ihrem absoluten Versagen als Vater. Mich interessiert lediglich, was Sie für Lorenor getan haben, der Rest ist mir einerlei.“ Shimotzuki stieß einen leisen Laut aus, während Dulacre sprach, und stellte seinen Tee hin, um seine Brille abzunehmen, rieb über die Gläser, als müsse er sie reinigen. „Und die Antwort, warum ich Lorenor begleitet habe, ist ebenso simpel. Weil er es wollte und mich darum bat. Ihm war es wichtig, mir den Ort seiner Kindheit zu zeigen, und mir war es wichtig, den Ort seiner Kindheit zu sehen. Nicht mehr, nicht weniger.“ Es war still, aber Dulacre dachte überhaupt nicht dran, diese Stille zu brechen. „Puh“, kam es dann schließlich von Shimotzuki, als er seine Brille wieder aufsetzte. „Ich war ja auf Eure Schonungslosigkeit vorbereitet, aber solche Worte von einem Fremden zu hören…“ „Wenn etwas simple Ehrlichkeit für Sie schon zu viel ist, hätten Sie mich nicht zum Tee einladen sollen“, entgegnete er kühl, „aber Sie wussten von meiner Schonungslosigkeit und dennoch sind wir nun hier. Also nur zu, erklären Sie sich, rechtfertigen Sie sich, verteidigen Sie sich, vor mir. Ich gebe Ihnen die Chance, für Lorenor, sagen Sie mir, warum Sie bei Ihrer Tochter so versagt haben, obwohl Sie aus derselben Generation stammen wie meine Schwester.“ Eine Spannung glitt durch den anderen Mann, sein Mund eine dünne Linie, die Schale in seinen Händen erbebte regelrecht. Für einige Atemzüge blieb nichts im Raum als diese Spannung, aber Dulacre war das gleich. „Er wusste es also“, sagte er dann schließlich. „Ich war mir nicht sicher, ob Kuina es ihm damals erzählt hat, aber nach Euren scharfen Bemerkungen… er wusste es, die ganze Zeit und dennoch… dennoch zollt er mir solchen Respekt. Habt Ihr ihm nicht von Eurer Schwester erzählt?“ „Durchaus“, entgegnete Dulacre kühl. „Aber Lorenor ist sehr wohl in der Lage zu differenzieren. Er hat großen Respekt vor Ihnen und ist Ihnen dankbar, für alles, was Sie getan haben, und dennoch hat er natürlich seine eigenen Meinungen und Ansichten, die teilweise von Ihren abweichen.“ „Und Ihr? Ihr verurteilt mich, nicht wahr?“ Klar begegnete er Dulacres Blick. „Ich bin überrascht, dass Ihr noch nicht versucht habt, Zorro den Respekt mir gegenüber auszureden.“ „Oh, nehmen Sie sich nicht so wichtig. Sie sind nicht die erste schwache Vaterfigur, die mir in meinem Leben begegnet ist, das interessiert mich wenig. Sie haben Lorenor den Weg bereitet, dafür bin ich Ihnen dankbar, das Leben und der Tod Ihrer Tochter berührt mich nicht.“ Shimotzuki schluckte und für einen Moment entglitten ihm die Gesichtszüge, dann hatte er sie wieder unter Kontrolle. „Und dennoch, obwohl Ihr wusstet, weshalb ich das Gespräch mit Euch suchen würde, wollt Ihr, dass ich mich vor Euch rechtfertige, wie Ihr es nanntet. Wieso?“ „Ich habe meine Gründe.“ „Aber die werdet Ihr mir nicht sagen?“ „Nein.“ Stille. Nach einigen Sekunden zog der alte Lehrmeister die Augenbrauen verdutzt nach oben, lehnte sich zurück und positionierte sich etwas neu, ehe er sich leise räusperte. „Nun gut. Ihr habt Recht, natürlich habe ich den Aufstieg Eurer Schwester mitverfolgt. Ich war selbst noch grün hinter den Ohren, als die Gerüchte eines Wunderkindes über die Blues hinwegschwappten. Ich erinnere mich gut. Ein junges Mädchen, eine Mihawk – natürlich eine Mihawk – kaum ein Dutzend Jahre alt, und sie hatte angeblich schon namhafte Schwertkämpfer geschlagen, gewiss schlug das hohe Wellen. Ich war neugierig, wie wohl ihr Kampfstil war, wenn alle ihre Gegner größer, schwerer und stärker sein mussten, doch ich hörte, wie die Älteren sprachen und manche von uns Jüngeren übernahmen es. Sind doch alles nur Gerüchte. Vielleicht ist sie ja ganz talentiert, aber wahrscheinlich war es für die richtigen Schwertkämpfer nie ein ernsthafter Kampf. Sie haben sie doch gewinnen lassen, keiner bringt kleine Mädchen gerne zum Heulen. Egal, wie stark sie für ihr Alter sein mag, Frauen werden im Endeffekt immer schwächer sein als Männer.“ Shimotzuki schwieg für mehrere Sekunden, begutachtete seine Teeschale nachdenklich. „Ich weiß, wie seltsam ich es damals fand. Jeder schien eine Meinung zu haben und jeder meinte, erklären zu müssen, warum diese Gerüchte nicht stimmen könnten. Als würden sie sich bedroht fühlen, in ihrem Stolz verletzt, obwohl es doch auf der Welt so viele Schwertkämpfer gab, die besser waren, oder über die es unglaubwürdige Geschichten gab, aber nur bei der Prinzessin des Schwertkampfes wurde es immer in einem Nebensatz erwähnt. Doch ganz gleich, was alle sagten, die Gerüchte wurden lauter, der Name bekannter, und irgendwann krönte sich das Prinzesschen selbst zur Königin, sogar die größten Schwertkämpfer der damaligen Zeit verneigten sich vor ihrem Können und priesen sie als beste Schwertkämpferin der Welt an, selbst das Gemunkel verstummte und ich habe nicht mehr viel darüber nachgedacht.“ Er seufzte schwer und Dulacre stellte seinen Tee ab. „Als… Die Nachricht von Mihawk Sharaks Tod hat die Welt deutlich mehr erschüttert, als viele es sich wohl eingestehen wollten. Sie war so jung gewesen, so vielversprechend, hatte so unbezwingbar gewirkt, und natürlich waren die alten Worte wieder laut geworden. Ich selbst habe zu der Zeit meine Frau kennengelernt und ich weiß noch, wie mich des Nachts die Gedanken heimgesucht haben, wie quälend furchtbar ein solcher Verlust wohl sein musste.“ Wieder schwieg er und Dulacre merkte, dass er diese ruhige Art nicht wirklich gut leiden konnte. „Diese Erinnerungen verblassten mit der Zeit, ich heiratete meine Frau, Ihr habt den Titel des besten Schwertkämpfers errungen, und ich habe diese Kendoschule übernommen. Mit den Jahren kannte man nur noch einen Mihawk, den berüchtigten Falkenauge, über den es so viele Gerüchte gab, die doch so fantastisch unglaubwürdig waren, dass sie wahr sein mussten… Ich glaube, manche waren dankbar, den Namen Ihrer Schwester vergessen zu dürfen. Ich weiß nicht, ob ich ihn selbst ebenfalls vergessen habe, aber als meine Tochter geboren wurde, da hielt ich sie im Arm, hielt die Hand meiner erschöpften Frau, und alles, woran ich denken konnte, war jener Zeitungsartikel.“ Mit einem Ruck sah er plötzlich auf und begegnete Dulacres Blick, die schmalen Augen weit geöffnet. „Es war keine bewusste Entscheidung, nicht mal das kann ich mir zugutehalten. Es passierte unbewusst, je älter meine Tochter wurde, desto weniger Schülerinnen nahm ich auf, desto öfter sagte ich jene Worte, die ich in meiner Jugend gehört hatte… und glaubte sie. Frauen sind nicht für den Kampf gemacht, sie werden immer schwächer als Männer sein. Aber Kuina… oh, Ihr hättet ihr Talent gesehen, ihren Willen, ihre… Kampfesfreude.“ Er zeigte ein Lächeln, fast so etwas wie Stolz, doch dann schwand es. „Viele in der Schule behaupteten, Kuina würde bevorzugt behandelt, sie wäre gar nicht so gut, aber die Älteren würden sich nicht trauen, gegen sie zu gewinnen, weil sie meine Tochter sei. Es war Unsinn, aber ich habe nichts dagegen gesagt. Bis Kuina acht war, war ich dagegen gewesen, sie am Unterricht in meiner Schule teilnehmen zu lassen, aber sie trainierte alleine, beobachtete mich, meine Lehrlinge und auch die Schüler – und wer weiß, was mein Vater für einen Anteil hatte, ehe er starb - und irgendwann musste ich eingestehen, dass sie talentierter war als alle anderen in der Schule, ach, als alle anderen auf der Insel, einschließlich mir selbst.“ „Sogar talentierter als Lorenor?“ „Oh, das weckt Ihr Interesse, nicht wahr?“ Er entgegnete nichts, sondern sah Shimotzuki nur kalt an, bis dieser den Blick senkte. „Zorro… Manchmal gibt es ein paar Jugendliche oder Erwachsene, die den Schwertkampf noch lernen wollen, aber die meisten Kinder in meiner Schule treten zwischen vier und sechs Jahren ein. Kuina und Zorro kamen beide jeweils erst mit acht dazu und man möchte meinen, dass es ihnen einen gewaltigen Nachteil beschert hätte, aber während bei Kuina die meisten noch meinten, ich hätte sie privat trainiert, hatte Zorro keine Vorbildung im Schwertkampf, aber… innerhalb weniger Wochen war er besser als alle aus seinem Jahrgang, er brauchte nicht mal ein Jahr, um sämtliche Schüler – und Lehrlinge – dieser Schule zu besiegen, alle bis auf Kuina. Egal, was er tat, er besiegte sie nicht.“ „Sollten Sie darüber nicht stolz sein?“ Überrascht sah der andere auf und schüttelte dann den Kopf. „Ich hoffe, sie war stolz, sie hat beeindruckendes geleistet, ich hingegen… Ihr habt ganz recht mit Euren Worten, ich war ein sehr schlechter Vater. Ihr müsst wissen, als ich Zorros Talent sah, war ich… obwohl ich doch eine so talentierte Tochter hatte, gegen die Zorro nicht ein einziges Mal hatte bestehen können in ihren abertausenden Kämpfen, steckte ich in ihn meine Hoffnungen und ich widersprach auch nicht, als manche überlegten, ob er nicht eines Tages ein geeigneter Nachfolger sein würde.“ Erneut seufzte er und sah Dulacre dann an. „Also ja, Ihr habt Recht. Ich habe als Vater versagt. Die Worte, die ich einst belächelt habe, glitten wie selbstverständlich über meine Lippen, obwohl ich wusste, dass die Jüngeren mir nachplapperten, obwohl ich wusste, dass sie es hören würde, von ihnen und von mir. Ich weiß nicht mal genau, warum ich es tat, warum ich diese Worte glaubte. Vielleicht wollte ich sie davon abhalten, den Kampf zu suchen. Ich dachte wohl, ich würde sie vor einem schrecklichen Schicksal bewahren, wenn ich ihren Willen brechen würde, ich dachte wohl, ich würde so ihr Leben retten, aber schlussendlich verlor ich sie dennoch, an einen so alltäglichen Unfall, der so viel grausamer war, als ich mir je hätte vorstellen können.“ Resigniert leerte Shimotzuki seinen Tee, hatte offensichtlich seine Ausführungen beendet, und so saßen sie dort für einige Sekunden in Stille. „Sie irren sich“, bemerkte Dulacre schließlich, erhob sich und stellte seine Schale weg, wissend, dass dies nicht den Formalien entsprach. „Wie bitte?“ Shimotzuki klang verdutzt, aber Dulacre wandte ihm weiterhin den Rücken zu. „Glauben Sie mir ruhig. Sie mögen als Vater versagt haben, aber den Willen Ihrer Tochter konnten Sie nicht brechen.“ Einen Moment noch hielt er die Schale fest. „Dafür waren Sie zu schwach und sie war zu stark.“ Shimotzuki atmete auf, als wollte er etwas sagen, schwieg jedoch. Erst nach einigen Sekunden erhob er erneut die Stimme: „Darf ich Euch etwas sehr Anmaßendes sagen?“ Das entlockte Dulacre dann doch ein leises Auflachen. „Ich erheitere Euch?“ „Gewiss, Lorenor hatte mich bereits gewarnt, aber Sie sind wirklich ein fast schon zu höflicher Mann. Nun gut, ich höre.“ Dabei wusste er, was kommen würde, so wie ihn nichts des bisherigen Gespräches überrascht hatte. „Ihr… Ihr erinnert mich etwas an… meine Tochter.“ Dem anderen immer noch den Rücken zugewandt, musste er schmunzeln. „Ich hatte Sie nicht für so herzlos gehalten, die eigene Tochter mit einem Monster zu vergleichen.“ „Wa… nein.“ Er konnte hören, wie Shimotzuki völlig überrumpelt auf die Beine stolperte. „So meinte ich das nicht und ich… Verzeiht, ich wollte Euch nicht beleidigen.“ „Das haben Sie nicht.“ Langsam wandte er sich dem anderen zu, immer noch belustigt von dieser Situation. „Sie glauben, Ihre verstorbene Tochter sei mir ähnlich gewesen? Irgendein Mädchen aus dem East Blue mit ein bisschen Talent?“ „Ja, so ist es.“ Shimotzuki lächelte nicht. „Natürlich sind mir die Unterschiede bewusst und meine Tochter hatte nie die Möglichkeit erwachsen zu werden, sich zu entwickeln, zu reifen, Euren Titel anzugreifen. Aber die Parallelen sind unverkennbar.“ „Ach, sind sie das?“ Und mit einem Mal war da dieses leise Lächeln. „Sagt Ihr es mir? Sie liebte den Schwertkampf, ich habe nie einen Menschen gesehen, der den Schwertkampf so sehr liebte wie dieses Kind. Andere Kinder nahmen Kuscheltiere mit ins Bett, sie das Schwert ihres Großvaters. Sie war ein ernstes Kind, hatte nicht viele… hatte nicht wirklich Freunde, aber man brauchte nur den Schwertkampf erwähnen und sie blühte auf. Sie war eine Einzelgängerin, isoliert von den anderen Schülern, woran ich mit Schuld trug, missverstanden und von dem ein oder anderem auch ein bisschen gefürchtet, schließlich hatte sie das Temperament und den Stolz ihrer Mutter.“ Shimotzuki schritt neben ihn und stellte ebenfalls seine Schale ab. „Und noch eine Gemeinsamkeit.“ „Lorenor.“ „Ganz recht. Sie mochte ihn am Anfang nicht, müsst Ihr wissen, er war sehr großspurig und vielleicht etwas zu selbstbewusst. Aber sie durchschaute sein Können sofort und fand ihn daher wohl etwas anmaßend, genoss es, dass er sie nie besiegen konnte.“ Er schenkte Dulacre einen kurzen Seitenblick. „Doch mit der Zeit lernte sie ihn leiden. Vermutlich… ich vermute, er war derjenige, der auf sie zugegangen ist, nicht umgekehrt, auf keinen Fall umgekehrt. Außerdem, wenn jemand je ihre Freude an einem Kampf, ihren Willen sich zu verbessern, verstanden hat, dann muss es Zorro gewesen ein. Denn es gab niemanden hier in dieser Schule, der so hart trainiert hat wie sie, niemand außer Zorro.“ Wieder schwiegen sie. „Ich denke, ich werde nun Lorenor beim Grab Ihrer Tochter aufsuchen.“ „Bitte verzeiht, ich sagte ja, es sei anmaßend“, rechtfertigte sich Shimotzuki dann, als Dulacre sich zur Tür wandte, und verneigte sich knapp. „Ich verehre das Schwert“, sprach Dulacre dann kühl weiter, als hätte der andere ihn nicht unterbrochen. „Es gibt nichts auf dieser Welt, was mich so sehr erfüllt wie die Kunst des Schwertes. Meine Schwester hat es verstanden, sie mit ihrer direkten, ehrlichen Art, auch sie hat das Schwert geliebt, auch sie hat den Kampf geliebt.“ Langsam sah er den anderen an. „Mir ist sehr wohl bewusst, dass Ihre Tochter und ich gewisse Charakterzüge teilen, so wie Lorenor gewisse Charakterzüge mit meiner Schwester teilt, aber die Unterschiede werden wohl überwiegen. Doch das eine, was uns alle verbindet, ist die Hingabe zum Schwerte, und nur wahre Schwertkämpfer werden das je verstehen können.“ Die schmalen Augen hinter der Brille weiteten sich und dann verneigte Shimotzuki sich tief. „Ich danke Euch!“ „Tze, wie unnötig.“ Er brauchte nur wenige Minuten, um Lorenor zu finden, ignorierte die Augen, die ihn verfolgt hatten, fand seinen Partner an einem schlichten Grabstein. Als er sich dazu gesellte, schaute Lorenor kurz zu ihm auf, sein sanftes Lächeln auf den Lippen. „Die Schule steht ja noch.“ „Ach bitte, als wäre sie meinen Zorn wert.“ In Stille waren sie da, Dulacre lehnte gegen irgendeinen Grabstein, Lorenor kniete auf dem Boden. Der Wind raschelte in den Blättern und angenehme Luft wehte über sie hinweg. Es war friedlich, Lorenor meist mit geschlossenen Augen, manchmal sah er zum Grabstein auf, manchmal zum Himmel, Worte in der Luft, die wohl nie gesprochen werden würden, die wohl nie gehört werden würden. Dulacre ließ seinen Blick über die Umgebung wandern, wie ein Unbeteiligter, der einem fremden Gespräch lauschte, ohne zuzuhören. Irgendwann erhob Lorenor sich und begegnete seinem Blick, ehe er sachte nickte. Gemeinsam schritten sie zurück zur Schule, dort hatte gerade das Nachmittagstraining begonnen. Doch Shimotzuki saß nicht, wie es für den Lehrmeister üblich sein sollte, auf der Terrasse, sondern erwartete sie am Eingang. „Ich würde mich freuen, wenn ihr euch etwas zu mir gesellen würdet. Ein bisschen Nostalgie kann sicherlich nicht schaden, oder Zorro?“ Lorenor grinste breit. „Ich würde zwar lieber mitmachen, aber meinetwegen, dann bin ich halt mal nur der Beobachter, wollte das eh noch ein bisschen üben.“ Shimotzuki quittierte diese Aussage mit einem leichten Stirnrunzeln, ging dann jedoch mit ihnen zur Terrasse und bot ihnen einen Platz zum Zuschauen an, also saßen sie da. Doch während Lorenor ab und an ein paar warme und wohlwollende Worte mit seinem ehemaligen Lehrmeister austauschte, wurde es Dulacre langsam zu viel. „Das reicht jetzt!“, knurrte er und erhob sich, brachte sämtliche Schüler und Lehrlinge zum Erstarren. Kurz sah er zu Shimotzuki herüber. „Sie können mich nicht einladen und dann erwarten, dass ich mir dieses Trauerspiel kommentarlos ansehe.“ „Hey, lass den Scheiß!“ Lorenor erhob sich bereits, unterbrach sich jedoch, als Shimotzuki beruhigend eine Hand hob. „Herr Mihawk, es ist mir eine Ehre, dass Ihr diese bescheidende Schule mit Eurer Anwesenheit würdigt. Es tut mir leid, wenn unsere Leistung Euren Ansprüchen nicht genügen kann.“ Einen kurzen Moment sahen sie einander an und Worte waren unnötig, also schnaubte Dulacre nur auf, rollte mit den Augen und nickte knapp. „Ja, es ist eine Ehre für diese Schule“, murrte er nur unbeeindruckt und schritt auf den Glatzkopf zu. „Du, herkommen!“ Es sprach für ihn, dass er nicht augenblicklich zusammenbrach, aber er zitterte, als er durch die Reihen der Schüler schritt und vor ihm stehen blieb, doch Dulacre wandte sich den übrigen Schülern zu. „Ich werde es nur einmal sagen, also hört gut zu. Ich unterrichte den Durchschnitt nicht, es ist nichts Erbauliches daran, schlechte Leistung zu begutachten. Aber euer Lehrmeister hat die Grundsteine in der Ausbildung des derzeitigen besten Schwertkämpfers der Welt gelegt und aus diesem Grund, und nur aus diesem Grund, bin ich gewillt, eine einmalige Ausnahme zu machen.“ Kalt starrte er sie nieder und keiner wagte, zu sprechen. „Doch ich bin nicht bereit, meine Methoden an den Durchschnitt anzupassen, daher merkt euch folgendes, ich wiederhole mich nicht, man unterbricht mich nicht, man spricht nicht, wenn ich spreche und was ich sage, ist Gesetz. Niemand von euch muss an dieser Einheit teilnehmen, also wenn ihr dies nicht aushaltet oder nicht bereit seid, in den folgenden Stunden zu tun, was ich verlange, dann verschwindet. Ich habe keine Zeit an Müßiggänger zu verschwenden.“ Naturgemäß regte sich niemand. „Gut. Glatzkopf hier wird jetzt die Grundschritte ausüben und ich werde ihn korrigieren. Schaut genau zu, hört genau zu, vereinnahmt jedes Wort und jede Position.“ Er zeigte auf den Glatzkopf. „Los, Glatzkopf!“ „Uhm… mein Name ist…“ „Sehe ich so aus, als würde mich dein Name auch nur im Mindesten interessieren? Fang an oder verschwinde.“ Er konnte Lorenors Blick auf sich fühlen – wie die Blicke aller, aber die anderen waren ihm gleich – während er die offensichtlichen Fehler des Lehrlings hart korrigierte, seine Schultern packte, seine Füße in die richtige Position stieß. Er kannte die Lehre und Vorgehensweise der meisten Schulen, aber für diese langsame Art der Verbesserung fehlte ihm die Geduld. Natürlich konnte man auch mit den tausendsten Wiederholungen langsam seine Position und Haltung verbessern, aber das war ihm zu wenig. Es gab viel zu korrigieren und er musste sich oft wiederholen, ein Naturtalent war der Glatzkopf bei weitem nicht, aber er versuchte es, immerhin, und er brach nicht sofort weinend unter Dulacres harten Worten zusammen, immerhin. Die restlichen Schüler knieten auf der Erde und sahen zu, aber natürlich waren es nur Kinder und natürlich verstanden sie nicht, verloren mit der Zeit die Konzentration und warfen sich gegenseitig Blicke zu, manche von ihnen höhnisch, vermutlich hatte es etwas Befriedigendes, dass der Lehrling, der einen stets korrigierte und vielleicht auch ab und an piesackte, nun ununterbrochen korrigiert wurde und sich unter fremder Lehre quälte. „In Ordnung, das reicht.“ Hart durchatmend warf der Glatzkopf sich nach vorne und stützt beide Hände auf den Oberschenkeln ab, während Dulacre sich umwandte. „Macht es Spaß? Schön, jemandem dabei zuzusehen, wie er versucht, sein Bestes zu geben, während man selbst dabei faulenzt, nicht wahr? Lasst es mich klarstellen. Dieser Glatzkopf hier ist besser als ihr alle anderen, deshalb habe ich ihn ausgewählt. Jeder andere von euch wäre mittlerweile bereits vor Erschöpfung zusammengebrochen. Also belächelt ihn, genießt, dass ich ihn malträtiere, aber erkennt, dass er gerade von dem besten Lehrmeister der Welt eine private Einheit erhalten hat, während ihr anderen nur zugucken durftet.“ Dann deutete er auf die übrigen Lehrlinge, auch die, die an der Seite Shimotzukis saßen. „Herkommen!“ Kurz sahen sie zu ihrem Lehrmeister herüber, doch auf sein Nicken sprangen sie auf und kamen herbeigeeilt, vier an der Zahl, der Topfschnitt, der Lockenkopf und zwei etwas jüngere, Brille und Langhaar. Dulacre hingegen sah zu Lorenor hinüber und mit einem schweren Seufzen erhob dieser sich und kam herübergeschlurft. „Gut, Glatzkopf, du gehst dich duschen, du stinkst. Danach komm zurück. Ihr zwei“ – er zeigte auf Brille und Langhaar – „werdet nun Lorenor begleiten, ihr beide mich. Hört zu, wie wir unterrichten, hört zu, wie wir korrigieren. Wenn ihr Fragen habt, fragt. Dummheit ist eine Schande, aber noch schändlicher ist, nichts gegen sie zu unternehmen, und dumme Lehrer können klugen Schülern nichts beibringen – Dummen auch nicht, aber die interessieren mich nicht – also lernt und werdet besser.“ Lorenor seufzte erneut auf, sagte jedoch nichts. Dulacre erhob seine Stimme: „Alle in Ausgangsposition. Ich werde den Takt für acht Schläge vorgeben, danach haltet ihn bei.“ Es überraschte ihn nicht, als er sich umdrehte und Shimotzuki neben dessen Lehrlingen stand, sein höfliches Lächeln auf den Lippen. „Darf ich Euch begleiten?“, fragte er höflich. „Alles andere wäre wohl eine Dummheit.“ „Hey!“ Lorenor stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. „Übertreib jetzt mal nicht.“ Kurz sahen sie einander an, dann seufzte Lorenor und rollte sein Auge, ehe er sich umdrehte. Dulacre tat es ihm gleich und dann begann ihre Einheit. Er hielt es den Lehrlingen zugute, dass sie nach ihrer anfänglichen Scheu wirklich viel fragten – meistens sehr dumme Fragen, aber nun gut, das hatte er ja erlaubt – während Shimotzuki meist ruhig beobachtete. Äußerst selten bemerkte er – äußerst kluge – Kleinigkeiten und die wenigen Fragen, die er stellte, zeugten von der Qualität seines Auges. Mit halbem Ohr achtete er auch auf Lorenor. Er wusste, dass es nicht unbedingt Lorenors Komfortzone war, nicht nur andere zu unterrichten, sondern dabei auch noch beobachtet, noch hinterfragt zu werden, aber auch für ihn war dies eine gute Schule, und auch, wenn Lorenor sich noch nicht so ausdrücken konnte, wie er wohl wollte, so war sowohl sein Blick als auch sein Gedanke stets ideal. Die Einheit endete schließlich mit ihnen allen vorne auf der Terrasse, und den Schülern, teils nassgeschwitzt, vor ihnen im Innenhof. Dulacre bemerkte Lorenors Blick und seufzend gab er nach, woraufhin Lorenor ein leises Grinsen zeigte. „Nun gut.“ Er schritt durch die Reihen der Schüler, merkte wie manche erzitterten, als er sie passierte. „Du, du - nicht du, die neben dir, ja genau, du -, du und der kleine mit der Brille, der sich dahinten meint, zu verstecken. Genau, wage das übrigens nie wieder.“ Er schritt zurück nach vorne und wandte sich dann um. „Ihr könnt euch jetzt umziehen gehen. Das Training ist vorbei. Die vier, die ich soeben ausgewählt habe, machen sich für einen Trainingskampf bereit. Ihr habt dreißig Minuten. Die anderen lassen euch Vortritt, egal worum es geht.“ Die Schüler stimmten einstimmig zu. „Und auch, wenn dies nicht mal erwähnt werden sollte, so würde ich jedem raten, den Trainingskämpfen beizuwohnen.“ Er begegnete Lorenors Blick, der ein leichtes Grinsen zeigte und dann den Lehrlingen folgte, die sich ebenfalls umziehen gingen. So kam es, dass er und Shimotzuki alleine zurückblieben. „Beeindruckend“, bemerkte ebendieser. „Ihr habt eine sehr harsche Wortwahl und dennoch… jede eurer Anweisungen, jeder eurer Ratschläge war perfekt an das Level des jeweiligen Schülers angepasst.“ „Eine Anweisung, die der Schüler nicht zu verstehen, geschweige denn umzusetzen, weiß, zeugt nur von dem Unvermögen des Lehrenden.“ Er ignorierte das wissende Lächeln des anderen. „Ihr seid wahrlich ein Lehrmeister für die kommende Generation an Schwertmeistern.“ Dabei hatte er wohl etwas anderes sagen wollen. „Das stimmt“, sagte er die Wahrheit, ehe er Shimotzuki ansah, „allerdings gibt es da etwas, bei dem ich Ihre Einschätzung begrüßen würde.“ „Oh?“ „Ganz recht. Wie Sie zurecht feststellen, kann ich aus Willigen und Talentierten wahre Meister des Schwertes formen. Aber Sie unterrichten hier wahrlich alles, von wenig willig bis absolut talentlos, und in diesem Bereich habe ich nunmal eher begrenzte Erfahrungen.“ „Wie ich sagte, Ihr habt eine harte Wortwahl. Wie kann ich Euch behilflich sein?“ Sie sahen einander an. „Es gibt da ein Kind, erlesenes Talent, hervorragende Kampfeslust und die notwendige Dickköpfigkeit, aber… wie kann man jemanden mit minderer Motivation, fehlender Disziplin und verfehlter Selbstwahrnehmung unterrichten? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich selbst halte ebenfalls wenig von schnöder Trockenarbeit, langweiligem Training, das halte ich niemandem vor, dennoch gehöre ich zu den allerbesten, zurecht. Aber dieses Kind ist… Worte und Taten liegen zu weit auseinander. Die Worte versprechen großen Willen und noch stärkeres Durchhaltevermögen, aber…“ „…sobald die Übungen anstrengender werden, ist das Jammern groß und die Motivation dahin, nicht wahr?“ „Ich wusste ja, dass ein solches Verhalten Ihnen bereits bekannt ist.“ „Ja, das ist es. Aber ich muss Euch enttäuschen, ich habe keine Wunderlösung für Euch.“ „Machen Sie sich keine Gedanken, ich bin ohne Erwartungen in dieses Gespräch gekommen.“ Shhimotzki zeigte ein Lächeln. „Aber ich kann Euch einen Rat geben. Ihr könnt für dieses Kind keine Entscheidung treffen und Ihr könnt nicht seinen Willen ersetzen. Aber Ihr könnt es aushalten, Ihr könnt diesem Kind den Weg offenhalten, eine Hand anbieten, die Disziplin einfordern, wenn der Wille schwächelt. Es wird viel Geduld von Euch fordern, noch mehr Vergebung, nicht von Fehlern, sondern Unlust, die Ihr nicht als Respektlosigkeit gegenüber dem Schwerte verstehen dürft. Denn was könnte bewundernswerter sein, als einen beschwerlichen Weg dennoch zu gehen, auch wenn der Wille schwächelt und man ohne Hilfe nicht bestehen könnte?“ In Stille sahen sie einander an. „Sie sind wahrlich ein gutmütiger Mensch.“ „Nun ja, mir ist bewusst, dass Ihr diese Gutmütigkeit belächelt, vielleicht sogar zu Recht, kann sie mich doch viel Zeit und vertane Liebesmüh kosten. Aber ich möchte glauben, dass es dennoch der richtige Weg ist.“ Er seufzte und sah auf, als die ersten Schüler zurück in den Innenhof strömten. „Schließlich hat diese Gutmütigkeit mir die Kraft gegeben, Zorro ein bisschen Halt geben zu können, als selbst ich mich vor meinem eigenen Schüler fürchtete.“ Dulacre ließ dies unkommentiert und beobachtete, wie die Schüler sich auf den Boden knieten, um den Platz in der Mitte, an dem sich die vier Auserwählten versammelt hatten, in sauberer Uniform, offensichtlich nervös. Dann kamen auch die Lehrlinge zurück und setzten sich auf ihre Plätze an der Terrasse. „Ähm, Entschuldigung“, fragte eines der Kinder, „aber… was wird das nun für ein Kampf? Wer von uns kämpft gegen wen?“ Eine berechtigte Frage, da die Vier teils sehr unterschiedliche Qualitäten hatten. „Nun ja, euer…“ „So, kann es losgehen?“ Lorenor kam herein, ein breites Grinsen im Gesicht, eine dieser hässlichen Uniformen an, lockerte sich mit der rechten Hand die linke Schulter, die er rotierte, ein Bambusschwert in der freien Hand. „Also, wer ist mein erster Gegner?“ Kapitel 32: Extrakapitel 29 - Eine Nacht Zuhause ------------------------------------------------ Eine Nacht Zuhause   -Zorro- Schnaufend sprang er herum. „Wo zur Hölle…? Kurai…gana?“ Schwer atmend stand er da, in irgendeinem dunklen Saal, der verdammt nochmal nach altem Schloss aussah. Langsam ließ Zorro seine Schwerter sinken, seine Anspannung jedoch nicht, wartete immer noch auf den Angriff, die verstecke Attacke, bot dafür bewusst Angriffsfläche an. „Na komm doch raus“, murrte er leise. „Was soll diese blöde Illusion? Als würde ich mich davon ablenken lassen.“ Doch selbst nach mehreren Sekunden passierte immer noch nichts. Er konnte auch niemanden spüren, er war offensichtlich alleine in diesem Raum. Aufmerksam ging er zu einem der riesigen Fenster hinüber und sah hinaus. Was zur Hölle sollte das? Selbst die Welt da draußen sah genauso aus wie Kuraigana. Der riesige See, der dunkle Wald dahinter, beinahe versteckt vom Nebel, alles genauso wie in den vielen frühen Morgenstunden, in denen Zorro spät zu Bett gegangen oder früh aufgestanden war, um seine Runden zu laufen. Verdammt! Da war er doch eine Sekunde unaufmerksam gewesen. Er spürte die Schwertspitze zwischen seinen Schulterblättern. Aber es wollte alles irgendwie immer noch nicht zusammenpassen. „Und wer in Gottes Namen willst du sein?“, kam es von niemand anderem als Dulacre in seinem Rücken. „Fragst du mich das ernsthaft?“, murrte Zorro und rollte sein Auge. „Keine Ahnung, wie ich hier gelandet bin. Ach, das war mit Sicherheit die mit den Springerstiefeln, vielleicht hat sie eine ähnliche Teufelskraft wie Bär oder Trafo. Anscheinend kann sie einen teleportieren und…“ „Mich interessiert dein Monolog nicht und mir ist gleich, wie du hierhergekommen bist, was ich verlange, ist, dass du…“ „Könntest du mal aufhören, mich wie einen…“ Er hatte sich umdrehen wollen, aber nun hatte er einen haarfeinen Schnitt am Hals, direkt unterhalb seines Kinns, und Yoru immer noch direkt dort. Dulacre stand vor ihm in der Dunkelheit des Raumes, noch in Schlafsachen, aber etwas an ihm war anders. Sie hatten sich ein paar Monate nicht gesehen, vielleicht die längste Zeit seit jenen zwei Jahren, die Zorro auf Kuraigana verbracht hatte, aber das war selbst für ihn eine etwas harsche Begrüßung. „Erkennst du mich wirklich nicht mit deinen scharfen Augen?“, meinte er daher nur und zuckte mit den Schultern. „Was soll dieser Mist, Dulacre?“ Doch der andere sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, beinahe schon grell in der Dunkelheit. „Was denn? Schon wieder ein Schlaganfall?“ „Das kann doch nicht möglich sein.“ In einer fließenden Bewegung zog Dulacre sein Schwert zurück. „Und wie so oft, scheinst du es nicht mal zu wissen. Manche Dinge ändern sich wohl nie.“ „Was? Wovon redest du?“ Der andere neigte leicht den Kopf. „Von dem Grund, warum ich nicht in Betracht gezogen habe, dass du es sein könntest.“ „Und der wäre?“, fragte Zorro misstrauisch nach. „Weil du gerade draußen deine Runden läufst, zu unmenschlich früher Stunde wie üblich.“ „Was?“ Verwirrt starrte er den anderen an, der sich nun einige Meter entfernte und einen Lichtschalter betätigte, zegite ein blasiertes Schmunzeln, während die alten Wandlampen aufflackerten. „Du scheinst aus einer anderen Zeit zu kommen, Lorenor“, meinte Dulacre wie selbstverständlich und tippte sich an den linken Wangenknochen. „Die hier kenne ich noch nicht.“ Und da verstand Zorro, weshalb Dulacre so anders wirkte. Er war noch… „Und deine Aura erst…“ Dulacre leckte sich über die Lippen und schüttelte dann den Kopf, atmete tief aus. „Du hast es also geschafft. Du bist der beste Schwertkämpfer der Welt geworden.“ Das war noch der Dulacre, der sich zurückhalten musste, weil seine Kontrolle noch so brüchig war. Zorro war wirklich in der Vergangenheit, oder? „Ja“, stimmte er zu, doch dann wurde ihm etwas bewusst. „Warte mal, darf ich dir sowas überhaupt sagen? Und wieso bin ich hier? Wir sind mitten in einem Kampf und ich…“ „Beruhige dich, Lorenor.“ Der Samurai hob bedächtig beide Hände. „Die Wirkung der Reflektfrucht ist nicht von Dauer, in der Regel nur wenige Minuten.“ „Und natürlich weißt du nach nur fünf Sekunden über alles Bescheid“, murmelte er mit einem Augenrollen. „Natürlich weiß ich das“, entgegnete Dulacre aalglatt, „und du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Du bist nur ein Schatten in dieser Zeit, und solange du hier nicht stirbst, wirst du in wenigen Minuten in deiner Zeit wieder auftauchen und ich werde vergessen haben, dass du je hier warst, bis meine Zeitlinie den Punkt erreicht hat, von dem du gerade kommst.“ „Woher weißt du sowas immer?“, murmelte Zorro ungläubig. „Und was bringt diese Kraft dann überhaupt?“ Dulacre grinste. „Unterschätze sie nicht, diese Kraft mag wie ein billiger Taschenspielertrick wirken, hat aber eine recht hohe Erfolgsrate.“ „Ach, und wie? Ich werde für ein paar Minuten zurück in die Vergangenheit geschleudert, was soll mir hier passieren?“ Und da war wieder dieses überhebliche Grinsen, welches Zorro früher echt nicht hatte leiden können. „Du wirst nicht nur einfach in die Vergangenheit geworfen, Lorenor, sondern an einen Punkt, wo du leicht sterben könntest, zum Beispiel durch mich eben. Außerdem würdest du sterben, sollte dein Vergangenheitsich dich sehen. Welch Glück, dass du gerade laufen bist, und du hier im Schloss gelandet bist und nicht zwanzig Meter weiter nördlich.“ Sein vermaledeites Glück, nicht wahr? Zorro war sich sicher, dass es andere Momente in seiner Vergangenheit gegeben hatte, die gefährlicher gewesen waren. Zur Wahrheit gehörte aber auch, dass er mit seinem jetzigen Können wohl deutlich besser gewappnet gewesen wäre. Schmunzelnd zuckte er mit den Schultern. „Okay, heißt, ich sollte die nächsten zwanzig Minuten mir nicht selbst über den Weg laufen und nicht in die Schwertspitzen fremder Leute reinlaufen. Also was mache ich bis dahin?“ Dulacre verschränkte die Arme. „Du könntest mir von der Zukunft berichten. Ich bin neugierig und da ich es eh wieder vergessen werde, musst du nicht auf deine Worte achten.“ „Aber hast du nicht gesagt, dass du dich in meiner Zeit wieder erinnern wirst?“ „Ja, aber das ist dann das Problem von dir und meinem Zukunftsichs. Nicht von mir.“ Dulacre zeigte wieder dieses Grinsen und Zorro kannte das Gefühl. Er wusste, dass Dulacre etwas plante, erkannte diesen Gesprächsaufbau sofort. Außerdem wäre Dulacre sein Zukunftsich nie egal, dafür war er viel zu egoistisch. Also musste es um etwas gehen, was ihm noch wichtiger war als sein Egoismus. Aber ausnahmsweise könnte es sein, dass Zorro mal mehr wusste. „Meinetwegen“, spielte er mit. „Reden wir. Ich bin derzeit also hier. Wie viele Monate noch, bis ich Kuraigana verlassen werde?“ „Du bist noch keine neun hier“, antwortete der Noch-Samurai wieder mit diesem Schmunzeln, dachte wohl, er würde sein Spiel gewinnen, aber Zorro war deutlich besser im Schachspielen geworden, als er damals gewesen war. „Aber du siehst weitaus erfahrener aus, als ich erwartet habe. Muss ich etwa noch so lange auf unseren Kampf warten?“ Er klang spielerisch, aber diese tiefe Sehnsucht hatte Zorro ihm damals schon anhören können. Nun verstand er sie, zumindest ansatzweise. Zorro begutachtete ihn, jetzt bei Licht war es ganz offensichtlich, diese kaum wahrnehmbare Anspannung im ganzen Körper des anderen, in jeder Bewegung. Wie hatte Zorro es damals nicht sehen können? Dabei war es doch überhaupt nicht übersehbar, wie sehr der andere sich kontrollieren musste. „elf, neun, drei“, sagte er schlicht. „Wie bitte?“ Dulacre neige leicht den Kopf, und jeder Muskel schien dabei verspannt. Wie hatte Zorro es nicht sehen können? Er hatte Dulacre immer für unglaublich elegant gehalten, jetzt wirkten seine Bewegungen beinahe schmerzhaft auf Zorro. „Bis zum heutigen Tage habe ich dich elf Mal besiegt, du mich neun Mal und drei Mal mussten wir uns auf Unentschieden einigen. Das letzte Mal vor einigen Wochen.“ Er konnte sehen, wie diese Augen sich wieder weiteten. „Aber… aber das würde ja bedeuten…“, flüsterte der andere ungläubig. „Ja“, bestätigte Zorro mit einem breiten Grinsen, „du hast deine Kontrolle zurück. War ein hartes Stück Arbeit – und du hast mir die Ohren deshalb vollgeheult – aber wir haben noch einige Kämpfe vor uns und ich freue mich drauf.“ Zorro mochte, wie Dulacre dreinblickte, ihn anstarrte, fassungslos. Und dann änderte sich sein Blick, wurde sanfter, als er die Worte verstand, realisierte, dass Zorro die reine Wahrheit sagte. „Du bist wirklich immer für eine Überraschung gut, Lorenor. Ich kann es kaum erwarten.“ Seufzend sah Zorro zum kommenden Morgen heraus. „Ein bisschen wirst du dich noch gedulden müssen. Ich habe wirklich lange gebraucht, bis ich verstanden habe, was es bedeutet einen Kampf zu kontrollieren, ohne ihn zu führen und ich… ich hab dich wirklich lange warten lassen.“ Er konnte hören, wie der andere näher schritt. „So erfahren scheinst du nun auch wieder nicht. Die paar Jahre kann ich schon noch aushalten.“ Zorro wandte sich dem anderen zu. Er wirkte so anders, so wenig wie der Dulacre aus seiner Zeit und das, obwohl er sich äußerlich kaum verändert hatte. Aber hier und jetzt schien fast ein anderer Mensch vor ihm zu stehen. „Aber du hast dich wirklich sehr verändert, Lorenor. Ich erkenne dich kaum wieder.“ Dulacre lächelte. „Nein, das stimmt nicht. Ich erkenne dich schon wieder, aber du bist jetzt so viel mehr, noch viel mehr, als ich schon immer in dir gesehen habe.“ Ich könnte dir nie übelnehmen, dass du das wurdest, was ich schon immer in dir gesehen habe. Zorro wusste nicht genau, warum er an jenen Moment im Krankenzimmer denken musste. Aber es brachte ihm zum Lächeln. Seit jenem Tag war so viel passiert. Er hatte diese Worte damals nicht verstanden – nicht, dass er darüber damals nachgedacht hätte – aber jetzt verstand er es. Jetzt konnte er es sehen, in diesem Dulacre, alles, was er noch nicht war, und in Zorros Zeit werden würde. „Ich glaube, ich bin im Begriff, etwas sehr Dummes zu tun“, riss Dulacre ihn aus seinen Gedanken. Da begann er also den nächsten Schachzug seiner verwinkelten Strategie. „Aha, und ich dachte über so etwas ist der ach so kluge Mihawk Dulacre erhaben“, bemerkte Zorro mit einem Schmunzeln, doch anders als sonst, quittierte der andere seinen Kommentar nicht mit einem entnervten Augenrollen oder einem überheblichen Schmunzeln, sondern sah ihn einfach nur an. „Warum solltest du etwas Dummes tun?“ Dulacre sah zur Decke hinauf. „Weil ich es vergessen werde.“ „In meiner Zeit wirst du dich wieder erinnern.“ „Ja, aber dann werde ich schon gegen dich gekämpft haben, 23 Mal. Ich denke, ich kann das Risiko eingehen.“ Nichtverstehend, worauf Dulacre hinauswollte, sah Zorro ihn stirnrunzelnd an. „Okay… was auch immer. Dann mach halt was Dummes.“ Leicht lachte Dulacre auf, schüttelte den Kopf und rieb sich den Nacken. Wenn Zorro es nicht besser wüsste, würde er sagen, dass er verlegen wirkte, noch unüblicher war, dass er selbst nach mehreren Sekunden noch nicht mit der Sprache herausrückte. „Vielleicht solltest du dich mal langsam beeilen, wer weiß, wie lange ich noch hier bin.“ „Immer so ungeduldig“, seufzte der andere und schritt auf ihn zu. Zwei Schritte vor Zorro blieb er stehen, ein seltsam gekniffener Ausdruck im Gesicht. „Bitte verurteile mich nicht für das, was ich sagen werde.“ Und da wusste Zorro, was er tun würde, weshalb Dulacre so unsicher und so schmerzerfüllt dreinsah. Ob es ihm damals auch so schwergefallen war? Zorro wusste es nicht mehr wirklich, hatte zu jener Zeit genug mit sich selbst und seinen Problemen zu tun gehabt, aber er glaubte, dass Dulacre damals ähnlich gelitten hatte, vielleicht sogar noch mehr, vielleicht nicht so viel, hatte sich schon dran gewöhnt, es schon akzeptiert. „Lorenor, ich liebe dich.“ … „Ich weiß.“ Diese vor Schmerz zusammengekniffenen Augen weiteten sich. „Du… du weißt…?“ „Ja, klar. Und so oft, wie du es mir sagst, gehst du wohl davon aus, dass ich verdammt vergesslich bin.“ Ein gebrochenes Lächeln glitt über Dulacres Gesicht. „Bitte… bitte mach dich nicht lustig über mich. Es ist schon so schlimm genug.“ Zorro zuckte mit den Schultern. „Mach ich nicht und ich wüsste nicht, was das Problem sein soll. Soweit ich weiß, ist es relativ normal, dass man in einer Beziehung auch solche Gefühle füreinander hat.“ „Wa… was soll das? Ist das ein dummer Scherz?“ „Ist es nicht“, entgegnete Zorro ruhig und dieses Mal was es hell, dieses Mal war es früher Morgen, nicht die Dunkelheit der Nacht, und er konnte ganz genau sehen, wie sich der Gesichtsausdruck des anderen veränderte. „In meiner Zeit führen du und ich… eine Beziehung. Mir war der Mist egal, aber du wolltest einen Titel, Sozius, der lächerlichste Titel, den ich je gehört habe.“ Immer noch sah Dulacre ihn fassungslos an. „Aber auch, wenn Titel mir nicht ansatzweise so wichtig sind wie dir, auch diesen gebe ich nicht mehr so schnell her.“ Grinsend beobachtete er, wie Dulacre seine Worte verarbeitete, all diese verschiedenen Gesichtsausdrücke, ein leises Kopfschütteln, biss sich auf die Unterlippe, und am Ende ein vorsichtiges Lächeln. „Ist das… ist all das wahr?“ Seine scharfen Augen waren ungewohnt glasig. „Ist das mein Leben in wenigen Jahren?“ Zorro nickte. „Ja, und ich mein, unser letztes Gespräch ist schon ein paar Tage her, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du ganz zufrieden bist.“ Kopfschüttelnd lachte Dulacre leise auf, sah weg, rieb sich den Nacken, glitt mit der Hand über Mund und Wange. „Das alles hört sich zu perfekt an, um wahr zu sein.“ „Keine Sorge, perfekt ist es nicht“, grinste Zorro und auf Dulacres wenig beeindruckten Blick ließ er wohl die eigentliche Bombe dieses Gespräches platzen. „Ruffy nennt dich Falki und Shanks hat eine Aufnahme, in der du zugibst, dass ihr Freunde seid.“ Stilles Grauen kroch nun über das Gesicht des Älteren. „Er… hat… wieso sollte ich so etwas unsinniges sagen? Ich kann ihn nicht ausstehen.“ Zorro zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht genau, aber ich denke, es hat was mit eurem gemeinsamen Training zu tun.“ „Unserem was?“ „Na, irgendwie musstest du doch deine Kontrolle wiederkriegen. Er hat dir ge… So schlimm? Schlaganfall?“ „Mach dich nur lustig“, beschwerte der andere sich. „Was für desaströse Weissagungen, ich will es gar nicht glauben.“ „Sicher?“ Dulacre begegnete seinem Blick und diese entsetzte Fassungslosigkeit wurde weich, als er lächelte. „Nun ja, vielleicht ist der Preis es ja doch wert.“ Zorro entgegnete nichts, als Dulacre noch einen Schritt auf ihn zutrat. „Deine Zeit hier wird bald vorbei sein.“ Sie sahen einander nur ein. „Sag, wenn wir wahrhaftig Partner sind, darf ich dich küssen?“ „Nein“, entgegnete Zorro kühl und sprach direkt weiter, als Dulacre noch bleicher wurde, als er eh war. „Weißt du, mein Partner ist ein eifersüchtiger Mistkerl und ich habe echt keinen Bock darauf, mit ihm durchzudiskutieren, ob ein Kuss mit seinem Vergangenheitsich Fremdgehen ist oder nicht.“ „Aber…“ „Außerdem…“, meinte Zorro und begutachtete Dulacre einmal kurz von oben nach unten, „bist du nicht der Mann, den ich liebe, noch nicht.“ Die Entrüstung des anderen schwand und er sah Zorro aufmerksam an, fast schon neugierig, während er über die Worte nachzudenken schien. „Aber du wirst mich lieben?“, fragte er dann und Zorro nickte. „Gib mir noch etwas Zeit. Ich werde stark genug sein, Dulacre, ich bin stark genug.“ Er konnte sehen, wie Dulacre unter diesen Worten erzitterte. „Weißt du, gerade wird mir bewusst, dass ich Kuraigana echt ein bisschen vermisse, aber deine beschissene Maske wirklich nicht. Ich bin froh, dass du dich in meiner Zeit nicht mehr die ganze Zeit verstellen musst.“ Nach einem langen Atemzug, nickte Dulacre. „Ich kann es kaum…“ „Hey Zorro! Wo zur Hölle warst du?!“ Er stolperte zur Seite. Gerade war er noch auf Kuraigana gewesen, vor Dulacre, jetzt stand er auf der leicht wankenden Sunny im Gras vorm Hauptmast und Nami stakste auf ihn zu. „Wir sind angegriffen worden. Hast du das nicht mitbekommen? Sag bloß, du hast bis gerade im Ausguck gepennt?“ Verwirrt schaute er sich um. Er hatte ja gewusst, was passiert war, und Dulacre hatte ihn auch vorgewarnt, was passieren würde, aber doch war er gerade etwas überrumpelt. „Zorro? Alles okay, du wirkst…?“ „Sind alle in Sicherheit?“, fragte er, seine Sinne seltsam verwirrt, wie bei Choppers Medikamenten. „Ist der Angriff vorbei? Wer war das?“ „Ja“, entgegnete Nami, nicht mehr ganz so zickig, eher wachsam. „Es waren Piraten, nicht besonders stark, aber ich hab mir Sorgen gemacht. Normalerweise lässt du dir nie einen Kampf entgehen.“ „Aber alle anderen sind da?“ „Wie… wieso? Ruffy war nicht…“ „Hui, das war spannend!“ Breit grinsend tauchte Ruffy plötzlich nur wenige Schritte neben Zorro und Nami aus, der Saum seiner Weste kokelte leise vor sich hin und sowohl seine Klamotten als auch sein Gesicht war dreckig. „Ruffy, wo kommst du denn jetzt auf einmal her?“, entkam es Nami, verwirrt. Doch Ruffy begegnete nur kurz Zorros Blick und grinste noch mehr. „Gute Reise gehabt?“ Zorro grinste. „Ich glaube besser als deine.“ „Ah, da wäre ich mir nicht so sicher.“ „Ruffy, wovon zur Hölle redest du?“ In diesem Moment meldete sich Zorros Hosentasche, genauer gesagt, seine kleine, weiße Teleschnecke. Also überließ er es Ruffy, die besorgte Nami einzuweihen, und kletterte zurück in den Ausguck, wo er vor wenigen Minuten noch gewesen war. Oben angekommen, nahm er dann auch endlich ab und die kleine Teleschnecke schien erleichtert. Nach zwei Sekunden erfüllte die vertraute Stimme seines Sozius den Raum: „Kannst du frei sprechen?“ „Ja“, antwortete er, sprach weiter, als Dulacre bereits zum Reden ansetzte. „Wo bist du gerade unterwegs?“ Offensichtlich überrascht, unterbrochen zu werden, hielt der andere inne, ehe er antwortete: „Calm Belt, habe ich dir doch…“ „Wann bist du nochmal in unserer Nähe?“ Er sah aufs weite Meer hinaus, ein Feuer in seinem Körper, das er so noch nicht kannte. „Ich will gegen dich kämpfen.“ Kapitel 33: Extrakapitel 30 - Jeder Versuch hat ein Ende -------------------------------------------------------- Jeder Versuch hat ein Ende   -Sanji- Er hatte es fast vergessen. Die vergangenen Tage war das Meer so friedlich gewesen, das Wetter so angenehm und selbst die Crew irgendwie fast schon verdächtig harmonisch, dass er es fast vergessen hatte. Schließlich waren auch schon mehr als zwei Wochen vergangen und es war nicht so, als wäre es ein großes Gesprächsthema. Das lag allerdings vor allem an niemand anderem als dem Marimo. Wann immer Lysop oder Franky meinten, einen Kommentar in diese Richtung fallen zu lassen, zeigte er seine Missbilligung, ohne auch nur ein Wort zu sagen, wie immer, wenn Lady Loreen Thema wurde, und irgendwie kam das Sanji derzeit wirklich zugute. So hatte er also fast vergessen, was vor zwei Wochen passiert war, hatte diesen selten angenehmen Teil ihrer Reise genossen, doch dann hatte er es gespürt, wie ein drohendes Gewitter, wie ein stetiger Druck. Nein, es war unmöglich, zu vergessen, wenn die ganze Zeit diese Energie um einen herumwaberte, als würde man unablässig angestarrt. Es war nicht unbedingt ungewöhnlich. Sanji wusste nicht, ob es Strategie, Selbstbewusstsein oder Arroganz war, aber Falkenauge verbarg seine Energie nie, so war er oft schon Stunden vorher zu spüren, bevor er überhaupt ihr Schiff erreicht hatte. Aber dieses Mal war es anders, als würde er sie bewusst langsam verfolgen, als würde er über all die Meilen hinweg Sanji direkt niederstarren, war er schon mitten in der Nacht aus dem Schlaf geschreckt. Auch seine Energie war anders, sie war immer beeindruckend, immer mächtig, aber gerade fühlte Sanji sich beinahe bedroht und er wusste genau warum. Ja, er hatte es fast vergessen. Aber Falkenauge mit Sicherheit nicht und auch, wenn der Marimo sich eingemischt hatte, Sanji war dennoch alles andere als scharf darauf, dem ehemaligen Samurai so schnell wieder unter die Augen zu kommen, nachdem dieser ihm vor kaum mehr als zwei Wochen mit dem Tode gedroht hatte. Auf der anderen Seite, wenn es so oder so unvermeidlich war, dann würde Sanji es gerne bald hinter sich bringen, und wahrscheinlich war genau das der Grund, warum Falkenauge dieses Mal besonders lange brauchte, um sie einzuholen. Sanji war gerade mit den letzten Aufräumarbeiten nach dem Mittagessen fertig und am liebsten würde er die Kombüse gar nicht verlassen. Aber zum einen gierte er gerade so sehr nach einer Zigarette wie selten, und zum anderen war da schon etwas Trotz in ihm. Er wollte sich von Falkenauge nicht einschüchtern lassen, nur weil dieser der beste Schwertkämpfer der Welt war und als nahezu unbesiegbar galt, als würde ihn so etwas einschüchtern… Außerdem war es nicht seine Schuld gewesen. Er war hier das eigentliche Opfer! Er hatte einfach nur mit Zorro ein halbwegs überzeugendes Ablenkungsmanöver hinlegen wollen. Er hatte nicht gewusst, dass er das eigentliche Ablenkungsmanöver sein würde. Hatte nicht gewusst, dass seine geliebte Namimaus noch einen ganz anderen Plan in Petto gehabt hatte. Diesen Trotz wollte er sich beibehalten, aber es wurde schwieriger, je näher diese erdrückende Aura kam, und als Sanji nach draußen trat und sich seine Zigarette anzündete, konnte er am Horizont das grüne Glimmen des Sargbootes ausmachen und ihm wurde doch etwas mulmig zumute. Der Marimo mochte behaupten, dass Falkenauge nur etwas überreagiert hatte, aber Sanji hatte dessen Überreaktionen schon am eigenen Leib zu spüren bekommen und die Wahrheit war nun mal, dass er mit diesem Monster noch lange nicht mithalten konnte. Es war kein schönes Gefühl, dass so jemand willkommener Gast auf ihrem Schiff war. Es war auch kein schönes Gefühl, sich darauf verlassen zu müssen, dass Zorro ihm in Zaum halten würde, aber zumindest beruhigte es etwas seine Nerven, dass er wusste, was für ein Sturkopf der Marimo war, und dass dieser schon aus Prinzip nicht klein bei geben würde. „Oh, da ist aber jemand angespannt.“ Wie aus dem Nichts tauchte Robin neben ihm auf, zeigte wie so oft ihr geheimnisvolles Lächeln. „Sowas von“, murrte Sanji. „Normalerweise macht er nicht ganz so ne Show, wenn er ankommt; scheint richtig angepisst zu sein.“ „Ach, ich sprach nicht von Mihawk.“ Ihr Lächeln wuchs, ehe sie ebenfalls aufs Meer sah. „Er scheint ganz ausgezeichnete Laune zu haben.“ Ungläubig starrte er sie an. Doch bevor er auch nur wusste, was er sagen wollte, tauchten auch die übrigen Crewmitglieder an Deck auf. Manche stellten sich auffällig neben ihn und Robin, um mit ihnen zu warten. Andere waren mit irgendetwas beschäftigt. Nur Nami – die gerade in der Bibliothek arbeitete – und Jinbei – der gerade in der Kajüte schlief – fehlten. Als letztes kam der Marimo vom Ausguck heruntergesprungen, wie üblich verschwitzt von seinem Training, schirmte den Blick gegen die gleißende Sonne, um das kleine Schiff besser sehen zu können. Noch während Sanji den Marimo musterte schnellte ein Tau über die Reling und Lysop, der dem Tau am nächsten war, packte es und sicherte es schnell. Im nächsten Moment stand der ehemalige Samurai höchstpersönlich auf der Reling. Kühl musterte er sie, einen nach dem anderen, seine Augen grell unter dem dunklen Schatten seines Hutes, dann fiel sein Blick auf Sanji und er merkte, wie sein Herz irgendwo Richtung Becken rutschte. Er schluckte, konnte den Blick nicht ausweichen, während Falkenauge ihn niederstarrte, ohne ein Wort, ohne eine Regung. „Hast lange gebraucht.“ Und endlich konnte er wieder atmen, als Falkenauge den Blick abwandte und von der Reling sprang, mit einer Anmut, die überhaupt nicht seiner bedrohlichen Aura entsprechen wollte. „Der Wind war ungünstig“, entgegnete er kühl auf Zorros schroffe Begrüßung. Dann glitt sein Blick wieder auf Sanji und augenblicklich wurde ihm wieder eiskalt. Robin zu seiner Rechten sagte etwas, aber Sanji hörte nicht zu. Sah, dass Falkenauges Lippen sich bewegten, als er wohl antwortete, aber auch das hörte er nicht. Er dachte, er hätte Falkenauge schon in seinen furchterregendsten Momenten gesehen, aber da hatte er sich geirrt. Obwohl er nichts tat, sich mit den anderen unterhielt und Sanji einfach nur ansah, schwitzte er, schlug sein Herz wie auf der Flucht. Sanji hatte Angst, obwohl er rational doch wusste, dass dies nur wieder etwas Theatralik des ehemaligen Samurai war. Und diesem rationalen Gedanken verwarf er in dem Moment, als Falkenauge auf ihn zutrat, ihn niederstarrte, ignorierte was auch immer der Marimo sagte. Dann zog er seine Hand hervor und Sanji erwartete bereits den Angriff. „Ein Chassagne Montrachet für heute Abend. Ich erwarte, dass du entsprechende Speisen anrichten wirst.“ Ohne zu atmen, nahm Sanji den Weißwein entgegen, fragte sich, was dies für eine Botschaft sein sollte, wusste er doch, dass der Samurai herbe Rotweine bevorzugte, und da er mit Sicherheit nichts ohne Hintergedanken tat, gab es mit Sicherheit auch einen Grund für die Wahl eines, trockenen, opulenten Weißwein. Doch Falkenauge wartete gar nicht erst auf seine Reaktion, starrte ihn noch einen Moment so vernichtend nieder, dann wandte er sich ab. „Auch, wenn ich dieses Begrüßungskomitee nachvollziehen kann, so würde ich doch etwas Ungestörtheit bevorzugen.“ „Die Aquarienbar ist derzeit ungenutzt. Dorthin könntet ihr euch zurückziehen“, schlug Robin vor. „Was auch immer“, murrte der Marimo nur, kratze sich am Hinterkopf und schritt dann Richtung Heck, gefolgt vom ehemaligen Samurai. Endlich atmete Sanji auf, während auch Brook und Chopper sich entspannten und wieder ihren vorherigen Tätigkeiten nachgingen, nicht, dass Sanji darauf achtete. „Puh, da bist du ja nochmal mit dem Schrecken davongekommen“, meinte Lysop mit einem leisen Lachen, „er wirkte eigentlich gar nicht schlimmer als sonst.“ „Findest du?“, entgegnete er tonlos, die schwere Flasche in den Händen. „Eine interessante Wahl hat er da getroffen“, entgegnete Robin und deutete auf den Wein. „Du… du kennst dich damit aus?“, murmelte Sanji, versuchte dieser eisigen Starre zu entkommen. „Nun, ich weiß natürlich nicht ansatzweise so viel über Weine wie du. Aber es gibt ein paar Sorten, die mir etwas sagen, weil Crocodile sie mochte. Diesen Wein hat er für manche… Geschäftsessen ausgewählt“, erinnerte sie sich und legte einen Zeigefinger ans Kinn. „Meist mit in Ungnade gefallenen Geschäftspartnern.“ „Wieso?“, murmelte Lysop. „Oh, das weiß ich nicht genau“, bemerkte Robin mit einem leichtfertigen Schulterzucken. „Crocodile sagte immer nur, dass ein Chassagne Montrachet auf Knien getrunken werden müsse. Deswegen ist der Name mir in Erinnerung geblieben. Nun ja, wir sollten uns nicht zu viele Gedanken machen.“ Mit einem Lächeln wandte sie sich ab und ging zurück Richtung Bug, wo sie zuvor gelesen hatte, aber Sanji entgingen ihre leisen Worte nicht. „Wo ich so drüber nachdenke, meistens waren es Geschäftspartner, die wir danach getötet haben.“   -Zorro- Er würde es nicht laut sagen, aber er hatte sich auf das heutige Treffen gefreut, und zwar nicht nur, weil er wusste, dass Dulacre Sake mitbringen würde. Diese ganze Aktion von vor zwei Wochen hatte er nach bestem Wissen und Gewissen verdrängt, aber er konnte nicht ganz ignorieren, was es offengelegt hatte. Zwar wollte er nicht wirklich darüber nachdenken, warum es ihm so schwerfiel, seine andere Gestalt vor den anderen zu zeigen, aber es hinterließ schon etwas Unruhe in ihm. Eine Unruhe, die er früher nicht gehabt hätte und die er immer noch nicht wirklich verstand. Es gab manche Momente, da vergaß er sie, gerade wenn Ruffy in der Nähe war, aber auch, wenn die letzten Tage wirklich friedlich gewesen waren, so hatte er diese Unruhe nie lange vergessen können, nicht so wie früher. Früher hätte ihn so etwas nie besonders lange beschäftigt. Aber jetzt beschäftigte es ihn und auch, wenn er nicht vorhatte, es gegenüber Dulacre anzusprechen, so hoffte er doch, dass dieses Treffen ihm wie so oft etwas Ruhe bringen würde. Und vielleicht würde sie dieses Mal etwas länger anhalten. Doch vorher musste er noch etwas klären. „Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du meine Crewmitglieder in Ruhe lassen sollst“, murrte er und ließ sich aufs Sofa fallen, während Dulacre aus den Untiefen seines Mantels eine Flasche Sake hervorzog und zum kleinen eingebauten Schränkchen im Hauptmast hinüberging. „Ich habe nichts getan“, widersprach er kalt, öffnete den Schrank und zog zwei Gläser hervor, hielt sie gegen das Licht. „Wir beide wissen, was du getan hast“, entgegnete Zorro und stützte seine Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab. „Lass so einen Mist. Ich hab echt keinen Bock, sie immer vor dir verteidigen zu müssen, wenn du wiedermal meinst, irgendwen umbringen zu wollen.“ „Lorenor, lass dieses unleidige Thema ruhen. Ich habe keinerlei Interesse daran, heute diese Diskussion mit dir zu führen.“ Entgegen seiner Worte klang er immer noch recht hart. Aber Zorro war das gleich. „Es gibt auch nichts zu diskutieren“, sagte er klar. Dulacre sah ihn an und Zorro wusste nicht genau, wie er diesen Blick zu deuten hatte. Aber er wusste, dass eine Spannung im Raum lag, die er nicht beabsichtigt hatte. Doch zurückrudern würde er auch nicht. „Wieso meinst du immer, diesen Koch verteidigen zu müssen, Lorenor?“ Zorro seufzte. „Weil du meinst, ihn wegen Kleinigkeiten umbringen zu müssen.“ „Kleinigkeiten? Lorenor, er hat deine Ehre…“ „Und ich brauche dich nicht, um meine Ehre zu verteidigen.“ Nach einer Sekunde neigte Dulacre leicht den Kopf. „Also ist es das?“, fragte er. „Am Ende entscheidest du dich für sie und gegen mich? Hast du mich deshalb herbestellt?“ Stille. „Wa… was?“ Zorro hatte keine Ahnung, was gerade los war, aber an der Stimmlage des andere erkannte er, dass dieses Gespräch gerade eine gefährliche Richtung einschlug. „Wovon zur Hölle redest du?“ „Na, dass es dir wichtiger ist, jemanden wie den Smutje zu verteidigen als mir zuzustimmen.“ Mit kalter Stimme stellte Dulacre die Gläser ab, füllte sie zwei Fingerbreit mit dem Sake, auf den Zorro sich echt gefreut hatte. Doch gerade verging ihm der Durst. „Ich hab keine Ahnung, was du meinst“, knurrte er, anscheinend hatte Dulacre wieder mal eine seiner nervigen Launen. „Nochmal, ist mir egal, was für einen Mist irgendwer aus meiner Crew abzieht, du kannst wütend sein oder was auch immer, aber deine Lösung kann nicht sein, jemanden aus meiner Crew umzubringen, verstanden? Und ich weiß nicht, weshalb du daraus jetzt so ne Sache machst. Stell dir mal vor, ich wäre jedes Mal ausgetickt, wenn Kanan mich in irgendein Kleid gesteckt hat; und das hat wirklich an meinem Stolz gekratzt.“ Kopfschüttelnd hielt Dulacre ihm ein Glas hin, aber Zorro dachte gar nicht daran, aufzustehen und es entgegenzunehmen. „Ich verstehe dich einfach nicht, Lorenor. Du streitest mit mir, obwohl es der Smutje war, der…“ „Okay, das reicht mir jetzt“, murrte er und verschränkte die Arme, war es leid, immer solche Diskussionen führen zu müssen, nur weil Dulacre nicht mit seinen Crewmitgliedern klarkam. „Lass es uns ein für alle Mal klären. Was ist dein verdammtes Problem mit dem Koch?“ „Er hat deine Ehre verletzt.“ „Nein, er war Mittel zum Zweck für unser Ablenkungsmanöver, um Ruffy und Chopper zu befreien. Und meine Ehre leidet nicht darunter, nur weil mich ein paar Leute halbnackt gesehen haben.“ Dulacre stellte beide Gläser ab. „Das sieht die Welt aber anders.“ „Ist mir scheißegal und ich kaufe dir nicht ab, dass das dein Problem ist. Wenn es dir wirklich um meine Ehre gehen würde, warum bist du dann nicht sauer auf Nami, die sich den Plan ausgedacht und das Kleid präpariert hat?“ „Weil sie nicht in der…“ „Ist doch total egal, was die beschissene Zeitung schreibt. Es war ein Ablenkungsmanöver, mehr nicht, also hör auf, so eine Sache draus zu machen.“ Kopfschüttelnd verschränkte Dulacre und wandte sich einfach nur ab. „Was? Was ist dein Problem?“, knurrte Zorro, aber Dulacre schwieg. „Hey!“ Zorro erhob sich. „So einen Mist magst du früher gemacht haben, aber wage es nicht, mich jetzt einfach zu ignorieren, nur weil ich anderer Meinung bin.“ „Ich ignoriere dich nicht“, entgegnete Dulacre, seine Stimme gefährlich tonlos. „Ich versuche nur, zu verstehen.“ „Was? Dass es mir egal ist, was irgendeine Zeitung über mich schreibt? Sorry, aber nach über zwei Jahren Lady Loreen hab selbst ich mich irgendwann dran gewöhnt. Du hast es doch selbst gesagt. Es ist ein Kunstcharakter, nicht…“ „Das meinte ich nicht.“ Nun sah der andere ihn wieder an, aber sein scharfer Blick war eher misstrauisch. „Du bist einer der ganz wenigen, die das Schwert verstehen, wie ich es tue, und dennoch… dennoch verteidigst du den Smutje.“ Fragend neigte Zorro den Kopf. „Ich wüsste nicht, was das miteinander zutun hat.“ „Nicht?“ „Nein, wenn das wieder eine Anspielung auf Senichi sein soll, dann…“ „Lorenor, selbst, wenn ich über sein andauerndes Fehlverhalten hinwegsehen könnte. Darüber, dass er als Teil eines schlechten Ablenkungsmanövers dich zum Gespött der Gesellschaft erklärt hat – und mich als deinen Partner ebenso. Wenn ich ignoriere, dass er allein die Schuld trug, weshalb du deiner Crew nicht die Wahrheit gesagt hast. Wenn ich darüber hinwegsehen würde, dass er dich sterben ließ. Selbst, wenn ich bei ihm wie bei deinem Kapitän, wie bei dem Rest deiner Crew, darüber hinwegsehen würde, wie… Ich tue das, für dich, bei ihnen allen, ich ignoriere ihre Taten und Fehltritte. Aber erwarte von mir nicht, dass ich ihm verzeihe, dass ich ihn akzeptiere. Es ist dir gleich, wenn er dich beleidigt, entblößt, zur Schau stellt, nun gut, dann sei es so. Aber selbst für dich kann ich nicht darüber hinwegsehen, wie er die Schwertkunst entwürdigt hat, und wenn du das kannst, dann… dann bin ich mir nicht mehr sicher, ob wir wirklich den gleichen… Respekt vorm Schwerte… teilen.“ Zorro schluckte. Er hatte keine Ahnung, wovon Dulacre sprach, aber es konnte nicht stimmen. Vor Dulacre hatte Zorro noch nie jemanden kennengelernt, der ihn so sehr verstand, wenn es um den Schwertkampf ging. Vielleicht Kuina, aber damals hatte er selbst noch so vieles nicht gewusst, so vieles nicht verstanden. Und ja, er wusste, dass sie sich nicht in allem einig waren. Dulacre strebte nach einer Perfektion, die Zorro absolut egal war, solange er seine eigene Leistung vom vergangenen Tag übertreffen konnte. Aber… Kopfschüttelnd fuhr er sich durchs Haar, fing an, auf und abzulaufen. „Keine Ahnung, wovon du redest. Der Koch ist nicht mal Schwertkämpfer, er hat keine Ahnung davon und tut auch nicht so, als wäre es anders. Wann bitte soll er…“ „Die Wahl war einfach. Du hättest nur deine Ambitionen aufgeben müssen.“ Kalt hallten Dulacres Worte zwischen ihnen wider und Zorro starrte ihn an. „Das sagte er, nachdem ich dich besiegt hatte und du mir dein Leben darbotst.“ … „Du hast es nicht gewusst?“ Dulacre klang nicht spöttisch, eher traurig, überrascht. „Nein“, flüsterte Zorro und ließ sich aufs Sofa fallen. Er konnte sich mit einer erschreckenden Genauigkeit an jenen Kampf erinnern, an jede Sekunde, an jede Muskelbewegung, es war in seine Erinnerung eingebrannt. Ruffys Stimme in seinen Ohren, die Stimmen der anderen, wie sie alle seinen Namen schrien, und Dulacre, wie er ihn ansah, ein Grinsen zeigte, ohne Spott und ohne Hohn. Und er erinnerte sich an diese Schmerzen, an das beißende Salzwasser, und diesen Schmerz, der nur eine Niederlage einem beibringen konnte. Aber… er hatte keinerlei Erinnerung daran, dass wohl auch der Koch etwas gesagt haben sollte. Langsam sah er zu Dulacre auf und dieser nickte sachte. „Jetzt verstehst du es?“ Dulacre seufzte. „In jenem Moment, als ich deine Ambitionen anerkannte, wenn schon nicht dein Können, dann deinen eisernen Willen. In jenem Moment, als du bewiesen hast, wie sehr du dich dem Schwerte verschrieben hast, und ich bewies, wie sehr ich den von dir gewählten Weg respektiere, in genau jenem Moment meinte er…“ „Du musst es nicht wiederholen“, murmelte Zorro hohl, stützte seine Unterarme auf den Oberschenkeln ab und starrte den Boden an. „Er hat nicht nur deine Entscheidung despektiert, deinen Weg als Schwertkämpfer, sondern auch meine, als bester Schwertkämpfer der Welt. Und selbst, wenn ich darüber hinwegsehen könnte, dann könnte ich doch nicht…“ „Ich weiß.“ Er schüttelte den Kopf, ohne aufzusehen. „Ich weiß, was es bedeutet.“ Für einen Moment schwieg Dulacre. „Und dennoch erwartest du wirklich, dass ich es hinnehme, dass er die Schwertkunst ächtet, das Schwert als solches?“ „Er wusste es nicht besser“, murmelte er. „Er ist kein Schwertkämpfer, er hatte keine Ahnung, was…“ „Das sind dein Kapitän und Scharfschütze auch nicht. Doch weder sie noch irgendein anderer der anwesenden Tölpel hat sich erdreistet, dein…“ „Ich weiß!“ Wieder war es für einen Moment entsetzlich still. „Es tut mir leid, dass dich dieses Wissen verletzt, Lorenor. Ich dachte, du wüsstest es.“ „Nein, ich wusste es nicht“, murmelte er nach einem Moment und nickte langsam. „Okay, ganz ehrlich, ja der Koch ist ein Idiot, ein Vollidiot, aber…“ „Aber was? Du kannst ihn doch nicht allen Ernstes selbst jetzt noch verteidigen?“ Zorro sah auf. „Ich verteidige ihn nicht. Du hast Recht, es war beschissen von ihm. Aber was willst du jetzt von mir hören? Soll ich ihm deshalb jetzt das Leben zur Hölle machen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Er ist kein Schwertkämpfer, Dulacre, er hat keine Ahnung, warum also soll es mich kümmern?“ Dulacre machte zwei Schritte auf ihn zu. „Es kümmert dich also nicht, wenn die Schwertkunst in den Dreck gezogen wird?“ „Das habe ich nicht gesagt“, entgegnete er und merkte, wie die Spannung zwischen ihnen wieder stieg. „Ich habe nur gesagt, dass es mir egal ist, wenn irgendein Vollidiot meint, seine Meinung raushauen zu müssen.“ Aber er sah Dulacres Blick, wie schon vor wenigen Minuten, Misstrauen, welches sich langsam in Fassungslosigkeit wandelte, auch wenn Zorro keine Ahnung hatte, warum. Ja, er konnte nicht leugnen, dass dieser Spruch des Kochs… unangenehm war, aber es war offensichtlich, dass es für Dulacre mehr als nur… unangenehm war.  „Also doch“, sprach er schließlich monoton. „Obwohl du es nun weißt, verteidigst du immer noch ihn anstatt die Schwertkunst.“ „Nein, ich…!“ „Huh, ich hatte ja geahnt, dass es irgendwann so kommen könnte, aber dennoch hätte ich nicht gedacht…“ Offensichtlich schmerzerfüllt senkte Dulacre kopfschüttelnd den Blick, es war keine nervige Theatralik wie sonst, irgendetwas stimmte absolut nicht. „Ich hätte tausende Gründe nennen können, aber nie wäre mir die Idee gekommen, dass es am Ende die Schwertkunst selbst sein würde.“ „Wovon zur Hölle redest du?“ Zorro sah zu ihm auf, doch die Art, wie Dulacre ihn ansah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Er zeigte diese kalte Resignation, die Zorro schon kannte und wusste, dass sie andere Gefühle verdrängen sollte. „Na davon, dass dieser Versuch hier gescheitert ist.“ „Was für ein Versuch?“ „Es käme halt auf einen Versuch an, das waren deine Worte. Ein Versuch, ob du eine Beziehung mit mir führen könntest.“ Seine Stimme klang ruhig, sein Gesicht unbewegt, aber seine Augen waren so unangenehm grell, als würde Zorro direkt in die Sonne starren. „Aber wenn das eine, was uns verbindet, der Respekt vor dem Schwerte ist, aber dies für einen jeden von uns eine so unterschiedliche Bedeutung hat, und diese Wege nicht miteinander kompatibel sind, dann ist es wohl am sinnvollsten, diesen Versuch besser früher als später für beendet zu erklären.“ Was? „… Und… und wie kommst du darauf, dass… dass unsere Wege nicht miteinander kompatibel sind?“ Sein Mund war trocken. Er verstand nicht wirklich, was gerade das Problem war, aber er verstand sehr wohl Dulacres Lösung, und es machte ihn nicht mal wütend, er kapierte ja nicht mal, wie sie so schnell vom nervigen Koch an diesen Punkt gekommen waren. Dulacre seufzte. „Lorenor, ich kann respektieren, dass du dein Leben zum Wohl deiner Crew opferst, sogar, dass du deinen Traum dem Wohl deiner Crew unterordnest, aber ich habe mich dem Schwerte verschrieben, voll und ganz, alles andere hat sich dem unterzuordnen, und ich werde nie billigen, wenn jemand die Schwertkunst diffamiert. Aber wenn du dies dulden kannst, wenn du den Respekt vor dem Schwerte der Akzeptanz gegenüber deiner Crewmitglieder unterordnest, dann… dann scheint unser Weg doch nicht der gleiche zu sein.“ Er versuchte zu verstehen, was Dulacre ihm gerade sagte, aber da sprach dieser bereits weiter: „Nun, eigentlich sollte es nicht überraschend sein, es war nur eine Frage der Zeit, bis du es beenden würdest. Es missfällt dir, irgendwelche Gefühle zuzugestehen, und du kannst diese Beziehung nicht mal beim Namen nennen. Mir hätte bewusst sein sollen, dass diese Beziehung zum Scheitern verurteilt ist und du am Ende immer deine Crew wählen wirst, aber ich…“ „Stopp!“ Zorro erhob sich. „Lorenor, es ist nicht notwendig. Ich werde dennoch gegen dich kämpfen, sobald du…“ „Halt die Klappe!“ Er atmete schwer, als er so langsam verstand und so langsam wütend wurde. „So nicht! Wenn du keinen Bock mehr auf diese Beziehung hast und sie beenden willst, dann mach, aber schieb nicht irgendwelche Worte von mir vor oder tu so, als hätte ich mich hier für oder gegen irgendwas entschieden.“ „Aber du hast…“ „Nein! Du hast irgendein Problem, mit dem Koch, mit mir, mit der verdammten Schwertkunst oder wer weiß womit, und wenn du deshalb einen Rückzieher machen willst, dann mach, aber steht dazu und schieb es nicht mir in die Schuhe.“ Langsam erhob er sich, verschränkte die Arme, sah den anderen an. „Also Dulacre, was soll es sein? Willst du es beenden?“ Dulacre sah ihn an, so fassungslos, öffnete leicht den Mund, schloss ihn wieder, schüttelte ganz sachte den Kopf, sah kurz weg und dann wieder zu ihm. Zorro blieb still, tat nichts. Er wusste nicht genau, weshalb Dulacre gerade anscheinend alles in Frage stellte, was sie verband, aber er würde nicht zurückweichen, er würde nicht nachgeben. Wenn Dulacre aufgeben wollte, dann sollte er es tun, aber dann sollte er es selbst machen und es nicht Zorro anlasten. „Ich liebe dich, Lorenor“, flüsterte er fast schon verzweifelt. „Ich weiß“, entgegnete er schlicht. „Aber wie… wie soll das hier funktionieren, wenn… Du verlangst von mir, dass ich die Schwertkunst verschmähe?“ „Was? Nein, wie kommst du…?“ „Aber ich darf nicht meinen Unmut über deine Crewmitglieder äußern, wenn sie die Schwertkunst ächten?“ Er verstand immer noch nicht genau, was der Kern dieser Diskussion war. Aber zumindest darauf konnte er antworten. „Das habe ich nicht gesagt“, sagte er ruhig. „Klar kannst du sagen, wenn dich etwas aufregt – ich halte auch nicht damit zurück, nicht gegenüber dir und auch nicht gegenüber den anderen - und wenn du jemanden zur Verantwortung ziehen willst, mach nur. Aber übertreibe es nicht, sonst wirst du dir an mir die Zähne ausbeißen. Denn ich werde nicht zulassen, dass du ein Crewmitglied bedrohst, egal, was sie gesagt haben.“ „Nicht mal, wenn sie die Schwertkunst verschmähen?“ Zorro nickte. „Nicht mal dann. Ich verstehe, dass es dich wütend macht, und wenn du dich an jemanden auslassen musst, dann hier bin ich, aber ich werde keinen Schritt zurückweichen.“ Dulacre schwieg für einen Moment, ehe er Zorro wieder ansah. Es war kein lauter Streit mehr, aber wenn Zorro ehrlich war, waren die lauten ihm lieber. Sie waren meist kurz und explosiv, aber danach war alles gesagt, was gesagt werden musste. Wenn Dulacre ruhig wurde, dann war meistens wirklich was im Argen. „Aber verstehst du nicht, dass es genau das ist, was ich meine. Genau da unterscheiden wir uns. Ich dachte immer, ganz gleich unserer Unterschiede, in diesem einen Punkt, im Respekt gegenüber dem Schwerte, seien wir uns einig, doch anscheinend ist dem nicht so.“ Zorro seufzte. „Das sehe ich anders“, meinte er dann. „Willst du mir etwa sagen, dass du den Koch nicht verteidigst, obwohl er unsere Kunst verschmäht hat?“ „Nein, das will ich nicht.“ „Dann was…?“ Er schüttelte den Kopf und Dulacre verstummte. Zorro schritt zum Hauptmast hinüber, auf dessen Ablage Dulacre die Gläser abgestellt hatte. Nachdenklich nahm er ein Glas und betrachtete die Flüssigkeit, versuchte seine Worte zu sortieren und wie so oft, ließ Dulacre ihm die Zeit. „Die Wahrheit ist, ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Ich verstehe nicht, wie du jetzt plötzlich alles in Frage stellst, nur weil der Koch nen beschissenen Kommentar abgelassen hat.“ „Aber das habe…“ „Nein.“ Erneut schüttelte er den Kopf, stellte das Glas ab und sah Dulacre an. „Ich glaube nicht, dass sich unser Weg groß unterscheidet, zumindest habe ich es nie so empfunden. Vor dir… ich habe noch nie einen anderen Schwertkämpfer wie dich getroffen. Du warst der Erste, der… verstand, oder was auch immer. Ich kann Dinge oft nicht ausdrücken, aber ich wusste immer, dass du es verstehst. Ist das für dich etwa nicht so?“ Dulacre seufzte leise, ließ sich aufs Sofa sinken. „Ich möchte es nicht abstreiten, Lorenor. Ich… ich war auch davon überzeugt, aber… aber wie kann es das sein, wenn du deine Crew vor das Schwerte stellst?“ Ganz allmählich verstand Zorro, so wie er immer viel zu lange brauchte, um Dulacres seltsame Gedankengänge zu begreifen. Und jetzt, da er es verstand, merkte er wieder mal, wie anstrengend und verkopft Dulacre war. „Du hast Recht“, gestand er ein, konnte ein Schmunzeln nicht verhindern. „Ich könnte verstehen, wenn du alles in Frage stellst, wenn ich wirklich die Schwertkunst zurückstellen würde. Aber das tue ich nicht.“ „Es tut mir leid, aber doch, indem du…“ „Nein.“ Er schüttelte den Kopf, fast schon belustigt, während Dulacre ihn immer noch mit Grabesstimmung ansah. „Das ist Unsinn. Nur weil der Koch eine dumme Bemerkung ablässt und ich ihn dafür nicht gängle, stelle ich nicht irgendwen vor irgendetwas.“ „Aber…“ „Nichts aber. Du willst, dass ich dem Koch erkläre, wie das Schwert funktioniert? Warum? Die Schwertkunst braucht nicht, dass ich sie vor irgendeinem Vollidioten mit irgendeiner ahnungslosen Meinung verteidige. Weißt du, wie oft ich in meinem Leben schon ausgelacht wurde? Es gab immer irgendwen, der sich über das Schwert, meinen Kampfstil oder was auch immer lustig gemacht hat. Na und? Sollen sie doch, ist mir sowas von egal. Ist nicht meine Aufgabe, irgendwen zu erziehen, im Zweifel werden sie schon sehen, was sie davon haben.“ Dulacre holte tief Luft. „Aber genau das ist es doch, Lorenor. Du…“ „Lass mich aussprechen.“ Er schritt auf Dulacre zu, blieb vor ihm stehen. „Ich weiß, dass du das anders siehst. Vielleicht liegt es daran, wie du aufgewachsen bist. Du bist es nicht gewohnt, dass jemand dir keinen Respekt zollt, und wenn doch, dann sorgst du schon dafür, dass sie es bald bereuen werden. Und genauso hältst du es mit der Schwertkunst und deshalb schockiert es dich anscheinend, wenn ich damit anders umgehe. Aber…“ Er hielt einen Moment inne, suchte die Worte. „Weißt du, die Kunst des Schwertes gab es schon lange vor unserer Zeit, und selbst nach unserem Tod, selbst, wenn unsere Namen vergessene Schatten der Vergangenheit sein werden, die Schwertkunst wird immer noch bestehen. In jeder Zeit wird es Idioten geben, die das Schwert nicht verstehen werden, nicht achten werden. Aber ich glaube nicht, dass es etwas ändern würde, wenn man versucht, jeden Idioten auszuschalten. Und ich glaube nicht, dass dies notwendig ist, um die Schwertkunst zu respektieren.“ Er sah Dulacre an. „Ich glaube, man respektiert die Schwertkunst, wenn man den Weg des Schwertes achtet, hart trainiert, das Schwert selbst achtet und – wenn man so weit kommen sollte – das Wissen irgendwann an die nachfolgenden Generationen weitergibt.“ Dulacre begegnete seinem Blick, sagte jedoch nichts, also sprach Zorro weiter: „Und ganz ehrlich, ja, wir sehen ein paar Dinge anders. Ich weiß, dass du eine Perfektion erstrebst, die für mich nicht wirklich relevant ist, und anscheinend gehen wir auch unterschiedlich mit Vollidioten um, aber ich hatte bisher immer das Gefühl, dass wir im Großen und Ganzen den gleichen Respekt gegenüber dem Schwerte haben; auch, wenn unsere Wege vielleicht nicht immer komplett identisch sind.“ Nun hatte er nichts mehr zu sagen, also stand er da und wartete Dulacres Urteil ab, der über seine Worte nachzudenken schien. Er hatte die Hände gefaltet und sah Zorros Stiefel an, ohne sie wohl zu sehen, hochkonzentriert. „Es fällt mir sehr schwer zu begreifen, dass dir solche Bemerkungen so gleichgültig sind, dass du sie nicht mal einer Reaktion würdig erachtest“, sagte er schließlich. „Ja, das hab ich mittlerweile auch begriffen. Du kapierst nicht, dass es mir egal ist, was irgendjemand über mich und meine Schwertkunst denkt. Du denkst, du musst die Schwertkunst vor allem beschützen, aber das ist halt das eine, wo ich dir widerspreche. Diese Idioten, egal, wie respektlos sie sein mögen, sie können der Schwertkunst nichts anhaben – wie eine Fliege, die gegen den Schiffsbug fliegt - und deshalb sind ihre Worte mir absolut gleichgültig.“ Nickend sortierte er seine Gedanken. „Es wäre etwas anderes, wenn du oder irgendein Schwertkämpfer, den ich respektiere, das Schwert ächten würde, da würde ich auch nicht ruhig bleiben, aber so…“ Er zuckte mit den Schultern. „Also sag mir, sind wir wirklich so weit auseinander, dass unsere Wege nicht miteinander kompatibel sind? Weil ich will das nicht glauben.“ Wieder schwieg Dulacre, dabei war Zorro eigentlich schon ein bisschen stolz auf sich; er hatte die Diskussion gut gehändelt und er fand seine Argumente auch sehr logisch. Die Frage war nur, galt das auch für den ehemaligen Samurai und was war, wenn nicht. „Du sagst also“, sprach er nach einigen ruhigen Sekunden, „dass die Worte des Smutjes…“ „Mich richtig ankotzen, und wenn er es drauf anlegt, werde ich ihm ein paar Takte dazu sagen. Und sie mögen meinen Stolz ankratzen, aber sie sind nicht mächtig genug, der Schwertkunst etwas anzuhaben, oder würdest du mir da widersprechen?“ Es war fast lustig, wie die verschiedenen Emotionen über Dulacres Gesicht wanderten. Natürlich konnte er Zorro nicht widersprechen. Kopfschüttelnd senkte er schließlich den Blick. „Ich verstehe deine Argumentation, auch wenn es mir schwerfällt. Ich denke nicht, dass ich deinem Weltbild Folge leisten kann. Dir mögen solche Dinge einerlei sein, mir jedoch nicht.“ „Das erwarte ich auch nicht. Ich verstehe, dass dir solche Dinge nicht egal sind. Aber ich erwarte, dass du eine Grenze ziehst, wenn es um meine Crewmitglieder geht. Nicht, weil ich mich für oder gegen dich entscheide, für oder gegen die Schwertkunst, nicht mal für oder gegen die Meinung meiner idiotischen Crewmitglieder. Sondern einfach nur, weil ich…“ „Ich verstehe.“ Dulacre erhob sich und sah ihn an, atmete tief ein und aus. „Nun gut, ich sehe unsere unterschiedlichen Herangehensweisen, wenn jemand das Schwerte diskreditiert, aber ich sehe auch, dass dies nun mal unserem jeweiligen Charakter entspricht. Du magst mein Verhalten als unnötige Überreaktion abtun und ich habe deines fälschlicherweise als Wahl zwischen entweder und oder verstanden. Doch im Endeffekt verfolgen wir den gleichen Weg, nur mit anderen Mitteln.“ „Uhm… sag ich doch.“ „Ich werde versuchen, dir zuliebe bei deiner Crew deine Vorgehensweise anzuwenden, aber erwarte nicht zu viel. Anders als dir, fällt es mir schwer, Respektlosigkeit kommentarlos hinzunehmen.“ „Ich hab nie gesagt, dass du es kommentarlos hinnehmen musst, nur…“ „Ja, ich habe verstanden.“ Dulacre seufzte, als wäre es ein schweres Los, während er an Zorro vorbeischritt. „Aber es ist schon schwer begreiflich, wie kann dir die Meinung anderer nur so einerlei sein, obwohl es um so etwas bedeutsames wie die Schwertkunst geht?“ Zorro zuckte mit den Schultern. „Das verstehst du falsch, mir sind nicht alle Meinungen egal, nur unwichtige“, meinte er und nahm sein Glas, schlenderte wieder zum Sofa hinüber und ließ sich drauffallen. „Und wie meinst du das nun schon wieder?“, fragte der andere nach, nahm sein Glas ebenfalls und trank einen Schluck. „Na, meinst du wirklich, ich würde mir hier diesen Mist antun, wenn mir deine Meinung egal wäre? Keine Ahnung warum, aber auch wenn mir egal ist, was der Koch oder sonst wer über die Schwertkunst denkt, ich… mir… Mich nerven diese Diskussionen mit dir, aber es ist mir wichtig, dass du kapierst, was ich meine, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, weil… deine Meinung ist mir nicht egal.“ Er merkte, wie seine Wangen warm wurden, und zügig trank er einen Schluck, ignorierte Dulacre, der ihn nun ganz offen anstarrte. „Allerdings kapier ich nicht, warum du direkt meinst, die Flinte ins Korn zu werfen zu müssen. Warte mal, du sagtest, ich hätte dich wegen irgendetwas herbestellt. Du dachtest die ganze Zeit…?“ „Vergib mir, ich habe voreilige Schlüsse gezogen.“ Dulacre seufzte. „Ich dachte, du wüsstest, was der Smutje gesagt hätte, und hättest deine Entscheidung getroffen.“ „Und selbst wenn, warum denkst du dann direkt ans Aufgeben? Du bist Schwertkämpfer, wir kämpfen bis zum Ende, und dennoch wolltest du es nicht mal versuchen?“ Dulacre sah ihn an. „Es ist schwierig, mit dir über… diese Themen zu sprechen.“ „Mag sein, aber es war auch schwierig, mir Observationshaki beizubringen, hat dich trotzdem nicht abgehalten.“ Das brachte Dulacre zum Schmunzeln. „Das ist etwas anderes“, meinte er und trank einen Schluck. „Ist es das? Warum?“ Zorro trank sein Glas leer. Guter Sake, der richtig Gute, aber nicht der, den er am liebsten mochte. „Nun ja, weil…“ „Weil?“ Dulacre seufzte, aber als er Zorro dann ansah, war es ihm fast unangenehm. „Haki ist mir vertraut, der Schwertkampf ist mir vertraut, selbst das Unterrichten ist mir vertraut. Aber… Lorenor, du sagtest einst, du wüsstest nicht, wie eine Beziehung funktioniert, nun, auch für mich ist es die erste. Auch für mich ist es das erste Mal, dass ich… jemanden liebe… Und du bist ein sehr unabhängiger Geist und absolut in deinen Ansichten, starrköpfig und unnachgiebig und dann auch noch mit dieser strikten, anstrengenden Moral.“ Erneut seufzte er. „Und daher dachtest du, wir würden so oder so früher oder später scheitern?“ „Ich habe es zumindest nicht ausgeschlossen, dass du meiner eines Tages überdrüssig sein würdest, und daher ja, ich dachte, du würdest es heute vielleicht beenden.“ „Weil du dachtest, es wäre nur ein Versuch für mich?“ Dulacre nickte. „Gut, dann ist der Versuch hiermit beendet, die Testphase vorbei. Besser so?“ Er begegnete Dulacres überraschtem Schmunzeln mit einem Augenrollen. „Nicht dass das irgendetwas ändern würde, oder müsste ich jetzt einen offiziellen Antrag oder sowas bei irgendeiner offiziellen Stelle stellen?“ Leise lachte Dulacre auf. „Ich bin fast versucht, dies zu bejahen, nur um zu sehen, wie du versuchst, Kanan den Auflösungsantrag für die Beziehung zu überreichen.“ Zorro grinste überlegen. „Da müsstest du aber lange warten, als würde ich aufgeben.“ Immer noch mit diesem gemeinen Schmunzeln auf den Lippen kam Dulacre herüber und goss ihm nach. „Nun denn, warum hast du mich dann herbestellt?“ Zorro neigte den Kopf. „Ich hab dich nicht herbestellt. Ich dachte, du würdest eh kommen, und das hat mir gut gepasst. Ich hab nämlich ein paar Fragen und die wollte ich lieber in Persona besprechen.“ „Ach?“ fragte Dulacre, füllte sein Glas ebenfalls. „Und was für Fragen? Ich bin mir nicht sicher, ob ich nach den vergangenen Minuten noch eine weiter Diskussion ertragen möchte.“ „Keine Sorge. Ich will selbst gar nicht viel sagen, nur zuhören.“ „Ach?“, kam es erneut von Dulacre, sah Zorro fast schon neugierig an und stellte die Flasche weg. „Und worüber soll ich dir etwas erzählen?“ Zorro grinste. „Cross Guild.“ Dulacres Augenbrauen wanderten nach oben. „Ich weiß, du hältst mit deinen Motiven zurück, aber ich würde schon zu gerne wissen, warum du mit Crocodile und Buggy gemeinsame Sache machst.“ „Und du denkst, ich würde dir antworten?“ Dulacre grinste ebenfalls, ließ sich auf dem Sofa nieder, etwas Platz zwischen ihnen, damit sie einander ansehen konnten, stellte sein Glas zwischen ihnen ab und überschlug die Beine. „Na, so wie ich dich kenne, wartest du nur darauf, irgendwem deine genialen Gedanken und Winkelzüge zu erzählen, also?“ Dulacre lehnte sich zurück. „Nächstes Mal, fang damit an, Lorenor, ein solches Gespräch bereitet mir deutlich mehr Freude als die vergangene Diskussion. Auch, wenn es erfreulich ist, wie gut du sie mittlerweile führen kannst.“ „Du weißt doch, wenn ich viel reden muss, liegt es meistens daran, dass du dich nicht so klug anstellst.“ „Möchtest du jetzt wirklich noch eine Diskussion führen?“ Sie beide grinsten. „Kommt ganz drauf an, was du mir jetzt erzählst.“   -Sanji- Er war sich nicht ganz sicher, aber warum sonst sollte Robin die Aquarienbar vorgeschlagen haben, wenn nicht für den kleinen Speiseaufzug, welcher in den Hauptmast eingelassen und direkt von der Kombüse hinabführte. Sanji hatte nicht lauschen wollen, einfach nur das Abendessen vorbereiten wollen, aber die Klappe hatte offen gestanden und er… erst hatte er sie schließen wollen, die undeutlichen Stimmen ignorieren wollen, dann waren sie lauter geworden und er hatte sie verstanden, war näher gerückt, als sie wieder leiser geworden waren. Mittlerweile war die Klappe zu und er kochte, wollte nicht wirklich über all das nachdenken, was er gehört hatte. Glücklicherweise blieb er davon auch zunächst verschont, als erst Nami und dann Lysop hereinkamen, für Kaffee und um ihm beim Decken des Tischs zu helfen. Irgendwann war es dann schließlich Abendessenszeit und sie alle kamen, auch die beiden Schwertkämpfer, tief in irgendwelche Diskussionen versunken. Im Laufe des Abends schien Brook sich diesem Gespräch anzuschließen und es war fast seltsam, die drei dort sitzen zu sehen, wie sie irgendetwas fachsimpelten, es war so normal, dabei war kaum etwas daran normal, Brook ohne irgendwelche Witzeleien an ernsthaften Fachgesprächen teilnehmen zu hören, den Marimo generell so viel reden zu hören und Falkenauge zwischen ihnen zu sehen, als würde er dazugehören. Er war so sehr in das Gespräch vertieft, dass er scheinbar nicht mal bemerkte, wie Sanji den Wein einschenkte, den er ganz bestimmt nicht ohne Hintergedanken mitgebracht hatte. Am Ende war es ein ganz normales Abendessen, mit dem ganz normalen Chaos, während es später und später wurde, mehr und mehr Getränke ausgeschüttet wurden, bis sich die ersten Crewmitglieder ins Bett verabschiedeten, wohingegen Falkenauge anscheinend beabsichtigte, über Nacht zu bleiben. Mittlerweile waren nur noch die drei Schwertkämpfer, ein soeben eingeschlafener Chopper und Jinbei in der Kombüse, der Sanji bis gerade noch geholfen hatte, aufzuräumen. Dann erhob Zorro sich, bemerkte kurz etwas und nickte zu Chopper hin, ehe er diesen hochhob und anscheinend wie so oft ins Bett bringen wollte – manche Dinge änderten sich wohl nie – Brook und Jinbei schlossen sich ihm an und da kam es, fast wie zufällig, dass Falkenauge als letzter verblieb, während er wohl noch auf den Marimo wartete. Die Wärme des vergangenen Abends schwang in eine unangenehme Stille um, während Sanji die letzten Handgriffe erledigte und danach hoffentlich schnell verschwinden konnte. Dann konnte er Schritte hören und eine Gänsehaut glitt über seine Unterarme, während Falkenauge an ihm vorbeischritt, die offene Flasche Rotwein nahm und sich den Rest eingoss. „Ähm, sag mal, Falkenauge…“ „Du solltest jetzt Vorsicht walten lassen und nicht bestätigen, dass du gelauscht hast.“ Kalt lagen diese Augen auf ihm und Sanji wurde kochend heiß. Wie schaffte dieser Mistkerl das nur? Mit nichts außer einem Blick? „Was ich dich fragen wollte“, murmelte er daher, und entschied, einfach nichts zu provozieren. „Der Weißwein, den du mitgebracht hast. Ich verstehe seine Botschaft, ein Wein, den man auf Knien trinkt, für in Ungnade gefallene Geschäftspartner, für unverzeihlichen Verrat, dafür, dass alles Bitten um Vergebung zu spät komme.“ Er sprach nicht weiter, während Falkenauge ihn musterte und an seinem Wein nippte. „Ich wusste, dass du ihn erkennen würdest“, sprach er dann schließlich. „Ein bekannter Wein, der gerne für solche Gelegenheiten ausgewählt wird. Allerdings irrst du.“ „Wie bitte?“ Mit großen Augen starrte er Falkenauge an. „Mhm, gemeinhin ist ein Chassagne Montrachet für das bekannt, was du eben gesagt hast, allerdings ist das nur teilweise richtig.“ Falkenauge fasste mit Zeigefinger und Daumen an seinen Hut. „Ein Chassagne Montrachet ist ein Wein, den man auf Knien und mit gezogenem Hut trinken muss, so lautet die vollständige Aussage.“ Nun zeigte der ehemalige Samurai ein gefährliches Schmunzeln. „Somit ist er genau das Gegenteil von dem, was die meisten denken.“ Er trank sein Glas leer. „Ein Wein der Gnade.“ Er stellte das Glas weg und wollte wohl gehen. „Falkenauge“, sprach Sanji ihn an, als er schon fast an der Türe war, versuchte seine wilden Gedanken zu sortieren. „Ich weiß, du kannst mich nicht ausstehen.“ „Korrekt.“ „Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Aber… wir beide wissen, dass wir in der Zukunft irgendwie miteinander auskommen müssen. Daher denke ich, wir sollten uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen und in Zukunft weniger… feindselig miteinander umgehen.“ Er konnte sehen, wie Falkenauge eine Augenbraue anhob und ihn absolut herablassend ansah. „Und dieser kleinste gemeinsame Nenner ist…?“ „Zorro.“ Es schien, als wollte Falkenauge was sagen, doch in diesem Moment ging die Türe auf und ausgerechnet der Marimo steckte den Kopf herein. „Hier bist du. Komm schon, du wolltest…“ „Gib mir noch einen Moment, Lorenor.“ Kurz sah Zorro misstrauisch zwischen ihnen hin und her, dann zuckte er die Achseln und zog die Türe wieder zu. „Nun, meinetwegen, Smutje“, sprach Falkenauge weiter, als ob Zorro sie nicht gerade unterbrochen hätte. „Dann möchte ich dir als Älterer von uns beiden, einen gutgemeinten Ratschlag mit auf den Weg geben.“ „Aha?“, machte Sanji, konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Kerl irgendetwas gut meinte. „Und der wäre?“ Er rechnete schon fast mit einer erneuten Drohung. „Werde erwachsen, Smutje“, sagte Falkenauge kühl. „Eure Navigatorin und Nico Robin mögen über dein missratenes Verhalten hinwegsehen, aber es ist alles andere als respektvoll und Lorenor mag dir vieles verzeihen, aber selbst er hat seine Grenzen.“ Sanji schluckte. „Und du meinst, ihn vor mir verteidigen zu müssen? Wenn er ein Problem mit mir hat, wird er es mir schon selbst sagen.“ Falkenauge sah ihn ausdruckslos an. „Ich verteidige ihn nicht, Smutje. Es ist ein Ratschlag. Ganz offensichtlich ist euer gegenseitiges, neugefundenes Vertrauen noch eine zarte Pflanze, es wäre eine Schande, wenn es wegen solch kindischer Nichtigkeiten zerbrechen würde, findest du nicht?“ Ehe Sanji irgendetwas sagen konnte, wandte er sich ab und öffnete die Türe. „Und was war das?“, brummte der Marimo von der anderen Seite. „Nur eine kleine Plauderei über Wein“, antwortete Falkenauge. „Ach? Na, wenn du meinst.“ „Meine ich, also, du wolltest mir noch etwas zeigen.“ Falkenauge zog die Türe zu, doch Sanji hörte noch, wie Zorro anfing zu reden. „Robin hat vor ein paar Wochen ein Buch über den Schmiedemeister Kotetsu gefunden und ich…“ Tief atmete er auf. Irgendwie… hatte er überlebt und auch, wenn Falkenauges Worte ihn kniffen, er hatte schon das Gefühl, dass dieses zarte Pflänzchen mit jedem Tag wieder stärker wurde. Irgendwie würden er und Zorro schon wieder miteinander klarkommen, es kam halt nur auf einen Versuch an.   Kapitel 34: Extrakapitel 31 - Minnedienst ----------------------------------------- Minnedienst   -Zorro- „Lore… was machst du denn hier?“ Er drückte die Hand des anderen weg und drängte sich zwischen ihm und der angelehnten Tür vorbei ins Innere des Hotelzimmers. „Nur ein Wort und ich hau dir eine rein.“ „Was… für eine freundliche Begrüßung… und dann auch noch so adrett gekleidet… das Werk deiner…“ Er verstummte unter Zorros Blick. „Ich sagte nur ein Wort!“ Dulacre schluckte und zog langsam die Türe zu, musterte ihn jedoch von oben nach unten. Aber es war nicht auf die Art, die Zorro mochte, wenn der andere seine Fertigkeiten bewertete, sondern auf diese Art, wie der Koch, wenn er seine Krawatte für den Tag auswählte. „Darf ich zumindest fragen, was mir die Ehre deiner Anwesenheit verschafft?“ „Kanan hat angerufen und wir waren in der Nähe“, murrte Zorro und verschränkte die Arme, wandte dem anderen den Rücken zu. „Sie sagte, das hier wäre wichtig und du würdest es verkacken.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kanan solche Ausdrücke verwenden würde.“ Doch nun klang der andere deutlich kühler. „Allerdings missfällt es mir außerordentlich, dass sie meint, sich einmischen zu müssen.“ Zorro entgegnete nichts, während Dulacre hinter ihm beinahe belustigt aufschnaubte. „Und dass sie darüber auch noch denkt, ich wäre auf deine Hilfe angewiesen… schließlich handelt es hier nicht um ein Wetttrinken.“ „Das würde ich aber gewinnen“, murrte Zorro nachdenklich und wünschte sich, es würde tatsächlich um ein Wettrinken gehen; er hätte jetzt gerne einen Schluck Sake. „Daran hege ich keinen Zweifel“, bemerkte der andere in seinem Rücken. „Also?“ Zorro rollte nur mit den Augen und sah Dulacre über die Schulter hinweg an. „Sie sagte, da dein Ruf jetzt noch schlechter wäre als vorher, sei es…“ „Ja?“ Zorro bereute jetzt schon, dass er Kanans Bitte nachgekommen war… Wäre er doch selbst an die Teleschnecke gegangen. Wobei das vermutlich nichts geändert hätte. Seine Wangen wurden heiß und leise grummelte er: „Sie sagte, meine… Anwesenheit würde dich menschlicher wirken lassen und das wäre für die Verhandlungen von entscheidendem Vorteil. Tze, was für ein Schwachsinn!“ Dem anderen entkam ein nachdenklicher Laut. „Damit hat sie tatsächlich nicht ganz Unrecht, ein kluger Gedanke, den man nutzen könnte. Ich bin nur überrascht, dass du dich darauf eingelassen hast, oder hattest du etwa Sehnsucht nach mir?“ Er hoffte sehr, dass dieser Mistkerl diesen Mist sofort bereute. Kalt starrte er ihn nieder. Doch der ehemalige Samurai schien nicht deutlich besser gelaunt zu sein als er selbst. „Du meine Güte, was für eine Anspannung. Wenn es so furchtbar für dich ist, warum bist du hier? Ich bin durchaus in der Lage, meine Interessen selbst und ohne fremde Hilfe zu vertreten. Du brauchst dich mir nicht verpflichtet zu…“ „Halt die Klappe.“ Tief holte Zorro Luft und winkte ab. „Du kennst Kanan. Natürlich hätte ich nicht ablehnen können – außerdem hat Nami es mitbekommen und ich…“ „Ach, doch die Frau Navigatorin, ich hatte mich schon gewundert, für ihre Verhältnisse ist dein Erscheinungsbild…“ „Noch ein Wort zu Kleid, Schminke oder Haare und ich kick dir zwischen die Beine; fühlt sich mit diesen Schuhen mit Sicherheit richtig gut an.“ Dulacre hob abwehrend seine Hände, seine Augenbrauen wanderten missbilligend nach oben. „Lorenor, wie du weißt, freue ich mich, dich zu sehen. Aber du bist aus – mehr oder minder – freien Stücken hier und mein Geduldsfaden ist von dieser schnöden Veranstaltung – die auch ich mir nur Herrn Koumyou zuliebe antue - bereits genug belastet. Wenn du mich in irgendeiner Form unterstützen möchtest, bedanke ich mich, aber mir fehlt heute die Gelassenheit, deine schlechte Laune auszuhalten.“ Er sprach wieder besonders geschwollen, was Zorro immer ganz besonders anpisste, aber er wusste auch, dass es ein Zeichen für die schlechte Laune des anderen war, also schnaubte er nur, verschränkte die Arme und wandte sich ab. „Wann geht es also los?“, murrte er missmutig. „In zwei Stunden, du bist überaus pünktlich.“ Darauf entgegnete er nichts, was den anderen zum Seufzen brachte. „Du musst dies nicht tun, Lorenor. Ich verstehe, warum du dich Kanan nicht erwehren konntest, und ich verstehe auch, dass du es gut meinst. Aber du hast oft genug gesagt, dass dieser Teil deiner Vergangenheit hinter dir liegt. Du musst für mich nicht die Maske der Lady Loreen aufrechterhalten.“ Er klang versöhnlich, so unglaublich rücksichtsvoll, dass es Zorro nur noch mehr nervte. Zorro war schlecht gelaunt. Manchmal hatte er das Gefühl, seine Crewmitglieder oder sonst wer versuchten absichtlich, ihre Route mit den Reisen des ehemaligen Samurais abzugleichen – und vielleicht war das auch wirklich so – und eigentlich kam ihm das auch nur Recht. Aber diese Aktion hier… Nachdem Kanan mit Nami telefoniert hatte, war diese überzeugt gewesen, dass Zorro seinem Partner helfen musste. Zorro sah das etwas anders, aber nachdem so ziemlich alle Crewmitglieder Nami zugestimmt hatten, war er eingeknickt. Doch das hieß nicht, dass er gerne diese Rolle spielte, nein, wirklich nicht. „Schon okay“, murrte er leise. „Robin hat gesagt, es könnte von Vorteil sein, wenn Lady Loreen sich noch ab und an irgendwo sehen lässt. Sie meinte, dass es uns vielleicht in Zukunft nutzen könnte, wie damals der Tanz mit dem Koch.“ Ein undefinierbarer Laut des anderen ließ Zorro aufhorchen. „Du siehst das anders?“ „Hm“, kam es von Dulacre. „Ich widerspreche ihr nicht vollständig, aber es scheint mir doch etwas kurzfristig gedacht, was so gar nicht zu Nico Robin passen mag. Zum einen weiß sie, wie wenig du diese Rolle leiden magst, und zum anderen geht die Welt derzeit davon aus, dass Lady Loreen die Bande zu Falkenauge gekappt hat, nachdem die Samurai aufgelöst wurden.“ „Ist doch egal. Sie meinte, es könnte dir helfen, weil Leute so vergessen könnten, dass du nun wieder ein gesetzesloser Pirat bist, und gut ist.“ Nun lachte Dulacre leise auf und als Zorro sich zu ihm umdrehte, zeigte er ihm dieses herablassende Lächeln, welches Zorro gerade so gar nicht leiden konnte. „Lorenor, sie führt dich vor. Ihre Argumente sind dünn, dienten vermutlich nur dem Zweck, dass du dich auf das Spiel deiner Crew einlässt.“ Irgendwie überraschte diese Schlussfolgerung ihn nicht sonderlich. Zorro mochte nicht so genial sein wie manche andere, aber selbst für ihn war offensichtlich gewesen, dass die anderen ihn nur hatten überreden wollen. Warum sie so einen Terz gemacht hatten, wusste er allerdings nicht und es war ihm auch egal. „Und? Dann mach ich halt bei diesem blöden Spiel mit“, meinte er unbeeindruckt. „Ist zwar mega nervig, aber wenn es Kanan, Koumyou und dir so wichtig ist.“ Noch während er sprach, verblasste Dulacres Lächeln und errötend wandte er den Blick ab. „Was denn? Ist es dir jetzt schon zu viel, wenn ich einfach mal versuche, nett zu sein?“ Immer noch mit roten Wangen, lächelte Dulacre zu ihm hinab, auf eine Art, die Zorro immer etwas peinlich war. „Nun ja, das mag sein. Also, wenn du dir wirklich sicher bist, dann würde ich mich sehr freuen, wenn du mich begleiten würdest. So hätte diese ganze unnötige Zeitverschwendung zumindest etwas Gutes.“ „Hab doch gesagt, dass ich deswegen hier bin“, murrte er und verschränkte die Arme, „und solange ich nichts tun muss, sondern einfach die Zeit absitzen kann, ist das schon okay.“ „Nun ja, es wird dich schon fordern, denn ich würde dich bitten, nicht währenddessen einzuschlafen.“ Es war nervig, wie schnell Dulacre wieder in seine besserwisserische Art wechseln konnte. „Ich kann mit offenen Augen schlafen“, entgegnete Zorro, wohl wissend, dass es ein schwacher Versuch war. „Aber selbst dann speichelst du bisweilen, und dieses Bild ist nicht unbedingt etwas, was ich der Welt antun möchte.“ „Leck mich doch.“ Er konnte sehen, wie Dulacre missbilligend den Kopf schüttelte, aber dabei auch wieder errötete. Dabei hatte Zorro das mit Sicherheit nicht nett gemeint. „Was ist denn jetzt los?“ Überrascht sah Dulacre ihn an, seine Wangen nun feuerrot, ehe er ein böses Lächeln zeigte, was Zorro ihm nicht zugetraut hätte: „Dir ist wohl bewusst, dass man dies auch als Einladung verstehen könnte?“ Für einen Moment hatte Zorro keine Ahnung, wovon Dulacre sprach, aber dann verstand er und rollte nur entnervt mit den Augen. „Ich glaube nicht, dass jemand, der so prüde ist wie du, eine Beleidigung als irgendetwas anderes missverstehen würde“, murrte er kühl. „Zumindest nicht, wenn es von dir kommt“, stimmte Dulacre zu. „Du magst zwar ein vorlautes Mundwerk haben, aber dafür hast du von anderen Dingen wirklich nicht den Hauch einer Ahnung.“ Ob er damit auf irgendetwas anspielen wollte? Oder neckte er Zorro einfach nur zum Spaß? „Was auch immer“, zuckte Zorro mit den Schultern. „Aber nur noch mal zum Klarstellen, schlafen, ja?“ Herablassend sah der andere ihn an. „Nein.“ „Urgh, nicht mal, wenn du redest? Da achtet doch eh niemand auf mich.“ „Nein.“ „Und was ist, wenn…“ „Lorenor“, stöhnte der andere auf, doch seine Mundwinkel zuckten. „Meinetwegen gebe ich dir ein Zeichen, wenn es irgendwann zwischendurch eine unauffällige Möglichkeit gibt, damit du in Gottes Namen etwas dösen kannst, wenn dir das so wichtig ist, aber ansonsten übst du dich bitte darin, wach zu bleiben. Du könntest die Zeit nutzen und dein Observationshaki schärfen.“ Zorro seufzte nur tief, während der andere begann, irgendwelche Papiere wegzuräumen. „Worum geht es bei dieser Versammlung überhaupt?“ „Hat Kanan dir das nicht erklärt?“ „Doch, aber ich hab’s vergessen.“ „Warum überrascht mich das nicht? Es ist eine Versammlung, die mehrere Vertreter verschiedener Inseln ersucht haben, die unter der Schirmherrschaft meines Namens stehen. Sie äußern große Sorge, was die Auflösung der Samurai für meinen Namen und somit für sie bedeuten möge. Das ich alte Tätigkeiten aus meiner Jugend wieder aufgenommen habe, verunsichert sie anscheinend noch mehr, weshalb Herr Koumyou es als notwendig erachtet hat, dass ich persönlich bei diesem Treffen anwesend bin – obwohl er ja nicht ohne Grund mein Stellvertreter ist - um diesen aufgeblasenen Wichtigtuern zu zeigen, dass ihre Sorgen irrsinnig sind. Dabei wird die Anwesenheit meines Partners durchaus von Vorteil sein.“ „Urgh, das hört sich ja richtig langweilig an“, urteilte Zorro, obwohl er schon etwas neugierig war über Dulacres Zeit als Marinejäger, die der andere wie ein veraltetes Hobby abtat und immer recht wenig drüber sprach. Ebendieser sah von seinen Unterlagen auf und schenkte Zorro dieses böse Grinsen, welches er gut leiden konnte. „Du warst schon immer ein schlechter Lügner.“ „Aber es wird trotzdem langweilig, oder?“ „Es ist kein Kampf, das sollte deine Frage beantworten.“   Ja, das hatte seine Frage beantwortet, nicht, dass er es nicht vorher gewusst hatte. Zorro hatte eigentlich nie das Gefühl gehabt, besonders gutmütig zu sein, nicht wie Chopper, Vivi oder der Koch, aber gerade wusste er, dass er ein verdammter Heiliger war! Vielleicht hatte er es verdrängt, vielleicht hatte er es vergessen, vielleicht fiel es ihm erst jetzt auf, da er so viel Zeit wieder auf hoher See und mit seiner Crew verbracht hatte, aber verdammt nochmal, was waren diese feinen Pinkel nervig; Dulacre war da keine Ausnahme. Aber Zorro musste ihm immerhin zugutehalten, dass er noch diese andere Seite hatte, und wann immer Zorro dessen Blick bemerkte, wusste er, wie entnervt der andere ebenfalls war. Dulacre mochte ein feiner Pinkel sein, aber das hielt ihn nicht davon ab, die anderen feinen Pinkel zu verachten, wahrscheinlich sogar deutlich mehr als Zorro es tat. Immerhin waren die meisten von ihnen etwas diskreter in ihren Fragen und Aussagen gewesen als damals der Bürgermeister, sodass Zorro Verwirrung und Misstrauen einfach ignorieren konnte, während Dulacre darauf ähnlich indirekt antwortete, was bedeutete, dass Zorro nicht wirklich verstand, was der andere antwortete; was ihm auch ziemlich egal war. Nach unnötig vielen Händeschütteln und Verbeugen saß er nun hier, neben Dulacre und das war der größte Grund, warum Zorro überzeugt davon war, ein verdammter Heiliger zu sein. Lady Loreen hatte den Ruf einer höflichen, adretten Adelsdame. Falkenauge den eines ruchlosen, aufmüpfigen Piraten. Während Zorro also da saß, in seinen unbequemen Klackerschuhen, seinem luftabschnürenden Mieder, zurechtgemacht wie ein Pudel auf einer Hundeausstellung, hing der ehemalige Samurai neben ihm auf dessen Stuhl, die Füße auf den Tisch vor sich geworfen, auf den hinteren zwei Beinen seines Stuhls kippelnd, die Arme verschränkt und starrte die Redner nieder, wie er es sonst nur bei Marineveranstaltungen getan hatte. Am Anfang war Zorro irritiert gewesen, schließlich hatte er gedacht, dass der Sinn dieser Veranstaltung wäre, die Inselvertreter zu überzeugen, dass der Name Mihawk immer noch ein verlässlicher Vertragspartner sei, wofür Dulacres Verhalten wahrscheinlich nicht gerade förderlich war – aber was wusste Zorro über sowas schon? – mittlerweile war er nur noch angepisst. Es war einfach nicht fair. Er machte diesen Mist Dulacre zuliebe mit, der sich selbst in diese Scheiße reingeritten hatte. Aber während Zorro sich noch nicht mal angenehm gegen seinen Stuhl lehnen konnte, ohne dass das Mieder in seinen Rücken drückte, hatte dieser verdammte Mistkerl neben ihm noch nicht mal seinen hässlichen Hut mit der hässlichen Federboa abgesetzt. Gerade bemerkte er wohl Zorros bösen Blick zum beschissenen Spiel, denn ein Grinsen huschte kurz über seine Züge, während er Zorro wortlos daran erinnerte, dass er sich freiwillig entschieden hatte, diese Rolle nochmal zu spielen, aber noch bevor Zorro überlegen konnte, ob er sich einfach hier vor aller Augen verwandeln sollte, nur um diesem Mistkerl das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, wurde eine kurze Pause ausgerufen. Es dauerte nur wenige Minuten, da hatte sich der Saal fast vollständig geleert und Zorro begrüßte die Möglichkeit, sich etwas bewegen zu können, bis er sich daran erinnerte, auf welchen Schuhen er das musste. „Was für ein Mist“, knurrte er leise, während er etwas abseits mit dem ehemaligen Samurai stand, der gegen eine Säule lehnte und die Fremden in Zorros Rücken durchdringend beobachtete, als würde er ein Attentat erwarten. „Und du bist echt ein Arsch, weißt du das?“ „Ich sagte doch, dass deine Begleitung zumindest etwas Gutes hätte. Ich sagte nicht für wen oder was, aber dank dir amüsiere ich mich köstlich“, bemerkte er herablassend, während er weiterhin absolut ausdruckslos den fast leeren Saal begutachtete; die meisten Anwesenden hatten sich in den breiten Korridor zurückgezogen. „Aber du solltest ein bisschen auf deine Wortwahl und deine Mimik achten. Denke daran, dass auch, wenn die meisten Reporter draußen warten müssen, ein paar wenige Zutritt erhalten haben. Wir wollen doch nicht, dass die Massen denken, ich hätte dich entführt.“ „Ach, wollen wir nicht?“, murrte Zorro nur sarkastisch. „Vielleicht solltest du dich ein bisschen unter die Leute mischen, deine Rolle spielen und den Argwohn mancher mit deinem ganz eigenen Charme entwaffnen.“ Zorro verstand kaum, was der andere meinte. „Warum mischst du dich nicht unter die Leute?“, widersprach er daher, teils aus Prinzip, aber auch, weil er es wirklich nicht verstand. Nun schaute Dulacre kurz zu ihm hinab, ehe er wieder aufsah. „Aus genau dem gleichen Grund – abgesehen davon, dass ich solche Veranstaltungen nicht ausstehen kann und unnötigen Small Talk verachte – weil ich meine Rolle spiele.“ „Ach?“, zweifelte Zorro verdrießlich. „Natürlich. Die Vertreter, die mich je kennen gelernt haben, sehen in mir Arroganz, Überheblichkeit, Ungehorsam und Widerspenstigkeit. Sollte sich mein Verhalten jetzt plötzlich verändern, würden sie noch misstrauischer werden. Für sie bin ich der rebellische Sohn aus adeligem Haus, der zu früh seiner Aufgabe anvertraut wurde und auf Abwege geraten ist. Aber das ist ihnen gleich, solange das Adelshaus besteht und mein Name und meine Macht ihnen Schutz und Einfluss sichern. Meine Aufgabe hier ist nicht, sie zu besänftigen oder ihnen das Gefühl zu vermitteln, ich sei ein akzeptabler Mensch, sondern zu zeigen, dass ich genauso gefährlich und grausam bin, wie sie mich kennen.“ Einen Moment hörte Zorro dem einfach nur zu. „Warum musste ich dann mit?“, meinte er, eher nachdenklich als vorwurfsvoll. „Wenn es eben nicht darum geht, dich menschlicher erscheinen zu lassen?“ „Ist das nicht offensichtlich? Falkenauge gebietet Lady Loreen Schutz, selbst als abtrünniger Schwerverbrecher, während diese immer noch in der gehobenen Gesellschaft willkommen ist. Deine Anwesenheit ist das Sinnbild für das, was diese Leute hier wollen. Meinen Namen, meine Macht, mein Geld und meinen Einfluss, ohne aber ihren Status, ihre Legalität oder ihr Ansehen zu gefährden. Wenn ich ihnen das bieten kann, werden sich ihre Sorgen verstreuen; meine Menschlichkeit spielt für sie dabei keinerlei Rolle.“ „Mann, das ist echt wieder mal anstrengend“, murrte Zorro, ehe er etwas verstand. „Entführt. Deshalb hast du das gesagt. Meine Rolle kann nur funktionieren, wenn die Leute denken, dass Lady Loreen freiwillig bei Falkenauge ist und nicht dazu gezwungen oder sonst was wird.“ Dies brachte ihm ein anmerkendes Nicken des anderen ein – nicht, dass er sich darum scherrte – und Dulacre begegnete wieder seinem Blick. „Ganz genau. Es spielt uns in die Karten, dass dein letzter Auftritt ohne meine Begleitung war und – zumindest laut der Zeitung – in einem Fiasko endete. Für den ein oder anderen könnte dies der Grund sein, warum Lady Loreen wieder zurückgekehrt ist, Schutz gesucht hat, weil sie ohne Falkenauge in dieser grausamen Welt nicht überstehen kann. Auch dies wieder ein Sinnbild für ihre derzeitige Situation.“ „Ich kotz gleich.“ „Aber wenn du darüber hinaus zeigst, dass diese Liaison in deinem Sinne ist und aus freien Stücken eingegangen wurde, dann werden die unbewussten, inneren Widerstände der Argwöhnischen bröckeln“, sprach der andere weiter und ignorierte Zorros Kommentar, „und genau aus diesem Grund habe ich dich mitgenommen.“ Zorro wollte dem anderen an den Kopf werfen, wie beschissen sein Charakter war, was Dulacre natürlich wusste, da ertönte ein lauter Gong und alle wurden aufgefordert, ihre Plätze einzunehmen. Also saß Zorro wieder mal da und langweilte sich zu Tode, für gefühlte Stunden und sehnte die nächste Pause – wenn schon nicht das Ende dieses gebrauchten Tages – herbei. Doch sie ließ auf sich warten und als sie endlich kam, wiegelte er Dulacre mit wenigen Worten ab, denn dieser Körper hatte noch einen weiteren entscheidenden Nachteil gegenüber seines echten. Die Blase war beschissen klein! Eiligen Schrittes - also so schnell er auf diesen Hacken laufen konnte, ohne dass alle ihn verstört angucken würden - eilte er zu den pompösen Scheißhäusern und hoffte, dass die Schlange nicht unendlich sein würde. Er hatte Pech. Dieses Mal erinnerte Zorro sich zwar rechtzeitig daran, welche Toilette er aufsuchen musste, aber er hätte sie auch nicht übersehen, da die Frauen bis nach draußen standen. Leise seufzend reihte er sich ein. Noch so ein Problem, von dem er nie gedacht hätte, dass er sich je damit würde herumschlagen müssen. Und das Zweite folgte auf dem Fuße, denn kaum hatte er sich hinten angestellt, erkannte ihn natürlich die Ersten und sofort begannen sie, auf ihn einzureden, manche waren zurückhaltend, aber die meisten von ihnen waren ihm deutlich zu neugierig. Zorro konnte nicht wie Dulacre mit Finesse und indirekten Aussagen umgehen, außerdem hatte er überhaupt keinen Bock, sich die Mühe zu machen, irgendetwas zwischen irgendwelchen Zeilen zu lesen, aber er setzte sein falsches Lächeln auf und tat das, weshalb er mitgekommen war. Doch sehr schnell, stellte er fest, dass es einfacher war, seine Rolle zu spielen, wenn es sich um nur um einen kurzen Wortwechsel handelte, dem man sich leicht entziehen konnte, aber hier und jetzt konnte er nicht einfach weg und die Themen der Damen waren deutlich vielfältiger als das, was er normalerweise als Lady Loreen gewohnt war.  Sollte das also die Art sein, wie er auffliegen würde? Weil er zusammenhanglosen Gesprächen über Make-Up, Kriegsverbrechen und Wirtschaftskrisen auf einem Klo nicht folgen konnte? Dabei wollte er doch einfach nur seine Blase erleichtern. Quälend langsam bewegte sich die Schlange vorwärts und Zorro fragte sich, ob er es überhaupt rechtzeitig bis zum nächsten Gong zurück in den Saal schaffen würde, nicht sicher, ob er es überhaupt versuchen wollte. Endlich hatte er es in den Vorraum der Damentoilette geschafft, aber auch, wenn ihn seine Crew an chaotische Situationen im Bad bereits gewöhnt hatte, so überraschte es ihn dennoch, dass es bei diesen feinen Damen ganz ähnlich ablief; irgendwie beruhigend. „Lady Loreen, möchten Sie ein Pfefferminz?“ Überrascht sah er von seinem unfreiwilligen Gespräch über die vorangegangene Sitzung auf, als irgendeine Dame ihm ein kleines Döschen hinhielt und es öffnete. „Uhm, nein da…“ Brauchen Sie Hilfe? Nehmen Sie eine weiße Pastille Verwirrt starrte er dieses Zettelchen an, welches auf der Innenseite der kleinen Dose klebte – und schloss aus dem Zusammenhang, dass es sich bei Pastillen um die vielen kleinen weißen und grünen Pfefferminzbonbons handelte – und es dauerte einen Moment, bis er kapierte, was diese Frau da tat, und es dauerte noch einen Moment, bis er die Hintergründe erfasste, die Dulacre ihm in ihrem Gespräch vor wenigen Stunden erst erläutert hatte. „Was soll dieser…?“ Er begegnete dem Blick der Dame, die ihm ein höfliches Lächeln schenkte, aber es erreichte ihre Augen nicht. Sie erinnerte ihn an Nami, an Kanan, und er verstand, dass diese Frau sich wohl wirklich Sorge um ihn machte. Da kapierte er, dass sie versuchte, ihm einen möglichst unauffälligen Weg der Hilfesuche zu geben, da sie wusste, dass die Augen und Ohren eines ehemaligen Samurai überall sein konnten. Und dann wurde ihm bewusst, dass diese Frau sich unter anderem Umständen mit so einer Aktion wirklich in Gefahr bringen könnte. Hätte sie das in der letzten Pause gemacht, wäre Zorro sich wohl verarscht vorgekommen und hätte nicht kapiert, was sie wollte, aber gerade wurde ihm bewusst, dass Dulacre absolut Recht hatte und diese Frau – wie vermutlich die meisten hier – wirklich dachten, dass er das hilflose Anhängsel Falkenauges war, ein Vogel in einem goldenen Käfig. Diese Frau brachte sich willentlich in Gefahr, um Zorro helfen zu wollen, aber auch, wenn er das respektierte, so machte es ihn auch wütend, diese ganze Situation machte ihn richtig wütend. Erst nach einer Sekunde wurde ihm bewusst, dass immer mehr Augen auf ihn gerichtet waren und er sich langsam etwas einfallen lassen sollte. Wieder mal war er versucht, sich einfach hier und jetzt zu verwandeln, aber wieder mal schluckte er seine Zorn herunter und spielte mit. „Vielen Dank“, erwiderte er ihr Lächeln und nahm sich ein grünes Bonbon, zeigte es bewusst deutlich, ehe er es sich in den Mund steckte – es war eklig süß, selbst für Pfefferminze – und schloss dann die dargebotene Dose. „Möchten Sie mich etwas fragen? Sie können ganz offen mit mir reden, wir sind doch hier unter uns.“ Er wusste nicht, was er erwartet hatte, vielleicht einen überraschten Blick, vielleicht eine zögerliche Frage, aber mit Sicherheit nicht ein halbes Dutzend Frauen, die sich um ihn scharrten und ihn nun mehr oder weniger diskret fragten, was denn zwischen Lady Loreen und Falkenauge passiert sei, ob er Hilfe bräuchte, ob er entführt worden wäre, ob er krank wäre und noch so viel mehr. Minimal überfordert stand er da, so perplex von all diesen Fragen, dass er sie kaum beantworten konnte. Doch mit jeder neuen Frage wurde er wütender und er hatte gar keinen Bock mehr, dass alles kommentarlos runterzuschlucken. Zum Glück wurde er dann erlöst, als er endlich an der Reihe war, und schnell verschwand er in seine halbe Sekunde Frieden. Wobei es ihn deutlich mehr Zeit kostete, sich aus diesem vermaledeiten Fummel zu befreien. Es nervte ihn, wie sie alle taten, als könnte er sich nicht selbst verteidigen, nicht über sich selbst bestimmen. Sie taten so, als wäre er hilflos Dulacre ausgesetzt, als würde Dulacre ihm zu all dem hier zwingen, und er merkte, wie es ihn anpisste, richtig anpisste. Es mochte gut gemeint sein, aber sie machten sich diese Sorgen nur, weil sie ihn nicht kannten, nur diese Lügengestalt kannten, welche die Zeitungen, welche Eizen, welche nicht zuletzt Dulacre und er selbst aus Lady Loreen geformt hatten. Nicht eine von ihnen würde so einen Mist denken, wenn sie ihn wirklich kennen würden. Als er ans Waschbecken trat, konnte er die geflüsterten Worte hören, ihre Blicke sehen, es in ihren Fragen wahrnehmen, und auch, wenn die meisten von ihnen es wohl freundlich meinten, so machten sie ihn nur noch wütender. Zügig verließ er das Bad und stakste zurück in den Versammlungsraum, doch jetzt bemerkte er es erst, diese Augen, die auf ihm lagen, manche herablassend, manche mitfühlend, Getuschel hinter vorgehalter Hand, aber laut genug. Auch das hatte er vergessen, verdrängt, vielleicht nie so deutlich wahrgenommen. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, wie die Welt ihn in diesem Körper sah. Vielleicht hatte es sich auch nochmal verändert, seitdem Dulacre seinen Titel als Samurai verloren hatte, doch obwohl es nur eine Rolle war, nur dem Zweck gedient hatte, die Verbindung zwischen Lorenor Zorro und Lady Loreen zu verschleiern, merkte Zorro, dass er es nicht abhaben konnte. Ja, Lady Loreen war nur eine Kunstfigur, mochte ja sein, aber er war immer noch selbst in diesem Körper und selbst wenn nicht, er fand es absolut beschissen, dass die Welt nicht wahrhaben wollte, dass die Beziehung zwischen Lady Loreen und Falkenauge auf Augenhöhe ablaufen konnte. Wütend stapfte er zu seinem Platz, gerade noch rechtzeitig, um den lauten Gong zu hören, ignorierte Dulacres Versuch, ihn anzusprechen. So saß er da und brodelte innerlich. Immer wieder kamen ihm die Worte des Kochs in den Kopf. Tja, wie sollte die Welt sehen, wie er wirklich war, wenn er immer sein Bestes tat, dies zu vermeiden? Er wusste nicht, ob es etwas Gutes oder etwas Schlechtes wäre, wenn die Welt die Wahrheit herausfinden würde, und er wusste auch immer noch nicht, ob er es überhaupt wollte, schließlich hätte es nicht nur Vorteile, nein, je nach Gegner hätte es deutliche Nachteile für ihn. Taktisch gesehen war es wohl klüger, wenn nicht jeder Vollidiot seine Schwachstelle kannte. Dennoch hatte er auch echt keinen Bock mehr sich diesen dummen Gerüchten aussetzen zu müssen, egal welcher Körper. Er musste das ändern. Nein, er würde das ändern, heute, ein für alle Mal. Auch, wenn er noch keine Ahnung hatte, wie er das umsetzen sollte. Vielleicht war der letzte Vortrag gefolgt von der letzten Diskussionsrunde deutlich kürzer als die vorrangegangenen gewesen, vielleicht war Zorro auch nur abgelenkt gewesen, aber irgendwann erhoben sich alle und dieser Teil des Tages war geschafft. Jetzt musste Zorro nur noch das Bankett über sich ergehen lassen und dann konnte er endlich aus diesen Klamotten raus. Aber vorher musste er noch eine weitere Sache irgendwie überstehen. „Du scheinst ja noch schlechter gelaunt als zu Beginn“, bemerkte Dulacre leise, während er Zorro in den unnötigen Mantel half, den er für die zehn Meter durch den Vorhof zum Restaurant tragen musste. „Naja, du hast doch gesagt, ich solle mich unter die Leute mischen“, murrte Zorro und schenkte vorbeigehenden Anzugmännern ein freundliches Lächeln, ehe er Dulacre niederstarrte. „Ach, dir war vorher nicht bewusst, wie sie von dir reden“, stellte Dulacre zutreffend fest, doch bevor Zorro etwas entgegnen konnte, kam eine großgewachsene Dame vorbei und richtete ein paar unwichtige Fragen an den ehemaligen Samurai, welcher diese auf seine übliche herablassende Art beantwortete, ehe er sich einfach abwandte und Zorro mit einer einladenden Geste den Weg wies. Innerlich mit den Augen rollend, folgte Zorro diesem Angebot und schritt an Seite des Herrn der fünf Inseln den breiten Korridor entlang. Wieder konnte er diese Blicke sehen, das Getuschel hören. „Weißt du, was mich an meisten anpisst?“, entkam es ihm so leise, dass niemand außer Dulacre direkt neben ihm es hören konnte. „Soll ich eine Auflistung erstellen?“ Der andere schien trotz des nervigen Tags recht gut gelaunt. „Chronologisch oder nach Alphabet?“ „Wenn ich dir jetzt hier eine reinhaue, meinst du, sie würden aufhören, Lady Loreen als hilfloses Spielzeug zu sehen?“ „Wohl eher nicht“, entgegnete der andere, der Zorros Worte tatsächlich ernst nahm. „Es würde wie ein verzweifelter Selbsthilfeversuch wirken, dem ich mich natürlich in Gesellschaft nicht erwehren würde. Aber gewiss würden viele sich in ihren Vermutungen bestätigt sehen, wenn Lady Loreen danach wieder für mehrere Wochen oder gar Monate in der Öffentlichkeit nicht auftreten würde.“ Zorro schnalzte nur missbilligend mit der Zunge. Dann traten sie nach draußen und wurden sofort von unzähligen Kamerablitzen und lauten Rufen der Reporter begrüßt, die Stellungnahmen von Dulacre und Inselvertretern haben wollten, die Posen haben wollen, die Interviews und Antworten wollten. Dulacre neben ihm seufzte leise auf, ignorierte sie und schritt weiter. „Hey, warte mal“, murrte Zorro und verwundert sah Dulacre zu ihm hinab. „Komm mal her.“ „Was ist denn? Lass uns drinnen weitersprechen, nicht hier… vor ihnen.“ Zorro schüttelte den Kopf und winkte den anderen zu sich hinunter. Missbilligend trat der ehemalige Samurai an ihn heran und neigte leicht den Kopf, damit Zorro ihm besser ins Ohr flüstert konnte. „Bitte, was auch immer du mir zu sagen hast, das hier ist nicht…“ Es brauchte nur eine Sekunde. Zorro packte den anderen am Hinterkopf, mit der anderen Hand Dulacres Handgelenk, zog ihn noch näher und dann knallte er ihre Lippen aufeinander. Er konnte die Panik in den Augen des anderen sehen, der sich erst wegziehen wollte, aber Zorro bedeutete ihm wortlos, das nicht zu wagen, bevor er selbst seine Augen schloss, Dulacre nicht loslassend. Die plötzliche Stille, die für zwei ganze Herzschläge anhielt, dröhnte in seinen Ohren, ehe die Kameras wie wild klickten und ein lautes Meer an Stimmen unverständliche Dinge brüllte. Im nächsten Moment ließ Zorro den anderen los und beobachtete breit grinsend, wie Dulacre puterrot auf zwei Schritte Abstand sprang. Doch Zorro war noch nicht fertig. Während Dulacre noch verdaute, was gerade passiert war, packte Zorro seine Hand und zog ihn mit sich zu den Treppen, die zum Restaurant heraufführten.   „Was sollte das, Lorenor?!“, herrschte Dulacre ihn an, kaum dass die Zimmertüre zufiel. Hatte sich diese Worte vermutlich das ganze Essen über zurechtgelegt. „Wie konntest du so etwas tun? Du weißt doch, wie ich…!“ „Komm mal runter, es war nur…“ „Ein Kuss! In der Öffentlichkeit! Vor Kameras! Ist dir nicht bewusst, was das bedeutet?!“ Dulacre holte tief Luft und schritt durch den Raum, fuhr sich durchs Haar, offensichtlich erschüttert. „Peinlich und unangebracht. Ich dachte, du wolltest mich unterstützen, und dann stellst du mich so bloß. Du weißt, was ich von Intimität in der Öffentlichkeit halte, und nun wird es morgen in allen Zeitungen sein, wie…“ „Wie Lady Loreen Falkenauge küsst, genau“, murrte Zorro kühl und stellte sich dem anderen in den Weg, damit er aufhören musste, herumzutigern. „Wieso hast du das getan? Wolltest du mich vorführen? War dies eine Art Racheakt?“ „Jetzt reg dich ab und hör verdammt nochmal zu!“ Zorro war überrascht, wie ehrlich bestürzt der andere klang. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Dulacre sich so aufregen würde, vielleicht hatte er Dulacres Standesdünkel oder was auch immer es war unterschätzt. Kopfschüttelnd seufzte er und verschränkte die Arme. Mitten im Luftholen unterbrach der andere sich, schürzte die Lippen und wandte den Blick ab. „Na denn, erkläre dich, Lorenor. Wieso wolltest du mich so blamieren?“ Laut stöhnte Zorro auf. „Lass dieses Drama. Ich hab dich nicht blamiert, sondern genau das gemacht, was du wolltest.“ „Ha!“, kam es ungläubig von dem anderen mit zuckenden Mundwinkeln. „Und wie kannst du auch nur eine Sekunde…?“ „Weil nicht jeder so tickt wie du!“, unterbrach Zorro ihn hart. „Ich weiß, dass du prüde wie sonst was bist und ich weiß, dass dieser Mist dir mit Sicherheit unangenehm war, aber genau deshalb wusste ich, dass es funktionieren würde.“ Die Panik und Missbilligung war etwas aus Dulacres Gesicht gewichen und misstrauisch begegnete er Zorros Blick, während er die Arme verschränkte. „Wie meinst du das? Das was funktionieren würde?“ Zorro suchte nach den passenden Worten. „Also, um es kurz zu machen. Du wolltest, dass die Leute nicht mehr denken, Lady Loreen wäre gezwungenermaßen bei Falkenauge, und mich pisst an, dass sie alle denken, du könntest mich zu irgendetwas zwingen, als wäre ich dir unterlegen, nur irgendein hilfloses Spielzeug.“ Er schnaubte auf. „Also habe ich genau das gemacht, was du nie tun würdest – nicht mal zur Show – und alle Bilder werden es genauso zeigen. Sie alle werden zeigen, dass Lady Loreen den Kuss initiiert hat, dass Falkenauge überrascht, verlegen und peinlich berührt war.“ Er begegnete dem Blick des anderen ernst. „Ja, ich weiß, es mag dir unangenehm sein, aber dieser beschissene Kuss zeigt, dass Lady Loreen freiwillig bei Falkenauge ist, und dass ich nicht dein hilfloses Spielzeug bin, sondern dein ebenbürtiger Partner!“ Tief holte er Luft, wusste nicht, was er erwarten sollte, während sie einander anstarrten in gefühlten Minuten der Stille. Doch dann entkam Dulacre ein seltsamer Laut, der fast einem überraschten Auflachen glich. Er strich sich durch Haar und Bart, verweilte mit Daumen und Zeigefinger am Kinn und dann fiel sein Blick wieder auf Zorro. „Was denn?“, murrte Zorro. Dieser Blick war ihm unangenehm und er konnte nicht einschätzen, was diese Reaktion bedeuten sollte. Er hatte nicht unbedingt beabsichtigt, den anderen in eine unangenehme Situation zu bringen, aber er war tatsächlich ziemlich überzeugt von seinem Plan, und es war ja auch nicht so, als ob Dulacre so einen Mist noch nie mit Zorro abgezogen hatte. Als hätte der andere seine Gedanken gelesen, zeigte er plötzlich dieses überhebliche Grinsen, welches Zorro schon so halbwegs leiden konnte. „Ich scheine wirklich einen schlechten Einfluss auf dich zu haben, Lorenor. Oder hat dich der Coup deiner Crew auf Maribelle zu einem solchen Verhalten inspiriert?“ „Hä? Wovon redest du?“ „Na, von deinem Kalkül, du hast die Massen und mich analysiert, mich manipuliert, zu meinem eigenen Wohl, wenn auch nicht ganz uneigennützig.“ Dulacre zuckte mit den Schultern und schritt dann durch den Raum zu einem Sekretär mit Alkohol. „Es ist, als hättest du dich meines Verstandes bedient, um diesen Plan zu entwickeln. Und du hast Recht, er wird ein voller Erfolg sein. Der erste richtige Kuss von Lady Loreen und Falkenauge in der Öffentlichkeit, kurz nachdem Gerüchte sich verbreiteten, er würde ihre missliche Lage ausnutzen. Tatsächlich hätte ich es nicht besser machen können und tatsächlich hätte ich es nie getan.“ Er wandte sich wieder um und bot Zorro ein Glas mit goldener Flüssigkeit an. „Allerdings war der Preis doch recht hoch. Du hast mich von meiner eigenen Medizin kosten lassen und sie schmeckt wahrlich bitter. Nicht oft passiert es, dass jemand es schafft, mich zu manipulieren. Du hast mich darüber hinaus auch noch bloßgestellt. Ein durchaus grausamer Plan.“ „Du übertreibst“, murrte Zorro und packte das Glas. „Sorry, ich wusste nicht, dass es dir so unangenehm sein würde, und ich hab auch nicht wirklich versucht, hier irgendein Meisterwerk auf die Beine zu stellen. Es war einfach nur eine Idee und ich wusste, du würdest sie ablehnen. Aber hey, ich überlebe dieses Kleid hier und sämtliche Artikel, die über mich verfasst werden. Ich finde, da bist du mit einem Kuss noch ziemlich gut weggekommen.“ „Da gehen unsere Meinungen wohl ziemlich auseinander“, seufzte der andere und ließ sich auf einen breiten Sessel fallen. „Wie dem auch sei, wie lange hast du noch vor, zu bleiben?“ „So lange, wie ich muss“, murrte Zorro nur und tat es Dulacre gleich. „Und das soll bedeuten?“ „Na, die anderen sind weitergesegelt, nur für den Fall, dass dein Treffen hier die Marine auf den Plan rufen würde.“ Dulacre schnaubte auf. „Sie verlassen sich also darauf, dass ich dich morgenfrüh hinterher bringe?“ „Machst du’s nicht?“ „Ich habe auch nicht unbegrenzt Zeit, weißt du?“ Zorro grinste, wusste, dass der andere es nicht ernst meinte. „Aber ich bin schon überrascht“, kam es dann von Dulacre, der sein Glas begutachtete. „Mir ist bewusst, dass Lady Loreen dir eher ein Dorn im Auge ist als alles andere. Ich hätte nie gewagt, dich in dieser Gestalt zu küssen.“ Wieder mal verstand Zorro ihn nicht. „War es etwa ein Problem für dich?“, fragte er also nach. „Was? Nein, nein, zumindest nicht dieser Teil war daran problematisch“, wiegelte der andere direkt ab und begegnete seinem Blick. „Ich hatte nur nicht erwartet, dass du so etwas nur für einen Plan bereit wärest zu tun, erst recht nicht in dieser Gestalt.“ „Keine Ahnung, wovon du redest“, murrte Zorro und nippte an seinem Whiskey. „War ja nicht unser erster Kuss, oder? Und ganz gleich welcher Körper, ich bin immer noch ich, und ich habe kein Problem, dich zu küssen. Du bist derjenige, der daraus ein Problem gemacht hat.“ „Weil spätestens übermorgen die ganze Welt sehen wird, wie wir Intimitäten miteinander austauschen. Ist dir das nicht unangenehm?“ „Ist mir scheißegal, was die Welt sehen wird“, widersprach er. „Aber langsam nervt es mich, wie sie alle meinen, sich einmischen zu müssen, wie sie glauben, unsere Beziehung beurteilen zu können. Ich schäme mich nicht, weder dich zu küssen noch dein Partner zu sein, und wenn die Welt schon was sehen will, dann halt das. Hauptsache ich kriege keine nervigen Rettungsangebote mehr, während ich einfach nur aufs Klo will.“ Das sicherte sich einen überraschten Blick des anderen. „Oh, das ist also passiert?“, fragte er belustigt nach, obwohl er zunächst wohl etwas anderes hatte sagen wollen. Mit einem leisen Seufzen begann Zorro zu erzählen, nahm es bereitwillig hin, wie Dulacre ihn auslachte, gönnte es ihm. Denn er wusste, dass spätestens in zwei Tagen, wenn sie die Thousand Sunny erreichen würden, es Dulacre sein würde, der im Boden versinken wollte, während Zorros Crewmitglieder ihm die Zeitung unter die Nase reiben würden. Schmunzelnd leerte er sein Glas. Der verdammte Koch hatte wohl Recht gehabt. Es war an der Zeit, dass Zorro der Welt zeigte, wer er wirklich war, und ganz gleich welcher Körper, er war weder hilflos noch schüchtern. Heute war ein erster Schritt in diese Richtung gewesen, ungeplant, zu Dulacre Lasten, aber für einen Moment konnte Zorro diesen Körper etwas besser leiden und er wusste, dass dieses Gefühl wiederkommen würde, sobald er die Zeitung sehen würde. Doch sein Gedankengang wurde unterbrochen, als Dulacre ihm plötzlich dieses sanfte Lächeln schenkte und direkt wurden Zorros Wangen warm. „Was?“, murrte er. „Ach nichts, ich habe nur ein bisschen über deine Worte nachgedacht“, bemerkte der andere. „Du sagtest, dass du der Welt zeigen wolltest, dass du mein Partner bist. Nicht, dass Lady Loreen Falkenauges Partner ist. Es war keine Show, zumindest nicht nur, oder?“ Seufzend rollte Zorro mit den Augen und erhob sich. „Du redest schon wieder irgendeinen Schwachsinn. Lady Loreen und Falkenauge sind mir sowas von egal. Ich habe diesen ganzen Mist nur abgezogen, weil du mein Partner bist. Und jetzt komm mit!“ „Wohin?“ Vor einer Sekunde war der andere noch errötet, jetzt schaute er Zorro misstrauisch hinterher. „Zum Bett, ich bin müde und du musst mir aus diesem beschissenen Kleid raushelfen. Nami hat es so eng geschnürt, ich hab das Gefühl, dass mir die Schulterblätter absterben.“ Mit einem leisen Lachen folgte ihm der andere und irgendwie war Zorro trotz allem deutlich besser gelaunt als noch am Morgen. Nein, wenn er ehrlich war, dann war er richtig gut gelaunt. Kapitel 35: Extrakapitel 32 - Zukunft ist Vergangenheit ------------------------------------------------------- Zukunft ist Vergangenheit   -Mihawk- Was für eine angenehme Ruhe, dieses leichte Wanken bei sanftem Seegang, so wachte man doch gerne auf. Allerdings hatte er noch nicht wirklich viel Lust dazu, also drehte er sich auf die Seite und tastete nach dieser angenehmen Wärmequelle, fand jedoch nichts. Seufzend zog er die Decke um sich herum. Er war alleine in seinem Bett, Lorenor war also schon aufgestanden, warum auch immer. Ob er meinte, wieder trainieren zu müssen, oder ob er verhindern wollte, dass eines seiner Crewmitglieder ihn im Sargboot aufsuchen würde? Wobei nein, so etwas war Lorenor doch eigentlich immer… Verwirrt hob Dulacre den Kopf. Er war nicht im Bauch seines Schiffes. Es roch anders, der Wellengang war anders, die Geräusche waren anders, aber… nicht fremd, und auch dieser Raum war alles andere als fremd. Ganz langsam setzte er sich auf, versuchte, die Situation zu erfassen. Ihm war ziemlich schnell bewusst, dass dies kein Traum war, es war real. Aber was bedeutete das? Am vergangenen Abend waren Lorenor und er im Bauch des Sargbootes eingeschlafen, nun erwachte er hier an diesem Ort. Es gab verschiedene Möglichkeiten, aber die Wahrscheinlichste ließ seinen Magen verkrampfen. Er sah auf seine Hände hinab und musste schlucken. Tief holte er Luft, durfte sich nicht verrückt machen, erst einmal Fakten sammeln. Also erhob er sich, zog die Vorhänge um sein Bett zur Seite, die er in der Nacht zuvor wohl nur halbherzig vorgezogen hatte. Es sah tatsächlich alles genau so aus, wie in seinen Erinnerungen, vielleicht etwas düsterer, das Holz etwas dunkler. Dann trat er vor den Spiegel mit der Waschschüssel und seufzte leise auf. Er hatte des Spiegels eigentlich gar nicht bedurft, er konnte es spüren, in seinen Knochen, seinen Muskeln, eine Anspannung, die er so schon lange nicht mehr kannte, aber die ihn über Jahrzehnte hinweg begleitet hatte. Seine brüchige, aber unabdingbare Kontrolle, die er gezwungen war, immer aufrechtzuerhalten. Aber nicht nur das spürte er. Er konnte den Unterschied spüren, seine Verfehlungen, seine Schwächen, ein Wunder, dass Yoru ihn so hatte führen lassen. Sein Blick glitt hinüber zu seinem Schwert. „Kannst du mir die Antwort geben? Was ist Traum und was ist Wirklichkeit?“ Wie er erwartet hatte, antwortete es ihm wissend, ohne ihm aber eine Antwort zu geben. Dennoch klang es deutlich amüsierter, als er sich erinnern konnte, es in jungen Jahren gehört zu haben. Langsam kam die Erkenntnis in ihm an und es schnürte ihm die Kehle zu. Wenn das hier wirklich gerade die Realität war, dann war die Möglichkeit recht hoch, dass er… dass alles… Er lehnte sich vor und packte seine Oberschenkel, kontrollierte seinen Atem, während die Gefühle über ihn hinwegschwappten. Er hätte es wissen müssen, er hätte es wissen müssen! Natürlich, die Dinge waren zu perfekt gelaufen. Kuraigana, der Kampf, seine Kontrolle und… Lorenor. Da wurde es ihm bewusst, sein Blick glitt zu seinem Bett hinüber, und Panik stieg in ihm auf, während er sich durchs Haar rieb und die Realität hart auf ihn niederschlug. Seine Knie wurden weich, und er stolperte zum Stuhl, auf dem seine Kleidung lag, fiel beinahe drauf. Sein Herz schmerzte, Gott, was schmerzte sein Herz, während sein Kopf noch versuchte zu begreifen, was sein Herz schon längst verstanden hatte. Ein Klopfen an der Tür ließ ihn aufschrecken und eine Sekunde war da so eine irrationale Hoffnung, die natürlich nicht wahrwerden konnte, als die Türe aufging. „Kapitän, wo bleibst du denn? Es ist schon… Hey, was ist denn los?“ Es war Jiroushin, natürlich war es Jiroushin. Wer sonst hätte es je gewagt, ihn in seinem Schlafzimmer aufzusuchen? Aber es war auch nicht Jiroushin, nicht der, den er kannte, auch wenn er ihm wirklich noch viel zu ähnlich sah, als wäre die Zeit ihm viel zu gnädig gewesen. „Hey? Was…? Hawky?“ Er erzitterte unter diesem Namen, den Jiroushin in jener Zeit – dieser Zeit – so gut wie nie verwendet hatte, da Dulacre es gehasst hatte, jegliche Schwäche, jegliche Sanftheit verachtet hatte. Aber gerade, gerade zerbrach alles in ihm, denn… denn ihm wurde bewusst, dass alles, was passiert war, nicht mehr gewesen war als ein Traum. Und vielleicht konnte er es alles wieder erlangen, seine Kontrolle, seine Stärke, aber was nicht existierte konnte auch nicht wiedererlangt werden. Vielleicht war es nur Wunschdenken gewesen, eine verzweifelte Hoffnung, jemanden zu begegnen, der ihn verstand, der die Schwertkunst verstand, der ihn besiegen könnte, der ihn… lieben könnte. „Hey!“ Er sah auf, als Jiroushin ihn an den Schultern packte. „Was ist passiert?“ Wie sollte er es ihm sagen? Wie sollte er ihm sagen, dass er bis gerade in einem Traum gelebt hatte, für mehrere Jahrzehnte? Dass er nicht mehr der Mann war, der am vergangenen Tag ins Bett gegangen war, weil er gelebt hatte, älter geworden war? Dass er gerade realisierte, dass er jemanden verloren hatte, den es vielleicht noch nicht mal gab. Als würde ein solcher Mensch existieren. Aber eine gute Sache hatte dieser Körper, bevor Dulacre seine Kontrolle zurückerlangt hatte, weich geworden war, sich geöffnet hatte. Dieser Körper brach nicht, obwohl Dulacre es sich fast wünschte, obwohl er sich wünschte, ihm würden die Tränen kommen und er könnte trauern, in den Armen seines besten Freundes. Immerhin wussten wir bis dahin gar nicht, ob du überhaupt zu solchen Gefühlen fähig bist, Hawky. Zittrig holte er Luft, lehnte sich nach vorne und legte die Unterarme auf den Oberschenkeln ab, musste sich beruhigen. „Alles in Ordnung? Soll ich Makoto holen?“ „Nein“, flüsterte er, wollte hart und herablassend klingen, aber seine Stimme verriet ihn. „Es ist nichts…“, was mit Medizin behandelt werden könnte. „Gib mir nur einen Moment.“ „Natürlich. Hattest du einen Albtraum?“ Er starrte Jiroushin an, packte seinen Unterarm in einer unbewussten Geste der Unsicherheit und da merkte er es, sein Blick glitt hinab, auf das Armband auf seiner Haut, hart der Kontrast des schwarzen Kreuzes zu seiner bleichen Haut, und es fühlte sich so fremd an, so falsch. Er hörte ein weiteres Klopfen, etwas weiter entfernt, wahrscheinlich zum Aufenthaltsraum. „Ka… Kapitän? Jiroushin?“ „Wir sind gleich da“, antwortete Jiroushin ernst. „In Ordnung. Alles ist bereit zum Auslaufen. Wir warten nur noch auf den Befehl.“ „Gut, wir kommen gleich.“ Bis auf das leise Klicken der schließenden Türe war es still. „Okay, sag mir, was…?“ „An welcher Insel haben wir angelegt?“ „Was? Aber das weißt du… Otoyk, natürlich.“ Ein Blitzschlag glitt durch Dulacre, Otoyk… Otoyk im East Blue… Er wusste, welches Jahr sie schrieben, er wusste, in welcher Zeit er war, konnte sich daran erinnern. Heute würden sie zum Kap der Zwillinge aufbrechen, nachdem sie hier zwischengehalten hatten, um ihr Schiff und das… das Sargboot… Er sprang auf. „Jiroushin, ist das Sargboot fertig repariert?“ Sein Vize sah ihn mit großen Augen an. „Ja, aber was ist…?“ „Gut, ihr werdet noch nicht auslaufen. Ich werde jetzt aufbrechen und…“ „Warte!“ Jiroushin hatte ihn am Unterarm gepackt, er war schon drauf und dran gewesen, das Zimmer zu verlassen. „Was hast du vor? Du bist ja noch nicht mal angezogen.“ Ja, damit hatte er Recht. Dulacre musste sich beruhigen, aber wie konnte er? Doch als Jiroushin ihn so ansah, wurde ihm noch etwas anderes bewusst. Vieles mochte verloren sein, vielleicht sogar alles, aber wenn er seinen engsten Freund seit Kindertagen ansah, wusste er, dass er vielleicht auch etwas ändern konnte, etwas verhindern konnte, etwas retten konnte. Und genau dieser Gedanke brachte etwas Ruhe in sein Chaos. „Dulacre, rede mit mir. Was ist passiert? Du bist ja ganz durch den Wind.“ Fast schon sanft entledigte er sich Jiroushins Griff, wusste sehr wohl, dass dies den anderen nur noch mehr verwirren würde. „Es tut mir leid, Jiroushin, ich wollte dich nicht so überrumpeln.“ Die Augen des anderen weiteten sich in Entsetzen. Ach ja, damals hätte er sich nie entschuldigt. Seufzend wandte er sich ab und schritt eilig zu seinen Klamotten herüber. Er war wirklich ein anstrengender Zeitgenosse gewesen, nicht wahr? „Mir ist bewusst, dass mein derzeitiges Verhalten dich verwirren muss, aber sei dir gewiss, dass ich nicht kopflos handle. Ich muss nur… es gibt etwas von dringlichster Wichtigkeit, von dem ich mich überzeugen muss, so schnell wie möglich.“ Der andere machte einen Laut, der wohl Zustimmung sein sollte, aber das Misstrauen nicht verbergen konnte, während Dulacre sich anzog. „Und worum geht es? Und warum ist dir das jetzt so plötzlich eingefallen? Du benimmst dich eigen, fast wie ein komplett anderer Mensch.“ Sein Blick glitt suchend durch den Raum, doch er konnte seinen Hut nicht finden, und erst da erinnerte er sich, dass er zu dieser Zeit noch keinen getragen hatte. Seufzend begegnete er dem viel zu klugen Blick seines Vizes. „Ich kann dir noch keine Antwort geben, aber du hast Recht. Es kann sein, dass die Dinge sich von hieran verändern werden.“ Er nahm sein Schwert und Yoru grüßte ihn mit Belustigung. „Vermutlich werde ich bei Sonnenuntergang zurück sein, vielleicht etwas später. Sollte ich bis morgen früh nicht zurück sein, verfolgt mich.“ Zu seiner Überraschung stellte Jiroushin sich ihm jedoch in den Weg. „Das kannst du doch nicht ernst meinen. Kapitän, gestern Abend hast du mir noch gesagt, dass wir zum Kap aufbrechen, sobald die Reparaturen abgeschlossen sein würden. Du warst bereits unleidig und ungeduldig, und nun willst du einen ganzen Tag verschwenden? Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich dies ohne Erläuterung hinnehme.“ Aber Dulacre verstand, er konnte Jiroushin dessen Unsicherheit ansehen, aber er war schon immer Dulacres Stimme der Vernunft gewesen, wenn seine eigene verstummt war. Jiroushin musste davon ausgehen, dass genau dies gerade der Fall war. „Jiroushin, ich traue dir wie kaum einem anderen.“ Dies würde sein Misstrauen vermutlich nur steigern. „Aber ich kann es dir nicht sagen, noch nicht. Es ist… Mir ist bewusst, dass es sich wie Wahnsinn anhören würde, aber ich bin noch nicht bereit, dir diesen Teil meiner Selbst zu zeigen.“ Jiroushin erzitterte unter dieser ungewohnten Ehrlichkeit zwischen ihnen beiden, doch er blieb ernst. „Du weißt, dass dein Wahnsinn mich nie abgeschreckt hat?“ Es brachte Dulacre zum Lächeln. Er hatte ganz vergessen, wie stark Jiroushin damals gewesen war, mit seiner Härte mithalten zu können, sie aushalten zu können. „Es ist nicht Wahnsinn, was ich dir zeigen werde. Aber aus diesem Grund brauche ich noch diesen einen Tag. Ich muss mich mit eigenen Augen davon überzeugen, sonst kann ich nicht weitersegeln.“ „Wovon musst du dich überzeugen?“ Er schritt neben Jiroushin, packte seine Schulter, aber sah zur Türe, konnte ihm nicht ins Gesicht sehen. „Ob es irgendwann wieder Farbe in dieser trostlosen Welt geben kann.“ Damit ging er, ließ Jiroushin offensichtlich verwirrt zurück, ignorierte Crewmitglieder, die ihn grüßten, die ihn fragten, überließ es Jiroushin, sich um sie zu kümmern. Sein altvertrautes Sargboot wartete auf ihn, nicht ganz so, wie er es die letzten Jahre – die nicht existierten – gekannt hatte, aber dennoch so, wie er es damals gewollt hatte. Das kleine Boot, welches ihm erlaubte zu kämpfen, ohne seine Crew in Gefahr zu bringen. Dann stach er in See. Es war noch fast Nacht, der Morgen würde noch lange auf sich warten lassen. Er hatte damals wirklich früh zum Kap aufbrechen wollen, und das war nun sein Glück. Er wusste, dass er circa vier Stunden unterwegs sein würde, und diese Zeit würde er brauchen, um seine Gedanken zu ordnen. Jiroushin hatte ihm zu etwas Ruhe und Klarheit verholfen, aber die Emotionen brodelten unter seiner brüchigen Kontrolle. Es war wirklich ein seltsames Gefühl und er war sich immer noch nicht hundertprozentig sicher, ob dies nun tatsächlich die Wirklichkeit war oder nicht. Seine Logik wollte es sachlich sehen. Es war nicht mehr als ein Traum gewesen, ein Wunschtraum, der ihm wie Jahrzehnte vorgekommen war. Nichts an seiner derzeitigen Position sollte ihn daran zweifeln lassen. Aber… aber er wollte zweifeln, musste zweifeln, hoffen. Dennoch, töricht handelte er nicht, der rationale Part in ihm war immer stärker gewesen, immer schon. Vielleicht war es wirklich nur ein Traum gewesen, aber gleichwohl musste er die Zeichen ernstnehmen. Wenn dies nur ein Traum gewesen war, dann deshalb, weil sein Unterbewusstsein ihn vor den kommenden Wochen warnen wollte, doch jetzt war er vorbereitet, jetzt konnte er sich eine Strategie überlegen, jetzt wusste er, dass er dieses Mal bereit war, diesen einen Schritt mehr zu gehen. Dieses Mal würde er sich nicht an die Kette nehmen lassen. Die Stunden, bis er die kleine Insel erreicht hatte, waren gefühlt langsamer verstrichen, als sie sollten. Als wäre die Zeit nun vollends sein Feind geworden. Er hatte versucht, diese Ewigkeit für kluge Gedankengänge zu nutzen, sich Wege zu überlegen, falls man ihn wirklich zum Samurai machen wollte, seine Crew wirklich als Druckmittel einsetzen wollte. Aber je langsamer die Minuten verstrichen waren, desto schwerer war es ihm gefallen. Nun sprang er an Land, hoffte, dass er aus Lorenors unzusammenhängenden und unvollständigen Angaben die richtigen Schlüsse gezogen hatte. Er brauchte nicht lange, um das kleine, abgelegene Dorf am großen Wald zu finden. Aber solche Dörfer gab es im East Blue wie Sand am Meer, das allein sollte ihm also keine Hoffnung… Oh. Für einen Moment schien die Zeit wieder auf seiner Seite zu sein, als sie plötzlich stehen zu bleiben schien. Ein kleines Kind, wenige Jahre alt, eine Axt auf den Rücken, rannte mit einem breiten Grinsen an ihn vorbei, einer Truppe von Waldarbeitern entgegen, die ihn schon lauthals begrüßten. Welch ein Glück. Er lebte, er existierte. Ohne Dulacre auch nur zu bemerken, lief der Junge mit dem grasgrünen Haar quer über die Straße, schien ihn nicht mal zu sehen, während Dulacre nichts anderes außer ihn wahrnahm, fühlte so viele Emotionen, wie er es in dieser Zeit doch noch gar nicht konnte. Also war es nicht nur ein Traum gewesen, vielleicht nicht die Zukunft, aber eine Möglichkeit, vielleicht ein… „Du solltest nicht hier sein, Wanderer.“ Er schnellte herum. „Aber Mihawks halten sich so oder so nicht gerne an die Regeln Fremder, nicht wahr?“ „Lorenor Zakuro“, flüsterte er, sein Kopf bereits geneigt, wie er es in dieser Zeit doch nie getan hatte, selbst in seiner Zeit doch nur selten tun würde. „Dann weißt du also, wer ich bin“, stellte sie fest, ihre Stimme autoritär, ihr Akzent ihm fremd. „Nicht, dass daran noch ein Zweifel bestand in dem Moment, als du meinen Sohn sahst.“ „Ist… ist er es wirklich?“, fragte er eine dumme, kindische Frage, aber sein Herz wollte noch nicht glauben, was seine Augen gesehen hatten. „Ist dies das erste Mal, dass du auf den Pfaden der Zeit wandelst? Anscheinend schon“, sprach sie nach einem Moment weiter, als er nicht antwortete. „Nun denn, erhebe dein Haupt, in dieser Zeit bin ich niemand mehr, vor dem man sich verneigt.“ Dulacre folgte dieser Aufforderung. „Ganz gleich, wie viel Zeit vergehen mag und wie wenige diesen Namen noch kennen mögen, nichts davon ändert etwas an Eurer Herkunft.“ Sie zeigte ein Lächeln, verhalten und verschmitzt, wie er es von Lorenor kannte, so sehr von ihm kannte. „Ein Mihawk durch und durch.“ Dann wandte sie sich um und ging. „Folge mir, Wanderer.“ Er tat, wie ihm geheißen, merkte, wie die Verwirrung der vergangenen Stunden in Neugierde umschlug, die Anspannung in Spannung, das Drängen in Erwartung. Eine Vielzahl von Szenarien spielte sich in seinem Kopf ab, während er ihre Worte und die letzten Momente verarbeitete und sie beobachtete. Sie war in etwa so groß wie Lorenor, ihr grasgrünes Haar aufwendig geflochten und hochgesteckt, wie Perona es manchmal bei Lady Loreen probiert hatte, aber Lady Loreen hatte meist recht kindlich gewirkt im Verhältnis zu dieser Dame. Jede Bewegung ihres Körpers verriet ihm mehr über sie, die Spannung in diesen Muskeln, der Stolz in dieser Haltung. Weder die verbrauchte Kleidung noch der abgemagerte Zustand konnte die Vergangenheit dieser Frau verbergen und Dulacre wunderte sich, wie sie es so lange geschafft hatte, sich zu verstecken. Schließlich standen sie vor dieser Hütte, die Dulacre nur aus spärlichen Erzählungen kannte. Sie sah überhaupt nicht aus wie in seiner Vorstellung. Nach Lorenors Geschichte hatte er einen kleinen Schlag aus brüchigem Holz und zerbrochenen Ziegeln erwartet, aber auf den ersten Blick unterschied dieses kleine Häusschen wenig von den umliegenden, bis auf, dass es weit abseits stand. Es war klein, schlicht, niederer Qualität, wie alles in diesem Dorf, aber mehr auch nicht. Dieses Bild bestätigte sich, als er eintrat, und er erkannte diese Art der Behausung. Ein kleiner Eintritt, an dem man die Schuhe zurücklassen konnte und dahinter eine kleine Stufe und ein simpler Holzboden mit einer Feuerecke in der Mitte des Raumes eingelassen. Nun verstand er Lorenors Herkunft. Spärliche Einrichtung, keine Stühle, man saß auf dem Boden, an der Feuerstelle. Er beugte sich hinab und trat seine Stiefel aus, bemerkte ihren Blick und stellte sie an die Seite, nahm Yoru ab und lehnte es gegen die Wand. Er wartete ihr Nicken ab, dann trat er diese Stufe hoch in den Wohnbereich dieses winzigen Hauses. „Du zeigst viel Respekt für einen Mihawk“, sprach sie mit ihrem starken Akzent. „Es gibt nur wenige, die meinen Respekt verdienen“, entgegnete er klar und folgte ihr zu zwei verschlissenen Kissen. Elegant kniete sie sich hin und mit einem Seufzen ließ er sich ebenfalls nieder, hatte es nie gemocht, auf dem Boden zu sitzen. „Ich würde dir ja einen Tee anbieten, aber dieses Treffen wird vorüber sein, bevor das Wasser kochen würde.“ Wieder zeigte sie dieses Lächeln, welches ihn zu sehr an Lorenor erinnerte. „Nun denn, wir sollten die Zeit nutzen, also stelle deine Fragen.“ Für einen Moment schwiegen sie beide, während seine Gedanken weiter Schlüsse zogen. „Ihr habt gewusst, dass ich nicht aus dieser Zeit stamme und dass ich kommen würde. Woher?“ Mit hochgezogener Augenbraue neigte sie den Kopf, ein absolutes Ebenbild ihres Sohnes, wenn es nicht für diese Überheblichkeit wäre. „Nun, ich kann dir ansehen, dass du nicht aus dieser Zeit stammst, Wanderer, und ich wusste, dass du kommen würdest. Ihr Mihawks hattet immer schon ein… drängendes Verlangen nach Wissen und ich kenne die Antworten auf deine Fragen, daher musstest du zu mir kommen.“ „Über die Grenzen von Zeit und Raum hinweg?“ „Was sind schon ein paar lächerliche Grenzen? Sie galten für mich nicht, warum sollten sie für dich gelten, der du doch die Grenzen der Menschlichkeit längst abgelegt hast?“ Sie nickte sachte. „Aber das ist nicht das, was du fragen möchtest, nicht wahr?“ Er hielt ihrem Blick stand. „Lo… Euer Sohn sagte, Ihr würdet nur die Sprache Alciels sprechen, dennoch unterhalten wir uns gerade. Habt Ihr Euren Sohn belogen?“ „Wieder eine andere Frage“, bemerkte sie und sah zur Feuerstelle hinüber. „Ich spreche mehr Sprachen, als es in dieser Welt noch gibt, aber nur, weil ich eine Sprache spreche, bedeutet es nicht, dass ich mich dazu herablasse, mit jemandem zu sprechen.“ Manchmal erinnerst du mich an sie. „Aber mit mir sprecht Ihr?“ Sie zeigte wieder dieses leise Lächeln, aber dieses Mal war es eine Drohung. „Du lässt mir ja keine Wahl. Es ist eine Schande, dass du als Mihawk nicht mal mehr die Sprache deiner Vorfahren beherrschst.“ Oh ja, das hier machte Spaß. „Vergebt diese Schwäche meinerseits“, entgegnete er und merkte, wie ihm ganz warm wurde. Endlich, endlich, „aber ich würde gerne Eurer Aufforderung nachkommen und meine erste Frage stellen.“ „Nur zu.“ „Der Name des Wächters, der von… meinem Vorfahren getötet wurde, sein Name lautet Hakuryuu, nicht wahr?“ „Nein.“ Überrascht sah er auf. Ihm sollte ein Fehler in seinem Gedankengang unterlaufen sein? Sie lächelte. „Den Drachen Hakuryuu hat es nie gegeben, ein Name, welcher sich die Geschichten ausdachten, als Erinnerung an die weiße Baumkrone unter derer unser Volk einst lebte. Aber ganz Recht. Derjenige, welchen die Geschichten als Drachen betiteln, welchen die Geschichten den Namen Hakuryuu gaben, welcher über unser Volk wachte, unser Blut und unser Schild war, ist jener, den du Wächter nennst.“ Sein Herz schlug schneller. „Und als Ihr… Eurem Sohn sagtet, dass Hakuryuu zurückkehren würde, da… da meintet Ihr… Hakuryuu ist längst zurückgekehrt.“ Sie schloss die Augen und nickte andächtig. „Mein hochgeschätzter Gatte hat es leider nie verstanden, hat verzweifelt auf einen Erben gehofft… und durfte sein Kind nie kennenlernen.“ Ihr Schmerz war gut verborgen, aber Dulacre konnte ihn trotzdem sehen, als sie ihn ansah. „Den Schmerz des Verrates hat jeder Lorenor gespürt, aber ich wusste, dass er weiterleben würde, in einigen Monaten.“ „Aber nicht nur Ihr, oder?“, fragte er nach. „Das Findelkind Hakuryuu, die Geschichte sagt, er hätte den Verstand verloren und sich gegen sein eigenes Volk gerichtet, aber das ist nicht die Wahrheit.“ „Nein, das ist sie nicht, nicht ganz. Natürlich wussten auch die anderen Wanderer, dass die Wiedergeburt der Blutlinie folgt, und sie… vernebelten seinen Geist. Er glaubte, wir würden seinen Tod wollen, und zu jener Zeit gab es wohl niemanden auf der Welt mehr, der ihn hätte aufhalten können. Mein Gatte verschaffte mir… uns die nötige Zeit, zu fliehen. Dem restlichen Volke Alciels war dies nicht vergönnt. Nun ja, mit Ausnahme einer Blutlinie natürlich.“ Sie zeigte ihm ein schwaches Lächeln. „Man mag es Schicksal nennen, oder Ironie, dass die einzigen Blutlinien Alciels, die heute noch existieren, die der Mihawks und der Lorenor sind.“ Bisher hatte sie die grundlegenden Vermutungen seinerseits bestätigt, was ihn auch nicht sonderlich überraschte, also war es Zeit, die wichtigen Fragen zu stellen. „Weil es uns bestimmt ist, auf ewig gegeneinander zu kämpfen?“ Da weiteten sich ihre Augen. „Ist es das, was deine Vorfahren dich gelehrt haben?“ Er zögerte, ehe er schließlich zugestand: „Meine Mutter hatte leider nicht mehr die Gelegenheit, mich zu lehren. Vergebt mir, dass mein Wissen unvollständig ist.“ Es war ungewohnt, mit so viel Mitleid angesehen zu werden. „Nein, mir tut es leid. Welche Last, dein wahres Erbe nicht zu kennen.“ Dann lächelte sie. „Mein Junge, du weißt von den dreizehn Pfaden der Kampfkunst, nicht wahr? Nun, die Mihawks waren schon seit jeher Meister des Schwertes. Niemand konnte das Schwert so führen, wie sie, nicht mal ein Lorenor, nicht mal Hakuryuu, der alle dreizehn Pfade beschritten hatte. Es gab nur eine einzige Ausnahme, und ja, er starb durch die Hand eines Mihawks, denn niemand sonst wäre würdig gewesen, ihn zu töten.“ Verwirrt sah er sie an. „Aber… dann…?“ „Hättest du gesagt, miteinander kämpfen, hätte ich dir nicht widersprochen“, sagte sie sanft, ehe sie zum Fenster heraussah. „Es kommt nicht von ungefähr, dass du dich meinem Sohn so verbunden fühlst. Selbst für einen Mihawk ist deine Liebe zum Schwerte unvergleichbar, aber mein Sohn wird sie verstehen, denn er fühlt sie bereits jetzt schon.“ „Aber habt Ihr ihm nicht verboten, den Weg des Schwertes zu gehen?“ „Durchaus. Ich wollte ihm nicht den Weg bereiten, denn nur so kann er seinen eigenen gehen.“ Sie lächelte. „Außerdem ist dieser Körper nicht mehr geeignet, ihm den Kampf zu lehren.“ Er nickte. Es war offensichtlich, nicht so sehr der verhärmte Körper, aber Dulacre konnte spüren, wie wenig Haki in ihr war. Er hatte sich immer gewundert, warum sie sich geopfert hatte, anstatt mit Lorenor zu fliehen, aber ein Blick verriet ihm die Antwort. „War das Euer Opfer, um Zeit und Raum zu überwinden?“ Leise lachte sie. „Ach, die Intelligenz eines Mihawks kann sehr erfrischend sein. Ganz recht.“ „Wie habt Ihr das geschafft, Ihr und Euer Sohn.“ „Oh, er war zu der Zeit nicht viel mehr als ein blinder Passagier“, bemerkte sie und strich sich unbewusst über den Unterleib. „Du musst wissen, die alten Bäume tragen unglaublich viel Macht in sich, und wenn man bittet, dann helfen sie. Ornos war belagert von den Verrätern, der Baum der Zeit viel zu weit entfernt, also suchte ich Flora auf. Ich gab ihm, was ich geben konnte, und er ließ mich schlafen, für hunderte von Jahren. Denn ich hoffte, dass in einer späteren Zeit mein Kind aufwachsen könnte, ohne verfolgt zu werden. Aber als Flora fiel, erwachte ich, in dieser grausamen Welt.“ Sie senkte den Blick. „Es ist sehr schmerzhaft, in einer Welt zu leben, in der den Bäumen so viel Leid zugefügt wurde. Aber wir suchen uns nicht aus, in welcher Zeit wir leben, nur was wir daraus machen.“ Dann sah sie ihn wieder an und ein schwaches Lächeln zeigte sich. „Auch wenn du dich nicht erinnern magst, für dich muss es schwierig gewesen sein. So viele Generationen, so viele Leben, die du gewartet haben musst, genauso wie diese Welt, so viele Jahre. Aber die Zeit ist nahe, man kann die Luft schon flüstern hören.“ Es kostete ihn viel Kraft, über solche Worte nicht die Augen zu rollen. Silvers Rayleigh hatte auch immer gerne in Mythen und Gleichnissen gesprochen. Mit dieser Sprache wollte er nichts anfangen. Allerdings nahm er eine Sache aus diesen Worten mit. „Es war mir also bestimmt, Euren Sohn zu treffen?“ Sie hob eine Augenbraue an. „Vielleicht, vielleicht waren es auch die unzähligen Entscheidungen vieler, die euch zufällig zueinander führten.“ Dann sah sie zur Feuerstelle, als ob die Flammen ihr etwas sagen würden. „Du solltest deine Fragen stellen, viel Zeit bleibt dir nicht mehr.“ Er zögerte nicht. „Ich habe noch wichtige Fragen an Euch. Zunächst, was bedeutet Or? Oder viel mehr, bedeutet es Wächter?“ Es war offensichtlich, wie sie versuchte, ihn zu erfassen, ehe sie schließlich nickte. „Ganz recht, Kind, der du deine eigene Sprache nicht mehr kennst, es ist eine Wortendung, die Schutz oder Beschützen bedeuten kann, aber auch Wache und Begleitung. Doch da du die alten Sagen nicht kennst, kannst du die wahre Bedeutung natürlich nicht kennen.“ „Werdet Ihr sie mir sagen?“ Sie schien fast nachdenklich, als wüsste sie nicht, ob sie das wirklich tun sollte. „Laut einer Sage, so alt wie diese Welt, so alt wie die Bäume dieser Welt, gab es einst zwei Geister, Or und Ro, sie galten als die Schutzgötter dieser Welt. Bevor die ersten Bäume ihre Blüten trugen, vereinigten sich die beiden Geister zu Oro, Schwert und Schild. In unserer Sprache gab es lange Zeit nicht nur den Schutz oder den Wächter. Jedes Or, was du in einem Wort findest, war einst Oro, Schwert und Schild, Angriff und Verteidigung, Führung und Folge, Geleit und Widerstand. Über die Zeit verändert sich jede Sprache, komplexere Begriffe werden vereinfacht, Ausdrücke gekürzt, aus Oronos wurde Ornos, aus Lorenoro wurde Lorenor. Aber du, junger Mihawk, solltest nie die Bedeutung des Or unterschätzen.“ „Ist dies der Grund, warum Ihr euren Sohn Zorro nanntet, als Hommage an die alten Geister?“ „Vielleicht“, entgegnete sie schmunzelnd, „vielleicht mochte ich aber auch einfach nur den Namen.” „Gut, ich verstehe“, antwortete er, ohne Zeit zu verlieren, wusste, dass sie nicht näher drauf eingehen würde, und das war auch nicht notwendig, er hatte die Information erhalten, die er wollte, und seine Zeit war anscheinend knapp bemessen. „Dann komme ich nun zu meiner nächsten Frage. Die Wächter. Anders als die Wanderer werden sie nicht anhand einer Blutlinie wiedergeboren, oder?“ Sie hob einen Zeigefinger. „Du stellst die Frage falsch. Aufgabe der Wanderer ist es, auf der Welt zu wandeln. Sie leben, sterben und werden wiedergeboren, in einem ewigen Kreislauf, den nur sie selbst beenden können. Es gab nur eine Hand voll Wanderer, die sich entschieden, ihren Weg an eine Blutlinie zu koppeln.“ „Die Verräter.“ „Nein, die, die folgten, bevor sie zu Verrätern wurden, und der eine, der es nicht wurde. Wächter hingegen… Wächter werden geboren, wenn die Zeit sie braucht, wenn die Bäume sie brauchen.“ „Wenn der König ihn braucht?“ Sie lächelte, sagte jedoch nichts. „Und jetzt? Leben die Wächter?“ „Bist du dir sicher, dass du dies wissen willst? Ein solches Wissen könnte gefährlich sein.“ Er nickte. Bedächtig schloss sie die Augen und erst fragte er sich, was sie tat, aber da verstand er, warum sie anscheinend so vieles wusste. Für einen Moment schien ihr Körper fast schon unstet, dann wuchs ihr Lächeln und sie hob einen Finger. Wer wusste, was die Jahrhunderte unter Einfluss einer dieser Bäume noch bewirkt hatte. „Alle bis auf einer, aber auch er wird bald geboren werden.“ Er hatte es gewusst! Er hatte es gewusst. „Deine nächste Frage?“ Sie sah ihn wieder an, ihr Körper wieder so unscheinbar schwach wie vorher. „Die Geschichte erzählt, dass Hakuryuu aus seinem Heldenschwert zwölf Drachenschwerter schmieden ließ. Das Heldenschwert, welches aus einem Reißzahn des Drachen geschmiedet worden sein soll. Aber wenn es den Drachen nie gab, dann…“ Er deutete mit einer Hand zu seinem Schwert. „Nicht nur Ornos wurde vom Blut des Wächters genährt, nicht wahr?“ „Woran hast du es bemerkt?“ Ihre Augen leuchteten. „Also stimmt es. Die Sage beschreibt die Entstehung meines Schwertes, nicht nur meines Schwertes, deshalb… deshalb reagieren die Drachenschwerter alle so deutlich auf ihn, gieren nach seinem Blut.“ „Und deshalb hast du ein solches Interesse an jenen Schwertern.“ Er sah sie an. „Ich danke Euch für Eure Antworten, allerdings solltet Ihr eines wissen. Weder ist Euer Sohn der Wächter, noch bin ich jener Wanderer. Es mag sein, dass wir von ihnen abstammen, unserer Leben mit den ihren verbunden sind, aber wir leben unsere eigenen Leben und gehen unsere eigenen Wege.“ Sie neigte leicht den Kopf. „Oh, was für ungewöhnliche Worte für einen Mihawk. Klammert ihr euch nicht gewöhnlich an euer Schicksal?“ „Wenn mein Schicksal bedeuten soll, Lorenor zu töten, dann werde ich es eigenhändig verraten.“ Seine Aussage schien sie zu belustigen, doch dann fiel ihr Blick erneut auf die Flammen. „Du hast noch Zeit für eine letzte Frage“, sagte sie. „Ich brauche keine Antworten mehr“, entgegnete er. „Aber ich will die Zeit nutzen, Euch eines zu sagen. Euer Sohn ist glücklich. Er folgt einem Mann, den er als würdig erachtet. Er folgte meiner Anleitung und nun ist er der beste Schwertkämpfer der Welt. Aber am wichtigsten ist, dass er stets seinem eigenen Kompass an Moral und Ehre folgt. Ich bitte Euch, seid stolz auf Euren Sohn, auch wenn Ihr seinen Weg nie sehen werdet.“ „Ich bin stolz auf ihn, jede Sekunde meines Seins“, sagte sie, ehe sie langsam nickte, „aber ich bin dir auch dankbar für diese Worte. Es schmerzt mich, seinen Weg nicht mehr lange begleiten zu können, aber dank dir wird es mir etwas leichter fallen, zu gehen.“ „Euer Leid kann ich nicht nehmen, aber lasst mich Euch eines sagen“, sagte er. „Es mag vermessen sein, aber ich liebe ihn und ich werde ihm nicht erlauben, vor mir zu sterben.“ Sie lächelte. „Ich danke dir, junger Mihawk, und auch dir wünsche ich, dass du glücklich wirst. Allerdings muss ich dir eine Warnung mit auf den Weg geben. Wenn du dein Glück bei meinem Sohn suchst, wird es ein einsamer Weg. Er wird sich nicht für dich entscheiden können.“ „Eine Lorenor, die sich vom Schicksal einschüchtern lässt“, lachte er leise auf. „Ihr solltet weder Euren Sohn noch mich unterschätzen.“ Fragend neigte sie den Kopf. „Es mag Euch überraschen, aber mein Weg ist alles andere als einsam. Ich habe Euren Sohn nie darum gebeten, sich zu entscheiden, und er ist – geradeso – egoistisch genug, sich nicht entscheiden zu wollen.“ „Tatsächlich“, entkam es ihr und auch sie zeigte ein Lächeln. „Welch Glück.“ Dann erhob sie sich und Dulacre tat es ihr gleich, als sie auf ihn zukam. Einen Moment dachte er, das Feuer würde niederbrennen, aber da bemerkte er, dass die Dunkelheit aus den Ecken des Zimmers zu kriechen schien, seine Sicht zu beeinträchtigen schien. „Es ist Zeit für dich, zurückzukehren“, sagte sie und griff seine Hand. „Bitte richte meinem Sohn folgende Worte aus…“ Er riss die Augen auf. Keine Sekunde brauchte er, um das sanfte Wiegen wiederzuerkennen. Das Sargboot. Er wollte schon die Augen wieder schließen, da bemerkte er, dass er immer noch eine Hand hielt. Sein Blick glitt zur Seite, neben ihm saß Lorenor im Bett und selbst in der Dunkelheit der Nacht konnte er sehen, wie Lorenor ihn mit großem Auge anstarrte. Dulacre hatte seine Hand gegriffen, hielt ihn immer noch fest. Eine Welle der Erleichterung durchflutete ihn, so dankbar war er in diesem Moment, so demütig, dass es kein Traum gewesen war, dass er nun hier war. Doch dann bemerkte er Lorenors Blick, fast schon glasig. „Lorenor, was ist denn?“ Noch nie hatte der andere ihn so angesehen. „Was hast du gerade gesagt?“ „Wie bitte?“ Verwirrt setzt er sich ebenfalls auf. „Wovon redest du?“ „Gerade hast du… Hast du geträumt?“ Richte meinem Sohn folgende Worte aus Sie sahen einander an. „Ich habe deine Mutter getroffen… glaube ich. Es war ein Traum, aber es war auch…“ „Real?“ Er nickte und er konnte sehen, wie verschiedene Emotionen über Lorenors Gesicht glitten, was er sonst nur selten zeigte. „Haben dich ihre Worte erreicht?“ Einen Moment weitete sich Lorenors unversehrtes Auge, dann wandte er den Blick ab und nickte sachte. „Was hat sie gesagt?“ Fast schon abwesend sprach Lorenor ein paar Worte in jener längst vergessenen Sprache, die Dulacre nicht verstand und es war ihm beinahe, als würde ihre Stimme in sein Worten widerhallen. Er hob eine Hand, berührte Lorenor an der Schulter. „Was bedeuten jene Worte?“ Und da schien Lorenor aus seinen Gedanken zu erwarten, süffisant grinste er Dulacre an, offensichtlich genoss er es, ausnahmsweise mal ihm Wissen vorauszuhaben. „Das wüsstest du gerne, was?“ In Gedanken an all das Wissen, das er erlangt hatte, spielte er gnädig mit. „Ja, das wüsste ich gerne.“ „Tja, dein Problem.“ Lorenor gähnte ausladend und ließ sich dann zurück in die Laken fallen. „Ich werde jetzt auf jeden Fall weiterschlafen. Versuch das nächste Mal bei deinen Zeitreisen leiser zu sein.“ „Sie war sehr stolz auf dich.“ Dort in den Laken sah Lorenor zu ihm auf, ein sachtes Lächeln, aber ein glasiger Blick. „Ich weiß“, flüsterte er. „Allerdings war sie auch ziemlich unhöflich“, bemerkte Dulacre und ließ sich neben Lorenor fallen, gab ihm so Nähe, ohne dass Lorenor fragen musste, „nicht mal Tee hat sie mir angeboten, tze.“ Leise lachte Lorenor auf. „Musstest du auf dem Boden sitzen?“ „Ja, auf einem alten, zerschlissenen Kissen an der Feuerstelle. Ihr lebtet wirklich recht… simpel.“ „Oh, da hattest du Glück, Besuch durfte eigentlich nicht die Schwelle hinterm Eingangsbereich übertreten.“ „Ach nein?“ Er sah Lorenor an, der mit den Schultern zuckte und zur Decke aufsah, leicht gähnte, nun nicht mehr so belastet von tiefen Gedanken. „Nein.“ Dann gähnte er erneut. „Und ich kann dich nicht überzeugen, mir die Bedeutung jener Worte zu verraten?“ Lorenor sah ihn grinsend an. „Nein.“ Er seufzte. „Na, dann ist es wohl an der Zeit für mich, jene Sprache zu lernen.“ „Wenn du meinst“, lachte Lorenor leise. „Ich werde jetzt weiterpennen. Gute Nacht.“ Für einen Moment beobachtete er, wie Lorenor sein Auge schloss, erneut gähnte und dann innerhalb von Sekunden tatsächlich einschlief, eine wirklich besondere Gabe. Für einen Herzschlag sah er fast aus wie jener Junge von vor zwanzig Jahren. „Gute Nacht, mein kleiner Wildfang.“ Kapitel 36: Extrakapitel 33 - Was wäre wenn... ---------------------------------------------- Was wäre wenn…   Nach Kapitel 10 des dritten Teils – Applenine – Zorro verlässt das Schiff   -Sanji- Beinahe wäre er weitergelaufen, doch im letzten Moment sah er noch den kleinen Zipfel eines grünen Umhangs, welcher im Hintereingang irgendeiner schicken Absteige verschwand und Sanji schaltete sofort. Er brauchte keinen zweiten Blick, um zu wissen, dass jene Herberge nicht zu den üblichen Lokalen gehörte, die der Marimo sonst so aufsuchen würde; vermutlich würde man ihn durch den Vordereingang nicht mal reinlassen. Warum also begab sich der Marimo durch den Hintereingang in irgendeinen erstklassigen Nobelschuppen, und dann auch noch ohne seine Schwerter? Die Antwort war offensichtlich: Ein geheimes Treffen, ohne Waffen, um eine Eskalation zu vermeiden. Sanji hatte es doch gewusst! Er hatte doch gewusst, dass Zorro irgendetwas verschwiegen hatte und wahrscheinlich war es genau das hier. Verstohlen folgte er hinein, versteckte sich hinter einer Ladung Brennholz, die im Eingang wohl darauf wartete, von den Angestellten abgeholt zu werden, konnte die schweren Schritte hören, wie sie einen dunklen Gang entlang stapften. Er lugte um die Ecke und sah, wie der Marimo geradewegs das letzte Zimmer im Flur ansteuerte. Was sollte er tun? Sollte er ihm folgen? Je nachdem wäre es absolut gefährlich, wenn Zorros Gesprächspartner dachten, er wäre nicht allein gekommen, Sanji musste also unentdeckt bleiben, ein Herumlungern im Flur kam nicht in Frage. Er könnte sich in ein Nebenzimmer schleichen und durch den Türspion warten, bis Zorro zurückkommen würde. Vielleicht könnte er sogar das Gespräch belauschen. Nein, das war unwahrscheinlich. Für solche Treffen wählte man normalerweise Etablissements aus, die Privatsphäre schätzen; in den Zimmern könnte womöglich eine Waffe abgefeuert werden, ohne dass irgendwer es hören würde. Aber was wäre, wenn es wirklich gefährlich sein würde und Zorro ohne seine Schwerter auf sich allein gestellt wäre? Irgendwie musste Sanji… Oh, er bereute seine Idee bereits jetzt schon. Das hier waren ganz schicke Zimmer eines Hotels, das auf sehr schick machen wollte. Keine Küche eines moderneren Hotels arbeitete noch – hauptsächlich - mit Holzöfen und wenn Sanji sich nicht ganz gewaltig irrte, gab es einen Weg ins Zimmer, ohne wirklich hineinzugelangen, aber wenn er Pech hatte, würde er sich ganz schön die Finger verbrennen. Seufzend eilte er zurück auf die Gasse, sah sich einmal kurz um und dann sprang er hoch. Zwei Schritte Sky Walk waren genug, da war er schon auf dem Dach und die Vielzahl an Schornsteinen bestätigte seine Vermutung. Vor seinem inneren Auge sah er den Flur, durch den der Marimo gegangen war, zählte die Zimmer, zählte die Schornsteine. Er hatte Glück, wenn man es denn so nennen konnte. Das Biest war riesig, selbst Franky würde problemlos reinpassen, vermutlich weil es dem Rauchabzug mehrere Etagen diente. Leise grummelnd nahm Sanji das Gitter ab, zweifelte nochmal daran, ob er wirklich noch bei Verstand war, und dann sprang er hinab. Wie er erwartet hatte, kam er an ein paar Öffnungen vorbei, doch Zorro war im Erdgeschoss gewesen, hieß ganz am Ende. Sanji verlangsamte seinen Sturz, hielt sich mit Händen und Füßen fest, lehnte den Rücken gegen die Wand, und ließ sich langsam hinabgleiten, ignorierte die Vorstellung von all dem Ruß. Dann war er unten. Genau über dem Loch, durch das die heiße Luft und der Qualm eines Feuers entfliehen würde, gerade groß genug für einen schlanken Menschen. Aber mitten am Tag eines schönen Sommers nutzte niemand ein Feuer, also konnte Sanji ganz ungehindert zuhören. Sofern er überhaupt im richtigen Zimmer war und gerade nicht einen absoluten Vollidioten aus sich… „Ich bin hier und ich bin pünktlich. Sonst noch irgendwelche Beschwerden?“ Zorro! Er hatte sich nicht geirrt und so genervt, wie der andere klang, wusste Sanji seine erste Sorge bestätigt. Das hier war gefährlich. Ein leises Lachen ertönte, kaum gedämpft durch die Steine, als würde Sanji nur um die Ecke sitzen, und nicht in fast völliger Dunkelheit in einem Kamin. „Oh, nicht doch. Um ehrlich zu sein, bin ich äußerst erfreut, dass du diesem Treffen zugestimmt hast. Ich hätte nicht erwartet, dass wir einander so schnell wiedersehen würden.“ Fuck! Er erkannte die Stimme, erkannte sie sofort, nach damals, nach der Arroganz. Zorro war im Zimmer mit einem verdammten Samurai der sieben Meere, aber nicht irgendeinem Samurai, nein, ausgerechnet Falkenauge. „Wie war dein Auftrag?“ Zorro klang schroff, fast schon abweisend, doch seine Stimme konnte das leise Klicken nicht übertönen. Offensichtlich hatte jemand abgeschlossen, Zorro eingeschlossen. „Wie zu erwarten, langweilig und absolut unter meiner Würde. Aber darüber möchte ich jetzt nicht weiter nachdenken, nun da du endlich da bist. Sake?“ Falkenauge klang arrogant, bis zum letzten, und Sanji konnte sich sein überhebliches Grinsen regelrecht vorstellen, wie er entspannt seine Machtposition gegenüber Zorro ausnutzte. „Es ist noch nicht mal Mittag“, widersprach dieser dementsprechend kalt, obwohl er doch nie Alkohol ablehnen würde. „Also kein Sake?“ „Tze.“ „Ist das ein Ja?“ Darauf folgte keine – hörbare – Reaktion, nur ein paar Schritte und das Geräusch von Glas und Möbelpolstern. Was zur Hölle ging hier vor? Warum traf Zorro sich mit dem Samurai Falkenauge in einem hochwertigen Hotel auf dieser Insel? Es war offensichtlich ein vereinbartes Treffen, aber warum? Was ging hier…? „Etwas beschäftigt dich?“ Sanji wiederholte sich ja wirklich nicht gerne, aber was zur Hölle ging hier vor?! Hatte er das gerade richtig verstanden? Falkenauge höchstpersönlich erkundigte sich nach Zorros Wohlbefinden und klang fast, als würde er sich Sorgen machen? Nein, vermutlich war das hier nur ein Vorgeplänkel, ehe es ernst werden würde. „Wie kommst du darauf?“, entgegnete Zorro, ehe er nach einer Sekunde schwer seufzte. Das konnte Sanji gut verstehen. Ganz gleich, welche Differenzen Zorro und er derzeit hatten, er wusste genau, dass der Marimo sie nie verraten würde. Die Frage war nur, was Falkenauge dafür von ihm verlangte. „Genau deshalb, ich habe dich selten so schwer seufzen gehört.“ Wieder irritierte diese Aussage ihn. Falkenauge klang nicht wie ein Erpresser, der seine Macht gegenüber seinem Opfer ausspielte – also er klang schon verdammt arrogant, aber Sanji zweifelte nicht daran, dass er immer so klang – sondern fast schon… empathisch? Irgendetwas passte hier nicht zusammen. „Ach, hat nichts zu bedeuten. Lass uns einfach Schach spielen.“ Mit jedem gesprochenen Wort wurde diese ganze Situation absurder. Schach? Seit wann spielte Zorro Schach? Die paar Mal, die er mit Robin Mah-Jongg hatte spielen müssen, war er vernichtend geschlagen… Darum ging es gerade überhaupt nicht! Sanji war sich bis vor wenigen Sekunden noch absolut sicher gewesen, was dies für ein Treffen war. Ein marinetreuer Samurai und Zorro, der von Falkenauge erpresst oder sonst irgendetwas wurde. Aber irgendwie passten die Worte nicht, passten die Tonlagen nicht, passte das verdammte Schachspiel nicht. Sie klangen irgendwie nicht wie misstrauische Feinde und genau das ließ Sanji nur noch misstrauischer werden. „Ach so? Es hat also nichts mit deiner Crew zu tun? Und wo wir schon dabei sind, wie lange hast du Zeit zu bleiben? Ich wäre ja untröstlich, wenn du sie wegen mir warten lassen würdest.“ Ja, sicher. Innerlich schnaubte Sanji auf. Dieser Typ schien einen auf freundlich zu machen, dabei war er wahrscheinlich nur auf Informationen aus. Was war das für eine Maskerade, die der Marimo mistspielen musste? „Ja sicher“, lachte Zorro dann auf, klang genauso sarkastisch, wie Sanji es fühlte, ignorierte komplett die erste Frage des Samurai, als wollte er ihm bewusst keine Informationen geben. „Heute Abend, wir haben also den ganzen Tag… Hey.“ Sofort spannten sich Sanjis Muskeln an. Was passierte gerade? Er hatte sich verdammt nochmal das falsche Versteck ausgesucht, könnte er doch nur etwas sehen. „Wir beide dachten, dass unser nächstes Zusammentreffen erst in einigen Monaten sein würde, nicht wahr? Ich sage nicht, dass mich unser verfrühtes Treffen unglücklich stimmt, aber ich weiß, dass du dir mehr erhofft hast; ich hatte mir mehr erhofft.“ Falkenauge klang nicht wie ein Erpresser oder gar ein Feind, er klang… sanft. „Ich kann dir heute nicht den Kampf bieten, den du dir ersehnst, den ich mir ersehne. Ohne Jiroushins Einschreiten würde ich dich mit Sicherheit töten und das werde ich nicht riskieren. Aber dies ist mein Zeichen, dass ich dich als ernsthaften Gegner anerkenne. Ich ziehe die Samthandschuhe aus.“ Einen Moment war da Stille und Sanji versuchte, zu begreifen, was diese Worte bedeuteten. „Nun gut, dann leg los. Zeig mir, wie man’s richtig macht.“ Der Marimo klang fast gutgelaunt – und Zorro war eigentlich nie gut gelaunt, außer es gab einen Kampf oder Alkohol. Was, wenn… dieses Treffen nicht erzwungen war? Was, wenn… Zorro… freiwillig hier war? Aber was bedeutete das dann? „Mit Vergnügen“, lachte Falkenauge auch noch freudig auf. Bedeutete das dann etwa, dass Sanji… sich…? Nein, das konnte nicht sein, nicht Zorro, nicht die Moosbirne, nicht nach Water Seven, nach Thriller Bark, nach… Aber was wäre, wenn doch? Zorro hatte seine Einstellung auf Water Seven ganz klar gezeigt und wo hatte es ihn hingeführt? Wer wusste schon, was er die letzten zwei Jahre hatte durchmachen müssen. Wer wusste schon, was ihm die letzten zwei Jahre ins Ohr geflüstert worden war, während er unter höllischen Schmerzen genesen war. Es war mit Sicherheit schwierig, aber vielleicht konnte man sogar Lorenor Zorro umdrehen und wenn einer das konnte, dann vielleicht der eine Mensch, den Zorro Zeit seines Lebens verfolgte. Nein, nein, nein! Sanji wollte das nicht glauben. Die letzten Tage waren schwierig gewesen und sein Hirn suchte nach irgendeiner vertrauten Lösung, wie sie es in der Crew schon mit Nami und Robin erlebt hatten, aber Zorro würde nie… er würde doch nie… sie verraten…, oder? „Und du möchtest mir wirklich nicht erzählen, was dich so schwer seufzen lässt?“, fragte Falkenauge und er klang wieder so… ernsthaft interessiert. „Nein, will ich nicht“, murrte Zorro fast schon etwas verdrießlich, viel zu… entspannt, locker, wie er sich einem Feind gegenüber in so einer Situation wohl nicht zeigen würde. „Ich will überhaupt nicht über irgendetwas reden, nicht über meine Crew, nicht über Eizen und erst recht nicht über meinen anderen Körper; ich möchte einfach nur Schach spielen.“ Hä? Falkenauge seufzte. „Dir ist wohl bewusst, dass diese Verdrängung nicht hilfreich ist? Und das ich anhand deiner Aufzählung erahnen kann, was dich beschäftigt?“ „Dann denk dir deinen Teil und halt die Klappe. Hab überhaupt keinen Bock, dass du daraus jetzt irgendeine Sache machst.“ Erneut seufzte der Samurai und Sanji wurde sich immer sicherer, dass dies nicht der Umgang zwischen zwei Fremden oder Feinden war, nein, ganz bestimmt nicht. „Hast du Schwierigkeiten mit deinem Training? In deiner anderen Gestalt? Wir könnten die Probleme gemeinsam während des Spiels eruieren. Oder liegt es daran, dass du dich vor ihnen nicht verwandeln kannst oder willst? Ich habe keine Einwände, wenn du die Zeit hier nutzen möchtest, um…“ Er unterbrach sich, als Zorro laut aufstöhnte. Aber Sanji war mehr als verwirrt, da war es schon wieder. Anderer Körper, andere Gestalt. Wovon zur Hölle redeten die Zwei? Zorro hatte keine Teufelskraft, konnte nicht wie Chopper seine Form verändern. „Nochmal, lass uns einfach Schach spielen, okay? Ich will nichts eruieren, erst recht nicht Lady Loreen, und ich muss mich auch jetzt nicht verwandeln“, knurrte Zorro. „Also leg endlich los und mach den ersten Zug.“ Scheiße! Für einen kurzen Moment hatte er den Halt verloren, aber sich gerade rechtzeitig gefangen. Was ging hier vor? Was verdammt nochmal ging hier vor? Warum warf Zorro jetzt auf einmal die liebliche Lady Loreen ein? Völlig aus dem Zusammen… „Meinetwegen“, gab der Samurai sich geschlagen. „Aber zuvor sollten wir noch eine Kleinigkeit erledigen“, sprach dann Falkenauge und etwas in seiner Stimme hatte sich geändert, Sanjis Nackenhaare stellten sich auf. „Aha, und was?“, entgegnete der Marimo nur milde begeistert, während Schritte durch den Raum hallten, und dann erbebte der Kamin. Sanji verlor beinahe den Halt, als die Steine um ihn herum ächzten und Asche und Ruß auf ihn niederfielen. „Ich habe diesen Kamin schneller zerstört, als du auch nur an Flucht denken kannst, also komm heraus, ehe ich dich zu Staube zermalme.“ „Was?“ Zorro war offensichtlich aufgesprungen. „Da ist jemand im Kamin?“ „Meinst du, ich unterhalte mich mit der Asche? Du hast nicht aufgepasst und wurdest verfolgt.“ „Was? Nein, ich…“ „Komm jetzt da raus, wir haben nicht ewig Zeit. Du meine Güte, was tue ich mir hier an. Ich zähle bis drei. Eins… zwei…“ Ja, Sanji sollte schnell handeln, dieser Mistkerl zählte nicht gerade langsam. „Okay, okay“, sagte er laut, stieß sich ab und glitt durch das schmale Loch gegenüber hindurch, landete auf der Feuerstelle, Asche und Ruß stoben auf, ließen ihn husten. Das plötzliche Licht des Tages blendete ihn, doch blinzelnd sah er auf. „Koch?“ Zorro stand an einem Schachbrett, drei bis vier Meter entfernt, starrte Sanji überrascht an. Vor ihm, mit eiskalter Miene, nur eine Armlänge von Sanji entfernt, stand Mihawk Falkenauge Dulacre. Diese Szene war einfach nur abstrus, am Schachbrett standen ein Glas tiefroter Wein und ein Glas Sake, als wäre es ein gemütliches Treffen zweier… Freunde. Sanjis Herz schlug schnell, aber tatsächlich konnte er sich nicht mal dazu bringen, die offensichtliche Gefahr im Raum anzusehen, er musste Zorro anstarren, der zurückstarrte, erschrocken, einen Schritt bereits Richtung Kamin, doch dann machte er genau diesen Schritt zurück und verschränkte die Arme. Abweisung über sein ganzes Gesicht geschrieben. „Was zur Hölle machst du hier?!“ „Lorenor, wirklich? Ist das nicht offensichtlich? Er hat uns belauscht.“ Alles in Sanji wollte unter diesem herablassenden Blick zusammenschrumpfen. „Nicht das schlechteste Versteck, muss ich zugestehen, man kann gut mithören und der feste Stein hindert, dass man so schnell wahrgenommen wird, aber sobald dein Herz zu laut schlägt, hast du dich verraten, Smutje.“ „Ist mir scheißegal“, murrte der Marimo und trat nun neben Falkenauge, als stünden sie auf einer Seite. „Was zur Hölle machst du hier?!“ „Es sollte dir aber nicht egal sein. Es ist erschreckend, dass dir weder aufgefallen ist, dass du verfolgt wurdest, noch, dass jemand uns belauscht…“ „Könntest du für einen kurzen Moment die Klappe halten? Mir sind deine besserwisserischen Kommentare gerade sowas von egal!“ „Du willst meinen Rat also ignorieren, obwohl ich…“ „Deinen Rat kannst du dir sonst wo…“ „Zorro.“ Beide starrte sie ihn an und Sanji wusste nicht, ob ihm heiß oder eiskalt war. Unglaublich viele Gedanken rasten gerade durch seinen Kopf und irgendwie hatte er ein schlechtes Gewissen, als hätte er etwas getan, was er nicht hätte tun sollen. Aber mehr noch war er verunsichert, verunsichert und misstrauisch, über die Art, wie diese zwei Männer miteinander sprachen und… worüber sie sprachen, und das einer von ihnen sein Crewmitglied war. „Warum… warum triffst du dich mit einem der sieben Samurai zum Schachspielen? Und was… was meintest du mit… anderer Körper?“ Er merkte die stechenden Augen des Samurais auf sich, der leicht den Kopf neigte, jedoch schwieg, aber er selbst sah nur Zorro an, der über diese Frage so geschockt wirkte wie über Sanjis generelle Anwesenheit. So etwas wie Erkenntnis glitt über sein Gesicht, sein unversehrtes Auge weitete sich einen Moment, fast als hätte er Angst, doch dann war dieser Moment vorbei und seine Züge wurden steinhart wie vor wenigen Tagen im Ausguck; das hier war ein Fehler gewesen. Falkenauge entkam ein neugieriger Laut und mit hochgezogenen Augenbrauen begutachtete er den Marimo von der Seite, als wäre das hier irgendeine lustige Sache. „Redest du dieses Mal?“, fragte er zu unschuldig. „Oder soll ich es wieder übernehmen?“ Wieder Was meinte er damit? Einen Moment noch begegnete der Marimo Falkenauges Blick, dann starrte er Sanji nieder. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, knurrte er, offensichtlich wütend, während Falkenauge nur leise aufseufzte und mit den Augen rollte. „Verfolgst und belauschst mich? Das ist selbst für deine Verhältnisse beschissen, Koch.“ „Ich mache mir Sorgen, und offensichtlich zurecht“, warf Sanji ein. „Du benimmst dich die ganze Zeit schon echt komisch und jetzt haust du heimlich ab – ohne deine Schwerter – und triffst dich mit einem verdammten Samurai? Zum Schachspielen und besaufen?“ „Tze, den Genuss eines guten Weines kann man wohl kaum mit einem Trinkgelage vergleichen“, warf der Samurai ein, als wäre das gerade wirklich das größte Problem. Dann machte er eine verwerfende Handbewegung und wandte sich ab, schritt zurück und ließ sich auf seinen Sessel fallen. „Lorenor, kläre diese Sache mit deinem Crewmitglied, sonst verschwenden wir hier alle nur unnötig unsere Zeit.“ Sanji hätte dem Samurai gerne vieles an den Kopf geworfen, aber er sah nur Zorro an. „Ja, genau. Erklär mir, was hier los ist. Warum triffst du dich heimlich mit einem Samurai?“ Der Marimo sah ihn immer noch so vernichtend an. „Ich war bei ihm“, knurrte er schließlich und deutete mit den Daumen hinter sich auf den Samurai. „Für die letzten zwei Jahre hat Dulacre mich trainiert und auf die Neue Welt vorbereitet. Was ich auch nie verschwiegen habe. Hättest nur fragen brauchen.“ Oh, das klang tatsächlich ziemlich logisch. Schließlich hatte Falkenauge ihnen damals geholfen, um die Schwerter zu holen, und Zorro war in den letzten zwei Jahren verdammt stark geworden, und wenn er sich von einem Menschen zur Ruhe zwingen und belehren lassen würde, dann vielleicht von dem einen Mann, dem er nachstrebte. „Warum hast du dann nicht gesagt, dass du ihn heute treffen würdest? Bist ohne Schwerter weg? Ich dachte, dass hier wäre irgendein geheimes Treffen von Feinden.“ „Er ist ein Samurai, ich ein gesuchter Pirat. Nicht gerade etwas, was man an die große Glocke hängt.“ „Und warum hast du uns nichts gesagt?“ „Ich wusste nicht, dass ich jetzt schon die Erlaubnis brauche, wenn ich mich mit jemandem treffen will“, entgegnete Zorro unterkühlt. „Oder dass mir nachspioniert wird, wenn ich mir vorher keine hole.“ Sanji schluckte. „Ich dachte, du wärest in Gefahr.“ „Und ich dachte, du wärest nicht ganz so ein Vollidiot, wie du die letzten Tage tust. Scheint, als hätten wir beide unrecht, und da wir uns davon beide ja jetzt überzeugen konnten, verschwinde und geh mir nicht weiter auf die Nerven.“ Vor ein paar Tagen hätte Sanji vielleicht anders reagiert, aber jetzt saß ihm noch ihr letzter Streit in den Knochen und die Anwesenheit eines verdammten Samurai, der sie fast schon gelangweilt beobachtete, machte es nicht besser. „Ich soll dich mit dem da alleine lassen?“, meinte er daher, wusste, dass es ein schwacher Einwand war. Aufschnaubend schüttelte Zorro den Kopf, den Schatten eines sarkastischen Lächelns auf den Lippen. „Seine Anwesenheit stört mich weniger als deine.“ Sanji fühlte sich geschlagen. Seine Wunden waren noch zu frisch, Zorros Ton zu kalt, seine Worte zu hart. Es schien, als hätte seine gutgemeinte Aktion das letzte Fünkchen zerbrochen, was noch Gutes zwischen ihnen gewesen war. Er wandte sich zur Türe. So hatte das nicht laufen sollen, so hatte das doch alles nicht laufen sollen. Nicht nach diesen zwei Jahren, nicht, da Zorro endlich wieder…   Ich war bei ihm. Für die letzten zwei Jahre.   Redest du dieses Mal oder soll ich es wieder übernehmen?   Ich will nichts eruieren, erst recht nicht Lady Loreen.   Wirf dein Leben nicht leichtfertig weg.   Lebe, Sanji.   Zorro lebt.   Die Antwort ist simpel. Ich bin nicht davongekommen, ich bin gestorben.   Er hat die ganze Zeit gelebt und er wird zurückkommen.   Ich habe dir geantwortet, aber du wolltest nicht hören.   Liegt es daran, dass du dich vor ihnen nicht verwandeln kannst oder willst?   Mein anderer Körper.   In deiner anderen Gestalt.   Er starrte die Türe vor sich an, aber sah sie nicht, sah Bilder von vor zwei Jahren vor seinem inneren Auge, erinnerte sich an jenen Moment, damals auf dieser Insel, als Lady Loreen aus dem Nichts aufgetaucht und Ruffy und ihm zur Hilfe gekommen war. Den Soldaten, der Ruffy hatte töten wollen, niedergestreckt hatte und für einen Moment, für einen Moment hatte Sanji das Gefühl gehabt, dass er… Zorros Anwesenheit fühlen würde. Langsam wandte er sich um, starrte den Marimo an. „Wolltest du mir das sagen, oben im Ausguck?“, fragte er, wusste nicht, was er denken sollte. Es war doch unmöglich, aber nach allem, was er gehört hatte. Nach allem, was er selbst während der vergangenen zwei Jahre erlebt hatte. „Das kann nicht sein, oder? Ihr habt von einem anderen Körper gesprochen, deinem anderen Körper. Zorro, du... du bist doch nicht Lady Loreen, oder?“         Kapitel 37: Extrakapitel 34 - Mauerblümchen ------------------------------------------- Mauerblümchen   ~Während des ersten Teils~   -Zorro- „Du wartest hier!“ „Jaja, ich hab’s ja kapiert. Du hast…“ „Setz dich hin und warte!“ Zorro rollte mit den Augen. Der Samurai war in den letzten Tagen noch anstrengender als sonst. Er hatte sich ein Mal verlaufen, ein einziges Mal und Dulacre tat so, als müsste er ihn wie einen schlecht erzogenen Hund an der Leine irgendwo anbinden. Genervt ließ er sich auf die Bank im Wartebereich fallen. „Und bleib hier, bis ich zurückkomme.“ „Ich hab’s verstanden“, murrte er nur und verschränkte die Arme. Der andere mochte so genervt sein wie immer, aber war nicht so, als wäre Zorro besser drauf. Er könnte die Zeit sinnvoller beim Training nutzen, aber nein, Kanan hatte irgendetwas ganz dringend ins Dorf bringen wollen und da der Samurai eh noch irgendein Gespräch mit irgendwem Wichtigem hatte führen müssen, saß Zorro nun hier. Das kleine Päckchen hatten sie vorher schon weggebracht, aber wer wusste, wie lange Dulacre brauchen würde. Entnervt rollte Zorro mit den Augen und beobachtete gelangweilt die Menschen um ihn herum, die durch die Gänge schlurften. Zorro wusste nicht wirklich, wie Verwaltungsapparate funktionieren, aber es schien kein glücklicher Ort zu sein, so wie die meisten dreinsahen, die sich an ihre Kaffeetassen klammerten. Wenn Zorro sich nicht ganz irrte, arbeitete auch dieser Cho Jiroushin hier, aber zwischen all den langen Gesichtern musste er so fehl am Platz wirken, wie der Koch in einem Frauenbad. Zorro auf der anderen Seite hatte das Gefühl, von seiner Laune hier gut hinzupassen. Nicht nur, dass ihm Zeit zum Trainieren fehlte und der Samurai ihn mit sich durch die Gegend schliff, als wäre er ein Kleinkind, das man nicht unbeaufsichtigt lassen konnte. Nein, Kanan hatte ihm wieder mal ein Kleid aufgezwängt – über die ganzen Rüschen konnte er sich gar nicht mehr aufregen, die Strumpfhose war das viel größere Problem – und irgendetwas mit seinen nervigen Haaren gemacht, sodass sie gefühlt überall im Weg waren, als hätten sie sich vervielfältigt. Ja, es war kein guter Tag, aber immerhin konnte es nicht mehr viel schlimmer werden. Sobald der Samurai getan hatte, was auch immer er tun musste, würden sie hoffentlich schnell wieder in den Trainingsraum verschwinden, damit er endlich stärker werden konnte. „Verdammt“, knurrte er, als er sich nach vorne lehnen wollte und direkt zwei neue Probleme merkte. Zum einen war dieses Kleid nicht besonders bewegungsfreundlich und er hatte das Gefühl, dass sein Rücken es jeden Moment zerreißen würde, sollte er sich noch mehr nach vorne lehnen, um sich auf den Oberschenkeln abzulehnen. Zum anderen war der ganze Wust an Haaren ihm ins Gesicht gefallen, sodass er gefühlt gar nichts mehr sehen konnte. Irgendwie versuchte er das Haar zu bändigen, merkte aber, dass nichts davon funktionieren wollte. Innerlich aufschreiend, drückte er das Haar an seinem Hinterkopf mit beiden Händen zusammen und versuchte dann, es sich über eine Schulter zu ziehen. Was hatte Kanan nur gemacht? Er konnte es kaum mit beiden Händen umschließen. Nervig. Wie ging das nochmal? Er hatte gesehen, wie Kanan es machte. Sie hatte es ihm schon mehrmals gezeigt. Er musste drei Stränge unterteilen – was so gar nicht gelingen wollte – einen hielt er mit der linken Hand, den anderen mit der rechten. Linker Strang über den auf der Schulter liegenden, mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand festhalten und dann… wie machte er das denn jetzt mit dem rechten Strang? Warum war Haare flechten so schwierig? „Oh wow?“ Überrascht sah Zorro auf, als irgendein Typ vor ihm stand und ihn mit einem seltsamen Lächeln anzwinkerte. Wer war dieser Typ? „Sieht ziemlich beeindruckend aus, junge Lady“, meinte der Kerl und nickte zu dem Knäuel aus Haaren und Fingern, welches Zorro nicht wirklich bändigen konnte. Verwirrt starrte er den Kerl an, was wollte er von ihm? „Da fragt man sich ja, was Sie sonst mit Ihren Fingern so anstellen können.“ Hä? Und ganz langsam dämmerte es Zorro. Er kannte solche Sätze, auch wenn sie nie an ihn gerichtet waren, aber er hatte oft genug neben Nami gesessen und oft genug an ihren Reaktionen gesehen, dass diese Typen gerade einen riesigen Fehler begangen hatten. Noch während er diesen Gedanken hatte, ging die Tür vor ihm auf und Dulacre trat heraus. „Lore… en, ich bin so weit, wir können gehen.“ Der seltsame Kerl schaute sehr überrascht auf, als plötzlich ein Samurai vor ihm stand, doch Dulacre ignorierte ihn wie die meisten Menschen. Erleichtert erhob Zorro sich und befreite seine Hände aus dem Wirrwarr auf seinem Kopf. „Endlich“, murrte er, während Dulacre sich schon zum Gehen wandte.  Aber Zorro hatte noch eine Rechnung offen. „Wissen Sie, was diese Finger noch so können?“, meinte er und lächelte diesen Typen an, der ihn nun mit einer Mischung aus Lächeln und Verunsicherung ansah. „Ein Genick brechen.“ Jetzt verstand er Namis Reaktion, dieser leicht verängstigte Blick hatte etwas, gerade weil Zorro es schon zu lange nicht mehr gesehen hatte. Gut zu wissen, dass er es selbst in dieser Gestalt hinbekam. „Will ich wissen, warum du Behördenmitarbeiter auf dem Flur bedrohst?“, fragte Dulacre mit leiser Stimme, während sie das Gebäude hinter sich ließen. „Nein, nicht wirklich“, entgegnete Zorro schlicht. „Warum waren wir überhaupt da? Ging ja schneller als erwartet.“ „Nichts wichtiges, Herr Koumyou hat uns nur für Morgen zum Abendessen eingeladen.“ „Uns?“ „Muss ich wirklich aufschlüsseln, dass dies dich und mich beinhaltet?“ Zorro rollte mit den Augen. „Da wird viel Zeit vom Training für draufgehen, muss ich da mit hin?“ „Du kennst die Antwort. Aber meinetwegen können wir bei unserer Rückkehr noch eine Einheit einschieben. Sofern du nicht noch zu erschöpft von heute Morgen sein solltest.“ Dann seufzte Dulacre. „Und dann werde ich morgen dem Bürgermeister erklären dürfen, warum Lady Loreen vorhatte, einem Angestellten das Genick zu brechen.“ „Er hat angefangen“, rechtfertigte Zorro sich. „Er hat dich bedroht?“ „Er hat es sich gefragt.“ Dulacre sah missbilligend zu Zorro hinab, aber ihm war das ziemlich egal. Er wollte stärker werden, damit er nicht nur leere Drohungen machen konnte.   Kapitel 38: Extrakapitel 35 - Eine Hummel auf Abwegen ----------------------------------------------------- Eine Hummel auf Abwegen   -Zorro- „Uff!“ Hart knallte er auf den Rücken. „Ach du meine Güte", kam die hämische Bemerkung von der Seite, „das waren ja noch nicht mal 2.000 Handstand–Liegestütze. Baust du etwa ab?" „Leck mich doch“, grummelte Zorro, „ich hab nur das Gleichgewicht verloren." „Tatsächlich?", entgegnete Dulacre und Zorro vermied bewusst, die Teleschnecke anzusehen, wollte dieses kleine, süffisante Grinsen nicht sehen. „Na, wenn du meinst." „Ja, meine ich!", knurrte er und massierte sich die krampfenden Unterarme. Er hatte überhaupt keine Lust, sich jetzt über sein Trainingskonzept belehren zu lassen, und er wusste, dass Dulacre es genau darauf anlegte. „Wie oft trainierst du denn in dieser Form?" „Oft genug. Nerv nicht." „Und mit oft genug meinst du jede zweite oder dritte Nacht, nicht wahr?" Ertappt entgegnete Zorro nichts, sondern richtete sich nur den Zopf neu und ging wieder in Ausgangsposition. „Ich muss dich mit Sicherheit nicht daran erinnern, dass wir dein Training damals bewusst zu zwei Dritteln in jener Gestalt durchgeführt haben, damit der Abstand zwischen deinen beiden Körpern nicht zu groß wird, oder?" Natürlich musste dieser besserwisserische Mistkerl trotzdem seine Meinung zum Besten geben. „Und ich muss dich mit Sicherheit nicht daran erinnern, dass ich weiß, was ich tue, oder?", blockte er ab und konzentrierte sich wieder aufs Zählen. Die wortlose Antwort des anderen war nervig genug. Nur das Rascheln der Zeitung und der leise Wellengang im Hintergrund waren zu hören. In Stille führte Zorro seine Übungen fort, wollte nicht auf Dulacres ungesagte Worte hören. „Nun denn, ich werde in wenigen Minuten ankommen. Aber Lorenor, lass mich dir sagen, dass es äußerst unklug ist, diesen Körper so sehr zu vernachlässigen, verstehst du?" „Ich vernachlässige ihn nicht", murrte er, „ich trainiere doch gerade, oder nicht? Hör auf, mich zu belehren, nur weil du keinen Bock auf die kommenden Tage hast. Ich bin nicht Buggy, klar?" Dulacre seufzte: „Und sein Training könnte mir nicht gleichgültiger sein. Deines hingegen …" „Ich kann mich selbst um mein Training kümmern." Er entschied, das Thema zu wechseln. „Warum machst du diesen Mist überhaupt mit, wenn du so wenig Bock drauf hast?" „Meinetwegen", durchschaute Dulacre ihn sofort. „Ich habe es dir doch bereits erklärt. Als hätte ich die Auflösung der Samurai einfach so kommentarlos hinnehmen können. Natürlich musste ich ein Zeichen setzen, dass die Marine einen schwerwiegenden Fehler begangen hat." „Aber dafür brauchst du doch keinen Crocodile, und erst recht keinen Buggy. Wenn du dich nicht mit den Zweien zusammengetan hättest, müsstest du jetzt nicht zu irgendwelchen nervenden Treffen." „Du verstehst es halt einfach nicht. Ich habe dir doch gesagt, dass die Zusammenarbeit mit Crocodile vorteilhaft ist, da er sich gerne mit unternehmerischen Tätigkeiten herumschlägt. Es ist sehr angenehm…" „Es war der Name, oder? Damit hat er dich überredet?" „Glaubst du, ich wäre so einfach zu beeinflussen?" Zorro grinste: „Das war kein Nein." Die kleine Teleschnecke schnaubte. „Wie dem auch sei, ich muss nun los. Denke daran, dass ich aufgrund unseres Treffpunktes vermutlich die nächsten Tage nicht erreichbar sein werde." „Jaja, ich weiß, schlechte Verbindung und so. Mach dir keine Gedanken, ich komm schon klar", murrte er, wie immer leicht genervt von dem überfürsorglichen Verhalten des anderen. Sie tauschten noch wenige Worte aus und endlich beendete Dulacre das Gespräch. Aufatmend ließ Zorro sich - diesmal gewollt - auf den Rücken fallen. Meistens waren diese nächtlichen Telefonate angenehm. Manchmal sprachen sie, manchmal schwiegen sie die meiste Zeit, aber es gab Zorro immer ein bisschen Ruhe von Kuraigana. Aber selten gab es so Tage, an denen Dulacre schlecht drauf war, und wenn Zorro dann auch noch mit seinem Training unzufrieden war, dann war es schon mal anstrengend. Heute war so ein Tag, beziehungsweise so eine Nacht. Genervt setzte er sich auf. Er wollte nicht, dass Dulacre Recht hatte, aber er konnte es nicht voll und ganz abstreiten. Aufschnaubend verscheuchte er solche Gedanken. Er konnte sich noch genug mit Dulacre auseinandersetzen, wenn dieser anrief, jetzt sollte er sich keine schweren Gedanken machen und lieber schnell ins Bad und vielleicht noch ein paar Stündchen Schlaf finden. Leise grummelnd richtete er sich auf, spürte jedoch in seinen Knochen, dass es noch nicht an der Zeit war. Dabei hätte er schwören können, für mehr als ein paar Stunden in diesem Körper gewesen zu sein. Nun gut, um diese Uhrzeit war normalerweise niemand wach, mit Ausnahme vielleicht von Robin in der Bibliothek oder Jinbei in der Aquarienbar. Müde schlurfte er über das Deck, nicht wirklich zufrieden mit sich und seiner Leistung, aber immerhin müde, immerhin mit erschöpften Muskeln. Das heiße Wasser tat ihm gut, entspannte seine erschöpften Muskeln und nahm etwas von seiner Anspannung. Die langen, nassen Haare waren nervig, aber er versuchte nicht, sich zurück zu verwandeln. Wenn es vor wenigen Minuten noch nicht geklappt hatte, dann würde es jetzt auch nicht funktionieren. Seufzend trocknete er sich ab. Wann hatte er sich das letzte Mal verwandelt? Vor vier oder fünf Tagen? Eigentlich sollte eine Nacht locker ausreichen. Selbst, wenn er seine Grenzen vollends ausschöpfte – was er in weiser Voraussicht selten tat – war es höchstens ein Tag. Aber als er es versuchte, klappte es immer noch nicht. Frustriert stand er einen Moment da und überlegte, was er am besten tun sollten. Dann gewann die simple Müdigkeit. Er zog seine Sachen an, hob seine Stiefel hoch und verließ das Bad, schlurfte übers Schiff, bis er endlich vor seiner Koje stand, ignorierte sämtliche Gedanken und kletterte hinein. „Nacht, Zorro“, kam ein leises, undeutliches Murmeln über ihm. „Nacht, Ruffy“, antwortete er leise, nicht sicher, ob sein Käpt’n überhaupt aufgewacht war.   Nachdenklich reinigte er seine Schwerter im flackernden Licht der Lampe, welche groteske Schatten über die Klinge warf und die paar wenigen Kratzer mit scharfen Kanten versah, aber es störte ihn nicht. Er mochte die nächtlichen Stunden, die Ruhe, die Ungestörtheit und ein Seitenblick zeigte ihm, dass die erste Morgenröte noch weit entfernt war. Das war gut so, sie alle brauchten Schlaf, sie alle mussten zur Ruhe und wieder zu Kräften kommen. Aufregende Tage lagen hinter ihnen und noch aufregendere würden ihnen bevorstehen, so viel war sicher. Aber während die meisten Crewmitglieder gerade friedlich schlummerten, war er nicht müde, wusste, dass es für ihn noch nicht an der Zeit war, schlafen zu gehen. Noch nicht. „Du bist gerne hier oben, oder?“ „Man hat hier seine Ruhe“, entgegnete er schlicht, nicht mal überrascht, während der andere sich neben ihn setzte, „und ich wollte nicht bis zum nächsten Tag warten. Es ist wichtig, dass ich meine verbliebenen Schwerter gut pflege.“ Unangenehme Erinnerungen an den vergangenen Kampf kamen ihm in den Kopf. Dumm, naiv, unaufmerksam. Aber es war nun, wie es war, ändern konnte er es nicht, doch er würde nie vergessen, dass sein Fehler dazu geführt hatte, dass sein Yubashili zerstört worden war. Seit seinem Kampf gegen Falkenauge im East Blue war ihm kein Schwert mehr zerbrochen, aber nun hatte eines seiner Schwerter für seine Schwäche büßen müssen. Er würde dieses Opfer nicht vergessen und daraus seine Lehren ziehen. Es war wichtig, dass er gut auf seine Schwerter Acht gab, nur so konnte er bestehen, nur so konnten sie bestehen. Deshalb reinigte er seine Schwerter jetzt, wollte nicht bis zum nächsten Tag warten. Natürlich hätte er es auch unten in den Räumen machen können, aber da sich die meisten von ihnen den großen Wohnraum teilten, hätte das Licht sie wecken können und gerade Chopper brauchte jetzt seinen Schlaf. „Mhm“, machte der andere nur und lehnte sich etwas gegen ihn. Zorro ließ ihn, betrachtete sein Schwert ausgiebig. „Also bist du nicht hier, weil du nicht schlafen konntest?“, fragte er eine recht ungewöhnliche Frage. Zorro grinste ihn trocken an. „Fragst du mich das gerade ernsthaft?“ Auch Ruffy grinste, kurz, dann sah er zum Horizont, schob sich den Strohhut tiefer ins Gesicht und lehnte sich noch etwas mehr gegen ihn. Zorro seufzte. „Es wird besser werden“, sagte er und Ruffy stimmte ihm wortlos zu. „Wenn du etwas geschlafen und gegessen hast, wird es dir besser gehen.“ „Ich kann nicht schlafen.“ Leise klang er, rieb sich über die bandagierten Arme, als ob ihm kalt wäre. „Es ist schwer.“ „Ja, das ist es“, stimmte Zorro zu, ignorierte Ruffy neben sich, der noch mehr den Kopf senkte, und betrachtete sein Schwert. „Einen Kammeraden zu verlieren ist immer schwer und… Lämmchen war wirklich ein gutes Schiff.“ „Ja, das war sie.“ Ruffys Stimme brach, seine Schultern zitterten. Zorro schwieg. „Das alles“, flüsterte Ruffy dann, „seit wir hier sind, ist so viel passiert. Lysop, Robin,… Lämmchen, und ich… es ist schwer.“ Das hatte er damals auch nach dem Kampf gegen Lysop gesagt. Damals. Dabei lag das alles erst wenige Tage zurück, damals war die Welt noch eine andere gewesen, diese Crew noch eine andere. Jetzt waren sie Feinde der Weltregierung. „Niemand hat gesagt, dass die Bürde des Kapitäns leicht zu schultern ist“, sprach er, seinen Blick auf sein Schwert, „aber du darfst nicht brechen, sonst könnten wir zerbrechen.“ „Mhm“, machte Ruffy mit bebenden Schultern. „Es ist meine Verantwortung“, sagte er dann mit dieser Stimme, die er nur in solchen Momenten zeigte, „mit Lysop, Robin, der Flying Lamb und… ich habe…“ „Du hast deine Pflicht als Kapitän erfüllt“, stellte er unmissverständlich fest. „Warum fühlt es sich dann nicht so an?“, flüsterte Ruffy und sah zu ihm auf, zeigte ihm dieses Gesicht, welches er nur in solchen Momenten zeigte. „Warum habe ich das Gefühl, alle im Stich zu lassen?“ „Weil die Entscheidungen eines Kapitäns nicht immer mit der Vorstellung einer idealen Welt im Einklang stehen können. Du hast die richtigen Entscheidungen getroffen, gegenüber Lysop, Robin zu retten und auch, die Flying Lamb gehen zu lassen. Daran darfst du nicht zweifeln. Du bist der Kapitän, du musst stark sein. Denn auf wen sollen wir sonst bauen, wenn wir zweifeln, wenn nicht auf unseren Kapitän?“ Stille, dann senkte Ruffy den Blick. „Und was ist, wenn ich nicht so stark bin?“, fragte er die Nacht. „Dann wird diese Crew früher oder später zerfallen“, antwortete er schlicht. „Denn diese Crewmitglieder sind zu stark, als dass sie einem schwachen Kapitän folgen würden.“ „Würdest du gehen?“ „Ich würde dir nicht folgen, wenn du schwach wärest.“ Er fühlte, wie Ruffys Kopf gegen seine Schulter kippte, spürte das Beben und das Zittern. „In wenigen Stunden, wenn die Sonne aufgeht, wird die Crew einen starken Kapitän brauchen. Einen Kapitän, der seine Entscheidungen nicht anzweifelt, seine Autorität nicht untergraben lässt. Morgen früh wirst du dieser Käpt’n sein.“ Er steckte sein Schwert weg und legte seine Hand auf den Strohhut, drückte den anderen noch etwas mehr an sich. „Also sei jetzt schwach, zweifle, weine, zerbreche. Und morgen früh wirst du wieder stark sein, damit die Crew auf dich bauen kann.“ Also saß er da und sah der Morgenröte entgegen, während sein Kapitän sich in sein Hemd krallte und stumme Tränen vergoss. „Hey, aufstehen, Marimo! Du hast verschlafen und es ist längst Zeit fürs Frühstück.“ „Jaja, nerv nicht“, grummelte er in sein Kissen und drehte seinen Kopf demonstrativ weg. Er konnte den Kick des Kochs gegen die Koje spüren, wie so oft – und noch öfters trat der Koch auch ihn und nicht die Koje, absichtlich – und nach einer erneuten Ermahnung und einem leisen Fluch stakste der Koch davon. Aber Zorro wusste, dass es nichts mehr brachte. Dank dem Kartoffelschäler war er nun wach und auch, wenn er am liebsten direkt weiterschlafen würde, nach der langen Nacht war er doch hungrig. Schwerfällig setzte er sich auf, merkte leichten Muskelkater zwischen seinen Schulterblättern, ein gutes Gefühl. Er verschwendete keinen weiteren Gedanken an jenen Traum, an vergangene Tage, sondern warf seine Füße über das Holz und überlegte, ob er sich vielleicht vor dem Segelflicken drücken konnte, um noch eine Extraeinheit einzulegen. Da bemerkte er es, das lange Haar auf seinen Schultern; er war noch in jenem Körper. Seufzend schloss er seine Augen und… konnte sich nicht verwandeln. „Was zur…?“ Erneut versuchte er es, wusste doch ganz genau, wie es funktionierte, aber es passierte nichts, nicht mal jener Schmerz setzte ein. Dabei war er nun bestimmt lange genug in diesem Körper… Er sah auf, merkte, wie sein Atem schneller wurde. Bis auf jenes eine Mal nach Eizen’s gescheiterten Coup hatte er noch nie Probleme gehabt, sich zurückzuverwandeln. Seit jenem Tag waren sogar die Schmerzen weg, er hielt es länger in seinem Körper aus. Er wusste genau, was er tun sollte, so wie er es immer tat, es nun schon für Jahre getan hatte. Aber, warum auch immer, passierte nichts. Zorro saß da, in seiner Koje auf der Thousand Sunny, und konnte sich nicht verwandeln.   -Sanji- Abwesend schrubbte er den Kessel, während die restlichen Crewmitglieder frühstückten, alle bis auf der Marimo. Es gehörte zu seiner üblichen Morgenroutine, manchmal übernahmen es zwar auch andere der Crew, aber oft war es doch Sanji, der noch schnell zur Kajüte der Jungs eilte und die Schlafmützen – meistens nur den Marimo – noch aufweckte. Es war ganz normal, aber heute war es anders gewesen. Er wusste nicht genau, was passiert war – lag es an jenem Gespräch, dass er mit Zorro vor einigen Wochen über dessen Alter Ego gehabt hatte, nachdem die Zeitungen sich über Sanji die Mäuler zerrissen hatten? Oder vielleicht an Falkenauges überzogener Reaktion nach dieser Rettungsaktion? Oder an diesem ganzen Ball? Oder an etwas ganz anderem? - aber es hatte ihn überrascht. Er war mit seiner üblichen Morgenzigarette in die Kajüte gestürmt, um den anderen wie immer mit etwas gutgemeinter Härte aufzuwecken und plötzlich hatte da… Zorro in der Koje gelegen. Aber halt auch nicht ganz Zorro. Sanji wusste, dass er es war, aber für einen Moment hatten ihn die wilden Locken irritiert. Zorro zeigte sich nie, nie, in jener Gestalt, wenn er es nicht irgendwie vermeiden konnte, und so war es einfach überraschend gewesen, oder eher schockierend, ja schockierend. Er wusste, dass er sich dran gewöhnen sollte, aber wie, wenn es doch eine absolut ungewohnte Situation war? Musste er jetzt immer damit rechnen, irgendwo einem… weiblichen Marimo, Lady Loreen, zu begegnen? Und hatte er das nicht selbst irgendwie gefordert? Was war er naiv gewesen. Und dann kam ihm ein neuer Gedanke? Sollte er die anderen vorwarnen? Worüber sie gesprochen hatten? Was er gerade vorgefunden hatte? Nein, natürlich nicht, Schwachsinn. Es war nichts Ungewöhnliches passiert, gar nichts ungewöhnliches. Er war nur den Marimo aufwecken gegangen, wie fast jeden Morgen, und wahrscheinlich würde der Marimo sich eh vorher… „Morgen“, krachte die Türe auf und der Marimo kam herein, die zotteligen Locken in alle Richtungen, das viel zu große Hemd um den schmalen Körper, auf nackten Füßen und diese schwarze, enganliegende Hose, die er anscheinend immer unter seiner normalen Hose trug, wie Sanji sich an einen langzurückliegenden Ausbruch erinnerte. Sanji sah die Blicke, sah die großen Augen Frankys und Lysops, ein subtiles Lächeln von Robin, ehe sie dieses in ihrem Kaffee ertrank, ein kurzes Aufmerken von Jinbei, der sich schnell wieder seinem Gespräch mit Nami über den derzeitigen Kurs zuwandte, aber Zorro schien sie nicht zu bemerken, als er sich neben Ruffy hinwarf und über die Grüße der anderen zu essen anfing, fast so schlimm am Schlingen wie ihr Kapitän. Sanji konnte nicht anders, als ihn anstarren. Er wusste es doch besser, er wusste es besser. Aber das hier war schräg. Ja, er hatte Zorro mittlerweile ein-zwei Mal in dieser Gestalt gesehen, aber ihn jetzt da so sitzen zu sehen, verschlafen am Fressen wie sonst auch, aber in dieser Gestalt, es war so seltsam, so ganz schräg. „Ist was?“, knurrte der Marimo ihn an. „Nein, gar nichts“, murmelte er, woraufhin der andere nur mit den Augen rollte und erst nach einer Sekunde wurde Sanji bewusst, dass dieses Zurückrudern gerade ein absolut untypisches Verhalten für ihn gewesen war. Normalerweise wäre er nur zu dankbar auf diese Einladung eingegangen. Danach ging das Frühstück halbwegs normal seiner Wege. Sanji merkte die Seitenblicke der anderen, ihr Stirnrunzeln, ertappte sich selbst immer wieder, wie er Zorro anstarrte, aber ansonsten war es fast normal, während Ruffy zwischen fünfhundert Bissen Zorro von seinen Plänen für den Tag erzählte und Zorro nur mehr oder weniger zustimmend grummelte, wie man es von ihm kannte, und daran änderte auch die fremde Stimme wenig. Nach und nach trudelten dann die anderen nach draußen, bis nur noch Lysop – der Sanji beim Abwasch helfen sollte – und Nami – die noch gerade die Zeitung zu Ende las – in der Kombüse verblieben. Sanji wartete noch, bis Brook die Türe hinter sich zugezogen hatte, dann sprang er vom Spülbecken herum, um die anderen zwei anzusehen. „Was war denn das?!“ „Was?“, meinte Nami abwesend, sah nur kurz auf. „Na, der Marimo!“ „Sanji.“ Lysop klang sowohl verunsichert als auch etwas vermittelnd. „Du weißt doch, dass er…“ „Ja klar, aber was war das? Ganz ehrlich, ja, wir alle wissen das mit Lady Loreen, aber normalerweise läuft er nie… so herum. Warum jetzt auf einmal?“ Nami seufzte. „Naja, eigentlich ist es doch egal, oder nicht? Er hat nun mal zwei Gestalten und muss in der anderen immer wieder sein, oder? Was ist schon dabei? Chopper läuft doch auch nicht immer nur in seiner einen Form herum.“ Sie sah noch nicht mal auf. „Ist schon was anderes, finde ich“, murmelte Sanji. „Er hat ganz offen gesagt, dass es ihm…“ „Ach, und das ist der Grund, warum er es nie macht. Weil er denkt, wir würden eine große Sache draus machen.“ Sie faltete die Zeitung zusammen. „Ganz ehrlich, ich denke, in den vergangenen zwei Jahren hat er seinen ganz normalen Alltag auch als Loreen verbracht – hat wahrscheinlich eh nur trainiert – daher sollten wir es als gutes Zeichen sehen, wenn er das jetzt auch an Bord macht. Hat ja lang genug gedauert.“ „Eine kleine Vorwarnung wäre nett gewesen“, meinte Sanji, „hab mich heute Morgen richtig erschrocken.“ Nami brachte die Zeitung zur Anrichte und sah ernst zwischen Lysop und Sanji hin und her. „Komm schon, Nami“, sprang Lysop dann in die Bresche. „Ja, klar, ist gut so, echt. Aber es ist auch ungewohnt. Nicht nur, dass er halt dann so aussieht, sondern vor allem, dass er…“ „…sich genauso benimmt wie sonst auch“, murmelte Sanji. „Ist irgendwie gruselig, wie bei Trafos Körpertausch, oder so.“ „In zwei Wochen werden wir uns alle dran gewöhnt haben.“ Sie verschränkte die Arme. „Aber wir sollten aufpassen, dass wir bis dahin nicht ziemlich dumm reagieren, okay?“ Sie sah Sanji an. „Was? Ich mach doch gar nichts.“         Kapitel 39: Extrakapitel 36 - Eine Hummel auf Abwegen - Teil 2 -------------------------------------------------------------- Eine Hummel auf Abwegen – Teil 2   -Sanji Und das machte er für die nächsten zwei Tage, nichts.   Er wusste nicht genau, was den Marimo geritten hatte, aber der der Spinatschädel hatte die vergangenen zwei Tage scheinbar ununterbrochen in seiner weiblichen Gestalt verbracht, zumindest immer, wenn Sanji ihn gesehen hatte. Was zugegebenermaßen nicht oft gewesen war, meistens nur während der Mahlzeiten. Weder hatte er mit dem Rest der Crew Karten gespielt noch war er beim gemeinschaftlichen Baden dabei gewesen, obwohl er das eigentlich selten verpasste, da niemand Choppers Geweih so gut säubern konnte wie er. Nicht mal spät abends war er in die Kombüse gekommen, um sein Bento für die Nachtwache abzuholen, wie es doch sonst üblich zwischen ihnen war. Allerdings hatte es morgens nicht mehr auf der Anrichte gestanden, daher hatte Sanji eine Theorie. Zorro ging ihm aus dem Weg. Vermutlich war er die Überraschung und das Unwohlsein der meisten Crewmitglieder wirklich leid, weshalb er nun auf direkte Konfrontation ging, so wie er auch sonst nie einen Hehl um etwas machte. Nur bei Sanji machte er eine Ausnahme, vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst, vielleicht was auch immer. Es war ihm egal. Entweder bemerkte Zorro gar nicht, was er tat, und ging ihm einfach aus dem Weg, weil er unbewusst eine unangenehme Situation vermeiden wollte, oder aber er vermied es ganz bewusst, weil er keinen Bock drauf hatte, sich mit Sanji auseinandersetzen zu müssen. Und in jedem anderen Thema wäre das Sanji auch nur Recht. Der Marimo war mit Abstand das nervigste und anstrengendste Crewmitglied. Aber in dieser einen Sache… nach allem, was der andere ihm mittlerweile gesagt hatte. Er wusste nicht, was Zorros Ziel oder Idee hinter dieser ganzen Aktion war, aber er wusste, dass er die Konfrontation suchen musste. Nicht den Konflikt, aber das Gespräch. Also packte er das Bento, welches er vor einer halben Stunde liebevoll zubereitet und bereitgestellt hatte, schaltete das Licht in der Kombüse aus und sah entschlossen zum hell erleuchteten Ausguck hoch. „Na, wenn der Hund nicht zum Knochen kommt…“, murrte er, straffte die Schultern und dann schritt er los. Das Bild im Ausguck sollte ihn nicht überraschen. Der Marimo stand auf seinen Händen, balancierte ein riesiges Gewicht auf den Füßen, beugte seine Arme und streckte sie wieder, der Hauch seiner Stimme in der Luft, als er leise mitzählte. Es war schon beeindruckend, wie er trainierte, das wollte Sanji neidlos zugestehen, aber in jener Gestalt wirkte es fast schon unwirklich. Die wunderschönen, langen Locken waren in einem fast schon unscheinbaren Dutt gebändigt, doch einzelne Strähnen hatten sich befreit und wippten bei jeder Bewegung mit. Schweiß tropfte hinab, doch Sanji bemerkte das gar nicht mehr. Zorro hatte ihm den Rücken zugewandt, den nackten Rücken, und beugte zum was auch immer vielten Mal seine Arme. Auch das sollte vielleicht nichts Ungewöhnliches sein. Zorro lief den lieben langen Tag Oberkörperfrei durch die Gegend und gerade bei einer solchen Übung wären seine üblichen T-Shirts wohl eher hinderlich, aber auch das war Sanji egal. Er schluckte und wandte den Blick ab, zwang sich dazu, seinen Blick abzuwenden, von diesen glänzenden Schultern, dieser glänzenden Taille. Seine Wangen waren heiß, obwohl er doch wusste, dass es der Marimo war. Aber gerade in diesem Moment… „Was willst du?“, kam es mit einem rauen Stöhnen, als der andere erneut seine Arme durchstreckte und irgendeine Zahl hinterherkeuchte, die Sanji weder verstand noch verstehen wollte. Aber er war dankbar für den Zwischenruf, merkte die Anspannung in seinen Knochen, die Hitze in seinem Gesicht, und nicht nur da. Er wusste, sollte dieses gottgleiche… sollte der verdammte Marimo sich zu ihm umdrehen, wäre alles vorbei. Kurz drückte er seine Nase mit Daumen und Zeigefinger zu, ließ die Finger nach unten gleiten – überprüfte sie nur zur Sicherheit, aber kein Blut – und schritt dann zum Sofa hinüber, den Blick auf die Dunkelheit hinter den Fenstern gerichtet, wollte - auf keinen Fall - etwas anderes sehen. „Dir dein Bento bringen“, brachte er angestrengt hervor. Sein kluger Plan wirkte nun ziemlich naiv. Wie sollte er Zorro auf irgendetwas ansprechen, wenn dieser…? „Ich kann es… mir schon selbst holen“, schnaufte der andere zwischen zwei Wiederholungen. „Mag sein, aber…“ Oh nein, die dunklen Fenster spiegelten perfekt das Innenleben vom hell erleuchteten Ausguck, er konnte das Gewicht sehen, die Füße, die eleganten Beine in der enganliegenden Hose, der Bund, gerade unter dem Bauchnabel und wenn der Marimo jetzt die Arme strecken würde, dann… Sanji starrte auf die Bentobox. Hatte das Gefühl, sich nicht bewegen zu können, ohne dass etwas in ihm explodieren würde. Es war unfair. Er hatte nun mal eine Schwäche fürs schönere Geschlecht, da konnte er auch nichts für. Er wollte diese hübschen Wesen nun mal umgarnen und ihre Schönheit preisen, da war doch nichts Verwerfliches dran. Aber jetzt war hinter ihm der verdammte Marimo, der weder schön noch hübsch noch was auch immer sein sollte, und der Sanji für jede Kleinigkeit verurteilte, als wäre er selbst ein Heiliger. Doch gleichzeitig war der Marimo gerade genau all das, was Sanji vergötterte und es schien, als müsste er sich gerade gegen sämtliche Instinkte in seinem Inneren zur Wehr setzen, die dieses engelsgleiche Geschöpf nur wenige Meter von ihm entfernt begehren verehren wollten. „Du bist ganz schön… erbärmlich, weißt du das,… Koch?“, kam es zwischen lautem Schnaufen. Sanji wäre am liebsten herumgesprungen und hätte dem anderen umgeschubst, aber das funktionierte so nicht, nicht, wenn der Marimo in diesem Körper war. „Ach? Ist das dein Danke, weil ich dir das Essen nachtrage?“, entgegnete er schwach und starrte weiterhin das Bento an. „Ich kann hören, wie dein… Atem stockt, dein Herz… schlägt. Ich spüre die Anspannung… deiner Muskeln. Erbärmlich.“ „Mir wäre auch lieber, du wärest hässlich!“, keifte er und beging den Fehler, merkte noch, wie ihm heiß wurde, dann krachte er gefühlt schon mit dem Hinterkopf gegens Fenster, als seine Nase mit der Kraft einer Kanone zu bluten anfing. „Mir auch“, murrte der andere, während Sanji aufs Sofa hinunterrutschte. „Autsch“, murmelte er, rieb sich den Hinterkopf, blieb aber einfach so liegen und starrte zur Decke hoch, das schien derzeit die sicherste Alternative zu sein. Ein polterndes Beben sagte ihm, dass der Marimo das Gewicht abgeworfen hatte. „Hier, nicht dass Chopper am Ende noch mir die Schuld gibst, wenn du verblutest.“ Stoff fiel auf sein Gesicht. Sanji setzte sich auf und stellte fest, dass Zorro ihm ein Handtuch zugeworfen hatte. Er hielt es sich an die Nase und merkte, wie die Hitze langsam nachließ. „Echt erbärmlich.“ Der Marimo schritt an ihm vorbei und rieb sich mit einem weiteren Handtuch durchs Gesicht, welches um seine Schultern hing. Nun trug er dankenswerterweise eines seiner Hemden, welches an diesem Körper unglaublich riesig wirkte, fast wie ein Nachthemd. Schwer atmend ließ er sich ebenfalls aufs Sofa fallen, mit einem guten Abstand zu Sanji und zwischen ihnen die Bentobox. „Das da machst du weg“, murrte er und nickte zur Blutspur auf dem Boden rüber. „So viel, wie du schwitzt, könntest du hier auch mal…“ Er musste sich unterbrechen und presste das Handtuch an seine Nase. „Du machst das absichtlich, oder?“ „Was mache ich absichtlich?“, murrte der andere, der anscheinend nicht mal bemerkt hatte, dass er beim Nachvornelehnen Sanji sehr viel Einblick gegeben hatte, fast zu viel. „Na, warum sonst läufst du halbnackt rum? Du weißt doch genau, dass ich…“ „Was willst du von mir? Ist nicht mein Problem, wenn du bei ein bisschen Haut direkt austickst und…“ „Und warum sonst läufst du jetzt schon seit Tagen so rum? Du willst mich doch nur provozieren, damit du jedem sagen kannst, wie beschissen du mich…“ „Das stimmt nicht. Ich gehe dir doch sogar aus dem Weg.“ Sanji erstarrte. Er machte es also doch ganz bewusst? Irgendwie wäre es ihm lieber gewesen, wenn es nicht so gewesen wäre. „Warum?“, fragte er, wusste gar nicht, ob er die Antwort hören wollte. „Na, weil du so erbärmlich reagierst wie gerade und ich da nicht alle paar Minuten Bock drauf habe, aber du musstest ja dann einfach hier hochkommen und mein Training mit deinem Anfall unterbrechen.“ „Du könntest dich auch einfach verwandeln und dann hätten wir das Problem nicht“, grummelte er, erhob sich, um die Blutspur aufzuwischen. Er erwartete den Gegenangriff, doch da kam nichts. „Was? Keine passende Retour?“ Immer noch kam nichts, fast schon überrascht sah er vom Boden auf. Normalerweise war das hier noch nicht mal genug zum Warmwerden. Sie hatten noch nicht mal richtig angefangen, sich zu zoffen. Doch der andere saß da, wunderschön anzusehen, den Blick abgewandt, ein atemberaubendes Prof… Etwas stimmte nicht. Sanji fiel es noch schwerer, Zorros Gemütslage auszumachen als sonst schon – nicht, dass er sich normalerweise viel Mühe damit gab – aber er hatte das Gefühl, dass es einen Grund gab, warum Zorro eben nicht weiterpöbelte. „Was ist los?“, fragte er und kniete sich hin, das vollgeblutete Handtuch vor ihm auf dem Boden. Sein Kragen wurde ihm unangenehm eng, als der andere ihn anstarrte. Zorro hatte immer schon einen intensiven Blick gehabt, aber diese riesigen, smaragdgrünen Augen schienen wie ein wilder Taifun, so viele Emotionen gefangen. Sanji schluckte. „Ich kann nicht.“ „Wa… was?“ Zorro senkte den Blick und seine Stimme war so ungewohnt tonlos und rau, dass es Sanji ein bisschen aus seinemr Starren brachte. „Ich lauf nicht die ganze Zeit so rum, um dich zu verarschen oder so. Ich kann mich nicht verwandeln. Schon seit Tagen nicht mehr.“ Oh… OH! „Oh, Scheiße!“ Ein Zucken glitt über die Lippen des anderen. „Das kannst du wohl laut sagen.“ Für einen Moment sahen sie einander einfach nur an. Zorro grinste nicht, wie so oft in beschissenen Situationen. „Woran liegt’s?“, fragte Sanji nach. „Keine Ahnung.“ Zorro zuckte mit den Schultern und wandte dann den Blick ab. „Absolut keine Ahnung. Hab trainiert, wie immer, und dann ging es nicht mehr.“ Sanji wusste nicht wirklich viel über Zorros Verwandlungen, nur, dass er sich immer wieder in diese Gestalt verwandeln musste, immer nach einer gewissen Zeit, und dass er sich nicht von Anfang an hatte verwandeln können. „Denkst du… denkst du, dass es irgendwann wieder geht?“ „Keine Ahnung.“ Jetzt war es still zwischen ihnen, doch Sanji wusste vielleicht nicht viel über Zorros Verwandlungen und hatte keine Ahnung, wie man ihm helfen konnte, aber eines wusste er. „Wir müssen es den anderen sagen.“ „Was?“ Der Marimo starrte ihn an. „Nein, lass diesen…“ „Hör mal, vielleicht haben die anderen ja ne Idee, aber selbst, wenn nicht, du kannst das nicht für dich behalten.“ „Kann ich sehr wohl. Es geht sie nichts an und es würde doch eh nichts bringen.“ „Sturkopf“, murrte Sanji und ließ sich nach hinten auf den Hintern gleiten. „Wie lange glaubst du, dauert es, bis noch jemand es bemerkt? Die anderen sind nicht dumm, ewig wirst du es nicht für dich behalten können. Außerdem, auch wenn es dir nicht passt, das hier geht sehr wohl uns alle an, wir sind eine Crew, und vielleicht finden wir gemeinsam einen Weg, um damit umzugehen und…“ „Lass mich doch einfach in…“ „Was ist, wenn wir angegriffen werden?“ Er mochte gar nicht, wie der andere ihn mit einem Mal anstarrte, und er wusste nicht, ob es an diesem Körper lag oder dieser Körper es gerade so erträglich machte. „Du kannst nicht abstreiten, dass das ein Risiko ist. Wir müssen zumindest mit Nami und Robin darüber sprechen – die anderen sind im Zweifel eh so verpeilt, dass sie nichts mitbekommen – du kannst nicht einfach so tun, als wäre alles in Ordnung, wenn es das nicht ist.“   -Zorro- Das hier geht uns alle an. Uns. Uns! Scheiße! Er wusste, wie der Koch es meinte und er wusste, dass er nicht unrecht hatte, aber das machte es nicht besser. Sie sollten gemeinsam einen Weg finden, damit umzugehen? Sie? Dabei war er es doch, der vielleicht seinen Körper dauerhaft verlieren würde. Ja, für die anderen würde es nervig, aber für ihn… Er ließ das Gewicht auf den Boden knallen und fuhr sich durchs Gesicht. Die Sonne stand mitten am Himmel. Nachdem der Koch ihn am vergangenen Abend aufgesucht hatte, war Zorro bewusst aufgeblieben, hatte bewusst das Frühstück verpasst, vielleicht, weil er vermeiden wollte, was der Koch vorgeschlagen hatte. Vielleicht aber auch, weil er einfach noch etwas Zeit brauchte. Dulacre hatte es ihm damals gesagt und er wusste es auch, konnte es fühlen, in diesen Knochen, diesen Muskeln. Es störte ihn nicht sonderlich, dass dieser Körper so viel schwächer war als sein eigener. Jeder Körper hatte Schwächen, selbst sein eigener, jeder Körper hatte Vor- und Nachteile, und wenn die Schwäche nun mal die Muskelkraft war, dann musste man daran halt noch mehr arbeiten, die Schwächen minimieren, Stärken maximieren, und ein harmonisches Gleichgewicht herstellen. Das hatte er in den zwei Jahren unter Dulacres Führung gelernt. Damals hatte er lernen müssen, dass in seinem eigenen Körper kein Gleichgewicht geherrscht hatte. Er hatte sich auf seine Kraft – seine Stärke - konzentriert, dafür sogar an Schnelligkeit und Beweglichkeit eingebüßt. Anfängerfehler. Er hatte seine Stärken maximiert, aber dafür waren seine Schwächen immer noch schwach gewesen und ab einem gewissen Punkt hatten seine Stärken, seine reine Muskelkraft, seine Zähigkeit, diese Lücken nicht mehr kompensieren können, nicht gegen solche Gegner, gegen die er auf keinen Fall verlieren durfte. Bei diesem Körper war es anders, andere Stärken, andere Schwächen, und der simple Vorteil, dass er diesen Körper von Anfang an ausgeglichen trainiert hatte, Vor- und Nachteile immer im Blick. Deswegen hatte er es innerhalb weniger Jahre geschafft, in diesem Körper richtig stark zu werden. Er war eigentlich ganz zufrieden mit dem Fortschritt, den er geschafft hatte. Er war weiter gekommen, als Dulacre erwartet hatte, als er selbst erwartet hatte. Also eigentlich sollte es nicht so schlimm sein. Ein anderer Körper, ein anderes Aussehen, was interessierte es ihn. Das war egal. Seine Narben fehlten, die Zeichen seiner vergangenen Taten, aber auch dieser Körper war nichts anderes als ein Zeichen seiner vergangenen Taten. Das alles störte ihn zwar, aber nicht genug, um ihn wirklich zu belasten. Damit würde er irgendwie klarkommen, irgendwie das Beste draus machen. Mit den anderen war es nicht immer einfach, aber auch das könnte er wahrscheinlich deutlich besser aushalten, wenn es nicht für diese eine Sachen wäre. Dieser Körper war nicht zum Kämpfen geeignet. Grundsätzlich war das ja nicht schlimm, nicht jeder Mensch, nicht jeder Körper, nicht jeder Geist musste für alles geeignet sein. Aber das Problem war, dass Zorro nicht wirklich etwas anderes konnte, nichts anderes wollte. Er konnte gar nichts anderes sein, selbst in diesem Körper. Er war nun mal ein Schwertkämpfer und er wusste, dass er auch in diesem Körper, der nicht zum Kämpfen geeignet war, einer der besten Schwertkämpfer der Welt werden konnte. Er würde sich nicht aufhalten lassen, selbst, wenn er sich nie wieder verwandeln können würde. Aber an der ganzen Sache gab es zwei große Haken und während er über den einen nicht nachdenken wollte, war der andere doch ganz offensichtlich. Ja, er hatte die vergangenen Jahre deutlich mehr mit diesem Körper geschafft, als selbst Dulacre erwartet hatte, aber die Wahrheit war, er war viel zu schwach für das, was ihnen bevorstand. Tief atmete er auf, wollte nicht nachdenken, hasste, dass er mittlerweile immer so viel nachdachte. Aber das änderte nichts an der Wahrheit. Ganz egal, wie viel er trainierte, dieser Körper entwickelte sich nur sehr langsam. Während er in seinem eigenen Körper es nie bemerkt hatte, zeigte dieser deutlich, wenn Zorro mal länger als ein bis zwei Tage nicht trainierte. Er musste noch konsequenter sein in seinem Trainingsplan, konnte nicht mal einfach ein Training durch ein anderes ersetzen, mal länger machen, mal kürzer, sich mal mehr auf die Ausdauer oder das Krafttraining konzentrieren. Leichte Abweichungen bedeuteten bei diesem Körper fast automatisch, dass seine Entwicklung stagnierte. Wenn er Pech hatte, behinderte er sich selbst. Es war frustrierend. Aber diese Frustration war nicht das Schlimmste. Dieses fruchtlose Training konnte er aushalten, Rückschritte, Festfahren, Blockaden, das alles konnte ihn nicht aufhalten. Aber… „Du bist ganz schön gemein, weißt du das?“ Er wandte sich nicht um. Es gab nur einen Grund, warum der andere hier oben war. Es gab nur einen Grund, warum er mit Zorro sprechen wollte. Fuck! „Ich hab keine Ahnung, wovon du redest“, log er und bückte sich nach dem Gewicht. Der Traum von neulich kam ihn in Erinnerung. Das hier war nicht richtig. „Weißt du wohol“, entgegnete sein Kapitän mit dem üblichen Schmollen in der Stimme, wann immer er etwas nicht bekam, was er wollte. „Erst wolltest du uns nicht fangen, dann das Karten spielen und heute Morgen wollten wir fischen, aber du warst die ganze Zeit hier, hast die ganze Zeit trainiert. Das ist voll gemein!“ Er konnte sich nicht mal dran erinnern, irgendeiner dieser Sachen zugestimmt zu haben, vielleicht hatte Ruffy ihn nicht mal gefragt, kam öfters vor. „Du weißt, dass ich viel trainiere“, meinte er daher nur, „hat dich bisher auch nie gestört.“ „Weil du bisher immer so wirktest, als würde es dir Spaß machen. Aber da es dir keinen Spaß mehr macht, dachte ich, wir machen was anderes.“ Beinahe hätte er das Gewicht fallen gelassen. Noch immer klang Ruffy so schmollend. „Du warst nicht mal mit baden vorgestern, und dabei weißt du doch, wie viel Spaß wir immer dabei haben.“ „Brook meinte, ihr hättet wieder mal die Bibliothek geflutet und dafür hätte Nami jedem von euch eine ordentliche Abreibung verpasst“, bemerkte er trocken, erinnerte sich an das Frühstück des vergangenen Tages, woraufhin Ruffy nur lachte. „Shishishi, ich sagte doch, dass es richtig Spaß gemacht hat.“ Ein leises Plop war zu hören, als Ruffy sich einfach auf den Boden fallen ließ. „Aber es macht nur halb so viel Spaß, wenn du nicht dabei bist.“ Nun klang er nicht mehr schmollend, sondern so, wie Zorro es nicht mochte. Er wandte sich um und sah seinen Kapitän an, der dort am Eingang auf dem Boden hockte und zu ihm aufsah. In Ruffys Gegenwart vergaß er es, da konnte er alles schaffen, da glaubte er daran, dass ihn nichts aufhalten konnte. Aber gerade in diesem Moment… „Das Training macht dir keinen Spaß mehr, oder?“ „Nein.“ „Und mit uns Baden macht dir zurzeit auch keinen Spaß mehr?“ „Nein.“ „Hm, hört sich ziemlich blöd an, wenn dir so gar nichts mehr Spaß macht.“ Aufschnaubend rang Zorro sich ein Grinsen ab. „Ist es auch.“ Dann ließ er sich Ruffy gegenüber in den Schneidersitz sinken. „Sorry Käpt’n, aber ich glaube, hier muss ich allein durch.“ „Warum?“ Ruffy sah ihn fragend an. „Naja, weil…“ Zorro öffnete die Arme und deutete auf seinen Körper hinunter. „Das hier hat halt nur was mit mir zu tun.“ Ruffy nickte langsam, folgte kurz Zorros Geste, ehe er ihn wieder ansah. „Aber ich will nicht, dass du durch irgendetwas allein durch musst“, meinte er dann. „Das ist doch doof. Alles macht gemeinsam doch viel mehr Spaß.“ „Das hier hat nichts mit Spaß zu tun, Ruffy.“ Nun waren sie still, als würde Ruffy über seine Worte nachdenken. Dann stand er auf, schritt durch den Raum und schlug mehrmals die Faust in die offene Handfläche. „Da komm, Zorro, steh auf.“ „Was soll das?“ Er lehnte sich nach hinten, um Ruffy ansehen zu können, dieser grinste ihn an. „Na, was wohl. Du liebst es doch, zu trainieren, und es macht dir Spaß, gegen starke Gegner zu kämpfen. Ich bin stark. Also komm schon, steht auf.“ Sein Grinsen wuchs. „Steh auf und kämpfe gegen mich.“ Es war ganz einfach. In Ruffys Gegenwart vergaß er alles, was ihn zweifeln ließ, da konnte er alles schaffen, da konnte ihn nichts aufhalten, nicht einmal er selbst. Grinsend erhob er sich. „Und ich hatte schon befürchtet, du würdest mit mir reden wollen“, meinte er und band sich sein Haar zurück. „Waas?“, kam es von Ruffy, der eine Grimasse zog. „Ne, sowas überlass ich Robin. Ich will nur, dass wir beide eine gute Zeit haben, und wenn du nicht Angeln willst, nicht Baden, nicht mal Karten spielen, dann lass uns kämpfen, das macht doch immer Spaß.“ Dieser Körper mochte nicht zum Kämpfen geeignet sein, aber… „Na gut, meinetwegen, dann komm her. Aber wehe, du hältst dich zurück.“ Zorro ließ seine Knöchel knacken, dehnte seinen Kopf von links nach rechts, merkte, wie diese freudige Hitze in ihm anstieg. … es war nun mal der Körper eines Kämpfers. „Nein, Zorro.“ Todernst sah Ruffy ihn an. „Wehe, du hältst dich zurück!“ Und dann griff er an.   -Sanji- Er wusste nicht wie, aber er hatte Zorro tatsächlich irgendwie überzeugen können, dass sie die ganze Sache mit Lady Loreen und dem nicht mehr Verwandeln nicht für sich behalten konnten. Danach war es jedoch sehr schwierig gewesen, den Marimo überhaupt zu fassen zu kriegen. Das Frühstück hatte er verpasst, beim Mittagessen hatte Ruffy ihn zwar mit hereingeschleppt, ihn aber die ganze Zeit belagert. Zum Abendessen hatte er sich wieder im Ausguck verzogen, doch dieses Mal hatte Sanji das nicht mitgemacht und Jinbei gebeten, ihn abzuholen. Wissend, dass der Steuermann am ehesten Erfolg bei einem gereizten Marimo hatte, und die Anwesenheit ihres Schwertkämpfers am Tisch hatte ihm Recht gegeben. Er verstand ja schon, dass es dem anderen offensichtlich unangenehm war, aber es war eh nur eine Frage der Zeit, bis die übrigen Crewmitglieder herausbekommen würden, dass etwas im Busch war; vermutlich wusste Robin es eh schon. Also half der Marimo ihm gerade beim Abwasch, nachdem er ganz unauffällig Nami und Robin etwas Kaffee und Tee nachgegossen hatte, während die beiden Damen sich noch unterhielten. Doch als Nami gerade erneut ihren Kurs überprüfte, konnte er Robins Blick spüren und wusste seine Vermutung bestätigt. Er wartete noch, bis die Türe hinter Ruffy zufiel, der gerade mit einer seltsam ernsten Stimme erklärte, baden gehen zu wollen - obwohl es für ihn sehr unüblich war, mehrmals die Woche zu baden - dann sah Sanji erwartungsvoll zu Zorro hinab, der jedoch stur weiter die Schüssel in seiner Hand abtrocknete. Verdammt, es fiel ihm immer noch schwer, sich einzugestehen, dass das nun Zorro war, obwohl er es doch besser wusste. Aber es war wirklich ungewöhnlich, zu ihm hinabzusehen. Nicht, dass Zorro irgendetwas dafür tat, dass es leichter wurde. „Meine Damen, habt ihr gerade einen kurzen Moment?“, wandte Sanji sich daher an die beiden schönsten Geschöpfe dieser Crew und ignorierte gezwungenermaßen, dass der Marimo derzeit viel zu gut auch dazugehören würde. „Was ist denn los?“, bemerkte Nami und sah überrascht auf. „Ist es was Drängendes? Ich möchte heute Abend eigentlich noch etwas zeichnen.“ Sanji sah erneut zum Marimo, der sich anscheinend echt schwertat, mit der Sprache herauszurücken, und die trockene Schüssel weiter trocken schrubbte. „Ich glaube, Zorro möchte uns etwas sagen“, kam Robin dann zur Hilfe und brachte den Marimo zum Aufstöhnen. „Warum eigentlich, wenn du eh schon wieder alles weißt“, grummelte er, warf das Küchentuch weg und folgte Sanji zähneknirschend zum Tisch. „Tut mir leid“, entgegnete sie mit einem Schmunzeln, „aber es wäre doch langweilig, wenn wir alle Starrköpfigkeit als schlechte Charaktereigenschaft hätten.“ „Ich wiederhole mich, was ist los?“, fragte Nami nun misstrauisch und verschränkte die Arme, beäugte sie argwöhnisch. Der Marimo stöhnte erneut auf. „Der Koch ist schuld, er besteht darauf, mit euch zu reden.“ Sanji nickte, das tat er. „Okay? Und warum?“ Nami sah zwischen ihnen hin und her, als würde sie eine lautstarke Auseinandersetzung erwarten, was leider auch nicht sooo abwegig war. Zorro seufzte. „Ich lauf nicht so rum, weil ich’s lustig finde. Kann mich nicht mehr verwandeln.“ Dann sah er Sanji herablassend an und verdammt, was stand ihr ihm dieser Blick gut. „Nun zufrieden?“ „Was?“, kam es von Nami besorgt. „Du kannst dich nicht mehr verwandeln? Seit wann?“ „Na, seit ich so rumlaufe“, grummelte der Marimo. „Hab mich vor ein paar Abenden zum Training verwandelt, wie ich es oft mache, und danach ging es nicht mehr zurück. Keine Ahnung warum.“ Sie sah Zorro mit großen Augen an, während Robin nachdenklich an ihrem Kaffee nippte, ihr Blick fast schon abwesend. „Und… hattest du das schonmal?“, fragte Nami nach. „Dass du dich nicht mehr zurückverwandeln konntest.“ „Nein, nicht seitdem ich es…“ Der Marimo stockte, und sah auf Namis Tasse, als müsste er über etwas nachdenken. „Einmal, kurz, nach der Sache mit Eizen, aber es war nur für ein paar Minuten und danach klappte es besser als zuvor.“ „Okay.“ Sie schluckte und sah kurz hilfesuchend zu Robin, die aber weiterhin schwieg, und dann zu Sanji, der ebenfalls hilflos mit den Schultern zuckte. Er hatte es geschafft, Zorro zu diesem Gespräch zu überreden, zu viel mehr war er dann auch nicht im Stande. Das musste sein Blick auch sagen, denn Nami wandte sich mit zweifelndem Blick wieder Zorro zu. „Hmm… also ich weiß jetzt auch nicht wirklich, was wir tun können. Mit Verwandlungen und so übernatürlichem Kram kenn ich mich leider echt schlecht aus.“ „Was? Dabei dachte ich, dass das für eine Gewitterhexe wie dich…“ Ohne das leiseste Zögern klatschte Nami dem Marimo eine mit der geballten Faust, wie sie es auch sonst immer bei einem solchen Kommentar getan hätte, und Sanji starrte sie an, nicht sicher ob fassungslos oder beeindruckt. Wie schaffte sie das nur? Wie konnte sie so ganz normal wie immer mit dem Marimo umzugehen? Wo er doch gerade so aussah und sich so anhörte. Unbeirrt sprach sie weiter, als hätte der Marimo gar nichts gesagt. „Du sagtest damals, dass du dich nicht von Anfang an verwandeln konntest, ähm… kannst du das nicht einfach wiederholen, was auch immer du damals getan hast, damit es wieder klappt? Was… was ist eigentlich passiert, dass du es dann plötzlich konntest?“ Der Marimo, der sich gerade noch die Wange gerieben hatte, senkte den Blick und für einen Moment schwieg er einfach nur. Fragend sah Nami zu Sanji auf, als würde sie erwarten, dass er die Antwort kannte; er kannte sie nicht. „Nein“, sagte Zorro dann und die Tiefe dieser sanften Stimme lief ihm wie ein kalter Schauer den Rücken hinunter, „das geht nicht.“ „Wies…?“ „Es ist gut, dass du uns Bescheid gibst“, sprach Robin dann unvermittelt, sah auf und stellte ihre Tasse ab, als wäre sie zu einem Ergebnis gekommen. „Was sagt Mihawk denn zu dieser ungünstigen Situation? Hat er eine Idee? Zumindest über den Auslöser, wenn schon nicht die Lösung.“ Zorro rollte mit den Augen. „Warum sollte er?“ Sie lächelte. „Nun ja, er ist ein kluger und belesener Mann und von dir besessen genug, um über alles, was dich betreffen könnte, Informationen zu sammeln.“ Der Marimo brummte nur zustimmend und das klang tatsächlich sehr seltsam mit dieser sanften Stimme, dann schüttelte er den Kopf. „Keine Ahnung, was er davon hält, sobald er es erfährt. Er ist für ein paar Tage nicht erreichbar; keine Ahnung wie lange.“ „Ah, das kommt natürlich ungelegen. Es wäre sehr interessant, Einblick in sein Wissen über deinen Zustand zu erhalten. Vielleicht fällt uns gemeinsam etwas ein, sobald wir etwas mehr Kontext erhalten.“ Robin zuckte mit den Achseln. „Nun gut. Dann bleibt uns wohl derzeit erstmal nichts anderes übrig, als das Beste draus zu machen.“ Der Marimo lachte trocken auf. „Was meinst du, was ich mache?“ „Glaubt ihr wirklich, dass es dauerhaft ist?“, fragte Nami, woraufhin die anderen beiden mit den Schultern zuckten und Sanji sich fragte, ob Robin vielleicht mehr wusste, als sie sagte; zuzutrauen wäre es ihr. „Leider habe ich in allen Büchern, die ich dazu gelesen habe, noch nichts Vergleichbares gefunden zu dem, was Zorro widerfahren ist. Ich weiß nicht, ob ich eine Lösung finden kann.“ „Ist egal.“ Der Marimo erhob sich. „Es gibt jemanden, den Dulacre anrufen kann, aber ich hab keine Ahnung, ob das helfen wird. Naja, was auch immer, der Koch wollte, dass ihr Bescheid wisst, tut ihr jetzt, und daher werde ich jetzt trainieren gehen und das Beste draus machen“, fügte er mit unverhohlenem Sarkasmus noch hinzu. Dann, ohne noch irgendeine Reaktion abzuwarten, ging er, knallte die Türe wie üblich hinter sich zu. „Oje, es kann ja nie einfach mal alles glattlaufen, oder? Da haben wir endlich mal ein paar ruhige Tage und dann sowas. Hoffen wir mal wirklich, dass er sich bald wieder verwandeln kann, wäre vor allem für ihn wohl das Beste“, kam es von Nami, ehe sie sich Sanji zuwandte. „Das hast du gut gemacht. Wie hast du es überhaupt geschafft, ihn zu überreden?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich hab ihm die Wahrheit gesagt, dass es ein Risiko ist, wenn niemand Bescheid weiß. Er ist zwar ein anstrengender Sturkopf, aber sowas zieht bei ihm.“ Dann seufzte er. „Allerdings habe ich keine Ahnung, was wir tun sollen, wenn es wirklich dauerhaft ist. Irgendwann werden wir es den anderen sagen müssen.“ „Ach, da mach dir nicht so viele Gedanken“, kam es von Robin und sie erhob sich. „Ich denke, die anderen sind nicht ganz so unaufmerksam, wie wir vielleicht denken. Tja, und sollte er wirklich für immer in dieser Gestalt bleiben, dann machen wir genau das, was wir jetzt auch machen. Wir machen einfach das Beste draus.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)