Beautiful Behavior von Varlet ================================================================================ Kapitel 33: Jodie und Chris --------------------------- Chris liebte das Spiel mit dem Feuer und den daraus resultierenden Nervenkitzel. Sollte sie jemals nicht mehr für die Organisation arbeiten – wobei die Gründe egal waren – würde sie das Vermissen. Ihr war klar, dass sie nicht für immer so weitermachen konnte. Irgendwann war auch ihre Zeit abgelaufen, weswegen sie alles in ihrer Machtstehende tun musste, um ein erfülltes Leben zu haben. Selbst wenn es hieß, dass sie sich ihrer eigenen Verbündeten entledigen musste. Denn die Wahrheit war, dass man auf viele Mitglieder der Organisation verzichten konnte. Selbst auf die, die man einst mochte. Und so musste auch Jefferson aus dem Weg geräumt werden. Er wurde zu ihrem Feind und wollte sie verraten. Anfangs tat es ihr zwar ein wenig leid, allerdings hatte er ihr keine andere Wahl gelassen. Er war selbst schuld, auch wenn sie ihn die ganze Zeit loswerden wollte. Doch es hätte auch andere Wege und Möglichkeiten gegeben. Die Schauspieler blickte auf die Uhr an ihrem Handy. Sowohl Calvados als auch Irish hatten sie vor dem erneuten Treffen mit dem FBI und Jodie gewarnt. Da sie aber auf ihre Zusage bestand, hatte sich Irish weiterhin im Nachbarzimmer verschanzt und Calvados auf der gegenüberliegenden Seite des Hotels. Beide Männer waren zu allem bereit, wenn es dazu führen sollte, dass das FBI niemanden von ihnen verhaften würde. Zudem verstanden sie nicht, warum Chris so sehr auf das Treffen beharrte. Es war ein Spiel und sie wollte gewinnen. Außerdem war sie nicht nur neugierig auf die Begegnung mit Jodie, sondern auch darauf, ob man sie auf Jefferson ansprechen würde. Sie wollte wissen, was das FBI alles herausgefunden hatte und was sie glaubten. Wie jedes Mal, hatte sie sich auch jetzt auf die verschiedensten Szenarien eingestellt und wusste genau, was sie sagen oder tun musste. Mittlerweile hatte sie sich von den FBI Agenten ein gutes Bild gemacht. Sie hatte recherchiert und kannte von Einigen sogar ihre Vorlieben und Abneigungen. Die Hausaufgaben zu machen, war das A und O in ihrem Job. Chris leckte sich über die Lippen. Sie stand auf und ging an das Fenster. Ihren Blick ließ sie nach draußen schweifen. Sie hatte lange über ihre Abreise nachgedacht. Wann war der richtige Zeitpunkt? Dem FBI gegenüber genoss sie Straffreiheit, würde sie allerdings von der Polizei mit Mord an Jefferson in Verbindung gebracht, hatte sie ein Problem – vor allem dann, wenn das FBI ihnen einen Tipp gab. Mehr Tote konnte die Organisation in den Staaten nicht gebrauchen. Daher musste sie behutsam vorgehen, was nicht hieß, dass sie nicht mit Jodie ein wenig Spaß haben konnte. Allerdings kam es sehr stark darauf an, was das FBI und was Jodie selbst sagte oder tat. Vielleicht würde sie sogar nett zu der jungen Frau sein. Chris erblickte die drei. Sie beobachtete wie sie das Hotel betraten und konnte sich genau vorstellen, wie sie durch die Lobby gingen, an den Fahrstühlen standen und nach oben fuhren. Als es schließlich an ihrer Zimmertür klopfte, zählte sie in Gedanken bis fünf, ehe sie zu dieser ging. Wahrscheinlich hatte sich nun auch Irish auf die Lauer gelegt und lauschte an seiner Tür. Vielleicht würde er sich nachher noch im Flur positionieren, wenn er bemerkte, dass die Wanzen im Zimmer durch ein Störgerät nicht mehr funktionierten. Sie glitt mit der Hand in ihre Hosentasche und aktivierte jenes Gerät. Sie konnte sich seinen Blick genau vorstellen und schmunzelte. Im Zweifelsfall würde sie dem FBI die Schuld geben. Die Schauspielerin atmete tief durch, fokussierte sich auf die Situation und öffnete die Tür. „Agent Black, Agent Akai“, grüßte sie die beiden Männer. „Wie schön Sie wiederzusehen.“ Black nickte. „Vielen Dank, dass Sie erneut mit uns reden, Miss Vineyard.“ „Aber natürlich“, entgegnete sie. „Allerdings muss ich sagen, dass ich über Ihre Anfrage überrascht gewesen bin. Entschuldigung, wo bleiben meine Manieren. Kommen Sie doch rein.“ „Danke“, sprach der Ältere und trat ein. „Um ehrlich zu sein, haben wir auch nicht damit gerechnet, dass wir Sie so schnell wiedersehen würden. Wir haben gehört, dass Sie morgen bereits abreisen wollen.“ Shuichi und Jodie folgten ihm. Der Agent schloss die Tür und lehnte sich gegen diese. Chris nickte. „Ich möchte wieder zurück nach Tokyo. Das sollte für niemanden überraschend sein“, antwortete sie. „Meine Mutter wurde beerdigt und um den Nachlass wird sich gekümmert. Ich habe hier nichts mehr zu tun. Das wird doch kein Problem sein oder sehen Sie das anders?“ „Nein, natürlich nicht“, gab Black von sich. Er räusperte sich und drehte sich zu Jodie um. „Das ist Miss Jodie Starling, sie wollte mit Ihnen sprechen.“ Die Schauspielerin sah zu Jodie. Sie war noch nicht zu ihrer alten Form zurückgekehrt, erschien müde und fertig. Genau das, was sie für sie geplant hatte. „Sie wissen doch, wer die junge Frau ist.“ „Natürlich“, nickte Chris. „Wie könnte ich auch nicht?“ „Ich…“ Jodie schluckte. „Gomennasai.“ „Mhm?“ „Ko…kokoro kara oku…yami moushia…gemasu.“, stotterte sie. „Vielen Dank“, entgegnete die Schauspielerin. „Wir können gerne wieder zu unserer beider Muttersprache zurückkehren.“ Jodie blickte verunsichert drein. „Ich…ich weiß nicht, ob…Sie wissen was ich…was ich…“ „Schon gut“, sagte Chris ruhig. „Ich habe gehört, was mit meiner Mutter passiert ist. Sie fühlte sich gestalkt und versuchte sich selbst zu schützen. Ich kann mir vorstellen, dass sie den Stalker mit der Sache konfrontieren wollte und dabei irgendwie auf Sie getroffen ist. Und dann haben sich im Laufe der Konfrontation mehrere Schüsse gelöst. Es…war ein Unfall.“ Ihre Stimme klang gebrochen und sie kämpfte mit den Tränen. Sie schauspielerte. „Ich bin froh, dass…dass Sie…überlebt haben, auch…wenn es meine Mutter nicht…geschafft hat.“ Jodie kamen die Tränen. „Ich habe das nicht gewollt.“ „Das weiß ich doch“, wisperte Chris. „Machen Sie…sich keine Vorwürfe. Es war…nicht Ihre Schuld.“ Jodie wischte sich das Gesicht trocken. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn und sie fühlte sich schlechter. „Ich…ich werde mir das nie verzeihen. Auch wenn Sie mir sagen, dass es nicht meine Schuld war, ich werde…immer daran denken und ich…ich werde dafür büßen und ich…“ Chris ging zu ihr und nahm ihre Hände. „So dürfen Sie nicht denken, Jodie. Sie müssen Ihr Leben weiterleben. Tun Sie Gutes…für meine Mutter. Sie schaffen das, daran müssen Sie immer denken, ja? Sie sind bestimmt eine großartige junge Frau, lassen Sie sich nicht Ihr Leben wegen eines Unfalls diktieren.“ Jodie nickte. „Miss Vineyard…“ „Es ist alles gut“, wisperte die Schauspielerin. Sie legte ihre Hand auf Jodies Wange und wischte ihr die nächsten Tränen weg. „Ich verzeihe Ihnen. Haben Sie gehört? Ich verzeihe Ihnen…“ „Ja. Ich…ich danke Ihnen…das bedeutet mir…viel. Ich werde…Sie nicht enttäuschen…“ „Braves Mädchen.“ „Agent Black?“ James nickte. Shuichi legte seine Hand auf Jodies Schulter, während er Chris nicht aus den Augen ließ. „Ich sollte Jodie jetzt nach Hause bringen.“ „Falls Sie mal in Tokyo sind, kommen Sie mich gern besuchen, Jodie. Ich würde mich freuen, wenn wir wieder einmal reden können. Dann auch länger als jetzt.“ „Ja“, antwortete die junge Frau. „Ich…wünsche Ihnen alles Gute.“ „Ich Ihnen auch. Passen Sie auf sich auf. Ich hoffe, dass Sie Ihren Frieden finden werden.“ „Danke.“ Shuichi blickte zu James. „Ich warte unten auf Sie“, sprach er und schob Jodie langsam aus dem Hotelzimmer. Ihm behagte es nicht, welche Richtung das Gespräch einschlug. James sah zu Chris. „Sie können das Schauspiel nun lassen.“ Chris wischte sich ihre unaufrichtigen Tränen weg und lächelte. „Sie haben mich durchschaut.“ „Da gab es nichts zu durchschauen. Ich war zwar nicht dabei, als der Deal ausgehandelt wurde, aber ich weiß, dass Sie von Jodie wissen. Sie wissen, was an jenem Abend passiert ist und welche Rolle Jodie dabei gespielt hat, auch wenn Sie nicht dabei waren.“ „Und ich dachte, Sie würden sich freuen, dass ich so auf sie reagiert habe. Natürlich hätte ich ihr auch Schuldgefühle machen können, aber wozu? Meine Mutter ist nicht mehr am Leben. Daran kann ich nichts ändern.“ Sie schmunzelte. „Jetzt wird sie keine Schuldgefühle mehr haben und kann ihr Leben wieder genießen. Sie müssen mir nicht danken.“ Black war unsicher was er davon halten sollte. Er runzelte die Stirn. Hatte sie vielleicht Hintergedanken? „Außerdem gehört das zu unserem Deal. Ich habe doch versprochen, dass ich sie in Ruhe lasse und da kann ich ihr doch nicht ein schlechtes Gewissen machen oder ihr sonst was über meine Mutter erzählen.“ „Ich verstehe“, murmelte James. „Dafür danke ich Ihnen.“ „Agent Black, kommen wir doch jetzt dazu, warum Sie hier sind. Sie sind doch derjenige, der Hintergedanken hat.“ Black räusperte sich. Sie hatte ihn durchschaut. „Ich wollte Ihnen noch mein Beileid wegen Mister Jefferson aussprechen. Ich habe gehört, dass er sich das Leben nahm.“ Chris sah auf den Boden. „Das hat er“, entgegnete sie. „Vermutlich lag es an den Informationen, die meine Mutter gegen ihn gesammelt hat.“ „Sie wussten, dass er auch in den Unterlagen erwähnt wird?“ „Meine Mutter hat mich angefleht und mir das Versprechen abgenommen, dass ich mir die Unterlagen nie ansehe. Das war zwar schwer, aber ich habe mich daran gehalten. Nur weil ich blond bin, bin ich nicht dumm. Er hat vehement versucht, mich von dem Deal abzuhalten. Das hat mich darin bestärkt, dass er Dreck am Stecken hat. Vielleicht hat er meine Mutter sogar angestachelt. Aber wenn Sie mich auf seinen Selbstmord ansprechen, glauben Sie wohl nicht daran, dass er sich selbst das Leben nahm, nicht wahr?“ „Was ich glaube oder nicht, tut nichts zu Sache. Die Beweislage ist das, was zählt. Wir werden seinen Tod untersuchen“ „Nun gut“, entgegnete Chris. „Ich habe keine weiteren Informationen über Jefferson bekommen. Ich kann Ihnen leider nicht helfen.“ „Das bedauere ich wirklich sehr.“ James musterte sie und versuchte anhand ihrer Reaktion die Wahrheit zu erkennen. „Stehe ich unter Verdacht irgendwas damit zu tun zu haben? Oder kann ich ruhigen Gewissens nach Japan fliegen?“ James hätte sie zu gerne in New York behalten, aber es gab keine Indizien für ein Fremdverschulden. „Sie können nach Hause fliegen. Auch ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und möchte Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen. Vielen Dank, dass Sie sich für uns die Zeit genommen haben und Jodie gegenüber so reagiert haben.“ Die Schauspielerin lächelte. „Wie gesagt, das war Teil unseres Deals. Falls Sie doch noch weitere Fragen an mich haben sollten, können Sie mein Management gern wieder kontaktieren.“ James ging zur Tür. „Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise“, sprach er und ging. Chris schloss die Tür und lehnte sich gegen diese. Sie kicherte. Sie hatte wieder einmal eine großartige Leistung erbracht. Ihrer Rückkehr stand nichts mehr im Wege. Und trotzdem war sie doch ein wenig traurig, denn so einfach würde sie nicht mehr nach Amerika zurückkehren – auch nicht in Verkleidung, was sie früher öfters tat. Dennoch war sie gespannt darauf, wohin sie ihr nächstes Abenteuer hinführen würde. Die Organisation hatte sicherlich schon weitere Pläne mit ihr. Mit gemischten Gefühlen ging James zu dem Wagen, in dem Shuichi und Jodie warteten. Er stieg ein und blickte nach hinten zu der jungen Frau. „Geht’s dir gut?“ „Naja…wird schon“, murmelte Jodie. Man merkte, dass das Gespräch an ihrem Nervenkostüm gezerrt hatte. Sie war noch nicht bereit dafür, zwang sich aber trotzdem. Und auch wenn Chris nett gewesen war, fühlte sie sich nicht besser. „Sie weiß nicht, was wirklich passiert ist…“ „Jodie“, gab James leise von sich. „Sie kennt die Berichte.“ „Mag sein“, fing die Blonde an. „Aber…sie hat erzählt, dass ihre Mutter gestalkt wurde. Vielleicht hat…Sharon ihr das als Hintergrundgeschichte erzählt. Sie war…so aufrichtig zu mir und…weiß nicht, was ihre Mutter alles getan hat.“ „Das wissen wir nicht“, entgegnete Akai ruhig. „Vielleicht weiß sie es, vielleicht nicht. Die Chancen stehen 50:50. Aber ich muss ihr in einer Sache Recht geben. Du solltest dein Leben weiterleben und nicht der Vergangenheit nachhängen. Was passiert ist, kannst du nicht mehr rückgängig machen. Du musst jetzt nach vorne blicken.“ Jodie schluchzte und sah auf ihren Schoss. „Ich weiß. Und trotzdem…“ „Das braucht Zeit“, sprach James. „Die Therapie wird dir helfen.“ Sie nickte. „Jodie? Ich weiß, dass dich meine Frage ein wenig irritieren wird, aber…kannst du dich erinnern, ob du Chris Vineyard schon mal gesehen hast? Bevor das mit ihrer Mutter passiert ist, meine ich.“ James beobachtete ihre Reaktion. „Nein, habe ich nicht. Wir haben uns heute das erste Mal getroffen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)