Beautiful Behavior von Varlet ================================================================================ Kapitel 30: Blick in die Zukunft -------------------------------- Einige Tage später versammelten sich die Agenten – Decker, Black, Akai, Montgomery, Fallon, Camel und Jackson – erneut in einem der Konferenzräume. Decker blickte in die Runde. „Danke für euer erscheinen. Ich möchte unsere Besprechung gerne so kurz wie möglich halten. Es wird vermutlich auch unsere letzte Besprechung zu diesem Fall sein.“ Es war vorbei. Der Grund, warum alle vor mehreren Wochen zusammengerufen wurden, existierte nicht mehr. Zumindest nicht mehr in dieser Art und Weise. „In den letzten Wochen, nein, in den letzten Tagen ist so einiges passiert. Sharon Vineyard kündigte ihre Rückkehr nach Amerika an, Jodie Starling wurde nach drei Jahren endlich gefunden und leider entpuppte sich unser Kollege Roy Tripton als nicht vertrauenswürdig. Wir konnten es zwar noch nicht bestätigen, aber vermutlich wurde er mehrere jahrelang von der Organisation erpresst. Sie haben den Kontakt zu ihm noch vor Beginn seiner Ausbildung gesucht und durch eine unbedachte Handlung etwas gegen ihn in der Hand gehabt. Wie dem auch sei, er wird nicht mehr für das FBI tätig werden. Seine Taten werden ihn für immer verfolgen. Möglicherweise wird er wieder Fuß in seinem alten Job fassen, aber wenn seine Akte angefordert wird, hat er ein Problem.“ „Gibt es keine Möglichkeit, um das der Organisation nachzuweisen?“, wollte Montgomery wissen. „Nein. Triptons Erinnerungen an den Abend von vor vielen Jahren sind sehr vage. Er könnte den Mann von damals nicht mehr beschreiben. Außerdem sind mehrere Jahre vergangen, die Person kann mittlerweile ganz anders aussehen oder nicht mehr am Leben sein. Die Anrufe, die er bekam, haben immer verschiedene Personen getätigt. Das hilft uns leider auch nicht weiter.“ „Verstehe“, murmelte der andere Agent. „Es tut mir auch leid, was mit Tripton passiert, allerdings muss jeder für sein Handeln die Konsequenzen tragen.“ Er räusperte sich. „Was die Organisation angeht, müssen wir auch den Verlust von Sharon Vineyard beklagen. Mit ihrem Tod haben wir uns einen Schritt weiter von der Organisation entfernt. Was den Tathergang angeht…es ist uns leider nicht gelungen ihn zu rekonstruieren. Die Beweislage ist sehr…interessant und hat mehrere Schlüsse zugelassen. Es sind regelmäßig neue Beweise und Informationen aufgekommen.“ „Es sind erneut neue Beweise und Informationen aufgetreten?“, fragte Fallon. „Ja“, nickte Decker. „Wir wissen, dass Jodie von hinten angeschossen wurde, was die Anwesenheit einer zweiten Person im Zimmer Nahe legt oder wie zunächst vermutet, auf dem gegenüberliegenden Gebäude. Das würde allerdings bedeuten, dass es ein gezielter Anschlag war und nicht mehr Notwehr. Im Vergleich dazu steht das Tagebuch, dessen Echtheit unsere Gutachter belegt haben. Darin beschreibt Jodie, wie sie sich an Sharon rächen möchte. Und dann haben wir noch Jodies offizielle Aussage. Sie ist die einzige Zeugin und – James, entschuldige bitte – leider nicht glaubwürdig. Wir nehmen an, dass sie immer noch traumatisiert ist. Unter diesen Umständen könnte sie Begebenheiten verdrängt oder anders wahrgenommen haben.“ James schluckte. „Ist…das nicht…ein wenig hart?“ Aber er wusste, dass es die Wahrheit war. „Nein. Wir brauchen eine realistische Einschätzung. Es ist kein Vorwurf, aber wir dürfen nicht vergessen, dass sie auch ausgesagt hat, dass sie vor 20 Jahren ihren Vater erschossen hat. Nach Rücksprache mit unseren Forensikern würde der Schusswinkel passen. Damals hat man diese Theorie nie in Erwägung gezogen, aber jetzt müssen wir uns ihr stellen. Die Therapeuten, die wir dazu konsultiert haben, haben alle bestätigt, dass die Ereignisse ein Trauma bei ihr hervorgerufen haben. Dadurch hat sie das erlebte verdrängt und durch andere Erinnerung ersetzt. Das ist ein ganz normaler Schutzmechanismus. Sie wird nicht angeklagt, auch wenn Mord nicht verjährt, aber alle sind sich einig, dass es ein Unfall war. Sie hatte Angst und wollte sich nur selbst schützen. Aber das alles hat dazu geführt, dass sie als Zeugin für den Tod von Sharon unbrauchbar und zu labil ist. Eine Anklage würde ihr nicht helfen, aber das hören wir ja nicht das erste Mal.“ „Das heißt, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Jodie fallen lässt?“ „Ja und auch Tripton muss den Mord nicht auf seine Kappe nehmen. Jodie muss allerdings eine Therapie machen und die Vergangenheit aufarbeiten. Wir haben auch mit den Kollegen von der Staatsanwaltschaft gesprochen und haben einen Deal ausgehandelt. Wir müssen sie jetzt über all unsere Schritte informieren, die wir gegen die Organisation anstreben. Nun…das ist das kleinste Übel und wir können damit leben.“ „Verstehe“, gab James von sich. „Es gibt aber auch eine Neuigkeit, die wir euch mitteilen wollen. Dank Agent Akai konnten wir die dritten Fingerabdrücke auf der Waffe identifizieren. Und genau das macht diesen Fall auch noch komplizierter.“ „Gehörten die nicht zu Sharon?“, wollte Jackson wissen. „Nein. Sie gehören zu Chris Vineyard.“ „Was?“ „Ich weiß, wir nahmen an, dass sie erst nach dem Tod ihrer Mutter herkam“, sprach Decker. „Aber die Beweise sind eindeutig. Das führt uns wieder zurück zum Anfang, das eine weitere Person in der Wohnung war. Allerdings hat Jodie nichts davon erwähnt und die Fingerabdrücke können wir nicht verwenden, weil wir sie rechtswidrig entnommen haben. Dennoch haben wir sie mit dem Ergebnis des Tests konfrontiert. Sie wollte sofort einen Deal.“ „Einen Deal? Sind wir darauf eingegangen?“, fragte Camel. Decker verschränkte die Arme vor der Brust. „Da uns bekannt war, dass ihre Mutter zur Organisation gehört, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Chris ebenfalls dazu gehört. Dieses Wissen haben wir genutzt und bereits im Vorfeld mit der Staatsanwaltschaft alles besprochen. So konnten wir den Deal sehr zeitnah aushandeln und sie konnte es sich nicht noch einmal anders überlegen.“ „Und worum ging es in diesem Deal?“ Normalerweise bot man Verbrechern nur dann einen Deal an, wenn man ihn oder seine Informationen nutzen wollte, um noch größere Fische hinter Gittern zu bringen. Meistens brauchte man mehr dazu als einen Verdacht. „Sie lässt Jodie in Ruhe und will ebenfalls in Ruhe gelassen werden, sowohl national als auch international.“ „International?“ Camel runzelte die Stirn. „Das FBI hat doch international keine Befugnisse.“ Decker nickte. „Haben wir nicht. Sie hat allerdings die Sorge geäußert, dass sich in einigen Jahren das Rechtssystem ändern könnte und damit auch möglicherweise unser Aufgabengebiet. Es ist ein sehr interessanter Gedanke. Und sie ist in mehrfacher Hinsicht abgesichert.“ „Allerdings können wir immer noch mit der CIA kooperieren. Sie können gegen Chris ermitteln“, warf Akai ein. „Das stimmt“, kam es von Decker. „Eine Frage“, meldete sich Montgomery zu Wort. „Wir sind wirklich auf so einen Deal eingegangen? Agent Black, verstehen Sie mich nicht falsch, aber wir machen wegen einer jungen Frau so einen Deal, nur damit sie in Frieden leben kann?“ „Wir machen das nicht nur wegen ihr. Der Deal beinhaltet auch, dass sie uns alle Informationen gibt, die ihre Mutter über die Hintermänner gesammelt hat. “ „Also der Organisation…“, murmelte Fallon. „Das hat sie so nicht gesagt. Aber es ist davon auszugehen. Chris hat kein Wort über die Organisation verloren“, sprach Decker. „So wichtig es auch ist, jedes einzelne Mitglied zur Rechenschaft zu ziehen, so ist es noch wichtiger, die gesamte Organisation mit einem Schlag auszuschalten. Deswegen haben wir diesem Deal zugestimmt. Wir müssen das große Ganze betrachten.“ „Hat es uns bereits etwas gebracht?“ „Durch ihre Straffreiheit hat Chris gestanden, dass sie bereits vor dem Tod ihrer Mutter in Amerika war. Sie sollte das Set sehen und mit einem Produzenten sprechen. Das habe ich mittlerweile überprüft und kann es bestätigen. Ihre Mutter bat sie dann, die Waffe aus der Wohnung von Tripton zu holen. Sie hat es ohne zu Fragen getan. Danach flog sie zurück nach Japan und kam nach unserem Anruf wieder zurück.“ „Ihre Namen standen auf den Passagierlisten“, entgegnete Camel. „Sie hat die Flüge also tatsächlich angetreten.“ „Oder jemand, der aussah wie sie. Menschen ändern im Laufe ihres Lebens ihr Aussehen. Am Flughafen wird der Reisepass nur sehr kurz kontrolliert und wenn man will, findet man Mittel und Wege…“, warf Akai ein. „Besonders, wenn man zur Organisation gehört.“ „Was wir leider immer noch nicht sicher wissen. Kommen wir zurück zum eigentlichen Punkt. Sie hat uns die Unterlagen ihrer Mutter augenblicklich übergeben. Es war eine dünne Akte und sie hatte die Anweisungen, diese der Polizei zu geben, sollte ihrer Mutter etwas passieren. Die Akte war sehr dünn und die Informationen sehr dürftig. Auf einer Seite fanden wir eine eingeklebte microSD-Karte. Wir haben die Daten geprüft. Sharon hat viele Informationen gesammelt, seitdem sie Mitglied der Organisation wurde. Sie hat einige Taten zugegeben und Namen genannt. Leider sind alle Personen, die ihr geholfen haben, bereits verstorben und da Sharon selbst auch tot ist, können wir ihr nichts anlasten.“ „Verdammt“, gab Jackson von sich. „Ihr Manager gehörte ebenfalls zur Organisation. Er war zwar oft in Japan, hat aber im Wesentlichen hier in Amerika die Stellung gehalten. Er war die ganze Zeit über das Bindeglied zwischen den Mitgliedern dort und hier. Wir haben aber keine Namen und wollten ihn für eine Befragung zu uns bitten.“ „Ich vermute, dass noch ein Aber kommt“, entgegnete James. „Ja.“ Decker seufzte. „Er hat Selbstmord begangen. Während wir den Deal ausgehandelt haben, hat er dauernd versucht, Chris davon abzuhalten. Er muss gewusst haben, dass sein Name in den Unterlagen steht. Wir haben daraufhin einen Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung und sein Büro angefordert. Es war alles leergeräumt. Wahrscheinlich hat er alles vernichtet, was ihn mit der Organisation in Verbindung gebracht hat.“ „Dann stehen wir wieder bei null…“, murmelte Camel. „Wir haben gewonnen nur um zu verlieren…“, gab Fallon von sich. „Nun…wir schließen den Fall um Sharon Vineyard und werden unsere Bemühungen verstärken. Es muss einen Nachfolger für den Manager geben. Und diesen müssen wir finden. Außerdem…“ „Außerdem?“, fragte James. „Wir wissen nun, dass die Organisation hauptsächlich in Japan tätig ist. Deswegen werden wir uns mehr mit Japan auseinandersetzen. Unsere Befugnisse liegen zwar in Amerika, aber das heißt nicht, dass wir nicht doch etwas ausrichten können. Das CIA ist nicht unsere einzige Möglichkeit. Wir werden den Kontakt zu andere Bundesbehörden suchen. Ich denke da besonders an das MI6. Agent Akai?“ „Ja?“ „Ihre Eltern waren für das MI6 tätig. Sie würden uns sehr helfen, wenn Sie den Kontakt herstellen könnten. Wir können selbstverständlich über die Leiter gehen, aber Sie wissen, wie es dann läuft.“ Shuichi nickte. „Meine Mutter arbeitet immer noch für das MI6. Ich werde Ihnen ihre Kontaktinformationen geben. Wenn Sie möchten, bin ich bei dem Telefonat dabei. Sie kann manchmal sehr hitzköpfig sein…“ „Danke.“ Decker lächelte. „Und dann möchten wir auch noch unseren letzten Trumpf gegen die Organisation ausspielen.“ Das Team starrte ihn an. „Soweit ich weiß, gibt es in Japan auch zwei Behörden, die sich mit ähnlichen Themen auseinandersetzen, wie wir. Das Büro für Öffentliche Sicherheit und das Büro für Sicherheit der Nationalen Polizeibehörde, kurz die Sicherheitspolizei. Wir planen, auch mit ihnen in Kontakt zu treten und sie um eine Kooperation zu bitten.“ James verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist ein interessanter Gedanke. Wir könnten ihnen unsere Informationen geben und von ihnen regelmäßig auf den neusten Stand gebracht werden.“ Agent Decker schmunzelte. „Ich denke da etwas weiter. Chris Vineyard hat vor uns nichts zu befürchten, allerdings kann sie immer noch von den anderen Behörden verhaftet werden. Der Deal mit ihr besagt nicht, dass wir den anderen nicht helfen können.“ Er blickte zu Akai. „Möchten Sie weiterhin gegen die Organisation arbeiten?“ „Natürlich“, kam es sofort von dem jungen Mann. „Auf diese Antwort habe ich gehofft. Wenn wir mit der Sicherheitspolizei ins Gespräch gehen, möchten wir, dass Sie uns ebenfalls zur Verfügung stehen, sowohl für die Übersetzung als auch für die spätere Ermittlung.“ „Was ist dein Plan?“, fragte James. „Wenn alles gut geht, möchten wir ein paar Agenten an die Sicherheitspolizei ausleihen. Mit einem offiziellen Vertrag läge die Zugehörigkeit nicht mehr beim FBI und so können wir, nein, so könnten Sie gegen Chris ermitteln. Die Lorbeeren würden dann aber die japanischen Kollegen einheimsen“, erklärte er. „Agent Akai, Sie wären einer dieser Agenten, die wir nach Japan schicken wollen.“ Shuichi nickte. „Sehr gerne.“ Decker sah wieder in die Runde. „Es steht Ihnen allen frei, sich gegen die weitere Ermittlung zu entscheiden. Wenn wir alles ausgearbeitet haben, werden wir zur Besprechung einladen. Allerdings müssen wir erst einmal Gras über die aktuelle Situation wachsen lassen. Wenn wir jetzt jemanden nach Japan schicken, sind sie gewarnt. Es ist nicht auszuschließen, dass sie unsere Schritte im Auge behalten. Gehen Sie lieber davon aus, dass wir erst in ein oder zwei Jahren starten werden. Vielleicht auch später. Die Mission wird nicht innerhalb von einigen Wochen abgeschlossen sein, wir sind ihnen bereits seit Jahren auf den Fersen. Bis alles so weit ist, werden wir uns gut vorbereiten.“ „Die Agenten, die nach Japan kommen, sollten japanisch lernen.“ „Darum kümmern wir uns und werden die entsprechenden Kurse organisieren“, entgegnete Decker. „Gibt es sonst Fragen?“ Das Team schüttelte den Kopf. „Falls doch, Sie wissen, wo Sie mich finden.“ Er lächelte. „Dann erkläre ich die Besprechung für beendet.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)