Beautiful Behavior von Varlet ================================================================================ Kapitel 18: Showdown -------------------- Calvados seufzte. Auf Wunsch von Vermouth war er mit nach Amerika gekommen und hoffte, auf ein paar gemütliche Stunden zu zweit. Aber es war alles anders gekommen. Tag für Tag legte sie ein Make-up auf, welches sie um 25 Jahre altern ließ. Dann verschwand sie zu ihren Dreharbeiten oder nahm eine andere Identität an. Die Abende verbrachten sie getrennt, außer sie wollte mit ihm über seine neue Tätigkeit als Babysitter sprechen. Er war Scharfschütze, zählte sogar zu den Besten, auch wenn seine Fähigkeiten im Verborgenen blieben und er sich ganz seinem Leben bei der Organisation hingab. Doch seit er in New York war durfte er Jodie Starling andauernd durch sein Zielfernrohr beobachten und seiner Angebeteten Bericht erstatten. Er hatte sich so oft gewünscht, endlich zum Zug zu kommen, aber sein Befehl war klar: Ruhe bewahren und abwarten. Genau wie jetzt auch. Er hatte sich in einem Gebäude gegenüber vom Friedhof verschanzt und durch das Zielfernrohr geschaut. Vermouth wollte ihren Plan heute zu einem Ende bringen, aber dafür mussten sie ganz genau wissen, wo sich Jodie befand und mit wem sie sprach. Nicht nur in ihrer Wohnung und der Detektei, sondern auch am Grab hatten sie Wanzen versteckt. Aufgrund der Witterungsverhältnisse musste er die Wanze am Grab regelmäßig austauschen. Aber das stellte kein Problem dar, denn so kam er auch mal aus seinem Versteck. Am liebsten hätte er schon am frühen Morgen damit begonnen ihren Plan in die Tat umzusetzen, doch Vermouth musste ihrer Arbeit als Schauspielerin nachgehen. Danach hatte sie dafür gesorgt, dass Milena – die Tochter des Privatermittlers – die ganze Zeit im Büro aufgehalten wurde. Wäre Jodie allerdings in der Detektei gewesen, hätten sie Milena herausgelockt. Anschließend sprang Vermouth wieder in die Rolle des braven Mädchen. Calvados war fasziniert von ihrem Geschick als Schauspielerin. Sie konnte sein, wer sie wollte. Es hatte zahlreiche Vorteile, denn so konnten sie Jodie ganz langsam in die Falle locken. Doch durch die Anwesenheit einer weiteren Person wurden sie bei ihrem Plan gestört. Es war nicht James Black, da Jodie nicht weggelaufen wäre. Sofort hatte Calvados Vermouth informiert und sich auf den Weg zur Wohnung von Jodie gemacht. Die Beweise gegen die junge Frau waren bereits vorbereitet und mussten nur noch ausgelegt werden. Er schmunzelte und steckte sich den Kopfhörer der Freisprechanlage in das Ohr. „An der Wohnung ist alles still“, sprach er. Vermouth hatte Daniel abgefangen und draußen in ein Gespräch verwickelt, als Jodie aufgelöst dazu kam. Sie wollte zu Ed, aber die Schauspielerin hatte dafür gesorgt, dass sie sich um die junge Frau kümmern konnte. Jodie hatte keine Ahnung, wen sie mit in ihre Wohnung nahm. Sie vertraute Milena und das machte sich die Schauspielerin zu Nutze. Als sie in der Wohnung ankam, lehnte Sharon die Tür nur an. „Soll ich dir einen Tee kochen?“, wollte sie von Jodie wissen. Jodie rang mit den Tränen und mit sich selbst. Sie und Ed hatten vereinbart, dass Milena nicht in die Sache involviert werden sollte. Aber was sollte Jodie ihrer Freundin nun erzählen? „Ich…“ Sie schüttelte den Kopf. „…tut mir leid. Ich war…am Grab und…ich bin jetzt ein wenig durcheinander…“ „Was ist passiert?“ Jodie schüttelte den Kopf. „Du weißt, du kannst über alles mit mir reden“, begann die Schauspielerin mit verstellter Stimme. „Ich bin für dich da.“ Jodie schluckte. „Ich habe…ich habe nur überreagiert. Ich habe am Friedhof…einen Japaner gesehen und gedacht, dass sie mich verfolgt. Das war…ziemlich dumm.“ Beeil dich! Der Kerl gehört zum FBI und spricht mit dem Schnüffler, hörte sie die Stimme von Calvados durch den kleinen Kopfhörer in ihrem Ohr. Vermouth mochte es nicht, wenn sie einen Plan beschleunigen musste. Dennoch hatte sie nicht vor irgendwas zu ändern. „Nein, das war es nicht“, antwortete Sharon. „Um ehrlich zu sein, bist du tatsächlich beobachtet worden.“ „Was?“ Jodie sah sie überrascht an. „Hast du etwas an der Detektei bemerkt?“ „Nein, ich selbst habe dafür gesorgt.“ Noch immer benutzte sie die fremde Stimme. Jodie war verwirrt. „Milena, was redest du denn da?“ „Ach, Jodie“, sagte sie und entfernte ihre Maske. Zu Vorschein kam das Gesicht von Sharon Vineyard. Dieses Mal hatte sie sich selbst übertroffen und Make-up verwendet, welches auch einer Maske standhielt. „Sha…Sharon…Vin…Vineyard…“, wisperte Jodie. Sie wich einen Schritt nach hinten. „Wa…wa…“ „Was mache ich hier? Was ist mit der richtigen Milena? Will ich dich umbringen? Möchtest du das von mir wissen?“ Die Schauspielerin schmunzelte. „Deiner Freundin geht es gut. Noch habe ich keinen Grund ihr irgendwas zu tun. Aber wenn du nicht brav bist, werde ich meine Meinung noch ändern.“ Jodie suchte nach einem Ausweg. Aber es gab keinen. „Was…wollen Sie von mir?“ „Was glaubst du denn? Du bist wirklich groß geworden.“ Die junge Frau schluckte. „Sie…sie waren es, nicht wahr? Damals vor…20 Jahren…sie haben meine Eltern…auf dem Gewissen.“ Tränen rollten ihr über die Wangen. „Hör auf mit den Spielchen. Es ist nicht das erste Mal, dass du darüber sprichst. Wir wissen doch beide, dass du nach mir suchst. Und als du das Interview gesehen hast, hast du mich erkannt.“ Vermouth griff in ihre Jackentasche und zog schwarze Handschuhe an. „Ich kann dich verstehen. Rache ist ein ganz natürlicher Trieb.“ „Ich will keine…Ra…che…“ „Da habe ich was anderes gehört. Du willst mich doch ins Gefängnis bringen.“ Nun öffnete sie ihre Handtasche und holte eine Waffe heraus. Jodie schluckte und machte ein paar Schritte nach hinten. „Ich…ich verrate Sie nicht…ich werde…alles vergessen…“ „Hast du Angst vor mir?“ Die Schauspielerin lächelte. „Wir wissen beide, dass du das nie vergessen wirst. Außerdem hast du doch schon mit dem Schnüffler gesprochen. Glaubst du wirklich, er würde alles ruhen lassen? Und was ist mit deinem Freund beim FBI? Er wird auch nie lockerlassen. Aber ich verrate dir jetzt zwei Sachen. Erstens ich werde es jetzt zu Ende bringen und zweitens, ich habe deinen Vater nicht erschossen.“ Jodies Augen weiteten sich. „Sie…Sie waren…da…“, flüsterte sie. „Sie waren…die einzige Person im Haus…“ „War ich das? Denk doch einmal in Ruhe darüber nach“, entgegnete Vermouth. „Wer war sonst noch da?“ „Sie…Sie wollen mich…doch nur verunsichern…“ „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht“, sagte Sharon und machte weitere Schritte auf Jodie zu. Jodie wich weiter nach hinten und stieß gegen die Balkontür. Mit der Hand tastete sie nach dem Griff und drückte ihn nach unten. Die Tür öffnete sich. Aber was dann? Sollte sie springen? Vielleicht würde sie Glück haben und sich nur ein paar Knochen brechen. Vielleicht kam sie aber auch unglücklich auf und würde sterben. Doch wie sollte es dann weiter gehen? Hatte sie überhaupt eine Chance? „Bitte…lassen Sie mich…in Ruhe…Bitte…“ Jodie schluchzte. Die Schauspielerin wechselte die Position der Waffe. Sie nahm die Mündung in die Hand und hielt Jodie die andere Seite hin. „Bring es zu Ende“, sprach sie. „Das willst du doch.“ Jodie schüttelte den Kopf. „Nein…“ Vermouth kam näher. Sie drückte ihr die Waffe in der Hand und umklammerte ihre Hände. „Halt sie fest.“ „Nein…bitte…bitte nicht…“ Jodie merkte, wie ihre Beine anfingen zu zittern. In ihrem Magen drehte sich alles und sie versuchte die Waffe wieder loszulassen. Doch die Schauspielerin ließ es nicht zu. „Tu es endlich.“ „Nein.“ Jodie wimmerte. „Tu es!“ „Nein.“ „Tu es!“ Vermouth drückte gegen ihren Finger. Ein Schuss löste sich und die Schauspielerin ließ Jodies Hände los. Sie bewegte sich ein paar Schritte nach hinten und sah dann auf ihre Bluse. Ein roter Fleck bildete sich. Sie fiel nach hinten. Jodie ließ schockiert die Waffe fallen. Ein weiterer Schuss löste sich. Jodie taumelte und stürzte ebenfalls zu Boden. Die rote Flüssigkeit verteilte sich auf dem Boden. Sie haben gerade herausgefunden, dass du dich als Milena Sherman ausgegeben hast. Verschwindet! Vermouth lächelte und setzte sich auf. Sie knöpfte ihre Bluse auf und verteilte das Blut aus dem Blutbeutel. Sie hatte sich täglich ein paar Milliliter abgezweigt und gesammelt, damit der Blutverlust echt aussah. Anschließend nahm sie ihre Maske und entfernte dann die Wanzen in der Wohnung. Sie schaute zu Jodie. Die junge Frau konnte ihr leidtun. An sich war sie nur ein Kollateralschaden und sie empfand weder Freude noch Reue, weil sie ihren Fehler von damals begradigte. „Wie lange willst du sie noch anstarren?“ Ein Mann hatte die Tür geöffnet und stand im Raum. Er beobachtete die beiden Frauen. „Sei still und kümmre dich um die Beweise, Irish.“ Der Mann lächelte. Er trug Handschuhe und drapierte ein Notizbuch auf dem Tisch. „Mhm…ng…n…“ Irish blickte zu Jodie. Sie drückte ihre Hände an die Wunde und kämpfte mit der Bewusstlosigkeit. Nur verschwommen nahm sie die Konturen der beiden Personen wahr. Vermouth schmunzelte. Sie sammelte eine Patronenhülse ein und tauschte sie aus. Weder das FBI noch das NYPD – das New York Police Department – sollten darauf kommen, dass der erste Platz in der Trommel durch eine Platzpatrone belegt war. „Hast du alles?“, wollte Irish wissen. Die Schauspielerin sah sich noch einmal im Raum um. In ihrem Kopf ging sie den gesamten Plan durch. „Ja. Ich hoffe, du hast den Notruf abgesetzt.“ „Natürlich“, nickte er. „Das NYPD wird in spätestens 21 Minuten hier sein, der Krankenwagen in 11 Minuten. Unser Krankenwagen steht bereits draußen und wartet auf uns.“ „Auf dich ist immer verlass“, entgegnete Vermouth und verließ mit ihm die Wohnung. Ihnen begegnete ein Mann. Er nickte und positionierte sich in der Wohnung von Jodie. „Sehr gut. Unsere Geschichte darf keine Fehler aufweisen.“ „Das wird sie nicht“, antwortete Irish. „Dafür ist sie gut durchdacht und beinhaltet allerlei Eventualitäten. Unser Sanitäter ist oben bei der Frau und wartet auf seine Kollegen. Außer mir war kein Nachbar in dem Gebäude und Calvados kümmert sich um den Rest.“ Sie verließen das Gebäude und gingen zu dem vorbereiteten Krankenwagen. Gemeinsam stiegen sie hinten ein. Drei weitere Organisationsmitglieder begrüßten sie. Vermouth setzte sich und schlug das rechte Bein über das linke. „Fahren wir“, sagte sie und der Wagen setzte sich in Bewegung. „Hat alles funktioniert?“, wollte einer der Männer wissen. „Natürlich“, nickte die Schauspielerin. „Wer auch immer zuerst bei ihr ankommt, wird entweder eine Leiche oder ein gebrochenes Mädchen vorfinden.“ „Und ihr Geständnis“, warf Irish ein. „Ist es wasserdicht?“ „Was denkt du von mir?“, wollte der Mann wissen und setzte sich ebenfalls. „Ihre Schrift wurde perfekt kopiert und die Tagebucheinträge im Notizbuch zeigen, dass sie labil war. So einen perfiden Plan hätte ich dir gar nicht zugetraut.“ Die Schauspielerin schmunzelte und entfernte die Blutbeutel. Dann trocknete sie sich ab und zog sich um. Wenn sie in der neuen Wohnung sein würde, würde sie sich ein heißes Bad genehmigen und ihren Triumph vollends auskosten. „Mir kann egal sein, ob sie stirbt oder nicht. Sie wird so oder so die Schuld an Sharon Vineyards Tod tragen. Und wenn es das FBI vertuschen will, kenn ich bereits einen anderen Sündenbock. Und wenn sie überlebt, wird sie das alles fertig machen und ich habe noch etwas länger meinen Spaß mit ihr.“ Sie sind jetzt bei der Wohnung angekommen! „Danke, Calvados. Zieh dich zurück. Und sei vorsichtig. Wenn sie dich sehen, könnten sie darauf kommen, dass etwas nicht stimmt.“ Die Schauspielerin lehnte sich nach hinten. „Wir kennen diesen FBI Agenten nicht. Er könnte uns noch gefährlich werden.“ Verstanden. „Was ist mit den anderen Wanzen?“, wollte Irish wissen. „Calvados kümmert sich um die Wanze am Friedhof, die aus der Wohnung habe ich mitgenommen und die Wanzen in der Detektei sind egal. Sie sind nicht rückverfolgbar und jeder hätte sie dort verteilen können. Ein Detektiv hat viele Feinde. Außerdem werden alle, die involviert sind, schweigen.“ „Durchtrieben wie eh und je“, entgegnete der Mann und entfernte nun auch seine Maske. Der richtige Nachbar hatte eine zweiwöchige Urlaubsreise gewonnen, sodass Irish in seine Rolle schlüpfen und Jodie von zu Hause aus beobachten konnte. „Sie war ganz schön naiv, obwohl sie von deinen Fähigkeiten wusste. Trotzdem vertraute sie weiterhin ihren Freunden und Bekannten.“ Die Schauspielerin zuckte mit den Schultern. „Menschen sind alle gleich. Sie wollen glauben, was man ihnen erzählt. So wird es auch mit meinen Fans sein. Einige werden an meinem Tod zweifeln und sich Hoffnungen machen. Aber für Sharon Vineyard gibt es keine Hoffnung mehr.“ Sie sah auf ihre Uhr am Handgelenk. „In einer Stunde soll der Arzt den Tod von Sharon Vineyard bescheinigen und Chris informieren. Danach lassen wir die Information langsam durchsickern und präparieren die Leiche. Das FBI wird sich in der Leichenhalle umschauen. Sorgt dafür, dass sie keine Spur zu uns finden. Wenn genügend Gras über die Sache gewachsen ist, erledigt die unliebsamen Mitwisser.“ „Und wenn das FBI die Wahrheit herausfindet?“, wollte einer der Männer wissen. „Sollen Sie doch. Sie werden es nicht wagen, irgendwas öffentlich zu machen. Ansonsten werden wir die Wahrheit über Jodie Starling veröffentlichen und darüber, welche Fehler das FBI vor Jahren begangen hat. Sie werden die Loyalität der Menschen verlieren und wir werden gewinnen. Das kommt davon, wenn man sich in die Angelegenheiten der Organisation einmischt.“ Vermouth lächelte. Ab heute würde sie als Chris Vineyard unter den Menschen leben und ein neues Kapitel aufschlagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)