I just called to say ... von korai-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Zufrieden öffne ich die Augen. Der Morgen verrät sich durch Sonnenschein und Vogelgezwitscher. Beides dringt sanft in mein Schlafzimmer, ist jedoch nicht der Grund meines Erwachens. Der eigentliche Grund ist der befriedigendste, den es überhaupt gibt (zumindest aus medizinischer Sicht): Ich bin ausgeschlafen. Ich strecke all meine Glieder. Keine Schmerzen und mein Kopf brummt auch nicht. Fieber schein ich ebenfalls keines zu haben (, wenn man das bei sich selbst überhaupt bestimmen kann). Zusammengefasst: Ich fühl mich gut. Die perfekte Grundlage, um einen Tag zu starten. Zumindest fängt dieser besser an, als der letzte geendet hat. Gestern habe ich mich nämlich mit Kopf- und Gliederschmerzen herumplagen dürfen, die so grausam waren, dass ich nicht mit meinen Bandkollegen feiern gehen konnte. Heute fühle ich mich jedoch fit und bereit für jede Party (, wobei die anderen sicher so eine Sauforgie veranstaltet haben, dass heute niemand mit mir Party machen will). Nichtsdestotrotz schwinge ich mich glücklich aus meinem Bett und verlasse das Schlafzimmer, um im nächsten Moment in meinem Wohnzimmer etwas zu entdecken, was meine Laune noch mehr hebt. Auf meinem Sofa liegt tief schlafend (m)ein (Lieblings-)Trunkenbold: Mein bester Freund Reita. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Blonde bei mir übernachtet. In der Nähe meines Apartments machen fast jede Woche neue Clubs auf, die es sich alle zur Aufgabe gemacht haben, uns jungen Dingern mit Alkohol und lauter Musik sowohl Geld als auch Seele zu rauben. (Was uns natürlich nicht davon abhält, jedes Mal in genau diese Falle zu tappen!) So hat sich mein bester Freund aus Bequemlichkeit dazu entschieden, einfach bei mir zu nächtigen, wenn er mal wieder meine Umgebung unsicher macht. Mit oder ohne mir. Ich hab damit (überhaupt) kein Problem. Schließlich hat er einen eigenen Schlüssel und wenn ich schlafe, kann mich eh keiner wecken. Außerdem ist mir das immer noch lieber, als dass er sturzbesoffen alleine nach Hause läuft. Doch trotz der gewöhnlichen Gegebenheit, gibt es zwei Ungewöhnlichkeiten. Eigentlich schläft Reita in meinem Bett (bei mir), statt auf meiner viel zu kleinen Couch. Nur heute Nacht hatte er es nicht gemacht. (Schade, irgendwie.) Und eigentlich schläft er nur in seinen Shorts, doch jetzt liegt der Blonde voll bekleidet vor mir. (Ebenfalls schade… irgendwie.) Wahrscheinlich hatten sie es gestern mal wieder so übertrieben, dass Reita es gerade so zu meinem Sofa geschafft hatte und dann tot umgefallen war. Ich seufze. Ich wär gestern gern dabei gewesen. Es ist immer lustig mit meinen Bandkollegen um die Häuser zu ziehen. Aber die Gesundheit geht eben vor (, spricht die Vernunft aus mir, auf die ich vielleicht öfter hören sollte). Allerdings würde mir die Vernunft wohl auch sagen, dass ich weniger Kaffee trinken soll und das ist genau das, was mich jetzt weg von dem Blonden und in meine Küche treibt. Ich setze Kaffee auf. Nur für mich. Rei wird sicher noch einige Stunden schlafen und außerdem kann er sich seinen Kaffee auch schön selbst machen. Danach verschwinde ich ins Bad, wo ich mir die Zähne putze und meine Haare (wenigstens ein bisschen) in Ordnung bringe. Als ich kein Gluckern mehr vernehme, schlurfe ich summend zurück in die Küche, um die Maschine auszuschalten und mich mit der schwarzen, flüssigen Göttlichkeit zu versorgen. Ich setze mich auf einen Küchenstuhl und trinke. (Allein.) Nur meine Wanduhr tickt. (Bedrückende) Stille. Ich tippe nervös gegen meine Tasse. (Einsamkeit.) Seufzend richte ich mich auf. Nur weil Reita meint, er müsse mein Sofa besetzen, heißt das noch lange nicht, dass ich in meiner kleinen Küche versauern muss! Wenn der wirklich hier pennen will, soll er sich doch ins Schlafzimmer legen. (Da gehört er schließlich auch hin!) Jetzt wird mein Territorium zurückerobert!! Leider klappt das mit dem Erobern nicht so wirklich. Als ich nämlich mit meiner Kaffeetasse bewaffnet vor meiner Couch steh, fällt mir wieder ein ganz entscheidender Punkt ein: Reita sieht so süß aus, wenn er schläft! Ihn zu wecken, wäre zu gemein und das habe ich einfach nicht drauf. (Das nennt man wohl „Um den kleinen Finger gewickelt“?) Also gesteh ich mir meine Niederlage ein und steige (äußerst unelegant) über die Sofalehne, um mich auf das kleine Stück Polster zu setzen, das Reita zwischen seinen angewinkelten Beinen frei gelassen hat. „Idiot“, murmele ich leise und trete dabei dem blonden Besetzer in seinen (knackigen) Hintern. Dieser brummt daraufhin nur im Schlaf, was mich kichern lässt. Zufrieden trinke ich meinen Kaffe und stupse meinen Kumpel nebenher immer wieder mit meinem Fuß an seinen Po, woraufhin er jedes Mal ein widerwilliges Brummen von sich gibt. Lustig! Trotzdem höre ich damit lieber wieder auf, bevor Rei noch aufwacht und wissen will, wieso ich so auf seinen Hintern fixiert bin. (Die Antwort darauf wäre für mich nämlich ziemlich peinlich.) Gelangweilt schaue ich mich um und muss feststellen, dass die Leuchte meines Anrufbeantworters hektisch blinkt. Hat sie das vorhin auch schon getan? Wieso hab ich das nicht bemerkt? (Vielleicht, weil ich etwas anderem meine ganze Aufmerksamkeit geschenkt habe?) Zum Glück steht die kleine Maschine direkt auf einem Beistelltisch hinter dem Sofa, so dass ich mich nur leicht über den blonden Schönling beugen muss, um die Anrufabfrage anzuschalten. Schon erklingt die unnatürlich neutrale Frauenstimme aus dem kleinen Apparat: „Sie haben neun neue Nachrichten.“ Neun?! Als ich gestern ins Bett gegangen war, hatte ich gar keine. Und jetzt neun? Wer hatte denn bitteschön ein so großes Mitteilungsbedürfnis? Um der Antwort etwas näher zu kommen, drückte ich erneut auf den AB. „Hier ist Ruki. Ich bin entweder nicht da oder ich schlafe. Hinterlasst eine Nachricht und ich rufe zurück. Wenn’s wichtig ist, dann probiert’s aufm Handy.“ Okay, ich brauche unbedingt eine neue Ansage. Dass bei diesem grimmigen Genuschel überhaupt jemand eine Nachricht hinterlässt, ist wirklich ein Wunder! „Nachricht 1“ „Hey Ruki, du kleine Bazillenschleuder! Hier ist Reita“, schallt es mir entgegen und mein Blick wandert auf den schlafenden Blonden neben mir. Er ist also der Übeltäter, der sich mir trotz meines Genuschels mitteilen will. „Wir sind jetzt hier in so ‘ner kleinen Bar und es ist überhaupt nichts los! Wirklich tote Hose! Du verpasst heute Abend also nichts. Hättest dich nur gelangweilt und mich dann vollgequengelt. Eigentlich wollte ich dir nur mitteilen, dass ich bei mir schlafe. Ich glaub nicht, dass wir noch lange unterwegs sind und dann fahren die Bahnen noch. Bis Morgen. Gute Besserung!“ Da scheint sich jemand umentschieden zu haben, wenn ich die schlafende Gestalt neben mir so betrachte. Für die „kleine Bazillenschleuder“ und die Behauptung, ich hätte nur „gequengelt“, verpass ich ihm allerdings noch einmal einen Tritt. Wobei ich wirklich die Angewohnheit habe, Reita zu nerven, wenn ich mich langweile, bis er mich nur noch mit seinem Todesblick anfunkelt. (Der ist nämlich scharf!) Gespannt beuge ich mich über den Blonden und drücke auf den AB, um die nächste Nachricht zu hören. „Nachricht 2“ „Hi Ruki, ich bin’s nochmal.“ Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Jetzt bekomme ich wohl die Erklärung, wieso Dornröschen auf meiner Couch ratzt. „Wir wollten gerade eben gehen, da kommen die Jungs von Alice nine. in den Laden gestampft. Und rate mal, wessen Single auf Platz 1 der Oricon Charts gelandet ist?“ Diese rhetorische Frage wurde durch lautes Grölen und Jubeln beantwortet, welches jetzt durch den kleinen Lautsprecher meines ABs durch mein Wohnzimmer schallt. Ich beantworte die rhetorische Frage hingegen mit einem Fluchen. Dass ich das verpasst habe! Die PSC hatte vor einem Jahr eingeführt, dass jeder Platz 1 in den Charts mit einem Besäufnis belohnt wird. Das bedeutete also man ließ sich vom Manager die Kreditkarte überreichen und ging dann feiern, was das Zeug hielt. Wir hatten die Party für unsere letzte Single schon gehabt und die nächste würde noch auf sich warten lassen. Wieso hatte ich auch ausgerechnet gestern Kopfschmerzen? (Zum Kotzen!) „Jedenfalls scheint das noch ein lustiger Abend zu werden“, lacht mir Reita entgegen, woraufhin ich wieder grummel. „Wunder dich also nicht, wenn du mich morgen in deinem Bett findest!“ Hah! In meinem Bett! Er hatte es selbst gesagt! Gerne würde ich ihn wachschütteln und fragen, was er dann auf dem Sofa zu suchen hat. Doch vielleicht wär das ein bisschen …(verrückt?)…übertrieben. Und dann würde er garantiert wissen wollen, weshalb mir das so wichtig ist und darauf habe ich keine Antwort. (Doch, habe ich.) Nein. (Doch!) „Nein!“, bringe ich meine innere Stimme aufgebracht zum Schweigen. Glücklicherweise blinkt mein AB weiter. Und wenn es nur mein Steuerberater ist. Hauptsache Ablenkung. Schon kurz nachdem ich den Knopf erneut betätige, wird mir klar, dass die Nachricht nicht von meinem Steuerberater ist. Ich vertraue Reita ja viel an, aber garantiert nicht meine Finanzen! „Nachricht 3“ „Rukiiiiiii“, schallt es mir entgegen und der Tonlage nach war Reita bei diesem Anruf schon ziemlich voll. „Das is super hier! Echt super! Also… echt! Hiroto sieht zwar aus wie 12, aber er säuft als wär er 15.“ Ich hör den AB-Reita gehässig lachen und kann dabei nur mitkichern. Reita und ich haben denselben Humor (und sein Lachen wirkte auf mich schon immer ansteckend). „Auf jeden Fall“, erschallt die Stimme des Blonden wieder und ich kann mir schon fast denken, wie der Satz zu Ende geht. „Es is echt super hier! Schade, dass du nich dabei bis, Kleiner. Du verpasst was!“ Dafür verpass ich Rei gleich noch einen Tritt. Wie kann man nur so ein emotionsloses Trampeltier sein? Geht ohne mich feiern (Er hätte sich ja auch stattdessen um mich kümmern können!) und erzählt mir dann noch ganz dreist, was ich verpasst habe! Eigentlich sollte ich die restlichen Nachrichten gleich löschen und Blondie aus meiner Wohnung schmeißen. Mach ich aber nicht. Da ich ja ein guter Freund bin, gebe ich Dornröschen noch eine Chance. (Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass die restlichen Nachrichten auch von Reita sind. Er ist in solchen Sachen ziemlich konsequent.) „Ich hoffe mal für dich, dass die besser ist“, brumme ich den schlafenden Reita an, bevor ich erneut das Knöpfchen bediene. „Nachricht 4“ „Wieso bisu nich hiiiieeeeer????“, schallt es mir schmollend entgegen. Also hat er mich doch vermisst! Grade noch gerettet. „Versteh das nich falsch! Es ist super hier. Echt super…“ Ich stöhne genervt auf. War Rei schon immer so bekloppt, wenn er betrunken war oder weshalb beschränkte sich sein Wortschatz auf gefühlte 5 Wörter? „Aber mit dir wär halt superer. Muss die ganze Zeit denken ‚Mann, das würde Ruki auch gefallen! ‘ und so…“ Ein lautes Seufzen war zu vernehmen und es hörte sich nach ehrlichem Bedauern an. „Sauf ich halt noch bisschen, dann wird das schon! Ich vermiss dich!“ Ich unterdrücke mit aller Gewalt den Drang, mich auf den schlafenden Reita zu schmeißen, um ihn einmal kräftig in den Arm zu nehmen. Vielleicht war es die Ausdrucksweise eines Kindergartenkindes, aber das ist mir egal. Reita hat gesagt, dass er mich vermisst! Bei dem Gedanken wird mir mit einem Mal ganz warm (ums Herz) und ich muss (liebevoll) lächeln. Klar sind wir beste Freunde und ich gehe schon davon aus, dass Rei meine Gesellschaft genießt, aber es ist schön es so direkt zu hören. Es ist schön zu wissen, dass ich dem Idioten manchmal fehle. (Weil das nämlich auf Gegenseitigkeit beruht.) Ich spiele kurz mit dem Gedanken, mir die anderen Nachrichten später anzuhören. Diese eine Nachricht war ein echtes Zuckerstück und würde reichen, um mir meinen gesamten Tag zu versüßen. Allerdings bin ich viel zu schwach, um diesen Plan tatsächlich zu verwirklichen. Ich will mehr solcher Aussagen hören! Denn wenn ich sie mir aufheben will, aber dann das Pech habe, dass Reita aufwacht, würde er mich sicher dazu zwingen, sie alle zu löschen, bevor ich sie mir angehört habe. Das werde ich sicher nicht riskieren! „Nachricht 5“ „Mmhhhhh…“ Ein langgezogener Laut erfüllt mein Wohnzimmer und ich vergesse kurz, wie man atmet. Es ist ein Zwischending aus Seufzen und Stöhnen. Eine plötzliche Gänsehaut überfällt mich und ich sehe (sehnsüchtig) auf meine schlafende Schönheit. Solche Geräusche kann der von sich geben?! So wunderschöne Laute habe ich nicht in meinen kühnsten Träumen von ihm erwartet. … Nicht, dass ich Sexträume mit Reita hätte… (Doch hab ich!) Nein! (Doch!) Aber nicht oft. (Nur fast jede Nacht.) Mein inneres Zwiegespräch wird von dem Piepsen meines ABs unterbrochen. Jetzt hat mich das Stöhnen tatsächlich so abgelenkt, dass ich den Rest der Nachricht verpasst habe! Sofort drück ich auf „Zurück“. „Nachricht 5“ (Zweiter Versuch) Ich schließe meine Augen und lasse zu, dass Reitas Stimme mich voll in Beschlag nimmt. Ich bekomme schon wieder eine Gänsehaut. Außerdem kann ich es nicht lassen, selbst leise aufzuseufzen. Zwar ist es nur eine Wiedergabe, aber ich muss zugeben, dass die Verschmelzung unserer Stimmen einen ziemlichen Reiz auf mich ausübt. Schnell öffne ich die Augen, um nicht ganz in einer Traumwelt zu verschwinden. Ich muss mich darauf konzentrieren, was Reita in der Nachricht sonst zu sagen hat! Sein Gestöhne kann ich mir auch später noch (in Dauerschleife) anhören! „Mhh… Deine AB-Ansage is toll, Ru-chan. Und weißt du, wieso?“ „Du wirst es mir sicher gleich sagen“, murmele ich leise und bin schon ziemlich gespannt auf die Antwort. „Ich liebe deine Stimme! Ehrlich. Schon immer. So tief und rau und verrucht. Der absolute Wahnsinn. Und wenn du singst. Oder sprichst! Oder nur einen langgezogenen Ton von dir gibst, weil du nicht weißt, was du sagen willst und irgendwie die Stille füllen musst. Das ist einfach so unglaublich… Woah! Neue Runde Bier!! Ich muss auflegen!“ Ich sitze stocksteif da und warte darauf, dass mein Herz zu einem Takt zurückfindet mit dem meine Atmung Schritt halten kann. Leider eine ziemlich große Herausforderung. Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist. Ich bekomme ständig Komplimente zu meiner Stimme. Schmachtende Fanbriefe, respektvolle Bekundungen anderer Sänger, herausragende Kritiken. Und wessen Meinung bringt mich dann völlig aus dem Gleichgewicht? Die eines kleinen, blöden Bassisten! Vielleicht ist es etwas gemein von mir, Reita so niederzumachen, aber sein Einfluss auf mich macht mir Angst. Außerdem verdient er meine Geringschätzung. Fängt einfach an von mir zu schwärmen und lässt sich dann von so einem blöden Bier ablenken! Ein Zeichen dafür, dass er gestern einfach nur besoffen war und ich mir seine Aussagen nicht zu Herzen nehmen sollte. (Was ich wohl trotzdem tun werde, da ich mir alles zu Herzen nehme, was mit Rei zu tun hat. Alles.) Inzwischen hab ich mich wieder einigermaßen beruhigt und halte mich dazu in der Lage, die nächste Nachricht auf meinem AB anzuhören. Mal sehen ob die mich wieder so nah an einen Herzstillstand bringt. Hoffentlich nicht. (Hoffentlich doch!) „Nachricht 6“ „Abend Ruki!“ Enttäuscht nehme ich einen Schluck aus meiner Kaffetasse als ich Uruhas kichernde Worte höre. Ich will Reita! (Ja!) Also… ich mein, ich will eine weitere Nachricht von ihm! Stattdessen höre ich Uruha nur dümmlich glucksen. Ein eindeutiges Zeichen, dass auch der Herr Gitarrist gut dabei war. „Reita hat zu mir gemeint, dass ich mir unbedingt deine Ansage anhören soll, weil deine Stimme ihm dabei wohl einen halben Orgasmus beschert hat.“ Ich spucke bei den Worten fast meinen Kaffee wieder aus. „So hat er‘s zwar nicht ausgedrückt, aber gemeint hat er‘s sicher“, kichert mir Uruha betrunken von meinem AB entgegen und ich würde ihn am liebsten erwürgen! Dass Alkohol den auch immer so pervers werden ließ. (Wär ja schön, wenn Reita diese Eigenschaft hätte…) „Jedenfalls finde ich deine Ansage nicht so umwerfend. Eher ein ziemlich grimmiges Genuschel.“ Ich überlege, ob ich Uruhas Nachricht einfach wegklicken soll. Anscheinend hat er nichts Wichtiges zu sagen. Zu allem Überfluss bekommt der Gitarrist jetzt noch einen Lachanfall, was sich auf Band saudämlich anhört „Oh Fuck! Reita is gerade auf einen der Tische geklettert und… und hält eine sehr überzeugende Hommage an deinen Hintern. Wie göttlich is das denn?“ Ein erneutes Lachen, welches den Gitarristen kurz von seiner Berichterstattung abhält. „Kai versucht schon ganz verzweifelt ihn herunterzuziehen, bevor wir Ärger kriegen und ich glaube Aoi und Tora bepissen sich gleich vor Lachen! Aber Rei stört das nicht weiter! Der scheint sehr an deinem Hinterteil zu hängen!“ Kurz ist nur noch Gegröle zu hören und irgendjemand scheint Reita sogar zu applaudieren. „Kai will, dass ich ihm helfe deinen Verehrer wieder auf den Teppich zu kriegen, also mach ich jetzt Schluss. Aber noch ein kleiner Tipp am Rande: Wenn Rei heute Nacht bei dir pennt, würd ich an deiner Stelle auf dem Rücken schlafen. Keine Ahnung, was der sonst noch mit dir anstellt!“ Ich nehme mir einen Moment Zeit, um die chaotische Nachricht zu begreifen. Wollte Ruha mich etwa verarschen? Reita hatte garantiert NICHT über meinen Hintern geredet! Und ihn garantiert NICHT angepriesen! Wenn man so ein Prachtexemplar wie er hatte, war es völlig lächerlich, noch irgendwelche Lobpreisungen auf andere Hinterteile zu halten. Und auf meinen schon zehnmal nicht! Lächerlich! Und was für einen Schwachsinn hatte der bekloppte Gitarrist am Ende noch gesagt? Meine Augen weiten sich, als ich den Sinn seines „kleinen Tipps“ verstehe. Meinte er etwa, dass… Ich sehe Reita an, der immer noch unschuldig schläft und ich werde rot. Mir schießen Bilder durch den Kopf, die dort nichts zu suchen haben! (Ich wache von einem lauten Geräusch auf und sehe zu Reita, der bereits in meinem Türrahmen steht.) Gedanken, die man unter besten Freunden wirklich nicht haben sollte! (Der Blonde kommt ohne ein Wort zu sagen auf mein Bett zu. Er betrachtet meinen Körper mit einem gierigen Blick. Ein Lächeln legt sich auf seine Lippen und er beugt sich über mich...) Stopp! Ich atme einmal tief durch und verfluche Uruha für diese Gedanken. Beschämt blicke ich auf Reita. Da hatte Uruha ihn wohl falsch eingeschätzt. (Leider.) Wie kann ich nur neben meinem besten Freund sitzen und Sexvorstellungen mit ihm haben? Ich fühle mich gerade ziemlich schmutzig und wenn mein AB nicht weiter blinken würde, würde ich jetzt wohl auch duschen gehen. Allerdings will ich keinesfalls riskieren, dass Rei in der Zeit aufwacht und die Nachrichten löscht. So wie ich ihn kenne – und ich kenne ihn gut! (vielleicht zu gut) – würde er das garantiert machen. Und da ich ihn so gut kenne, bin ich mir ziemlich sicher, dass die nächste Nachricht wieder von ihm sein wird. Sturer Idiot. „Nachricht 7" „Hey Schatz!“ Ich muss kichern, als ich Reitas Stimme höre. Weil ich mich freue, dass die Nachricht von ihm (!!) und nicht von unserem nervigen Gitarristen ist. Außerdem hat er mich noch nie Schatz genannt. Ist es eigenartig, dass mir das gefällt? Dass ich mir wünsche, dass er mich einmal nüchtern und ganz direkt so nennt? Dass er mich öfter so nennt? (Für immer?) „Kai ist so ein Spielverderber!! Der hat mich grad voll brutal vom Tisch geschubst. Gut, dass Aoi mich aufgefangen hat. Hast was gut bei mir, Aoi!“ Ich höre den Gitarristen im Hintergrund lautstark fluchen und zwischen all den Ausdrücken glaube ich zu hören, dass mein blonder Held auf dem Tisch das Gleichgewicht verloren hat und dann auf Aoi gefallen ist und weder „geschubst“, noch „aufgefangen“ wurde. „Dabei wollt ich doch nur allen den Abend versüßen und von deinem knackigen Hintern erzählen!! Keine Ahnung von Ähstketik. Nein…Ähstetikt! Keine Ahnung von Ästhetik, die Banausen“ Ich werde rot. Ok, dann hatte Uruha sich das scheinbar doch nicht ausgedacht. Tief durchatmen. Das ist keine große Sache. Er meinte nur, dass er meinen Hintern knackig findet. Kein Grund durchzudrehen. Er war eh total betrunken! „Hm… ich liebe deinen Hintern. Und deine Stimme! Und den Rest natürlich auch!“ Meine Hände verkrampfen sich um die Kaffeetasse. Interpretier da nichts rein, Ruki! (Er hat gesagt, dass er mich liebt!) Nein, hat er nicht! (Doch hat er!) Nein! Er… „Ich liebe dich, Ruki.“ Seine Stimme klingt verklärt. Betrunken. (Verliebt?) Das Piepsen signalisiert das Ende der Nachricht. Ich versuche Luft zu holen. Es gelingt mir nur bedingt. Alles dreht sich. Alles steht auf einmal still. (Steht auf einmal da, wo es hingehört.) Ich sehe zu Reita, aber dann gleich wieder weg. Ich kann ihn jetzt nicht anschauen. Mein Herz rast. Es fühlt sich so an, als würde ich gleich hier auf der Stelle (glücklich) sterben. Der AB blinkt immer noch. Das Abenteuer ist noch nicht vorbei. Wobei ich nicht weiß, was jetzt noch kommen sollte. Trotzdem lasse ich das Band wieder laufen. Vielleicht lenkt es mich ja ab. („Ich liebe dich, Ruki.“) „Nachricht 8“ „Löschen!“ Ich runzele meine Stirn. Verwirrung war schon immer die beste Ablenkung. „Löschen!“, höre ich Reita erneut rufen. „Löschen! Löschen! Nachricht löschen!!“ Ich klatsche mir die Hand gegen die Stirn. Glaubt der tatsächlich, dass mein AB sich so bedienen lässt? Obertrottel! Scheinbar hatte Reita das dann auch eingesehen, denn ein resigniertes Seufzen war zu hören. „Scheißteil… Ruha, wie komm ich von hier zu Ruki?“ „Nur die Straße entlang, du betrunkener Vollidiot“, antwortet der Gitarrist freundlich „Was willst du da? Deinen Schatz mit dem Knackarsch besuchen?“ „Nee, den AB vom Schatz mit dem Knackarsch“, ruft der Bassist, bevor er sich wieder dem Telefon zuwendet. „Nicht weglaufen AB! Ich bin gleich da und mach dich sauber!“ Als die Nachricht zu Ende ist, drücke ich gleich wieder auf das Gerät. Das wird jetzt Reitas letzte Botschaft sein. Allerdings kann ich mich schon ziemlich gut vorstellen, was jetzt kommt. „Nachricht 9“ „Hab ich dich AB! Ich kann dich sehn wie du da stehst und blinkst. Und hören kann ich mich auch!“ Der Bassist gluckste. „Wie lustig sich das anhört! Hallo Reita!“ Bei den letzten Worten sprach der Bassist mit einer verstellten Stimme und begann danach zu kichern. Ich stöhne entnervt. Ich kann mir wirklich bildhaft vorstellen, wie der Idiot in meinem Wohnzimmer steht und sich über seine eigene Stimme auf dem Aufnahmeband kaputt lacht. „Jetzt geht’s dir an den Kragen. Das, was ich gesagt hab, darf Ruki niemals erfahren. Niemaaaaals! Der hasst mich doch, wenn ich ihm sag, dass ich ihn liebe. Und das will ich ja nicht. Ich will ja das Gegenteil! Also… nicht, dass ich ihn hasse, sondern, dass er mich liebt. Aber das wird nicht passiereeeen!“ Den letzten Satz hatte der Bassist in einer Singsang-Stimme vorgetragen, bei der sich mir alles verkrampft. Und das lag nicht unbedingt an seiner Gesangsstimme. Er hatte sich bei den Worten traurig angehört. Und so sicher! Wie konnte er denn so sicher sein, dass er mit dieser Annahme Recht hatte? (Hatte er?? Denk nach Ruki! Hatte er Recht? Konnte er sich sicher sein? Kannst du dir sicher sein?) „Hier riecht‘s so gut nach ihm.“ Ich habe fast vergessen, dass die Nachricht noch nicht fertig ist. Reita hatte nach den letzten Worten ziemlich lange geschwiegen. „Und es ist so warm und alles so gemütlich. Und das Sofa.“ Ich kann ein leises Knarren hören. Wahrscheinlich hatte sich Reita in dem Moment auf die Couch gelegt. Sein wohliges Seufzen bestätigt meine Ahnung und bereitet mir dazu noch eine Gänsehaut. „Gemütlich hier“, seufzt es mir leise vom AB entgegen. Ich muss lächeln. Der Ältere hatte sich wirklich glücklich angehört. Ich kann noch ein paar ruhige Atemzüge hören und ein leises Flüstern, dass ich aber nicht verstehen kann. (Doch, du hast es verstanden!) Habe ich nicht! (Doch!) Ich bin mir aber nicht sicher! Vielleicht hab ich mich ja verhört! (Vielleicht. Du weißt aber, dass du es nicht getan hast!) Ich seufze und gestehe mir ein, dass sich das Flüstern schon ein bisschen… mit ganz viel Fantasie vielleicht… (Los!) wie ein weiteres „Ich liebe dich.“ angehört hat. Damit hätte er es zweimal direkt gesagt. Der schrille Ton des Wiedergabegeräts ist erneut zu hören. Zum neunten und somit auch zum letzten Mal. Die kalte Frauenstimme ertönt. „Ende der neuen Nachrichten.“ Plötzlich ist es schrecklich still. Nur noch ich und meine Gedanken. Und seine Stimme. (Ich liebe dich, Ruki) Ich sehe zu dem Blonden. Ein Teil von mir war sich eigentlich sicher, dass er wach sein und mich jetzt anstarren würde, als wolle er in mein Herz sehen. Doch das ist nicht der Fall. Der Bassist schläft. Er sieht schön aus. Es beruhigt mich, ihn so friedlich zu sehen. (Ich liebe dich, Ruki) Und plötzlich ist die Ruhe weg. Ich kann nicht mehr still sitzen. Rumhampeln kann ich in meiner jetzigen Position aber auch schlecht. So vorsichtig, wie es mir in meinem Zustand möglich ist, klettere ich über Reitas Beine. Als ich mit beiden Füßen wieder auf dem Wohnzimmerboden stehe, bewegt sich der Blonde plötzlich. Ich kriege Panik. Bitte, wach nicht auf. Nicht jetzt. Lass mir Zeit zum Nachdenken. Ich muss mir doch genau überlegen, was ich sagen muss, um unsere Freundschaft zu retten. (Oder daraus etwas Neues zu erschaffen?) Zu meinem Glück bleiben die Augen des Bassisten verschlossen. Er gibt lediglich ein schmatzendes Geräusch von sich und einen zufriedenen Seufzer. Schön, dass wenigstens einer von uns so gelassen mit der Sache umgehen kann. Trotzdem will ich mein Glück nicht weiter strapazieren und schleiche in die Küche. Das Denken fällt mir sicher leichter, wenn ich nicht mit ihm im selben Raum bin. Ich schenke mir von dem Kaffee ein, den ich vor einer gefühlten Ewigkeit gekocht habe. Nach dem ersten Schluck entscheide ich mich für Tee. Dann für Orangensaft. Angespannt sitze ich auf meinem Küchenstuhl und starre das Glas vor mir an. Tief durchatmen und dann Konzentration. Am besten gehe ich alles durch. Schritt für Schritt. (Ich liebe dich, Ruki) Schritt für Schritt. Es könnte doch sein, dass Reita seine… Aussage gar nicht ernst gemeint hatte. Schließlich war er betrunken gewesen. Sehr stark betrunken. Seeeeehr stark. Woher soll ich also wissen, dass er‘s überhaupt ernst gemeint hat? (Du weißt es. Du spürst es. Du weißt es.) (Ich liebe dich, Ruki) Nochmal durchatmen. Nochmal mit Logik. Reita ist eigentlich niemand, der im betrunkenen Zustand anfängt Unwahrheiten auszuposaunen. Er ist ein ehrlicher Mensch. Egal in welchem Zustand. (Eine gute Eigenschaft für einen festen Freund, oder? Oder??) Außerdem hatte er ES ja nicht nur einmal gesagt, sondern gleich des Öfteren. Und wenn es nichts bedeuten würde, hätte er auch nicht den Versuch unternommen, die Nachrichten zu löschen. Dann hätte er sich einfach nichts dabei gedacht und feucht-fröhlich weitergefeiert. Wenn meine Vermutungen stimmen, heißt das, dass er nicht gelogen hat. Das bedeutet, dass Reita die Wahrheit gesagt hat. (Ich liebe dich, Ruki.) Und die Schlussfolgerung daraus wäre dann,… …, dass Reita mich liebt. … Er liebt mich. … Reita liebt mich. Eine Einsicht, die wie ein Blitz mein Rückenmark entlangfährt, um sie schnellstmöglich zu verbreiten. Mir wird ganz heiß. Scheinbar versucht sich diese Tatsache gerade in jede Faser meiner Körpers einzubrennen. Dabei will ich das doch gar nicht! Vielleicht will ich ja lieber vergessen! (Das kannst du aber nicht und willst eigentlich auch gar nicht.) Ich springe vom Stuhl auf. Alles zieht, alles kribbelt, alles ist in Bewegung. Nichts ist mehr so, wie es war. Ich sprinte zur Spüle und fülle mir ein Glas mit kaltem Wasser ein, das ich auf einen Zug leere. Ich weiß nicht, was ich sonst gegen diese Hitze unternehmen soll. Reita liebt mich. Noch ein Glas. Wäre es nicht so früh, hätte ich vielleicht zu Alkohol gegriffen. Aber eigentlich hat mich das Zeug ja erst in diese Lage gebracht. (Ich liebe dich, Ruki.) Was ist nur meine Antwort darauf? Ich habe keine Ahnung. (Du hast viel mehr als nur eine „Ahnung“.) Ich weiß es nicht. (Du weißt es! Trau dich!) Nein! Ich weiß es nicht, verdammt!! Ein Geräusch aus dem Wohnzimmer. Oh Gott, das heißt nichts Gutes. Schritte. Ganz eindeutig. Nein verdammt!! Leg dich sofort wieder hin! Ich bin hier noch nicht fertig! Ich kann dir jetzt noch nicht gegenübertreten. Noch nicht! Ich… „Morgen.“ „Morgen“, erwidere ich der verstrubbelten Gestalt vor mir. Reitas Haare stehen in alle Richtungen. Dafür hätte unser Stylist Stunden gebraucht! Sein Oberteil ist zerknittert und das Gesicht noch richtig zerknautscht. Die Augen sind gerade weit genug offen, um die Kaffemaschine neben mir orten zu können. Er kommt langsam in meine Richtung geschlurft und ich habe das Gefühl, dass ich meiner Antwort mit jedem seiner Schritte näher komme. Bilder schießen mir durch den Kopf. Doch dieses Mal versuche ich nicht sie auszublenden, sondern lasse es einfach geschehen. (Ich mache ihm Kaffee. Umarme ihn und lasse ihn zerknautscht, wie er eben ist, vor sich hin murren. Ein Guten-Morgen-Kuss. Seine ersten Worte des Tages richten sich an mich. Sein erstes Lächeln ist nur für mich bestimmt. Jeden Morgen. Jeden Tag.) Sehr verlockende Bilder. (Du kannst etwas dafür tun, dass es nicht nur Bilder bleiben! Trau dich!) „Du hast mir Kaffee übrig gelassen?“ Ich blicke den Grund meiner Tagträume verwirrt an. Um mir seine Worte zu verdeutlichen, hebt Rei die Kanne in die Höhe. „Ähm… ja“, antworte ich intelligenterweise. Kann ihm ja auch schlecht sagen, dass ich zu sehr mit seinen Nachrichten beschäftigt war, um mich auch noch mit Koffein vollzupumpen. „Den Service bin ich ja gar nicht gewohnt“, schmunzelt er und zieht sich eine Tasse aus dem Schrank. Er kennt sich hier aus. Fast als wären wir (schon) ein Paar. „Im Hotel Ruki ist der Gast König“, antworte ich geistesabwesend, woraufhin Reita rau auflacht und mir auf die Schulter klopft, bevor er sich an meinen Küchentisch setzt. Wieso fühlt sich das alles so anders an? (Tut es das wirklich?) Wieso erwärmt selbst dieses raue, bellende Lachen mein Herz? Wieso war mir dieses kurze Schulterklopfen zu wenig? Es hatte mir doch früher ausgereicht, oder? (Oder lag es daran, dass du einfach nicht wusstest, dass du noch mehr haben konntest?) Allerdings gibt es eine Tatsache, die mich noch viel mehr verwirrt. Genau genommen stört sie mich richtig. Ich kenne Rei schon lange genug, um ihm anzusehen, wenn er etwas verheimlicht. Doch da ist nichts. Er tut nicht nur so, als hätten seine Anrufe nie stattgefunden – er weiß es wirklich nicht mehr. Ich setzte mich gegenüber und blicke ihn tief in die (wunderschönen) Augen. Vielleicht gibt er sich heute besonders viel Mühe beim Verheimlichen. Allerdings lächelt er mich nur unschuldig an und widmet sich dann wieder seinem Kaffee. Ich lehne mich nach hinten und muster ihn weiter, bis ich zu dem Ergebnis komme, dass er tatsächlich nicht nur den Ahnungslosen spielt. Er IST der Ahnungslose! Und weiter? Eigentlich wäre das jetzt die passende Gelegenheit, um das Thema zu vergessen. Wir könnten zusammen frühstücken, er würde nach Hause gehen, ich würde die Nachrichten löschen und wir würden weiterleben, wie bisher. Und das war doch auch das, was ich wollte, oder? (Nein!) Das würde alles viel einfacher machen… (Nein!) Und es sollte doch alles bleiben, wie bisher. Oder? (Nein!) Oder? Nein. „Ruki? Bei dir alles okay?“ Ich sehe zu Reita, der mich fürsorglich mustert. Und ich nicke. Alles okay. Sogar mehr als das. Vielleicht. Hoffentlich. Wieder kribbelt alles. „Also, wie war’s gestern?“ „Ach, war eigentlich ganz lustig. Wir haben noch Alice nine. getroffen und uns auf Kosten der Company volllaufen lassen.“ „Ja, ich weiß.“ Ich versuche mein Lächeln so gut es geht zurückzuhalten, während Reita mich verwundert anschaut. „Woher weißt du das?“, fragt der Blonde und ich habe das Gefühl, dass ich gleich explodiere. Wann erinnert sich der Idiot denn endlich wieder? Naja, der Blonde hatte schon immer eine lange Leitung. Sein Glück, dass er so (wahnsinnig) gut aussieht. „Du hast mir ein paar nette Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen.“ „Echt? Gleich mehrere?“ „Neun. Also… eine davon ist von Uruha. Also sind von dir acht. Acht Nachrichten.“ Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Erinnere dich endlich! Ich starre ihn an und versuche seine Erinnerung durch Telepathie aufzufrischen. Doch da ist noch etwas anderes, was anfängt in mir zu wüten. (Sag endlich, dass du mich liebst!) Reita schenkt mir einen verwirrten Blick und scheint über seine gestrige Tat doch verwundert. (Sag es!) Eine seiner blonden Strähnen fällt ihm ins Gesicht, während er seinen Kopf leicht zur Seite neigt. Er leckt sich gedankenabwesend einen Kaffeetropfen vom Mundwinkel. Und während ich mir noch überlege, wie es wohl wäre, diese wunderschönen Lippen in Beschlag zu nehmen, entgleisen ihm plötzlich sämtliche Gesichtszüge. Die schönen braunen Augen sind weit aufgerissen und ich sehe, wie sich jeder Muskel in Reitas Körper anspannt. Sie ist da. Die Erkenntnis. „Oh Gott.“ Seine Stimme ist leise. Er sieht danach aus, als wär er gerade Augenzeuge eines schlimmen Autounfalls geworden, was mich doch ein bisschen kränkt. Trotzdem sage ich Nichts. Reita rauft sich mit einer Hand die Haare und stößt einen gequälten Seufzer aus. „Nein, das kann nicht sein. Nein, nein, nein…“ Erst jetzt richtet er seinen Blick auf mich. Ich sehe in seinen Augen eine Angst, die mir die Kehle zuschnürt. „Ich wollte es dir gar nicht sagen! Und wenn, dann garantiert nicht so. Betrunken und auf deinen Anrufbeantworter. Das ist erbärmlich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie peinlich mir das ist und wie sehr mir das leid tut.“ Es tut weh zu sehen, wie schrecklich er sein Geständnis findet. Hätte er die Möglichkeit, das Gesagte rückgängig zu machen, würde er es sicher auf der Stelle tun. (Aber das will ich nicht.) Nein, das will ich nicht. (Weil…) Weil ich ihn auch liebe. Es ist komisch diese Worte das erste Mal zu denken. Bewusst zu denken! Nichts, was mir mein Unterbewusstsein (schon seit Ewigkeiten!!) entgegenbrüllt, aber was ich dann sofort wieder verdränge. Es ist ein klarer Gedanke. Der einzige, der gerade im meinem Kopf ist und vielleicht auch der einzige, der es je wirklich wert war, gedacht zu werden. Ich habe schon so viele meiner Gedanken in Worte umgeformt, doch nie wollte einer so dringend mitgeteilt werden wie dieser. Alles, was wirklich zählt. Ich liebe ihn. Leider scheint der Blonde mein Schweigen nicht interpretieren zu können, denn er will schon zur nächsten Entschuldigung ausholen. Dieses Mal unterbreche ich ihn. „Es gibt nichts, was dir leid tun müsste, Reita“, sage ich ruhig, aber in mir brodelt es gefährlich. Der Blonde stockt. „Wirklich nicht?“, fragt er verwirrt. „Wirklich nicht“, antworte ich. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um ein dämliches Grinsen zu unterdrücken. Reita scheint so langsam zu verstehen. „Heißt das, dass du…“, er bringt den Satz nicht zu Ende. Vielleicht traut er sich nicht die Worte auszusprechen, was ich gut verstehen kann. Es ist alles so neu. So ungewohnt. Aber er muss es auch nicht sagen. Also nicke ich nur, während ich ihm tief in die Augen schaue. Er soll wissen, dass es die Wahrheit ist. Und ich bin so froh, dass ich ihn dabei ansehe, denn diesen Anblick möchte ich nicht missen. All die Zweifel verlassen seine Gesichtszüge. Zurück bleiben nur strahlende Augen, ein breites Lächeln, Glück, Zuneigung, Liebe. Auch ich lasse meine Mundwinkel endlich nach oben wandern und noch mehr. Aus reinem Impuls beuge ich mich über meinen kleinen Küchentisch und fange die Lippen meines besten Freundes mit meinen ein. Reita schmeckt nach Kaffee und mir wird bewusst, dass ich jetzt doch den Guten-Morgen-Kuss bekomme, über den ich vorhin nachgedacht habe. Langsam löse ich mich von ihm. Verträumte Augen funkeln mir entgegen und ich öffne den Mund. Ich will ihm endlich sagen, dass ich für ihn das Gleiche empfinde. Ich will ihm sagen, dass ich ihn liebe. Es ist so wunderschön nicht mehr gegen mein Unterbewusst ankämpfen zu müssen. Ich bin bereit dazu. Ich bin bereit dafür, mich von diesem Gefühl wegtragen zu lassen, ganz egal, wohin es mich am Ende bringt. Solange nur Reita an meiner Seite ist. „Rei, ich lie…“ „Warte.“ Geschockt sehe ich meinem Gegenüber an. Oh nein. Nein, nein, nein. Das soll jetzt wohl ein Scherz sein. Ich falle zurück auf meinen Stuhl und versuche mich nicht von den Horrorszenarien überrollen zu lassen, die sich gerade in meinem Kopf bilden. Erst als Reita meine Hand ergreift, verschwinden die dunklen Bilder vor meinen Augen. „Ich weiß, was du sagen willst und du kannst dir nicht vorstellen, wie lange ich die Worte schon von dir hören wollte“, gibt der Blonde zu. „Aber nicht so! Das lausige Liebesgeständnis übers Telefon ist schon schlimm genug. Dann möchte ich mich wenigstens beim zweiten nicht fühlen, wie ein Stück Scheiße und wahrscheinlich genauso riechen.“ Ich musste bei der Anmerkung grinsen und auch Reita lächelte mich leicht an. „Lass mich nach Hause gehen, mich duschen, frische Klamotten anziehen und eine Aspirin schlucken. Und dann können wir genau dort weitermachen, wo wir gerade aufgehört haben.“ Um ehrlich zu sein gefällt mir sein Vorschlag gar nicht. Ich würde ihm gerne sagen, dass es mir egal ist, dass er nach Rauch und Alkohol riecht oder Kopfschmerzen hat. Die kann ich sicher wegküssen. Aber ich sehe in seinen Augen, wie ernst er die Bitte meint. Als er jetzt noch meine Hand an sich zieht und meinen Handrücken sanft küsst, kann ich nicht anders als mich zu ergeben. „Gut, dass du das sagst, denn das Gleiche wollte ich dir auch vorschlagen“, antworte ich mit gespielt zickiger Stimme. „Du stinkst wie ein verrotteter Tierkadaver, also mach dass du nach Hause kommst, bevor sich der Geruch in meinen teuren Möbeln festsetzt!“ Der Ältere lacht auf. Er weiß, dass ich es nicht ernst meine. Er war schon immer gut darin, die echte Bedeutung hinter meinen Worten zu entdecken. Vielleicht konnte er die Stimme meines Unterbewusstseins manchmal besser hören als ich. Er erhebt sich von seinem Platz, umrundet den Tisch und beugt sich dann zu mir, um mich liebevoll auf die Stirn zu küssen. „Danke“, flüstert er mir leise zu. Ich kann nicht anders, als mich am Saum seines Shirts festzukrallen und erneut zu seufzen. Er riecht überhaupt nicht nach Tierkadaver und ich würde es lieben, wenn meine ganze Wohnung seinen Duft aufsaugen würde. Nur widerwillig lasse ich ihn los. „Geh schon, bevor ich‘s mir noch anders überlege“, murmel ich ihm zu. Er löst sich von mir und nickt mir noch ein letztes Mal lächelnd zu, bevor er seinen restlichen Kaffee in einem Zug austrinkt. Ich begleite ihn bis zu meiner Küchentür und kann nicht anders als ihm noch ein „Beeil dich!“ zuzurufen, als er meine Wohnung verlässt. Ich stehe noch eine Weile im Türrahmen und überlege mir, was ich machen soll. Ich habe das Gefühl, ich werde jeden Moment platzen, wenn ich nichts unternehme. Mein Blick bleibt auf meinem Telefon im Wohnzimmer hängen. Soll ich… (Mach!) „Ich bin schon dabei“, murmel ich mir selbst zu, während ich in mein Wohnzimmer eile und grinsend den Telefonhörer greife. Das Telefon klingelt, doch keiner reagiert. Nach einer Ewigkeit springt endlich der Anrufbeantwortet an. Die Stimme des Wohnungsbesitzers ist auf dem Band zu hören, wie sie einen Standardtext herunterleiert. Auch jetzt geht niemand ans Telefon und unterbricht die Ansage. Natürlich nicht. Reita wird noch 17 Minuten brauchen, bis er seine Wohnung erreicht. Es wird 20 Minuten dauern, bis er das rote Lämpchen blinken sieht und es dann ignoriert, weil er damit rechnet, dass es nur Uruha sein wird, der sich über seinen Kater lustig machen will. 5 Minuten später wird ihm ein anderer Gedanke kommen und er wird die Nachricht doch abhören. Er wird froh sein, sich so entschieden zu haben. „Sie haben 1 neue Nachricht“ „Hey Rei! Nette Ansage übrigens. Im Gegensatz dazu klingt meine ja fast noch freundlich. Ich weiß, dass du dich erst zu Hause für mich hübsch machen willst und das respektiere ich natürlich auch. Aber hey, gleiches Recht für alle, oder? Also… Ich liebe dich auch.“ „Ende der neuen Nachrichten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)