Kagome unter Anklage von Hotepneith (Der 32 und letzte Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 1: Diebe im Schloss --------------------------- Inu Yasha ging schweigend vor Kagome und Shippou her. Das hatte durchaus mehrere Gründe. Heute Morgen hatte sich Miroku von der Gruppe getrennt, er wollte eine alte Bekannte besuchen. Sango hatte erklärt, sie werde ihn begleiten, da die Gegend hier so einsam und gefährlich sei. Der Halbdämon hatte trotz Witterung keine Gefahr bemerkt und das auch gesagt - was ihm von Kagome ein „Mach Platz“ eingetragen hatte. Als die Beiden verschwunden waren, hatte sie noch etwas von wegen, er sei ein Holzkopf, wie er das der armen Sango antun könne, gesagt. Wieso nur? Hier war keine Gefahr. Mädchen waren schon wirklich eigenartig. Und das Merkwürdigste daran war, dass sie sich ohne Worte zu verstehen schienen. Gab es da eine Geheimsprache? Warum sollte Sango denn mit Miroku weggehen, obwohl gar keine Gefahr da war, das aber sagen? Wer sollte sich denn da auskennen? Wenn er selbst Kagome begleiten wollte, in ihre Zeit, war sie immer dagegen. Miroku sollte es dann nicht sein? Es war einfach schwer, durch diese ganzen Gefühle durchblicken zu können, die Menschen so hatten. Ob er das besser verstanden hätte, wenn er länger unter ihnen hätte leben können? Er sah zu den Gipfeln am Horizont. Heute vor so langer Zeit war seine Mutter gestorben. Und er dachte immer noch daran. Ob er diesen Tag je anders empfinden konnte? Damals, als Myouga ihm erklärt hatte, wie er sich diesen Tag merken konnte, war er sogar froh gewesen. Mama. Er hatte sie so schrecklich vermisst.   Er blieb stehen, und betrachtete ein wenig erstaunt das weite Tal unter sich. „Was ist?“ Kagome kam zu ihm. „Ein Schloss? Hier in dieser Einöde?“ „Ein seltsames Schloss. Aber da sind keine Dämonen.“ Inu Yasha betrachtete die quadratische, hohe, Mauer, die das Anwesen umgab und an den vier Ecken durch zusätzliche Türme abgesichert wurde. „Und gegen Menschen hilft wohl die Mauer.“ „Ja. Aber der Baustil ist sehr … wie ein Gefängnis.“ Aber wer wusste schon, vor was sich Menschen hier schützen wollten – und mussten. „Ich kenne keines.“ Aber die Mauer war wirklich sehr hoch darum. Von hier oben konnte man die Gebäude deutlich erkennen, die in U-Form gebaut waren. Gegenüber dem Haupttor lag eindeutig das eigentliche Schloss, daran im rechten Winkel nach hinten angrenzend schien ein kleineres Haus zu sein, dem ein langgezogener, niedriger Trakt folgte. Auf der dritten Seite, gegenüber dem Haupthaus, befand sich ebenfalls ein Wirtschaftsgebäude, wohl Stallungen und Zimmer für Diener und Samurai. Auf der vierten Seite des offenen Zentralhofes lag eindeutig ein angelegter Garten. Dutzende von Lichtern wurden im Hof angezündet. „Da scheint ein Fest vorbereitet zu werden“, meinte Shippou begeistert. „Ob wir dahin können?“ „Wir sind nicht eingeladen.“ Kagome zuckte ein wenig die Schultern: „Obwohl ich schon gern unter einem Dach schlafen würde. Die Wolken ziehen sich so zusammen.“ Sie setzte sich in Bewegung. „Warte, Kagome!“ „Was ist denn, Inu Yasha? Jetzt komm schon. Fragen kostet doch nichts.“ Warum nur verstand sie nicht. „Sie lehnen uns ab, da bin ich sicher. Ich meine, du … und Sango oder Miroku … aber ich…“ Sie drehte sich erstaunt um. „Wir haben doch öfter schon in Dörfern geschlafen, auch in Schlössern, da hat es nie etwas ausgemacht, dass du ein Halbdämon bist. Jetzt komm schon.“ Er ging hinterher. Das stimmte, aber er hatte eigentlich immer angenommen, dass sei, weil seine Freunde eben dabei waren.   Minuten später hielten die Drei vor dem großen Schlosstor, dessen Flügel noch offen standen. Von hier aus konnte man nur das eigentliche Schloss und rechter Hand den Garten erblicken. Vier Samurai versperrten den Weg. „Guten Abend“, meinte Kagome höflich. „Dürfen wir heute Nacht Unterkunft im Schloss finden? Es wird sicher regnen.“ Der Blick des Anführers glitt von dem kleinen Fuchsdämon zu Inu Yasha, der ihn seinerseits musterte. „Du schon, Kleine. Aber diese Sorte ist nicht erwünscht.“ „Welche Sorte?“ „Dämonen.“ „Das hier ist ein Fuchskind, eine Waise. Und das ist ein Halbdämon.“ „Verschwindet.“ Na, bitte, dachte Inu Yasha. Ein menschliches Schloss, so abgelegen, hatte sicher schon genug Ärger mit Dämonen gehabt um weiteren vermeiden zu wollen. Er wandte sich um. „Keh! Komm, Kagome. Wir finden schon etwas anderes.“   „Wartet!“ Die drei Reisenden drehten sich auf diesen Befehl um. Ein sehr vornehm gekleideter Mann war zum Tor gekommen, vermutlich der Schlossherr. Er sah zu seinen Samurai. „Ich bin erstaunt, Fukuro, dass du den Anlass unseres Festes vergessen hast.“ Der Anführer der Wachen verneigte sich eilig tief. „Verzeiht mir, edler Fürst Kanouchi.“ Kagome verneigte sich etwas. „Dann dürfen wir über Nacht hier bleiben, edler Fürst?“ Der hatte schließlich hier das Sagen. Sie hatte keine Ahnung davon, wie wichtig eine Angelegenheit sein musste, dass ein Fürst zu Fuß auch nur in seinem Schloss unterwegs war, geschweige denn im Hof. „Meine Familie feiert alle fünfzig Jahre dieses Fest, um an einen Dämon zu denken, der einst den Clan vor dem Untergang bewahrte. Es erscheint mir unziemlich Gäste an einem solchen Abend zurückzuweisen, nur weil sie aus seiner Gattung sind. Seid meine Gäste, nehmt am Empfang teil. Fukuro wird euch sagen, wohin ihr gehen sollt.“ Fürst Kanouchi drehte sich um, sicher, dass sein Befehl befolgt würde. Er hatte heute Abend viele Gäste und wollte überprüfen, ob keiner seines Clans sich blamieren würde. Fukuro hatte er soeben davon abgehalten. Kagome sah fragend zu dem Anführer der Wachen. „Und nun?“ „Ein Fest zu Ehren eines Dämons?“ Inu Yasha kam wieder heran. „Ungewöhnlich“, erklärte auch Shippou, ohne sich aus Kagomes Armen zu befreien. „Dieser mächtige Dämon rettete einst den Clan und gab ihm dieses Land.“ Fukuro wandte sich um. „Der Empfang, den der edle Fürst meinte, wird dort in der Halle hinter dem Schloss stattfinden, das ist das Gebäude zwischen Schloss und Küchentrakt. Die meisten Gäste sind schon anwesend.“ Diese Empfangshalle war also das kleinere Haus in rechtem Winkel neben dem Hauptgebäude, das sie vom Berg aus gesehen hatten. So gingen sie rechts um das Schloss, den breiten Weg, rechts den Garten, links das Wohngebäude passierend, über den sandgestampften Hof.   „Ein Fest zu Ehren eines Dämons!“ wiederholte Inu Yasha. „Das ist bestimmt einmalig. Na, egal. Es riecht schon gut nach Essen und…“ „Was?“ Kagome war alarmiert, als er stehen blieb. Gab es hier doch nicht nur Menschen? „Da sind in der Halle sicher gut hundert Menschen, und alle haben sich parfümiert.“ Er rieb sich über die Nase. „Nein, da kann ich nicht reingehen.“ „Du kannst doch nicht den Fürsten beleidigen, in dem du seine Einladung ablehnst.“ „Ich halte das da drin nicht aus, Kagome. Das ist hier schon schlimm genug. Geh du nur. Und bring mir nachher was zu essen mit.“ Sie wusste aus Erfahrung, dass seine Hundenase viel empfindlicher, als die eines Menschen war. „Na schön. Aber du kommst mit, Shippou?“ Der kleine Fuchs nickte eifrig. „Ja.“ Schon, um zu demonstrieren, dass er sie nicht wie dieser Halbdämon im Stich lassen würde und erwachsener wäre. „Wo bist du denn dann, Inu Yasha?“ erkundigte sich das Mädchen. „Ich weiß nicht.“ Er sah sich um. „Ich finde dich schon, wenn dieser Empfang vorbei ist.“ So groß war das Schloss ja nun auch nicht.   So ging sie allein mit dem kleinen Fuchs in den Armen weiter. Als sie die Halle betrat, bekam sie eine Ahnung davon, was der Halbdämon gemeint hatte. Sicher hundert Menschen waren anwesend, die angezündeten Kerzen raubten gleichzeitig den Sauerstoff. Aus einer Durchreiche an der linken Wand holten Diener Platten und Teller aus der Küche, bauten sie auf einem langen Tisch für die Gäste auf. Selbst für ihre menschliche Nase war die Luft hier dick und sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass das für den Halbdämon noch schlimmer gewesen sein musste. Da die anderen Gäste sich aber bereits am Essen bedienten, ging auch sie hinüber. Trotz ihrer seltsamen Kleidung und dem kleinen Fuchs auf der Schulter sprach sie niemand an – oder vielleicht auch deswegen. Sie nahm sich Reisbällchen, überlegte dabei, was sie wie Inu Yasha mitbringen konnte. Vermutlich musste sie einfach einen Diener nach einem leeren Tablett fragen. So rasch es ging, wollte sie jedenfalls aus dieser Halle raus.   Der Halbdämon hatte sich in den Garten zurückgezogen. Hier roch es deutlich besser für seine empfindliche Nase. Blühende Hortensienbüsche umsäumten seinen Sitzplatz. Hortensien…Brennend stieg in ihm eine Erinnerung auf, an andere blühende Hortensien, eine Frau, die liebevoll die Arme um ihn legte … Mutter! Wie lange war es nun schon her? Heute war wieder einer der Todestage, an denen er nicht an ihrem Gedenkstein war, Blumen für sie pflücken konnte. Aber sie hatte dafür sicher Verständnis, hatte es immer gehabt.   In Gedanken versunken hörte er in der Halle den Gong, der ankündigte, dass der Fürst Kanouchi erschienen war, nun wohl eine Rede zur Begrüßung der Gäste halten wollte. Jemand lief eilig und bemüht leise hinter ihm über den Hof, ohne dass er das bewusst wahrnahm. Seine Gedanken waren weit in der Vergangenheit, und selbst, als ihm seine Nase melden wollte, Kagome sei irgendwo dort, registrierte er es nicht wirklich, zu bestrebt das Brennen in den Augen zu unterdrücken.   Erst, als Alarm geblasen wurde, Samurai liefen, Menschen schrien, sprang er auf. Was war nun passiert? Der Hof schien einem aufgewirbelten Ameisenhaufen zu ähneln. Mit einigen Sätzen rannte er hinzu, drängte sich durch, wo er Kagome wittern konnte. Als er sie sah, stutzte er, wurde sie doch von Samurai festgehalten. Shippou saß verwirrt zu ihren Füßen und wusste offenbar nicht, was er tun sollte. „Kagome! Was ist hier los?“ Sie atmete unwillkürlich auf. „Inu Yasha, wo warst du nur? Ich habe dich überall gesucht.“ „Im Garten. Lasst sie sofort los!“ „Das werden wir sicher nicht tun“, erwiderte Fukuro. „Diebe, die sich hier einschleichen...“ „Keh! Lass sie los! Diebe, was soll der Unsinn?“ „Jemand hat den Schatz des Fürsten gestohlen“, sagte Kagome. „Und jemand sah, wie ich den Empfang verließ.“ „Ja, und? So ein Blödsinn!“ Er legte die Hand an Tessaiga. „Lasst sie sofort los, oder …“ „Nein, Inu Yasha!“ meinte sie eilig. „Es ist ein Missverständnis. Und das können wir klären. Du kannst hier nicht einfach Menschen töten!“ „Nicht ohne Kampf,“ bestätigte Fukuro. „Wir werden klären, ob es ein Missverständnis ist“, sagte der Fürst, der gerade herangekommen war, und vor dem die Schar der Neugierigen wie eine Welle zurückwich. „Natürlich!“ fauchte Inu Yasha. „Lasst sie sofort los!“ „Du scheinst nicht einmal davon auszugehen, dass auch du unter Verdacht stehst.“ Ein Mann trat neben den Schlossherrn. „Edler Fürst, ich lasse diese Beiden einsperren und befragen, wohin sie Euren Schatz gebracht haben.“ „Nein, mein lieber Burgvogt.“ Fürst Kanouchi betrachtete den Halbdämon ein wenig nachdenklich, nicht zuletzt, da dieser noch immer die Hand am Schwertgriff hatte. „Recht muss Recht bleiben. Und ich werde niemals jemanden ohne Gerichtsverhandlung bestrafen. Zumal an dem Ehrentag des Retters unseres Clans, des mächtigen Inu no Taishou.“ Kagome atmete ein wenig auf. Gerichtsverhandlung klang schon mal nicht so schlecht. Dann begriff sie den zweiten Teil des Satzes. „Inu Yasha? Das war doch dein Vater, oder?“ „Glaub nicht, du Diebin“, fuhr Fukuro auf. „Dass du mit solchen Lügen hier Eindruck schinden kannst.“ „Es ist keine Lüge“, sagte der Halbdämon. „Aber das ist auch egal. Sie ist keine Diebin.“ „Nein, es ist keine Lüge.“ Der Fürst musterte ihn nochmals. „Mir wurde seit Kindheit erzählt, dass der Inu no Taishou weiße Haare und goldene Augen hatte. Und dies ist ein Halbdämon. Nun gut, Inu Yasha, war Euer Name?“ Er wurde merklich höflicher. „Ich gehe davon aus, dass Ihr so ehrbar wie Euer verehrter Vater seid. Ihr seid sicher nicht der Dieb. Ihr werdet demnach Eure Begleiterin bei der Gerichtsverhandlung in zwei Tagen verteidigen wollen. Ich erlaube Euch Euch im Schloss umzusehen. Wenn Ihr herausfindet, wer der Dieb ist, soll es mir Recht sein. Ich möchte den Dieb bestrafen und meinen Schatz zurück, nicht irgendjemanden verurteilen.“ Inu Yasha als Verteidiger? Kagome schluckte ein wenig, sich durchaus nicht sicher, was sich an ihrer Lage soeben verbessert hatte. „Danke, edler Fürst, aber…“ „Keh!“ machte der Halbdämon. „Ich werde alles tun, um dich da rauszuholen.“ „Alles, Lord Inu Yasha?“ sagte jemand auf seiner Schulter. „Das ist gut.“ „Myouga?“ Ein wenig fassungslos sah der so unerwartet Angesprochene zu dem alten Flohgeist. „Was machst du denn hier?“ „Ich wollte Euch besuchen. Aber nun ist es gut, dass ich da bin. Übernehmt nur die Verteidigung. Rein zufällig ist der beste Ermittler Japans in der Nähe. Wenn der den Fall übernimmt, ist Kagome sicher gleich wieder frei. Ihr müsst ihn nur aufsuchen und fragen.“ Inu Yasha dachte kurz nach. Er hatte noch nie jemand verteidigt und nicht die geringste Ahnung, wo er anfangen sollte nach dem wahren Täter zu suchen. Andererseits: jemanden um Hilfe zu bitten war auch nicht so seine Sache. „Wo war denn der Schatz eigentlich?“ fragte er, um ein wenig Zeit zu schinden. „Dort.“ Der Fürst blickte zu dem Küchentrakt. Ein eigenartiger Platz. Nun gut. Er sah zu Kagome. „Ich gehe dann mal kurz weg und suche diesen tollen Ermittler, den Myouga kennt.“ Sie nickte. Zum Glück schien der Fürst wirklich ehrenhaft handeln zu wollen. Sie war sicher, hätte sie es Inu Yasha nicht verboten, hätte er sich ihren Weg hier heraus freigekämpft. So würde er bestimmt eher die Verhandlung abwarten. Es musste doch bis dahin herauskommen, wer der Dieb gewesen war, oder auch nur, wo der Schatz versteckt war. Anscheinend hatte ja niemand das Schloss verlassen. Myouga würde Inu Yasha sicher helfen, und womöglich auch dieser Ermittler, den der Floh kannte. Für einen Augenblick stieg in ihr die Vorstellung von einem Flohgeist mit Cape und Pfeife auf. Sherlock Flohmes…Sie musste trotz ihrer Lage über diese Vorstellung lachen. „Du bleibst im Schloss!“ sagte der Burgvogt prompt. „Nein.“ Fürst Kanouchi nickte. „Ich bin sicher, er kommt zurück. – Öffnet dem Sohn des Inu no Taishou das Tor.“ Er sah dem Halbdämon nach, als der mit einigen Sprüngen den Hof verließ. Es war sicher besser so, als wenn dieser mit seinen Samurai kämpfen würde. „Nun gut. Bringt das Mädchen in das Gefängnis.“ Er blickte zu Shippou. „Und den Fuchs dazu.“ Das war noch ein Kind, aber Fuchsdämonen galten als geborene Lügner, Betrüger und Diebe. Der Kleine sprang in Kagomes Arme, als sie losgelassen wurde. „Das geht doch nie gut“, sagte er leise. „Ich denke mal, Myouga hilft Inu Yasha. Und dieser befreundete Flohgeist auch. Es wird schon alles gut.“ Sie folgte den Samurai.   Der Halbdämon blieb stehen, als Myouga sagte: „So. Dort vorne auf dem Felsvorsprung ist er. Ich kenne keinen besseren Ermittler, das schwöre ich Euch, Lord Inu Yasha ...“ Der Halbdämon ignorierte, dass Myouga verschwand, und machte einen weiten Sprung nach vorne – nur, um zu erstarren, als er eine allzu vertraute Witterung in die Nase bekam. Er kannte das lange, weiße Haar, das Fell um die Schulter geschlungen, die ruhige Stimme, die fragte: „Was führt dich her, Inu Yasha? Todessehnsucht?“   Kapitel 2: Auftritt des Verteidigers ------------------------------------ „Sesshoumaru?“ Inu Yasha konnte es nicht fassen, zumal der sich umdrehte und ihn musterte, eine Hand bereits in der Höhe des Schwertgriffs, immerhin noch nicht darum. „Doch, Lord Inu Yasha,“ beteuerte der kleine Flohgeist eilig und sprang wieder wohlweislich auf dessen Schulter. Er kannte den Hundedämon seit der Zeit, als der ein kaum metergroßer Welpe gewesen war, und konnte sich dessen Stimmungslage mühelos vorstellen. Mörderisch war vermutlich noch untertrieben. Das hatte er selbst nun davon, seinem Auftrag nachkommen zu wollen und den Jungen zu unterstützen. „Lord Sesshoumaru hat noch jeden Mordfall gelöst, den Euer erhabener Vater ihm auftrug. Nicht wahr?“ wandte er sich an den älteren Halbbruder, der sich nicht bewegte. „Und dieser Fall ist so verzwickt, Lord Inu Yasha, dass Ihr den besten Verteidiger brauchen könnt.“ „Myouga“, sagte Sesshoumaru kühler als der Schnee auf dem Gipfel des Fuji, jedoch mit aller einem Dämonenfürsten ziemenden Selbstbeherrschung. „Ich werde niemanden verteidigen und schon gar keinen Fall übernehmen.“ „Kagome ist angeklagt“, meinte Inu Yasha mehr ehrlich als verhandlungstechnisch geschickt. „Sie soll den Schatz des Fürsten Kanouchi gestohlen haben.“ „Was interessiert mich dein Menschenweib? Bist du darum gekommen?“ „Ja, na ja…“ Der Halbdämon warf einen wütenden Blick zu seiner Schulter. „Ich soll sie verteidigen, weil irgendwer aus der Familie des Fürsten mal was mit Vater zu tun hatte. Und Myouga hier erzählte, er kenne den besten Ermittler des Landes. Wenn er mir gesagt hätte, dass er dich meint, wäre ich sicher nicht gekommen.“ Ein leiser, fast amüsierter Laut. „Du sollst die Verteidigung übernehmen?“ „Ja, eben“, griff Myouga ein, besorgt, dass sich die zwei Hitzköpfe als nächstes an den Kehlen hatten, womit Kagome sicher nicht geholfen wäre und der gute Ruf der Hundefamilie bei den Kanouchi ruiniert. Was tat man nicht für seinen verstorbenen Herrn. „Ihr wisst doch, wie schwer so etwas ist, Lord Sesshoumaru. Und da Ihr früher so fähig wart, alle Eure Fälle erfolgreich abgeschlossen habt, dachte ich…“ Er rutschte unter dem eisigen Blick noch näher zu Inu Yashas Hals, ehe er fortfuhr: „Natürlich hattet Ihr ja Hilfe von… von…“ Sesshoumaru verengte die Augen. Dieser verdammte Flohgeist wollte ihn erpressen. Entweder er selbst willigte ein die Amateurpiesterin des törichten Halbblutes zu verteidigen, da der das allein nie schaffen würde, oder Myouga würde ausplaudern, dass er jahrelang mit einem Menschenmädchen Mordfälle gelöst hatte. Sakura. Er hatte sie nie ganz vergessen, wenn auch schon lange nicht mehr an sie gedacht. Dafür sollte man den alten Floh vierteilen. Leider wusste der das und saß in Inu Yashas Haaren. Das bedeutete, ehe er an ihn herankam, müsste er mit seinem Halbbruder kämpfen. Und in dieser Zeit war Myouga sicher über alle Berge. Dem Flohgeist war der Gedankengang nur zu klar und er versuchte die Wogen zu glätten. Immerhin wollte er in die nächsten Jahrhunderte nicht in Inu Yashas Haaren verbringen. „Überdies, dachte ich, Lord Sesshoumaru, dass es Euch ein wenig… interessieren würde, ob Eure Fähigkeiten noch so brillant sind wie damals.“ „Versuche nicht, mich mit Schmeicheleien zu ködern!“ Das hatte er jetzt davon, dass er an diese Schlacht gedacht hatte, als Vater den Clan der Menschen rettete, sich hier in Ruhe an ihn erinnern wollte. Aber wie stünde er denn da, wenn dieser Narr von Floh Geschichten aus der Vergangenheit ausplauderte? Da gab es so einiges, was er garantiert nicht seinen Halbbruder wissen lassen wollte, angefangen bei gewissen … nun, Sonderaufgaben, wie bestimmte Steuerprüfungen. „Keh!“ machte Inu Yasha leise. „Das habe ich mir doch gedacht. Na schön, dann muss ich eben selbst herausfinden, wer der Dieb ist.“ „Du kannst mir auf dem Weg in das Kanouchi-Schloss erzählen, was passiert ist.“ Der Hundedämon setzte sich in Bewegung. „Oder eher, was du törichter Bastard mitbekommen hast.“ „Du hilfst mir?“ Der jüngere Halbbruder war etwas fassungslos. Hatte der Flohgeist etwa Recht gehabt und reizte Sesshoumaru einfach ein Rätsel? Das verdiente keine Antwort, beschloss der junge Fürst. Myouga seufzte erleichtert auf. Jetzt hatte Inu Yasha den besten Ermittler auf seiner Seite. Da wäre seine Freundin doch sicher bald gerettet.   Im Schloss wurden die Beiden mehr als kritisch beäugt, sie im Hof von einer ganzen Garde Samiurai umringt, die nur deshalb von einem Angriff absahen, weil keiner der doch unerwünschten Gäste seinerseits zum Schwert griff. Natürlich wurde jedoch dem Fürsten Mitteilung gemacht, dass der Sohn des Inu no Taishou zurück sei, mit noch einem Dämon. So kam Fürst Kanouchi in den Hof, wo die zwei Gäste standen. In seinem Empfangsraum hätte er doch derartige Besucher ungern gesehen. „Ja, schön, dass Ihr zurück seid. - Darf ich fragen…“ Er wandte sich an Inu Yasha, sicher, dass der der Rangniedere war. Rüstung und Kleidung des Unbekannten waren fein gearbeitet und wenn der nicht mehrere Bauernhöfe dafür gegeben hatte, hatte er sie gestohlen. Doch ein wenig unwissend, wie man Fürsten formell einander vorstellte, sagte Inu Yasha schlicht: „Das ist mein Halbbruder, Sesshoumaru.“ Der Fürst verneigte sich zuvorkommend. Ganz eindeutig war der älter, ein richtiger Dämon, aber in jedem Fall auch der Sohn des Inu no Taishou. „Ich möchte Euch in meinem Schloss begrüßen, Lord Sesshoumaru. Ich nehme an, dass Ihr die Verteidigung dieser Kagome übernehmen wollt?“ Da hatte sich Inu Yasha wohl Hilfe suchend an seinen großen Bruder gewandt. Der schien wirklich überzeugt zu sein, dass seine Freundin unschuldig war. Die Antwort kam mehr als Befehl. „Ich möchte ungehinderten Zugang zu allen Räumen im Schloss. Und ich möchte jede Auskunft, die ich bekommen will.“ Sesshoumaru warf einen raschen Blick im Kreis, überprüfte den Baustil des Schlosses, die Mauern darum. „Natürlich, wie Ihr wünscht. Wie ich schon zu Eurem Bruder sagte: ich möchte die Wahrheit herausfinden. Mir liegt nichts daran, ob irgendjemand verurteilt wird. Er soll schon der Richtige sein. Überdies hätte ich natürlich gern meinen Schatz zurück. Darf ich fragen, ob Ihr so etwas schon einmal gemacht habt?“ „Ja.“ Der Hundedämon betrachtete nachdenklich den länglichen Anbau, offenlassend, auf welchen Halbsatz sich seine Antwort bezog. „Dort ist die Küche. Und dort war auch Euer Familienschatz?“ „Ja. Wie gesagt, Ihr könnt Euch alles ansehen.“ Fürst Kanouchi bemerkte ein gewisses abschiednehmendes Nicken und fand seinen ersten Eindruck des Fremden bestätigt. Das war ein mächtiger, hochrangiger Dämon mit höfischem Benehmen. Oh, fiel ihm siedend heiß, wenngleich etwas spät ein, wenn das der älteste Sohn des Inu no Taishou war, musste er ja auch der Erbe sein. Der wahre Herr des Westens, ein Dämonenfürst und Heerführer. Niemand, den man als Mensch verärgern sollte, zumal, wenn sich die Halbbrüder an die gebräuchlichen Regeln hielten, nicht das Schloss dem Erdboden gleichmachten. Gekonnt hätten sie es sicher, zumal mit einer Dämonenarmee im Kreuz. „Darf ich Euren Lordschaften noch meinen Burgvogt, Shoji Kamura, vorstellen? Er steht Euch zur Verfügung, Lord Sesshoumaru, Lord Inu Yasha.“ Der Burgvogt kam heran, verneigte sich höflich, wenn auch ein bisschen besorgt. Immerhin waren das Dämonen. „Ich möchte die Angeklagte sprechen“, sagte Sesshoumaru sachlich. „Inu Yasha, du kannst dir inzwischen den Trakt ansehen in dem der Diebstahl begangen wurde.“ „Äh…“ machte der. Er wusste nicht, was er sich vorgestellt hatte, aber eigentlich ganz sicher nicht, dass der Hundedämon allein mit seiner Freundin reden wollte. „Kommt, Lord Inu Yasha“, drängte Myouga leise. „Blamiert Euch nicht!“ Das war ein guter Einwand, dachte der Halbdämon. Und wenn Sesshoumaru immerhin mitmachte, und auch noch Ahnung hatte, sollte er vielleicht wirklich ausnahmsweise das tun, was der sagte. So meinte er nur: „Schon gut“, ehe er sich abwandte, zu dem Trakt ging. Auf was er wohl aufpassen musste?   Kagome lehnte an der Wand in einem dunklen, selbst für eine menschliche Nase mies riechenden, Raum, den kleinen Shippou im Arm. Ihnen war klar, dass es nur zwei Möglichkeiten gegeben hatte: sie ergaben sich und Inu Yasha übernahm in einem ordnungsgemäßen Prozess die Verteidigung, oder sie hätten sich den Weg aus dem Schloss freikämpfen müssen. Dies hätte sicher Tote unter ihren menschlichen Gastgebern bedeutet – und das widerstrebte ihnen. Gleich zweimal, da Fürst Kanouchi ein sehr ehrenhafter Mann zu sein schien. Allerdings – was Inu Yasha wohl herausbringen würde? Das war der Grund für ihre Besorgnis. Kagome stand auf, als sie von draußen Geräusche hörte, jemand hektisch sagte: „Wenn Ihr Euch nur einen winzigen Augenblick gedulden würdet, edler Herr….“ Wer kam da? Der Riegel an der Tür wurde weg geschoben, und ein Samurai sah hinein. „Der gnädige Herr hier soll dich verteidigen und will daher mit dir sprechen.“ Er öffnete die Tür ganz, sich gleichzeitig bis zum Boden verneigend, eine geradezu akrobatische Übung.   Ein neuer Verteidiger? Was war mit Inu Yasha? War ihm etwas passiert? Hatte sich der Fürst Kanouchi doch nicht ehrenhaft verhalten? Aber als sie den Neuankömmling erkannten, rangen Dämonenkind und menschliche Priesterin gleichermaßen nach Luft. „Sesshoumaru!“ brachte Kagome hervor. „Du…du willst mich verteidigen?“ Shippou presste sich ein bisschen näher an sie. Wollen war zu viel gesagt. Aber der Hundedämon sah nur zu dem Samurai. „Geh.“ „Ja, wie Ihr wünscht, edler Herr.“ Anscheinend kannte die Gefangene den Dämon, und das wohl gut, hatte ihn das Mädchen doch gerade geduzt, etwas, das ihm selbst nur in seinen Albträumen eingefallen wäre. „Wo ist Inu Yasha?“ fragte Kagome prompt besorgt. „Er soll sich den Tatort ansehen. Aber natürlich bin ich dir keine Rechenschaft schuldig.“ „Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie hastig. „Es… es ist nur so überraschend.“ Einmal, dass die Halbbrüder zusammenarbeiten wollten und zum Zweiten, dass sich der Hundedämon in ein Menschenschloss begeben hatte. Und Menschen reagierten auf Überraschungen immer erstaunlich mental retardiert. „Du sollst den Schatz der Kanouchis gestohlen haben.“ Es war besser, das hier schnell hinter sich zu bringen. Er hatte vergessen gehabt wie sehr es in menschlichen Kerkern stank. „Ja, aber ich habe es nicht getan.“ Sie sah zu ihm auf. Warum auch immer er sich auf ihre Seite schlagen wollte, wie auch immer Inu Yasha ihn dazu gebracht hatte … das konnte ihre Chance sein. Sie nahm überdies keinen Augenblick an, dass ihr Halbdämon nicht irgendein Opfer hatte bringen müssen. So war es sicher richtig mit dem Halbbruder zusammenzuarbeiten. Unwillkürlich drückte sie Shippou wie schützend näher an sich, was sich der kleine Fuchs gefallen ließ. So fühlte auch er sich sicherer unter dem kalten Blick. „Was hast du genau getan?“ „Wie dir Inu Yasha sicher schon gesagt hatte, war heute ein großes Fest im Schloss. Er … ihm war es in der Halle zu laut und zu… nun, es roch zu intensiv und so war er gar nicht mit hineingegangen. Ich… mich interessierte es einfach, und außerdem hatte ich Hunger, so dass ich in der Empfangshalle war, auch etwas zu essen bekam. Der Fürst hielt eine Rede und danach ging ich hinaus, machte mich auf die Suche nach Inu Yasha. Ich fand ihn allerdings nicht.“ Das musste in den Ohren eines Dämons mit derartigen Fähigkeiten ziemlich albern klingen. „Darum kehrte ich dann zu der Halle zurück.“ „Wie lange warst du weg?“ „Ich weiß es nicht, einige Zeit, da ich die Mauern um das Schloss absuchte und da auch die Wächter fragte. Ich nahm an, Inu Yasha hätte sich oben irgendwo hingesetzt.“ Sie zuckte ein wenig die Schultern. „Er sitzt ja gern oben. Jedenfalls war ich noch nicht wieder lange in der Halle, als Samurai kamen und dem Fürsten meldeten, dass sie zwei ihrer Kameraden vergiftet gefunden hatten. Und dass der Schatz der Kanouchis gestohlen worden war. So geriet ich in Verdacht. Ich war wohl die Einzige, die die Halle während des Empfangs verlassen hatte.“ Natürlich. So ein Verhalten war auch äußerst unhöflich. Aber vermutlich wusste sie das nicht, hatte keinerlei höfische Erziehung erhalten. Überdies war sie eine Fremde, vielleicht hatte auch jemand ihre spirituellen Fähigkeiten mitbekommen. Und Priesterinnen verfügten oft über ein sehr ausgedehntes Kräuterwissen. Ihre Fragerei bei den Wachen mochte auch als geniale Ablenkung gelten. „Äh, Sesshoumaru…“ Kagome zögerte, sagte dann aber doch: „Was hast du nun vor? Kann Inu Yasha mich besuchen?“ „Die Verhandlung ist in zwei Tagen.“ Sie sollte wissen, dass die Zeit drängte. „Ich habe keine Fragen mehr an dich.“ Er wandte sich um und war verschwunden, ehe die Beiden Worte fanden.   Dann erst gab Kagome den kleinen Fuchs frei, der zu Boden sprang und zu ihr auf starrte.„Immerhin scheint er dir helfen zu wollen, warum auch immer.“ „Und er macht das nicht zum ersten Mal.“ Das Menschenmädchen sah unwillkürlich zu der Tür. „Diese Fragen klangen so, als ob er genau wisse, wie man solche Verteidigung angeht.“ „Natürlich!“ piepste jemand und Myouga sprang auf Kagomes Schulter. „Lord Sesshoumaru hat in der Vergangenheit oft schwierige Rätsel gelöst, Mordfälle. Wen er verteidigt hat, kam frei, wen er überführen wollte, war überführt. Er war der Beste, den ich erreichen konnte, um Lord Inu Yasha zu helfen, dir zu helfen.“ „Warum macht er das?“ fragte Kagome. „Er ist doch nicht gerade hilfsbereit?“ Myouga hatte das dumpfe Gefühl, es könnte lebenswichtig sein, dass sie nichts von seiner kleinen Erpressung erfuhren, nicht zuletzt für Kagome. Von ihm selbst ganz zu schweigen. „Er löst gern solche Rätsel“, erklärte er. Das war sicher nicht gelogen, so schnell, wie der älteste Sohn des Herrn zu überzeugen gewesen war. „Und ich hoffe, Lord Inu Yasha kann ihm dabei unterstützen. Zwei Tage sind eine knappe Zeit.“ „Ja. Dann können wir nur hoffen, dass sie sich nicht prügeln, ehe ich freigesprochen wurde.“ Kagome seufzte ein wenig. „Aber ich muss zugeben, dass ich nun mehr Hoffnung habe, als wenn Inu Yasha allein das getan hätte. Nicht, dass ich bezweifele, dass er sich Mühe gibt…“ Aber das war allen klar.   Kapitel 3: Erste Verhöre ------------------------ Die Gäste hatten auf Anweisung des Fürsten Masakaru Kanouchi dort bleiben müssen, wo sie gewesen waren, als der Diebstahl am späten Abend entdeckt wurde. So sicher er auch eigentlich war, dass Kagome seine Juwelen gestohlen hatte, so war er zu ehrenhaft, ja, gerechtigkeitsliebend, dass er nicht auch in Erwägung zog, es könnte anders sein, als es zu sein schien. Ein Grund, warum er auch nur zu gut verstand, warum sein einziger Sohn nun am Hofe des Kaisers leben sollte – eine Geisel gegen allfällige Aufstände, auch, wenn ihm selbst das nie in den Sinn gekommen wäre. Er selbst hielt sich bei den gut hundert Gästen in der Haupthalle auf, erhob sich aber, als er den Hundedämon sah, der die Halle betrat, einen langen, sorgfältigen Blick über den Raum schweifen ließ. Das erste Mal, dass er den mehr als vierzig Jahren seines Lebens einen bewaffneten Dämon in seinem Haus erblickte – und erst das zweite Mal, seit der Clan existierte. „Lord Sesshoumaru, wie ich sehe, habt Ihr Eure Mandantin befragt. Was nun?“ Er erlaubte sich die einfachere Höflichkeit, handelte es sich doch um einen gleichrangigen Fürsten, nicht um einen Untergebenen. „Ist einem der Gäste hier etwas aufgefallen? Hat jemand eine Person gesehen, die die Halle vorzeitig verließ?“ Sesshoumaru blickte zum Fürsten, durchaus nicht willens sich mit hundert Menschen zu befassen. Diesem war das klar gewesen. „Ich habe dies bereits durchfragen lassen, Lord Sesshoumaru. Äh…ich glaube nein. Alle sagten, ihnen sei nichts aufgefallen.“ Menschen! Was konnte man da schon erwarten. Man konnte sie umbringen ohne dass sie es bemerkten! Er sah, wie sich eine Frau ein wenig zögernd näher wagte, ihn flüchtig anguckte, dann eilig wieder höflich zu Boden blickte. „Was ist?“ erkundigte er sich doch aus der gewissen Erfahrung, dass weibliche Menschen wesentlich mehr Verstand als der männliche Rest besaßen. Die Hälfte dieser unnützen Spezies war dumm – die andere Hälfte eben Frauen. Bei Dämonen war es umgekehrt. Spezielle Exemplare wie seine Mutter natürlich ausgenommen. Sie zuckte zusammen, verneigte sich eilig tiefer. „Ich…verzeiht, Lord Sesshoumaru…“ Immerhin lebte sie noch und sie hoffte, dass ihr Fürst sie schützen könnte. Ihm fehlte seine Dolmetscherin Mensch-Dämon, dachte der so Angesprochene kurz, aber er war immerhin im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten lernfähig. „Dir ist jemand aufgefallen?“ Sie nahm sich sichtlich zusammen. Immerhin war sie ja deswegen vorgetreten. „Ja, aber meine Wenigkeit bin mir nicht sicher, ob das etwas für Euer Lordschaft zu bedeuten hat. Es… es muss gewesen sein, gerade als der ehrenwerte Fürst seine Ansprache begann, uns begrüßte. Da ging jemand hinaus, ein Mann in schwarzer Kleidung. Aber hier tragen natürlich viele diese Festtagskleidung.“ Ja, und? Moment. „Warum fiel er dir auf?“ „Ich weiß nicht, Euer Lordschaft…vielleicht weil er nichts tat?“ Inu Yasha war ihm wahrlich etwas schuldig! Blut oder den Tod? Beides am besten? Und Sakura lebte schon Jahrhunderten nicht mehr. Geduld, mahnte er sich, und ließ die Klaue wieder sinken. „Was meinst du?“ „Als der Gong geschlagen wurde, wussten wir doch alle, dass nun Fürst Kanouchi eine Rede halten wollte. Und wir traten näher. Der Mann aber blieb dort am Ausgang. Dann drehte er sich um und verschwand.“ Hm. „Kanntest du ihn?“ „Ich...ich habe mir sein Gesicht nicht angesehen. Ich wollte doch der Ansprache zuhören.“ „Gut. Noch etwas?“ „Äh...nein.“ Die Frau verneigte sich höflich vor dem Unbekannten und dem Fürsten, zog sich zurück, durchaus zwei Mal erleichtert. Ihr Gewissen. Und die Tatsache, dass sie einen Dämon angesprochen hatte und das überlebt hatte.   Fürst Kanouchi sah ein wenig neugierig seitwärts, wollte aber nichts sagen. Falls ein Verteidiger etwas Wichtiges herausfand, würde er es ihm doch mitteilen. Immerhin fand er seinen ersten Eindruck bestätigt, dass dieser ebenfalls von hohem Rang war und Ehre besaß. „Darf ich dann bitten? Im angrenzenden Raum, dem so genannten kleinen Speiseraum, waren ebenfalls einige Gäste.“ Eigenartig, dachte Sesshoumaru prompt. Es wäre doch höfische Pflicht gewesen, am Empfang teilzunehmen. Aber er folgte dem menschlichen Fürsten in den Nebenraum. Dort saßen vier Männer, die recht ungehalten wirkten, wütend auf die drei Samurai starrten, die sie hier bewachten. Der Kleidung nach waren es Männer von hohem Rang. Einer, wohl der jüngste, trug seinen rechten Arm in einer Schlinge, umhüllt mit einem hellen Verband. Sie blickten mit einer seltsamen Mischung aus Protest und Besorgnis auf, als sie den Fürsten und den Hundedämon eintreten sahen. „Hoheit“, sagte einer der Älteren, nun in etwa im Alter des Hausherrn. „Ich verstehe ja, dass Ihr über die Tatsache empört seid, dass Euer Schatz verschwunden ist, aber ich dachte, es sei geklärt, dass dieses fremde Mädchen….“ Masakaru Kanouchi sparte es sich auch nur die Hand zu heben. „Nun, Lord Sesshoumaru hier, wird herausfinden, was wirklich geschehen ist. Beantwortet seine Fragen.“ „Dämon!“ flüsterte der Mann unwillkürlich. Sesshoumaru musterte ihn wie manche Menschen etwas Undefinierbares aus der Gosse. „Name?“ Dieser vollkommen uninteressierte Blick… Irgendwie war der Mut plötzlich in den Füßen gelandet, die Kehle trocken, Schweiß lief über den hastig gebeugten Rücken. „Tsu...Tsuyoshi, Euer gnädige Lordschaft.“ „Wo war deine Wenigkeit während des Zwischenfalls?“ Das war mehr als unhöflich und der Mann wollte bereits erneut auffahren, ehe er bedachte, dass sein Fürst vor ihm stand und der diesen Dämon wohl irgendwie beauftragt hatte, also das Monster auch wohl irgendwie unter Kontrolle hatte. Hoffte er, denn der Blick ließ ihn annehmen, dass er eigentlich schon so gut wie tot war. „Hier, zusammen mit…“ Er deutete seitwärts. „Yokuseno, Akimichi und Ogata.“ Die drei Männer nickten eifrig bestätigend, froh, dass sich die Aufmerksamkeit des Monsters nicht auf sie richtete. „Wir spielten Go.“ „Ich muss zugeben, mein Herr und Fürst, werter Verteidiger,“ ergänzte der verletzte Mann, Ogata: „Dass es mir im Moment lieber ist, zu sitzen, als den höfischen Pflichten stehend nachzukommen.“ Der unwillige Verteidiger stutzte. „Der Arm ist verletzt.“ Und die anderen drei waren gewiss schon in einem Alter, in dem stundenlanges Stehen für Menschen ermüdend war. Nur, seit wann nahm ein Fürst darauf Rücksicht? Ogata verstand die angedeutete Frage durchaus richtig. „Ja, aber ein wenig auch noch mein Bein, aber das ist schon deutlich besser, als das hier, Lord Sesshoumaru.“ Er hob seinen Arm etwas an. „Ein bedauerlicher Unfall in Ausübung meiner Pflichten.“ Der Hundefürst warf einen forschenden Blick herum und analysierte die Lage. Zwei Tablette mit Go-Steinen lagen seitwärts. So, wie die Steine durcheinander lagen, waren sie sehr hektisch beiseite geschoben worden. Und in einer Ecke des Zimmers versuchte sich ein Mann mit einer grässlichen Witterung hinter einem Wandschirm zu verstecken. „Wer ist das?“   Ein Samurai ging sofort nachsehen, was der Dämon meinte. Niemandem von den Menschen war der Unbekannte aufgefallen. So zerrte der Krieger einen einfach gekleideten Mann hervor, der sich hastig zu Boden warf. „Ich bin nur aus Versehen hier...“ brachte dieser ängstlich hervor. „Ich meine, ich wollte doch gar nicht in dieses Zimmer….“ „Er ist keiner meiner Diener, “ erklärte der Masakaru Kanouchi prompt, gegenüber einem anderen Fürsten und Kriegsherrn doch peinlich über die eigenen, mehr als offensichtlich mangelnden, Sicherheitsmaßnahmen berührt. „Sag, wer bist du?“ Der Mann suchte ein Loch im Erdboden, vergeblich. „Vergebt mir. Ich meine… ich… mein Name tut doch nichts zur Sache. Ich hörte, hier im Schloss sei ein Fest. Und da gibt es doch immer viel zu essen. Ich… ich wollte essen...“ „Ein Dieb, also.“ Fürst Kanouchi klang verächtlich. Sesshoumaru verstand und wollte die Sache dringend abkürzen. Diese Gerüche belästigten siene arme Hundenase. „Du wolltest Essen stehlen. Als das Attentat auf die Samurai, der Diebstahl des Schatzes, entdeckt wurden, wolltest du dich verstecken. Und gelangtest in diesen Raum, aus dem du keinen Ausweg mehr hattest.“ „J...ja…so war es, edler Herr. Aber ich habe doch nichts getan!“ Ihm war nur zu bewusst, dass man ihm leicht den Diebstahl des Schatzes anhängen konnte. Und, wie die Bestrafung lautete. „Nehmt ihn und werft ihn ins Gefängnis“, befahl Fürst Kanouchi ungehalten. „Oder habt Ihr Einwände, Lord Sesshoumaru?“ „Er ist mir gleich.“ Er drehte sich um und ging. Hoffentlich hatte Inu Yasha einmal in seinem Leben etwas richtig gemacht und den Tatort gründlich besichtigt. Auf Sakura hätte er sich verlassen können.   Der Halbdämon war in Begleitung des Burgvogtes Shoji Kamura zu dem langen Arbeitstrakt gegangen. Da er annahm, dass alles wichtig sein würde, war er verunsichert gewesen, auf was er nun wirklich aufpassen sollte, hatte versucht, sich alles zu merken. Aber am wichtigsten waren wohl bestimmte Punkte: wie kam man in den Trakt, wo war der Schatz gewesen, wie dieser Raum gesichert. Und leider musste er sagen, dass er keine Ahnung hatte wie der Diebstahl geschehen hatte können.   Am Ende des gewiss zwanzig Meter langen Flügels befand sich eine Tür, an der ein Samurai stand, der nach rechts und links die Passage zwischen diesem Haus und dem dritten Trakt, dem Quergebäude, betrachten konnte. Natürlich auch die Wand eben dieses Quertraktes der sichtlich Räume für Dienstboten, Samurai und Pferde enthielt. Durch diese Tür gelangte man in einen langen, dunklen Gang, der von Öllampen erleuchtet wurde. Rechts und links gingen weitere hölzerne Türen ab, zu allerlei Vorratskammern, wie ihm der Burgvogt sagte. An den Pforten befanden sich kleine Lüftungslöcher knapp über dem Boden, vergittert, um die Vorräte vor Mäusen zu schützen. Am Ende des Flures war eine weitere Tür und man geriet in die Küche. Von hier aus führte nur eine Durchreiche in die Empfangshalle des Schlosses. Und es arbeiteten während des Festes gestern fast zehn Leute hier, eilten immer wieder hinaus, um aus den Vorräten etwas zu holen. In der Mitte des Ganges war der Raum, in dem der Schatz des Fürsten gewesen war. Davor hatten die beiden Wachen gestanden. Wenn jemand sie hatte vergiften wollen, hatte dies unter ihren Augen bzw. denen des Kochpersonals geschehen müssen. Wenn hier dauernd Menschen durchliefen, war es doch ein zu großes Risiko etwas zu unternehmen? Aber er würde das wohl Sesshoumaru überlassen müssen, wenn der wirklich so fähig war, wie Myouga behauptet hatte. Irgendwie konnte er es sich zwar nicht vorstellen, aber der dämonische Bruder hatte selbst auf ihn den Eindruck gemacht schon mal ermittelt zu haben. So warf er einen Blick in den Raum. Die Schatzkiste war noch da, aber gähnend leer. Eigentlich erstaunlich klein für den Familienschatz eines ganzen Fürstentums. Vielleicht die Hälfte einer Kleidertruhe. Da war kaum Gold drin gewesen, eher eine Menge Juwelen oder so etwas. Das war auch schon alles. Nein, ein kleines, vergittertes Fenster ging nach draußen, durch das selbst Kagome nicht gepasst hätte. „Haben das alle Räume? Oder gibt es auch welche mit größeren Fenstern?“ „Äh, was? Nein, das haben alle, Lord Inu Yasha. Die sollen ja die Vorratsräume belüften. Und damit keine Ratten und so hereinkommen, ist das Holzgitter angebracht. Und, wenn ich so sagen darf: durch das Loch kommt kein Mensch hindurch,“ erklärte Kamura mit einer höflichen Verbeugung. Prinzen konnten unangenehm werden, dämonische bestimmt. „Ja, das sehe ich auch“, knurrte der Halbdämon ein wenig unglücklich. Irgendetwas musste er doch finden, wie jemand diesen Schatz hatte stehlen können? Wie stünde er denn vor seinem älteren Halbbruder da? Als wäre er zu dämlich? Er musterte das „Fenster“. Naja, Shippou würde wohl ohne Gitter hindurch kommen, aber das wäre auch schon alles. Er drehte sich zu dem Burgvogt um. „Und zwei Samurai standen vor der Tür.“ „Ja, Lord Inu Yasha. Sie wurden vergiftet, wie Ihr selbstverständlich wisst. Wir fanden neben ihnen zwei leere Becher, die wohl Wein enthielten, dem Geruch nach. Dort war dann das Gift sicher versteckt.“ Etwas in der Stimme verriet seinen Ärger, dass seine Männer im Dienst offenkundig getrunken hatten. „Und dieser komische Schatz … ich meine, der Schatz des Fürsten, bestand nur aus Juwelen?“ „Ja, die reinsten Diamanten, die Japan je gesehen hat. Klein zwar, aber absolut rein.“ Und eben ein Vermögen wert. Allein deren Existenz sicherte dem Clan bedeutende Kredite im Handel und bei den Steuern. Juwelensplitter also. Der Halbdämon trat zurück in den Gang. Links führte dieser hinaus, war vor der Tür ein Wächter. Rechts lag die Küche. Genau hier hatten die beiden vergifteten Samurai gestanden. Jemand, der hier entlangging, wurde unter Garantie gesehen, das war klar. Warum nur hatte niemand Alarm geschlagen? Weil jeder den Kerl kannte? War es jemand vom Küchenpersonal gewesen? Er drehte sich um und marschierte in die Richtung der Küche. Da der Burgvogt ihm nicht sofort folgte, drehte er sich noch einmal um. Der schloss die Tür und verriegelte sie, gerade so sorgfältig, als sei der Schatz noch darin. So ein Blödsinn, dachte Inu Yasha schlicht.   In der Küche arbeiteten vier Frauen, die erschrocken aufblickten, als sie den Burgvogt und den mysteriösen Halbdämon entdeckten, sich dann eilig verneigten. Dämonen waren so eine Sache, auch, wenn dieser recht niedlich aussah. Allein die Ohren….nein, diese Öhrchen. Irgendwie verlor damit die Vorstellung einem halben Dämon gegenüberzustehen, deutlich ihren Schrecken. Die Köchin war die Ranghöchste und verneigte sich daher noch einmal vor den Eintretenden. „Wie können wir Euch helfen?“ Gute Frage, dachte Inu Yasha. Hier roch es so gut….Nein, er müsste er noch ein paar Informationen bekommen. „Äh…bei dem Empfang waren zehn Leute hier, nicht wahr?“ „Ja, edler, junger, Herr.“ So hatte ihn auch noch keiner angesprochen. „Und immer wieder ging jemand hinaus, um etwas aus den Vorräten zu holen?“ „Ja. Hier, Hazu Yoshimura, sie hat dann auch dabei die beiden Wächter gefunden und Alarm geschlagen.“ Die Küchenhilfe verneigte sich eilig. „Ja, edle Herren. Ich sollte doch nur noch Reis holen...und da sie beide da lagen, befürchtete ich schon das Schlimmste.“ „Immerhin sind sie noch nicht tot“, ergänzte der Burgvogt. „Aber das kann noch immer passieren. Der Heiler sagt, sie sind noch immer nicht aufgewacht. Was auch immer für ein Gift diese verdammte Priesterin …verzeiht einem Narren, edler Lord!“ Er war einem eiskalten goldenen Blick begegnet. Inu Yasha stellte zu seinem gewissen Vergnügen fest, dass er anscheinend ebenso drein schauen konnte wie Sesshoumaru, sagte aber bloß, noch immer besänftigt durch die wirklich ungewohnte Höflichkeit: „Wer es war sollen wir doch herausfinden, oder?“ „Natürlich, natürlich, Lord Inu Yasha.“ „Ist sonst noch jemandem etwas aufgefallen?“ Er wandte sich wieder an die Menschenfrauen. „Nein, junger Herr, wirklich nicht.“ Die Köchin sah ihre Mitarbeiterinnen an. „Und ehrlich gesagt, ist mir auch ein Rätsel, wie man die beiden Samurai vergiften konnte. Ich meine, von hier zu den Kammern war wirklich viel los. Wir mussten ja die hundert Sonderwünsche erfüllen. Und von der anderen Seite… da steht doch auch immer ein Wächter.“ „Wer war der Wächter?“ fragte der Halbdämon den Burgvogt. Der zögerte kurz. „Äh…Das müsste Esaki gewesen sein. Wollt Ihr mit ihm auch sprechen, Lord Inu Yasha?“ „Ja.“ Doch, das war eine gute Idee. Sonst würde der Herr Halbbruder den selbst befragen und er stünde wieder als der kleine Dummkopf da. „Dann kommt bitte. Er wird sich in seinem Zimmer befinden, da sein Dienst abgelaufen ist. Die Samurai sind neben den Stallungen untergebracht.“   Inu Yasha sah sich neugierig um. Die Samurai schliefen jeweils zu viert in einem Raum, das verriet die Anzahl der Matten, auch, wenn nun nur einer hier war. Esaki war wach, obwohl der abends, nachts Wache gehalten hatte, nicht weiter verwunderlich, nach den Geschehnissen des vergangenen Abends. Der Burgvogt erklärte rasch, dass Inu Yasha im Auftrag des Fürsten käme. „Also beantworte seine Fragen.“ „Natürlich, Burgvogt Kamura. - Was wollt Ihr wissen, Lord Inu Yasha?“ Ja, was war nötig, um Kagome zu helfen, dachte dieser. „Du hast gestern Abend Dienst an der Tür zum Küchentrakt gehabt. Ist dir etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Ist jemand an dir vorbeigekommen, der normalerweise nie in die Küche geht? Oder hast du einmal deinen Platz verlassen?“ Esaki warf einen raschen Blick zu Shoji Kamura. „Nein, selbstverständlich nicht. Es war ja mein Befehl dort Wache zu halten.“ „Du hast deine Kollegen vor der Tür mit dem Schatz gesehen?“ „Nein, Lord Inu Yasha. Die Tür zu dem Flügel war ja zu, solange niemand hindurchging. Und das war kaum jemand vom Personal, da diese alle ja in der Küche und den Vorratsräumen beschäftigt waren. Und mir ist auch nichts weiter aufgefallen, was ungewöhnlich gewesen wäre.“ „Na schön.“ Was auch immer das wieder zu bedeuten hatte. Vielleicht sollte er mit Myouga darüber reden. Das wäre immer noch besser als mit dem Herrn Ich-bin-ja-so-toll-und-habe-immer-recht-älterem-Bruder.   Kapitel 4: Weitere Fragen ------------------------- Inu Yasha sah zu Shoji Kamura, als sie den Gesindeflügel verließen, durchaus geschmeichelt von der ungewohnten Höflichkeit, die ihm hier widerfuhr., und kramte deswegen seinerseits Verhaltensweisen aus Kindertagen aus. „Was könnt Ihr mir eigentlich erzählen, Burgvogt? Es ist Euch nichts aufgefallen?“ „Ich sagte es doch schon, meine vielen Pflichten…Und auch, glaubt mir, wenn ich die edlen Söhne des verstorbenen Inu no Taishou unterstützen möchte, und selbstverständlich meinen Herrn…“ Er brach ab. „Hallo?“ „Da war ein Mann, jetzt erinnere ich mich. Er sah eigentlich ganz gewöhnlich aus, trug ein schwarzes Gewand, hatte dunkle Haare. Er fiel mir nur auf, weil er sich so eigenartig verhielt. Der edle Fürst begrüßte gerade seine Gäste, und dieser Mann verließ den Saal.“ „Ah ja.“ War das nun wichtig oder nicht? Vielleicht hatte der Mann nur mal schnell wohin müssen, höfische Etikette hin oder her? Dieses Ermitteln war anstrengend. Dauernd musste man darüber nachdenken, was andere Leute getan hatten und was sie wollten. „Aber wer das war, wisst Ihr nicht? Keiner aus dem Clan der Kanouchi?“ „Nein, das sicher nicht. Niemand von uns wäre doch so unhöflich… Aber ich habe ihn mir nicht so genau angesehen, schließlich ahnte ich da ja nichts von dem Verbrechen. Es waren allerdings viele Gäste da. Wie Ihr wisst, lud der Fürst ja fast jeden ein, sogar Ogata!“ Er hatte schon sagen wollen, sogar Euch, aber das wäre zu unangemessen gewesen. „Ogata“, wiederholte der Halbdämon verständnislos. Jetzt musste er das erklären, bevor er den Clan wegen Missachtung der Höflichkeit gegenüber vornehmen Gästen blamierte. „Hasui Ogata. Sein Bruder hat vor zwei Jahren den Herrn bestohlen und wurde dafür des Landes verwiesen. Normalerweise wäre auch Hasui verdächtigt worden, aber…“ Kamura zuckte die Schultern. „Ich gebe zu, er hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen, bei den Einkäufen, den Händlern nie etwas unterschlagen. Vermutlich hat der edle Fürst recht, wenn er stets bedingungslose Gerechtigkeit fordert.“ „Ja, das sicher.“ Inu Yasha dachte an seine Freundin. „Also schön, dieser Ogata wurde auch eingeladen. Und ein schwarz gekleideter Mann verschwand während der Ansprache des Fürsten. Noch etwas?“ Hoffentlich waren die Dinge, die ihm die Frauen in der Küche erzählt hatten, die Beschreibung des Traktes, diese Aussage des Burgvogtes wichtig. Er müsste mit Myouga reden, denn ihm war das alles hier noch ein Rätsel. Klar war nur, dass Kagome den Diebstahl nicht begangen hatten. Shoji Kamura zuckte ein wenig die Schultern: „Nein, leider. Wie gesagt, meine Pflichten….“ „Dann geht an Eure Arbeit.“ Die unbewusste Arroganz eines geborenen Prinzen schlug durch. Und er selbst würde zum einen Myouga suchen, zum anderen… in der Küche hatte es so gut gerochen. Vielleicht konnte er da einen Teller Nudeln bekommen. Ermitteln machte hungrig.   Sesshoumaru musterte, in der Passage zum Schlosshof stehend, die Anlage der Trakte. War es für einen Menschen möglich über die Außenmauer zu steigen, mit einem gewiss schweren Packen Juwelen oder Gold? Aus was auch immer dieser ominöse Schatz bestanden hatte? Zumal für eine Menschenfrau wie diese Kagome? Wie ehrenhaft und zuverlässig war sie überhaupt? Nun gut, sie war in ständiger Begleitung Inu Yashas, aber das war in seinen Augen eher keine Empfehlung. Er konnte das nicht abschätzen. Er war weder ein Mensch, noch weiblich. Inu Yasha zu fragen war natürlich unmöglich. Mit gewissem Bedauern dachte er daran, wie nützlich ihm Sakura gewesen war, wenn es um menschliche Triebe gegangen war. Aber nach ihrer Heirat hatte er sie auch schon nicht mehr mitgenommen. Nun, sie und ihr Mann waren ihm auf anderem Weg noch hilfreich gewesen. Seit dieser Anführer der Wachen des Shogun sein Handbuch zur Untersuchung von Morden herausgebracht hatte, waren die Burgvögte und Stadtwachen doch erheblich erfolgreicher im Ermitteln gewesen. Und sein Vater und damit vor allem er selbst waren deutlich weniger damit belästigt worden Straftaten zu untersuchen. Ruhig bleiben, ermahnte er sich. Myouga hatte ihn dazu gebracht diesen Fall zu übernehmen, nun sollte er ihn auch lösen. Die Mauer um das Schloss war hoch. Oben patrouillierten jetzt Samurai, aber es war davon auszugehen, dass auch am gestrigen Abend dort welche postiert gewesen waren. Hatte von ihnen niemand etwas bemerkt? Die quadratische Mauer umschloss das gesamte Areal, das Tor war verschlossen worden, nachdem Inu Yasha und sein Mädchen eingetroffen waren. Niemand hatte dort ungesehen hinausgehen können. Logische Gründe sprachen dafür, dass sich der Schatz des Fürsten noch auf seinem Grund und Boden befand. Der Langfinger hatte wohl gehofft, dass der Diebstahl erst heute Morgen entdeckt würde, er schon hätte abreisen können. Nur: warum wurden die beiden Samurai vergiftet? Damit stieg das Risiko beim nächsten Wachwechsel entdeckt zu werden. Oder war das gar nicht geplant gewesen? Gehörte gar nicht zu dem Diebstahl? Zu viele Fragen. Nein. Er sollte sich an die Regel halten, die er stets erprobt hatte, zunächst nur die Tatsachen sammeln, ehe er begann Vermutungen anzustellen. Und vor allem sollte er danach suchen, wie der Diebstahl begangen wurde. Hatte er das Wie, hatte er den Wer. Sesshoumaru wandte sich um und warf noch einen raschen Blick über die U-förmige Schlossanlage. Hoffentlich hatte Inu Yasha wenigstens etwas Sinnvolles zum Thema Diebstahl herausgebracht. Obwohl: Inu Yasha und sinnvoll in einem Satz…?   Der Halbdämon war in die Küche zurückgekehrt. Die Frauen dort hatten sich eilig verneigt, waren aber nicht mehr so erschreckt wie beim ersten Besuch. „Äh“, meinte er zu der Köchin. „Ich… hier riecht es so gut. Ich will was essen.“ „Natürlich, Lord Inu Yasha. Das ist schmeichelhaft.“ Die Frau Mitte der Fünfzig strahlte ihn fast an. Einem Prinzen schmeckte ihr Essen! „Ob Euer edler Herr Bruder auch etwas möchte?“ Inu Yasha dachte durchaus besorgt an die Reaktion des Hundedämonen würde dem jemand Nudeln anbieten. „Nein, da bin ich sicher.“ „Möchtet Ihr im Hof warten? Die Nudeln sind gleich fertig. Hazu wird sie Euch dann bringen.“ „Ja, das ist nett.“ Der Halbdämon drehte sich um und ging, nicht, ohne nochmals einen Blick auf die verschlossene Tür im Gang zu werfen, hinter der sich der Schatz des Fürsten befunden hatte. Noch immer war der breite Riegel davor. Hier hatten die beiden vergifteten Samurai gestanden. Aber wer hätte so dämlich sein können, sie vor ihren eigenen Augen … Dämlich oder schlau? Ach, das war alles so schwer. Hoffentlich bekam Sesshoumaru was heraus, das Kagome von dem Verdacht befreite. Es war zu peinlich, dass er auf seinen Halbbruder angewiesen war.   Er setzte sich unter den alten Baum im Hof. Wirklich, das hätte er sich nie gedacht. Irgendwie wurde ihm langsam klar dass, hatte Myouga recht, wohl Sesshoumaru seiner Freundin aus der Patsche helfen konnte, gleichzeitig er selbst aber dann in dessen Schuld stand. „Ah, Lord Inu Yasha!“ Der Flohgeist landete auf seiner Schulter. „Ihr wart mit dem Burgvogt unterwegs, habe ich gesehen. Wollt Ihr nun Lord Sesshoumaru Bericht erstatten?“ Im nächsten Augenblick fand er sich zwischen zwei spitzen Nägeln. „Hast du dämlicher Floh eigentlich nicht daran gedacht, dass ich dann ausgerechnet in der Schuld dieses Mistkerls stehe, wenn der es schafft das hier zu lösen?“ „Oh, doch!“ Myouga klang gekränkt. „Aber immerhin habt Ihr selbst gesagt, dass Euch alles recht wäre, wenn nur Eure Freundin wieder freikommen würde. Und so habe ich den besten Ermittler geholt.“ „Na, davon sehe ich noch nicht viel. Was treibt der blöde Hund eigentlich?“ „Er hat mit Kagome geredet, mit den Personen, die im Saal anwesend waren und im Nebenraum, also, da ist er noch dabei.“ „Er tut also tatsächlich etwas?“ Inu Yasha gab den Floh frei. „Na schön. Wie geht es Kagome?“ „Sie war etwas verwundert, dass Lord Sesshoumaru ihre Verteidigung übernehmen will, hat aber versucht ihm weiterzuhelfen. Und sie hat ja Shippou bei sich. Er bemüht sich, sie aufzuheitern. Es sind nur zwei Tage Frist bis zu der Verhandlung.“ Diesen Punkt sollte er auch beachten. „Ja, ich weiß.“ Auch, wenn er es irgendwie vergessen hatte. „Pass mal auf, Myouga. In dem Trakt ist ein Gang, da gehen die Vorratskammern ab. An einem Ende stand ein Samurai vor der Tür, am anderen Ende ist die Küche samt Personal. Die rennen dauernd hin und her zu den Vorräten. In der Mitte des Ganges standen zwei Samurai, die vergiftet wurden. Fenster sind vergittert, die Lüftungslöcher in den Türen auch. Und jetzt?“ „Wie soll Kagome denn dann an den Schatz gekommen sein? Oder sonst wer?“ Der alte Flohgeist dachte nach. „Ich meine, wenn es für einen Menschen unmöglich war da hinein zu kommen, wäre das doch sicher auch eine Art Entlastung bei der Gerichtsverhandlung?“ „Keh!“ machte Inu Yasha leise. „Der Schatz ist aber weg. Also muss es doch irgendwer geschafft haben. So jemand wie du, vielleicht?“ „Ihr meint, der Dieb sei kein Mensch? Nein, das glaube ich nicht. Geister brauchen doch kein Gold. Oder auch Dämonen. Überdies, konntet Ihr nichts wittern?“ „Ehrlich: in dem ganzen Trakt riecht es viel zu sehr nach Essen. Ich konnte nicht einmal wittern, wo die beiden Samurai gelegen hatten, oder was von dem Gift.“ „Das ist schlecht.“ „Immerhin sagte mir der Burgvogt, er habe beim Empfang einen schwarz gekleideten Mann gesehen, der sich absetzte. Vielleicht musste er nur mal, aber vielleicht…Und eine Hazu…den Nachnamen habe ich mir nicht gemerkt, arbeitet in der Küche. Sie hat die beiden vergifteten Samurai gefunden und Alarm geschlagen. Die Köchin sagte, dass dauernd Leute rein und raus gingen, Vorräte holten. Aber keinem ist wohl was aufgefallen.“ „Das ist schlecht.“ „Finde ich auch. Jetzt geh zu Kagome und sag ihr irgendwas, damit sie Hoffnung hat.“ Myouga hätte fast den Kopf geschüttelt. Sein junger Herr wusste nicht weiter, und jetzt sollte er dafür sorgen, dass dessen Freundin ruhig blieb? Nun, immerhin war Lord Sesshoumaru da, das würde doch etwas bringen. Früher hatte der doch jedes Rätsel gelöst. So machte sich der kleine Floh auf den Weg.   Inu Yasha spürte, dass er beobachtet wurde, und sah sich um. Ein kleiner Junge von vielleicht sechs Jahren betrachtete ihn. „Hallo“, sagte der Halbdämon in dem unklaren Bedürfnis das Kind nicht zu verschrecken. Der Kleine kam näher. „Hallo. Du…bist ein Dämon?“ „Nein. Ein halber.“ „Deine Ohren…..“ Unwillkürlich fasste Inu Yasha hin. „Ja?“ „Darf ich die mal berühren?“ „Äh...na schön. Wie heißt du denn?“ „Kyo Ogata.“ „Du wohnst hier im Schloss, oder?“ „Ja, bei meinem Onkel.“ Er setzte sich neben den Hanyou um vorsichtig dessen Ohren anzufassen. „Die sind weich!“ Er ließ los. „Du bist nett. Sind alle Dämonen so nett?“ „Nein, wirklich nicht. Du solltest keinem zu nahe kommen.“ Inu Yasha sah seitwärts, da er sein Essen witterte. Hazu trug es heran. „Hier, bitte, junger Herr. - Guten Morgen, Kyo.“ „Guten Tag, Hazu“, erwiderte der Kleine höflich. „Darf ich dir helfen?“ „Natürlich, komm nur.“ „Ist der nicht ein bisschen jung zum Arbeiten?“ erkundigte sich Inu Yasha.„ „Ach, Kyo arbeitet doch nicht richtig, ich meine, so wie wir. Aber er hilft gern, wo immer jemand Hilfe braucht, nicht, Kleiner? – Geh schon mal vor.“ Als er außer Hörweite war, ergänzte die Küchenhilfe: „Er ist doch arm dran. Seine Mutter starb bei der Geburt und sein Vater wurde aus dem Fürstentum geworfen. Eigentlich wollte ihn der Herr töten, aber um des Kleinen willen hat er ihn nur des Landes verwiesen.“ „Hat er geklaut?“ Irgendwie sagte ihm das was. „Ja. – Kyo lebt jetzt bei seinem Onkel.“ „Ach ja, das hat mir der Burgvogt erzählt, Hasui Ogata, oder?“ Er war froh, dass ihm das einfiel. „Ja, genau. Ich meine, der ist ein ehrenwerter Mann, aber nicht verheiratet. Und so ist Kyo gern bei uns Frauen. Ich muss gehen. Wenn Ihr noch etwas zu essen wünscht, kommt, ja?“ Hazu eilte davon. Der Hanyou kümmerte sich um seine Nudeln. Fürst Kanouchi schien wirklich ein recht hochanständiger Mann zu sein. Vielleicht gab es doch eine Möglichkeit, ihn zu überzeugen, dass Kagome unschuldig war? Immerhin hatte er einen Dieb nur aus seinem Fürstentum geworfen… das könnte der doch auch mit ihr machen? Sie hätte sicher nichts dagegen. Doch, das sah schon mal ganz gut aus.   Sesshoumaru dachte, er sähe nicht richtig, als er den Haupthof betrat. Dieser Bastard saß in aller Seelenruhe da und aß Nudeln, statt sich darum zu kümmern seine Freundin aus der Bedrängnis zu holen? Das konnte ihm selbst zwar gleichgültig sein, aber zu allem Überfluss überließ der ihm die Arbeit? „Inu Yasha!“ Mit der Kälte in seiner Stimme hätte man die Südsee in Packeis verwandeln können. Der Halbdämon sah auf. Wieso war der denn so sauer? „Willst du wissen, was ich rausgefunden habe?“ Hatte Inu Yasha etwa den Diebstahl gelöst? Nun, auch ein blinder Hund fand mal einen Knochen, aber das erschien dem Halbbruder doch recht unwahrscheinlich. Er kam allerdings näher. „Ich höre.“ Das war jetzt sicher wichtig, das war dem Halbdämon klar, und so bemühte er sich möglichst ausführlich alles zu erzählen: wie der Trakt gesichert war, was die Frauen in der Küche, der Samurai am Eingang gesagt hatte, was der Burgvogt von dem Unbekannten berichtet hatte, der die Feier schon während der Begrüßungsrede verlassen hatte. Er dachte sogar an die Beschreibung der Kiste und dass zwei Becher neben den Wächtern gelegen hätten. Zum Schluss erwähnte er noch die Sache mit den Ogatas. „Ich meine“, schloss er: „Wenn Fürst Kanouchi so auf edel und anständig macht, könnte er gleich Kagome frei lassen und meinetwegen von seinem Land schmeißen. Sie will ja sicher nicht mehr hierher. Und sie war es nicht. Das hast du doch herausgefunden.“ Er sah auf. „Oder noch nicht?“ ergänzte er. Sesshoumaru dachte flüchtig an Sakura. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten vermisste er sie wirklich. „Es gibt noch keinen anderen Verdächtigen.“ „Na toll. Und morgen Abend soll schon diese blöde Gerichtsverhandlung sein.“ „Ich sitze nicht da und esse.“ „Bin ja schon fertig. Was jetzt, Bruderherz?“ Er stand auf. Mit aller je erlernten Selbstbeherrschung erwiderte der junge Hundefürst: „Weitere Verhöre.“     Kapitel 5: Brüderliche Ermittlung --------------------------------- Irgendetwas stimmte hier nicht, das war Inu Yasha klar. Irgendwie war es unmöglich, den Schatz zu stehlen und die Samurai zu vergiften. Klar war nur, dass es Kagome sicher nicht gewesen war. Immerhin schien der Herr Halbbruder das auch zu akzeptieren. Aber wieso liefen sie jetzt hier wie die Idioten im Hof herum? Er wiederholte die Frage laut.   Sesshoumaru ertappte sich bei dem sehnsüchtigen Gedanken an schweigsame Gehilfen. Aber, das wusste er, wenn er diesem Narren keine Erklärung gab, würde der ihm nur weiter lästig fallen. Es gab wahrlich keinen unter allen noch Lebenden, der es derart vermochte auf seinen Nerven förmlich spazieren zu gehen. Leider war ein Duell gegen den hier und jetzt nicht nur unpraktisch, sondern würde Versagen bedeuten. Zumindest in Myougas Augen, der das unter Garantie in Windeseile in halb Japan erzählen würde. Nun gut, nur Toutousai und Bokuseno, was allerdings einen ähnlichen Effekt hätte. So atmete er einmal durch. „Deine…hm…Begleiterin hat ausgesagt, dass sie das Fest verlassen und sich hier im Hof aufgehalten habe, auf der Suche nach dir. Sie gab an, dabei alle Mauern betrachtet zu haben, herumgelaufen zu sein.“   „Ja, schon.“ Der Halbdämon deutete nach rechts. „Ich bin dort hinten gesessen, im Garten, mitten zwischen den Hortensien. Sie hat mich da wohl übersehen, und ich nicht auf sie geachtet.“ Leider. Aber woher hätte er wissen sollen, dass etwas Derartiges passieren würde? „Und ich konnte von da nicht in die Richtung sehen, in der dieser dämliche Esaki stand.“   „Und dieser konnte dich nicht sehen. Aber er konnte auch nicht sehen…“ Der Hundedämon blickte sich noch einmal um, ehe er weiterging, in Richtung auf den Quertrakt der Stallungen und Samuraiunterkünfte, dann schräg nach links daran hinten vorbei. Er warf nur einen raschen Seitenblick zu dem Gang zwischen den Gebäuden, wo sich die Tür in den Küchentrakt befand, an der noch immer ein Samurai postiert war.   Inu Yasha begriff. Wenn in der Dunkelheit jemand diesen Weg genommen hätte, hätte Esaki genau in dem Augenblick, in dem der Unbekannte durch sein Blickfeld kam, nach rechts blicken müssen. Und es war fraglich, ob er sich irgendetwas dabei gedacht hätte. Schließlich war das hier der Haupthof und da kam jeder mal vorbei. Es wäre ein gewisses Risiko gewesen, aber es war nicht unmöglich. „Du hast recht“, erklärte er erleichtert. „Wenn jemand so läuft, kann ihn kaum einer entdecken.“ „Überdies denken Menschen gewöhnlich nicht.“ „Keh!“ Der Hundedämon vervollständigte prompt. „Nun, du auch nicht.“ Das gab er jedem schriftlich, der danach fragen würde. Zu fragen wagte. „He, was soll das denn heißen?“ Unwillkürlich wanderte Inu Yashas Hand zu Tessaiga. Na bitte. Unkontrolliert. Falls Vaters Bastard einmal auch nur andeutungsweise mit beiden Gehirnhälften denken würde, von etwas Selbstbeherrschung ganz zu schweigen … Aber nun gut, er hatte sich bereit erklärt den Fall zu lösen, dazu sollte er jetzt auch stehen. Ein Dämon, ein Wort. „Kannst du dir vorstellen, wie der Diebstahl stattfand?“ „Nein.“ Der Halbdämon musste zähneknirschend beipflichten, ergänzte allerdings: „Aber der ach so tolle Herr Halbbruder weiß es?“ Ruhig bleiben, selbstbeherrscht und sachlich, wie es einem Hundefürsten ziemte. „Ich sammele die Tatsachen, die mit dem Diebstahl zusammenhängen. Erst danach werde ich eine Theorie aufstellen.“ Sesshoumaru bog ab, um hinter dem Stallgebäude nach links zu gehen. „Ja, klar“, machte sein jüngerer Bruder. „Wenn man hier rumspaziert, kann einen Esaki oder sonst der Wächter nicht sehen. Und wenn man dann hinten wieder nach links geht, kommt man zwar wieder an dem Weg vorbei, an dem er steht, aber er müsste dann genau in dem Moment nach links gucken,. Und wenn es dunkel war…“ Der Halbdämon hatte es verstanden! Man sollte den Tag im Kalender rot markieren. Nun gut. Er hatte es früher auch Sakura erläutert. „Wenn etwas wie ein Diebstahl oder ein Mord stattgefunden hat, muss man alle Tatsachen betrachten. Wenn man dann das, was unmöglich ist, ausschließt, wird das, was übrig bleibt, der wahre Ablauf sein.“ Inu Yasha öffnete zwei Mal den Mund, ehe er schlicht äußerte: „So habe ich dich noch nie reden gehört….“ Nun gut, sie hatten auch noch nie zusammen ermittelt. Er sollte wirklich Myouga mal fragen, was da früher so gelaufen war. Das klang unheimlich interessant.   Sie gingen weiter, warfen nur einen raschen Blick in den Durchgang, wo an der Tür zum Küchentrakt der Samurai Wache hielt, der gelangweilt die Hauswand gegenüber anstarrte. Er drehte den Kopf nicht nach rechts oder links. Vor der Rückseite des Küchentraktes blieben sie stehen. Die Außenmauer des Schlosses war zehn Meter weg, unten mit Büschen bewachsen. Oben liefen Wachen, aber deren Befehl lautete nach außen. Überdies hätte sich jemand schon hinabbeugen müssen, um hierher zu blicken. „Hier, siehst du, diese Fenster sind alle vergittert.“ Der Halbdämon wies darauf. „Und die Öffnungen sind so klein.“ Sein älterer Bruder schwankte einen Augenblick, ob er es erklären sollte, meinte aber dann jedoch in einem unklaren Gefühl von Anleiten: „Die Nägel dieser Gitter sind hier an der Außenseite eingeschlagen worden.“ „Ja, und?“ Mit gewissem inneren Seufzen erklärte der Hundefürst das Offensichtliche. „Dann kann man sie auch von dieser Seite aus ziehen.“ „Seit wann bist du Handwerker?“ Inu Yasha ärgerte sich das unter die Nase gerieben zu bekommen. Um zu zeigen, dass er auch denken konnte, fuhr er fort: „Das bedeutet aber, dass praktisch jeder diesen Weg hat nehmen können, hier hinten völlig unbeobachtet herumstehen konnte – und die Nägel herauszog. Dann ist es doch klar, dass es Kagome nicht war!“ Waren große Brüder denn immer so arme Hunde? Oder gab es auch kleine Brüder, die nicht die Pest waren? Vielleicht Cholera? Er war fast bereit sich mit so etwas schon zufrieden zu geben. „Nichts ist klar. Fürst Kanouchi hat sie deswegen verdächtigt, weil sie eben diesen Weg von der Empfangshalle, über den Hof, hinter dem Quergebäude entlang hätte nehmen können. Außer ihr hat kaum jemand diesen Empfang verlassen. - Und ich vermute auch, dass er diesem Esaki zutraut seinen Posten kurz geräumt zu haben.“ Was der Fürst um der Clanehre willen natürlich nie aussprechen würde. „Das heißt, wir müssen weitersuchen?“ Stimmt, dachte Inu Yasha, die Holnzägel sind so in die Gitter geschlagen, dass man sie von hier leicht hätte ziehen können. „Aber es kann doch keiner der Gäste gewesen sein, ich meine… höchstens der Typ, den der Burgvogt erwähnte, in schwarz gekleidet. Er sagte, dass er ihn nicht kannte. Und Fremde kamen nicht durch das Tor, da waren ja auch Samurai.“ Wirklich, falls der Kerl einmal gründlich und logisch nachdachte, würde sich der Himmel vermutlich vor Begeisterung grün färben! „Du und dein Menschenweib kamt auch durch das Tor.“ „Was meinst du?“ „Fürst Kanouchi lud jeden ein, der heute um Gastfreundschaft bat.“ Er wäre langsam wirklich auf Vaters kreative Strafen für seinen jüngeren Sohn neugierig. „Ja, schön, aber die waren doch alle beim Fest.“ Nun gut, er selbst nicht, Kagome auch nicht lange. Und der Unbekannte auch nicht. Um den anscheinend schlechten Eindruck, den er offensichtlich gerade hinterließ, etwas zu korrigieren, meinte er: „Ich… ich habe auch mal jemanden über den Hof gehen….nein, nicht sehen, es war ja dunkel, aber gehört. Das muss der Typ dann gewesen sein.“ Oder es war Kagome gewesen, aber warum hatte er sie dann nicht erkannt? Und warum hatte er sie überhaupt nicht bemerkt? Möglich, dachte Sesshoumaru, aber nicht sicher. „Ich will Esaki sprechen.“ „Äh, was? Den Samurai? Ich habe doch schon mit ihm geredet. Traust du mir denn gar nichts zu?“ fuhr Inu Yasha auf, in einer seltsamen Mischung aus Zorn und Enttäuschung. „Du hast zu mir gesagt, was du ihn gefragt hast.“ Immerhin hatte der Hundeidiot sich das gemerkt. „Und? Ich habe ihn doch gefragt, ob er seinen Platz verlassen hat! Oder ob ihm etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Er meinte nein.“ Selbstbeherrschung, mahnte sich der große Bruder, zum wievielten Mal in den letzten Minuten? „In der Tat. Du hast ihn aber nicht gefragt, was Gewöhnliches passierte.“ „Nein“, erklärte Inu Yasha missmutig. Er schwankte ein wenig hin und her. Zum einen war es natürlich gut, wenn sich ein solch guter und offensichtlich erfahrener Ermittler um die Freilassung seiner Freundin bemühte – aber das war eben auch Sesshoumaru und er hatte nicht die mindeste Lust, dauernd von dem unter die Nase gerieben zu bekommen, wie unerfahren und dumm er selbst war. „Bring dann Esaki mit.“ „Wartest du hier?“ fragte der Jüngere verwirrt nach. Das verdiente keine Antwort. Sesshoumaru betrachtete nachdenklich das Fenstergitter. Mit einem leisen, ärgerlichen Laut sprang Inu Yasha davon. Je eher Kagome aus dem Kerker kam, umso besser wäre es. Aber Myouga würde etwas zu hören bekommen, wenn sie draußen war. Ihm diesen arroganten Hund zu servieren!   Der Hundefürst musterte das Fenster. Er hatte vergessen gehabt, wie unwohl er sich in einem Menschenschloss stets gefühlt hatte. Es wurde Zeit, den Diebstahl zu klären, den Dieb samt der Beute zu finden. Denn dieser musste sich noch im Schlossbereich aufhalten. Die Samurai am Tor hatten niemanden mehr hinausgelassen. Hm. Hatte man das Wie, hatte man den Wer... Wie konnte der Diebstahl abgelaufen sein? Wie wurden die Samurai vor der Tür im Flur unter ihren eigenen Augen und denen der Küchenhelfer vergiftet? Nein, ermahnte er sich. Keine Theorie aufstellen. Erst einmal müsste er Esaki befragen. Und dann…..Ja. Und dann?   Inu Yasha kehrte mit dem Samurai zurück, der sich höflich verneigte. „Du hast meinem Halbbruder gesagt, dass nicht Ungewöhnliches passiert sei, an diesem Abend.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Er warf sich auf den Boden. Schön, das eine war auch ein Dämon gewesen, aber….nun, um ehrlich zu sein, sah der jüngere Bruder nicht so….so gefährlich aus. „Ich bitte um Verzeihung….“ Wofür bat der Samurai denn um Verzeihung, fragte sich Inu Yasha unwillkürlich. Menschen, dachte Sesshoumaru nur. Seit Jahrhunderten immer die gleichen törichten Reaktionen. „Ich wünsche eine Antwort: ist nur nichts Ungewöhnliches geschehen oder gar nichts?“ „Ich…ich verstehe nicht, Lord Sesshoumaru.“ „Wer betrat den Küchentrakt durch deine Tür? Wohl alle, die in der Küche arbeiteten.“ Es hatte schon Zeiten gegeben, in denen er solche dummen Zeugen ein wenig anders behandelt hatte. „Ja, ja, das schon.“ Erleichtert begriff Esaki, auf was das hinauslaufen sollte. „Alle zehn Frauen, und natürlich die beiden Kollegen. Ja, wenn Ihr das so seht, muss eine der Frauen das Gift gehabt haben…Aber wie sollte sie den Diebstahl durchführen, allein?“ „Würden denn deine Kollegen im Dienst was trinken?“ fragte Inu Yasha prompt und kassierte ebenso unverzüglich einen eisigen Blick seines Halbbruders. Der Samurai antwortete jedoch hastig in den Boden. „Ich…nun, gewöhnlich nicht. Da bin ich mir sicher.“ „Ging noch jemand durch deine Tür?“ fuhr der Hundedämon im Verhör fort. „Nein.“ Esaki erkannte, dass das wichtig war. „Also, kein Fremder. Nur der kleine Kyo, aber der gehört ja praktisch zum Küchenpersonal, weil er da immer mithelfen will. Er ist so ein netter Junge. Aber sicher kein Fremder. Ich hörte, dem Burgvogt sei ein Fremder aufgefallen…“ „Das Denken überlasse mir!“ Dem eisigen Tonfall nach war das dem Krieger auch anzuraten. Der Hundefürst betrachtete noch einmal das vergitterte Fenster. „Ich möchte den Raum sehen, in dem der Schatz aufbewahrt wurde.“ „Komm mit“, sagte Inu Yasha doch hilfsbereit, weil sich der Herr Halbruder sichtlich Mühe gab Kagome aus dem Gefängnis zu holen. „Ich habe ihn mir zwar schon angesehen, aber wenn du meinst, dass du in einem leeren Raum was Besseres finden kannst…“ Was brütete der Herr Hund denn aus? Irgendetwas hatte der doch vor? Was war jetzt wichtig? Dass man die Gitter relativ leicht vom Fenster wegmachen konnte? Aber das Fenster war zu klein. Außerdem: wie hätte der Dieb dann die Samurai vergiften sollen? Und vor allem warum? Das wäre doch gar nicht nötig gewesen, wenn er durch das Fenster gekommen wäre. Aber das war doch unmöglich. Wollte Sesshoumaru das mit den Samurai nun klären?   Die Halbbrüder und Esaki gingen an der augenblicklichen Wache vorbei in den Küchentrakt. Sesshoumaru fand die Aussage des Halbdämons bestätigt, dass kleine Lüftungslöcher in den Türen waren, vergittert. Niemand konnte dort einfach hindurch fassen. Vor der Tür zu der eigentlichen Schatzkammer stand nun niemand. Es wäre auch sinnlos gewesen noch Samurai zu postieren. Er witterte. Aber es waren zu viele Menschen hier gewesen, als dass man noch die Geschehnisse hätte erahnen können. „Der Riegel.“ Esaki eilte vor und machte die Tür auf. Natürlich würde ein solch vornehmer Herr nicht selbst öffnen. Der Dämonenfürst betrat den Raum und musterte die leere, kleine, Truhe gründlich. „Inu Yasha. Der Heiler.“ Langsam reichte es dem Halbdämon doch. „Sag mal, bin ich vielleicht Jaken? Geh doch selbst hin. Er wird bei seinen Patienten sein.“ Er bemerkte gerade noch den Blick. „Schon gut. Bin schon weg.“ Kagome wäre nicht geholfen, wenn sie sich streiten würden. Leider. Am liebsten hätte er Tessaiga gezogen. Was fiel diesem Mistkerl ein ihn derart herumkommandieren zu wollen? Noch schlimmer, es zu tun? Sesshoumaru war etwas befriedigt. Immerhin schien Inu Yasha verstanden zu haben, dass er seinen Teil der Ermittlungen übernehmen sollte. Er drehte sich um und verließ den Küchentrakt, blieb im Hof stehen.   Der Burgvogt, auf dem Weg zu den Wachen am Tor, hatte ihn gesehen. Umso erschrockener zuckte er zusammen, als er den Dämon plötzlich neben sich erblickte. „Lord Sesshoumaru!“ Er vergaß fast sich zu verneigen. „Kamura, heute sind Wachposten auf allen Mauerseiten. War das während des Festes auch der Fall?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Ich habe heute mehr Samurai postiert, auf Befehl des edlen Fürsten. Falls…falls Eure Mandantin unschuldig ist, wünscht Fürst Kanouchi auf diese Art zu verhindern, dass der wahre Täter unbemerkt über die Mauer entkommt. Gestern waren zwei Samurai auf den beiden Torseiten, sowie je einer an allen vier Ecktürmen.“ Er nahm an, dass dies wichtig war, wollte sich allerdings unwillkürlich entschuldigen. „Dies ist in Friedenszeiten die gewöhnliche Besetzung.“ „Welche Anweisung haben die Posten?“ „Sie...sie achten auf die Dinge außerhalb des Schlosses.“ Shoji Kamura verstand. „Und konnten so den Hof nicht beobachten, das ist wahr, Lord Sesshoumaru. Aber es standen drei Samurai am Küchentrakt Wache, einer vor der Tür und die beiden vor der Schatzkammer.“ Der Hundedämon hatte sich bereits wieder umgedreht, da er wittern konnte, dass sein Halbbruder mit dem Heiler auf den Hof kam. Der Burgvogt betrachtete dies als Entlassung und eilte rasch weiter.   Der Heiler war ein buddhistischer Mönch, der höflich den Kopf neigte. Seine spirituellen Kräfte waren groß genug, dass er erkennen konnte, dass dieser Dämon nicht in seiner Liga spielte, eher drei Stufen drüber. „Ihr wünscht mich zu sprechen?“ „Wie geht es den beiden Samurai?“ „Sie werden nicht sterben, aber sie schlafen den Rausch noch aus. Wollt Ihr wissen, welches Gift sie erhalten haben?“ Da dachte jemand mit. Das war angenehm. Der Heiler nahm das Schweigen als Zustimmung. „Soweit ich es sagen kann, haben sie den Wein getrunken. Wie Euch vielleicht bekannt ist, vertragen etliche Menschen keinen Wein, sind bereits nach wenigen Schlucken betrunken und schlafen ein.“ „Kein Gift, also!“ sagte Inu Yasha erleichtert. „Aber wenn sie im Dienst was getrunken haben...“ „Inu Yasha!“ Der Name enthielt Tadel. „Weiter, Heiler.“ Der Halbdämon starrte seinen Bruder an. Was hatte er denn nun schon wieder falsch gemacht? Und wieso sollte der Heiler weiterreden? Der hatte doch gerade gesagt, dass kein Gift im Spiel war? Der Mönch nickte ein wenig. „Der Wein allein hätte sie einschlafen lassen. Und sie werden ihre Strafe für ihr Vergehen sicher erhalten. Burgvogt Kamura liebt es in keinster Weise, wenn seine Männer ihren Dienst versäumen. Aber in dem Becher befand sich auch ein Kräutertrank, der sie bewusstlos werden ließ. Aus dieser fatalen Mischung erklärt sich ihre lange Betäubung.“ „Woher weißt du das mit dem Gift?“ fragte Inu Yasha prompt. Wieso drückte sich der Kerl denn nicht gleich klar aus? „Ich nahm die Becher mit und untersuchte sie.“ Der Heiler klang erstaunt. Sesshoumaru nickte ein wenig. „Du kannst gehen.“ „Danke.“ Der Mönch verschwand. Interessant, dass dieser Dämonenfürst sofort begriffen hatte, dass es sich um zwei Dinge gehandelt haben musste. Er hatte gehört, dass dieser bereits solche Ermittlungen geführt hatte, und sich das eigentlich nicht vorstellen können. Jetzt glaubte er es. Der Halbdämon sah seitwärts. „Und? Bist du jetzt schlauer? Wer war es?“ „Wie war es, Inu Yasha.“ „Was?“ „Hat man das Wie eine Tat passiert ist, hat man auch den Wer.“ Das hatte er ihm doch schon gesagt. „Und? Hast du das Wie?“ Inu Yasha wollte Kagome aus dem Gefängnis holen, je eher, desto lieber. „Du etwa nicht?“ Der jüngere Halbbruder legte unwillkürlich die Hand an Tessaiga, ehe er wieder einmal daran dachte, dass er die Hilfe dieses arroganten Hundes benötigte. Ein Duell würde Kagome nicht helfen. „Nein“, gab er zu. „Dann sagst du Fürst Kanouchi, wer es war?“ Das verdiente ja wohl keine Antwort, dachte Sesshoumaru und drehte sich um.   Kapitel 6: Lösung ----------------- Die Halbbrüder wurden unverzüglich zum Fürsten durchgelassen. Dieser war im Gespräch mit dem Burgvogt, erhob sich jedoch höflich. „Habt Ihr eine Frage?“ Shoji Kamura verneigte sich. „Kagome ist unschuldig“, platzte Inu Yasha heraus. „Lasst sie frei.“ Sesshoumaru zwang sich dazu dies zu ignorieren, statt sich mit handgreiflichen Erziehungsmethoden durchzusetzen. „Fürst Kanouchi, wollt Ihr wissen, wie Euer Schatz verschwand?“ „Selbstverständlich. Wart Ihr bereits in der Lage, ihn zu finden?“ Der Hausherr war überrascht. „Ich werde Euch sagen, was sich zugetragen hat.“ „Ich bitte darum, Lord Sesshoumaru.“ Inu Yasha war ebenfalls neugierig, hütete sich aber etwas dazu zu sagen, um den Fürsten nicht seine Ahnungslosigkeit zu verraten. Sesshoumaru begann als würde er einen Text von der Wand ablesen. „Die offensichtlich zu ziehende Schlussfolgerung aus dem Diebstahl war, dass es sich nicht um einen Täter handeln konnte, sondern mehrere, mindestens drei, daran beteiligt sein mussten. Einer von ihnen kannte sich im Schloss sehr gut aus, war also mit Sicherheit ein Mitglied des Kanouchi-Clans.“ Der Schlossherr holte Atem. „Wie kommt Ihr…“ „Ich rede!“ In den zwei ruhigen Worten lag eine kaum zu überhörende Drohung. „Das erfordert die Logik. Die Täter kannten nicht nur den doch recht ungewöhnlichen Platz, an dem der Schatz aufbewahrt wurde, sie wussten ebenso über die Postierung der beiden Samurai Bescheid, ja, deren Empfänglichkeit für gewisse Getränke. Solch ein Wissen konnte nur jemand haben, der sich dauernd in diesem Schloss aufhält, kein zufälliger Gast. Somit scheidet Kagome von vornherein aus. Der eine Täter, der Verräter, befand sich also unter den Gästen, sorgte gewiss dafür, dass ihn jedermann sah, sein Alibi bestätigen konnte. Der zweite Täter sah nur kurz in die Empfangshalle. Er trug schwarze Festkleidung, zum Einen, um für einen Gast gehalten zu werden, zum Anderen, weil er so bei seinem Weg über den nur von Laternen beleuchteten Hof schwerer zu entdecken war. Eine Frau und Ihr, Burgvogt, bemerkten ihn zufällig, als er bereits vor der Rede des Fürsten die Halle verließ. Der … mein Halbbruder hörte ihn über den Hof laufen, dachte sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nichts dabei.“ Er unterdrückte das „wie immer“, das ihm auf der Zunge lag und warf einen Blick in die Runde. „Dieser Täter nahm den Weg Richtung Garten, um so hinter die Stallungen zu kommen. Der vor dem Küchentrakt postierte Samurai hätte ihn nur für einen kurzen Moment bemerken können, wenn er nach rechts geblickt hätte. Um dies zu verhindern, wurde der dritte Komplice in diesem Augenblick zu dem Samurai geschickt. Enaki kannte ihn als Mitglied des Küchenpersonals und öffnete arglos die Tür. Während dieser hineinging, nun die beiden Samurai begrüßte, ihnen vermutlich angeblich im Eurem Auftrag, Fürst Kanouchi, die Becher mit Wein hinstellte, damit sie ihn auch gewiss tranken, gelangte der zweite Täter hinter den Küchentrakt. Die Gitter an den Fenstern wurden mit Nägeln von außen befestigt, so dass es nicht schwierig war sie zu ziehen. Die Posten vor der Tür hörten es nicht, waren sie doch im Gespräch mit dem ihnen bekannten dritten Täter, tranken auch den Wein. Dabei war den Dieben allerdings ein Fehler unterlaufen. Der Erste wusste, dass diese beiden Posten keinen Wein vertrugen, nahm an, sie würden dann einschlafen, so überhören, dass das Fenstergitter beseitigt wurde, aber den Mund halten um nicht wegen Trunkenheit im Dienst bestraft zu werden. Der zweite Täter hatte dies offenbar nicht erfahren und darum ein Schlafmittel in die Becher geschüttet. Eine fatale Mischung für die Samurai. Der Heiler bestätigt, dass ein Kräutertrank und der Wein gemeinsam für die lange Betäubung sorgten. - Inzwischen war das Gitter vom Fenster entfernt worden.“ „Ja, aber…das Fenster ist zu klein, Lord Sesshoumaru“, erklärte Shoji Kamura, wenngleich mit einer tiefen Verbeugung. „Kein Mann kommt da durch.“ „Sehr richtig. – Der dritte Täter wartete, bis die Samurai eingeschlafen waren und verließ eilends den Küchentrakt, um zu seinem Komplicen zu gelangen. Wie der Burgvogt bereits erwähnte, kann man aus der Größe des Fensters schließen, dass einer der Täter überaus klein sein muss. Er stieg in den Raum, reichte den Schatz hinaus, kehrte zurück und verschwand. Währenddessen schloss der andere Täter das Gitter wieder und nahm die Juwelen an sich. Er ging davon aus, dass er das Schloss am nächsten Morgen auf dem gleichen Weg verlassen konnte, wie er eingetroffen war, verkleidet als einer der Lieferanten. Der erste Täter ist laut Mitteilung des Burgvogtes zuständig für Einkäufe, Lieferungen. Niemand hatte den dritten Täter erkannt. Nun, in zwei Jahren kann man das Aussehen auch gut verändern.“ „Ogata!“ brachte Fürst Kanouchi hervor: „Hasui, der sich auskannte, Kyo, das Kind, das in der Küche ein und ausgeht, durch ein Fenster passt und….und dieser Bastard, den ich vor zwei Jahren des Landes verwies.“ „In der Tat. Man sollte Leute töten, die man nicht wieder sehen will.“ „Wo sind die Juwelen? Und wo ist Ogata?“ „Hasui Ogata trägt einen Verband, da …“ Der Burgvogt brach nicht nur ab, sondern in die Knie, da ihm gerade dämmerte, dass er gleich zwei Fürsten vorgegriffen hatte, ja, seinen eignen Herrn vor dem fremden bloßgestellt hatte. Fürst Kanouchi schüttelte allerdings nur den Kopf und blickte zu Sesshoumaru. „Er hat in der Tat ein Alibi, denn er befand sich mit meinen ältesten und vertrautesten Beamten dauernd im Raum. Allerdings kam auch der Dieb unbemerkt hinein….“ „Dieser wollte Essen stehlen,“ erwiderte der Hundefürst prompt. „Er wird schon vor der Feier in den Saal geschlichen sein. Für ihn schlecht wurde das Essen erst aufgetragen, als die Gäste schon im Saal waren und er sich zurückziehen musste. Ein Beweis, übrigens, wie wenig er sich in diesem Schloss und seinen Abläufen auskennt. Ich teile allerdings Eure Meinung, dass die Beamten samt Ogata gemeinsam den Raum betraten. Er kannte die Abläufe und hatte durch seinen, sicher vorgeblichen, Unfall dafür gesorgt, dass er hier unter ständiger Beobachtung stand. Nein, die Diamanten sind woanders.“ Da er den fragenden Blick kaum übersehen konnte: „Ich vermute bei dem zweiten Ogata, der mit den anderen Lieferanten kam. Sein Bruder konnte unauffällig dafür sorgen, dass er das Schloss betreten konnte. Nachdem der Diebstahl entdeckt worden war, durfte niemand das Schloss mehr verlassen. – Die Diebe gingen davon aus, dass das Küchenpersonal keinen Verdacht schöpfen würde, dass etwas gestohlen worden wäre, sondern den Schlaf der Samurai dem Wein zuordnen würde. Hazu war zu aufmerksam dazu.“ „Das klingt überaus schlüssig,“ erwiderte der menschliche Fürst mit einer leichten Verneigung. „Ich habe nur eine Frage, äh … großer Bruder.“ Inu Yasha wollte sich ja schließlich nicht blamieren, wenn hier alle schon so auf altmodische Höflichkeit machten. Sesshoumaru war tatsächlich dermaßen irritiert über diese Anrede, dass er zur Seite blickte. „Das mit dem Fenster und dem kleinen Jungen ist ja logisch, aber ...warum zerrt der Kerl auch noch seinen Sohn oder der andere seinen Neffen hinein?“ Es stand schließlich nirgendwo geschrieben, dass kleine Kinder nicht zu bestrafen wären, das wusste er aus eigener Erfahrung, in letzter Konsequenz war ER aus dem mütterlichen Clan geworfen worden. „Die einzige Möglichkeit. Die Kammer war nicht nur durch drei Samurai, vor den jeweiligen Türen, bewacht, sondern besitzt auch noch ein Schloss, zu dem nur sehr wenige Personen, wie Kamura – und ich vermute auch Ihr, Fürst Kanouchi – ,den Schlüssel besitzen. Vermutlich haben sie dem Kind eingeredet, sein Vater sei gekommen um ihn zu holen und mitzunehmen. Was im Übrigen sicher auch geschehen wäre, schon, um den Zeugen auszuschalten. Ogata hätte ausgesagt, der Kleine sei aus Verzweiflung weggelaufen oder sonst etwas. Niemand hätte ihm das Gegenteil beweisen können.“ „Ich danke Euch vielmals, Lord Sesshoumaru,“ sagte Fürst Kanouchi höflich. „Kamura, lasse das Mädchen aus dem Keller holen und den kleinen Fuchs ebenso. Und natürlich alle Ogatas verhaften. - Ich vermute, Ihr wünscht Euch nicht mehr hier aufzuhalten?“ Darauf konnte er Gift nehmen, dachten die Halbbrüder seltsam einig.   Kagome teilte ausnahmsweise die Meinung aller zwei Hundejungen und machte, dass sie mit ihnen davon kam, nachdem sie sich höflich bei denen und auch Fürst Kanouchi bedankt hatte. Allerdings war sie mehr als überrascht, dass sich Sesshoumaru als schweigender Schatten Inu Yashas entpuppte. Nun, genauer, er ging neben ihm und ein eisiger Blick hatte sie in die zweite Linie gescheucht. Was war da nur zwischen diesen beiden vorgefallen? Was hatte ihr Halbdämon zusagen müssen, dass der Ältere ihm dabei half sie aus dem Kittchen zu bekommen? Das fragte sich allerdings auch Inu Yasha, dem diese neue Begleitung buchstäblich an seiner Seite alles andere als zusagte. Da kam doch noch etwas? Wollte dieser Riesenhundeidiot jetzt eine Belohnung? Welche? Myouga sollte ihm zwischen die Klauen kommen! Aber der alte Floh hatte schon längst das Weite gesucht. Immerhin sagte der Herr Halbbruder nichts, auch leider nicht, wie er den wieder weg brachte. Auf was wartete der? Einen Fehler? Welchen? Er hatte ihm doch nichts versprochen?   Da es langsam dämmerte, blieb der Halbdämon an einem Teich stehen. „Ich hole dir Fisch,“ meinte er zu Kagome, die das mit einem Seufzer quittierte, ehe sie sich mit Shippo Äste suchte für ein Grillfeuer. Wenigstens das war wie immer. Denn der große, schweigsame Dämon, der sich da ein wenig abseits von ihr an das Ufer stellte und irgendwohin guckte, war ihr nicht ganz geheuer. Da kam doch etwas? Irgendetwas? Aber selbst, als sie die Fische grillte und wie immer mit dem Halbdämon und dem kleinen Fuchs teilte, bewegte sich der stille Hundedämon nicht um einen Zentimeter, sondern betrachtete die Gegend jenseits des Teiches als wäre sie sonst wie interessant. Dabei handelte es sich nur um eine Wiese, sie hätte gesagt, groß wie ein Fußballfeld, naja, eher zwei, dann kam dort auch wieder der Wald, der auf dieser Seite deutlich näher an das Wasser gerückt war. Allerdings verspürte sie, wie immer in Inu Yashas Gegenwart, keinerlei Furcht. Er würde es merken, käme da Dämon oder Mensch. Allerdings würden sich vermutlich Dämonen, die auch nur etwas Überlebensinstinkt besaßen, weiträumig um Sesshoumaru herum bewegen. Die Aufregungen des letzten Tages forderten zudem ihren Tribut und so legte sie sich, den warmen Fuchs im Arm, hin und war auch bald eingeschlafen.   Inu Yasha warf ihr einen Blick zu, ehe er aufstand. „So,“ meinte er leise. „Jetzt kannst du mal rausrücken, warum du den ganzen Tag neben mir läufst. Ja, ich schulde dir was. Also?“ Ach, wie vorhersehbar der Bastard war! Allerdings, bedachte der Hundefürst, sollte er ihm besser nicht erzählen, dass ihn eine Erinnerung an Vaters Benehmen überkommen hatte. Ja, es war schön, wenn man einen Sohn, oder auch einen jüngeren Bruder, hatte, der einem pflichtschuldigst lästige Sachen abnehmen musste. Inu Yasha würde bei einer Andeutung natürlich prompt dagegen sein. Benehmen und klare Rangordnungen kannte der einfach nicht oder wollte sie nicht kennen.Aber nun gut, er selbst hatte doch dazu gelernt in den letzten Jahren. Welpen musste man ködern. Und diesen speziellen, misstrauischen, Welpen besonders. Nicht, dass er nicht zugab, dass Vaters zweiter Sohn Grund hatte ihm gegenüber misstrauisch zu sein. „Dir hat diese Ermittlung Vergnügen bereitet.“ „Äh…“ Der Halbdämon wusste, dass das keine besonders intelligente Antwort war, aber das war nicht das, was er erwartet hatte zu hören. Nichts von „dämlicher Bastard, ich bringe dich um“? „Naja, du hast wohl ziemlich mehr Erfahrung,“ gab er dann ehrlich zu. „Aber es hat Spaß gemacht dir zuzuhören.“ Sesshoumaru musste unwillkürlich an ein Menschenmädchen vor Jahrhunderten denken. Schon Sakura hatte gesagt, ihr mache es Spaß ihm bei seinen Lösungen zuzuhören. War es wirklich möglich… „Willst du lernen?“ „Ermitteln?“ Der Jüngere wusste wirklich nicht, was er davon halten sollte. Das war ein ernst gemeintes Angebot. Sesshoumaru war ein Misthund, aber lügen war unter dessen Würde. Wieso zuckte da etwas um den Mund seines Halbbruders? „Vielleicht zunächst einmal Schwerttechniken.“ „Du willst mit mir ...üben?“ Hoffentlich klang das nicht so, wie er sich fühlte. „Nun?“ „Naja, nach der ganzen Aufregung ….“ Der Halbdämon warf einen Blick auf das schlafende Mädchen und Shippou, der natürlich zuhörte. Natürlich! „Ich könnte ein Duell gegen einen belastbaren Gegner schon brauchen.“ Der Dämonenfürst war mit einem weiten Sprung jenseits des Teiches auf der Wiese und wandte sich um. Ja, ein belastbarer Gegner. Vielleicht hatte er deswegen Vaters Bastard nie umgebracht. Es machte einfach zu zweit einfach zu viel Spaß. Womöglich alles.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)