Letzte Wiederkehr von MizunaStardust ================================================================================ XX -- XX Yugi und Ryou bewegten sich zügig durch die Straßen. Dennoch fiel es ihnen schwer, nicht permanent stehenzubleiben und sich das Schauspiel anzusehen, das sich ihnen überall in der Stadt bot. Nach ihrem kleinen Krisenstab hatten sich Seto und Mokuba Kaiba sofort an die Arbeit gemacht. Eine Mitarbeiterin, die sich noch im Gebäude befand, hatten sie dazu bewogen, eine eigens für die Situation ausgelegte Hypnose einzusprechen. Mokuba hatte sich im Internet schlau gemacht, welche Elemente dafür nötig waren. Seto hatte derweil mit der Implementierung begonnen und die wichtigsten Systeme der Stadt angezapft. Das alles war gerade einmal anderthalb Stunden her. Und schon jetzt war auf mehr und mehr Monitoren überall auf den Straßen und Plätzen, in Kneipen und Friseursalons, Gamecentern, Kinos und sogar im Museum dasselbe Bild zu sehen. Ein träumerisches Idyll mit bunten Wiesen, Seen und Feldern, das von der einschläfernden, freundlichen Stimme der Mitarbeiterin untermalt wurde. Überall, wo Yugi und Ryou vorbeikamen, blieben die Menschen stehen und waren in den Bann des Videos gezogen. Einige, die sich zuvor in einem tranceartigen Zustand befunden hatten, blickten nun auf und ihre Züge schienen sich leicht zu entspannen. Andere reckten bereits die zuvor regungslosen Glieder. „Das ist mal ein Video, das viral geht“, kommentierte Ryou beeindruckt. „Ja, auf Kaiba ist eben Verlass. Er macht keine halben Sachen!“, stimmte Yugi zu, „aber wir sollten uns trotzdem beeilen. Leon klang sehr dringlich am Telefon.“ Vor einer halben Stunde hatte Yugi aus heiterem Himmel einen Anruf von Leon von Schroeder bekommen. Offenbar war auch sein Bruder Zigfried den Schatten zum Opfer gefallen. Natürlich begriff der jüngere Schroeder ganz und gar nicht, was da gespielt wurde, und erhoffte sich von Yugi Antworten. „Beruhige dich erst mal“, hatte dieser ihn zu beschwichtigen versucht, „so viel wir bisher wissen schwebt dein Bruder nicht in unmittelbarer Gefahr. Hast du eine Möglichkeit, ihn zu uns zu bringen? Ich werde sehen, was ich für ihn tun kann.“ So waren sie nun auf dem Weg, um sich mit Leon und Zigfried zu treffen. „Ich weiß nicht. Denkt ihr, es ist gut, wenn wir uns schon wieder trennen?“, hatte Téa ihre Bedenken geäußert. „Auf jeden Fall sollten immer zwei von uns zusammen unterwegs sein“, schlug Tristan vor, „nur als Absicherung, falls doch einer mal wieder auf dunkle Gedanken kommt.“ So waren sie letztlich alle ausgeschwärmt. Téa und Joey wollten erneut kontrollieren, wie es allen Familien ging, Tristan und Mokuba besorgten für alle etwas zu Essen. Seto war in der KaibaCorp zurückgeblieben und kümmerte sich darum, die Reichweite des Videos zu erhöhen – wenn möglich auf ganz Japan. Dafür hackte er sich nun auch in die Instagram-Kanäle sämtlicher landesweit bekannter Persönlichkeiten und teilte die Hypnose über deren Profile. „Yugi, hör mal“, sagte Ryou jetzt, während sie sich durch eine Ansammlung von Menschen am Ufer des Flusses Halma durchschlängelten, „ich wollte dir nochmal danken. Du weißt schon, dafür, dass du mich vorhin aus diesem düsteren Loch geholt hast. Es ist mir wirklich peinlich, dass ich so schwach rüberkam.“ „Das muss es doch nicht“, beruhigte ihn Yugi, „weißt du … ich hatte ganz ähnliche Gedanken wie du, als Atem damals plötzlich fort war. Ehrlichgesagt, selbst jetzt fühle ich mich in manchen Momenten noch … schwach, einfach irgendwie zu wenig. Ähnlich wie du vorhin. Ich weiß, dass das nicht die Wahrheit ist, aber es ist schwer, aus diesem Muster auszubrechen.“ Ryou fiel eine zentnerschwere Last von den Schultern. „Das beruhigt mich jetzt schon etwas. Ich dachte, es ginge nur mir so.“ Yugi wurde langsamer und schüttelte entschieden den Kopf. „Als Atem vor ein paar Tagen wieder zurückgekehrt ist … ich kann gar nicht beschreiben, was das mit mir gemacht hat. Es war wie nach Hause kommen … aber ich muss wohl einsehen, dass der Atem, den ich kennenlernen durfte, nie mehr zurückkommen wird.“ Ryou blickte ihn verständnisvoll an. „Ja, ich verstehe, was du meinst. Ich stand zwar Bakura nicht auf dieselbe Art nahe, wie es bei euch der Fall war, aber … dennoch kannten wir uns irgendwie, waren uns vertraut. Dieses Gefühl hat dieses Mal gefehlt. Trotzdem gibt Bakura mir auch jetzt noch Sicherheit. Und ich schäme mich dafür. Aber ich kann es nicht ändern.“ Yugi nickte abermals, aber nun wirkte er abwesend, in seinen eigenen Gedanken verstrickt. „Ja, Sicherheit. Das ist es. Alle erwarten immer von mir, dass ich schon weiß, was das Richtige ist. Aber die Wahrheit ist … ich fühle mich oft hilflos. Alleine.“ „Hey, Yugi!“, unterbrach Ryou Yugis Monolog, „wir müssen doch hier abbiegen, oder nicht?!“ Aber Yugi trottete einfach weiter die Straße entlang.“ „Yugi?“, hakte Ryou noch einmal nach, „wollten wir uns nicht mit Leon am Spielela … verdammt.“ Eilig hechtete er seinem kleineren Freund hinterher, überholte ihn und packte ihn an beiden Schultern. Als er ihm in die Augen blickte, sah Ryou darin nichts als Resignation und Antriebslosigkeit. Sie befanden sich mittlerweile in einem Wohngebiet und weit und breit keine Leinwand in Sicht. „Hach Yugi. Du bist immer so sehr mit den Problemen anderer beschäftigt, dass man oft vergisst, dass du selbst auch mal Sorgen hast. Na toll, Kaiba. Solange du diese Hypnose nicht auch auf die privaten Fernsehbildschirme werfen kannst, haben wir ein echtes Problem … Mist, was mache ich jetzt?“ Erst jetzt nahm Ryou wahr, wie ausgestorben die Straße war, auf der er stand. Außer ihnen befand sich niemand vor der Haustür. Ryou fühlte sich an eine Geisterstadt erinnert. Ihm sank das Herz und er begann, sich unwohl zu fühlen. „Klasse, wenn es Yugi schon erwischt hat, wie soll ich das hier durchstehen?“ Ein klaustrophobisches Gefühl bemächtigte sich seiner, er hatte den Eindruck, die Düsternis um ihn herum wurde immer drückender. Dann war da noch eine andere Empfindung. Es war vollkommen anders als vor ein paar Stunden, als die Schatten von seinen Gedanken Besitz ergriffen hatten. Es war vielmehr, als verschmelze er vollkommen mit der Dunkelheit über ihnen, als würde er zu einem Teil von ihr. Da waren keine depressiven Gedanken, die seine Sinne trübten. Er nahm alles ganz bewusst wahr. Als er ein Glühen aus dem Augenwinkel erhaschte, blickte er an sich herab. Da, um seinen Hals hing der Milleniumsring. Golden schimmernd, als wäre er nie fortgewesen. „Wo … kommt der her?“, fragte er nach Luft schnappend, „der sollte doch im Milleniumsstein ruhen! Für immer!“ Der Gegenstand leuchtete jetzt stärker und Ryous Körper fühlte sich leicht an, Energiewellen pulsierten durch seine Glieder. Dann war es vorbei, so schnell es begonnen hatte. Das Licht erlosch, der Ring hörte auf zu glühen und lag nun weglos um seinen Hals. Ryou blickte sich um. Er wollte nur noch hier weg. *** „Endlich!“, atmete Seto auf, als Atem sich schließlich bei ihm meldete, „ich hab mir schon Sorgen gemacht. Du kannst doch nicht einfach so auflegen, ohne mir zu sagen, was bei dir los ist!“ „Tut mir leid“, entschuldigte sich der Pharao zerknirscht, „ich hab mich eben erschrocken. Stell dir vor: Zigfried von Schroeder ist wahrscheinlich mit der Schriftrolle auf und davon!“ „Er … was? Dieser Halsabschneider, ich weiß doch, warum ich ihn meide wie die Pest!“ „Ja, aber ganz sicher sind wir uns noch nicht“, ruderte Atem zurück. „Sind wir doch!“, kommentierte Bakura aus dem Off. „Jedenfalls: Bakura hat einen Plan und Uyeda …“ „Atem, jetzt mal langsam: Du arbeitest mit Bakura und Uyeda zusammen?“ „Ja“, sagte Atem nur knapp. „Schön … ich denke, du weißt, was du tust. Aber es wäre mir lieber, wenn du allein agieren würdest.“ „Oder mit dir zusammen?“, schmunzelte der Pharao. „Richtig“, stimmte Seto sachlich zu, „apropos: Jetzt, da die Chancen ohnehin gering sind, dieses Papyrus noch aufzutreiben, halte ich es für das Beste, wenn ich Roland zu dir schicke, um dich einzusammeln. Zigfried und sein Bruder sind schon auf dem Weg hierher. Vielleicht bekommen wir etwas aus ihm heraus, sobald er wieder bei Verstand ist – falls er das je war oder sein wird.“ „Seto, das ist nett, ehrlich. Aber ich habe hier noch etwas zu erledigen. Ich kann hier nicht weg.“ Seto seufzte. „Warum dachte ich mir, dass du das sagst?“ „Weil es der Grund ist, warum du so fasziniert von mir bist?“, lächelte Atem. „Ich versuche nicht, dich vom Gegenteil zu überzeugen. Aber … ich hätte dich gerne hier. Du … fehlst mir.“ „Du fehlst mir auch“, sagte Atem leise. „Seid ihr bald mal fertig mit dem Gesülze?“, mäkelte Bakura, „wir haben hier Wichtigeres zu tun!“ Ein mulmiges Gefühl befiel Seto. Warum war ihnen so wenig Zeit alleine miteinander vergönnt? „Atem hör mal“, begann er etwas ungelenk, „wird das jetzt immer so sein?“ „Was meinst du?“, wollte der Pharao wissen. „Na, ich meine: Wirst du immer auf dem Sprung sein? Werden wir immer nur einige kurze Worte miteinander wechseln können? Bis alles überstanden ist? Und was ist danach? Hast du darüber schon mal nachgedacht?“ „Nein …“, gestand Atem verunsichert. „Gehst du dann wieder zurück?“ „Ich kann doch noch etwas bleiben“, sagte der Pharao sanft, „wenn alles vorbei ist. Also, falls wir es schaffen. Wir können …“ „Aber zurückgehen wirst du doch, nicht wahr?“ Seto spürte, wie Atem sich am anderen Ende der Leitung begann, unwohl zu fühlen. „Ich … ja. Ich sehe da keine andere Möglichkeit“, gestand er, „aber du weißt, dass ich … wenn ich die Wahl hätte …“ „Vielleicht gibt es ja eine Wahl!“, begehrte Seto auf, „warum bist du so regeltreu? Wie hat dich dein Pflichtgefühl jemals weitergebracht, kannst du mir das mal sagen? Ich wünsche mir nur wenigstens noch einen Tag mit dir. Einen Tag, in dem ich dich besser kennenlernen darf. Ohne diesen Mist hier.“ „Seto, bitte lass uns das vertagen. Ich möchte das lieber von Angesicht zu Angesicht mit dir besprechen. Nicht durch ein Rechteck mit Metallschlangen drin, in dem deine Stimme gefangen ist.“ „Ja, na wunderbar. Dann eben nicht.“ Voller Bitterkeit legte er schließlich auf. Seto konnte nicht sagen, weshalb plötzlich eine solche Wut in ihm brodelte. Eine Wut auf das Universum, das all seinen Aktionismus zerschlug, eine Wut auf Atem, der einfach nicht zu begreifen schien. Der so kurzsichtig war. Als wäre er keine Person, sondern nichts weiter als ein Ideal, ein gutes Prinzip. Als wäre er nur hergekommen, um eine einzige Mission zu erfüllen, die er mit aller Macht verfolgte, nun, da er sie kannte. Seto fühlte sich so weit von ihm entfernt. Er hatte keinerlei Macht über ihn oder seine Gedanken. „Verdammt“, wütend pfefferte er seine Duel Disk auf den Boden. Dann musste er unwillkürlich lächeln. Noch vor wenigen Tagen hatte er Atem für ebendiese Handlung gerügt. Wie war das alles nur so schnell passiert? „Alles okay, großer Bruder?”, fragte Mokuba, der gerade mit einer Portion Essen in Setos Büro trat. „Ja … nein … ach, ich weiß nicht“, gab Seto verwirrt zu. „Es ist wegen Atem, nicht wahr?“, hakte der jüngere Kaiba vorsichtig nach. „Ja“, gestand Seto, „ich hätte ihn nicht dort alleine lassen sollen. Wir hätten zusammenbleiben sollen. Und jetzt … habe ich den Eindruck, er entfernt sich weiter und weiter von mir.“ Mokuba sah nachdenklich aus. „Mach dir keine Gedanken. So wie ich den Pharao von früher kenne, weiß er, was er tut. Und wenn er etwas tut, hat das seinen Sinn“, versuchte er, seinen großen Bruder zu beschwichtigen. Dieser lächelte matt. „Ja … du hast Recht. Danke dir, Moki. Trotzdem. Wenn ich es geschafft habe, mich in die lokalen Fernsehsender einzuwählen und auch dort das Hypnoseprogramm zu senden, mache ich mich auf den Weg zurück zu Pegasus.“ Mokuba nickte. „Aber … denkst du nicht, du wirst hier weiterhin gebraucht?“ Seto schüttelte grimmig den Kopf „Alles, was ich hier tun konnte, ist, die Symptome dessen, was da freigesetzt wurde, ein wenig aufzuhalten. Und dabei bin ich jetzt am Ende meiner Möglichkeiten. Aber Atem … er kümmert sich um die Ursache. Und ich habe das Gefühl, ich sollte ebenfalls dort sein.“ *** „Endlich!“, seufzte Bakura erleichtert, „nun, da ihr euer unwichtiges Geturtel beendet habt, können wir ja endlich zur Agende zurückkehren.“ Atem nickte befangen. Das Gespräch hatte ihn aufgewühlt. Seto hatte ja Recht: Bisher hatte er sich wenig Gedanken darum gemacht, was nach alldem hier passieren würde. Er hatte es erfolgreich versucht zu verdrängen. Seto hatte wütend gewirkt, vielleicht enttäuscht. Es war so schwer, jemandes Gefühle zu absorbieren und zu deuten, wenn man sich dabei nicht in die Augen sah. Wer immer diese Technik erfunden hatte, musste vollkommen fehlgeleitet und verrückt gewesen sein. Bakura stand neben Uyeda und wartete darauf, dass Atem zu ihnen aufschloss. Seufzend setzte dieser sich in Bewegung. Uyeda blickte ihn besorgt an. „Vielleicht muntert dich das etwas auf“, sagte er, „hier ist der Schlüssel.“ Nun lächelte Atem. „Großartig, du hast es tatsächlich geschafft!“ „Klar“, Uyeda grinste, „es war nicht meine einfachste Übung, aber es war machbar. Während Pegasus Untersuchung im medizinischen Flügel hat mein Kumpel Yujiro einen Anruf vorgetäuscht, den Raum verlassen und mich in den Vorraum gelassen, wo Pegasus seine Jacke liegenlassen hat. Ich habe sie durchsucht und den Schlüssel in der Tasche gefunden. Ich hoffe, es ist der richtige, aber der Größe nach müsste er passen.“ „Danke! Ehrlich, vielen Dank, Uyeda!“, sagte der Pharao dankbar. „Jaja, er ist ganz toll. Aber jetzt sollten wir zur Tat schreiten, bevor Pegasus mitbekommt, dass sein Kleinod fehlt“, mahnte Bakura. Atem nickte. „Also dann, Uyeda, danke nochmal. Wir haben wirklich was gut bei dir.“ „Ein Date werde ich mir wohl kaum wünschen dürfen“, schmunzelte der Sanitäter, „obwohl: Nach diesem Streitgespräch mit deinem Macker eben am Telefon sollte ich diese Hoffnung vielleicht noch nicht abschreiben.“ Atems Blick trübte sich etwas. Wenn der Sanitäter wüsste, was ihn und Seto womöglich wirklich entzweien würde, würde er nicht so locker daherreden. „Ich komme noch mit euch zur Tür. Mich interessiert jetzt doch, ob der Schlüssel tatsächlich passt“, verkündete Uyeda. Vor dem unsichtbaren Eingang prüften sie kurz, ob die Luft rein war. Dann steckte Uyeda den Schlüssel in die winzige Öffnung. Ein leises Klicken ertönte. „Bingo!“, sagte der junge Sanitäter triumphierend. Der Pharao zog die Tür auf und er und Bakura steckten die Köpfe in die Dunkelheit dahinter. Einen Lichtschalter gab es nicht, lediglich an der Treppe in höhe ihrer Füße waren kleine LEDs angebracht, die die einzelnen Stufen auswiesen. „Dann los, das hier ist dein Fachgebiet“, raunte Atem Bakura zu. Dieser nickte grinsend und ging voran. Plötzlich fiel dem Pharao noch etwas ein und er wandte sich um. „Uyeda, den Schlüssel kannst du mir jetzt geben. Wir werden …“ Als er den Blick des Sanitäters suchte, wurde er gerade noch Zeuge davon, wie die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Dann war ein erneutes Klicken des Schlosses zu hören. Alarmiert fuhr auch Bakura herum und beide stürzten zurück zur Tür. Der Pharao rüttelte an der Klinke, aber wie erwartet, tat sich nichts. „Uyeda, was soll das!? Mach schon auf!“, rief er panisch nach draußen. Zuerst war es still, kein Laut war von der anderen Seite der Tür zu vernehmen. „Uyeda!“, versuchte es Atem noch einmal. „Tut mir leid, Atem, ehrlich“, vernahmen sie jetzt die leise Stimme des Sanitäters, „ich wollte das nicht, aber … ich hatte keine Wahl.“ „Pharao, du bist ein Idiot!“, machte Bakura lautstark seinem Frust gegenüber Atem Luft, „wieso hast du den Schlüssel nicht gleich an dich genommen!?“ „Wieso hast du's nicht getan?“, fauchte Atem zurück. „Ich hätte wissen müssen, dass es eine Falle ist! Der Typ war nicht ganz sauber!“ „Ach ja? Das sagt ja genau der Richtige. Und warum hast du es nicht gewusst?“ „Alles nur wegen irgend so nem Kerl, dem du den Kopf verdreht hast!“ „Wenn ich ihm so sehr den Kopf verdreht hätte, hätte er mich wohl kaum hier eingesperrt!“, gab Atem zu bedenken, „und dass wir uns hier zanken bringt uns nicht im Geringsten weiter!" „Uyeda?!“, startete er einen letzten Versuch, mit ihrem Wächter Kontakt aufzunehmen. Doch es kam keine Antwort . Schließlich vernahmen sie Schritte, die sich schnell entfernten. Der Pharao seufzte und ließ sich mit dem Rücken an der Tür hinabgleiten. „Klasse“, sagte Bakura, „wieso hab ich mich überhaupt mit dir eingelassen?“ „Sieh’s doch einfach als Buße. Für das, was du damals mit mir gemacht hast“, schlug Atem müde vor. Plötzlich stieß sich Bakura ruckartig von der Wand ab. „Pharao! Jetzt fällts mir ein! Das Fernsprech-Gerät, das dir Seto gegeben hat! Damit können wir deinen kleinen Freunden Bescheid geben, dass wir hier versauern!“ „Ach, stimmt ja!“, atmete Atem erleichtert auf und zog das Smartphone aus seiner Hosentasche. Er drückte eifrig auf den Home-Button. Dann hielt er es verwundert an sein Ohr und schüttelte es. „Was? Was ist los?“, wollte Bakura wissen. „Ich weiß nicht, es tut sich nichts!“, gab Atem verunsichert zurück. „Oh nein. Sag mal, kann es sein, dass es keine Magie … oder ... Energie hat, oder wie das heißt?“ „Keine Ahnung“, Atem zuckte mit den Schultern. „Ich habe bei Ryou gesehen, wie er nachts immer so eine schwarze Schlange dranhängt, damit es morgens weder einsatzbereit ist“, erläuterte der Dieb. „Dieses Wissen hilft uns jetzt auch nicht!“, jammerte der Pharao frustriert, „was machen wir denn jetzt?“ Wenn Seto wüsste, in was für eine Klemme er sich da befördert hatte, würde er toben und ihm Vorträge darüber halten, dass er vorsichtiger hätte sein müssen. *** Uyeda setzte zügig einen Fuß vor den anderen, weiter und weiter fort von seinen beiden Gefangenen. Er wollte einfach nur weg. Raus aus dieser Situation. Raus aus dieser misslichen Lage und aus seinen Gewissensbissen. Nie in seinem Leben hatte er etwas so Niederträchtiges getan, und er wusste nicht einmal, was es seinem Auftraggeber nutzte. Wenn er es wüsste, würde er sich sicher noch schlechter fühlen. Natürlich hatte es nie einen Freund Yujiro gegeben, der ihm beim Diebstahl des Schlüssels geholfen hatte. Genauso wenig hatte ein medizinischer Checkup für Pegasus stattgefunden. Der Burgherr hatte ihm den Schlüssel selbst ausgehändigt und ihm diktiert, was er zu tun hatte. Und Uyeda alle Anweisungen befolgt, obwohl ihm das Herz dabei bis zum Hals geschlagen hatte. Nie hätte er gedacht, dass es so einfach sein würde, Atem und seinen merkwürdigen, blassen Gespenster-Freund hinters Licht zu führen. Es war geradezu ein Kinderspiel gewesen, ihnen den Bluff zu verkaufen. Sie hatten noch nicht einmal selbst nach dem Schlüssel verlangt. Hätten sie das getan, hätte er wesentlich tiefer in die Trickkiste greifen müssen. Aber dazu war es nicht gekommen. Nun war es vollbracht. Keuchend und atemlos von seinem Sprint die Treppe hinauf bis zu seinem Quartier lehnte er sich an die Innenseite der Tür. Alle Anspannung fiel jetzt von ihm ab und als sein Körper erschlaffte, löste sich auch in seinem Inneren eine Lawine und Tränen stiegen ihm in die Augen. Schließlich wurde er von Weinen so heftig geschüttelt, dass er sich kraftlos zu Boden sinken ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)