Reboot von MizunaStardust ================================================================================ Kapitel 14: Reconnecting to the Network --------------------------------------- 14. Reconnecting to the Network „Tee?“, fragte Seto mit hochgezogener Braue und starrte missmutig auf die dampfende Tasse mit der penetrant duftenden Flüssigkeit vor ihm. „Ganz recht“, sagte Zigfried von Schroeder streng, „ich sorge dafür, dass du mal was anderes konsumierst als immer nur massenweise Kaffee. Das hier wird dir viel besser tun und dein Gemüt etwas beruhigen! Ich verstehe ohnehin nicht, dass du so wenig auf deine Gesundheit achtest. In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist! Und der ist doch dein Arbeitskapital!“ Seto ließ ein undefiniertes Murren vernehmen, bevor er einen Schluck aus der kredenzten Tasse nahm und das Gesicht verzog. „Ich bin alt genug, ich brauche dich nicht als Sitter“, gab er Zigfried zu verstehen, der bereits wieder am Herd stand und in einem Kochtopf rührte, „und noch weniger brauche ich deine Kochkünste.“ „Du bist selbst schuld“, deklarierte Zigfried standhaft, „wenn du nicht darauf achtest, regelmäßig zu essen, muss ich mich eben auch darum noch kümmern! In letzter Zeit war deine Ernährung recht besorgniserregend. Aber nun zu etwas Relevantem: Nun sag schon! Warum willst du mir nicht verraten, wo du gestern Abend noch so lange warst? Ich habe fast zwei Stunden hier auf dich gewartet.“ „Was denn? Habe ich jetzt etwa auch noch einen Stalker? Bin ich dir über alle meine Aktivitäten Rechenschaft schuldig?“, murrte Seto, halb tadelnd, halb amüsiert. „Ach, hör schon auf, die Dramaqueen zu spielen. Ich sorge ja lediglich dafür, dass du nicht vom rechten Weg abkommst oder dich in irgendwelche Dummheiten verrennst.“ „Wie was denn zum Beispiel?“ „Das weiß ich noch nicht genau, aber ich habe ein ziemlich mulmiges Gefühl in der Magengegend und mein Gespür trügt mich selten“, beharrte der rosahaarige Firmenbesitzer. Tatsächlich hatte Mokuba seinerzeit mit seiner Präsentation seinen Bruder davon überzeugen können, die Zusammenarbeit mit der Schroeder Corporation nicht in den Wind zu schießen. Er hatte einige nicht zu ignorierende Argumente vorzubringen gehabt, das konnte Seto nicht leugnen. Und doch waren diese nicht der einzige Grund, weshalb er die von seinem verweichlichten Ich angebahnte Zusammenarbeit schließlich weiterverfolgt hatte. Er konnte es selbst kaum greifen oder beschreiben, aber … er hatte das unbestimmte Gefühl gehabt, dass es der richtige Weg war. Und dass das, was er in seinem weichgekochten Zustand priorisiert hatte, nicht vollkommen irrsinnig gewesen war. Er spürte, dass es diesem anderen Selbst wichtig gewesen war – und dieses Gefühl hatte sich auch mit seinen widererlangten Erinnerungen nicht ganz verflüchtigt. Je länger er über die Sache nachgedacht hatte, desto schwerer war es ihm gefallen, all die Papiere und Dateien einfach zu schreddern oder in der virtuellen Mülldeponie verschwinden zu lassen. Also hatte er schließlich den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Sollte Mokuba doch diese Sache betreuen, dann würde er sich nicht selbst mit diesem Schroeder-Schnösel abgeben müssen. Immerhin war es Mokubas Anliegen gewesen und es war ohnehin nur richtig, dass er mehr und mehr Verantwortung in der Firma übernahm. Doch es kam alles ganz anders. Nach und nach freundete sich der jüngere Kaibabruder mit dem etwa gleichalten Leon von Schroeder an. Und so kam auch Seto schließlich nicht umhin, sich mit dem älteren Exemplar anzugeben. Nach und nach lernte er, Zigfried auf eine eigenwillige Art zu respektieren. Er erkannte durchaus sein Talent fürs Programmieren und seinen guten Riecher für Produktdesign und Werbetauglichkeit. So ungern er es auch zugab, in dieser Hinsicht konnte er einiges von seinem stylischen Geschäftspartner lernen. Zudem fand Seto es faszinierend, wie Zigfried es mit erschreckender Trefferquote schaffte, immer genau das von seinen Geschäftspartnern zu bekommen, was er wollte – ohne jegliche Kompromisse. Fast ein wenig unheimlich war das. So entstand aus einer Geschäftspartnerschaft eine Art private Affiliation … es Freundschaft zu nennen war Seto bisher nicht so recht in den Sinn gekommen und behagte ihm auch noch nicht so ganz. Meistens trieb Zigfried Seto mit seinem nicht enden wollenden Redeschwall, seinen extravaganten Hobbies und seiner selbstgewählten Rolle als sein Lebensberater zur Weißglut. Aber gleichzeitig war es ihm auch überraschend egal, dass Zigfried nie ohne ein Modemagazin irgendwohin ging, seinen Arbeitstag nicht ohne eine Stunde Yoga beginnen konnte, vor jedem Meeting das Farbkonzept des Konferenzraums änderte und ihren anderen Geschäftspartnern ein Ohr über ihr Outfit oder ihren Haarschnitt abkaute. Manchmal wunderte sich Seto selbst über seine Toleranz für diese Angewohnheiten. Sie musste wohl auf eine für ihn unerklärliche Sympathie zurückgehen. Er spürte mehr als es ihm bewusst war, dass Zigfried das Herz am rechten Fleck hatte und es gut mit ihm meinte. Ihre Beziehung hatte sich insbesondere in den letzten Wochen festgezurrt, als Setos und Mokubas Leben von jedem großen Einschnitt gezeichnet wurde. Leon war Mokuba ein treuer Freund und konnte mit seiner empathischen Art die ersten unsteten Funken seiner früheren Energie neu entfachen. Und Zigfried kümmerte sich seit der Entführung darum, dass Seto sich nicht selbst verlor, seine Gefühle in Arbeit ertränkte oder seinem grenzenlosen Aktionismus nachgab, der ihn fast alles dafür hätte tun lassen, Mokubas Entführer dingfest zu machen. Natürlich hatte Seto bereits auf eigene Faust Nachforschungen angestellt, Ermittler bemüht und begonnen, sich in Überwachungssysteme zu hacken. Zigfried hatte ihn letztlich aber davon abbringen können, die Grenze der Legalität zu weit zu überschreiten, und ihn davon überzeugt, dass auch die Polizei von Domino fähiges Personal hatte, das den ganzen Tag nur damit beschäftigt war, den Täter ausfindig zu machen. Einmal hatte Zigfried Seto sogar in so einen dämlichen Selbsthilfekreis mitgeschleift, wo alle nur rumheulten und dann von den anderen Trotteln dafür Applaus bekamen. Bis heute wusste Seto nicht, wie sein rosahaariger Partner das geschafft hatte. Er musste ihn mit Chloroform betäubt oder ihn in einem schwachen Moment erwischt haben oder dergleichen. „Mir geht’s gut, ehrlich“, versicherte Seto ihm jetzt genervt. Zigfried setzte sich seufzend zu ihm an den Esstisch. „Seto, wem machst du was vor? Ich sehe doch genau, dass dem nicht so ist. Aber das ist schon okay. Es gibt nichts Unattraktiveres, als sich selbst hängenzulassen, und ich schätze es an dir, dass du das um keinen Preis willst. Trotzdem hilft es manchmal, über Dinge zu reden. Ich wünschte, du würdest das tun. Ich würde jedenfalls zuhören. Aber vielleicht … willst du ja auch nur nicht mit mir darüber sprechen?“ Seto blickte von seinem mittlerweile abgekühlten Tee auf. Er wollte gerade etwas erwidern, als die Türglocke beide aufschrecken ließ. „Nanu? Wer besitzt denn um diese Zeit noch die Unverfrorenheit, hier aufzukreuzen?“, rümpfte Zigfried die Nase. „Ach, du meinst, wenn du das tust, ist es in Ordnung, aber bei anderen ist es ein Fauxpas?“, grinste Seto, während er sich erhob und zur Sprechanlage an der Wand hinüberschritt. „Ja?“, raspelte er unwirsch hinein. „Hallo Seto, ich bin es. Ich möchte kurz mit dir sprechen“, sagte eine Stimme, die er nur zu gut kannte. Nun sprang auch die Kamera an und auf dem Überwachungsbild war deutlich Atemus schmale Statur zu sehen, die mit verschränkten Armen vor dem Anwesen wartete. „Wer ist denn er?“, fragte Zigfried, der neugierig über Setos Schulter lugte, „Hm, also Stil hat er jedenfalls.“ Der Besitzer des Anwesens zögerte einen Augenblick, schließlich sagte er: „Komm rein.“ Der Summer ertönte und das große metallene Eingangstor zum Anwesen öffnete sich. Erhaben wie üblich schritt Atemu langsam den Weg entlang, bis er an der Haustür angelangt war. Seto öffnete ihm und führte ihn ins Wohnzimmer, wo Zigfried ihn unverhohlen von Kopf bis Fuß musterte. Atemu nahm die dritte Person im Raum nur kurz zur Kenntnis. „Ich habe über unser gestriges Gespräch nachgedacht“, sagte er ruhig und Seto spürte deutlich, wie in Zigfried die Neugierde aufflammte und ihm tausend Fragen auf der Zunge brannten. Nachher würde er sich einem Kreuzverhör stellen müssen, so viel stand fest. „Ich würde dir gerne helfen“, fuhr der Pharao fort. Seto nickte. „Das wurde auch Zeit. Aber besser spät als nie“, entgegnete er frostig, woraufhin Atemu lediglich mitleidig lächelte. „Aber wie ich dir schon sagte, kann ich dir nicht auf die Art helfen, die du dir erhoffst.“ Sofort wurden Setos Gesichtszüge hart und sein Gebaren änderte sich. „In diesem Fall haben wir nichts mehr zu bereden! Ich weiß nicht, was du überhaupt noch hier willst!“ Doch der ehemalige Pharao machte keine Anstalten, der indirekten Aufforderung zum Gehen nachzukommen. „Du musst meine Art von Hilfe natürlich nicht annehmen. Dennoch will ich dir sagen, dass es nicht nur diesen einen Weg gibt, Mokuba in seiner Situation zu unterstützen. Ich nehme Anteil an eurer Situation und ich möchte gerne etwas beitragen, um sie zu verbessern. Bitte nimm das.“ Damit schritt er unverwandt auf Seto zu, griff sich seinen Arm, drehte seine Handfläche nach oben und legte etwas hinein. „Du musst es nicht verwenden, aber ich möchte, dass du es zumindest hast“, erklärte Atemu weiter. Seto starrte mit ausdrucksloser Miene auf ein antik wirkendes Amulett aus Gold hinab. Geformt war es wie eine Schlange, deren ineinander verschlungener Körper ein Kreisrund bildete. Auf dem Körper schlängelten sich Hieroglyphen. „Kannst du lesen, was darauf steht?“, erkundigte sich der Pharao. „Nein“, log Seto, denn natürlich konnte er den Text problemlos lesen. Dort stand: >Schlafe gut, die Nase voller Freude, wenn das Land hell wird, dann sehe du Amun!< (*) Atemu lächelte wissend. „Es ist ein altägyptischer Schutzzauber und eine vollkommen legitime Methode, um deinen Bruder vor bösen Erinnerungen und Träumen abzuschirmen. In meinem früheren Leben diente er dem Schutz vor Unheil wie Schlangen und Krankheiten, aber auch vor anderen Zaubern und Dämonen. Und letztere suchen Mokuba aktuell öfter heim, als er ertragen kann, wie ich es verstehe. Ich wünsche euch heilsame Gedanken.“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Wohnzimmer und schließlich das Anwesen. Seto sah ihm schweigend nach, während Zigfried eine Augenbraue hochzog. „Ich schätze, du wirst mir einiges erklären müssen“, sagte er pikiert. ~*~ „Das ist für dich mit der Post gekommen“, informierte Bakura Atemu, als dieser einige Minuten später seine Jacke an die Garderobe gehängt hatte. Als er den Umschlag aus dickem, braunen Umweltpapier in Händen drehte, war ihm sofort klar, dass es sich um eine Hochzeitseinladung handelte. Beim Öffnen kam ein schön arrangiertes Foto von Tea und Tristan auf einer saftig grünen Wiese zum Vorschein. Tea trug ein blaues Sommerkleid, das ihre Augen betonte, und lächelte sehr natürlich in die Kamera, während Tristan nur Augen für sie zu haben schien. In den ersten Monaten nach seiner Trennung von Seto hatte der Kontakt zu seinen Freunden, die eigentlich Yugis Freunde waren, auf Eis gelegen. Dass er angefangen hatte, seine Zeit mit Bakura zu verbringen, hatte die Sache nicht besser gemacht und Tea, Tristan, Duke und Joey zusätzlich davon abgehalten, zu ihm Kontakt zu suchen. Einzig und allein Yugi hatte nie aufgehört, ihn anzurufen, egal wie frostig und unangenehm ihre anfänglichen Gespräche auch gewesen waren. Offengestanden wäre Atemu eine völlige Funkstille zunächst lieber gewesen, da er Angst davor hatte, Yugi könne eine Erklärung von ihm verlangen oder das Thema wieder hochkochen. Doch dieser war clever genug, genau das nicht zu tun. Nach allem, was passiert war, waren sie noch immer verwandte Seelen, die einander mittlerweile besser kannten als sich selbst. Nach und nach hatte Atemu begriffen, dass Yugi diese Seite, von der er so sehr fürchtete, er könne sie verurteilen, längst gekannt hatte. Und trotzdem hatte er ihn immer uneingeschränkt gerngehabt. Es dauerte ganze drei Monate, bis Yugi Atemu mit seiner großherzigen Beharrlichkeit davon überzeugen konnte, seine und Joeys WG-Einweihungsparty zu besuchen, zu der auch seine anderen Freunde erscheinen sollten. Die ersten Augenblicke waren unerträglich gewesen und die Unterhaltung in der Gruppe zog sich zäh dahin wie Kaugummi bei 40 Grad Celsius. Noch dazu hatte sich Atemu Bakura als Backup mitgebracht, der unbeeindruckt das Büffet plünderte und von allen argwöhnisch dabei beäugt wurde. „Also, nun aber mal Klartext!“, platzte es schließlich aus Joey heraus. Offenbar waren sie an dem Punkt angelangt, wo der Blondschopf seine Neugierde nicht mehr im Zaum halten konnte und all die Fragen loswerden musste, die sich über die vielen Wochen angestaut hatten, „Stimmt es echt, dass du mit Bakura zusammenwohnst UND mit ihm zusammen schwarze Magie vertickst?!“ Atemu lächelte matt. „Ja, das stimmt“, bejahte er etwas unterkühlt, „und ich kann durchaus verstehen, wenn ihr das verwerflich findet. Das ist für mich okay. Ich würde es in dem Fall allerdings vorziehen, das Thema nicht weiter zu vertiefen.“ „Hey, ganz ruhig, Kumpel. Ich wollt‘ ja gar nicht urteilen. Man wird doch noch mal fragen dürfen“, ging Joey sofort in die Defensive, „du … hast uns halt gefehlt. Da will man doch mal wissen, was in deinem Leben so abgeht.“ Überrascht sah Atemu von seiner Bowle zu ihm auf. Mit Joeys vertraulicher Ansprache hatte er nicht gerechnet, doch er schätzte seinen redseligen Freund dafür, dass er immer die richtigen Worte fand, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und seltsamerweise die Situation dadurch zu entschärfen. „Bitte entschuldige; Joey“, sagte er beschämt, „ich gebe offen zu, ich weiß nicht recht, wie ich mich euch gegenüber verhalten soll.“ „Aaaach, schon okay“, entgegnete der Blonde, während er seine Arme hinter dem Kopf verschränkte, „das wissen wir doch auch nicht. Aber eins kann ich dir sagen: Ich blick zwar nicht so richtig durch mit alldem, was da zwischen dir und Kaiba abgelaufen ist, aber ehrlichgesagt ist es mir mittlerweile auch egal. Es is‘ nicht mein Bier und ich persönlich würde es vorzieh‘n, einfach meinen alten Kumpel wiederzuhaben!“ Atemu blickte ihn perplex an und hinter seinen Augen begann es verdächtig zu brennen. „Und außerdem“, fuhr Joey fort, bevor er etwas entgegnen konnte, „hab ich selbst schon ziemlich miese Dinger gedreht. Und ich war immer froh, dass Yugi und die andern trotzdem zu mir gestanden und mich aus diesen miesen Kreisen weggebracht haben. Oh Mann, wenn ich nur an diese Yo-Yo-Gang von damals denke … das war richtig übel. Wisst ihr noch, Leute?“ „Joey, ganz ehrlich“, warf Tristan amüsiert ein, „du kannst nicht ein Wort wie Yo-Yo-Gang in den Mund nehmen und ernsthaft erwarten, dass irgendjemand davon beeindruckt ist.“ „Nah … es waren halt andere Zeiten“, winkte Joey verlegen ab. Auch Duke und Tea kicherten. „Jetzt aber mal zu was WIRKLICH wichtigem“, wechselte der größere der beiden Gastgeber jetzt abrupt das Thema, „erzähl mal: Wie ist Bakura denn privat so? Schleppt er dich auch immer auf Friedhöfe und so’n Kram?“ Seine warmen, braunen Augen funkelten den ehemaligen Pharao erwartungsvoll an. „Nur bei Vollmond“, antwortete dieser trocken und musste lächeln. Es ging nicht über Nacht, aber so nach und nach festigte sich das Band zwischen Atemu und der alten Clique wieder und er nahm wieder häufiger an gemeinsamen Unternehmungen teil. Manchmal verlor man weniger, wenn man einen Groll ziehen ließ und die Dinge so hinnahm, wie sie nun mal waren. Das hatte Atemu begriffen. Leider schien es nicht so, als wäre dies Seto genauso problemlos möglich wie Joey. Wenigstens hatte er heute versucht, ihm zu helfen, ungeachtet dessen, ob dieser seine Hilfe letztlich schätzen würde. ~*~ „Du warst bei Kaiba, richtig?“, Bakura setzte sich zu seinem Mitbewohner an den Küchentisch und biss in eine Mettstange. Atemu legte die Karte beiseite und sah ihn an, überrascht über Bakuras Schlussfolgerung war er jedoch nicht. „Ja, richtig. War ich so durchschaubar?“ „Sein Besuch im Laden gestern hat dich beschäftigt, das war nicht zu übersehen“, erklärte der Grabräuber. „Ich wollte ihm gerne helfen“, rechtfertigte der Pharao sich überflüssigerweise. „Weil du dich schlecht fühlst wegen damals?“, Bakura lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Nein, weil ich denke, dass es das Richtige ist, zu helfen, wenn es im Bereich meiner Möglichkeiten liegt.“ „Das musst du wissen“, sagte der Ringgeist unergründlich, „aber sieh doch trotzdem vor, nicht nicht denselben Pfad zu beschreiten wie vorher. Versuch nicht schon wieder, dir Kaiba gefügig zu machen. Ob durch gelöschte Erinnerungen oder dadurch, dass du etwas hast, was er braucht, das spielt keine Rolle. Letztlich kommt es auf dasselbe raus. Diese Sache mit dir und Kaiba wird nie unter einem guten Stern stehen, egal wie du sie drehst und wendest.“ „Woher willst du das wissen?“, gab der Pharao nun doch überrascht und etwas argwöhnisch zurück, „es hätte immerhin funktionieren können. In irgendeiner anderen Ausgangslage, in einem anderen Szenario hätte alles anders ausgesehen.“ „Vertrau mir, das hätte es nicht“, sagte Bakura entschieden. Damit erhob er sich und verschwand in seinem Zimmer. Atemu sah ihm grübelnd nach und biss sich auf die Unterlippe. Erneut wandte er sich der Einladungskarte zu. „Gib uns Bescheid, ob du ein Plus Eins mitbringst“, stand am Ende des Einladungstextes. Der Pharao runzelte die Stirn. Hätte er damals darauf gewartet, dass Seto sich seine Gefühle für ihn von selbst eingestand, wer weiß? Vielleicht wäre er mit dem Firmenchef dort hingegangen. Aber so war es nun mal nicht gekommen und Atemu verabscheute nichts mehr als in einer hypothetischen Welt zu leben oder verpassten Gelegenheiten nachzuhängen. Er wusste, sein jetziges Leben wäre auf diese Weise nie zustande gekommen, und dieses Leben wollte er nicht mehr eintauschen, egal was hätte sein können. Und doch hatte er heute, als er Seto gegenübergestanden hatte, nicht umhingekonnt sich zu fragen, ob wirklich bereits alle Türen verschlossen waren. Doch im Augenblick freute er sich einfach darüber, dass Tristan und Tea an ihn gedacht hatten und ihn dabeihaben wollten. ~*~ Mokuba drehte nachdenklich das goldene Amulett in seiner Hand. „Ich wollte dir nicht vorenthalten, dass es existiert“, hatte Seto ihm vor einigen Minuten eröffnet und ihm die Kette überreicht, „auch wenn ich nicht glaube, dass es irgendwas bewirken kann.“ „Und du gibst mir das, obwohl es von Atemu kommt?“, wollte Mokuba zweifelnd wissen. Nicht einmal er selbst konnte dem Pharao verzeihen, was er seinem Bruder vor Monaten angetan hatte. Umso mehr überraschte es ihn, dass ausgerechnet Seto nun etwas von ihm angenommen hatte. Denn niemand war nachtragender als sein großer Bruder und wenn er einen Menschen aus seinem Leben radierte, tat er dies gründlich und unwiderruflich. Gleichzeitig rührte es ihn sehr, dass Seto offenbar dieses Prinzip über Bord geworfen hatte, nur um ihm, Mokuba, nicht eine mögliche Chance auf Heilung vorzuenthalten. Bereits vor einigen Wochen hatte er ihm den Vorschlag unterbreitet, von Atemu und Bakura einen Amnesiezauber zu erwerben und damit die Erinnerungen und Albträume auszulöschen, in deren Krallen sich Mokuba seit Wochen befand. Seit dieser fragwürdigen Idee hatte Mokuba sich große Sorgen um Seto gemacht. Das Letzte, was er wollte, war, dass sein Bruder seinetwegen eine Dummheit beging – und dann auch noch für etwas, das für ihn ohnehin nicht in Frage kam. Verstohlen sah er den Älteren von der Seite an. Er konnte nur raten, weshalb dieser letztlich doch zu Atemu Kontakt gesucht hatte und weshalb er jetzt mit einer vollkommen anderen Art von Magie vor ihm stand als der, die er eigentlich im Sinn gehabt hatte. Doch Mokuba beschloss, Seto nicht danach zu fragen und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Als sein Bruder das Zimmer verlassen hatte, strich Mokuba noch einmal über den Anhänger und legte sich die Kette dann kurzerhand um den Hals. Augenblicklich hatte er den Eindruck, dass seine Brust etwas leichter und er innerlich ruhiger wurde. Aber das war sicher Blödsinn und wahrscheinlich nur so ein Placeboeffekt, dem er sich nicht erwehren konnte. ---------------- (*) Übersetzung: Uni Heidelberg. Der Text (ein Schutzzauber) befindet sich auf der Kopfstütze des Kener. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)