Advanced Attraction von Varlet ================================================================================ Kapitel 13: Neuanfang? ---------------------- Jodies Handy begann zu klingeln. Augenblicklich beendete es den Kuss zwischen den Beiden. Sofort machten sie einen Schritt nach hinten, um die Entfernung zwischen ihnen zu vergrößern. Jodie stieß gegen ihre Wohnungstür, aber der kurze Schmerz war schnell überwunden, als sie in Shuichis Gesicht blickte. Ein Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen. Sie hatten sich geküsst; zuerst hatten sich ihre Lippen gestreift und dann waren sie gänzlich miteinander verschmolzen. Allein bei diesem Gedanken schlug Jodies Herz schneller. Viel zu schnell. Vorsichtig fuhr sie sich mit den Fingerspitzen ihres Zeige- und Mittelfinger über die Lippen. Noch immer spürte sie dort ein Prickeln. Was hatte er nur in ihr ausgelöst? Für einen kurzen Moment wandte sie ihren Blick ab, schaute dann aber wieder zu ihm. Anders als sie zeigte Shuichi allerdings keine Regung und beobachtete sie. Aber das war nur Fassade. In Wahrheit war er über die Situation ebenso irritiert wie sie. Allerdings lag es bei ihm auch daran, weil er selbst die Initiative ergriffen hatte. Doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er bereits seit längerer Zeit Interesse an Jodie. So richtig bemerkt hatte er es, als sie ihn als guten Freund bezeichnet hatte. Diese Worte nagten an ihm und er stellte sich die Frage, ob es wirklich das war, was er wollte. Dennoch hielt er sich zurück, da Jodie gerade erst dabei war, Liams Betrug zu verarbeiten. Außerdem versuchte sie ihr Leben zu ordnen und setzte sich mit ihrer Zukunft auseinander. Da konnte er doch nicht damit ankommen, dass er Gefühle für sie hatte. Und auch wenn er sich relativ normal ihr gegenüber verhielt, konnte er diese Gefühle einfach nicht abschütteln. Er hatte versucht sie zu verbannen, aber als er mit Jodie den Spaziergang machte und anschließend vor ihrer Wohnungstür stand, konnte er es nicht mehr zurückhalten. Ob es ein Fehler war? Das Klingeln von Jodies Handy hatte mittlerweile einen nervigen Ton angenommen. Auch Jodie realisierte dies und holte es aus ihrer Handtasche hervor. Sie sah auf den Display und runzelte die Stirn. „Unbekannte Nummer“, murmelte sie leise. Normalerweise nahm sie derartige Gespräche nicht entgegen, da sie aber nicht alleine war, ging sie trotzdem ran. „Starling.“ „St. Leonard’s Hospital. Schwester Mosby am Apparat. Spreche ich mit Miss Jodie Starling?“ „Ja, ich bin dran“, sagte Jodie leise. Sie schluckte. Warum wurde sie von einem Krankenhaus angerufen? War ihren Eltern etwas passiert? „Bitte bleiben Sie ruhig, Miss Starling. Ich kann Ihnen versichern, dass alles in Ordnung ist“, begann die Krankenschwester. „Ich rufe Sie an, weil Sie als Notfallkontakt von Mr. Liam Henderson angegeben sind. Ich muss Sie darüber informieren, dass er bei uns im Krankenhaus ist. Sie müssen sich aber keine Sorgen machen.“ „Krankenhaus?“, wisperte Jodie leise. „Was…was ist passiert?“ Als sie den Anruf entgegen nahm, hatte sich Shuichi abgewandt. Er wollte weder lauschen noch sie zu einer Aussprache wegen dem Kuss drängen. Als er allerdings das Wort Krankenhaus hörte, blieb er stehen und drehte sich um. Erneut beobachtete er sie. „Ich kann Ihnen am Telefon leider nicht viel sagen. Es gab einen Verkehrsunfall, aber wie ich bereits erwähnt habe, machen Sie sich bitte keine Sorgen. Es ist nicht so schlimm wie es sich anhört“, entgegnete sie. „Könnten Sie trotzdem bitte ins Krankenhaus kommen? Dann können wir Ihnen alles genau erklären und Sie können mit Mr. Henderson sprechen.“ „Ja…ja…ich mach…mich gleich auf den Weg ins Krankenhaus“, gab Jodie leise von sich. „Danke, dass Sie…mir Bescheid gegeben haben“, fügte sie hinzu und legte auf. Mit zittrigen Händen zog Jodie ihren Schlüsselbund aus der Tasche, steckte den Wohnungsschlüssel in das Schloss und öffnete die Tür. Wie benommen betrat sie ihre Wohnung legte die Tasche auf dem Boden ab. Abschließend wechselte sie ihr Schuhwerk, nahm die Tasche und lief wieder aus der Wohnung. Da sie nicht mehr auf ihre Umgebung achtete, stieß sie gegen Shuichi. Der Student hielt sie fest. „Shu…ichi…“ „Was ist passiert?“, wollte er besorgt wissen. „Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?“ „Du…du weißt vom Krankenhaus?“, fragte Jodie irritiert. „Du hast es vorhin am Telefon erwähnt“, entgegnete er und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Du bist ganz durcheinander.“ Jodie wich seinem Blick aus. „Liam…er…er hatte einen Unfall…und ich soll ins…Krankenhaus.“ Shuichi schluckte. Liam. Schon wieder stand er zwischen ihnen. „Gut, ich bring dich hin.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sie sagte…es ist nicht so schlimm. Versteh mich bitte nicht falsch, aber…ich sollte lieber alleine fahren.“ „Jodie…“ Sie schüttelte abermals den Kopf. „Mach dir…um mich keine Sorgen. Ich ruf mir ein Taxi“, entgegnete sie und löste sich aus seinem Griff. Sie ging an ihm vorbei und marschierte die Straße entlang. Als sie die ersten gelben Taxen sah, hob sie die Hand. Eines blieb an der Fahrbahn stehen und ließ Jodie einsteigen. Sie bat den Fahrer auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus zu fahren und bezahlte ihn, als sie dort ankamen. Sofort ging Jodie zum Empfang und sah die junge Frau an. „Jodie Starling, ich wurde wegen Liam Henderson angerufen. Ich bin sein Notfallkontakt.“ Die Frau tippte etwas in den Computer ein und nickte. „Könnten Sie sich bitte ausweisen?“ „Äh ja“, murmelte Jodie und zog ihre Geldbörse aus der Handtasche heraus. Anschließend holte sie ihren Ausweis hervor und schob ihn über den Tisch. Die Dame am Empfang blickte auf die Daten und lächelte. „Gut, Miss Starling, Sie müssen hinter mir den Gang entlang und dann in die dritte Etage. Dafür haben Sie entweder den Fahrstuhl oder Sie nutzen das Treppenhaus. Wenn Sie oben angekommen sind, melden Sie sich bitte am Schwesternzimmer. Es ist nicht zu verfehlen.“ „Danke, das mach ich“, sprach Jodie und steckte den Ausweis wieder ein. Sie ging den Gang entlang und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben. Überall sah Jodie Menschen, die jemanden besuchten oder die als Patienten von einem Ort zum nächsten geschoben wurden. Am Schwesternzimmer klopfte Jodie an die Tür. „Hallo, Jodie Starling. Ich wurde wegen Liam Henderson angerufen.“ Mit einem Mal wurde sie nervös. „Ah, Miss Starling, wir haben telefoniert. Ich bin Schwester Mosby. Danke, dass Sie gekommen sind“, lächelte sie. Jodie nickte. „Was…was ist denn passiert? Wie geht es Liam?“ Die Krankenschwester sah sich kurz um. „Da Sie der Notfallkontakt sind, aber mit dem Patienten nicht verwandt sind, darf ich Ihnen nur geringfügig Informationen geben. Wie ich schon am Telefon erklärt habe, gab es einen Verkehrsunfall. Ihr Freund war mit dem Fahrrad unterwegs und konnte den Passanten, die so etwas beobachten, nicht mehr ausweichen. Aber es ist alles in Ordnung und er kann auch direkt entlassen werden.“ Jodie blickte sie irritiert an. „Und warum wurde ich dann angerufen?“ „Mr. Henderson hat uns darum gebeten, sie zu informieren. Er meinte, Sie würden sich nach dem Unfall um ihn kümmern. Am besten Sie sprechen selbst mit ihm.“ Jodie seufzte leise auf. Das konnte doch nicht sein ernst sein. Hatte er versucht sie zu manipulieren? „Ich verstehe“, murmelte sie leise, auch wenn sie nichts verstand. Sie waren getrennt und Liam hatte nicht das Recht gehabt, sie zu rufen. Vor allem nicht, wenn es sich tatsächlich um eine Lappalie handeln sollte. „Wo ist er?“ „Zimmer 358, gehen Sie einfach den Gang entlang. Die Nummern stehen an den Türen.“ „Danke“, gab Jodie von sich und machte sich auf den Weg. Nach dem Anruf aus dem Krankenhaus hatte sie sich blindlings auf den Weg gemacht. Jodie fragte sich, welches Spiel Liam nun mit ihr spielte und ob er es darauf angelegt hatte, dass sie ihm in ihrer Sorge verzieh. Als sie an dem Krankenzimmer ankam, atmete sie tief durch. Lass dich nicht von ihm einwickeln, sagte sie zu sich selbst. Und da war ja auch noch Shuichi. Sie musste sich selbst erst einmal klar darüber werden, was der Kuss zu bedeuten hatte. Jodie klopfte an die Zimmertür. „Herein“, hörte sie die vertraute Stimme. Erneut atmete sie tief durch und versuchte sich auf die Begegnung mit Liam vorzubereiten. Langsam öffnete Jodie und Tür und ging rein. Liam saß auf einem Bett und hatte sowohl einen Verband um den Kopf als auch einen Gips am linken Arm. „Jodie.“ Liam lächelte. Es war ein ehrliches Lächeln und keine Fassade. Er freute sich über ihre Anwesenheit. „Du bist gekommen“, sagte er, als hätte er selbst nicht damit gerechnet. „Natürlich bin ich das“, entgegnete Jodie ruhig. „Das Krankenhaus rief mich an und auch…wenn wir getrennt sind, mache ich mir trotzdem Sorgen um dich. Man wollte mir am Telefon nicht genau sagen was passiert ist. Die Schwester hat mich vorhin aufgeklärt.“ Liam nickte. „Dann weißt du jetzt von meinem peinlichen Unfall. Beim Verkehrsunfall sind zwei Autos ineinander gefahren und die Passanten griffen natürlich sofort zu ihren Handys. Ich hab auch kurz geschaut, aber dann wollte ich weiter fahren…leider haben sich die Anderen keinen Schritt bewegt und ich bin beim Ausweichen gestürzt. Trotz Helm wollten die Ärzte sichergehen, dass ich keine Gehirnerschütterung habe. Und ich hab vom Kies ein paar Schrammen. Naja…leider fiel ich aber unglücklich auf meine linke Hand. Es ist zwar nur ein Haarriss, aber ich muss den Gips trotzdem tragen. Studieren kann ich weiterhin ohne Probleme und mit der Arbeit bekomme ich das auch noch hin. Ansonsten geht es mir gut.“ „Es freut mich, dass es dir gut geht“, antwortete Jodie. „Liam, wir…“ Er unterbrach sie. „Die Ärzte lassen mich auch nach Hause, allerdings auf eigene Verantwortung und auch nur dann, wenn jemand bei mir bleibt und darauf achtet, ob ich Symptome einer Gehirnerschütterung aufweise.“ Mit einem Mal fühlte sich Jodie überrumpelt. Sie wusste ganz genau, worauf er abzielte. Und trotzdem konnte sie ihm nur still zuhören. „Ich weiß, wir sind nicht mehr zusammen, aber…ich hab hier sonst niemanden, den ich darum bitten könnte. Würdest du…?“ „Klar“, gab sie ohne wirklich darüber nachzudenken von sich. Kaum war das Wort über ihre Lippen gekommen, wollte sie ihre Zusage revidieren. Sie öffnete den Mund, aber es kam nichts über ihre Lippen. Ihr Kopf stand auf Durchzug und sie stellte sich vor, wie es ihr im Krankenhaus gehen würde. Auch sie würde so schnell wie möglich nach Hause wollen und wenn es wirklich keine andere Person gab, die er Fragen konnte, wollte sie ihm irgendwie helfen. Außerdem war sie nahezu wie selbstverständlich zu ihm ins Krankenhaus geeilt. „Danke“, entgegnete der junge Mann und stand auf. „Ich hab die Entlassungspapiere schon unterschrieben. Wir können direkt los.“ Manipulation, schrie es in Jodies Kopf. Und dennoch fühlte sie sich nicht in der Lage, irgendwas zu tun. Jodie nickte und blickte auf den Boden, als sie aus dem Krankenhaus gingen. Die gesamte Fahrt mit dem Taxi schwieg sie und nachdem sie seine Wohnung betrat, überkamen sie viele Emotionen. Sie waren an jenem Ort, an dem sie für einen kurzen Moment mit ihm zusammen wohnte. Der Ort, wo sie mehrere Nächte zusammen waren. Der Ort, der womöglich das Scheitern ihrer Beziehung einläutete. Jodies Unterlippe zitterte. „Jodie?“ Sie blickte zu Liam. „Leg…leg dich bitte…direkt ins Bett…“ Er nickte und machte, was sie sagte. Er begab sich in das Schlafzimmer und legte sich aufs Bett. Jodie brachte ihm ein Glas und eine Flasche Wasser. „Wenn…es dir nicht gut geht, sag mir Bescheid“, murmelte sie. „Das mach ich.“ Liam rückte ein wenig auf die Seite. „Du kannst dich gern dazu legen.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte dann den Kopf. „Ich bleib im Wohnzimmer…und seh regelmäßig nach dir. Wenn du doch was brauchst, ruf mich“, sagte sie und verließ fluchtartig das Schlafzimmer. Jodies Inneres zog sich zusammen. Sie wusste, dass es ein Fehler war, nun mit ihm allein zu sein. Die junge Frau ließ sich auf das Sofa fallen und schloss die Augen. Sie versuchte sich auf die Gegenwart zu fokussieren und wollte nicht an die Vergangenheit denken. Ebenso war es nicht ihr Ziel, Liam falsche Hoffnungen zu machen. Das hatten sie Beide nicht verdient. Und dann war da noch die Sache mit Shuichi. Jodies Kopf fühlte sich voll an und schließlich war sie irgendwann auf dem Sofa eingeschlafen. Als sie wach wurde, stand sie auch schon in der Küche und setzte Teewasser auf. In Gedanken versunken, bemerkte sie nicht, wie ihr Ex-Freund in die Küche kam. „Guten Morgen.“ Sofort verkrampfte sich Jodie. War das ein eindeutiges Zeichen von ihrem Körper? „Morgen…“, murmelte sie und zog die Tassen aus dem Schrank. Ohne Vorwarnung stellte sich Liam hinter sie und legte seine Arme um sie. „Ich bin froh, dass du bei mir bist.“ Er betete seinen Kopf auf ihre Schultern und schloss die Augen. „Was passiert ist, tut mir so leid. Ich wollte dir nie wehtun. Ich hab dich in den letzten Wochen so vermisst. Lass es…lass es uns bitte noch einmal versuchen. Bitte, Jodie.“ Eine Gänsehaut legte sich auf ihre Arme. „Liam…Ich glaube nicht, dass das eine gute…Idee ist…“ „Wieso nicht?“, wollte er wissen. Er drehte sie um und hievte sie anschließend auf die Arbeitsfläche. „Dieses Mal wird alles anders. Ich versprech es dir.“ Ehe Jodie darauf etwas erwidern konnte, zog er ihr Gesicht nach unten und küsste sie. Jodie riss ihre Augen auf und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Der Kuss fühlte sich anders an. Anders als die sonstigen Küsse mit ihm. Anders als der Kuss mit Shuichi. Jodie verkrampfte abermals. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)