take me to the night we met von nathalie0o7 (Destiel) ================================================================================ Und Dean betete.   Cas, ich weiß nicht ob du mich hören kannst, Aber was sollte das mit dem ‚wir sind nicht deine Familie‘? Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Vor allem jetzt nicht.   Man Cas! Ich weiß dass das was Sam getan hat zu ‘nem Ziemlich dämlichen Zeitpunkt war … Aber damit du mir nicht auf dumme Gedanken kommst, Wir hassen dich nicht.   Komm schon Cas, Wie kannst du nur glauben, wir würden dich hängen lassen? Wir brauchen dich.   Cas, Du bist nicht alleine, Wir können dir helfen, wenn du uns nur lässt.   Wir glauben an dich, Cas, Aber das bist nicht du.   Cas, man, ich mache mir Sorgen …   Verdammt Cas! Wie kannst du nur glauben, ich würde dich im Stich lassen Und einfach verschwinden, du geflügelter Mistkerl!   Cas… Bitte… Gib mir ein Zeichen, dass du noch an mich glaubst…   …ich…ich brauche dich, Cas   Kapitel 1   3 Tage zuvor   „Vielleicht hab ich‘s falsch gesagt.“   Die blutroten Zeichen an der Wand schienen Crowley und Raphael zu verhöhnen, obwohl sie mit äußerster Präzision angebracht wurden. Dean, der noch immer auf dem Boden lag und sich nicht rühren konnte, konnte sein Glück kaum fassen. Vielleicht würde es doch nicht ihr Ende sein.   „Nein, es war alles richtig“, sagte Castiel, der plötzlich ein paar Meter entfernt in der Nähe von Dean erschien, „aber was du gebraucht hättest, wäre das hier.“ Mit einem hallenden Klack setzte er das nun leere Einmachglas auf den Stahltisch ab.   Langsam kam wieder Leben in Bobbys und Deans Körper, auch wenn noch jede einzelne Zelle in ihren Körpern weh tat. Der Blick, den Dean vom Engel bekam, ließ ihn fast erstarren. Das Blau sah kälter und abweisender aus, als es je der Fall war.   „Ich verstehe“, meine Crowley, während er zur Wand ging und mit dem Finger über das Blut strich, um es zu probieren. Bei diesem Bild kam Dean fast das Mittagessen hoch. „Und was wir hier hatten war … Hundeblut. Was sonst.“   Mit einem selbst zufriedenen Lächeln beobachte Castiel den Dämon und seinen älteren Bruder.   Raphael erhob die Stimme seiner weiblichen Hülle: „Genug mit diesen Spielchen, Castiel. Gib uns das echte Blut.“   „Das Spiel ist vorbei.“ Crowley zeigte zum Glas, welches Cas gehörte. „Sein Glas ist nämlich leer. Also Castiel, wie ist das Ritual gelaufen? Besser als unseres, wette ich.“   Dean konnte sehen, wie Cas seine Augen schloss. Gespannt auf das was nun kommen mochte, hielt er unbemerkt den Atem an. Plötzlich fing Castiels Körper an, von innen heraus zu leuchten, so stark und grell, dass die ganze Halle mit dem Licht erfüllt wurde. Schnell legte Dean schützend seinen Arm über die Augen, um nicht geblendet zu werden. Als es vorbei war, zögerte Dean. Keine Ahnung was mit Castiel geschehen war, aber gut konnte es nicht sein.   „Ihr könnt euch nicht vorstellen wie es ist… .“ Noch immer hielt Castiel seine Augen geschlossen. Erst jetzt öffnete er sie langsam und blickte mit erhobenen Haupt in die Runde. „Jetzt sind sie alle in mir. Millionen über Millionen von Seelen.“   Der König der Hölle schnaubte. Doch Dean konnte die Angst in seinen Augen sehen. Und ehe er sich versah, hatte Crowley sich geräuschlos verzogen.   „Es ist nicht nicht vorbei, Castiel“, drohte Raphael, ehe auch er mit einem kräftigen Flügelschlag, den Dean fast von den Füßen haute, verschwand.   Castiel jedoch schnippte nur einmal mit den Fingern. „Er wird nicht weit kommen.“ Wie ein Raubtier, welches kurz davor war zu zuschnappen, lief Cas durch die Halle. Seine Schritte hallten nicht einmal an den Wänden wider, nur Deans Schritte waren zu hören.   „Du siehst also, Dean, ich habe dich schon wieder gerettet.“   „Eh, ja, das hast du, Cas.“ Dean schluckte den Kloß im Hals hinunter. „Danke.“   „Du hast an mir gezweifelt.“ Lächelte Castiel etwa dabei? „Und gegen mich gekämpft. Aber ich hatte die ganze Zeit recht.“ Er stoppte und drehte sich zu ihm um, erwartete eine Rechtfertigung, eine Antwort.   „Okay, ja, du hattest recht. Es tut uns leid. Doch wir sollten dich jetzt entschärfen, okay?“   „Was meinst du damit?“   „Na ja, du bist so explosiv wie eine Atombombe …“ Castiel fing schon wieder so an zu lächeln, eine Mischung aus Stolz und Interesse, das Deans Haare im Nacken in die Höhe gehen ließ. „Bevor also die Finsternis endet, sollten wir die Seelen dahin zurückbringen, wo sie hingehören.“   „Oh, nein“, sagte Castiel, „sie gehören zu mir.“   „Nein Cas, diese Seelen vernebeln deinen Geist!“   Castiels Blick wurde so düster wie die Finsternis, die sie von hier aus durch die Fenster sehen konnten. „Ich bin aber noch lange nicht fertig. Ich muss mich noch endgültig um Raphael und seine Anhänger kümmern. Und ich muss … ich muss sie alle sehr streng bestrafen. Das verstehst du doch sicherlich.“   Dean schnaubte und trat einen Schritt auf den Engel zu. „Jetzt hör mir mal zu. Ich weiß, es sind sehr schlimme Dinge passiert, aber wir waren mal eine Familie, ich wäre für dich gestorben, hätte mein Leben für dich gegeben und ein paar Mal war es fast so weit. Also wenn dir das etwas Bedeutet“, dass Bobby das alles mitanhören konnte, war ihm gerade herzlich egal, Castiel war momentan das Wichtigste. „Bitte. Ich hab‘ Lisa verloren, genauso wie Ben … ich lasse nicht zu, dass ich dich auch noch verliere.“   Castiel zu verlieren? Das wäre wohl Deans worst-case-scenario. Soweit würde er es nicht kommen lassen, auf keinen Fall. Wenn es in seiner Macht stand, würde er Castiel aufhalten, auf welchem Weg sich dieser auch befand, er würde ihm folgen und ihn auf den richtigen Pfad zurückbringen.   „Du brauchst diese Energien nicht mehr, Cas! Lass los, bevor sie uns alle tötet!“   „Du sagst das nur, weil ich gewonnen habe. Und weil du Angst hast.“ Auch Cas kam jetzt einen Schritt näher - gefährlich nah. „Du bist nicht meine Familie, Dean. Ich habe keine Familie.“   Für einen Moment hatte Dean das Gefühl, sein Herz würde nicht mehr schlagen. Wie konnte er so etwas nur denken? Verdammt, was hatte Dean nur getan? WIe konnte er es rückgängig machen? Castiel konnte nicht so schlecht von ihnen denken.   Ein Keuchen hinter Cas holte ihn aus seinen Gedanken. Wie zum Teufel kam Sam hierher?   Castiel verzog keine Miene, während Sam auf ihn einstach und zog die Klinge einfach aus seinen Rücken. Kein Blut war daran zu sehen und spätestens jetzt klingelten bei Dean alle Alarmglocken.   „Es freut mich, dass du es geschafft hast, Sam“, sprach Cas, drehte sich aber nicht um, sondern sah noch immer Dean an, als würde er ihm etwas beweisen wollen. „Aber die Engelsklinge wird nicht funktionieren, denn ich bin kein Engel mehr. Ich bin euer neuer Gott. Ein besserer Gott. Also werdet ihr euch vor mir verneigen und eure Liebe zu mir, eurem Herrn, bekunden. Oder ich werde euch vernichten.“   Eine lange Zeit passierte nicht und die Stille kehrte zurück. Dean hatte alle Mühe, das Gesagte zu verarbeiten. Castiel musste den Verstand verloren haben, wenn er dachte, er würde vor ihm auf die Knie gehen. Doch genau in dem Moment kniete Bobby nieder.   „Jungs“, forderte er Sam und Dean auf.   Nicht sicher was er tun sollte, machte Dean es ihm nach, bis Castiels enttäuschte Stimme sie inne hielten ließ.   „Aufhören. Was soll das Ganze, wenn ihr es nicht so meint? Ihr habt Angst vor mir.“ Na ja, konnte man es ihnen verübeln, wenn ihr eigentlich bester Freund gerade einen Gott-Trip machte? „Es ist keine Liebe, kein Respekt, nur Angst!“   „Cas-“   „Sam, was willst du noch von mir, du hast hinterrücks auf mich eingestochen. Los, steht auf.“   Bobby war wieder einmal der Erste, der Castiels Aufforderung nachkam. Anschließend ging Dean auf den … Engel zu.   „Cas, was soll das, das bist doch nicht du!“   „Den Castiel“, er sprach den Namen wie eine Beleidigung seiner Selbst aus, „den ihr kanntet, der zu eurer Familie gehörte, ist tot.“   Wieder wurde Dean heiß und kalt zugleich. „Und was nun? Tötest du uns auch?   Cas legte mechanisch den Kopf schief. „Du weißt, du bist machtlos. Du würdest es nicht wagen, dich gegen mich zu erheben. Es wäre ohnehin sinnlos. Ich habe keinen Grund euch zu töten. Nicht dich, Dean und nicht jetzt … aber ihr wart Mal meine Lieblinge, bevor ihr die Hand gegen mich erhoben habt.“   Deans Herz raste. Ihr Castiel würde niemals so über sie reden … allerdings war ihr Cas, laut seiner eigenen Aussage, auch tot.   „Wer bist du?“ Denn Cas war er nicht und ein Gott mit Sicherheit auch nicht.   „Ich bin Gott“, als hätte er seine Gedanken gelesen, „und wenn ihr euch an meine Regeln haltet, dann dürft ihr in meinem Königreich leben. Doch wenn ihr euch auflehnt, werde ich euch niederstrecken.“ Seine Stimme wies keinerlei Emotionen auf. Nur leicht legte er seinen Kopf ein Stück zur Seite, um Sam aus den Augenwinkeln aus sehen zu können. „Dir geht es wohl nicht so gut, was, Sam?“   „Es geht mir gut“, sagte Sam mit brüchiger Stimme. „Mir geht‘s gut.“   „Du wolltest ihn heilen! Du hast es versprochen!“, brüllte Dean.   Cas wandte sich wieder voll und ganz Dean zu. „Wenn ihr euch zurückhaltet, was ihr ja wohl nicht getan habt. Seid lieber dankbar für meine Gnade“, antwortete Castiel und meinte dabei jedes Wort ernst. „Ich. Hätte ihn auch zurück in die Hölle schicken können.“   „Cas, ich bitte dich, das ist doch verrückt! Du kannst es rückgängig machen, bitte!“   Der ehemalige Engel war schon verschwunden, während seine letzten Worte durch Deans Kopf hallten.    Ich hoffe für euch, dass das unsere letzte Begegnung ist.   Dean hätte am liebsten gegen die nächste Wand geschlagen.   Die Tage vergingen, als wären sie schlecht geworden. Sam hatte mit seinen Halluzinationen zu kämpfen und Dean … Dean kämpfte mit sich selbst. Er wollte Castiel nicht die Genugtuung geben und zu ihm beten, noch immer hoffte Dean, dass er von alleine kommen würde, um einzusehen, wie falsch er doch lag. Nur irgendwann waren sie ihm einfach über die Lippen gerutscht. Er war nicht schnell genug gewesen, um sich selbst zu stoppen und jedes Mal verfluchte er sich aufs Neue. Aber selbst wenn Cas von sich aus zurückkommen würde, die Finsternis war vorbei und sie hatten vorerst keine Möglichkeiten die ganzen Seelen zurück zu schicken. Verdammnis, warum musste Cas auch ausgerechnet jetzt eine Rebellion anzetteln? Hätte er nicht erst Sams Mauern errichten können? Seinem kleinen Bruder ging es von Tag zu Tag schlechter und Dean war es leid, das mitansehen zu müssen.   Er war es leid, zu jemanden zu beten, der nicht mehr kommen würde.   Und jedes Mal, wenn er an Bobby vorbeiging, wurde er mit einem mitleidigen Blick angesehen, wo er am liebsten gekotzt hätte. Schließlich hatte er die Schnauze voll, sich die Schlüssel von Baby geschnappt und war drauf losgefahren. Das Lenkrad fest im Griff versuchte Dean alles, außer die Straße, aus seinem Kopf zu bannen und zu vergessen. Die nächste Bar wäre so was von seine …   Bis zur Bar kam Dean nur gar nicht.   Die Sonne schien noch hell genug, dass er die Gestalt auf dem Feld erkennen konnte. Dean würgte fast den Motor ab, nachdem er am Rand des Feldes zum Stehen kam und die Tür hinter ihm zu knallte. Castiel ließ ihn dabei nicht aus den Augen und wirkte schon fast selbstgefällig, wie er da umgeben von Nichts außer Gras stand und anscheinend auf ihn wartete.   Affektiertes Huhn, dachte Dean sich und Castiels Mundwinkel zuckte nach oben, als hätte er es gehört. Der Mistkerl wusste, dass ich anhalten würde. Und Dean blieb stehen, mit großzügigen Abstand zu Castiel.   „Natürlich wusste ich das, Dean.“ Keine zwei Sekunden später erschien Cas direkt vor seiner Nase. Selbst als ‚Gott‘ hatte er keine Ahnung was persönlichen Freiraum anging.   „Du selbstgef-“, fing Dean an, besann sich dann aber doch. „Was willst du? Was machst du überhaupt hier?“ Dabei breitet er seine Arme aus, um seine Bemerkung zu unterstreichen.   „Ich habe auf dich gewartet.“ Natürlich. Was auch sonst.   „Toll, super. Hie bin ich. Könntest du dann bitte deinen göttlichen Hintern dazu bewegen, Sam zu heilen?“   Cas kam noch einen Schritt näher, Dean schluckte. „Pass auf, wie du mit mir sprichst.“ Dabei hörte er einfach nicht auf so aufgeblasen zu lächeln.   Dean war kurz davor, es ihm aus dem Gesicht zu schlagen. Allerdings erinnerte er sich, dass es schon damals ziemlich weh tat, als Cas nur ein Engel war. Stattdessen ballte er beide Hände zu Fäusten und wartete ab.   „Ich habe deine Gebete erhört“, sagte Castiel schließlich. Sofort bereute er sie. Er hätte nicht so viel trinken sollen.   „Und?“   „Und sie brachten mich hierher, oder nicht? Sam werde ich dennoch nicht heilen.   „Was? Aber-“   „Dean“, unterbrach Castiel ihn harsch, sein Lächeln verschwand, „Ich weiß deinen Glauben in mich zu schätzen, aber meine Antwort wird weiterhin Nein heißen.“   Mit gemischten Gefühlen starrte er in Cas‘ blaue Augen. Sein Herz donnerte in seiner Brust, seine Hände zitterten und mittlerweile gruben sich seine Fingernägel in die Handflächen.   „Mach doch was du willst“, knurrte er und war dabei wieder zurück zum Impala zu stapfen, doch Cas hielt ihn mit einem eisernen Griff um seinen Arm, er hatte schon Angst, er würde gleich brechen, an Ort und Stelle.   „Jedoch“, fügte Castiel hinzu, „möchte ich mich für deine Treue zu mir erkenntlich zeigen.“   Dean drehte sich zurück zu Cas. „Was redest du da-“   Ein weiteres Mal wurde er unterbrochen, als Castiel in seinen Nacken fasste und ihn rücksichtslos zu sich zog.   Was zum Henker, schoss es Dean durch den Kopf, den er reflexartig zurückziehen wollte, was Cas nicht zuließ. Plötzlich war Castiels Mund auf seinem und ein Brennen fing an seinen Körper zu versengen. Es war kein leidenschaftliches Feuer, welches Besitz von ihm ergriff - es hätte aus der Hölle stammen können.   Dean wollte schreien, ihn von sich stoßen, damit es endlich aufhörte, doch nichts dergleichen geschah. Sein Blut kochte weiterhin in seinen Adern. Dean war sich sicher, dass seine Augen weit aufgerissen waren, er sah aber nichts als grelles Weiß. Mit Castiel lösten sich auch die Flammen von seinem Körper. Langsam ließ Castiel ihn ins Gras gleiten, der kalte Boden kühlte seine erhitzte Haut.   „Sieh es als Geschenk“, sprach Castiel, während Dean nach Luft rang und sich die Welt langsam um ihn herum verabschiedete. Nur langsam kehrte das Leben wieder zurück in Dean. Er hatte keine Ahnung, wie lange er auf dem Feld schon lag, doch die Sonne war mittlerweile untergegangen und hatte einem stockdunklen Himmel Platz gemacht. Lediglich eine Straßenlaterne spendete ihm gerade so viel Licht, dass er seine Umgebung einigermaßen scannen konnte. Von Castiel weit und breit keine Spur.   Was hatte er nur mit ihm angestellt?   Wieso hatte er ihn geküsst?   Oder wurde Dean gerade von einem Monster überfallen und hatte das alles nur geträumt? Doch das konnte nicht sein. Wenn es ein Monster gewesen wäre, dann wäre er jetzt entweder tot oder in irgendeinem Raum, gefesselt an einem Stuhl, sitzend; vielleicht auch in Ketten in einem Keller. Doch er würde ganz sicher nicht auf einem Feld liegen.   Außerdem konnte er noch deutlich Castiels Lippen auf seinen spüren. Vor allem aber spürte er die Nachwehen der Schmerzen, die durch seinen Körper pulsierten. Dieses Brennen. Zwar nicht mehr so intensiv, wie in dem Moment indem Cas ihn geküsst hatte, doch sie waren noch immer da.   Aber er konnte noch etwas Anderes wahrnehmen. Er wusste nur nicht, was dieses Etwas war.   Sieh es als Geschenk.   Das waren Castiels letzte Worte gewesen, bevor er ohnmächtig wurde. Was hatte der Engel, oder besser gesagt der neue Gott, damit gemeint? Was für ein Geschenk? Was hatte dieser gefiederte Mistkerl mit ihm gemacht?   Noch immer lag Dean im Gras, da er sich noch zu benommen fühlte um aufzustehen. Als er den Versuch startete, auf die Beine zu kommen, scheiterte er kläglich. Ächzend ließ er sich wieder auf den Boden fallen und holte noch einmal tief Luft.   Mit einem immensen Kraftaufwand stützte er sich auf seinen Armen ab und versuchte sich zuerst hinzuknien. Verflucht, wieso fiel ihm eine solch leichte Sache nur so verdammt schwer? Er war schon oft ohnmächtig gewesen, aber danach so schwach gewesen zu sein … das war noch nie passiert.   Allerdings … so schwächlich fühlte er sich eigentlich nicht. Ganz im Gegenteil. Wieso also konnte er dann nicht aufstehen?    Kaum hatter er sich hingekniet, zog ihn eine unsichtbare Macht wieder nach hinten, als würde er einen extrem schweren Rucksack tragen. Hatte Castiel ihn etwa verflucht, so dass er nicht mehr aufstehen konnte? War das sein Geschenk? Auf ewig dazu verdammt zu sein, wie eine tollpatschige Schildkröte auf dem Rücken zu liegen?   Nicht sicher, ob er einen neuen Versuch starten sollte, stöhnte Dean genervt auf. Jemand gluckste vergnügt neben ihm. Erschrocken drehte Dean sich auf die Seite.   „Versuch es ruhig erneut, es macht eine Menge Spaß dir dabei zuzusehen“, sagte Balthazar. Was machte der denn hier?   „Was willst du denn hier?“, fuhr Dean ihn an, dem es ganz und gar nicht behagte, so gesehen zu werden. Zwar bezweifelte Dean, dass er diese Situation ausnutzen würde, um ihn zu töten, doch Balthazar war eine Nummer für sich. Bei ihm wusste man nie so genau, wo man dran war. Immerhin hatte er zu Dean und Bobby in dessen Bunker gesagt, dass er sich nicht sicher sei, auf welcher Seite er schlussendlich stehen würde. Also anstatt ihnen, den Guten, lieber Cas zu helfen.    Auch Balthazar hatte Angst vor Castiel.   Hinter ihm ertönte Gelächter, ehe über ihm das grinsende Gesicht des Engels erschien. Wenigstens hatte einer von ihnen den Spaß seines Lebens.    „Dir zugucken“, war die schlichte Antwort. „Ich hab schon viel in meinem langen Leben gesehen, doch das hier ist eindeutig Goldwert. Ich hätte meine Kamera mitbringen sollen.“   Am liebsten hätte Dean ihm sein dummes Grinsen aus dem Gesicht getreten. Leider war der Winkel dazu nicht ganz passend.   Balthazar beugte sich mehr zu ihm herunter. „Komm, versuch es noch einmal“, provozierte er weiter. Er schritt sogar extra wieder zurück, um Dean mehr Platz zu lassen.   Tatsächlich klappte es dieses Mal auch, Deans Wut schien ihn anzutreiben. Balthazar hielt ihn netterweise an seiner Schulter fest und sorgte für mehr Stabilität, da er noch immer das Gewicht an seinem Rücken spürte. Dean wollte seine Hand wegschlagen, doch die Gefahr eines erneuten Sturzes war zu groß.   „Jetzt spuck‘s schon aus“, knurrte Dean, „was willst du hier?“   „Dieses Spektakel konnte ich mir doch nicht entgehen lassen!“   Aha, und woher wusste Balthazar überhaupt von seinen Gleichgewichtsproblemen? Wann war er Hellseher geworden?   Dean spürte, wie sein Blut anfing zu kochen. Er hatte es schon immer gehasst, wie Balthazar seine Spielchen mit ihnen trieb und sie zum Narren hielt. Um Balthazar etwas Gesprächiger zu machen, packte er ihn am Kragen und schubste ihn nach hinten, bis dieser mit seinem Rücken gegen die Seite des Impalas kollidierte.   „Hör auf mit dem Scheiß und sag mir endlich was du willst!“   Um seine Kapitulation zu verdeutlichen, hob Balthazar die Hände. „Ganz ruhig. Wenn du so weitermachst, hat dein Baby gleich eine Delle.“ Das neckische Grinsen war verschwunden.   In seiner Raserei überging Dean die Bedeutung der Worte. So stark war er nun auch wieder nicht.    „Komm zur Sache“, sagte Dean, was eher einem Zischen glich und presste Balthazar noch mehr gegen sein Baby.   Dann hörte er Metall nachgeben und ein unschönes Knacken von Glas, welches Dean direkt stocken ließ. Augenblicklich ließ er von Balthazar ab und stieß ihn zur Seite, damit er den Schaden besser betrachten konnte. Dort, in Form eines Körpers hatte die hintere Tür eine tiefe Delle im Metall und durch die Fensterscheibe zog sich ein Riss. Was zum-?   „Ich sag‘s ja“, kommentierte Balthazar prompt, während er sich mit pikierter Miene sein Jackett richtete. „Du solltest lernen dich zu kontrollieren, sonst wirst du noch zu einem ernsthaften Problem.“   Dean presste die Lippen aufeinander und überlegte fieberhaft, ob er im Kofferraum noch eine Engelsklinge hatte.   Balthazar legte die Hände zusammen und zog die Augenbrauen hoch. „Deine Kräfte, Dean-o. Noch nicht bemerkt?“ Es folgte eine dramatische Pause. „Castiel war hier, bei dir, stimmt’s?“ Dean nickte. „Und dann hat er etwas mit dir getan, was verdammt wehtat, nehme ich mal an.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.   Bei der Erinnerung wurden seine Wangen warm und er nickte widerwillig. „Was hat er mir angetan?“ Ein kleiner Teil in ihm hatte Angst vor der Antwort, der andere konnte es kaum abwarten. Mit Balthazar’s Antwort hatte er trotzdem nicht gerechnet.   „Er hat deine Seele in Gnade umgewandelt.“ Balthazar versuchte erst gar nicht, seinen spöttischen Ton zu verstecken.   Dean war sich nicht sicher, ob er gerade richtig gehört hatte. „Er hat … was?“   „Ach Dean, ich dachte wirklich du wärst schneller im Denken.“ Nach einem theatralischen Seufzer fuhr er fort: „Menschen haben Seelen. Engel haben Gnaden. Er hat deine Menschenseele in die Gnade eines Engels umgewandelt.“   „Heißt das etwa, ich bin jetzt ein Engel?“, fragte Dean, der regelrecht spürte, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich. Nie und nimmer. Er und ein Engel? Eher würde die Hölle zufrieren. Cas hatte ihn bestimmt nicht zu einen dieser gefiederten Bastarde gemacht. Soweit würde er nicht gehen!   Aber … Castiel war nicht länger Castiel. Er war nun ein selbsternannter Gott. Der alte Cas, sein Cas war weg und würde wohl nicht mehr wiederkommen. Diese Erkenntnis traf Dean erneut wie ein Schlag ins Gesicht. Er hatte seinen besten und wahrscheinlich einzigen Freund vielleicht für immer verloren.   „Ding Ding! Zehn Punkte für Gryffindor“, sagte Balthazar und klatschte in die Hände. „Dieses Gefühl was du da spürst, dass da am Rücken, das sind deine Flügel. Du bist sie nicht gewohnt, doch das wird schon. Ihr Gewicht wirst du noch eine Weile merken, das vergeht aber und du wirst nicht mehr diese Probleme beim Aufstehen haben.“   Das musste ein Albtraum sein. Er konnte kein Engel sein!   Mit sich selbst und seinen Gedanken beschäftigt, ignorierte er den Engel und stieg in den Impala ein. Wie selbstverständlich nahm Balthazar auf dem Beifahrersitz platz, was ihn einen bösen Blick einbrachte, worauf er nur erwiderte: „Was? Sei froh, dass ich hier bin. Du könntest echt noch einen Unfall bauen.“   Das komische Gefühl an seinem Rücken versuchte er nicht weiter zu beachten - er befürchtete, dass es mit seinen ‚Flügeln‘ zusammen hing. Es war kein Schmerz und tat nicht wirklich weh, es war vielmehr ein unangenehmer Druck.   Balthazar verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. „Auch daran gewöhnst du dich. Deine Flügel sind ausgebreitet. Du quetschst sie gerade. Wenn du erst einmal weißt, wie du sie einklappst, dann wird es leichter, glaub mir.“   Genervt sah er zu seinem unerwünschten Beifahrer. So konnte er unmöglich fahren! Nicht nur wegen Balthazar, vielmehr machte ihm sein Rücken zu schaffen.    Grummelnd stieg er wieder aus.    Er hörte Balthazar selbst von draußen meckern. „Das ist ja nicht mit anzusehen!“ In der nächsten Sekunde erschien dieser direkt vor Deans Nase, berührte seine Stirn und dann befanden sie sich auch schon auf Bobbys Schrottplatz. Nur der Impala fehlte.   Was zu seiner Schande nur sein zweiter Gedanke war, der erste war nämlich: ihm wurde gar nicht schlecht. Sonst wurde Dean immer kotzübel, wenn er gezappt wurde. Sein Magen drehte sich dann immer und sein Essen wollte Hallo sagen, jetzt im Moment war davon aber nichts zu spüren. Ihm ging es … gut.   „Was-“, fing Dean an und wurde von Balthazar unterbrochen: „Du bist jetzt ein Engel. Du wirst nicht krank, muss nicht essen, trinken und schlafen und ja, dir wird auch nicht mehr schlecht beim ‚zappen‘ oder wie auch immer du es nennen magst.“   Dean bewegte sich Richtung Haustür. Der Punkt nicht schlafen zu müssen war sehr verlockend. Was er alles mit den zusätzlichen Stunden anfangen konnte … Jetzt musste er aber erst einmal mit Sam reden. Musste sich vergewissern, dass Cas ihm nicht auch ein Upgrade verpasst hatte. Oder gar noch schlimmeres.   „Sam?!“, rief er laut durch das Haus. Balthazar wich noch immer nicht von seiner Seite. Verschwand der nun gar nicht mehr?   „Dean?“, kam auch schon prompt die Antwort. Sam kam runter zu seinem Bruder, doch als er den Engel im Schlepptau erblickte, spannte er sich merklich an. „Was will der denn hier?“   Statt darauf einzugehen, holte Dean tief Luft. Wie sollte er nur alles erklären? Die ganze Situation war viel zu absurd. Wenigstens schien es Sam gut zu gehen - ‚gut‘ in Winchester Edition.   „Dean, was ist passiert?“ Sammy war nicht dumm. Natürlich merkte er, dass etwas nicht stimmte.   „Cas war bei mir. Er tauchte plötzlich auf und wollte mit mir reden“, sagte Dean und fand es für den Anfang nicht schlecht. „Dann hat er … hat er irgendwas getan.“ Er erwähnte den Kuss nicht. Das ging schließlich niemanden etwas an.   „Und??“ Sam schien auf einmal viel wacher und sein Gesicht gewann etwas an Farbe.   Dean versuchte locker zu werden, fing sogar an, schief zu grinsen und streckte stolz die Brust hervor.    „Ich bin jetzt ein Engel.“ „Wiebittewas“, sagte Sam, wobei Dean von seinem Bruder quasi gescannt wurde. „Dean, hast du getrunken?“   Empört schnappte Dean nach Luft. Wieso hieß es immer sofort, er habe getrunken? Auch nüchtern hatte er beklop- interessante Einfälle. „Nein, hab’ ich nicht! Ich bin wirklich, ah, nun ja. Ein, eh, Engel.“   „Könntet ihr zwei Süßen das Gespräch vielleicht drinnen weiterführen?“, mischte sich Balthazar ein. „So zwischen Tür und Angel muss ja nun wirklich nicht sein.“   Mit einem Fingerschnippen seitens Balthazar befanden sich alle drei in Bobbys Wohnzimmer. Ein ‚Du musst mir zeigen wie das geht‘ lag Dean auf der Zunge, doch er konnte sich gerade so noch beherrschen. Dean nahm auf einmal so viele Gerüche wahr, die ihm vorher noch nie aufgefallen waren. Bobby sollte vielleicht mal darüber nachdenken, diesen alten stinkenden Teppich auszuwechseln. Das konnte man wirklich keinem zumuten.   „Ein Engel also.“ Sam ging einmal um seinen Bruder herum, der sich fühlte, als wäre er ein Ausstellungsstück. „Aber du siehst nicht anders aus als sonst auch … wie kam Cas überhaupt zu dem Schluss? Fühlst du dich irgendwie, na ja, anders, himmlischer?“   „Nein man! Und woher soll ich wissen welche Sicherung bei Cas durchgebrannt ist? Der Typ ist unberechenbar geworden.“   „Ich schätze mal, das wird nur Cassie selbst wissen.“ Balthazar ließ Dean keine Sekunde lang aus den Augen, auch nicht, als er sich an Bobbys Alkoholvorrat bediente. „Zugegeben, hätte ich‘s gewusst, hätte ich ihn davon abgeraten.“   „Was“, fragte Dean, „warum?“   „Vielleicht“, der Engel nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas, „weil der Himmel sich in einem Bürgerkrieg mit einem Erzengel und einen selbsternannten Gott befindet und jetzt, wir können uns wirklich glücklich schätzen, eine Pappnase wie du die Kraft eines Engels hat! Von der er natürlich keine Ahnung hat, wie man sie einsetzt.“   „Würdest du sagen, sie wäre mit der von Hulk vergleichbar?“   „Dean! Darum geht‘s jetzt nicht!“ Sams Augenrollen war gewissermaßen hörbar.   „Selbst ich, zu meiner eigenen Schande, habe keine Ahnung wie groß das Ausmaß deiner Gnade ist. Wie willst du sie denn dann beurteilen können?“   Dean schwieg. Es prickelte noch immer in ihm, wahrscheinlich würde sich das auch nicht legen. Sein Blick glitt abwechselnd von Sam zu Balthazar, die ihn beide an starrten, als hätte er irgendwas Intelligentes von sich gegeben. Schock und Besorgnis waren seinem Bruder fett und kursiv auf die Stirn geschrieben und Dean konnte es ihm nicht einmal übelnehmen. Er an Sams Stelle wäre vor Sorge fast umgekommen. Aber hey, er fühlte sich, abgesehen von einem unangenehmen Zwicken, welches ihn ständig an Cas (und seine Flügel) erinnerte, großartig!   „Gibt es einen Weg es rückgängig zu machen?“, wollte Sam wissen. „Was auch immer Cas mit ihm angestellt hat.“   „Woher zum Teufel soll ich das wissen? Bin ich Wiki-How?“ In einem weiteren Zug exte Balthazar seinen Drink. „Ich würde ja gerne sagen, es interessiert mich, aber …“ Balthazar schwieg. „Nun denn, sollte Raphael euch in die Finger bekommen, der deine Umwandlung bestimmt mitbekommen hat - Sam, Dean, es wäre schön, euch nicht kennengelernt zu haben. Viel Spaß noch.“   Flapp Flapp.   Und weg war der Engel.   „Wow“, brachte Sam hervor und schürzte die Lippen. „Balthazar wird sich wohl nie ändern.“   „Hilft mir trotzdem nicht weiter.“   „Na ja, dass nicht, aber vielleicht hat Bobby ja etwas Nützliches in seinen Büchern.“   Dean sah hinter Sam, auf das Sammelsurium das Bobby sein Eigen nannte. Gut möglich wäre es, obwohl die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch war. Das Problem war nur, dass Dean selbst alles andere als ein Bücherwurm war. Mit den Dingern hätte man ihn jagen können! Zwar musste er zugeben, dass ein paar literarische Werke schon ihren Hintern gerettet hatten, aber sich hinsetzen und etwas lesen (was kein Pornoheft war)? Nope, nicht mit ihm.   Angeekelt verzog er das Gesicht, während er auf die Bücherwand blickte. Seine Hand schwebte vor den verschiedenen Buchrücken und wartete nur darauf, zu zupacken. Ob sie überhaupt etwas finden würden?   Als Bobby wieder kam (wo war der alte Kauz überhaupt gewesen?), lagen schon etliche Wälzer um die Winchester herum - auf dem Boden oder neben ihnen auf den Tischen. Sam hatte gefühlt doppelt so viele Bücher durchgeblättert wie Dean. Frustriert schlug Dean das Buch zu und hätte es am liebsten vom Tisch gefegt. Kein einziges Buch konnte ihm seine Frage beantworten, geschweige denn, hatte sich genauer mit Engeln beschäftigt. Wie auch? Sie waren ja erst vor Jahren zum ersten Mal auf die Erde gekommen. Dank ihnen.   Es sah wirklich nicht gut für ihn aus.   „Jungs?“, kam es grummelnd von der Haustür, die Sekunden später zuschlug. „Ich hab da was für euch.“   Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Dean rüber zu seinem Bruder. Er hatte die grobe Vorahnung, dass Bobby damit kein Essen meinte. Oder seine Engel-Mutation. Sam zuckte nur mit den Schultern.   Bobby kam zu ihnen ins Wohnzimmer. „Verdammt nochmal, was habt ihr mit meinen Büchern gemacht?“   Ah, er wusste also nicht Bescheid.   „Jaaaah“, sagte Dean und blickte abwechselnd von den Büchern zu Sam und dann zu Bobby. „Wir suchen etwas über Engel.“   Kopfschüttelnd ging Bobby in die Küche. Dean hörte, wie der Kühlschrank auf und zugemacht wurde. „Was hat Cas jetzt schon wieder angestellt?“   Sam schloss sein Buch leise. „Vielleicht solltest du lieber zu etwas Stärkerem als Bier greifen.“   Und dann fing Dean wieder an zu erzählen, wie er Cas auf dem Feld begegnet war, dass Balthazar ihn aufgespürt und hier her geflogen hatte („Apropos, wir müssen noch Baby holen!“) und das er jetzt ein … ein Engel war und sie etwas suchten, um es rückgängig zu machen.   „Ein Engel?“, schnaufte Bobby. „Wie kam Cas denn auf die bescheuerte Idee?“   „Das frag ich mich auch“, sagte Dean murmelnd und fühlte sich von Bobbys Anmerkung auch nur ein wenig beleidigt.   Für einen Moment schwiegen sie. Dann sagte Bobby, nachdem er überlegt hatte: „Ich bezweifle, dass jemand jemals so etwas schriftlich festgehalten hat. Ich mein, es war schon schwer genug überhaupt etwas über Engel in diesen Büchern zu finden.“   Dean beruhigte das sehr, er sank ein wenig tiefer in seinen Sessel. Seine bescheuerten Flügel ignorierte er dabei, obwohl sie mit allen möglichen Dingen in Berührung kamen. „Und jetzt?“ Gekonnt wich er allen Blicken aus. „Heißt das etwa, ich werde diesen beschissenen Heiligenschein gar nicht mehr los?“   „Hey, es gibt bestimmt eine Möglichkeit.“ Sein Bruder versuchte sich an einem Lächeln. „Vielleicht musst du einfach nochmal mit Cas red-“   „Als ob das was bringen würde!“, unterbrach er ihn stürzte aus dem Sessel, der sogleich polternd nach hinten kippte. „Cas denkt momentan nur an sich und an seinen Krieg!“   Bobby kratze sich am Kinn, während er Dean mit seinem Blick taxierte. „Ich hätte da einen Fall für euch, als kleine Ablenkung. In der Zwischenzeit könnte ich auch in Ruhe nochmal alte Gefallen einfordern. Vielleicht finde ich ja doch was raus.“   „Von mir aus.“ Dean rieb sich die Stirn. „Dann erzähl mal.“   Es war ein einfaches Salt ‘n Burn - nachdem sie von Bobby zu Baby gefahren wurden. Nur wenige Stunden später befanden sie sich in Rochester auf dem Friedhof. Dadurch, dass Dean noch nicht herausgefunden hatte, wie er seine Flügel entmaterialisieren konnte, war er so angespannt, dass Sam die Fahrt übernehmen musste. Was seine Laune nicht gerade steigerte.   Wenigstens war Sam so nett und kommentierte nicht Babys Beule. Aber wahrscheinlich wollte er einfach nur noch ein bisschen weiter leben.   Die Schaufel diente Dean als Armstütze, während er zusah wie Sam weiter buddelte. Ein Tinnitus machte sich in seinem Kopf breit, der immer stärker wurde. Intuitiv sah Dean sich um und erkannte eine verblasste Gestalt in Form einer Frau. Sekunden später spürten die Winchesters einen starken Windstoß, welchen sogar Sam von den Füßen riss.   „Fuck!“, fluchte Sam laut und richtete sich im Grab langsam wieder auf.   Dean reichte ihm seine Hand und half ihm mühelos aus dem Grab. Als er wieder stand, blickte er direkt in die trüben Augen der Frau. Im nächsten Moment wurde Sam wieder ins Grab geschleudert und die Erde, die sie ausgehoben hatten, fiel auf ihn drauf.   Die Frau lachte kalt, als sie zusah, wie Sam begraben wurde. Dean schien sie gar nicht zu bemerken.   „Sam!“, rief Dean und schlug reflexartig aus. Mit einem Zischen verschwand die Frau. „-the fuck?“   Sam kroch ein weiteres Mal hervor. Dreckig und missgestimmt blickte er zu Dean. „Alter, worauf wartest du noch? Hilf mir!“   Dean stieg zu seinem Bruder ins Grab. Zu zweit war das Begräbnis schnell ausgeschaufelt und das Skelett lächelte ihnen unschuldig entgegen. Schnell kippten sie Benzin und ein Streichholz in die Grube. Der Wind legte sich wieder. In der Ferne verblasste ein grölendes Lachen.   Mit seinem verdreckten Ärmel wischte sich Sam über seine verschwitzte Stirn. „Was ein scheiß Tag.“ Hinter ihm ging die Sonne langsam auf.   „Jepp“, meinte Dean nur. Er versuchte so gut wie möglich diesen Piep-Ton in seinen Ohren zu ignorieren. „Komm, lass uns schnell abhauen. Du brauchst ganz dringend ‘ne Dusche. Mann, stinkst du nach verfaulter Erde.“   Sam zog das beste Bitch-Face das er seit langem gesehen hatte, ließ es sich aber nicht zweimal sagen und stelzte zurück zu Baby. Selbstverständlich beanspruchte er den Fahrersitz. Dean verzog das Gesicht. Diesen ekligen Geruch würde er nie wieder aus dem Leder bekommen! Er griff zur Türklinke. Ein markerschütterndes Geräusch erklang. „Son of a bitch!“ Deans Ruf hallte über den ganzen Friedhof, während er mit großen Augen auf die Tür starrte, die er locker in der Hand hielt. Kapitel 4 --------- Knirschend fuhr der Impala auf Bobbys Hof. Die Scheinwerfer blitzten in den Fenstern auf, ehe sie erloschen und den ganzen Hof in ein tiefes Schwarz tauchten. Nur ein kleines Licht im Wohnzimmer war an und sagte den Brüdern, dass Bobby noch wach war. Die ganze Fahrt über hatte Dean kein einziges Wort gesprochen, während er die Tür an seinen Platz hielt. Er hätte kotzen können - wenn auch nicht in sein geliebtes Baby - die ganze Sache war doch der größte Witz! Oder nur ein Alptraum, aus dem er jede Sekunde erwachen würde. Verdammt nochmal, wie kam Cas auf die irrsinnige Idee, ihn in einen Engel zu verwandeln? Was erhoffte er sich davon? Viel lieber sollte er sein göttliches Händchen dafür verwenden, Sammy zu heilen. Scheisse, wenn er wüsste wie, würde Dean es selber tun. Aber es war ja nicht so, als gäbe es eine himmlische Anleitung, die ihm erklärte, wie er seine Fähigkeiten einsetzen konnte. Und dann dieser ständige Fiep-Ton … egal was er tat oder nicht, im Hinterkopf hörte er ohne Unterbrechung einen schrillen Ton. Er musste echt den Verstand verloren haben, wenn er schon anfing zu halluzinieren.   Hinter ihnen fiel die Haustür ins Schloss. Dean konnte den Blick seines Bruders spüren, als er direkt die Treppe nach oben nahm, in sein Zimmer ging und sich auf das Bett legte. Er konnte selbst die Unterhaltung zwischen Sam und Bobby hören, auch wenn es nur in einem leisen Flüstern geschah.   „Schon was gefunden?“   Eine Pause, Dean konnte sich bildlich vorstellen, wie Bobby vor einem Stapel Bücher saß und genauso verzweifelt drein blickte wie er sich fühlte.   „Nein“, seufzte Bobby, „wie ich‘s mir schon gedachte hatte, gab es so ein Ereignis noch nie zuvor.“   „Gibt es keine Alternative? Irgendeine andere Möglichkeit die wir in Betracht ziehen können?“   „Sam, es war schon damals schwer genug überhaupt irgendetwas über Engel zu finden. Und jetzt soll hier etwas darüber stehen, wie wir Dean zurück verwandeln können? Die einzige Möglichkeit, die wir meines Erachtens haben, ist die, dass Cas sich wieder einkriegt und ihn ent-engelt.“   Sam schnaufte. „Großartig, ich bezweifle, dass das in der nächsten Zeit der Fall sein wird. Du hast ihn doch selbst erlebt, Cas ist total- total mit seinen Gott-Aufgaben beschäftigt.“ Dean konnte den Vorwurf heraushören und gab ihm Recht. „Vielleicht sollten wir uns eher darauf konzentrieren, wie wir ihn in Schach halten können und nicht-“   Ruckartig setzt Dean sich auf und nahm seine Kopfhörer. Wenn er schon den Fiep-Ton nicht ausblenden konnte, dann wenigstens Sam und Bobbys Gespräch. So laut es ging spielte er AC/DC ab und kniff die Augen zusammen, um sich auf den Songtext zu konzentrieren. Sein Kopf fing an zu pochen, als die Intensität der Frequenz zunahm. Es war, als wäre es beleidigt, ignoriert zu werden.   Stop! Dean presste die Handballen auf seine Augen. Er biss die Zähne zusammen, so dass sie anfingen zu knirschen. Aufhören! Hinter ihm bekam das Fenster erste Risse, wovon er nichts bemerkte. Die laute Musik schien alles viel schlimmer zu machen und gerade als er dachte, der Ton würde sein Maximum erreichen —   Da war es auch schon wieder vorbei. Tief durchatmend verharrte Dean in seiner Position. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder und er sah auf.   Mit überkreuzten Beinen saß Balthazar ihm auf seinem Bett gegenüber, in seinem Gesicht konnte Dean eine Mischung aus Sorge und Interesse ablesen. Und war da noch etwas wie … Angst?   Dean riss die Kopfhörer von den Ohren. „Was machst du denn hier? Ich hab gedacht die ganze Sache interessiert dich nicht!“   „Hat es auch nicht“, sagte Balthazar, „bis gerade eben. Ich schätze jetzt weiß jedes Wesen von deinen Kräften. Schau dir nur deine Fenster an; ein Wunder, dass sie nicht zersprungen sind.“   „Was?“ Dean drehte sich um. Tatsächlich sah das Glas aus, als würde es jede Sekunde nachgeben und zerspringen. „Ich– da war dieser ätzende Fiep-Ton und– was meinst du überhaupt damit, dass jedes Wesen Bescheid weiß?“   Balthazar sprach zu ihm, als würde er ihn für ein Kleinkind halten. „Ich war am anderen Ende der Welt und konnte trotzdem den Anstieg deiner Kraft spüren. Und wenn ich sie schon spüren konnte, wie meinst du ging es den Dämonen und anderen Wesen hier in der Umgebung? Ich glaub Cassie hat dich nicht nur zu einem Engel gemacht … dafür bist du jetzt schon zu stark.“   „Ach ja? Und zu was soll er mich sonst mutiert haben?!“   „Was weiß ich. Und das, was dir fast den letzten Nerv geraubt hat, war, um es mit deinen Worten auszudrücken, das Engelsradio. Wie‘s scheint kannst du es nicht verstehen, aber es ist ein großes Wirr-Warr aus Castiel ist Gott und Es gibt einen anderen mächtigen Engel. Na ja. Ein bisschen Tratsch ist auch dabei.“   Dean fuhr sich durch die Haare. „Und wie stoppe ich es?“   „Also entweder man weiß es oder man weiß es nicht.“   „Was ist das für eine Antwort!“   „Was für eine hast du denn erwartet? Kannst du einem Mensch beibringen Mensch zu sein?“   Nennt sich das nicht Erziehung? Diesen Gedanken behielt er lieber für sich. Dennoch rollte Balthazar geradezu episch die Augen.   „Was die Erziehung angeht, ist dein Zug schon längst abgefahren, Dean-o.“ Dann stand er auf und legte seine Hand auf Deans Schulter.   Auf einmal standen sie auf einer satten Wiese und kühler Wind umgab sie. In der Ferne konnte er irgendein Tier buddeln hören, aber ansonsten war hier keine Menschenseele. Dean drehte sich einmal um seine eigene Achse. Egal wo er hinsah, alles war saftig grün. Nur hier und da waren ein paar kleine See. Er konnte geradezu den süßen Duft der Blumen riechen, die hier ebenfalls blühten und die Ruhe genossen.   „Bist du fertig, du Prima Ballerina?“, kommentierte Balthazar sein Verhalten. „Das hier ist Island. Wenn‘s nicht grün wäre, würde ich mich Sorgen machen.“   „Was zum Henker machen wir hier?“   „Na was wohl, ich zeig dir ein paar Engeltricks, bevor du aus Versehen noch jemanden umbringst. Und dafür gibt es keinen besseren Ort, als den hier. Das einzige was du hier umhauen kannst, ist der Berg da drüben. Also, lass uns anfangen, bevor ich es mir anders überlege. Wir Engel sind Diener, Boten und Krieger des Himmels. Ja ja, ich weiß, kaum zu glauben et cetera. Du brauchst, anders als wir, keine Hülle um auf Erden zu sein. Schließlich ist das dein eigener Körper. Nur die Flügel sind dazugekommen. Der erste Schritt wäre also, dass du weißt, wie du sie demanifestieren kannst.“   Zum Ende seiner Rede leuchtete es hinter Balthazar grell auf und ein Paar grauer Flügel erschienen. Ein paar Federn hingen aus der Reihe und sie schienen auch nicht so zu glänzen wie die seinen. Dean blickte über seine Schulter. Seine Flügel waren groß und kraftvoll und hatten von der Innenseite einen goldbraunen Ton. Wie sie auf der Rückseite aussahen, konnte er nicht erkennen.   „Wenigstens hast du dich schon an ihr Gewicht gewöhnt. Das ist gut, denn das Gewicht wirst du nicht los, selbst wenn sie nicht mehr manifestiert sind. Unsere Flügel befinden sich in einer Art Zwischendimension. Es gibt drei, von denen du wissen musst. In der ersten Dimension befinden wir uns jetzt, Menschen ohne Gabe können uns sehen und erkennen, unsere Flügel aber nicht und unsere wahre Gestalt erst recht nicht. Du weißt, was passiert, wenn sie es riskieren.“   Bei dieser Andeutung dachte Dean an Pamela und ein fader Geschmack bereitete sich in seinem Mund aus. Störrisch nickte er nur.   Balthazar fuhr fort: „Die wahre Gestalt eines Engels befindet sich ausschließlich in der dritten Dimension. Es ist wichtig, dass du das kapierst, okay? In der Zwischendimension können unsere Flügel mit der Welt interagieren, aber nicht gesehen werden. Da das nervig ist, lösen wir normalerweise ganz einfach die Flügel aus der zweiten Dimension“, wieder leuchtete es kurz auf, Balthazar’s Flügel waren verschwunden, „und manifestieren sie in der Dritten. Klar soweit?“   „ … Glasklar. Prinzipiell. Also muss ich mir nur einfach denken, dass meine Flügel die Dimension tauschen sollen?“   „Du musst dir bewusst werden, dass deine Flügel in einer anderen Dimension sind.“   Dean brummte der Kopf. „‘Kay.“ Er verstand, was Balthazar von ihm wollte, nur hatte er keine Ahnung wie er das umsetzen sollte. Für den ersten Versuch schloss Dean die Augen. Er spürte die Stelle, an denen die Flügel auf seinen Rücken trafen und wie nur ein Hauch des Windes sie berührte. Los, ab mit euch. Dean wartete. Ändern tat sich nichts.   „Argh, das ist leichter gesagt als getan!“   „Natürlich ist es das! Glaub mir, ich stell mir meinen Nachmittag auch anders vor.“   Als Antwort grummelte er nur, ehe er wieder die Augen schloss. Dean stellte sich vor, wie der Wind Abstand von seinen Flügeln nahm und wie die Stelle an seinem Rücken verheilte, als wäre es nur ein Kratzer. Nach einiger Zeit nahm das Gefühl tatsächlich ab und als er die Augen öffnete und Balthazar’s große Augen sah, wusste er, dass es geklappt hatte. Innerlich klopfte er sich auf die Schulter.   Schnell hatte sich der Engel wieder eingefangen. „Wir brauchen die Flügel, wenn wir in dieser Dimension reisen wollen. Aber das erklär ich dir später. Kommen wir nun zur Gnade.“ Plötzlich fingen Balthazar’s Augen an zu glühen, wie er es bereits von Cas kannte. „Verliert ein Engel seine Gnade, stirbt er oder wird zum Menschen.“   Dean wurde hellhörig. War die Lösung zu seinem Problem so einfach, dass sie es übersehen hatten? Musste er einfach seine Gnade entfernen? Ein Schlag auf den Arm beförderte ihn aus seinen Gedankengängen wieder ins Hier und Jetzt.   „Da deine Gnade eigentlich deine Seele ist, weiß ich nicht was passieren wird, wenn du sie verlierst. Du weißt wie Sam ohne seine Seele war, also lass die Finger davon! Oder mach‘s und erspar uns den Rest.“   Verärgert rieb Dean sich den Arm. Langsam ging es ihm auf den Keks das Balthazar so einfach seine Gedanken lesen konnte. Außerdem konnte man Sam ohne Seele kaum als Mensch bezeichnen.   „Jeder Engel hat sein eigenes Schwert, das solltest du ja bereits wissen.“ Balthazar griff in seine Jackett und holte seins hervor. „Dazu muss ich dir nichts erklären, oder? Fantastisch. Dann würde es mich tatsächlich interessieren, ob du auch eins hast.“ Erwartungsvoll sah er ihn an.   Dean tastete sich ab, konnte aber nichts fühlen. Er griff, wie Balthazar vor ihm, in seine Jacke und hielt inne, alt kaltes und zugleich warmes Metall seine Finger berührten. Zaghaft holte er es hervor. Die Sonne ließ die Klinge glänzen. Ein paar mal warf er es von der einen Hand in die andere. Es fühlte sich anders an, als die anderen Klingen zuvor. Vielleicht, weil diese ihm gehörte? Mit ihm zusammen erschaffen wurde? Die Engelsklinge gab ihm das Gefühl, ein Teil von ihm selbst zu sein.   „Woha“, brachte er hervor, „also das ist bis jetzt der beste Teil!“   Vor ihm brachte Balthazar kein Wort hervor. Stattdessen starrte er nur auf die Klinge, aber nicht wie gerade eben, als er seine Flügel hatte verschwinden lassen; jetzt waren seine Augen weit aufgerissen, als würde er befürchten, Dean könnte ihn damit jeden Moment angreifen.   „Hey, entspann dich mal. Hat dich das jetzt so überrascht, dass ich auch eine habe?“   „N-nein“, Dean sah, wie Balthazar schluckte. „Nur ist das … das ist die Klinge eines Erzengels.“   „Heilige Scheisse!“ Vor Schreck ließ Dean die Klinge fallen, lautlos landete sie im Gras. „Cas hat mich zu einem Erzengel gemacht?!“ Was zur Hölle? Spinnt der?   „Es … es macht ganz den Anschein. Das würde deine Kraft erklären. Umso wichtiger ist es, dass du lernst sie zu kontrollieren. Engelskräfte sind schon schlimm genug … aber die eines Erzengels? Cassie muss den Verstand verloren haben.“   Normalerweise war Dean ein Meister darin, seine Gefühle zu untermauern und sie schlicht und einfach zu ignorieren (oder sie mit Alkohol zu ertränken), aber seit dem er verwandelt wurde, war es eindeutig schwerer als sonst. So wie jetzt. Deans Herz raste, ob vor Aufregung oder Angst konnte er nicht sagen. Die Kraft eines Erzengels wohnte in ihm. Noch ganz genau hatte er im Kopf, wie mächtig Lucifer und Michael waren, welchen Schaden sie mit einem Fingerschnippen anrichten konnten. Einfach so. Es spielte auch keine Rolle, dass Beide jetzt im Käfig schmorten, denn noch immer war Raphael da und anscheinend … jetzt auch er. Der fünfte Erzengel des Himmels. Dean kämpfte damit, sich nicht hier und jetzt auf dem grünen Rasen zu übergeben. Seine schweißnassen Hände wischte er an der Hose ab. Er durfte sich sein Gefühlschaos nicht anmerken lassen, brauchte Zeit, um das alles zu verarbeiten.   Sein Mund war ganz trocken, als er anfing zu sprechen: „Cas- Cas wird sich dabei irgendwas gedacht haben-“   „Wahrscheinlich“, unterbrach Balthazar ihn, „wahrscheinlich will er dich in seiner Armee haben. Erzengel gegen Erzengel. Du gegen Raphael. Ihm scheint nicht klar zu sein, dass du ihm unterlegen bist. Du kämpfst nicht wie einer von uns. Du kämpfst wie ein Mensch.“   Natürlich tat er das, denn eigentlich war er ja auch einer.   „Das alles ist doch der größte Schwachsinn.“ Aufgebracht kickte Dean einen Stein zur Seite - der selbst nach ein paar Minuten immer noch durch die Luft sauste. „Ich werd Cas dazu bringen, mich zurück zu verwandeln, soll er seinen himmlischen Krieg doch alleine führen.“   Dean wollte Castiel ja helfen, aber nicht so. Nicht als Castiels kleiner Spielzeug-Soldat. Außerdem war da immer noch Sam und seine angeknackste Psyche, welche vorging. Vielleicht, wenn er herausfand ob oder wie er Sam heilten konnte … vielleicht konnte er dann auch Cas aufhalten.   „Ich bezweifle, dass mit Cassie gerade gut Kirschen zu essen ist. Du solltest lieber abwarten und nicht zu viel Aufsehen mit deinen Kräften erregen. Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass er gar nicht weiß, wie mächtig er dich gemacht hat. Hat er nichts dazu gesagt?“, wollte Balthazar wissen und sah ihn forsch an.   Wieder zerrte der Wind an Deans Hemd. Du solltest mir dankbar sein. Dankbar für was? Dafür, dass er sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hatte? Dass Sam und Bobby früher oder später Angst vor ihm haben würden? Dean fühlte sich alles andere als dankbar.   „Nicht wirklich“, meinte er daher nur und wollte schnell vom Thema ablenken. „Was kann ich jetzt noch alles mit meinen Kräften?“ Kapitel 5 --------- Balthazar brachte ihm bei, wie er fliegen konnte. Nicht wie ein Vogel (oder Superman – schade aber auch), sondern wie sie. Dass er sich von jetzt auf gleich in einem anderen Staat, Land oder Kontinent befand. Nach seinem ersten Flug, von Island nach Schweden, hatte er sich einfach in den Schnee fallen lassen. Er konnte jede einzelne Schneeflocke spüren, die auf ihm landete. Hinter ihm erschreckte ein Vogel so stark, dass er davon flog und ein Haufen Schnee zu Boden fiel. Sie waren umgeben von hohen Bäumen, die ihnen mit ihren Blättern und Ästen Schutz vor den Menschen gaben. Dann flog Dean nach Thailand, von da aus in den Kongo und zurück nach Amerika.  Balthazar hatte alle Mühe, mit ihm mitzuhalten. Aber dieses Gefühl … mit seiner eigenen Kraft wohin er auch wollte zu gelangen, verlieh ihm eine Macht, wie er sie zuvor noch nie erlebt hatte.  Was er alles tun konnte. Welches Essen er alles probieren konnte. Unendlich viele Möglichkeiten und Ideen schwirrten in seinem Kopf und wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, er hätte alles ausprobiert. So blieb ihm nur eine Möglichkeit. Dean stand vor einem Haus in Lawrence. Es hatte bereits begonnen zu dämmern, weswegen nach und nach die Lichter hier und in der Nachbarschaft angingen. Dean konnte ein paar Häuser weiter eine Katze hören, die leise miaute und um Einlass bat. In dem Haus, welches er beobachtete, lief der Fernseher und eine Mutter spielte mit ihrem Sohn, während das jüngste Kind schon schlief. Lautlos lief er um das Haus herum, stand nun im Garten und blickte hoch in das Zimmer, wo er leise die Melodie einer Spieluhr vernehmen konnte. Mit seiner rechten Hand griff er in seine Jackeninnentasche, holte seine Engelsklinge hervor - das Gewicht noch immer ungewohnt, lag sie dennoch perfekt angepasst in seiner Hand. Ein Außenstehender hätte gedacht, er träumte, als eine Gestalt, die bis gerade eben noch im Hintergarten stand, plötzlich verschwand. Im Zimmer des Babys tauchte er wieder auf. Überall auf dem Boden verteilt lagen Spielzeuge, sie kamen ihm nicht bekannt vor. Zu kurz war die Zeit, in der er mit ihnen gespielt hatte, er zusammen mit seiner Mom und seinem Dad. Sein kleiner Bruder, jetzt gerade erstmal sechs Monate alt, schlief tief und fest. Er würde nie erfahren, welches Unheil ihm bevor stand. Denn dieses Mal würde er es verhindern. Sein Kopf pochte, der Griff um seine Klinge war eisern. Azael würde gar nicht erst in die Nähe seines Bruders kommen. Unter ihm hörte er seine Mutter, wie sie ihn zu Bett brachte. Für einen Moment erlaubte er sich, die Augen zu schließen und den Klang ihrer Stimme in seinem Gedächtnis zu erneuern. Er würde sie wieder sehen. Als er die Augen wieder öffnete, stand Azael vor ihm, die gelben Augen vor Schreck geweitet. Konnte er seine Gnade spüren? Die Macht eines Erzengels? „Was macht ein Abgesandter des Himmels hier?“ Azael versuchte selbstsicher zu wirken, wie er da mit erhobenen Hauptes stand, doch das Zittern in seiner Stimme verriet ihn. „Dich töten.“ Dean zog Azael zu sich, damit er auch keine einzige Gesichtsregung verpasste, während er ihm das Schwert in den Brustkorb rammte. Doch ehe die Spitze seiner Klinge ihn berühren konnte, wurde er aus dem Jahr 1983 geworfen. Er fand sich in einer verlassenen Stadt wieder, die Fenster milchig vor Staub. Hier und da standen, mitten auf der Straße, Autowracks. Ansonsten herrschte Stille über der Stadt, er konnte nicht einmal irgendein Tier hören, was in einer Mülltonne nach Essen suchte. Dean wusste weder, wo er war, noch wer ihn hierher gebracht hatte. Seine Klinge noch immer in der Hand, hätte er vor Frust am liebsten die ganze Stadt in Schutt und Asche verwandelt. Er würde zurück fliegen, jetzt sofort, und das beenden, was er hatte anfangen wollen. „Unterstehe dich.“ Er erkannte die Stimme, wusste sofort, wer hinter ihm stand. Dean drehte sich um und funkelte Castiel erbost an. Dieser war davon gänzlich unbeeindruckt. „Du wagst es, die Kräfte die ich dir gab, so selbstsüchtig zu missbrauchen?“ Sein ganzer Körper fing vor Wut an zu zittern. „Muss dir ja ziemlich bekannt vorkommen.“ Plötzlich stand Cas ganz dicht vor ihm, wie damals, kurz bevor er ihn verwandelt hatte. Wäre Dean nicht mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, wäre er vor Scham rot angelaufen. „Wie kannst du es wagen, so mit deinem Gott zu reden?“ Wie ich es wagen kann?, hallte es in seinen Gedanken wider, einem Echo gleich. Dean knirschte mit den Zähnen, dass sein Kiefer weh tat. „Seit wann verdient ein Dämon wie Azael es, verschont zu werden? Wenn du mich nicht aufgehalten hättest-“, er konnte den Satz nicht zuende führen. Der ganze Schmerz kam wieder in ihm hoch, wie eine Sturmflut die ihn mitzureißen drohte. Dann hätte ich sie retten können. Castiel sollte wissen, wie viel Mary ihm bedeutete. „Ich habe dir nicht die Erlaubnis gegeben, das Schicksal zu verändern.“ Castiels blaue Augen waren kalt und leblos. Sie erinnerten ihn an den verschneiten Himmel in Schweden. Ohne Hoffnung auf Licht. „Ich pfeif auf deine Erlaubnis! Es ist mein Schicksal, meine Familie!“ Dean packte Cas am Kragen, zog ihn zu sich. „Und ich war derjenige, der dir die Macht dafür gab. Du stehst unter meinen Befehlen, Dean, ich bin dein Herr! Ohne meine explizite Anweisung darfst du gerade einmal existieren. Für alles andere gibt es Befehle. Und jetzt überlege gut, was du als nächstes tust. Oder Sams Seele wird dein letztes Problem sein.“ Dean hatte gar nicht bemerkt, dass er die Hand, die die Klinge hielt, bedrohlich gehoben hatte, zum Angriff bereit. Schnaufend ließ er Cas los und die Klinge wieder verschwinden. „Heile ihn!“, forderte er. „Nachdem du mich so hintergangen hast? Wieso glaubst du, aber ich ausgerechnet dich zu einem Erzengel gemacht?“ Es war also Castiels Absicht gewesen. Dean zuckte mit den Schultern. „Genauso gut hättest du Sam heilen und ihn verwandeln können!“ Jetzt lächelte Castiel wieder, sein dunkles und düsteres Lächeln, welches seine Augen nicht erreichte. „Sam war mir nie so loyal ergeben wie du, Dean. Von Anbeginn waren wir zwei immer auf einer Wellenlänge. Ich hatte eigentlich gedacht, dass dies so bleiben würde. Ich muss mich wohl in dich getäuscht haben.“ Cas umkreiste ihn, wie ein Raubtier seine Beute. Und Dean war das Opfer, welches gleich sein Ende finden würde. „Ich will diese Kraft nicht, verwandle mich zurück!“ Mit überkreuzten Armen stand Dean da. Er spürte Castiels Blick in seinem Rücken, als würde dieser die Stellen mustern, aus denen seine Flügel wuchsen. „Nein, Dean. Vorerst brauche ich jemanden, dem ich vertrauen kann. Weißt du denn nicht, was du alles erreichen könntest? Du könntest ganze Legionen von Engeln befehlen, jedes Wesen steht unter deinem Kommando. Du brauchst nur Raphael für mich zu finden.” Seine Hände verkrampften sich. Jedes Wesen unter seinem Kommando? Allein die Vorstellung ließ ihn übel werden. Er wollte nur zurück zu seinem Bruder und Bobby. „Find‘ ihn doch selber.“  Cas wusste doch gar nicht mehr, was richtiges Vertrauen bedeutete. „Du scheinst nicht zu verstehen, welche Aufgaben uns noch bevorstehen. Überleg es dir, Dean. Vielleicht werde ich Sam danach heilen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, war Cas verschwunden. Deans Beine gaben nach und er ließ sich auf den Boden fallen. Geflügelter Bastard. Zittrig fuhr er sich über das Gesicht. Warum, warum konnte es einfach nicht wie früher sein? Als Cas noch tollpatschig war und nichts von der Welt verstand. Jetzt wollte er, dass sie ihn anhimmelte und verehrte. Dabei wollte er doch nur seinen Freund zurück. Tief in ihm zerbrach etwas, wenn er daran dachte, dass Cas vielleicht für immer verloren war. Castiel spürte, wie seine Macht pulsierend durch seinen Körper floss, sich durch jede Zelle brannte. Es war schon lange nicht mehr der Körper von Jimmy Novak, sondern sein eigener. Es waren seine Gedanken, die er in seinem Kopf hörte, gemischt mit den Stimmen seiner Brüder und Schwestern, wie auch seine Gefühle. Das Gefühl von … Stärke und Gerechtigkeit. Ja, endlich würde dem Himmel Gerechtigkeit widerfahren. Er würde dafür sorgen. Und seine Brüder und Schwestern würden ihm danken und nicht mehr verabscheuen, wie sie es zuvor taten, nachdem er sich auf die Seite der Winchester gestellt hatte. Auf die Seite von Dean. Und nun kämpfte Dean für ihn. Oder würde es tun, schon sehr bald. Mit Dean an seiner Seite, würde er jedem Feind trotzen. Vor ihm öffnete sich das Tor zu einer pompösen Villa. Kies knirschte unter Castiels Schuhen, als er am großen Brunnen vorbei ging, der momentan trocken gelegt war. In wenigen Sekunden war er die Treppe hinauf, mit einer kurzen Handbewegung seinerseits öffnete sich die Tür geräuschlos. In der Eingangshalle blieb er stehen. Jeder Mensch würde in so einem großen Anwesen Bedienstete und Gäste erwarten, doch natürlich konnten Außenstehende nicht wissen, dass dieses Grundstück von einem Engel besitzt wurde. An jeder Wand waren tausende von Sigillen gegen ungebetene Gäste (wie ihm) angebracht. Aber für ihn waren sie zu schwach. Cas konnte fühlen, wie sie versuchten ihn auszusperren. Es hinterließ ein berauschendes Prickeln in ihm und beinahe hätte er gelächelt. In den oberen Etagen wurde geflucht. Anscheinend hatte Balthazar ihn endlich bemerkt. „Cas!“, kam es vom Gelände über ihm, dann stand Balthazar plötzlich vor ihm, mit ein paar Metern Abstand. „Welch Überraschung, du hier! Was verschafft mir die Ehre? Ich dachte du hättest alle Hände voll zu tun, mit dem Himmel und Ralph?“ Castiel legte den Kopf zur Seite. Ihm entging das leicht nervöse Zittern seiner Stimme nicht, aber vorerst würde er nicht darauf eingehen.  „Ich wollte mit dir etwas besprechen. Über Dean. Er scheint seine Kräfte ja gut beherrschen zu können.“ „Oh. Tut er das? Na ja, du kennst ihn ja, sogar besser als ich, Dean ist halt ein Überlebenskünstler.“ Balthazar klopfte ihm auf die Schulter und führte ihn nach links, ins Wohnzimmer, wo ein großer schwarzer Flügel vor sich hin staubte. Er ging zu einem Schrank, während Castiel mitten im Raum stehen blieb, umzingelt von Büchern aus aller Welt. Früher hätte er jedes einzelne lesen wollen, nur, um der Menschheit ein Stückchen näher zu sein. Heute interessierten sie ihn nicht, er kannte andere Wege, zu den Menschen zu gelangen.  „Ich würde dir ja einen Whiskey anbieten, aber wir wissen beide, dass die Antwort Nein lauten würde.“ „Heute werde ich eine Ausnahme machen.“ Balthazar hielt in seiner Bewegung inne, ließ sich aber nichts anmerken und ein zweites Glas erschien auf magischer Weise. „Wie du willst, Cassie. Mi Casa es su casa, das weißt du doch. Mach es dir bequem, leg die Füße hoch, was auch immer.“ Nachdem er Cas etwas von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit eingegossen hatte, reichte er ihm das Glas und ließ seins dagegen klirren. „Cheers. Also, du wolltest was besprechen?“ „Dean ist in die Zeit zurück gereist. Er hatte vor, Azael zu töten.“ Prompt verschluckte Balthazar sich. Auf einmal war er so blass wie die Tapete hinter ihm. Er brauchte mehrere Anläufe, bis er stotterte: „W-was?“ „Mhmh. Ich weiß, dass du ihm geholfen hast, du brauchst es gar nicht erst leugnen. Ich bin dir für dein Engagement sogar dankbar. Nur gut, dass bis jetzt nichts passiert ist.“ Mit offenen Augen starrte sein Bruder ihn an. Castiel spielte mit dem Glas in seiner Hand, die Flüssigkeit schwappte hin und her, als würde ein Tsunami darin toben. Er hätte die Macht dazu, sie beide wussten das. „Wie auch immer. Vielleicht kannst du ihn ja dazu bringen, Raphael für mich zu finden. Solltest du ihn das nächste Mal treffen, versteht sich.“ Ein Moment herrschte Stille, ehe Balthazar antwortete: „Uh, klar. Ich sag‘s ihm Cassie, kein Problem.“ Wieder neigte Castiel den Kopf zur Seite. Dann drehte er sich um und stellte sein Glas achtlos auf den staubigen Flügel. „Danke für den Whiskey.“ Er hatte keinen einzigen Schluck davon gekostet. Kapitel 6 --------- „Du verdammter Trottel!“, Balthazar erschien völlig unerwartet im Wohnzimmer, die Schultern angespannt, das Gesicht kalkweiß trotz Zorn. „Wenn du schon in die Zeit zurück reist, mach es so, dass es Castiel nicht mitkriegt! Das Schicksal verändern - hast du denn nichts aus der Titanic gelernt?“ Alle Blicke waren auf Dean gerichtet, der gerade erst vom Hof kam und sich die Hände mit einem Tuch säuberte.  Die Ablenkung nach seinem kleinen Fiasko mit Castiel und der Zeitreise kam ihm sehr gelegen und nun sah Babys Tür wieder aus wie neu. Dean blickte rüber zu Sam, der eine Erklärung seinerseits erwartete, genauso wie Bobby. Er hatte ihnen nichts von seiner misslungenen Mission erzählt, welchen Sinn hätte das auch gehabt? Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass Balthazar davon Wind bekam. Hatte Castiel ihn wirklich aufgesucht? Dean verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Einen Versuch war's wert.“ „Einen Versuch war's wert? Einen Versuch war's wert?! Meinst du, ich bring dir das alles bei, nur damit du noch mehr Aufsehen erregen kannst? Könnt ihr Winchester nicht einmal nachdenken bevor ihr irgendetwas macht?!“ Sam und Dean schnappten gleichzeitig nach Luft und sahen dadurch aus wie Fische. Dennoch würde Dean sich nicht rechtfertigen. Er hatte ein Recht darauf, seine Mutter zu retten, wenn er nunmal die Möglichkeit dazu hatte. Balthazar konnte das nicht mal ansatzweise nachvollziehen. Wenn er Sam schon nicht mit seinen Kräften retten konnte … Dean schloss für einen Moment die Augen. Wenn es wirklich ihr Schicksal war, hätte auch Azaels Tod nichts gebracht. Aber vielleicht- vielleicht hätte Sam ihre Mutter gekannt. Wüsste wie ihr Lachen klang und sich ihre Umarmungen anfühlten. Einen Versuch war es wert gewesen. Als Dean die Augen wieder öffnete, sagte er: „Was regst du dich so auf? Hat doch eh nicht geklappt.“ Für einen Moment herrschte Stille im Raum. Keiner der Menschen wagte es, etwas zu sagen. „Hast du es noch nicht verstanden, Dean? Ich bin auf eurer Seite, weil es somit eine minimale Chance gibt, diesen Krieg, mit so wenig Opfern wie möglich, zu gewinnen! Doch wenn Raphael dich kriegt, war’s das. Keine Ahnung was Crowley mit dir machen würde, aber Cassie … wenn du nicht nach seiner Pfeiffe tanzt und solche Aktionen wie diese startest, wird Sam nie geheilt werden. Cassie ist nicht mehr dieser liebenswürdige Engel, der so vernarrt in dich ist, er verliert mehr und mehr den Verstand! Und ich bald auch, wenn du nicht endlich lernst, ruhig zu bleiben! Du magst vielleicht die Kraft eines Erzengels haben, aber Raphael bist du nicht ebenbürtig, dazu fehlt dir die Erfahrung und die Kontrolle.“ Vernarrt. Ihn in. Nie und nimmer. Cas und er waren Freunde und selbst wenn sein Herz bei dieser Vorstellung einen Satz machte, mehr würden sie nie mehr sein. Dean blinzelte. Was zum Henker dachte er da? Die ganze Gnade schien auch seinen Verstand zu vernebeln. „Ich hab keine Lust, Teil eures Krieges zu sein.“ „Nun, shit happens, unser Krieg wird früher oder später auch euer Krieg werden! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Streithähne sich an die Menschen vergreifen.“ „Balthazar hat Recht“, mischte sich Bobby ein, „entweder knallt Cas die Sicherung durch, oder Raphael.“ Dean schüttelte den Kopf. „Cas würde den Menschen nie etwas antun.“ In Balthazars Augen konnte er so etwas wie Mitleid erkennen. „Das war vielleicht früher so, jetzt wäre ich mir da nicht mehr so sicher.“ Dean musterte erst Bobby, dann Sam. Mit jedem weiteren Tag den sein Bruder zu kämpfen hatte, verlor dieser an Lebensenergie. Wem spielte er etwas vor; sein Bruder sah furchtbar aus. Dunkle Augenringe sorgten in seinem blassen Gesicht für etwas Farbe, seine Haare waren verschwitzt und seine Bewegungen kraftlos. Er wusste, dass Sam nicht schlief, hörte nachts wie sein Bruder sich unruhig von einer Seite zur anderen wälzte. Würde Cas Sam und Bobby etwas antun, nur damit Dean sich fügte? Früher hätte er keine Sekunde an Castiel gezweifelt, aber vor nicht allzu langer Zeit war er selbst auch ein Mensch gewesen. Und Cas nur ein Engel des Herrn. Kein Gott. Tief seufzte er. „Ich soll Raphael für ihn finden.“ Balthazar nickte. Wahrscheinlich hatte Cas ihm davon erzählt. „Halt dich ruhig, ich werde mich melden, sobald ich etwas herausgefunden habe.“ Ein Schlag mit den Flügeln und weg war er. „Also ... „, sagte Sam und strich sich über das Gesicht. „Du bist in die Vergangenheit gereist?“ „Ich wollte Elvis treffen“, zwinkerte Dean ihm zu und entlockte Sam somit ein Schmunzeln. „Schon klar, Dean. Was sonst.“ Währenddessen ging Castiel seinen göttlichen Pflichten nach. Schließlich wollte er ein guter Gott sein, ein aufmerksamer Herr, der auf seine Schäfchen achtete. Anders als sein Vater. Der hatte jeden und alles in Stich gelassen - nein, so wollte er nicht sein. Er würde es seinen Geschwistern beweisen, wie gerecht und liebevoll er sein konnte. Es hielten ihn immer noch zu viele für schwach und stümperhaft - sie zweifelten an seinen Ideen und an seinen Entscheidungen. Das er genauso mächtig war (und vielleicht nicht sogar stärker) als ihr Vater, schien sie nicht zu interessieren. Jedenfalls eine Handvoll nicht. Es war nur eine kleine Fraktion Rebellen, die es wagten, ihn öffentlich anzuzweifeln. Natürlich hatte er diesen Engeln den Zugang zum Himmel verwehrt, um das allgemeine Sicherheitsrisiko zu minimieren.  Castiel war sich insgeheim bewusst, dass die Rebellen Fraktion wahrscheinlich größer war, als er annahm, dass sich viele von ihnen versteckt hielten. Wenn nicht sogar für Raphael spionierten.  Wie gut, dass Castiel außerordentlich geduldig war. Früher oder später würden auch diese Verräter ans Tageslicht gelangen. Zurück zu seiner Gutherzigkeit; schließlich befand er sich gerade an einer Küste Indonesiens, die von einem Tsunami heimgesucht wurde. Menschen riefen wild durcheinander, einige holten hier Handy raus um das Spektakel zu filmen, andere rannten davon. Castiel hörte das Rauschen der Wellen und spürte das Zittern der Erde, als die Erdplatten wieder übereinander gerieten. Der Tsunami baute sich auf, die Wellen wurden Richtung Küste immer kräftiger - heute würden Menschen sterben. Castiel würde ihre Seelen beruhigen und begleiten, doch er wollte den großen Moment nicht verpassen. Ein weinender Junge rannte Richtung Wasser, brüllte einen Namen. Castiel hielt ihn auf, in dem er seinen Arm um den Oberkörper des Kindes schlang. Gerötete Augen, vor Schreck weit aufgerissen, starrten ihn an.  „Hab keine Angst“, sagte Castiel und seine Augen glühten auf, als seine Gnade sich der Seele des Jungen entgegen streckte, um ihn zu beruhigen. Der Junge zog scharf die Luft ein. Vergessen war der herannahende Tsunami, die immer größer werdende Welle – das Bedürfnis zu helfen. In diesem Moment sah Castiel das Schicksal des Jungen vor sich: er ertrank, auf der Suche nach seiner Schwester.  Da selbst er das Schicksal nicht verändern durfte, ließ er den Jungen ziehen, blickte ihm nur hinterher. Die Seele behielt er jedoch bei sich.  Allmählich richtete Castiel sich wieder auf. Viele würden heute einen qualvollen, langsamen Tod sterben. Wäre es nicht angenehmer, er würde ihre Seelen direkt an sich binden und ihnen so ihre Qualen ersparen? Castiel würde ihnen helfen und im Gegenzug dafür würden die Seelen ihm mehr Macht geben, die Menschen würden ihm somit genauso viel helfen.  Castiel blickte zurück zur Küste. Er hatte eine noch bessere Idee. Castiel hob die Hand, die Welle gewann an Größe, ehe sie an der Küste brach und das komplette Viertel überschwemmte. Als das Wasser wieder in den Ozean zurückkehrte, kniete Castiel auf dem Boden. Sein Trenchcoat war durchnässt, seine Haare klebten ihm an der Stirn. Keuchend versuchte er sich nicht von der Energie überwältigen zu lassen. Es waren zu viele auf einmal gewesen. Castiel kniff die Augen zusammen, sein Schädel brummte. Ein ungewohntes Gefühl - auf einmal fühlte er sich schwach und zerbrechlich. Etwas warmes floss über seine Lippen, tropfte auf den Boden. Sein Blut vermischte sich mit dem Meereswasser und verschwand im Ozean.  Castiel wischte sich über den Mund, verzog angewidert das Gesicht. Dann stand er wankend auf.  Nicht genug. Es waren noch zu wenig Seelen in ihm, er brauchte mehr– viel mehr.  Mit einem gewaltigen Flügelschlag verschwand Castiel.  Und hinterließ ein in Chaos gestürztes Dorf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)