Zischender Zug von Varlet ================================================================================ Kapitel 1: Zischender Zug ------------------------- Hätte Jodie bereits am frühen Morgen gewusst, wie der ganze Tag verlaufen würde wäre sie im Bett liegen geblieben. Normalerweise mochte sie Weiterbildungen, allerding war es beim FBI relativ schwer gewesen, an einer teilnehmen zu können. Eine Planung im Voraus war eine Zeitverschwendung, denn niemand wusste, wann ein wichtiger Auftrag dazwischen kam. Als Agent konnte man dann schlecht zu einer Fortbildung aufbrechen. In Japan hingegen war es einfacher an einer Weiterbildung teilzunehmen. Zusätzlich hatte sie ein paar Tage mehr eingeplant und wollte noch ausspannen. Manchmal tat ein wenig Wellness auch einer Agentin gut. Als Jodie von der Reise im Shinkansen nach Osaka erfuhr, war sie aus dem Häuschen gewesen und hatte sich im Internet über die Sehenswürdigkeiten der Stadt erkundigt. Zudem hatte sie sich um sämtliche Reisevorbereitungen selbstständig gekümmert. Da die Registrierung erst um 14 Uhr stattfand, konnte Jodie den Zug um 10 Uhr nehmen. Nach dem Begrüßungsvortrag gab es ein Abendessen mit den Teilnehmern und anschließend war Freizeit angesagt. Jodie würde danach im Hotel einchecken und sich – sofern sie noch Lust hatte – etwas in der Stadt umsehen. Doch der Start war bereits holprig. Nachdem Jodie wach wurde, ging sie ins Badezimmer und machte sich fertig. Danach überprüfte sie ihre Mails und Nachrichten und rief die Internetseite mit den Buchungsdaten auf. Die Agentin staunte nicht schlecht, als in der Anzeige auftauchte, dass der Shinkansen ausfiel. „Das darf doch nicht…“, murmelte sie leise. Jodie überprüfte die Angabe erneut und schluckte. Sie seufzte. „Naja…ändert nichts…“ Jodie sah sich die anderen Zugverbindungen an und runzelte die Stirn. „Versuchen wir es mal“, sagte sie zu sich selbst. Glücklicherweise hatte Jodie am Abend zuvor bereits gepackt, sodass sie nur noch in ihre Schuhe schlüpften, ihre Jacke nehmen und rausgehen musste. Da sie in der Nähe einer Bushaltestelle wohnte und die Verkehrsanbindung günstig war, dauerte es nicht lange bis sie am Bahnhof ankam. Dennoch hatte sie ein Problem. Um noch rechtzeitig in Osaka anzukommen, musste sie eine Verbindung nehmen, mit der sie zwei Stunden länger unterwegs war und bei der sie nur wenig Zeit für eine Umbuchung hatte. Es würde auch nur klappen, wenn nicht viele Menschen am Schalter warteten. Also musste sie sich auf ihr Glück verlassen. Andererseits hätte sie sich wahrscheinlich denken können, worauf die Situation hinauslief. Als Jodie am Bahnhof ankam, überprüfte sie die Anzeige, doch auch dort war ihre Zugverbindung als gestrichen aufgeführt. Jodie ging zum Schalter, allerdings wurde sie von der langen Schlange abgeschreckt. So würde sie es nie rechtzeitig schaffen. Die Agentin seufzte und suchte dann das Gleis auf, von dem ihre alternative Zugverbindung fahren sollte. Der Zug stand bereits dort und würde in wenigen Minuten abfahren. Jodie stieg ein und suchte nach einem Schaffner. Als sie ihn fand, erklärte sie ihm schnell die Lage. Der Mann musterte sie ungläubig und überprüfte ihre Aussage. „Sie haben doch noch Zeit“, sagte er mit einem Lächeln. „Warten Sie doch einfach ab. Es wird bestimmt eine Alternative zu Ihrem Zug geben.“ „Ich muss spätestens um 13:30 Uhr am Bahnhof in Osaka sein“, entgegnete Jodie. „Wenn es mit der alternativen Verbindung Probleme gibt, komme ich zu spät. Und wenn ich nicht registriert bin, kann ich an der Weiterbildung nicht teilnehmen.“ Der Schaffner musterte sie erneut. „Ich kann Sie ja verstehen“, fing er an. „Aber um in diesem Zug mitfahren zu können, müssen Sie eine Bestätigung am Schalter des Kundenservices einholen. Danach wird es kein Problem sein, Sie hier bei uns an Board begrüßen zu dürfen.“ „Die Schlange am Schalter ist viel zu lang, bis ich dran bin, ist der Zug bereits abgefahren“, kam es von Jodie. „Es ist nicht das erste Mal, dass ich Probleme mit dem Zug hatte. Ich weiß, dass Sie, als Schaffner, ebenfalls die Möglichkeit haben, meine Zugbindung aufzuheben. Also? Heben Sie sie auf oder nicht?“ Es war nur eine halbe Lüge von Jodie. Nicht ihr, sondern einem Kollegen war dies schon einmal passiert. Wenigstens konnte sie auf dessen Erfahrungen zurückgreifen, auch wenn sie sich ärgerte, dass sie nicht den Wagen nahm. „Sie werden ohne Reservierung vermutlich keinen freien Platz finden und müssen sich öfters umsetzen.“ „Das macht mir nichts. Dann setze ich mich einfach um.“ Der Schaffner seufzte und nahm Jodies Ticket in die Hand. Er schrieb etwas drauf und reichte ihr dieses wieder. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“ „Danke, nicht nötig.“ Jodie nahm ihre Fahrkarte wieder an sich und suchte sich einen Platz. Sie war erleichtert, als die Fahrt losging. Nach einer Weile schloss sie die Augen und döste ein wenig. Zwei Stunden später kam der Schaffner wieder zu ihr. „Verzeihung?“ Jodie öffnete ihre Augen. „Ja, bitte?“ „Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es sich bei der Streichung Ihrer Zugverbindung um einen Fehler handelte. Der Zug ist ordnungsgemäß vom Bahnhof abgefahren.“ „Oh…verstehe“, murmelte die Agentin. „Naja…kann man nicht ändern.“ Der Schaffner räusperte sich. „Ihr Zug ist somit nicht ausgefallen und fuhr planmäßig vom Bahnhof ab. Ich habe Sie darauf hingewiesen, dass es am besten ist, wenn Sie am Bahnhof warten, bis weitere Informationen preisgegeben werden. Bitte geben Sie mir Ihre Fahrkarte.“ Jodie verengte die Augen. „Sie haben selbst nachgesehen, dass mein Zug ausfällt“, antwortete sie. „Was möchten Sie mit meinem Ticket?“ „Ich muss die Aufhebung der Verbindung rückgängig machen.“ „Und dann fahre ich ohne gültiges Ticket hier mit? Es tut mir leid, aber darauf kann ich mich nicht einlassen.“ Sie lächelte. „Wir können gerne in Osaka mit Ihren Kollegen darüber sprechen. Dort zeige ich gerne meine Belege.“ „Nicht nötig“, murmelte er und ging. „Was war denn das?“, kam es leise von Jodie. Hatte er wirklich gedacht, sie würde sich auf dieses Spielchen einlassen? Hatte sie irgendwas im Gesicht, weswegen er sie von Anfang an nicht mochte oder was war sein Problem mit ihm? Doch Jodie nahm sich vor nicht länger darüber nachzudenken, stattdessen holte sie ihr Handy raus und schrieb James eine kurze Nachricht über ihr Debakel mit der Anreise. Einige Minuten später kam seine Antwort und Jodie sah schockiert auf das Handy. Warum bist du nicht mit Akai gefahren? Jodie wusste nicht, dass ihr Kollege ebenfalls zu der Weiterbildung aufbrechen würde. Vermutlich war er sogar mit seinem eigenen Wagen unterwegs, was ihr einigen Stress erspart hätte. Die Agentin seufzte, sie steckte das Handy zurück und lehnte sich nach hinten. Ich lad mich auf dem Rückweg bei ihm ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)