You and me and the devil makes three von Anemia ================================================================================ Kapitel 8: Beste Freunde ------------------------ "Glotzt du schon wieder auf dein Handy?" Kazuki wedelte mit der Hand vor Terus Gesicht herum, was diesen genervt nach Luft schnappen ließ, da er dadurch nicht mehr auf das Display schauen konnte. Und sich vertippte. "Hallo! Was hängen wir überhaupt ab, wenn du eh nicht geistig anwesend bist?" Teru schlug Kazukis Hand weg, setzte aber nicht direkt zu einer Schimpftirade an. Anstelle lehnte er sich zurück und hob sogar den Blick von seinem Mobiltelefon. "Sorry, man." Kazu hatte irgendwo recht. In der letzten Zeit hatten sie ziemlich wenig miteinander gemacht. Dabei war der Gitarrist mit den orangefarbenen Haaren sein bester Kumpel. Schon immer gewesen. Seit sie eingeschult worden waren. Er durfte ihn echt nicht vernachlässigen. Auch wenn er gerade eine irre Phase durchmachte, während welcher er nicht ganz zurechnungsfähig war. Zumindest fühlte es sich so an. Als hätte ihm jemand in sein eh schon durchgedrehtes Hirn geschissen. Kazu nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche, schien sich mit der Entschuldigung zufrieden zu geben. Aber nur für ein paar Augenblicke, während welchen Teru glaubte, noch einmal glimpflich davongekommen zu sein. "Du hast zwar schon immer einen Klatsch, aber seit ein paar Wochen bist du echt...irgendwie durch." Er sah Teru direkt an, mit ernsthafter Miene. "Nimmst du wieder Drogen?" "Was, Bullshit!", keifte Teru direkt, nun doch gereizt. Schon ewig war er clean. Zumindest halbwegs. Gras konnte man ja wohl nicht als Droge bezeichnen, zumindest Teru tat es nicht. Und von dem härteren Zeug war er runter. Kazu hatte ihm lange genug ins Gewissen geredet. Kazu, welcher der erste von ihnen gewesen war, der einen Warnschuss erhalten hatte. Als der Gitarrist, der zudem gemeinsam mit Teru die meisten Songs komponierte, plötzlich eine Hirnblutung erlitten hatte, war die ganze Band geschockt gewesen. Und hatte ihr Verhalten zu reflektieren begonnen. Sie tranken wie die Löcher, sie hatten ab und an dies und jenes geschnupft, dazu der Stress auf Tour, der wenige Schlaf, das ungesunde Essen...Teru war verdammt froh, dass Kazu noch lebte und heute neben ihm saß, wieder vollständig genesen. Und seinem Beispiel wollte er ganz bestimmt auch nicht folgen. Insbesondere momentan nicht, wo er dieses verfluchte Wunder lebte. Abzukratzen wäre da unpassend gekommen. "Was ist es dann? Sag' schon." Kazu konnte ähnlich beharrlich wie Yoko sein, und er war auch ähnlich ernst, wenn es darauf ankam. Von allen Bandmitgliedern war er derjenige, der sich am meisten im Hintergrund hielt. Was nicht hieß, dass er nicht ebenso cool war. Im Gegenteil. Mit Kazu konnte Teru am besten arbeiten, weil dieser ihn nicht weiter aufputschte. Ein Plappermaul wie Hiroki, das ihn fröhlich die ganze Zeit über zuquasselte, war manchmal eher hinderlich. Zum Glück kümmerte sich Ken die meiste Zeit um den quirligen Bassisten. Und Kazu kümmerte sich um Teru, jetzt gerade, in diesem Augenblick. Teru gefiel es überhaupt nicht, dass er gemerkt hatte, dass etwas im Busch war. Eigentlich hatte er nicht darüber reden wollen. Ryo, Yoko und er hatten sich noch nicht einmal darüber ausgetauscht, ob sie an die große Glocke hängen sollten, dass sie...nun ja, dass sie eben etwas miteinander hatten. Teru ließ sich Zeit, zog an seiner Zigarette. Und Kazu glotzte ihn an. Würde auch nicht einfach das Thema wechseln. Terus Handy vibrierte währenddessen im Sekundentakt, aber er verkniff es sich, den Chat mit Yoko und Ryo aufzurufen. "Du kennst ja Yoko und Ryo. Von Coldrain." Kazu schaute ihn unverwandt an. "Logisch kenn' ich sie. Doofe Frage, Teru." Ja, das stimmte. Was für eine dämliche Scheiße er laberte. Aber er wusste eben nicht, wie er anfangen sollte. Teru strich sich die Haare nach hinten. War das blöd. Was sollte er sagen? "Ich schreib' auch grad wieder mit ihnen. Wir...och Scheiße, man." Er ließ resigniert die Arme sinken. "Da läuft was zwischen uns." Noch dämlicher konnte es gar nicht werden. Erst jetzt merkte er, wie hirnverbrannt die ganze Konstellation war. Er und Yoko und Ryo...wenn es sich wenigstens nur um einen Kerl gehandelt hätte, wäre das Ganze eventuell leichter zu erklären gewesen. Aber so? "Ach!" Kazu lächelte und trank noch einen Schluck, wirkte irgendwie...zufriedener? Teru konnte sich nicht vorstellen, dass er wirklich kapierte, was er ihm mitteilen wollte. Mit der Flasche noch in der Hand deutete er mit dem Zeigefinger auf Teru. "Deshalb das ausgelaufene Gleitgel neulich! Das war von dir." Jetzt schlich sich etwas in seinen Blick. Etwas Forschendes. "Wirklich, ich bin grad ein bisschen baff. Du hast dich nie direkt für Männer interessiert..." Kazu erinnerte sich an früher, an ihre Schulzeit. Seit er denken konnte, war Teru besessen von seinen Visionen und Ideen gewesen, genau wie von Musik generell. Klar, es hatte Mädchen gegeben, aber keine einzige von Terus Bekanntschaften war Kazu in Erinnerung geblieben. Wahrscheinlich konnte Teru sich noch nicht einmal selbst an sie erinnern. Die meisten waren nach wenigen Wochen wieder Geschichte gewesen. Was aber bestimmt nicht nur an den Mädels gelegen hatte, sondern insbesondere an Teru. Ein schwieriger Typ, der sehr offen und locker wirkte, aber viel verbarg. Kazu kannte auch einen anderen Teru als diesen, wusste, dass sein Kumpel phasenweise an Depressionen gelitten und sich dadurch eben in die Exzesse und den Alkohol geflüchtet hatte. Das war gewesen, nachdem sie ihre erste Band gegründet hatten, gemeinsam mit Ken. Obwohl Teru so viel schaffte, so viel Großartiges, hatte ihm immer irgendwie etwas gefehlt. Das war zumindest Kazukis Eindruck gewesen. Und dieses Fehlende war nicht nur die Fähigkeit seines Hirns, Serotonin auszuschütten und zu speichern. Dies war nur das Resultat gewesen. Teru war jemand, der Unmengen an Stimulationen benötigte. Aber das war nicht alles. Teru war nun tatsächlich etwas tiefer in der Couch gesunken und vermied Blickkontakt, weil er sich ganz offensichtlich schämte. Sowas sah man selten. Das zeigte Kazu, dass es ziemlich ernst sein musste. Mehr als nur 'Wir haben was miteinander'. Seine Überraschung nahm noch weiter zu, aber er versuchte, es nicht zu offensichtlich zu zeigen, um Teru nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen und dafür zu sorgen, dass er sich noch mehr in sein Schneckenhaus zurückzog. "Dich...hat's voll erwischt", stellte Kazu nun jedoch vorsichtig fest und hielt sich dann zurück, auch wenn er eigentlich eine Menge Fragen gehabt hätte. Teru zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. "Ach, laber' keinen Scheiß", entgegnete er halbherzig, wandte das Gesicht wieder ab, schwieg. Verflucht, war das ein schreckliches Gespräch! Er redete Bullshit am laufenden Band. Und er konnte Kazuki absolut nicht auf die Dauer verarschen. Er kannte Teru viel zu lange. "Wir haben Spaß zusammen. Sie tun mir gut. Sind coole Kerle." Um nichts auf der Welt würde er heraus posaunen, dass sie die unglaublichsten Männer waren, die er je kennengelernt hatte. Klar, Kazuki war ebenfalls der Hammer, aber man konnte das irgendwie nicht miteinander vergleichen. Kazuki war sein Kumpel, würde es immer bleiben. Yoko und Ryo hingegen waren der Grund für seine komplette geistige und emotionale Schieflage. "Okay." Kazuki gluckste. Er wusste, dass Teru untertrieb. Und er ließ es dabei bewenden. Erst, als Teru dezent einen im Tee hatte, wagte er einen erneuten Versuch, ihm auf den Zahn zu fühlen. Dass Teru solche Gefühlsregungen hatte, war schließlich etwas ganz besonderes. "Was haben die beiden, was die Mädels, die du früher gedatet hast, nicht hatten?" Für gewöhnlich hätte Teru wohl nun mit 'Schwänze' geantwortet, aber sein Blick war nach innen gerichtet. Dorthin, wo seine wahren Gefühle wohnten. "Ich weiß nicht, die wollen mich wirklich sehen", begann er, und Kazu hörte zu. "Und sie sind verdammt geduldig dabei. Du weißt, was ich meine. Sie wollen ganz kitschig gesagt meine nackte Seele sehen. Meinen Kern. Meine verdammte Essenz. Und irgendwie will ich immer mehr, dass sie die auch zu sehen bekommen. Weil sie..." Er zuckte die Schultern. "Na ja, weil sich's gut anfühlt. Und ich glaub', dass sie damit vorsichtig umgehen werden. Die wissen, wie wertvoll das ist und wie sehr ich Schiss davor hab', zu zeigen, wie...soft ich eben bin." Kazuki lauschte immer noch, gebannt. Wow. Er war schier fassungslos. Teru sprach über Liebe. Über Vertrauen. Ganz unverkennbar. "Sie geben mir innere Ruhe. Sie helfen mir, die Balance zu finden. Meinen Ausgleich zu all dem abgefuckten Zeug, das mir immer durch den Kopf geht." Sein Blick schweifte sehnsüchtig in die Ferne. Kazuki zerriss es fast. Es machte ihn glücklich, dass sein Kumpel das erleben durfte. Jeder verdiente es, aber Teru ganz besonders, seiner Meinung nach. "Man..." Kazuki seufzte und tätschelte Terus Knie. "Du musst jemanden wahrscheinlich erst jahrelang kennen und eine Connection aufbauen, bis du dich verlieben kannst. Und dann passt's halt auch gleich mit zwei Typen auf einmal." Teru lachte nun, musste die Situation irgendwie auflockern. Aber er lachte auch, weil er erleichtert war. Kazu nahm es extrem cool auf. Sogar dieses Polyding schien ihn nicht sonderlich zu wundern. "Trotzdem, ich weiß nicht, ob ich wirklich ein Beziehungstyp bin. Manchmal gehen wir uns auch einfach nur auf den Sack." "Ist doch normal", wandte Kazuki lächelnd ein. "Ich find' dich auch immer mal wieder zum Kotzen, und trotzdem bist du mein Best Buddy." Er wurde wieder ernster. "Du bist echt schwer verliebt. Steht dir. Steht dir richtig gut." Teru kratzte sich den Kopf. War er das? Verliebt? Fühlte sich das so an? Kazuki hatte zwar meistens recht, weil er verdammt clever war, aber wie es in Teru aussah, wusste selbst er nicht. Das wusste nur Teru allein. Aber Gefühle zu benennen war schwer. Sie in Musik zu verwandeln war viel leichter. Vielleicht würde Teru genau dies tun. Egal, wie kitschig das auch anmuten mochte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)