An Even Madder Word von Hypsilon ================================================================================ Epilog: -------- Ich wache schweißgebadet auf, mein Atem geht schnell aber flach, weil ich mir gar nicht die Zeit gebe, richtig tief ein- und auszuatmen. Meine Hand schnellt an mein Gesicht, ich taste ab, ob alles da ist, wo es sein sollte und wende mich augenblicklich zu meinem Freund um. Der nächste Schock, nachdem der erste klar ein Albtraum war. Er ist nicht da. „Ryuji?“, meine Stimme ist kaum hörbar, vielleicht doch ganz laut, aber meine Ohren sind beschlagen, das Blut pocht noch so unaufhaltsam durch meine Adern, dass ich kaum ausmachen kann, ob der Raum ganz still ist oder ob das übliche Grundrauschen herrscht. Ich erkenne nur, dass es dunkel ist, allerdings sind die Vorhänge vorgezogen, somit kann es jederzeit sein. Langsam beruhigt sich mein Atem. Das Problem, dass Ryuji nicht da ist, löst sich zwar nicht, aber dieser Schrecken tief in mir. Es war ja nur ein Traum. Ich richte mich auf, sehe zur Seite, wo ein kleiner Taschenradio steht, der verrät mir, dass es wahrlich mitten in der Nacht ist, 4:32, naja, für einen Frühaufsteher ist das bestimmt nicht früh. Soll ich vielleicht aufstehen? Wo ist denn nun Ryuji eigentlich? Bevor ich mir also die Frage beantworten kann, ob ich aufstehen soll, stehe ich bereits. Mein viel zu großes T-Shirt, dass ich extra zum Schlafen so groß gekauft hatte, rutscht mir die Hüfte hinunter bis über das obere Viertel meiner Oberschenkel, dass man gerade noch sehen kann, dass ich auch Boxershorts trage, die sich gerade etwas elektrostatisch aufgeladen an meine Haut schmiegen. Ich mag das nicht, also zupfe ich etwas daran herum während ich das Schlafzimmer verlasse. Es ist so ungewohnt hier, aber wir sind auch nicht zuhause, wir sind weder bei ihm noch bei mir in New York und auch in Domino sind wir nicht. Wir haben uns ein romantisches Wochenende gegönnt, war alles seine Idee. Wahrscheinlich habe ich deswegen von diesem schrecklichen Flugzeugabsturz geträumt, es dauert bei mir immer ein bisschen, bis ich solche Ereignisse verarbeiten kann und vorm Fliegen war mir immer schon etwas unwohl, auch wenn ich das früher mit meinem Vater öfter gemacht habe und auch für die Uni war es nicht gerade aufschiebbar. Irgendwie hab ich es immer noch geschafft, sobald wir gelandet sind, ist ja sowieso alles wieder in Ordnung. Dennoch, der Albtraum hat mich heute eiskalt erwischt. Ich schlüpfe also zu der Tür, die das Schlafzimmer des Apartments vom Wohnbereich abtrennt. Ryuji hat hier eine echt schöne Bleibe gefunden, aber er kennt sich bei sowas auch einfach richtig gut aus, er hat ein Auge dafür und steht eben auch doch auf Luxus, nichts, was mir je wichtig war, aber es war doch sehr nett, das auch einmal zu genießen. Die Schritte in den Wohnbereich fühlen sich ungewohnt weich an, liegt das vielleicht noch immer daran, dass ich etwas neben mir stehe? Mein Herz rast schneller, weil ich Ryuji auch hier nicht sehen kann. Langsam aber doch steigt Panik mir auf. Wo verdammt noch einmal ist er? Er hat mich doch wohl nicht einfach hier zurück gelassen? Ich muss aussehen, wie so ein verschrecktes Huhn, zum Glück sieht mich so niemand und ich kann in all meiner verwirrten aufgebrachten Art durch den Wohnbereich wuseln und einen Hinweis suchen. Er ist ja nicht dumm, er kann nicht damit rechnen, dass ich schlafe, wie ein Baby, während er nicht da ist. Sofort macht sich eine Angst in mir breit. Er wird doch wohl nicht… Gestern war er so merkwürdig, er war nervös, hat sich immer wieder umgesehen und mir auch gar nicht so richtig zugehört. Ich bin ja so blöd… mir fällt erst jetzt auf, dass er wohl etwas, jemanden, gesucht hatte. Etwa einen Dealer? Ist er rückfällig geworden? Habe ich nichts davon gemerkt? Nein, das kann doch nicht sein! Ich wehre mich mit all meiner Kraft gegen diesen Gedanken, ich will ihm das nicht vorwerfen, ohne es zu wissen, aber sein Verhalten war so seltsam, dass mir nun tatsächlich die Tränen kommen. Ich zittere sogar etwas. Verzweifelt lege ich mir beide Hände ins Gesicht und übe mich darin, ganz ruhig und langsam zu atmen, alles ganz bedacht, ohne zu überreagieren. Nach einer Weile kann ich die Hände senken und entdecke an der Apartmenttür einen Zettel. Ich stolpere fast über meine eigenen Füße, so schnell haste ich dort hin. „Was?“, entkommt es meinen Lippen. Ich soll mich wo mit ihm treffen? Mir entweicht ein Seufzen. Was hat er denn schon wieder entdeckt? Wie lange ist er schon dort? Was geht in diesem Kopf eigentlich vor? Ich fahr mir etwas verärgert durchs Haar, aber entscheide, dass ich ihn nicht länger warten lassen will, wer weiß denn wirklich, wie lange er sich bereits da draußen in der Finsternis rumtreibt? Angezogen bin ich schnell, auch bin ich vorausschauend warm angezogen, so mitten im Februar war es kalt, so gut wie überall auf der Welt. Mit jedem meiner Schritte merke ich, wie die Zeit vergeht und dass nun langsam aber doch wird es heller, nicht so hell, dass man auf die Straßenbeleuchtung hätte verzichten können, aber hell genug, dass man ahnen kann, dass die Sonne jeden Moment aufgehen würde. Dass das alles eigentlich ziemlich romantisch ist, merke ich erst, als ich am Treffpunkt ankomme. Die Adresse hatte ja absolut nicht danach ausgesehen, aber es ist ein Friedhof. Ein verlassener Friedhof. Ich werde etwas stutzig und merke direkt, dass Ryuji nicht so mitgedacht hat wie ich, er war viel zu knapp bekleidet, das sehe ich von Weitem. Was hat er eigentlich an? Es sieht nicht nach seiner üblichen kessen Kleidung aus. Langsam komme ich ihm näher, er scheint mich bereits zu hören, kein Wunder, es ist total leise hier und meine Schuhe knirschen über die Kieselsteine, er dreht sich zu mir um. Ich stocke. Warum hat er einen Anzug an? Die Verwunderung aber hält mich nicht auf, zu ihm aufzuschließen. Der Anblick war atemberaubend, denn ich habe gar nicht bemerkt dass sich dieser Friedhof der Namenlosen auf einem Hügel befindet, von dem man eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt und deren beklopptes Wahrzeichen hat. Die Sonne geht langsam auf und taucht alles in ein wunderschönes rot. Der Friedhof sieht traumhaft aus, Ryuji noch viel mehr. Ein Lächeln huscht mir über die Lippen. Er hat mich wirklich nach Paris geschleppt um mir am Valentinstag einen kitschigen Eifelturmheiratsantrag zu machen… „Ja“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)