Break on through von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Die fremde Stimme, ausgebrochen aus Raum und Zeit, die seit Jahrhunderten unbemerkt existiert hatte, hatte nun ihre rechtmäßigen Diener gefunden. Zwei Seelen, die das Herzstück Atlantis' widerspiegelten, waren dazu auserwählt, durch den Schleier zu treten. Eine Welt zu sehen, die über tausende von Jahren koexistierte, nur für die Menschen verborgen blieb. Eine Welt, die von Wesen mit besonderen Fähigkeiten bewohnt wurde. Magier, Krieger, Ungeheuer und Drachen. Sie lebten auf der anderen Seite - in Zivilisationen, welche die Menschheit so noch nicht gekannt hatte. Viele von ihnen lebten in großen Stämmen, andere wiederum hatten riesige Paläste erbaut. Elfen, geflügelte Wesen - ihre fortschrittliche Lebensweise war den Erben von Atlantis fremd. In rauschender Geschwindigkeit, die kaum ein Geist auszuhalten vermochte, überquerten sie die Länder und Reiche - die Wüsten und Steppen. Sie sahen die Wälder und Gebirgsketten. Magie erfüllte die Luft, schwingende Flügel ließen Stürme entstehen. Diese Kraft blendete die Geschwister, entriss sie ihrer Wurzeln. Immer wieder sprach die Stimme zu ihnen. Sprach von Schicksal, Bestimmung und Geschenk. Dass sie die Macht erhielten, das Tor zur anderen Seite zu öffnen - und es wieder zu schließen. Der türkis-farbene Stein, Orichalcos, entschied sich für Darets. Mit ihm war es dem künftigen Herrscher von Atlantis möglich, das Tor zur anderen Welt zu schließen. Der rote Stein, Kinnavaritis, hatte die Schwester auserkoren. Dieser öffnete das Tor zur anderen Welt. Beide Kräfte vereint konnten die Welten miteinander verschmelzen lassen oder sie auf ewig voneinander entreißen. Ein unabdingbares Bündnis zwischen den Menschen und denjenigen, welche die andere Welt als ihr Zuhause bezeichneten - ganz gleich, welchen Weg sie wählten sollten. Mit einer Wucht wurden die Geschwister zurück in ihre Welt geschleudert. Die Steine hatten sich von ihrer Tafel gelöst und lagen nun auf dem Schoß ihres rechtmäßigen Besitzers. Eoweli verlor das Bewusstsein, nachdem sie durch das Portal gerissen worden waren. Sie bemerkte nicht, dass ihr Bruder sie auf Händen nach draußen getragen hatte, dort auf sein Pferd gestiegen und mit den Zügel des Schimmels in den Palast geritten war. Die Prinzessin schlief an seiner Brust, während Darets eigener Herzschlag in seinen Ohren hallte. Erst am späten Abend erwachte die Prinzessin und sah sich erschrocken im Zimmer um. Sie lag in ihrem Bett, weiche Laken umhüllten ihren fröstelnden Körper. "Hast du dich erholt?", die Stimme ihres Bruders erschreckte sie. Darets saß neben dem Bett, die Hände ineinander verhakt blickte er ernst zu seiner jüngeren Schwester herunter. Trotz der Dunkelheit sah sie das Glühen seiner Augen. Nur langsam nickte sie. "Es ist nur...mein Kopf. Er fühlt sich...seltsam an. Das...das war kein Traum - oder?" Er deutete auf ihren Hals. "Diese Steine. Sie weichen uns nicht mehr von der Seite. Ich hab sie provisorisch in Ketten gefasst, damit wir nicht all zu viel Aufsehen erwecken. Es war ohnehin schwierig, Vater davon zu überzeugen, dass dein Zustand auf eine Überreizung zurückzuführen ist." "Was hast du ihm gesagt?" "Dass dich der Ausritt zu sehr angestrengt hat und du auf dem Heimweg eingeschlafen bist." Sie konnte sich König Eisenherz' Skepsis vorstellen. Die Prinzessin sah zu sich herunter. Der rote Stein funkelte schwach, doch seine Aura war überdeutlich. Als wollte sie das Schmuckstück erneut von dieser Welt entreißen. Es ergriff sie ein schaudern. Nicht, weil sie sich davor fürchtete. Vielmehr einem ungestillten Verlangen gleich. Sie hatte so viel gesehen. Mehr als sie sich jemals erträumt hatte. So viele Wunder, die Natur, die Wärme, die Wesen, die ihnen nicht feindlich gesonnen schienen (auch wenn ihr Blick mit Vorsicht auf ihnen geruht hatte). Die Reise durch das Portal hatte sich wie Tage, nein Wochen angefühlt. Dabei waren keine fünf Minuten vergangen - wie sie von ihrem Bruder erfuhr, der die nachfolgenden Stunden in kurzen Sätzen beschrieb. "Dieser Ort fühlte sich in meinem Inneren wie ein Stück Heimat an", schwärmte die Prinzessin, "als wären wir dorthin zurückgekehrt, wohin wir gehören. Meinst du, wir könnten-" "Schluss damit", Darets krallte die Finger ins Laken, "du musst eines verstehen: dieser Ort ist nichts für Menschen. Sie haben dort nichts zu suchen - begreifst du?" "Sie sagten uns doch selbst, dass sie uns Einlass gewähren. Dass es ihr Geschenk ist - als Zeichen der Freundschaft. Stell' dir nur einmal vor, was das für unser Volk bedeutet. Wir könnten ein ganz neues Leben führen." "Eoweli", Darets Stimme begann leicht zu knurren, "das Volk darf niemals davon erfahren. Wenn dieses Wissen in die falschen Hände gerät - kannst du dir vorstellen, was für eine Katastrophe entstehen könnte? Es ist zu gefährlich. Wir müssen dieses Geheimnis für uns behalten." Er tat einen tiefen Atemzug. "Ich bitte dich, du musst mir vertrauen. Nicht einmal Vater darfst du davon erzählen." "Ich verstehe das nicht", Wehmut packte sie. "Meine kleine Schwester", er erfasste ihren Arm, bemüht, sanft zu ihr zu sprechen, "ich verspreche dir, ich werde dem Königreich Atlantis den Fortschritt bringen, den es verdient hat. Unser Wissen wird nicht nutzlos gewesen sein. Nur appelliere ich an deine Vernunft und an dein Vertrauen in mich - überlass' dieses Wissen mir. So ist es besser für uns alle." "Also schön", seufzend resignierte sie, "du hast recht, Bruder. Du kannst auf meine Unterstützung bauen. Ich werde niemandem von unserer Entdeckung berichten." "Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann", er lächelte und ließ von ihrer Hand, "ruh' dich noch etwas aus", damit erhob er sich, "morgen ist ein wichtiger Tag." So wie er sprach, klang es als wäre er mehr für Eoweli von Belang, doch sie wollte nichts darauf erwidern. Ihre Kräfte waren schwach und sie wollte ihrem Bruder nicht noch mehr aufbürden als er es ohnehin schon getan hatte. Wieder einmal übernahm Darets die volle Verantwortung. Wie so oft legte sie die Schwierigkeiten in seine Hände. Nur diesmal ließ es sie mit Besorgnis zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)