Break on through von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 1: ----------- "So wartet doch, Prinzessin Eoweli", rief eine der Hofdamen und eilte der übermütigen Prinzessin hinterher, die bereits die Gärten des Palastes angesteuert hatte und mit ausgebreiteten Armen auf ihren Vater zulief. Die Prinzessin von Atlantis war schneller als ihre Dienerin, die noch immer die goldene Nadel in der Hand hielt, um damit die letzten wirren Haare in Eowelis Frisur zu stecken. Die lange blaue Strähne hing der jungen Prinzessin genau auf der rechten Wange und baumelte dort wie ein Pendel hin und her. "Vater", lachte sie und umarmte den König von hinten, der daraufhin den Kopf drehte und seine Tochter anlächelte. "Nicht so stürmisch, mein Kind", König Eisenherz saß auf einem der Korbstühle und kümmerte sich um die letzten königlichen Dekrete, bevor er das Zepter an seinen Sohn weitergeben würde. "Du weißt, ich bin nicht mehr der Jüngste", sagte er und tätschelte sich den Rücken, "deine lebhafte Natur ist zu viel für einen alten Vater wie mich." "Ihr übertreibt mal wieder, Vater", sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, während hinter ihr die Hoftdame an der letzte Strähne hantierte, "ich wollte nur meinen Dank ausdrücken. Dass Ihr mir endlich erlaubt, die Palastmauern zu verlassen und auszureiten. Wie sehr ich diesen Tag herbei gesehnt habe." "Nun", entgegnete ihr Vater und nickte, "bedanke dich lieber bei deinem Bruder. Er war es schließlich, der damit einverstanden war, dich heute mitzunehmen." "Wenn ich ihn denn zu Gesicht bekommen hätte", schmollte die Prinzessin. Es war Tage her, dass sie mit ihrem Bruder gespeist, geschweige denn mit ihm gesprochen hatte. Den ganzen Tag traf er Vorbereitungen für die baldige Krönung, führte Gespräche mit dem Adel oder war ausgeritten. Dabei wollte sie die letzten Tage mit ihm genießen, bevor die Pflichten des Königs ihn gänzlich von ihr entrissen. "Darets", sagte König Eisenherz und schloss dabei die Augen, "nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Du solltest ihm seine Abwesenheit nicht verübeln. Bald wird er König dieser Insel und hat wichtige Entscheidungen zu treffen. Ich weiß, wie viel dir dein Bruder bedeutet und dass es dich traurig stimmt, weil er dir nicht mehr die Aufmerksamkeit geben kann, die du dir wünscht. Aber anstatt dich zu grämen, solltest du den heutigen Tag genießen. Später wird die Zeit kommen, in der du als Prinzessin an der Seite des Königs stehen wirst. Als seine Schwester hoffe ich, dass du ihn - nach meinem Ableben - unterstützen und ihm gegenüber loyal sein wirst." "Mach`dir darüber keine Sorgen", Eoweli mochte es nicht, wenn ihr Vater von dessen Tod sprach, "ich werde immer auf seiner Seite stehen." Damit gab sie ihrem Vater einen weiteren Kuss auf die Stirn und sauste aus den Gärten in Richtung der Stallungen. Sie hob leicht den Rock ihres weißen, leicht fallenden Kleides an, dass die Spitzen nicht den Rasen berührten, bevor sie über einen Baumstamm sprang und schliddernd vor ihrem Bruder landete, der bereits ihrer beiden Pferde aus den Stallungen geholt hatte. Breit grinsend stand sie vor ihm, während er nichts von seiner Ruhe ablegte. Darets Ausgeglichen- und Besonnenheit war das genaue Gegenteil ihres Charakters. Auch der König fragte sich desweilen, von wem sie diese Lebhaftigkeit geerbt hatte, war seine Frau doch von graziler und schüchterner Natur gewesen. "Lange hätte ich nicht mehr auf dich gewartet", sagte Darets und überreichte ihr die Zügel des Schimmels. Eoweli bauschte die Backen auf. "Woher sollte ich wissen, dass du schon vorgegangen bist? Außerdem: wozu die Eile? Der Tag ist noch jung." "Für dich vielleicht", ein leichter Anflug eines Lächelns huschte über seine Lippen, bevor ihn seine Mimik wieder zur Kontrolle ermahnte. Er schwang sich aufs Pferd und blickte ungeduldig zu der Jüngeren herab, dass sie es ihm gleich täte. Die junge Prinzessin verkniff sich weitere Spitzeleien und stieg auf ihren geliebten Schimmel. Liebevoll strich sie ihm über den Hals. "Bist du auch so gespannt wie ich?", fragte sie das Tier, welches mit einem Schnauben ihr zu antworten schien. "Wozu hätte ich denn sonst reiten lernen müssen, wenn ich nicht einmal über die Palastmauern hinaus darf?" Wie oft hatte sie gehofft, weit über das Herrschaftshaus blicken zu können. Augen wie ein Adler zu besitzen, dass sie den Horizont des Ozeans erfassten. "Weil du sonst nicht wüsstest, womit du deine Freizeit ausschmücken könntest", ihr Bruder gab dem Pferd einen leichten Klaps. "Du bist gemein", murmelte Eoweli und zog die Zügel fest zu sich heran, "dabei wollte ich mich heute ganz besonders gut benehmen, damit du es nicht bereust, mich zu deinem vorköniglichen Ritual mitgenommen zu haben." "Ich zieh´dich doch nur auf, kleine Schwester", er ritt dicht neben ihr, dass er vorsichtig über die aufwendig geflochtene Hochsteckfrisur fuhr, "ich weiß doch, dass es die einzige Gelegenheit ist, dir unser Königreich zu zeigen. Heute, wo das Volk für meinen Segen betet." "Und für deine Braut", hob Eoweli wissend den rechten Arm. "Und für meine Braut" wiederholte Darets stoisch. "Wie sieht sie eigentlich aus? Ich habe gehört, dass die Menschen aus dem Kontinent meist rote Haare haben und eine Haut wie eine Bronzestatue." "Ammenmärchen", entgegnete ihr Bruder, "die Pangäsanen sehen schließlich auch nicht so aus." "Wie sieht sie dann aus?" "Darüber wurde nicht gesprochen." Eoweli blinzelte: "Du weißt nicht, wie deine zukünftige Braut aussieht?", sie fuhr sich übers Kinn, "naja, das Aussehen ist nicht entscheidend. Solange sie nett ist-" Doch die Eisesstarre ihres Bruders ließ sie aufschreien, "waaaas?!", sie orderte ihr Pferd an stehen zu bleiben, "deine Hochzeit findet morgen statt und du weißt gar nichts über sie? "Ich kenne ihren Namen. Mehr brauche ich nicht zu wissen." "Aber-" "Nichts aber", er sah sie eisig an, "in meiner Position sind solche Details nicht von Belang. Wichtig ist, dass sie unsere Handelsbeziehungen zum Kontinent stärkt." "Wie schrecklich", flüsterte die Prinzessin und senkte ihr Haupt. Ihr Bruder hielt ebenfalls an und drehte seinen Kopf zu Eoweli. Seine gelben Augen sahen sie versöhnlich an: "Zerbrich' dir nicht den Kopf darüber. So gesehen ist das heute auch dein Tag. Erfreue dich lieber an dem Ausflug." "Du hast recht, entschuldige", sie nickte ihm zu. Den Blick nach vorne zu den Palasttoren konnte sie nur erahnen, wie viel Schönheit dahinter verborgen lag. Die Prinzessin kannte lediglich die Bilder der Palastflure, von denen selbst ihr Bruder behauptete, dass sie nicht die wahre Schönheit Atlantis' einfangen konnten. Es hatte Eoweli immer mit Neid erfüllt, bloß die Tochter des Königs zu sein. Eine Position, in der die Mauern einem goldenen Käfig glichen. Einem behüteten, wohl wahr, aber bis auf den alljährlichen Blick von den Balkonen, wenn dem Volk die Tore geöffnet wurden, wusste sie nichts von der Außenwelt. Umso heftiger schlug ihr Herz als die Wachen ihre Schwerter zu sich ran zogen, eine Verbeugung taten und die Tore öffneten. Ihre Hände begannen zu zittern, dass sie die Zügel umso fester umklammert hielt. Bereits die ersten Schritte raubten ihr den Atem. Hinter den Mauern erstreckte sich ein langer Pfad, der von hohen, prächtigen Bäumen geleitet wurde. Dieser Pfad führte in die Innenstadt. Eoweli erkannte an jeder Ecke die bevorstehenden Feierlichkeiten. Einerseits von Freude erfüllt, versetzten ihr die Worte ihres Bruders noch immer einen Stich in der Brust. Darets führte sie wortlos durch die Stadt. Entlang des Hafens und den kleinen Häusern, den Ständen und Springbrunnen. Sie ritten durch das Viertel der Pangäsanen, die sich auch in ihren Hütten zurückgezogen hatten. Anders als in den restlichen Vierteln der Insel lebten die Pangäsanen rustikaler als ihre Nachbarn. Statt marmorierter Bauten, bevorzugten sie Holzhütten, was diesem Teil der Stadt eine Exotik verlieh, die Eowelis Herz hüpfen ließ. Sie versuchte jede Kleinigkeit in sich aufzunehmen. Jedes Detail in ihrem Geist festzuhalten. Während ihres Ausflugs hielt Darets mehrmals an, stieg vom Pferd und sammelte die jeweiligen Gegenstände ein, die für das Ritual unabdingbar waren. Er zupfte Blätter von den Bäumen, pflügte Blüten vom Wegesrand und sammelte die Erde vom Pfad. Schließlich erreichten sie die Küste, Darets nahm einen spitzen Gegenstand, den er in seinem Umhang verstaut hatte und klopfte etwas Gestein ab. Eoweli schaute auf den Atlantik. Es gab nur Wasser und den Himmel, und die Prinzessin fragte sich, wie weit sie von dem Kontinent entfernt waren. Dann setzten sie ihre Reise fort und ritten zum Strand, dem wohl schönsten Ort auf der Insel. Der Geruch von Salzwasser war hier besonders stark. Die junge Prinzessin sprang von ihrem Pferd und schritt vorsichtig auf den Sand zu. Zwischen den Sandalen schlichen sich einzelne Krumen, die ihre Zehen kitzelten. Der Sand war weiß und weich wie ihre Kissen. Die Wärme, die er ausstrahlte, breitete sich bis in ihr Innerstes aus. Sie schloss die Augen und ließ die Brise durch ihre Haare wehen. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, bevor sie sich ernst zu ihren Bruder umdrehte, der sie aus dem Augenwinkel zu beobachten schien. "Bruder", hauchte sie, "versprichst du mir, mich nicht an irgendeinen fremden Adligen zu verheiraten?" "Eoweli", er kam auf sie zu und hob ihr Kinn an, dass ihre Augen einander musterten. Auf den ersten Blick waren es dieselben goldenen Iris'. Schließlich schüttelte er müde lächelnd den Kopf. "Mach' dir keine Gedanken darüber. Schließlich bist du doch noch ein Kind." "Bin ich gar nicht", sie funkelte ihn böse an. Schließlich wurde die junge Prinzessin bald sechzehn Jahre und käme damit in ein heiratsfähiges Alter. Auch wenn sie noch keine richtige Vorstellung hatte, was sie von einem Mann erwartete. Gerade als sie ihm all die Gründe aufzählen wollte, weshalb sie sehr wohl kein Kind mehr war, drang ein eigenartiges Geräusch zu ihnen durch. Wie ein Klopfen, nur intensiver. Darets drehte sich in Richtung der Höhle, die sich nur unweit von ihnen befand. "Was war das?", erneut drang ein Klopfen zu ihnen durch. "Es klingt, als wäre jemand in der Höhle." "Aber-" "Ich weiß. Den Bewohnern ist es verboten, heute durch die Insel zu wandern. Kaum vorstellbar, dass sich jemand nicht an die Gesetze hält. Dieser Verstoß gleicht einem Verrat." Darets ließ seine rechte Hand über seine Hüfte wandern. Der Knauf seines Schwertes lag auf seinen Fingern. Seine Reaktion beunruhigte sie. "Und wenn es wieder diese Wassermutanten sind, von denen Vater berichtet hat." Sie schüttelte sich. "Nein", antwortete er trocken, "nicht in diesem Teil der Insel. Diese Kreaturen können nicht über Sand laufen. Zumindest diese nicht." Er hob seinen freien Arm, während er die andere in seinen Umhang verschwinden ließ. "Eoweli. Du bleibst hier und wartest." "Aber-" "Keine Widerrede. Ich komme, sobald ich geklärt habe, was dort vor sich geht." Sie biss sich auf die Lippen. Ihr Bruder schritt auf die Höhle zu. Kaum eingetreten, war er auch schon aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Ihr gefiel es nicht, dass ihr Bruder sie hier alleine zurückgelassen hatte. Zumal sie der Gedanke erschreckte, dass dort Kreaturen auf ihn lauern könnten, denen er als einzelner nicht gewachsen war. Ihre Beine zitterten - und trotzdem: sie musste ihm folgen. Ganz gleich, was er zu ihr gesagt hatte, sie musste ihn in Sicherheit wissen. Langsam näherte sie sich der Höhle. Schwüle Luft kam ihr entgegen. Zunächst war alles von Dunkelheit erfüllt, als sie jedoch den Mut fasste, weiter zu schreiten, blendete sie ein Funkeln. Sie blinzelte und starrte auf die Wände. Dutzende Steine leuchteten in blauen und roten Tönen. Schöner als jeder Diamant, den sie gesehen hatte. "Einfach atemberaubend", sagte sie. "Eoweli!", die aufgebrachte Stimme ihres Bruders riss sie aus ihren Träumereien, "ich sagte dir doch, du solltest draußen auf mich warten." "Denkst du, ich lasse dich einfach so gehen", entgegnete sie und stemmte die Hände in die Hüften, "ich habe mir auch Sorgen gemacht." "Völlig unnötig", Darets hatte von seinem Schwert gelassen, "hier scheint niemand zu sein. Obwohl-", er drehte seinen Kopf als suchte er etwas. Bevor Eoweli etwas sagen konnte, spürte sie es auch. Eine Präsenz. "Sieh' mal", murmelte die Prinzessin und zeigte rechts neben ihrem Bruder. Sie kam auf ihn zu und zusammen blickten sie auf einen großen Stein, der an eine der Steintafeln im Palast erinnerte. Darin waren zwei weitere Steine eingefasst. Der eine war türkis und mit seltsamen Zeichen versehen, der andere leuchtete rot und besaß eine spiralförmige Gravur. "Endlich." Die Stimme ließ Eoweli und Darets gleichzeitig aufschrecken. "Wer ist da!", fand der Ältere als erster die Fassung wieder. "Eure Bestimmung. Sie ist nah", sprach die Stimme, die weder männlich noch weiblich zu sein schien, wenn sie überhaupt menschlich war. Kommt zu mir, meine Diener. Nehmt euer Schicksal an. "Glaub' ihm kein Wort", knurrte Darets. Doch Eoweli hörte ihn kaum noch. Die Stimme hatte sie eingenommen, dass sie starr auf den roten Stein blickte. Es war als spräche er zu ihr. Das Verlangen, ihn zu berühren, stieg ins Unermessliche. Das Rauschen der Stimme ihres Bruders verebbte. Auch Darets kämpfte gegen die unsichtbaren Kräfte. Beide erlagen der Stimme, die sie wie eine Mutter in den Schlaf wiegte. Doch statt zu schlafen begann sich der Raum zu drehen. Farben verschmolzen miteinander. Die Stimme hämmerte in ihren Köpfen. "Kommt und seht, was noch keinem Menschen gewährt wurde" Eowelis Hand berührte den roten Stein. Ein grelles Licht blendete ihre Augen. Es war als würde sie in die Tiefe gerissen werden. Ihr Körper wurde magnetisch angezogen. Sie stolperte und fiel nach vorne. Zwei starke Armen hielten sie fest. Ihr Bruder stand vor ihr. Sein Blick war wirr. Die Standfestigkeit war ihm entglitten. "Was ist passiert?", murmelte Eoweli. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht mehr in der Höhle waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)