The Weapon They Fear von stone0902 (Sasuke x Sakura) ================================================================================ Kapitel 11: Kakashis Angst -------------------------- Irgendetwas stimmte nicht. Eine seltsame Vorahnung beschlich Kakashi. Vielleicht war es nur ein banales Bauchgefühl oder womöglich jahrelang antrainierter Instinkt. Der Hokage klappte seinen Lieblingsroman zu, steckte ihn in seine Gürteltasche und sah sich angespannt um. Ein prüfender Blick über die Umgebung zeigte ihm nichts Ungewöhnliches. Doch das unsichere Gefühl blieb. Mit dem Handballen schob er sein Stirnband noch oben, wodurch er darunter sein Sharingan offenbarte. Das schwarze Auge kniff er zu. Und das Rote ging auf die Suche.   Es begann mit winzigen, dunklen Punkten, die sich rasch vermehrten. In wenigen Sekunden war es ein ganzer Schwarm. Es ging also wieder los. In dem Moment, in dem Kakashi sein Team informieren wollte, hörte er ein Geräusch. Er wandte sich um und sah gerade noch, wie Tenchi aus seinen Fesseln verschwand, die jemand durchgeschnitten haben musste. Ein Kunai steckte im Erdboden und die Seile lagen schlaff um den Felsen herum, an dem er zuvor festgebunden war. Sakura stand wenige Meter davor und starrte den Felsen hinauf. Kakashi folgte ihrem Blick.   Dort oben standen zwei Männer. Einer von ihnen war Tenchi. Und Kakashi ahnte sofort, wer der Mann neben ihm war. Die Ähnlichkeit war unübersehbar.   „Toshio“, sprach Kakashi seine Vermutung aus. Er war seinem kleinen Bruder anscheinend zu Hilfe geeilt. Für einen kleinen Moment kam ihm der Gedanke, ob Tenchi jemals ihr Gefangener gewesen war, oder aber ob es von Anfang an sein perfider Plan gewesen war, sich von ihnen schnappen zu lassen, um dadurch näher an den Hokage heranzukommen.   „Sagtest du nicht du wolltest lediglich ein paar Besorgungen erledigen?“, sprach Toshio leise und aus der Entfernung kaum vernehmlich zu seinem Bruder. Sein Ton erinnerte beinahe an Shikamarus ruhige, fast gelangweilte Stimme, würde da nicht diese unbarmherzige Härte mitschwingen. Er wirkte weder besorgt noch überrascht, obwohl er gerade Tenchi aus der Gefangenschaft feindlicher Shinobi befreit hatte.   „Hn. Der Uchiha und das Mädchen sind mir in Sekikawa über den Weg gelaufen. Diese Chance konnte ich mir doch nicht entgehen lassen. Sie haben mich direkt“ – und jetzt zeigte er mit dem Indexfinger auf Kakashi – „zu ihm geführt.“   Die Brüder sahen ihn aus den gleichen dunklen Augen an. Nur ihre Mimik hätte nicht unterschiedlicher sein können. Selbst in seinen Fesseln hatte Tenchi überheblich gewirkt, doch nun wirkte er noch selbstsicherer, arroganter und das boshafte Grinsen in seinem Gesicht nahm beinahe sadistische Züge an. Sein Bruder hingegen starrte Kakashi an, wandte den Blick für keine Sekunde ab, das Gesicht reglos und kalt, nur in den Augen erkannte er den Zorn und den Kampfeswillen, den er empfand.   Dann ging alles ganz schnell. Die Käfer griffen ihn an und aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Sakura zu Boden ging und hysterisch anfing um sich zu schlagen. Offenbar quälte Tenchi sie wieder mit seinen Halluzinationen. Kakashi musste den Drang bekämpfen ihr zu Hilfe zu eilen. Sie war nicht wirklich in Gefahr, deshalb musste er erst einmal die Käfer bekämpfen und sich den beiden Brüdern stellen, denn wenn er sie besiegte würden auch Sakuras Halluzinationen aufhören. In diesem Moment konnte er nichts anderes für sie tun und hoffte, dass ihre Psyche nicht zur sehr unter diesem Angriff litt.   Kakashi wich mit einem Sprung den Käfern aus und krempelte sich dabei die Ärmel seines Pullovers runter. Insgesamt bot sein Körper wenig Angriffsfläche für Berührungen – allein durch seinen Mundschutz und sein Stirnband war sein Gesicht sehr gut bedeckt. Noch dazu kamen die Ninja-Uniform sowie seine Handschuhe. Sollte er gegen einen der Brüder kämpfen mussten sie sich schon anstrengen, ein Stück freie Haut von ihm zu fassen zu bekommen. Kakashi formte Fingerzeichen und kopierte mithilfe seines Sharingans eins von Sasukes Feuerjutsus. Die gewaltige Stichflamme, die aus seinem Mund schoss, setzte die Käfer augenblicklich in Brand.   Hinter ihm erschien bereits der nächste Schwarm.   Während er auch diesen Angriff mit Katon abwehrte analysierte er mit seinem Sharingan schnell das Geschehen. Tenchi und Toshio hatten sich aufgeteilt und kämpften, beide mit entblößten Oberkörpern, die nicht nur Muskeln und Stärke offenbarten, sondern es auch schwieriger machen würden mit Taijutsu gegen sie vorzugehen. Sasuke widmete sich Toshio, den er nach dem Eindringen in Tenchis Bewusstsein selbst als den stärkeren von beiden beschrieben hatte. Währenddessen setzte sich Tenchi gegen Naruto sowie zwei seiner Doppelgänger zur Wehr. Trotz seiner Verletzungen aus dem vorigen Kampf gegen Sasuke und Sakura schlug er sich gut und Kakashi fragte sich erneut, wie viel davon zuvor von ihm gespielt gewesen war. Der gebrochene Kiefer und die Nase waren zwar geheilt, doch die Rippen waren weiterhin verletzt. Vielleicht war es reines Adrenalin, das ihn derzeit auf den Beinen hielt. Ein weiterer Doppelgänger von Naruto stand neben Sakura, die auf dem Boden kniete und sich nun mit zusammengekniffenen Augen die Ohren zuhielt.   Mit einem weiteren Feuerjutsu setzte Kakashi den nächsten Schwarm in Brand. Sein Sharingan bemerkte eine Bewegung. Weitere Käfer verteilten sich, flogen auf Sakura, Naruto und Sasuke zu, sodass sie nun nicht nur gegen die beiden Ninja, sondern auch gegen die Käfer kämpfen mussten.   Tenchis Kusarigama erwischte mit dem schweren Gewicht an der Kette einen Naruto-Doppelgänger direkt an der Schläfe, woraufhin der verpuffte. Der Kage Bunshin bei Sakura versuchte mit seinem Rasengan die angreifenden Käfer abzublocken, die auf ihn und die Medic-Nin zuflogen. Mit wackeligen Beinen versuchte sie aufzustehen und ebenfalls zu kämpfen, doch ihr Kopf täuschte ihr immer noch Bilder vor, die nicht wirklich existierten. Selbst aus der Entfernung konnte Kakashi die Tränenspuren auf ihrem Gesicht sehen. Solange Tenchi in ihrer Nähe war würde er Sakura weiterhin quälen.   Deshalb fällte er eine Entscheidung. Kakashi sprang auf die Felsen und eilte dem Naruto-Duo zu Hilfe. Schnell holte er zu ihnen auf. Ein Naruto schlug und trat auf seinen Gegner ein, zielte dabei immer auf die Beine, da der Stoff der Hose ihn vor dem ungewollten Körperkontakt schützte. Der zweite Naruto griff mit Rasengan an und kämpfte abwechselnd gegen Tenchi und die Käfer. Ein kurzer Blick zu Sasuke zeigte ihm, dass er ebenfalls Schwierigkeiten hatte sich mit Taijutsu einen Vorteil zu verschaffen, weshalb er es aus der Ferne mit Feuerjutsu versuchte.   Als Tenchi Kakashi bemerkte wich er sofort zurück und sprang auf einen nahegelegenen Felsen. Kakashi landete im gleichen Augenblick bei Naruto. Tenchi schwang sein Kusarigama, sprang den Felsen herunter und warf es gleichzeitig in ihre Richtung. Noch während Kakashi der rotierenden Waffe auswich erkannte er Tenchis eigentliches Ziel: Er hatte es gar nicht auf ihn abgesehen, sondern auf Sakura!   Schnell sprang der Kopierninja ebenfalls den Felsen herunter und versuchte seinen Gegner einzuholen. Tenchi zückte aus seinem dunklen Stiefel ein Kunai und wollte sich auf Sakura und den Doppelgänger stürzen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Naruto ihm ebenfalls nachsetzte. Noch während Kakashi fiel formte er Fingerzeichen und in dem Moment, in dem er kniend auf dem Boden landete, stemmte er seine beiden Handflächen auf den Boden.   „Doton! Doryū Heki“   Vier schützende Mauern aus Erde stießen aus dem Boden hervor und schlossen Sakura und den Naruto-Doppelgänger in sich ein, sodass Tenchi nicht an sie heran kam. Verärgert starrte er mit dem Kunai in der Hand auf die meterhohe Wand vor sich.   Naruto landete neben ihm und stieß sein eigenes Kunai genau in sein Genick. „Ha!“, rief Naruto triumphierend. „Das war’s mit dir, Drecksack!“   Eine Sekunde verharrte Tenchi regungslos, dann löste sich sein Körper auf und verwandelte sich in eine menschliche Form aus wimmelnden Käfern, die sich aus ihrer Starre lösten und summend davonflogen, sodass Naruto einen erschrockenen Satz zurückmachte, um ihnen nicht zu nahe zu kommen. Ein Käfer-Doppelgänger! Kakashi suchte mit seinem Sharingan nach dem Original. Eine Bewegung ließ ihn herumwirbeln. Wie in Zeitlupe sah er Tenchi, der mit seiner geballten Faust erst ausholte und dann zuschlug, dabei direkt auf sein Gesicht zielte. Kakashi wich zurück, sah die Hand quälend langsam auf sich zukommen. Die Faust löste sich und Tenchi streckte die Finger. Kakashi zog seinen Kopf weiter zurück und ganz langsam bewegte sich die Hand vor seinem Gesicht, auf Höhe seiner Augen. Sein geweitetes Sharingan sah alles ganz genau.   Der Mittelfinger streifte leicht die freie Haut seines Nasenrückens, direkt zwischen seinen Augen.   Sofort zog Tenchi sich zurück und Kakashi sah alles wieder in normalem Tempo. Er atmete einmal tief ein und wieder aus. Verdammt, jetzt war es also geschehen. Dieser Mistkerl hatte ihn tatsächlich berührt.   Das bedeutete aber auch, dass er sich nun nicht mehr zurückhalten musste.   Sofort griff Kakashi an. In seiner rechten Hand blitzte bereits sein Raikiri auf. Tenchi sprang auf einen der Felsen hinauf, mit einem siegessicheren Grinsen auf dem angeschlagenen Gesicht.   Egal was er sehen würde, Kakashi machte sich bereit, auf das, was kommen würde. Es wäre nicht real – er würde Realität und Halluzination voneinander unterscheiden können. Seitdem sie herausgefunden hatten, was es mit diesen Käfern auf sich hatte, hatte er sich mental darauf eingestellt. Kakashi kannte seine tiefsten Ängste. Er wusste, er würde jemandem begegnen, den er kannte. Nicht ohne Grund hatte er seinem Team zu dem vereinbarten Zeichen geraten.   Tenchi stand regungslos auf dem Felsen und schien seinen Gegner freudig zu erwarten. Kakashi musste sich beeilen, solange er noch bei Verstand war – schließlich hatte er gesehen, was die Halluzinationen mit Naruto und Sakura anstellen konnten. Er holte mit der Hand aus und schlug mit seinem Raikiri zu.   Er traf.   Doch er traf nicht Tenchi.   Erschrocken riss er beide Augen auf und starrte auf die Person vor sich. Rin sah ihn mit ebenso geweiteten Augen an.   Das ist nicht real!   Sein Arm steckte in ihrem Brustkorb, genau dort, wo sich ihr Herz befand. Aus ihrem leicht geöffneten Mund lief dunkles Blut. Ihre Unterlippe zitterte und in ihren braunen Augen sammelten sich Tränen.   Das ist nicht real!   Sein Sharingan konnte kein Chakra in ihr erkennen. Sie war bloß eine Erinnerung. Und diese Erinnerung tat weh.   Mit einem Ruck zog Kakashi seinen Arm zurück, woraufhin ihr toter Körper schlaff zu Boden fiel, und drehte sich um, auf der Suche nach Tenchi, der sich hier irgendwo verstecken musste. Hinter sich hörte er ein Schluchzen. Er ignorierte es, wollte sich nicht nach diesem Trugbild umdrehen. Er suchte weiter.   „Kakashi …“   Bei dem Klang dieser Stimme spannte er sich an. Niemals würde er diese Stimme oder die Person, zu der sie gehörte, vergessen.   Das ist nicht real!   Dort drüben kämpften Naruto und Sasuke gegen Toshio. Sakura befand sich weiterhin innerhalb seiner Mauern. Doch wo war Tenchi?   „Kakashi, wieso?“   Das schmerzerfüllte Schluchzen war kaum auszuhalten. Sein ganzer Körper drängte danach sich umzudrehen und der Wille, der sich dagegen wehrte, wurde immer schwächer. Er war nicht real, konnte es nicht sein. Tote gehörten nicht hier her. Und doch war der Drang ihn sehen zu wollen stärker, als die Selbstbeherrschung.   Langsam drehte sich Kakashi um. Der Pulsschlag in seinen Ohren war erstaunlich laut. Er hatte gedacht, er wäre auf diesen Anblick gefasst gewesen, doch es zerriss ihm trotzdem das Herz. Rin lag tot auf dem Boden, mit der klaffenden, blutenden Wunde in ihrer Brust, die sein Raikiri ihr zugefügt hatte, so wie damals vor neunzehn Jahren. Was an dieser Erinnerung, die er nun erneut durchlebte, neu war, war Obito, der neben ihr kniete und halb auf ihr lag, mit tränenüberströmtem Gesicht.   „Wieso hast du sie umgebracht?“, schluchzte sein bester Freund vorwurfsvoll. Der Schmerz in seiner zitternden Stimme war kaum zu ertragen. Der Uchiha hob seinen Kopf, drehte sein Gesicht und wandte seinen Blick von Rin zu Kakashi. Das linke Auge fehlte und zeigte nur eine schwarze, leere Höhle, wo sich einst das Sharingan befunden hatte, welches er damals Kakashi vermacht hatte.   „Ich …“ Kakashi wollte es ihm erklären, wollte ihm sagen, dass er das nicht gewollt hatte, dass Rin diese Entscheidung selbst und gegen seinen Willen gefällt hatte – auch wenn er wusste, dass dieser Obito, den er gerade vor sich sah, nicht wirklich existierte. Obito war noch vor Rin gestorben und hatte ihren Tod somit nicht einmal miterlebt. Das schlechte Gewissen plagte Kakashi seit jenem Tag dafür umso mehr. Er hatte sein Versprechen Rin zu schützen seinem Freund gegenüber nicht halten können.   Das ist nicht real!   „Sie hat dich geliebt!“, schrie Obito, das Gesicht vor Wut und Schmerz verzerrt.   Diese Worte drangen tiefer, als jeder Messerstich. Augenblicklich wurde Kakashi kreidebleich. Ja, das wusste er. Und er hatte sie auch geliebt. Doch nachdem, was Obito widerfahren war, hatte er es sich nicht gestattet sich dieser Liebe hinzugeben. Das schlechte Gewissen wegen Obitos Tod und das Wissen darüber, dass sein bester Freund Rin ebenfalls geliebt hatte, hatten ihn daran gehindert, ihre Gefühle zu erwidern.   Hinter Obito erschien ihr Sensei. Minato sagte nichts, schaute Kakashi nur direkt in die Augen. Die Lippen zu einer harten Linie aufeinander gepresst schüttelte er langsam und enttäuscht den Kopf.   Kakashi riss sich von dem Anblick seiner toten Teamkameraden los und ging einige Schritte zurück, bis er mit dem Hacken seines rechten Fußes gegen etwas stieß. Er hielt inne, drehte sich langsam um und erstarrte. Vor ihm lag sein toter Vater.   Ein ersticktes Keuchen entfuhr ihm und ein kaum aushaltbares Ziehen breitete sich in seinem Brustkorb aus. Mehrmals blinzelte er, fühlte sich benommen, als hätte man ihm mit voller Wucht gegen den Schädel geschlagen.   Leise, wie weit entfernt, hörte er ein gehässiges Lachen. „Oh, armer Hokage“, spottete die Stimme schadenfroh. „Ganz allein auf dieser Welt?“   Das ist nicht real!   Kakashi kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Jetzt bloß nicht den Verstand verlieren. Er versuchte seine zitternden Finger unter Kontrolle zu bringen, indem er mehrmals eine Faust ballte und sie wieder öffnete, und sah sich erneut nach seinem Gegner um. Und dort drüben stand er. Nur etwa fünfzehn Meter entfernt auf einem Felsen. Belustigt betrachtete Tenchi ihn. Kakashi zückte ein Kunai und machte sich bereit für den Angriff.   Eine Kinderstimme ließ ihn unerwartet innehalten. „Wieso hast du das getan?“, fragte sie anklagend und verzweifelt. „Wieso wolltest du nicht mehr weiterleben? Nicht einmal für mich?“   Die Realisierung, wem diese Stimme gehörte, machte ihn wütend. Es schien, als würde er den gleichen Zorn in sich verspüren wie damals. Kakashi nahm Anlauf und sprang auf den nächsten Felsen, in Tenchis Richtung, der nun wieder sein Kusarigama in der Hand hielt. Noch während er über die Felsen lief hörte Kakashi weiter seine eigenen Gedanken in seinem Kopf. Er hatte sie damals nie ausgesprochen, immer nur gedacht. Unverständnis, Vorwurf und Enttäuschung spiegelten sich darin wieder.   „Ha, du bist ganz schön zäh“, sagte Tenchi mit einem anerkennenden Schmunzeln. Ihre Waffen trafen aufeinander und sie starrten sich darüber hinweg feindselig in die Augen. „Du hast dich gut unter Kontrolle, Hokage. Aber glaub mir, irgendwann knickt jeder ein.“   „So leicht wie mit Ōnoki wirst du es mit mir nicht haben“, entgegnete Kakashi, der sich nun auf seinen Gegner konzentrierte, um die Halluzinationen auszublenden. Er verspürte eine Angst, wie schon lange nicht mehr und er fürchtete die Gesichter seiner verstorbenen Freunde und Familie noch einmal sehen zu müssen. Er spürte ihre Anwesenheit immer noch um sich. „Einen alten Mann im Schlaf umzubringen ist nichts, worauf man stolz sein könnte.“   „Pfft, mir egal“, hielt Tenchi verärgert dagegen. „Ich brauche keinen Stolz. Nur Gerechtigkeit.“   Kakashi hätte am liebsten mit dem Kopf geschüttelt. Hinter diesen Gedanken steckte zu viel Sinnlosigkeit. „Weshalb kämpfst du dann gegen mich?“, fragte er. „Ich war es nicht, der eure Eltern miteinander vermählt hat. Und der dritte Hokage ist schon lange tot. Außerdem hat deine Mutter nur ihre Pflicht erfüllt. Sie wusste, was sie tat. Die Aufgabe eines Shinobi ist sich seinem Dorf zu verpflichten und die Missionen zu erfüllen, die ihm auferlegt werden.“   Tenchis Miene verzog sich zu einer wütenden Grimasse. „Ich scheiße auf Pflichten!“, schrie er ihm entgegen. Der Druck seiner Klinge gegen seine eigene nahm zu. Nur mit Mühe konnte Kakashi noch dagegen halten. „Und ich scheiße auf die Shinobi! Und die Kage! Wer gibt ihnen das Recht über uns alle zu bestimmen? Das ist nichts weiter als grausame Diktatur! Und wir haben es satt!“   Diese Aussage brachte einen Gedankengang bei Kakashi ins Rollen. Das Dorf, das die Zusammenarbeit verweigerte. Die Aussage des Blumenhändlers in Sekikawa, von dem Sakura berichtet hatte. Vielleicht gab es einen Zusammenhang. Doch eine Sache gab es noch, die ihn wunderte.   „Weshalb greifen eure Käfer dann auch Zivilisten an?“   Die Antwort sprudelte ohne jegliche Schuldgefühle aus ihm heraus. „Kollateralschaden. Abgesehen von den Halluzinationen geschieht ihnen ja nichts. Wir greifen nur die an, die ein Stirnband tragen. Und unser Plan hat gut funktioniert. Wir mussten nicht einmal das Land verlassen. Du bist uns direkt in die Arme– argh!“ Er keuchte, das Gesicht schmerzverzerrt. Er knickte seitlich ein wenig ein. Vermutlich schickte die gebrochene Rippe Wellen des Schmerzes durch seinen Körper.   Kakashi nutzte diesen kurzen Moment. Er holte mit dem rechten Bein aus und versuchte seinem Gegner die Beine wegzutreten, doch Tenchi wich durch einen Sprung in die Höhe aus. Kakashi griff nach der Kette des Kusarigama und zog ruckartig daran, wodurch er Tenchi zu sich heran zog. Mit der anderen Hand holte er aus und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, sodass sein Gegner zu Boden ging. Im nächsten Moment formte Kakashi die Fingerzeichen für Ochse, Hase und Affe und erweckte erneut Raikiri.   Blitzschnell stürmte er auf seinen Gegner zu, holte aus und schlug zu, doch Tenchi wich mit einer Rolle zur Seite aus und ließ sich schließlich vom Felsen fallen, wodurch seine von Blitzen umhüllte Hand lediglich ein klaffendes Loch im Gestein hinterließ. Kakashi setzte ihm hinterher und sprang ebenfalls zu Boden. Als er sich dort umsah befand er sich auf einem blutigen Schlachtfeld. Entsetzt entdeckte er die Leichen seiner Teamkameraden.   Vor ihm lag Sakura, auf dem Rücken liegend, die Augen geschlossen. Man könnte glauben sie würde friedlich schlafen, wäre da nicht der zerfetzte Brustkorb und die riesige dunkle Blutlache um sie herum. Beinahe hätte er sie für Rin gehalten, wären da nicht ihre rosa Haare gewesen. Zu seiner Rechten erkannte er Sasuke, der auf mittlerer Höhe eines Felsen über einem kleinen Felsvorsprung hing. Strähnen seines schwarzen Haares verdeckten sein Gesicht, doch die lange Blutspur, die von seinem Körper den Fels hinab zum Boden lief, deutete darauf hin, dass auch er unmöglich noch am Leben sein konnte. Auf der gegenüberliegenden Seite hing Naruto rücklings schlaff über einem mittelgroßen Felsbrocken, der Rücken so stark durchgebogen, dass das Rückgrat offensichtlich gebrochen war. Aus seinem Körper ragten unzählige Kunai und Shuriken. Von der Hand, die vom Stein herabhing, tropfte unentwegt Blut.   Entsetzt weiteten sich Kakashis Augen.   Das ist nicht real!   Das war nur eine Ablenkung. Eine Einbildung. Eine Halluzination.   Und dennoch …   Angst. Alles was er spürte, waren Angst und Schmerz. Er wusste, dass dies nicht die Wirklichkeit sein konnte, doch konnte er wirklich sicher sein? Im Gegensatz zu seinem Vater, Obito, Rin und Minato, die längst tot und keinesfalls hier sein konnten, war der Tod seiner Teamgefährten ein Szenario, das durchaus im Bereich des Möglichen war.   Nachdem Kakashi damals jeden verloren hatte, der ihm etwas bedeutete, hatte er jahrelang versucht, niemanden mehr an sich heranzulassen. Es hatte zwar weiterhin Bindungen gegeben, wie seine ewige Rivalität mit Maito Guy oder seine Freundschaft zu Asuma und Kurenai, doch erst Team 7 hatte es geschafft wieder einen Platz in seinem Herzen zu finden.   Team 7. Sein erstes und einziges Team. Die einzigen Schüler, die er jemals anerkannt hatte. Vermutlich lag es vor allem daran, dass Naruto, der Sohn seines ehemaligen Senseis, in diesem Team war, und Kakashi es als seine Pflicht angesehen hatte, sich um ihn und seine Shinobi-Ausbildung zu kümmern. Durch ihn fühlte er sich Minato immer ein wenig nah. Naruto, Sasuke und Sakura hatten es geschafft, die Leere in seinem Herzen, die Obito, Rin und Minato hinterlassen hatten, zu füllen.   Und er würde es nicht ertragen, sie ebenfalls sterben zu sehen.   Er würde sie mit seinem Leben beschützen. Nicht nur, weil er der Hokage war und sich dazu verpflichtet fühlte, jeden aus Konoha zu beschützen, sondern weil sie sein Team waren.   Seine Freunde. Seine Familie.   Kakashi holte einmal tief Luft, sammelte sich und konzentrierte sich auf seine Umgebung. Da! Er konnte die Chakren seiner Teamkameraden spüren. Sie waren in der Nähe, lediglich außer Sichtweite. Er verspürte enorme Erleichterung.   Jetzt hieß es nur noch den Feind zu finden und ihn auszuschalten. Die beiden Brüder hatten es vor allem auf ihn abgesehen. Doch sie würden ihn mit ihren Halluzinationen nicht brechen. Sie würden es noch erleben, was es bedeutete, Kakashi Hatake herauszufordern. Er war nicht umsonst Hokage.   Dies würde mit Sicherheit nicht sein letzter Kampf werden.   * * *   Mit einem Mal verschwanden die schrecklichen Bilder in ihrem Kopf. Schwer keuchend schlug Sakura die Augen auf. Sie brauchte einige Momente, um sich zu orientieren. Sie kniete auf dem staubigen Erdboden und war eingeschlossen von Mauern aus getrocknetem Schlamm – das Jutsu der sich erhebenden Wand.   „Alles in Ordnung?“, fragte Naruto, der ihr die rechte Hand reichte und ihr dabei half aufzustehen.   Sakura nickte, obwohl sie die noch feuchten Tränenspuren auf ihren Wangen spüren konnte. Tenchi hatte sie mithilfe seines Kekkei Genkai wieder einmal die schlimmsten Halluzinationen durchleben lassen. Der Schrecken steckte ihr noch tief in den Knochen. Aber das Erlebte, ein wilder Mix aus Erinnerungen und Befürchtungen, war zum Glück nicht real gewesen.   „Was ist passiert?“, fragte sie, da das letzte, woran sie sich erinnern konnte, war, dass jemand Tenchi aus seinen Fesseln befreit hatte. „Und wieso sind wir hier drin?“   Narutos Miene verdüsterte sich. „Du wolltest gerade den Gefangenen heilen, als plötzlich dieser Kerl aufgetaucht ist und ihn befreit hat. Kakashi meinte, er sei Tenchis Bruder. Dann haben die beiden uns angegriffen. Mein Original kämpfte gerade zusammen mit Kakashi gegen Tenchi, als er dich angreifen wollte. Da du dich nicht wehren konntest hat Kakashi uns hiermit“ – er klopfte zweimal mit dem Fingerknöchel gegen die nächstgelegene Mauer – „geschützt.“   Naruto legte den Kopf in den Nacken und blickte die Mauern hinauf nach oben. Sakura tat es ihm gleich. Dann war das hier also kein Gefängnis, sondern ein Bunker. Die Steinmauern reichten mit Sicherheit vier Meter hoch. Über ihren Köpfen konnte sie den Himmel erkennen, der sich langsam verdunkelte. Die ersten Sterne waren bereits zu erkennen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde die Nacht hereinbrechen, was den Kampf noch weiter erschweren würde.   „Jetzt wo du wieder kämpfen kannst sollten wir schleunigst hier raus“, sagte Naruto nun, der sich wieder in den Kampf stürzen wollte. Da sie wieder klar denken konnte, wollte Sakura ebenfalls ihr Team unterstützen, statt wieder einmal eine Last zu sein. Auch wenn sich ein Medic-Nin aus dem Kampf weitestgehend heraushalten sollte, gab es vielleicht doch etwas, das sie tun konnte.   Aber eine Frage ließ sie einfach nicht los: Wieso hatten die Halluzinationen so plötzlich aufgehört? Oder würden sie jeden Moment wieder beginnen? Sakura wartete einige Sekunden, aber nichts geschah. Der Spuk war anscheinend vorerst vorbei. Aber wieso? Sie ging die möglichen Optionen durch: War Tenchi bereits besiegt? Nein. Das hielt sie für unwahrscheinlich, denn außerhalb der Mauern konnte sie weiterhin die Kampfgeräusche hören. Demnach gab es nur noch folgende Möglichkeiten: Entweder waren Opfer und Anwender zu weit von einander entfernt – denn Sasuke hatte erwähnt, dass Tenchi in der Nähe seines Opfers sein musste – oder aber – und diese Theorie hielt sie für wahrscheinlicher – er konnte nicht mehrere Personen gleichzeitig quälen, was bedeutete, dass es ihm gelungen sein musste jemand anderen aus ihrem Team zu berühren.   Für einen Moment verspürte sie Gewissensbisse, weil ihr zuerst Sasuke in den Sinn kam.   „Die anderen brauchen unsere Hilfe. Es sieht so aus, dass–“ Mitten im Satz löste sich der Schattendoppelgänger mit einem Puff in einer Rauchwolke auf. Und Sakura wurde eines klar: Narutos Original steckte offenbar in Schwierigkeiten.   Dieser sowie der Gedanke, dass Tenchi jemanden aus ihrem Team quälte, machte sie wütend. Sie musste helfen, sofort! Medic-Nin hin oder her – sie würde mit Sicherheit nicht nur herumstehen und zusehen. Ihre Wut entlud sie indem sie ihre rechte Hand zur Faust ballte und mit voller Wucht gegen die Steinwand schlug, die daraufhin aufbrach, sodass sie sich aus ihrem Bunker befreien konnte.   Als Staub und Gesteinsbrocken die Sicht freigaben und Sakura das Geschehen um sich herum erfasste, stockte ihr der Atem.   Auf einem der Felsen befand sich Naruto, der gerade auf die Knie sackte. Die Sichel von Tenchis Kusarigama steckte tief in seinem Bauch. Dieser Anblick schockte sie geradezu, denn selbst aus der Entfernung konnte sie erkennen, dass er es auf die Bauchschlagader abgesehen hatte. Der Ninja aus dem Aburame-Clan richtete sich aus seiner gebückten Haltung auf, zog währenddessen ruckartig an seiner Waffe, wodurch die Klinge mit Gewalt aus dem Körper herausgezerrt wurde, was die Wunde zweifelsohne noch größer und tödlicher machte. Sakura glaubte, Narutos schmerzerfülltes Keuchen selbst aus der Distanz hören zu können. Ein Laut, der ihr durch Mark und Bein ging.   Oh, nein, bitte nicht!   Für einen Moment war sie wie erstarrt und vergaß, wie man atmete. Das Gefühl der Hilflosigkeit überkam sie; das gleiche Gefühl, wie damals bei Ino.   Ino …   Nein, sie würde nicht zulassen, dass Naruto starb! Sie würde alles tun, um ihn zu retten. Sakura rannte los, um ihm zur Hilfe zu eilen, da hob Tenchi auch schon des Sieges sicher sein Bein, stieß mit der Sohle seines Stiefels hart gegen Narutos Brustkorb und trat ihn somit vom Felsen.   „Naruto!“ Sakura rannte so schnell sie konnte, obwohl ihre innere Stimme ihr zuflüsterte, dass sie es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde, seinen Sturz abzufangen. Aber sie würde lieber sterben, als es nicht zu versuchen.   Ihr blonder Kamerad fiel wie ein Stein gen Boden und ihre Verzweiflung wurde immer größer. Dieser Sturz war vielleicht nicht tödlich, aber gemeinsam mit der Wunde sah das schon ganz anders aus. Sollte die Blutung nicht gestoppt werden würde er innerhalb kürzester Zeit verbluten. Sie rannte, rannte weiter.   Zwei Meter, ehe er auf dem Erdboden aufprallte, wurde Naruto aufgefangen. Sakura sah zuerst lediglich nur eine Silhouette. Doch dann kam die Person auf sie zu, brachte Naruto aus der Gefahrenzone, und Sakura erkannte das vertraute Gesicht. Tenchi indes musste zurückweichen, da er im selben Augenblick angegriffen wurde, von einem Wirbelwind, der auf ihn zuschoss.   „Gatsūga!“   Vorsichtig legte Hinata Naruto auf den Boden, wobei sie seinen Kopf in ihren Schoß bettete. Ihre weißen Augen mit dem aktivierten Byakugan blickten den halb bewusstlosen Blondschopf besorgt an. Bei ihnen angekommen fiel Sakura neben ihnen sofort auf die Knie, legte ihre beiden Handflächen auf Narutos Verletzung am Bauch und aktivierte ihr heilendes Chakra, um die Wunde zu schließen. Dabei spürte sie das warme Blut, das aus seiner Wunde quoll und durch ihre Finger sickerte. Ihr wurde auf einmal ganz schlecht, als ihr auch der Geruch in die Nase stieg. Das lag nicht an dem Blut per se, denn daran, sowie an noch schlimmere Bilder von Verletzungen war sie durch die Arbeit im Krankenhaus gewohnt. Doch dies war wie ein Déjà-vu, beinahe so wie bei Ino. Mit aller Kraft drückte sie die Wunde zu, damit Naruto nicht verblutete. Sie traute sich nicht einmal ihn anzusehen, aus Angst, sie würde nicht ihn, sondern ihre verstorbene Freundin vor sich liegen sehen.   „Hinata“, keuchte sie erleichtert, um sich von den Erinnerungen jener Nacht abzulenken. „Du kommst gerade rechtzeitig.“ Sie schenkte der Blauhaarigen einen kurzen, dankbaren Blick, ehe sie sich wieder Narutos Heilung widmete. Die Verletzung war schlimm. Er hatte bereits viel Blut verloren. Aber er würde es überleben, wenn sie schnell handelte. Zuerst stoppte sie die inneren Blutungen und regte die Blutbildung an, da sie für eine Transfusion keine Zeit hatten. Ihre Heilkräfte flickten Stück für Stück die Aorta, die inneren Organe und das Muskelgewebe zusammen. Die Prozedur war anstrengend und Sakura spürte, wie sich auf ihrer Stirn bereits feine Schweißperlen bildeten. Doch dafür war sie da: um Leben zu retten. Noch einmal würde sie einen Freund nicht sterben lassen.   „Hi… Hinata …?“ Narutos schwere Augenlider flatterten leicht und seine hellblauen Augen suchten nach seiner Retterin. Hinata beugte sich zu ihm herab, um seinem Blick entgegenzukommen. Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln während sie mit ihrer Hand immer wieder langsam, beinahe zärtlich, durch sein blondes Haar strich.   „Es wird alles gut“, versicherte sie ihm. Es klang so überzeugend, dass selbst Sakura ihr Glauben schenkte. „Sakura kümmert sich um dich.“   Narutos benommene Augen wanderten langsam zu seiner Teamgefährtin. „Ist nicht … das erste Mal … dass sie mich … zusammenflickt …“ Er versuchte sich an einem Lächeln. Sein rechter Mundwinkel hob sich. In seinem Blick lag reine Zuversicht, als würde er Sakura und ihrem Können voll und ganz vertrauen. Eigentlich sollte sie sich darüber freuen. Aber sie tat es nicht.   „Sei still“, entgegnete Sakura mit einem Kloß im Hals. „Ich muss mich konzentrieren.“   Das war leichter gesagt, als getan, denn der Lärm des Kampfes um sie herum nahm zu. Hin und wieder hob sie den Blick, um sich umzuschauen. Team 8 hatte sich ihnen angeschlossen. Sie sah, wie eine Wolke von Käfern auf eine andere prallte und sie sich wie in einem tosenden Strudel miteinander verschmolzen, sodass man nicht mehr ausmachen konnte, welche Käfer zu welchem Ninja gehörten. Links von ihr kämpften nun Sasuke und Kakashi gegen Tenchi, während es rechts von ihr Kurenai und Kiba gegen Toshio aufnahmen.   „Was machst du hier?“, fragte Naruto leise, in dessen Gesicht inzwischen wieder etwas mehr Farbe kam. Sakura stieß die Luft aus, von der sie gar nicht mitbekommen hatte, dass sie sie angehalten hatte. Gut, die Blutbildung mithilfe ihres Chakras zeigte Wirkung.   Hinata wandte ihre Augen nicht ein einziges Mal von ihm ab, als gäbe es in diesem Moment nichts Wichtigeres als ihn. Sakura verspürte einen Hauch von Eifersucht, bei dem Anblick der beiden. Es lag so viel Zuneigung in ihren Blicken. Sie kam sich vor, wie ein Eindringling in einen privaten Moment. Aber so merkte Hinata wenigstens nicht, wie sehr ihre Finger immer noch zitterten. Das würde die Hyūga mit Sicherheit verunsichern.   „Als Pakkun sich aufgelöst hat wussten wir, dass etwas schief gegangen sein musste“, erklärte Hinata. „Deshalb hat Akamaru eure Fährte aufgenommen. Wir sind so schnell gekommen wie wir konnten.“   Naruto lächelte leicht. „Das war schlau … von Kakashi.“   Bei der Erwähnung ihres Senseis blickte Sakura auf. Er kämpfte immer noch. Das bedeutete, dass es sich bei Tenchi um einen starken Gegner handeln musste, wenn selbst der Hokage nicht gegen ihn ankam. Noch dazu kämpfte er gemeinsam mit Sasuke.   Sakura war hin- und hergerissen. Einerseits wollte sie ihr verbliebenes Team im Kampf unterstützen, aber andererseits war es ihre Aufgabe sich um Narutos Verletzung zu kümmern. Und das hatte oberste Priorität. Auch wenn sie den gröbsten Schaden beseitigen konnte und er nun nicht mehr in Lebensgefahr war, würde er im Anschluss medizinische Versorgung brauchen. Seine Genesung würde Tage, wenn nicht sogar Wochen in Anspruch nehmen.   Angespannt wischte sie sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, bemerkte dabei aus den Augenwinkeln ihre blutverschmierte Hand. Ihr blieb nichts anderes, als zuzusehen und auf Team 7 und 8 zu vertrauen.   * * *   „Doton! Ganchūsō!“   Spitze Speere aus Gestein kamen blitzschnell aus dem Boden hervor und brachten die beiden Ninja aus Konoha sowie deren Ninken dazu, auszuweichen. Gegen drei Gegner zu kämpfen war gar nicht so einfach, vor allem, wenn man noch dazu die Käfer lenkte, die gegen den Aburame kämpfen. Toshio warf einen Blick über seine Schulter zu dem Mann, der aus dem gleichen Clan stammte, wie einst seine Mutter. Viel konnte er von ihm nicht erkennen, da die Kapuze seiner Jacke, der hohe Kragen sowie die dunkle Sonnenbrille beinahe sein komplettes Gesicht verdeckten. Eigentlich sollte er sich mit diesem Mann verbunden fühlen, schließlich floss in ihnen das gleiche Blut. Doch Toshio verspürte nichts weiter als sinnesvernebelnden Zorn.   Diese Sonnenbrille …   Für einen Moment sah er das Gesicht seiner Mutter vor sich, wie sie ihn beruhigend anlächelte, mit einem Veilchen im Gesicht und einer aufgeplatzten Lippe … Wie sie ihm versicherte, es würde alles wieder gut werden … Ihre dunkle Sonnenbrille lag mit zerbrochenen Scheiben auf dem Fußboden neben ihr … Wie oft war sie in all den Jahren bereits kaputt gegangen?   Er sieht noch jung aus, dachte Toshio. Nur einige Jahre jünger, als ich.   Ob er ihren Namen überhaupt kennt?   Chie Aburame?   Toshio wandte den Blick von seinem Verwandten ab. Niemals würde er jemanden als Seinesgleichen bezeichnen, der die Taten eines Diktators hinnahm, diese auch noch unterstütze und für so jemanden arbeitete. Dabei Menschen opferte, wie Spielsteine beim Shōgi.   Der Konoha-Nin und sein Ninken griffen im Doppelpack an, doch Toshio wich schon beinahe mühelos aus. Seine dunklen Augen suchten die Umgebung nach der rotäugigen Kunoichi ab. Sie schien für den Moment verschwunden. Doch als er eine Präsenz hinter sich spürte und sich rasch umdrehte, erkannte er, wie sie aus einem Baum herausglitt, von dem er schwor, dass er in dieser kargen Erdlandschaft zuvor noch nicht gewesen war. Dessen dicke Äste griffen bereits nach ihm, doch er wich mit einem Rückwärtssalto aus. Die Augen der Kunoichi waren ebenso rot, wie das Sharingan, aber sie war keine Uchiha. Auch wenn man von ihrem Genjutsu darauf hätte schließen können. Die schwarzen Haare sprachen ebenfalls dafür. Doch alle Welt wusste, dass es nur noch zwei Uchihas auf dieser Welt gab. Und die waren beide männlich.   Schnell warf Toshio einen Blick zu seinem Bruder – und biss verärgert die Zähne zusammen. Tenchi hatte Schwierigkeiten. Er war verletzt. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein machte, dennoch sah Toshio es in seinem angespannten Blick und seinen hektischen Bewegungen. Natürlich überraschte ihn dies nicht. Wie sonst hätten sie ihn schnappen können? Tenchi hätte sich niemals ohne Gegenwehr gefangen nehmen lassen. Außerdem musste es doch überzeugend aussehen. Da nahmen sie einige Verletzungen in Kauf. Er musste zugeben, dass Tenchi wirklich gut reagiert hatte, nachdem er auf die Konoha-Nins getroffen war. Schließlich war dieses Aufeinandertreffen alles andere als geplant gewesen. Dennoch ließ es ihn nicht kalt, seinen kleinen Bruder in so einem Zustand zu sehen, auch wenn die Medic-Nin ihm einige seiner Wunden geheilt hatte – was ihn zugegebenermaßen ein wenig überrascht hatte. Nur gut, dass Tenchi ihm einen Käfer geschickt hatte, sodass er zur Unterstützung eilen konnte, sonst wären sie in einer völlig anderen Situation.   Doch selbst wenn er Dankbarkeit empfand, für diese glückliche Wendung des Schicksals, die aufgetretene Verstärkung der Konoha-Nins war eindeutig ein Problem. Gegen vier hatten sie bereits Schwierigkeiten gehabt, aber gegen acht?   Toshio sah kurz zu der Rosahaarigen und den anderen beiden in sicherer Entfernung. Der Blonde am Boden würde zumindest in nächster Zeit kein Problem mehr für sie darstellen, aber er würde überleben. Auch wenn die drei dort nicht am Kampfesgeschehen teilnahmen hieß es momentan immer noch zwei gegen fünf.   Sie mussten sich zurückziehen.   Das schmeckte ihm gar nicht.   Nicht nur, dass sie ihr Ziel, den Hokage ebenfalls umzubringen, nicht erreicht hatten, sondern auch, dass sie nun aufgeflogen waren. Man kannte nun ihre Identität und das Geheimnis um die Käfer, die Halluzination der Dorfbewohner und den Tod des Tsuchikage.   Aber viel wichtiger war erst einmal, dass er seinen kleinen Bruder hier rausbekam.   Er wandte sich von seinem Gegner ab und wollte sich Tenchi nähern. Die Kunoichi stellte sich ihm schnell in den Weg. „Wo willst du denn hin?“, fragte sie. Ihr entschlossener Blick teilte ihm mit, dass sie ihn nicht entkommen lassen würde.   „Tenchi!“, rief er über sie hinweg. „Wir ziehen uns zurück.“   Nicht nur in seiner Stimme, sondern auch im Gesicht seines Bruders war der Unmut über diesen Befehl schwer zu überhören. „Nein! Einen habe ich schon erwischt. Die anderen sind auch gleich dran.“ Dabei hielt er sich die schmerzende Seite und keuchte schwer. Toshio kannte seinen kleinen Bruder. So stur wie er war – und vor allem stolz – würde er sich niemals freiwillig zurückziehen.   Die Kunoichi griff ihn an. Sie warf zwei Shuriken, denen er mühelos auswich. Doch dann traf ihn etwas unerwartet von hinten in den Rücken. Ein stechender Schmerz ließ ihn fluchen. Waren das die Shuriken? Hatte sie sie mit einer Technik dazu gebracht umzukehren, wie bei einem Bumerang? Er blickte über die Schulter und erkannte in wenigen Metern Entfernung die Frau aus Konoha. Die Gestalt vor ihm löste sich auf. Ah, ein Genjutsu. Er zog die Waffen aus seinem Rücken, spürte wie das Blut seinen Rücken hinab lief, und warf die Shuriken achtlos auf den Boden. Die Verletzung war nicht weiter tragisch. Er würde es aushalten, bis–   Unter ihm brach der Boden auf und der Ninken stürzte sich zähnefletschend auf ihn. Instinktiv streckte er seine rechte Hand aus und wehrte damit die nach ihm beißende Schnauze ab. Im Bruchteil einer Sekunde drang er dank des Hautkontakts in den Verstand des riesigen Hundes ein.   Akamaru …   Er aktivierte sein Kekkei Genkai und der Ninken brach winselnd zusammen. Jaulend zog er sich zurück, woraufhin Toshio einen Schwall wüster Beschimpfungen von seinem Herrchen – Kiba – an den Kopf geschmissen bekam, der seinem treuen Gefährten sofort zur Hilfe eilte. Als nächstes drehte sich Toshio um und sprintete auf die Kunoichi zu. Er war schon gespannt, was er in ihrem Herzen sehen würde, welche Ängste sich in ihrem Innersten verbargen. Er griff sie an und zielte dabei bewusst auf ihre entblößte Haut.   Sie war schnell, das musste Toshio zugeben. Doch nicht schnell genug.   In dem Moment, in dem sie Fingerzeichen formte, packte er sie am Hals.   Mit dem rechten Arm hob er sie hoch. Sie zerrte mit ihren Fingern und Nägeln an seiner Hand, doch sein Griff um ihre schlanke Kehle war hart wie Stein. In ihren roten Augen blitzte etwas auf. Die Entschlossenheit nicht aufzugeben. Verachtung. Aber auch … Angst.   Er hielt ihrem Blick stand, während er alle Information aus ihr herausfilterte, die er benötigte. Es ging so schnell, dass sie keine Zeit hatte ihn mit einem Genjutsu zu belegen. Innerhalb eines Wimpernschlags wusste er alles über diese dunkelhaarige Schönheit. Kurenai Sarutobi. Aufgewachsen im Yūhi-Clan in Konoha. Still, liebevoll, sensibel, intelligent. Tochter, Kunoichi, Teamleiterin, Ehefrau, Mutter …   Es war so einfach …   Sie griff in ihren roten Ärmel und holte ein Kunai hervor, doch bevor sie es gegen ihn richten konnte ließ er sie Bilder sehen – vom Willen des Feuers …   Alles verzehrende Flammen, versenge Hitze, qualvolle Schmerzen … und ihre dreijährige Tochter mittendrin, wie sie nach ihrer Mutter um Hilfe schrie, während sie lebendig verbrannte.   „Mirai!“   Kurenai schlug wie wild um sich, versuchte sich so heftig aus dem Griff zu befreien, dass er beinahe beide Hände benötigte, um sie zu bändigen. Dabei schrie sie panisch den Namen ihrer Tochter. Er würde ihre seelischen Qualen schnell beenden. Mit der linken Hand entriss er ihr mühelos das Kunai, packte den bandagierten Griff der Waffe und stach mit einer gezielten Bewegung zu.   In einiger Entfernung spielte sich das gleiche Szenario ab.   Ein Kunai bohrte sich in Kurenai.   Zwei in Tenchi. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)