The Weapon They Fear von stone0902 (Sasuke x Sakura) ================================================================================ Kapitel 8: Tenchi und Toshio ---------------------------- Mit einem grässlichen Knacken landete Sasukes Ellenbogen in dem Gesicht des gegnerischen Ninja. Dessen Nase stand nun in einem ungesunden Winkel ab und deutete somit darauf hin, dass sie gebrochen war. Dunkelrotes Blut spritzte daraus hervor und verteilte sich auf seiner Schulter, da sein Kopf unsanft zur Seite gerissen worden war.   „Sasuke!“ Kakashi sah seinen Schüler strafend an, doch Sasukes eiskalter Blick galt nur dem nun hustenden Mann vor ihm. Seine geballte Faust zitterte vor unterdrückter Wut. Sakura und Naruto sahen ihren Teamkameraden erschrocken an.   Nachdem Sakura und Sasuke den Gegner außer Gefecht gesetzt und sie ihre Wunden geheilt hatte, hatten sie sich mithilfe von Garuda auf den Rückweg zu ihrem Treffpunkt gemacht, wo sie wenig später auf den Rest von Team 7 gestoßen waren. Den bewusstlosen Ninja hatten sie mit Seilen um einen schmalen Felsen gefesselt, streng darauf achtend, seine Haut dabei nicht zu berühren. Um sich ein wenig mehr Berührungsfläche zu verschaffen, hatte Sasuke ihm seinen Ledermantel übergezogen. Kurz nachdem der noch unbekannte Mann wieder zu sich gekommen war, hatte Sasuke auch schon zugeschlagen – mit dem Ellenbogen wohlgemerkt, sodass ihn der Stoff seiner Uniform vor ungewolltem Körperkontakt schützte. Seine Verletzung war zwar inzwischen geheilt, doch die dunklen Flecken waren auf dem blauen Ärmel immer noch gut zu erkennen. Säubern würden sie ihre Kleidung erst wieder in Iwagakure. Das wenige Wasser, das sie dabei hatten, wollten sie dafür nicht verschwenden. Auch in Sakuras Gesicht konnte man noch die verwischten Blutspuren ihrer verletzten Hand sehen.   Sasuke wandte sich abrupt ab und entfernte sich von ihm, wollte dabei an Kakashi vorbeigehen. Sein Sensei legte ihm eine Hand auf die Schulter, hinderte ihn somit am Weitergehen. „Was sollte das? Das war vollkommen unnötig.“   Unberührt erwiderte Sasuke den mahnenden Blick seines Senseis. „Doch, das war sogar bitter nötig.“ Dann riss er sich von Kakashi los.   Der Grauhaarige seufzte, trat einige Schritte auf den Gefangenen zu und hockte sich vor ihm hin, sodass sie nun auf Augenhöhe waren. „Weißt du wer ich bin?“   Der Mann spuckte einen Klumpen Blut aus und grinste dann, zeigte dabei seine rotverschmierten Zähne. „Meister Hokage. Holt sich der Bastard jetzt schon Hilfe aus einem verfeindeten Land, weil er es selbst nicht geschissen kriegt sein mickriges Dorf zu beschützen?“   „Konoha und Iwa sind nicht mehr verfeindet“, entgegnete Kakashi ungerührt. Seine Stimme hatte den gewohnten ruhigen, beinahe schon gelangweilten Klang. „Da ich mich nicht mehr vorzustellen brauche wärst du nun an der Reihe, mir deinen Namen zu nennen.“   Sein Grinsen wurde noch breiter „Fass mich an, dann sag ich ihn dir.“   Kakashi verzog keine Miene. „Das geht leider nicht.“   „Feigling.“ Sein Grinsen knickte ein wenig ein. Er hustete erneut und verzog dabei schmerzhaft das Gesicht. Das waren nicht seine einzigen Verletzungen. Von dem Kampf gegen Sakura hatte er sich ebenfalls einige Wunden zugezogen. Vermutlich war die ein oder andere Rippe gebrochen. Die Wunde auf seiner Brust, die ihr Kunai hinterlassen hatte, blutete nicht mehr, doch der Anblick des verschmierten, getrockneten Blutes blieb. Sakura hatte nur sich und Sasuke geheilt, ihn allerdings nicht. Schließlich besaß er keine lebensbedrohlichen Verletzungen.   Während Sasuke die meiste Zeit über still geblieben war hatte Sakura Naruto und Kakashi in kurzen Sätzen geschildert, was vorgefallen war und welche neuen Informationen sie erhalten hatten. „Wie du bereits weißt ist Sakura eine Medic-Nin“, sagte Kakashi vielversprechend. „Sie könnte deine Wunden innerhalb kürzester Zeit heilen.“   Der Mann sackte kraftlos und nur noch von seinen Fesseln gehalten nach vorne und keuchte schwer. Seine dunklen Augen fixierten dabei Sakura. „Eine Medic-Nin“, wiederholte er leise. „Der einzige Grund, weshalb ihr sie mitgenommen habt.“   Sakura erwiderte seinen Blick. Die dunklen Augen schienen sie zu verschlingen. Sie wollte sich seinem Bann entziehen, doch sie konnte nicht. Mit einem Blinzeln stand sie wieder im Büro des Hokage, mit den anderen drei Mitgliedern ihres Teams. Kakashi verkündete, dass sie auf Mission gehen sollten und sie spürte erneut die Angst, die sie in diesem Moment empfunden hatte – die Angst zu versagen, die Angst in Sasukes Nähe zu sein, die Angst, dass jemandem aus ihrem Team etwas geschah, Angst, dass jemand starb …   „Er macht es schon wieder!“, zischte Sasuke, womit er Sakura aus ihrer Starre riss. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sie zitternd einige Schritte von ihm zurückgewichen war. Der Schreck stand ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben. Wütend ging Sasuke auf den Gefangenen zu und holte bereits mit seiner rechten Faust zum Schlag aus. Seine Augen wurden blutrot.   „Sasuke!“, rief Naruto dazwischen. Blitzschnell erreichte er den Schwarzhaarigen und umklammerte seinen Arm, hielt ihn davon ab etwas Unüberlegtes zu tun. „Bist du wahnsinnig? Wenn du ihm jetzt ins Gesicht schlägst wird er mit dir das gleiche anstellen, wie mit ihr!“ Für einen kurzen Moment versuchte Sasuke sich aus Narutos Griff zu befreien, doch er kam gegen die sanfte Gewalt des Blondschopfes nicht an.   „Er hat Recht.“ Jetzt stand auch Kakashi neben ihm, der den Gefangenen mit einem missbilligenden Blick betrachtete. „Er provoziert dich nur.“ Sprachlos beobachtete Sakura das Geschehen, völlig überrumpelt davon, weshalb Sasuke so die Beherrschung verlor. War das etwa ihretwegen?   „Ist mir egal!“, zischte Sasuke zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Soll er doch machen. Bei mir wird er nichts finden“, behauptete er arrogant. „Ich habe vor nichts Angst.“   „Jeder hat vor etwas Angst“, entgegnete der angeschlagene Ninja mit schwacher Stimme. „Auch wenn ein Shinobi darauf trainiert wird seine Gefühle zu unterdrücken. Letztendlich reagieren bei jedem die Instinkte.“ Höhnisch verzog er das Gesicht und kicherte leise. „Und bei dir ist es so einfach zu erraten, so einfach zu durchschauen … Selbst ohne Handauflegen.“   Sasuke schien kurz davor die Beherrschung zu verlieren. Alarmiert blickte Kakashi zwischen den beiden hin und her, jederzeit bereit einzuschreiten. Besorgt betrachtete Sakura die Szene. Wie auch schon zuvor bei ihr schaffte ihr Gegner es sein Gegenüber in den Wahnsinn zu treiben und die unangenehmsten Emotionen hervorzurufen.   Der Ninja hustete erneut, ehe er furchtlos sein Kinn hob und Sasuke einen herausfordernden Blick zuwarf. „Wie geht es denn deinem Bruder?“, wollte er heiser wissen. „Wie heißt der Kerl nochmal?“, tat er, als würde er überlegen. Zufrieden beobachtete er Sasukes Reaktion. „Itachi.“   Sasuke erstarrte und wurde kreidebleich.   „Ach ja“, lachte der Shinobi, „ich vergaß, ihr zwei habt nicht das beste Verhältnis zueinander.“   Innerhalb eines Wimpernschlags zückte Sasuke mit beiden Händen jeweils ein Kunai und es benötigte sowohl Naruto als auch Kakashi, um ihn festzuhalten, damit er sich nicht auf ihn stürzte. Jeder von ihnen umklammerte einen seiner Arme. Der Ninja lachte schallend auf, verstummte aber im nächsten Moment, da Sasuke ihm mit dem Fuß mit voller Kraft ins Gesicht trat. Sein Kopf schlug dabei heftig gegen den Felsen, an dem er festgebunden war.   Das Geräusch bescherte ihr Gänsehaut. Erschrocken keuchte Sakura auf und hielt sich die Hand vor den Mund. Sein Kopf hing nun nur noch schlaff herab. Offensichtlich war er bewusstlos. Hoffentlich. Schnell hastete sie auf ihn zu und prüfte, ob er noch atmete.   „Du hast ihm den Kiefer gebrochen“, stellte sie teils erleichtert und teils anklagend fest. Allerdings konnte sie nicht wirklich streng mit dem Schwarzhaarigen sein. Jeder von ihnen wusste, dass Sasukes Familie sein wundester Punkt war.   Sasuke riss sich von Naruto und Kakashi los, drehte sich heftig atmend um und entfernte sich einige Schritte, um Abstand zwischen sich und dem Typen zu bringen, der ihn zu solchen Taten verleitete. „Er kann froh sein, dass er noch lebt“, behauptete er ausweichend, während er die Kunais wieder wegsteckte. Sakura sah ihm nach, hätte am liebsten den Kopf geschüttelt. Vorher noch hatte er sie davon abhalten wollen diesen Mistkerl umzubringen und nun wollte er am liebsten das gleiche mit ihm tun. Die Erwähnung seines Bruders schien ihn wirklich verletzt zu haben.   „Mit einem gebrochenen Kiefer wird er uns aber nicht viel verraten können“, entgegnete Naruto vorwurfsvoll.   Sasuke fuhr sich mit einer Hand durchs schwarze Haar und Sakura glaubte, seine Finger zittern zu sehen. „Er muss nicht sprechen können, um mir die Informationen zu geben, die wir brauchen.“   Naruto ging nun auf seinen besten Freund zu, legte einen Arm um seine Schultern und sprach leise auf ihn ein. Sakura war zu weit entfernt, um etwas davon verstehen zu können, deshalb betrachtete sie nur stillschweigend und besorgt die beiden ihr zugewandten Rücken. Sie vertraute darauf, dass Naruto die richtigen Worte fand, um Sasuke zu beruhigen. Dafür hatte der Uzumaki schließlich ein Talent. Erst als Sakura eine Hand auf ihrer Schulter spürte, wandte sie den Blick von den beiden ab. Als sie den Kopf zur Seite neigte blickte sie in Kakashis Gesicht.   „Alles okay?“   Sakura nickte, auch wenn sie das Gefühl hatte, dass gar nichts okay war. Sie machte sich Sorgen um Sasuke. Solche Gefühlsausbrüche waren untypisch für ihn. Zu sehen, wie er litt, bereitete ihr ebenfalls Schmerzen.   „Der beruhigt sich schon wieder“, versprach Kakashi sanft, der mal wieder in ihr lesen konnte, wie in einem offenen Buch. „Sobald wir herausgefunden haben, womit genau wir es zu tun haben und wie sein Kekkei Genkai funktioniert, wird dieser Albtraum ein Ende haben. Dann wird sich der Tsuchikage um alles Weitere kümmern und wir machen uns auf den Heimweg.“   Unter seiner Maske lächelte er aufmunternd und unwillkürlich musste sie diese Geste, die sie sehr zu schätzen wusste, erwidern. „Du kannst stolz auf dich sein, Sakura. Ohne dich hätten wir ihn nicht gefangen nehmen können. Ich weiß, wie schwer es dir gefallen sein muss, an dieser Mission teilzunehmen. Aber du hast deine Sache gut gemacht.“ Solch ehrliche und lobende Worte von Kakashi hatte sie schon lange nicht mehr gehört, weshalb sie ein wenig rot wurde. „Und ohne dich“, fügte er schmunzelnd hinzu, „wäre Team Sieben nicht vollständig.“   Sakura spürte, wie diese Worte etwas in ihr bewegten. Nach all den Zweifeln – ob real oder aus den Halluzinationen – schmeichelten sie ihrer Seele und schenkten ihr die Anerkennung, die sie so sehr brauchte. Glücksgefühle überströmten sie und am liebsten hätte sie ihren Sensei aus einem Impuls heraus umarmt. Doch sie hielt sich zurück, da sie wusste, wie unangenehm ihm solch körperliche Nähe war. Von daher nickte sie ihm nur dankbar zu.   Kurz darauf trat Naruto, dicht gefolgt von Sasuke, wieder auf sie zu. „Teme hat sich wieder beruhigt“, verkündete er grimmig, wobei er wirkte, als hätte es ihn ziemlich viel Überredungskunst gekostet, diesen Zustand zu bewirken. Sasuke schien immer noch angespannt, aber nicht mehr so stark, dass er jeden Moment zu explodieren drohte. Er vermied es auch nur einen von ihnen anzusehen. Sein Sharingan war nach wie vor aktiviert.   „Da Gespräche bei ihm offenbar nichts erreichen“, seufzte Kakashi mit einem Blick auf den bewusstlosen Gefangenen, „werden wir es nun mit Genjutsu probieren. Sasuke, das überlasse ich dir. Aber dieses Mal bitte ohne ihm irgendwelche Körperteile zu brechen.“   Sasuke schnaubte bloß, ging aber ohne Widerworte auf den Bewusstlosen zu. Langsam hockte er sich mit einer Armeslänge Abstand vor ihm hin und betrachtete sein deformiertes Gesicht. „Sakura, du musst ihn aufwecken“, sagte er leise, ohne den Blick von ihm abzuwenden. „Er muss dafür bei Bewusstsein sein.“   Sakura ging auf die beiden zu und stellte sich neben den Gefangenen. Mit beiden Händen umfasste sie vorsichtig seinen schlaffen Kopf und hob ihn leicht an, sodass seine und Sasukes Augen auf einer Höhe waren. Dann aktivierte sie ihr heilendes Chakra in ihren Händen und ließ es langsam in seinen Kopf fließen, regte sanft die Bereiche im Gehirn an, die für das Bewusstsein zuständig waren.   Der Ninja stöhnte leise und seine Lider begannen zu flattern. In dem Moment, in dem er seine Augen öffnete und in Sasukes Kekkei Genkai blickte, befand er sich auch schon in seinem Genjutsu. Mehrere Sekunden lang sahen sie sich schweigend an. Sakura, Naruto und Kakashi beobachteten dabei Sasuke, der mithilfe seines Genjutsus allein durch Blickkontakt die Informationen aus dem Shinobi herausbekam, die er ihnen freiwillig nicht verraten wollte. Schließlich rollten seine Augen in seinem Kopf zurück und Sakura spürte, wie er erneut das Bewusstsein verlor. Sasuke stand auf, ohne dem Feind einen weiteren Blick zu würdigen. Sie ließ den Ninja vorsichtig los und stellte sich zu ihrem Teamkameraden. Auch Naruto und Kakashi traten nun näher.   „Sein Name ist Tenchi“, verkündete Sasuke nun den Namen des Unbekannten. Sein Sharingan deaktivierte sich und er wirkte wieder ruhiger, als noch Momente zuvor. Mit verschränkten Armen begann er zu erzählen, was er herausgefunden hatte. „Er stammt vom Aburame-Clan ab. Seine Mutter kam von Konoha nach Iwagakure, um seinen Vater zu heiraten. Organisiert wurde diese Ehe vom damaligen Tsuchikage, um die Beziehung zwischen unseren beiden damals noch verfeindeten Dörfern zu verbessern.“   „Deshalb kann er also die Insekten beherrschen“, sagte Kakashi. „So etwas in der Art habe ich mir schon gedacht.“ Sakura nickte zustimmend. Ihr war ebenfalls der Gedanke gekommen, dass dieser Ninja aus Konoha stammen könnte, da er optisch nicht dem typischen Iwa-Nin entsprach. Jedoch handelte es sich bei ihm um keinen Nuke-Nin, wie sie zuerst vermutet hatte. Er trug also das Erbe seiner Mutter in sich, einer Kunoichi aus Konoha.   „Sein Kekkei Genkai hat er allerdings von seinem Vater“, fuhr Sasuke fort. „Er stammt aus dem Shinpai-Clan. Die Mitglieder dieser Familie haben die Fähigkeit Gedanken und Gefühle von anderen zu lesen, allerdings benötigt es, wie wir schon wissen, Körperkontakt. Sie sind außerdem dazu in der Lage, den Gegner Angst empfinden zu lassen. Diese Fähigkeit ähnelt einem Genjutsu, ist aber allein auf den Bereich im Gehirn konzentriert, der für die Angst zuständig ist.“ Sasuke wandte den Blick zu dem bewusstlosen Tenchi. „Bei ihm scheint diese Fähigkeit besonders stark ausgeprägt zu sein. Er kann sogar die Gestalt wechseln und sich transformieren.“   „Dann hat er den Tsuchikage umgebracht?“, fragte Kakashi.   Sasukes schwarze Augen wanderten zurück zu seinem Sensei. „Nein“, antwortete er ruhig. „Aber sein Bruder.“   Für einen Moment war es still.   „Was?“, verbalisierte Naruto das, was alle dachten. Fassungslos ging sein Blick zu ihrem Gefangenen. Sie wussten, was das bedeutete: die Mission war noch nicht vorbei und der Schuldige noch nicht gefunden. „Und wir dachten …“   „Was weißt du über seinen Bruder?“, wollte Kakashi wissen.   „Er heißt Toshio und ist der ältere von beiden. Die beiden hatten – sagen wir es mal so – keine schöne Kindheit. Die Details erspare ich euch. Ihre Eltern starben – sie bei einem Unfall und er einige Jahre später während einer Mission. Kurz darauf haben die beiden Brüder Iwa verlassen und streifen seitdem durchs Erdreich. Den beiden ist es gelungen, die Fähigkeiten von beiden Clans zu kombinieren. Mithilfe ihres Chakras haben sie Käfer gezüchtet, die Angst in Form von Gift durch einen Biss bei einem Menschen hervorrufen können.“   „Und wie kann man dieses Kekkei Genkai bezwingen?“, stellte Naruto die alles entscheidende Frage.   „Ich konnte keine Schwachstellen erkennen“, sagte Sasuke monoton. „Wie bei allen Kekkei Genkais bleiben somit nur die Optionen Chakraverlust oder der Tod des Anwenders. Solange wir keinen Körperkontakt zu ihm herstellen oder von einem Käfer gebissen werden, haben wir nichts zu befürchten.“ Seine Augen wanderten zu Sakura. Sie glaubte so etwas wie Bedauern in seinem Blick erkennen zu können. „Wenn er aber jemanden berührt hat, muss er in der Nähe sein, um die Halluzinationen auszulösen. Aus der Entfernung funktioniert es nicht.“   Sakura spürte, wie ihre Mundwinkel nach unten wanderten. „Das heißt … diese Verbindung besteht …. für immer?“ Sie fühlte sich elendig und Sasukes Nicken daraufhin machte es nicht viel besser. Wenn sie wieder in Konoha war hatte sie nichts mehr zu befürchten. Doch nun wäre sie ihm rund um die Uhr ausgeliefert, solange er in ihrer Nähe war – zumindest wenn er bei Bewusstsein war.   Kakashi fuhr sich mit einer Hand über das verwuschelte Haar und rieb sich nachdenklich den Nacken. „Das heißt also, wir müssen diesen Toshio finden. Was weißt du noch über ihn?“   Sasukes Augen musterten erneut den bewusstlosen Tenchi. Sein Blick schien in der Ferne zu liegen, in der Vergangenheit der beiden Brüder, die er durchleuchtet hatte. „Er ist der stärkere und gefährlichere von beiden.“   „Und wieso hatten sie es auf den Tsuchikage abgesehen?“, fragte Naruto.   Regungslos sah Sasuke ihn an. „Was glaubst du wohl?“   „Rache“, antwortete Kakashi für ihn, den Blick auf den Schwarzhaarigen gerichtet.   Sasuke nickte. „Ihr Vater hat seine Frau gehasst, da er sie gegen seinen Willen heiraten musste. Beide waren dazu gezwungen worden und hatten kein Wort mitzureden. So wie es in alten Clans nun einmal der Brauch war. Während sie sich der Rolle annahm und ihr Schicksal pflichtbewusst akzeptierte, ließ er seinen Frust an ihr aus. Hinter verschlossenen Türen wurde er oft gewalttätig und die beiden Kinder bekamen alles mit.“ Sein Blick veränderte sich leicht. Es musste nicht leicht für ihn gewesen sein, diese Erinnerungen mitzuerleben. „Schließlich kam es zu dem Unfall. Der Vater schlug einmal zu oft zu. Deshalb hassten die beiden von diesem Zeitpunkt an ihren Vater nur umso mehr, der verantwortlich war für den Tod ihrer Mutter. Zusätzlich machten sie den Tsuchikage dafür verantwortlich, da er diese Ehe arrangiert hatte. Noch dazu wurden die Umstände ihres Todes vertuscht. Dem Aburame-Clan gegenüber wurde behauptet, sie habe ihr Leben bei einer Mission verloren, damit sie niemandem aus Iwa die Schuld geben konnten, denn das Verhältnis der beiden Dörfer war nach wie vor angespannt. Von daher war der Tsuchikage nicht ihr einziges Ziel. Konoha gaben sie ebenso die Schuld. Der Sandaime, der damals als Hokage die Vereinbarung mit Iwa geschlossen hatte, lebt allerdings nicht mehr, deshalb–“   „–wollen sie sich am amtierenden Kage rächen“, ergänzte Kakashi ohne mit der Wimper zu zucken. „Verstehe.“   Sakura musterte Tenchi und verspürte so etwas wie Bedauern. Auch wenn er ihr Feind war und sie ihm am liebsten noch ein paar weitere Knochen brechen würde, für das, was er getan hatte und das, was er noch vor hatte, so konnte sie es nicht verhindern so etwas wie Mitgefühl für ihn zu empfinden. Wieder einmal zeigte sich, dass die Menschen nicht von Grund auf böse waren. Er wurde nicht als Monster geboren, sondern wurde erst zu einem gemacht, von anderen Menschen, die ihm Leid zufügten. Hätte er eine normale Kindheit und keinen gewalttätigen Vater gehabt, wäre er vermutlich zu einem ganz anderen Menschen herangewachsen. Doch das Schicksal meinte es nun einmal nicht mit jedem gut.   Sakura rief sich immer wieder in Erinnerung, wie glücklich sie sich mit ihren Eltern schätzen konnte. Nicht nur die Tatsache, dass sie sich so gut mit ihnen verstand, sondern auch, dass sie überhaupt noch lebten. Denn in Team 7 war sie die einzige, die nicht als Waise groß geworden war. Sasuke, Naruto und Kakashi hatten ihre Familien schon sehr früh verloren und jeder von ihnen hätte einen Grund gehabt sich ebenfalls der Rache hinzugeben und einen anderen Weg einzuschlagen. Vielleicht war das Band von Team 7 deshalb so stark, weil sie sich gegenseitig nicht als Team, sondern als Familie betrachteten.   Tenchi und Toshio waren ganz alleine und hatten nur noch einander. Als Kinder mussten sie unendliche Angst vor ihrem Vater gehabt haben und nun gaben sie einen Teil dieser Angst zurück und ließen sie andere mithilfe ihrer Käfer und ihres Kekkei Genkai spüren. Letztendlich würde die Rache aber weder die erwartete Befriedigung verschaffen, noch das damals erlittene Leid beseitigen.   „Nun gut“, sagte Kakashi, der sein Team der Reihe nach ansah. „Wir werden mit dem Gefangenen nach Iwagakure zurückkehren und dem Tsuchikage mitteilen, was wir herausgefunden haben. Er soll dann entscheiden, wie es weitergeht. Wir machen eine halbe Stunde Pause, dann brechen wir auf.“   Mit diesen Worten löste sich ihre kleine Gruppe auf. Kakashi zog sich in den Schatten eines Felsen zurück, von dem aus er Tenchi im Blick behalten konnte. Es dauerte nicht lange, da hielt er bereits sein Buch in der Hand und gab vor zu lesen. Sakura vermutete allerdings, dass der Kopierninja insgeheim an einem Plan tüftelte, wie es weitergehen sollte. Immerhin war nach Sasukes Informationen Konoha nun ebenfalls direkt betroffen, wenn die beiden Brüder es sich als Ziel gesetzt hatten, den Hokage umbringen zu wollen.   Naruto bediente sich an seinem Rucksack und holte eine Wasserflasche hervor, die er gierig leerte. Sasuke zog sich auf einen hohen Felsen zurück und Sakura suchte sich ebenfalls ein schattiges Plätzchen, lehnte sich gegen eine halbwegs bequeme Felswand und schloss die Augen. Einen Moment lang war jeder für sich und hing seinen Gedanken nach, verarbeitete die neuen Informationen und schöpfte Ruhe, bevor die Mission weiterging. Die Sonne näherte sich immer weiter dem Horizont. Schon bald würde sie untergehen und die Nacht hereinbrechen.   Auch im Schatten des Felsen war es noch angenehm warm. Die Temperaturen im Erdreich ähnelten denen im Feuerreich. Es war ständig Sommer. Sakura konnte sehen, wie Naruto sich seine Weste auszog und ein wenig Wasser ins Gesicht spritzte, kurz darauf sein blondes Haar schüttelte und sie mit diesem Anblick an einen Ninken erinnerte. Sie schmunzelte leicht.   Dann wanderte ihr Blick wieder höher und sie fand Sasuke etwa zwanzig Meter entfernt auf einem Felsvorspring sitzen. Sie konnte nur seinen Rücken sehen. Auch er hatte die Weste ausgezogen. Sein schwarzes Haar wehte leicht im Wind. So wie er da saß und in die Ferne blickte wirkte er verletzlich. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie es sein musste, die Erinnerungen von Tenchi mitzuerleben, die Gewalt in der Kindheit und der grausame Tod der Mutter. Sasuke hatte nicht erwähnt, ob die Gewalt sich nur gegen sie oder auch gegen die Kinder gerichtet hatte. Alleine der Gedanke ließ sie frösteln. Unweigerlich formten sich Bilder in ihrem Kopf, die sie sofort versuchte zu verdrängen. Ob die beiden Kinder dabei gewesen waren, als der Vater ihre Mutter umgebracht hatte?   Wenn diese Vorstellung für sie schon so schrecklich war, wie musste es dann erst für Sasuke gewesen sein? Soweit sie wusste hatte er als Kind das Massaker seines Clans miterlebt. Sie kannte nicht viele Details, nur dass sein eigener Bruder dafür verantwortlich war. Sasuke redete nie darüber. Im Dorf gab es natürlich viel Gerede, von dem sie annahm, dass mindestens die Hälfte davon nicht der Wahrheit entsprach. Sasuke war damals noch so jung gewesen, gerade einmal sieben Jahre alt. Wie schrecklich musste das für ein Kind sein? Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie konnte sich an den Sasuke vor jenem Ereignis nicht mehr genau erinnern, viel mehr an den schweigsamen, zurückgezogenen Jungen, der er nachdem geworden war.   An dem Tag, als sie sich als Team 7 vorstellen sollten, hatte er erwähnt, dass er sich an jemandem rächen wollte. Jahrelang hatte sie gegrübelt, wen er meinen könnte, bis sie zu dem Schluss gekommen war, dass es sich dabei nur um seinen Bruder handeln konnte. Die Provokation von Tenchi deutete darauf hin, dass die Wunde immer noch frisch war und Sakura fragte sich, was aus Sasukes damaligen Rachegedanken geworden sein mochten.   Schritte rissen sie aus ihren Grübeleien und als sie ihren Blick vom Schwarzhaarigen abwandte, den sie die ganze Zeit über beobachtet hatte, bemerkte sie wie Naruto auf sie zukam. Gemütlich ließ er sich neben ihr nieder und lehnte sich ebenfalls an den Felsen. Er zog die Beine an und legte seine Unterarme auf seine Knie. Die Ärmel seines Pullovers hatte er hochgekrempelt und sie konnte die gebräunte Haut betrachten, die ihre eigene unnatürlich blass erschienen ließ.   Naruto sagte nichts, saß einfach nur da und starrte in die Ferne. Sakura rutschte zu ihm herüber und legte ihren Kopf gegen seine Schulter. Sie schloss ihre Augen und spürte wenig später, wie auch er den Kopf neigte und ihn gegen ihren lehnte. In seiner Gegenwart fühlte sie sich so sicher, dass sie auf der Stelle einschlafen könnte.   In den letzten Jahren waren sich Sakura und Naruto näher gekommen und solche vertrauten Momente wie diese waren nichts Seltenes. Ihre Beziehung war rein freundschaftlicher Natur. Ihr Verhältnis zueinander pendelte zwischen beste Freunde und Bruder und Schwester. Sie waren sich nahe, vertrauten einander und mochten einander – aber eben nur als Freunde. Auch wenn es bei Naruto am Anfang anders gewesen war. Damals in der Akademie und zu Beginn von Team 7 war der Blondschopf in die Rosahaarige hoffnungsvoll verknallt gewesen, doch nach einiger Zeit hatte sich diese Schwärmerei zu einer Freundschaft entwickelt. Und so, wie es jetzt war, war es genau richtig.   „Sakura, du schnarchst.“   Träge öffnete sie ihr rechtes Auge. „Red‘ keinen Stuss.“   „Ich sag’s dir. Du schnarchst lauter als Kiba.“   Grummelnd löste sie sich von Narutos bequemer Schulter und rieb sich mit der einen Hand die müden Augen. Mit der anderen boxte sie ihm halbherzig gegen den Oberarm. „Ich hab gar nicht geschlafen“, behauptete sie wie ein trotziges, kleines Kind.   Naruto rollte mit den Augen. „Wenn du das sagst.“   Sofort wanderte ihr Blick zu dem Felsen, auf dem Sasuke gesessen hatte. Er war nun nicht mehr zu sehen. Bei dieser Erkenntnis verspürte sie Enttäuschung. „Geht es ihm gut?“, murmelte sie schlaftrunken, während sie sich noch einmal müde die Augen rieb.   „Sasuke ist zäh“, antwortete Naruto, der sofort wusste, von wem sie sprach. „Jeder tickt mal aus. Sogar er. Das wird schon wieder.“ So unbeschwert wie er das sagte klang es, als wäre es keine große Sache. Aber irgendwie wollten sie diese Worte nicht beruhigen. Trauer zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab und ihre Mundwinkel wanderten weit nach unten. Naruto entging auch das nicht. Sanft stupste er sie mit dem Ellenbogen an. „Jetzt guck nicht so. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“   Aber das war leichter gesagt als getan. Der Uchiha war ein ausgezeichneter Shinobi, doch ihn so brutal vorgehen und die Kontrolle verlieren zu sehen machte ihr schlichtweg Angst.   Die nächsten Worte sprach Naruto nur leise aus. „Er macht sich auch Sorgen um dich. Weißt du?“   Langsam drehte Sakura ihren Kopf in Narutos Richtung, während sie versuchte seine Worte zu verstehen. Mit großen Augen sah sie ihn an. Ungläubig … und irgendwie auch … hoffnungsvoll? Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen – oder zu fragen … Sie wusste es selbst nicht. Kein Wort kam heraus.   Liebevoll sah Naruto die Kunoichi an. „Was glaubst du, weswegen er so ausgetickt ist? Es hat ihn beinahe wahnsinnig gemacht mit anzusehen wie dieser Tenchi dich quält.“   Ihr Kopf war plötzlich leer. Sie hatte diese Worte gehört, aber sie wollte sie nicht so recht verstehen. Für einen Moment fragte sie sich, ob Naruto einen Scherz machte. Der Gedanke, dass sie Sasuke so wichtig war, fühlte sich merkwürdig fremd an. So unrealistisch. Sie sollte der Grund sein, weshalb er Tenchi die Nase gebrochen hatte? Die Zweifel blieben, doch ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus. Es fühlte sich gut an.   Plötzlich sah sich Naruto ertappt um und verzog das Gesicht. „Öhm, verrat ihm aber nicht, dass ich dir das gesagt habe, okay?“ Nervös lächelnd kratzte er sich am Hinterkopf. Sakura sah sich um, auf der Suche nach Sasuke, doch sie konnte ihn nirgendwo entdecken. In diesem Moment sehnte sie sich danach in seiner Nähe zu sein.   „Sakura, ich weiß, was damals zwischen euch vorgefallen ist.“   Erschrocken sah sie Naruto an. „Was?“ Mit dieser Information überrumpelte er sie total und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Bisher hatte sie angenommen, dass abgesehen von ihr und Sasuke niemand davon wusste. Und da sie es ihm nicht gesagt hatte blieb nur eine logische Erklärung. „Er hat es dir erzählt?“   Naruto nickte. Sein Blick wurde ernst, was zu dem blonden Chaosninja nicht so recht passen wollte. „Nicht sofort. Aber später. Er wusste nicht, wie er damit umgehen soll.“   Mit einem Mal fühlte sie sich gejagt. Alles in ihr schrie nach Flucht. Naruto würde darüber reden wollen, aber – war sie schon bereit dafür? In ihrem Magen breite sich ein unangenehmes Ziehen aus, als würde sich eine riesige Schlange darin winden. Ihr Mund wurde trocken. Den Blick hielt sie starr auf eine Felswand vor ihr gerichtet, da sie sich nicht traute Naruto anzusehen. Eine Frage wiederholte sich immer wieder in ihrem Kopf: Was genau hatte Sasuke ihm erzählt? Etwa alles? Die ganze, erschreckende Wahrheit?   Gequält verzog sie das Gesicht. Was musste Naruto nun von ihr halten? Ihr Körper drängte geradezu danach einfach aufzustehen und zu gehen. Noch dazu kam das schlechte Gewissen Sasuke gegenüber. Jahrelang hatte sie sich gewünscht sie hätte sich ihm damals gegenüber anders verhalten und sie wäre stärker gewesen, aber Sakura Haruno war nun einmal schwach. Zumindest psychisch. Die Gefühle hatten sie beherrscht, obwohl sie es eigentlich besser wissen müsste.   „Sakura.“ Naruto wandte sich mit dem Oberkörper in ihre Richtung und legte ihr aufmunternd eine Hand auf die Schulter. „Du solltest mit ihm darüber reden. Du hättest schon vor drei Jahren mit ihm darüber reden sollen. Ihr leidet beide immer noch darunter.“   Mit zusammengepressten Zähnen schüttelte sie den Kopf. Er verstand es einfach nicht. Darüber zu reden würde nicht nur weh tun, sondern auch an der Situation nichts ändern. Allein diese Mission hatte doch gezeigt, dass sie sich beide zu sehr voneinander entfernt hatten. Wieso es also nicht dabei belassen? So waren sie beide besser dran. Das mühsam aufgebaute Vertrauen war erschüttert und würde sich niemals wieder festigen.   „Sakura …“   „Ich kann nicht“, presste sie mit brüchiger Stimme hervor.   „Du musst aber, sonst wirst du das niemals verarbeiten können.“   Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Das war ihr doch auch klar. Aber sich zurückzuziehen und sich vor der grausamen Wahrheit zu verstecken war nun einmal leichter, als sich der harten Realität zu stellen. Tsunade hatte ihr vielleicht geholfen stark zu werden, doch hierbei handelte es sich um einen Gegner, den sie niemals bezwingen konnte.   Lange sagte keiner von beiden ein Wort. Naruto seufzte. Es klang nach Resignation. „Weißt du, wir beide sind vor kurzem unseren größten Ängsten begegnet. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe seit diesem Moment oft darüber nachgedacht. Mir war es wohl vorher nie so wirklich bewusst.“ Er lächelte vor sich hin, während er weitererzählte. „Du kennst mich ja, ich bin ziemlich furchtlos und stelle mich unerschrocken jedem Gegner.“ Dann verblasste sein Lächeln wieder. „Eines Tages will ich Hokage werden und das Dorf beschützen. Doch der Gedanke, ich könnte irgendwann die Kontrolle über das Kyūbi verlieren und vielleicht unwillentlich das Dorf zerstören …“ Schmerzhaft verzog er bei dieser Vorstellung das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Das könnte ich nicht ertragen. Den Leuten zu schaden, die ich versuche zu beschützen, das ist meine größte Angst.“ Langsam drehte er den Kopf, sah sie mit seinen blauen Augen an. Sie erwiderte seinen Blick, ergriffen von seiner Ehrlichkeit, die ihn irgendwie verletzbar, aber auch unheimlich sympathisch machte. „Was ist deine größte Angst?“, fragte er geradeheraus.   Sakura brauchte nicht lange nachzudenken. Schon im Vorfeld hatte sie sich mit dieser Frage beschäftigt, als sie erfahren hatten, dass diese mysteriösen Käfer Ängste hervorrufen können. Es war auch keine große Überraschung gewesen, dass Sasuke ein großer Teil dieser Ängste war. „Mir geht es ähnlich“, gab sie leise zu. „Ich weiß, dass irgendwann dieser Tag kommen wird, aber ich fürchte mich davor, jemanden zu verlieren, der mir etwas bedeutet.“   Bei diesem Geständnis tauchten Bilder in ihrem Kopf auf – die Gesichter ihrer Freunde. Ihre Eltern, Tsunade, Naruto und Kakashi, alles Personen, mit denen sie stark verbunden war. Weitere Gesichter tauchten auf … Ino … und natürlich … Sasuke. Sie schloss die Augen, rief sich die Szene in Erinnerung, die sie immer noch in ihren Alpträumen heimsuchte. Sasuke zu verlieren war das Schlimmste, das sie jemals hatte durchleben müssen. Und nun tat sie nichts anderes als ihn aus ihrem Leben zu stoßen.   Wo war da der Sinn?   Ganz einfach. Sie konnte nicht mit ihm, aber auch nicht ohne ihn.   „Heute Morgen, als du etwas auf dem Flur gesehen hast“, fing Naruto vorsichtig an. Sakura schloss die Augen, wartete darauf, dass er weitersprach, auch wenn sie schon wusste, was er sagen wollte. Nachdem sie Sasuke so unhöflich abgewiesen hatte, hatte Naruto bereits eine Andeutung gemacht, dass sie Halluzination und Realität nicht verwechseln sollte. „Ich habe lediglich eine Vermutung. Aber was genau hast du da gesehen?“   Die Augen immer noch geschlossen haltend stieß sie den Atem, den sie unbewusst angehalten hatte, zwischen den Lippen aus. Naruto konnte es sich eh schon denken. Weshalb also lügen? „Es war … Sasuke … mit einer anderen.“ Diese Worte auszusprechen tat weh. Dabei war es doch lächerlich. Denn inzwischen hatte sie sich damit abgefunden, dass aus ihnen niemals etwas werden würde. Sie hatte sich geschworen, über ihn hinwegzukommen, hatte das vielleicht auch eine Zeit lang geglaubt, als es ihr gelungen war, ihm erfolgreich aus dem Weg zu gehen. Doch diese Mission hatte ihr die Augen geöffnet. Und genau in diesem Moment, wurde es ihr klar.   „Wieso macht dir dieser Gedanke solche Angst?“, fragte Naruto sanft. Er klang, als wüsste er bereits die Antwort, wollte sie aber aus ihrem Mund hören.   Langsam öffnete sie die Augen, versuchte sich der Realität zu stellen. „Ich schätze …“ Diesen Schritt zu gehen fiel ihr nicht leicht, doch wie immer half Naruto ihr dabei.   „Liebst du ihn noch?“   Sakura zögerte, dann nickte sie und versuchte den dicken Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken, damit sie sprechen konnte. „Die erste große Liebe vergisst man nicht so schnell.“   Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie Naruto sie betrachtete. „Also für mich war das ein Ja“, sagte er und Sakura fand, dass er merkwürdig zufrieden klang.   Vielleicht lag es daran, dass er im Gegensatz zu ihr wusste, dass Sasuke nur einige Meter entfernt in Hörweite stand und ihre letzten Worte mitgehört hatte.   * * *   Wenig später war die kurze Verschnaufpause auch schon wieder vorbei und Sakura und Naruto machten sich auf den Weg zu ihrem restlichen Team. Schon von Weitem konnte Sakura sehen, dass Sasuke und Kakashi einander gegenüberstanden und sich unterhielten. Als sie sich ihnen näherten sahen sie zeitgleich in ihre Richtung. Der Gefangene schien immer noch bewusstlos und hing schlaff in seinen Fesseln. Es wurde Zeit, dass Sakura ihm zumindest den Kiefer heilte. Die Schmerzen wären sonst, sobald er aufwachte, kaum auszuhalten.   Sasuke wandte sich von Kakashi ab und kam auf die beiden zu. Für einen Moment stutzte sie bei seinem ernsten Gesichtsausdruck. Statt vor ihnen stehen zu bleiben, wie sie vielleicht erwartet hatte, ging er einfach weiter, packte sie am Oberarm und zog sie mit sich mit. Naruto ging einfach weiter, als wäre nichts geschehen.   Das einzige, was Sasuke in einem barschen Befehlston zu ihr sagte, war: „Komm mit.“   Völlig überrumpelt ließ Sakura sich mitziehen. „Was soll das?“   „Wir müssen uns unterhalten.“   „Jetzt?“ Über ihre Schulter schaute sie zurück zu Kakashi und Naruto, die ihnen beide hinterher sahen. Aus der Ferne konnte sie ihre Mimik nicht deuten. „Aber ich dachte wir kehren jetzt nach Iwagakure zurück.“   „Nein.“ Sasuke ging einfach weiter, ohne sie auch nur anzusehen. „Ich habe Kakashi gesagt, dass ich ungestört mit dir reden will. Sie werden uns für eine Weile in Ruhe lassen. Die Mission kann warten.“   Das verschlug ihr glatt die Sprache. Ohne Widerworte ließ sie sich mitziehen, bis Sasuke genug Distanz zwischen sich und die anderen gebracht zu haben schien, sodass sie ungestört waren. Die riesigen Felsen versperrten ihnen nun die Sicht. Sakuras Herz schlug vor Aufregung augenblicklich höher. Sie wusste nicht, was sie erwarten sollte. Weshalb wollte Sasuke ungestört mit ihr reden? Ging es vielleicht um die Mission? Hatten er und Kakashi etwas besprochen, was er ihr nun mitteilen wollte?   Ein Blick in sein Gesicht genügte um sicher zu sein, dass es sich keineswegs um die Mission handelte. Ihr rutschte das Herz in die Hose. Eine Vorahnung beschlich sie. Seine dunklen Augen sahen sie durchdringend an und sie wusste, dass es aus dieser Situation kein Entkommen gab.   Sie beide waren allein. Dafür hatte er gesorgt. Denn er wollte reden. Mit ihr.   Er wollte Antworten.   Er hatte den Mut, den sie nicht aufbringen konnte.   Sein Blick war entwaffnend, er schien sie zu durchbohren und willenlos zu machen, weshalb sie ihm auswich und stattdessen die spitze Kante eines Felsen fixierte.   Diese Situation machte sie unheimlich nervös. „Wo-worüber willst du denn mit mir reden?“   Erst als ihre Augen wieder unsicher auf seine trafen, ließ er sich zu einer Antwort herab. Und sein Anblick verschlug ihr die Sprache. So durchdringend hatte er sie schon einmal angesehen, in jener Nacht.   „Über uns.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)